Die Aufsichtsratstätigkeit in der Aktiengesellschaft im Spiegel strafrechtlicher Verantwortung [1 ed.] 9783428527717, 9783428127719

Sedes materiae für die strafrechtliche Verantwortung von Mitgliedern eines Aufsichtsrats ist das Zusammenspiel von Gesel

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Die Aufsichtsratstätigkeit in der Aktiengesellschaft im Spiegel strafrechtlicher Verantwortung [1 ed.]
 9783428527717, 9783428127719

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 202

Die Aufsichtsratstätigkeit in der Aktiengesellschaft im Spiegel strafrechtlicher Verantwortung

Von

Ralph Schilha

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

RALPH SCHILHA

Die Aufsichtsratstätigkeit in der Aktiengesellschaft im Spiegel strafrechtlicher Verantwortung

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dr. h. c. (Breslau) Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 202

Die Aufsichtsratstätigkeit in der Aktiengesellschaft im Spiegel strafrechtlicher Verantwortung

Von

Ralph Schilha

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas Hillenkamp, Heidelberg Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Wintersemester 2007/2008 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-12771-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Abhandlung wurde von der Juristischen Fakultät der RuprechtKarls-Universität Heidelberg im Wintersemester 2007 / 2008 als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten im Wesentlichen bis März 2008 berücksichtigt werden. Mein aufrichtiger Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas Hillenkamp, für die sehr freundliche Unterstützung und Betreuung dieser Arbeit sowie Herrn Prof. Dr. Gerhard Dannecker für die Erstellung des Zweitgutachtens und einige wertvolle ergänzende Anregungen. Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Friedrich-Christian Schroeder bin ich für die honorige Aufnahme des Werkes in die vorliegende Schriftenreihe ebenfalls sehr verbunden. Von Herzen danke ich des Weiteren all meinen Freunden, die mir auf dem Weg der Promotion unterstützend zur Seite gestanden haben. Mein persönlicher Dank gebührt hierfür vor allem meinem „Mitstreiter“ Dr. Thomas Gniadek. Unsere regelmäßigen gemeinsamen Mittags- und Kaffeepausen haben stets für Heiterkeit und positive Arbeitsstimmung gesorgt und damit nicht unwesentlich zum Gelingen dieser Abhandlung beigetragen. Großes Lob und meinen Dank verdient zudem Anke Meyer-Lamping, die bereitwillig ihre freie Zeit für das mühevolle Korrekturlesen des Manuskripts geopfert hat. Einen ganz besonderen Dank möchte ich schließlich meinen Eltern Gilda und Wolfgang Schilha aussprechen. Sie haben meinen gesamten Werdegang mit jeder nur denkbaren Unterstützung und Fürsorge begleitet und mir immer jenen familiären Rückhalt gegeben, der nicht zuletzt auch meine Promotion in dieser Form überhaupt erst ermöglicht hat. Ihnen widme ich deshalb dieses Werk. Wiesbaden, im April 2008

Ralph Schilha

Inhaltsübersicht § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

A. Kriminalpolitische und rechtspraktische Bedeutung der Untersuchung . . . . . . . . . .

29

B. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

C. Gang und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft in ihrer Bedeutung für das Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

A. Die strafrechtsgestaltende Kraft des Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . .

42

§ 3 Möglichkeiten einer Unterlassungsstrafbarkeit der Mitglieder des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 A. Einführung in die Problemstellung: Strafbarkeit wegen Nichtverhinderung von Straftaten durch die Geschäftsführung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 B. Dogmatische Grundlagen einer strafrechtlichen Legitimation von Garantenpflichten der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 C. Unterlassungsstrafbarkeit bei delinquentem Verhalten der Geschäftsführung zu Lasten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 D. Unterlassungsstrafbarkeit bei Straftaten zu Lasten der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . 198 E. Form der Tatbeteiligung im Rahmen der Unterlassungsverantwortlichkeit . . . . . . . 201 F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

§ 4 Die strafrechtliche Verantwortung der Aufsichtsratsmitglieder wegen Organuntreue gemäß § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

10

Inhaltsübersicht B. Vermögensfürsorgepflichten der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 C. Verletzung der Vermögensfürsorgepflicht durch die Aufsichtsratsmitglieder . . . . 265

§ 5 Die strafrechtlichen Konsequenzen faktischer Unternehmensleitung durch die Mitglieder des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 A. Kriminalpolitischer Hintergrund der strafrechtlichen Haftung faktischer Geschäftsführungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 B. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit kraft faktischer Unternehmensleitung im Rahmen der gesetzlich positivierten Sonderdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 C. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit kraft faktischer Unternehmensleitung im Rahmen der allgemeinen Garantenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360

§ 6 Die Verantwortlichkeit des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds im Rahmen strafrechtlich relevanter Kollegialentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 A. Innere Organisation und Willensbildung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 B. Strafrechtsrelevante Pflichtverletzung des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds . . . . . 370 C. Kausalität der individuellen Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 D. Pflichtwidrigkeitszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 E. Form der Tatbeteiligung bei Ausführungsbedürftigkeit der Kollegialentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390

§ 7 Wesentliche Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401

Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449

Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

A. Kriminalpolitische und rechtspraktische Bedeutung der Untersuchung . . . . . . . . . .

29

B. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

I. Begrenzung auf die Rechtsform der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

II. Begrenzung auf das Kernstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

C. Gang und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft in ihrer Bedeutung für das Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

A. Die strafrechtsgestaltende Kraft des Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

I. Verhältnis des Strafrechts zur außerstrafrechtlichen Rechtsordnung . . . . . . . . .

37

II. Konsequenzen der Sekundarität des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . .

42

I. Gegenstand der Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

1. Zu überwachender Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

a) Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

b) Ausführungsgehilfen des Vorstands und Angestellte in Leitungsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

c) Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

2. Sachliche Eingrenzung des Überwachungsfeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

II. Maßstäbe der Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

1. Allgemeine Verhaltensmaximen für unternehmerisches Handeln der Verwaltungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

a) Verfolgung des Unternehmensgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

12

Inhaltsverzeichnis b) Gewinnerzielung als Unternehmensziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

c) Beachtung des Unternehmensinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

2. Konkrete Prüfungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

a) Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

aa) Umfang der Legalitätskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

bb) Überwachungspflicht bei Straftaten des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . .

60

b) Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

c) Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

d) Zweckmäßigkeit der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

III. Durchführung der Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

1. Das Überwachungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

2. Reichweite und Grenzen der Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

a) Feststellung des Sachverhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

b) Unternehmerische Entscheidungsprärogativen des Vorstands und ihre Überprüfbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

aa) Beurteilungsspielräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

bb) Ermessensspielräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

3. Art und Umfang der vom Aufsichtsrat zu treffenden Entscheidungen . . . .

70

a) Überwachungsentscheidungen des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

b) Unternehmerische Entscheidungen des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

4. Die Bedeutung der Unternehmenslage für die Intensität der Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

IV. Kompetenzen und Mittel des Aufsichtsrats zur Einwirkung auf den Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

1. Stellungnahmen und Beanstandungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

2. Beratung des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

3. Personalauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

a) Bestellung und Anstellung von Vorstandsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

b) Widerruf der Bestellung und Kündigung der Anstellung . . . . . . . . . . . . . .

79

c) Suspendierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

4. Erlass einer Geschäftsordnung für den Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

5. Zustimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

6. Einberufung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

Inhaltsverzeichnis

13

7. Verweigerung der Zustimmung zum Jahresabschluss und Mitentscheidung bei der Bildung von Gewinnrücklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

8. Leistungs- oder Unterlassungsklage zur Erzwingung pflichtgemäßen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

9. Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

V. Verhaltenspflichten und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder . . . . .

99

1. Pflicht zur sorgfältigen Wahrnehmung der Organfunktion . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Treuepflicht und Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3. Verschuldensmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

§ 3 Möglichkeiten einer Unterlassungsstrafbarkeit der Mitglieder des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 A. Einführung in die Problemstellung: Strafbarkeit wegen Nichtverhinderung von Straftaten durch die Geschäftsführung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 B. Dogmatische Grundlagen einer strafrechtlichen Legitimation von Garantenpflichten der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 I. Konzeptionen und Kriterien zur Legitimation der Garantenhaftung . . . . . . . . . 109 1. Die formale Konzeption der Rechtsquellenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Materiale Konzeptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Das dualistische Konzept der sog. Funktionenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 b) Monistische Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 aa) Das Prinzip der Gefahrschaffung als Grundlage der Garantenpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 bb) Das Vertrauensprinzip als Grundlage der Garantenpflicht . . . . . . . . 114 cc) Soziale Verhaltenserwartungen als Grundlage der Garantenpflicht 115 dd) Der Herrschaftsgedanke als Grundlage der Garantenpflicht . . . . . . 117 II. Begründung der Garantenstellung durch normative Zuweisung und Abgrenzung von Verantwortungsbereichen auf der Grundlage des Herrschaftsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 C. Unterlassungsstrafbarkeit bei delinquentem Verhalten der Geschäftsführung zu Lasten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 I. Beschützergarantenstellung auf Grund der Organfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Schutzpflichten für die Rechtsgüter der Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

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Inhaltsverzeichnis 2. Schutzpflichten für bestimmte Individualrechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Der „Normalbürger“ als Schutzobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) Die Gläubiger der Gesellschaft als Schutzobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 c) Die am Unternehmensverband beteiligten Aktionäre und Mitarbeiter als Schutzobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 II. Überwachungsgarantenstellung aus vorangegangenem, gefährlichem Verhalten (Ingerenz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 1. Allgemeine Entstehungsvoraussetzungen der Ingerenzpflicht . . . . . . . . . . . . 135 a) Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Pflichtwidrigkeitszusammenhang zwischen Vorverhalten und Gefahr . 137 c) Schutzzweckzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 d) Zurechnung der Gefahr fremder Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. Garantenpflichtbegründendes, gefährliches Vorverhalten des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 a) Zustimmung zu einer Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands . . . . 141 aa) Gefahrschaffung sowohl durch pflichtwidrige als auch durch pflichtgemäße Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 bb) Pflichtwidrigkeitszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 cc) Außenwirkung der Organpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 dd) Zurechnung der Gefahr einer Vorstandsstraftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Pflichtwidrige Beratung des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 c) Pflichtwidrige Auswahl und Bestellung eines delinquenten Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 d) Sonstiges pflichtwidriges Verhalten im Rahmen der Überwachungsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 3. Inhalt der Ingerenzverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 4. Sonderproblem: Funktionsnachfolge des Ingerenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 III. Überwachungsgarantenstellung auf Grund der Verantwortung für strafrechtswidriges Verhalten des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Die Entstehungsvoraussetzungen einer Aufsichtsgarantenpflicht vor dem Hintergrund des strafrechtlichen Prinzips der Eigenverantwortlichkeit . . . 154 a) Die Bedeutung gesetzlicher Spezialregelungen einer Aufsichtspflicht . 155

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b) Begründung einer Verantwortung für fremdes Handeln auf der Grundlage einer praktischen Konkordanz von personaler Herrschaftsmacht und Eigenverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2. Die Anerkennung strafrechtlicher Aufsichtsgarantenpflichten im Unternehmen im Rahmen der sog. Geschäftsherrenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 a) Die Straftatverhinderungspflicht auf Grund der sachlichen Herrschaft über betriebliche Gefahrenquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 b) Die Straftatverhinderungspflicht auf Grund der personalen Herrschaft über die untergebenen Mitarbeiter als Gefahrenquelle . . . . . . . . . . . . . . . . 165 3. Die Begründung einer normativen Herrschaftsposition des Aufsichtsrats als Grundlage einer Aufsichtsgarantenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Die sachliche Herrschaft als Entstehungsgrund einer Straftatverhinderungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 b) Die personale Herrschaft als Entstehungsgrund einer Straftatverhinderungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 aa) Die gesellschaftsrechtlich anerkannten Einwirkungsbefugnisse gegenüber dem Vorstand als Grundlage einer Herrschaftsgewalt . . 170 (1) Stellungnahmen und formelle Beanstandungen . . . . . . . . . . . . . . . 170 (2) Erlass einer Geschäftsordnung für den Vorstand . . . . . . . . . . . . . . 170 (3) Einberufung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (4) Verweigerung der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (5) Widerruf der Bestellung und außerordentliche Kündigung der Anstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 bb) Deduktion einer Sonderweisungsbefugnis aus der gesetzlichen Personalkompetenz zur Begründung der Herrschaftsgewalt . . . . . . . 177 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 4. Personale und sachliche Eingrenzung der zu verhindernden Straftaten . . . 182 5. Inhalt der Aufsichtsgarantenpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 a) Pflicht zur Gefahrabwendung oder auch zur Gefahrminderung? . . . . . . 186 b) Einwirkungsmöglichkeiten zur Verhinderung von Straftaten des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 c) Pflichtgemäßes Verhalten im Rahmen der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit . 190 aa) Verhältnis von Garanten- und Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 bb) Gesellschaftsrechtliche Sorgfaltsobliegenheiten als Ausgangspunkt der inhaltlichen Bestimmung pflichtgemäßen Verhaltens im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (1) Divergenzen zwischen dem zivilrechtlichen Pflichtbegriff und strafrechtlichen Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

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Inhaltsverzeichnis (2) Orientierungs- und Indizwirkung gesellschaftsrechtlicher Verhaltensgebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (3) Projektion organschaftlicher Binnenpflichten ins Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 cc) Sorgfaltsanforderungen einer pflichtgemäßen Überwachung . . . . . 196 (1) Objektiv-typisierte Sorgfaltsanforderungen des Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (2) Zusätzlich individualisierender Maßstab des strafrechtlichen Schuldprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 D. Unterlassungsstrafbarkeit bei Straftaten zu Lasten der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . 198 I. Überwachungsgarantenstellungen bei delinquentem Verhalten des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 II. Beschützergarantenstellung gegenüber der Gesellschaft auf Grund der spezifischen Organfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 E. Form der Tatbeteiligung im Rahmen der Unterlassungsverantwortlichkeit . . . . . . . 201 I. Vorsatzdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Beteiligung an einem Begehungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 aa) Subjektiv geprägte Kriterien der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 bb) Abgrenzung nach der objektiven Tatherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 cc) Differenzierung nach der Art der Pflichtenstellung . . . . . . . . . . . . . . . 204 dd) Täterschaft kraft Pflichtstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 b) Täterschaft der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 c) Teilnahme der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2. Beteiligung an einem Unterlassungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 II. Fahrlässigkeitsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

§ 4 Die strafrechtliche Verantwortung der Aufsichtsratsmitglieder wegen Organuntreue gemäß § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 I. Das rechtshistorische Fundament der Organuntreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 II. Die (Organ-)Untreue im Brennpunkt der aktuellen kriminalpolitischen und rechtsdogmatischen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

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III. Das geschützte Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 IV. Abgrenzung des Unrechtsgehalts der Untreue von den Insolvenzstraftaten . . 218 1. Die verschiedenen Abgrenzungskriterien im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 2. Die These von der Unabhängigkeit der Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 V. Die tatbestandlichen Modalitäten der Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Abgrenzung der Tatbestandsvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 a) Die Missbrauchsuntreue, § 266 Abs. 1, 1. Alt. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 b) Die Treubruchsuntreue, § 266 Abs. 1, 2. Alt. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 2. Der gemeinsame Unrechtskern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 3. Die Vermögensfürsorgepflicht als täterschaftskonstituierendes Merkmal 226 4. Vorsatz und Unrechtsbewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 B. Vermögensfürsorgepflichten der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 I. Das Vermögensfürsorgeverhältnis zwischen Aufsichtsrat und Aktiengesellschaft als rechtliche Grundlage untreuerelevanter Einzelpflichten . . . . . . . . . . . 232 1. Allgemeine Wesensmerkmale eines Vermögensfürsorgeverhältnisses . . . . 232 2. Der Vermögensfürsorgecharakter der Aufsichtsratsfunktion . . . . . . . . . . . . . 234 II. Maßgaben zur Bestimmung der tatbestandsmäßigen Vermögensfürsorgepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Spezifischer Zusammenhang der strafbewehrten Pflicht mit dem Aufgabenkreis der Vermögensfürsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 a) Abgrenzung der qualifizierten Vermögensfürsorgepflicht von sonstigen Rechtspflichten gegenüber dem Vermögensinhaber . . . . . . . . . . . . . 236 b) Qualifizierte Voraussetzungen einer Vermögensfürsorgepflicht . . . . . . . 237 aa) Zweckgerichteter Schutz des betreuten Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . 237 bb) Funktionaler Zusammenhang mit der Vermögensherrschaft . . . . . . 243 2. Zivilrechtsakzessorietät und verfassungsrechtliche Bestimmtheitsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 III. Extraktion der einzelnen Vermögensfürsorgepflichten der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 1. Formelle Pflichten des Aktienrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 a) Pflichten ohne vermögensspezifische Schutzrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

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Inhaltsverzeichnis aa) § 105 AktG: Unvereinbarkeit der Zugehörigkeit zum Vorstand und zum Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 bb) § 107 Abs. 3 AktG: Beschränkung der Aufgabendelegation an Ausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 cc) § 108 Abs. 1 AktG: Gebot ausdrücklicher Beschlussfassung . . . . . . 249 dd) § 110 Abs. 1 AktG: Einberufungspflicht des Aufsichtsratsvorsitzenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 ee) § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG: Verbot der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 b) Pflichten mit vermögensrelevanter Schutzrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 aa) Vermögensbezug der einzelnen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (1) § 107 AktG: Innere Ordnung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . 250 (2) § 108 Abs. 2 AktG: Voraussetzung der Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (3) § 109 Abs. 1 AktG: Beschränkung der Teilnahmemöglichkeit organfremder Personen an Sitzungen des Aufsichtsrats . . . . . . . 251 (4) § 110 Abs. 3 AktG: Obligatorische Aufsichtsratssitzungen . . . 251 (5) § 161 Satz 1 AktG: Erklärungspflicht zum Corporate Governance Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (6) § 171 Abs. 2 AktG: Berichtspflichten des Aufsichtsrats . . . . . . 252 (7) §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG: Pflichten des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds zur sorgfältigen Wahrnehmung der Organfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 bb) Ausschließlich mittelbarer Schutz des Gesellschaftsvermögens durch formelle Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 c) Bedeutung formeller Pflichtverstöße für den Untreuetatbestand . . . . . . . 254 2. Materielle Pflichten des Aktienrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 a) § 87 Abs. 1 AktG: Gewährleistung angemessener Vorstandsbezüge . . . 256 b) § 111 Abs. 1 AktG: Pflicht zur Überwachung der Geschäftsleitung . . . 256 c) §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 3 AktG: Pflicht zur Verschwiegenheit . . . . . . . . . 258 d) §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG: Allgemeine Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . 261 aa) Pflicht zur sorgfältigen Wahrnehmung der organschaftlichen Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 bb) Allgemeine Treuepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 (1) Aktive Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 (2) Passive Treuepflicht: Ausnutzungsverbot und Willkürverbot 262 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 C. Verletzung der Vermögensfürsorgepflicht durch die Aufsichtsratsmitglieder . . . . 265

Inhaltsverzeichnis

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I. Präjudizielle Voraussetzungen der Pflichtwidrigkeit nach Maßgabe des Aktienrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 1. Kodifizierung der Business Judgment Rule in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG n.F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 a) Dogmatische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 b) Ratio legis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 aa) Ökonomische Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 bb) Divergenz zwischen Verhaltens- und Nachprüfungsstandard . . . . . . 268 c) Regelungstechnik des „sicheren Hafens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 2. „Unternehmerische Entscheidung“ des Aufsichtsrats als zentrale Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule . . . . . . . . . . . . . 270 a) „Entscheidung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 b) „unternehmerisch“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 3. Voraussetzungen der Haftungsbefreiung nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG . . 275 a) Handeln zum Wohle der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 b) Handeln auf der Grundlage angemessener Information . . . . . . . . . . . . . . . 278 II. Handlungsunrecht der Untreue bei aktienrechtlichen Pflichtverletzungen . . . 280 1. Strafrechtsspezifische Kautelen der Pflichtwidrigkeit bei Risikogeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 a) Maßstab der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 b) Beschränkung der tatbestandlichen Pflichtwidrigkeit nach Maßgabe des Bestimmtheitsgebots in Art. 103 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 2. Beschränkung des strafbewehrten Unrechts auf „gravierende“ aktienrechtliche Pflichtwidrigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 a) Rechtsprechung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . 285 b) Analyse der höchstrichterlichen Tatbestandseinschränkung . . . . . . . . . . . 285 aa) Verweis auf das Erfordernis eines Schutzzweck- und Pflichtwidrigkeitszusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 bb) Konturierung des unternehmerischen Entscheidungsspielraums . . 286 c) Allgemeine Beschränkung des Handlungsunrechts auf „gravierende“ aktienrechtliche Pflichtwidrigkeiten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

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Inhaltsverzeichnis III. Ausschluss der Pflichtwidrigkeit durch Einverständnis des Vermögensinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 1. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 2. Reichweite der Dispositionsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 IV. Praktisch relevante Fallkonstellationen einer Untreuestrafbarkeit der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 1. Missbrauchsuntreue durch Verletzung der Vermögensfürsorgepflicht gemäß § 87 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 a) Pflichtwidrige Festsetzung von Vorstandsbezügen dem Grunde nach . . 298 aa) Freiwillige Anerkennungsprämien für aktive Vorstandsmitglieder („Appreciation awards“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 (1) Stand der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 (2) Dogmatische Einordnung der Rechtsprechung in das Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Keine präjudizierende Wirkung des Aufgabenbegriffs in § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Zulässigkeit der Abänderung der dienstvertraglichen Vergütungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Keine Notwendigkeit einer Anreizwirkung der Vergütung

300 300 301 303

(3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 bb) Abfindungszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 (1) Abgeltung der vertraglichen Vergütungsansprüche . . . . . . . . . . . 306 (2) Besondere Abfindungsprämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 (3) „Change-of-Control“-Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 (4) „Golden Parachutes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 cc) Freiwillige Sondervergütungen für ehemalige Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 b) Pflichtwidrige Festsetzung von Vorstandsbezügen der Höhe nach . . . . . 312 aa) Aktienrechtliche Parameter einer angemessenen Gesamtvergütung gemäß § 87 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 bb) Strafrechtliche Grenzen der Vergütungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . 317 (1) Angemessenheitsgrenze fester Vergütungsbestandteile . . . . . . . 317 (2) Angemessenheitsgrenze variabler Vergütungsbestandteile . . . . 319 (3) Angemessenheitsgrenze von Abfindungsvereinbarungen . . . . . 322 c) Ausschluss der Pflichtwidrigkeit durch rechtfertigende Pflichtenkollision? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324

Inhaltsverzeichnis

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d) Fallstudie: Die Vergütungsentscheidungen im Fall Mannesmann / Vodafone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 aa) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 bb) Rechtliche Einordnung in den Untreuetatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 (1) Pflichtwidrigkeit der nachträglichen Vergütungen . . . . . . . . . . . . 328 (2) Vorsatz und Unrechtsbewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 2. Treubruchsuntreue durch Verletzung der Überwachungspflicht gemäß § 111 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 3. Treubruchsuntreue durch Verletzung der Verschwiegenheitspflicht gemäß §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 4. Untreue durch Verstoß gegen die allgemeinen Sorgfalts- und Treuepflichten gemäß §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 a) Missbrauchsuntreue durch pflichtwidrige Vergabe von Organkrediten 337 b) Missbrauchsuntreue durch vorzeitige Wiederbestellung eines Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 c) Missbrauchsuntreue durch pflichtwidrige Freistellung des Vorstands . . 341 d) Treubruchsuntreue durch Abgabe einer fehlerhaften Stellungnahme gemäß § 27 Abs. 1 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 e) Treubruchsuntreue bei Verstoß gegen die Erklärungspflicht gemäß § 161 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 5. Treubruchsuntreue durch Verstoß gegen eine einzelfallbezogene Vermögensfürsorgepflicht im Rahmen einer Geschäftsbesorgung für die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 a) Grundlage der Vermögensfürsorgepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 b) Verletzung der Vermögensfürsorgepflicht durch unzulässige Annahme verdeckter Provisionen („kick-backs“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346

§ 5 Die strafrechtlichen Konsequenzen faktischer Unternehmensleitung durch die Mitglieder des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 A. Kriminalpolitischer Hintergrund der strafrechtlichen Haftung faktischer Geschäftsführungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 B. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit kraft faktischer Unternehmensleitung im Rahmen der gesetzlich positivierten Sonderdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 I. Gegenwärtiger Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . 350 1. Der extensive Standpunkt der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 2. Das polarisierte Meinungsbild in der Rechtslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351

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Inhaltsverzeichnis II. Die Vereinbarkeit der Normadressatenerweiterung mit den strafrechtlichen Auslegungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 1. Strafbegründung im Anwendungsbereich des § 14 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 2. Faktisch-funktionale Bestimmung des Geschäftsführers bzw. Vorstands als primärer Normadressat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 III. Materielle Voraussetzungen einer „faktischen“ Geschäftsführung . . . . . . . . . . . 355 1. Die Kriterien der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 2. Die „faktische“ Unternehmensleitung durch die Mitglieder des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 C. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit kraft faktischer Unternehmensleitung im Rahmen der allgemeinen Garantenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361

§ 6 Die Verantwortlichkeit des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds im Rahmen strafrechtlich relevanter Kollegialentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 A. Innere Organisation und Willensbildung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 I. Der Vorsitz im Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 II. Der Verfahrensablauf im Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 1. Die Aufsichtsratsitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 2. Die Willensbildung und Beschlussfassung im Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . 365 III. Ausschüsse des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 1. Ausschussbildung als Organisationsinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 2. Ausschussformen und ihre Implementierung in der Unternehmenspraxis

367

3. Verhältnis der Ausschüsse zum Gesamtaufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 B. Strafrechtsrelevante Pflichtverletzung des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds . . . . . 370 I. Pflichtverletzung durch rechtswidriges Stimmverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 II. Pflichtverletzung durch Stimmenthaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 III. Pflichtverletzung bei rechtmäßigem Stimmverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 1. Keine Strafbarkeit der bloßen Teilnahme an der Abstimmung im Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374

Inhaltsverzeichnis

23

2. Pflicht zum Einschreiten gegen die strafrechtswidrige Gremiumsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 IV. Verletzung einer Initiativpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 V. Pflichtverletzung des verhinderten Aufsichtsratsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 VI. Pflichtverletzung im Tätigkeitsbereich eines Ausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 1. Pflichten der Ausschussmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 2. Pflichten der Plenumsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 C. Kausalität der individuellen Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 I. Kausalität kraft Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 II. Modifizierte Äquivalenztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 1. Lehre vom Erfolg in seiner konkreten Gestalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 2. Kombination von kumulativer und alternativer Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . 387 III. Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 IV. Lehre von der Inus-Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 D. Pflichtwidrigkeitszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 E. Form der Tatbeteiligung bei Ausführungsbedürftigkeit der Kollegialentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390

§ 7 Wesentliche Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401

Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449

Abkürzungsverzeichnis A.A. Abs. AcP a.E. a.F. AG AktG AO AR Art. AuR AWG BAG BayVBl BB Begr. RegE BetrVG BFH BFuP BGB BGBBl. BGE BGH BGHR BGHSt BGHZ BKR BMJ BT-Drucks. BVerfGE bzw. ca. CDU DAV DAX

Anderer Ansicht Absatz Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) am Ende alte Fassung Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Aktiengesetz Abgabenordnung Aufsichtsrat Artikel Arbeit und Recht (Zeitschrift) Außenwirtschaftsgesetz Bundesarbeitsgericht Bayrische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) Betriebs-Berater (Zeitschrift) Begründung zum Regierungsentwurf Betriebsverfassungsgesetz Bundesfinanzhof Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts Bundesgerichtshof Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Bundesgerichtshof, Entscheidungen in Strafsachen Bundesgerichtshof, Entscheidungen in Zivilsachen Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundesministerium der Justiz Bundestags-Drucksache Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise circa, lateinisch für „ungefähr“ Christlich Demokratische Union Deutschlands Deutscher Anwaltsverein Deutscher Aktienindex

Abkürzungsverzeichnis DB DCGK ders. d. h. DJT DR DRiZ DStR DZWiR EWiR F.A.Z. FG FinDAG FS GA GBP GenG GerS GesRZ GewO GG GmbH GmbHG GmbHR GRUR GS GWG Hdb. HGB h. M. InsO JA JMBlNRW JR Jura JuS JZ KAGG KJ Komm. KontraG Kreditwesen

Der Betrieb (Zeitschrift) Deutscher Corporate Governance Kodex derselbe das heißt Deutscher Juristentag Deutsches Recht (Zeitschrift) Deutsche Richterzeitung Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Frankfurter Allgemeine Zeitung Festgabe Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz Festschrift Goltdammer’s Archiv für Strafrecht (Zeitschrift) Great Britain Pound Genossenschaftsgesetz Der Gerichtssaal (Zeitschrift) Zeitschrift für Gesellschafts- und Unternehmensrecht Gewerbeordnung Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) Gedächtnisschrift Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten Handbuch Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Insolvenzordnung Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Juristische Rundschau (Zeitschrift) Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Kritische Justiz (Zeitschrift) Kommentar Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen

25

26 KritV KStG KWG LG LPresseG BW mbH MDR Mio. MitbestErgG

MitbestG MontanMitbestG m. w. N. n.F. NJW NStZ NZG NZI o.g. OLG OWiG PartG RdA RGBl RGSt Rn. Rspr. RuP SchwBGE SchwJZ SeemannsG SE-VO StGB StPO StraFO StV StVollzG TransPuG u. u. a.

Abkürzungsverzeichnis Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Körperschaftssteuergesetz Gesetz über das Kreditwesen Landgericht Landespressegesetz für das Land Baden-Württemberg mit beschränkter Haftung Monatsschrift für Deutsches Recht Millionen Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer Montan-Mitbestimmungsgesetz mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenzrecht und Sanierung oben genannt Oberlandesgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Parteiengesetz Recht der Arbeit (Zeitschrift) Reichsgesetzblatt Reichsgericht-Rechtsprechung in Strafsachen Randnummer Rechtsprechung Recht und Politik (Zeitschrift) Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts Schweizerische Juristenzeitung Seemannsgesetz Verordnung (EG) Nr. 2157 / 2001 des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Strafverteidiger Forum (Zeitschrift) Strafverteidiger (Zeitschrift) Strafvollzugsgesetz Transparenz- und Publizitätsgesetz und unter anderem bzw. und andere

Abkürzungsverzeichnis UMAG UmwG UrhG USA UWG VersR vgl. VorstOG VRS WiB Wistra WM WPg WpHG WpÜG WRP WuB Zfwu ZGR ZHR Ziff. ZInsO ZIP ZPO ZRP ZStR ZStW ZZP

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Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts Umwandlungsgesetz Urheberrechtsgesetz United States of America Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Versicherungsrecht (Zeitschrift) vergleichlich Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen Verkehrsrechts-Sammlung Wirtschaftsrechtliche Beratung (Zeitschrift) Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Wertpapierhandelsgesetz Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift) Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozeß

§ 1 Einleitung A. Kriminalpolitische und rechtspraktische Bedeutung der Untersuchung Angesichts spektakulärer Unternehmenskrisen1 und auffällig häufiger Verfehlungen von Führungskräften in der Wirtschaft werden die wirtschaftsrechtlichen Diskussionen in den letzten Jahren weltweit und besonders in Deutschland zunehmend durch die aus dem angelsächsischen Raum überlieferten Schlagworte „Business Ethics“, „Corporate Governance“ und „Corporate Compliance“2 geprägt3. Die Erkenntnis, dass vor allem der Verfall gesellschaftlicher Werte die Ursache für delinquentes Verhalten in den Führungsetagen der Unternehmen bildet4, hat in der Praxis die Implementierung rechtlicher und ethischer Kodizes forciert, mit denen Werte und rechtliche Grenzen nachdrücklich kommuniziert sowie Effekte der Selbstbindung gefördert werden sollten5. Der nicht abnehmende Lärm der Diskussionen und die regelmäßig neuen Medienberichte 6 über kriminelle Entgleisungen deutscher Manager beweisen gleichwohl eine weiterhin mangelnde Internalisie1 Exemplarisch seien genannt „EM.TV“, „Phillip Holzmann“, „Metallgesellschaft“, „Balsam“, „Bremer Vulkan“ in Deutschland sowie „Enron“ und „Worldcom“ in den USA. 2 Corporate Compliance ist eine Komponente der Corporate Governance und umschreibt im betriebswirtschaftlichen Kontext die Summe der Bemühungen, allen normativen Vorgaben durch vorbeugende Organisationsmaßnahmen im Unternehmen zu entsprechen; vgl. dazu Hauschka, AG 2004, S. 461 ff.; Rodewald / Unger, BB 2006, S. 113 ff. 3 Instruktiv die jüngste Bestandsaufnahme von Hefendehl, JZ 2006, S. 119 ff.; aus der Fülle der Veröffentlichungen beispielgebend Hommelhoff / Hopt / v.Werder, Handbuch Corporate Governance; speziell zum kriminalpräventiven Potenzial von Business Ethics vgl. Bussmann, zfwu 2004, S. 35 ff.; zur Entwicklung der Corporate Governance in Europa siehe Maul, BB 2005, Special 9, S. 2 ff. 4 Bussmann, zfwu 2004, S. 43; Hefendehl, JZ 2006, S. 121 m. w. N. 5 Näher zu solchen Leitlinien auf Unternehmensebene Bussmann, zfwu 2004, S. 45 m. w. N. Auf bundesdeutscher Ebene wurde im Zuge dieser Entwicklung am 26. 2. 2002 der Deutsche Corporate Governance Kodex für börsennotierte Gesellschaften verabschiedet; auch in der Betriebswirtschaftslehre wurden Grundsätze einer ordnungsgemäßen Unternehmensführung entwickelt; eingehend dazu Kort, in: Großkomm. AktG, Vor § 76 / Rn. 35 ff. 6 Vgl. auszugsweise F.A.Z. vom 16. 3. 2004, S. 6 (Vorwurf der Bilanzfälschung und Untreue bei der Bankgesellschaft Berlin AG); Handelsblatt vom 19. 7. 2005, S. 18 (Vorwurf der Untreue und Bestechlichkeit bei Infineon); F.A.Z. vom 17. 11. 2006, S. 18 (Verdacht der Untreue und Bestechung bei Siemens); F.A.Z. vom 26. 1. 2007, S. 11 (Nachweis der Untreue bei Volkswagen; siehe dazu auch das Urteil des LG Braunschweig vom 22. 02. 2008, nicht rechtskräftig).

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§ 1 Einleitung

rung dieser Normen bei den Protagonisten7 und offenbaren damit die Illusion, dass allein von innen geläuterte Unternehmen und deren Lenker auf rechtswidrige Praktiken verzichten8. Dieser negative Befund rückt in besonderem Maße die Qualität der Aufsichtsräte in den Fokus der Kritik. Denn im Grunde genommen kennzeichnet die gesetzliche Einführung des Aufsichtsrats als zusätzliches gesellschaftsinternes Überwachungsgremium den Ursprung jeder Bemühung um eine gute und verantwortungsvolle Führung der Unternehmen9. Deshalb verwundert es nicht sonderlich, dass kein anderes Organ des Unternehmensrechts die Phantasie und die Gemüter von Fachleuten und Laien im In- und Ausland seit über 50 Jahren so sehr beschäftigt10. Auf Grund der anhaltenden Umsetzungsdefizite jedweder im Gesellschaftsrecht etablierter Verhaltenskodizes besteht heute mehr denn je das Bedürfnis, den Aufsichtsrat als ständige unternehmenseigene Kontrollinstanz verstärkt und konsequent in die ihm zugedachte Verantwortung zu nehmen. Damit verbindet sich indessen die entscheidende Frage, welche der bestehenden gesetzlichen Vorgaben im Einzelnen sicherstellen, dass die Aufsichtsräte ihrer Überwachungsaufgabe effektiv nachkommen und gegebenenfalls für ein Fehlverhalten in dem gebotenen Umfang zur Rechenschaft gezogen werden – „quis custodiet ipsos custodes?“11. Das Aktienrecht gewährleistet de lege lata keine effektive Kontrolle der Aufsichtsräte, die sie prohibitiv zu einer Verbesserung ihrer (Kontroll-)Tätigkeit im Unternehmen veranlassen könnte und damit in letzter Konsequenz zu einer positiven Entwicklung deutscher Corporate Governance beitragen würde. Denn nach dem aktienrechtlichen System der Klagemöglichkeiten ist in erster Linie der Vorstand dazu berufen, gegen die Mitglieder des Aufsichtsrats einen Haftungsanspruch der Gesellschaft gerichtlich geltend zu machen (§ 78 Abs. 1 AktG). Führt man sich vor Augen, dass zuweilen nicht nur ein natürlicher Interessengegensatz zwischen den beiden Organen fehlt12, sondern der Vorstand im Übrigen vor Ge7 Laut einer Deloitte-Studie zur Entwicklung der Aufsichtsratspraxis in Deutschland stuften beispielsweise noch im Jahre 2004 rund 83 Prozent der Aufsichtsratsvorsitzenden in den DAX-Unternehmen den Einfluss des DCGK auf ihre Arbeit als „gering“ ein; vgl. http: //www.deloitte.com/dtt/cda/doc/content/DE_CG_Aufsichtsratspraxis_in_Deutschland_ 2004_260304.pdf, S. 19. 8 Gleichsinnig die Kritik von Hefendehl, JZ 2006, S. 125; Schünemann, Organuntreue, S. 8 f. 9 So weist auch Lutter, ZIP 2003, S. 737, darauf hin, dass die Ära der Corporate Governance in Deutschland eigentlich bereits mit der Einführung des Aufsichtsrats begonnen hatte. Das deutsche Aktienrecht setzt deshalb im Vergleich zu anderen Corporate-Governance-Systemen, die keinen Aufsichtsrat kennen, bewusst auf die Prävention unternehmerischen Fehlverhaltens durch das ständige Kontrollorgan; vgl. M. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 31. 10 So Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 1 / Rn. 1. 11 Juvenal, Satura VI, 347. 12 Insbesondere bei Entscheidungen des Aufsichtsrats über die Vorstandsvergütung, vgl. Fleischer, DB 2005, S. 1612; Thüsing, ZGR 2003, S. 566. Eine fehlende Unabhängigkeit der

A. Kriminalpolitische und rechtspraktische Bedeutung der Untersuchung

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richt vortragen müsste, er selbst habe eine Pflichtwidrigkeit begangen, die der Aufsichtsrat nicht pflichtgemäß verhindert habe, so liegt es nahe, dass die Motivation der Vorstände zur Erhebung solcher Schadensersatzklagen sehr gering ist13. Der Aufsichtsrat muss zwar darüber hinaus auch in der Hauptversammlung Rechenschaft über seine Tätigkeit ablegen. Solange dem Unternehmen aber nicht gerade die Insolvenz droht, bleiben auf dieser Ebene persönliche Konsequenzen für die Aufsichtsratsmitglieder in der Praxis regelmäßig aus14. Selbst die wiederholte Verschärfung des Verfolgungsrechts der Aktionäre in den §§ 147, 148 AktG konnte der aktienrechtlichen Haftung des Aufsichtsrats bislang zu keiner nennenswerten forensischen Bedeutung verhelfen15. Leiden die aktienrechtlichen Kontrollmechanismen in der Praxis mithin an de lege lata kaum überwindbaren Effizienzproblemen, kommt folgerichtig dem Strafrecht eine tragende Funktion bei der gebotenen Kontrolle der Aufsichtsratstätigkeit zu. Dass die Strafgerichte die Funktion übernehmen müssen, die eigentlich primär Aufgabe der Zivilgerichte wäre, verdeutlichte jüngst der spektakuläre Fall „Mannesmann / Vodafone“, in dem die Frage einer (aktienrechtlichen) Pflichtwidrigkeit der Aufsichtsratsmitglieder ausschließlich von den Strafrichtern aufgearbeitet wurde16. Eine konsequente Anwendung des geltenden Strafrechts erscheint vielmehr unentbehrlich, um die Aufsichtsräte jedenfalls mit dem scharfen Schwert drohender strafrechtlicher Sanktionen präventiv zu rechtmäßigem Verhalten und einer pflichtgemäßen Überwachung des Managements zu motivieren17. Die strafrechtliche Kontrolle der Unternehmenslenker im Allgemeinen und der Aufsichtsräte im Besonderen ist deshalb rechtstatsächlich eine tragende Säule des Corporate Governance-Systems in Deutschland, wenngleich sie die für eine verantwortungsvolle und gute Unternehmensführung erforderliche fachliche Qualität, professioOrgane resultiert zudem oft aus personellen Verflechtungen („interlocking directorship“), die dem System nebenamtlicher Aufsichtsräte in Deutschland strukturell immanent sind; siehe Hopt, in: FS Mestmäcker 1996, S. 929; Paal, DStR 2005, S. 385. 13 Peltzer, WM 1981, S. 348 f., spricht pointiert von einer sozialen „Bißsperre“; vgl. auch Feddersen, in: FS Laufs 2006, S. 1169; Heermann, AG 1998, S. 210; Hüffer, Komm. AktG, § 147 / Rn. 1; Körner, NJW 2004, S. 2699; Pahlke, NJW 2002, S. 1687. Hinzu kommt, dass der Aufsichtsrat einen Vorstand, der ihn verklagt, kaum so lange im Amt belassen wird, bis die Klage Erfolg hat; vgl. Mertens, in: Feddersen / Hommelhoff / Schneider, Corporate Governance, S. 158; Paal, DStR 2005, S. 384. 14 Fastrich, in: FS Heldrich 2005, S. 162. 15 Vgl. auch Paal, DStR 2005, S. 384; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 15. 16 Siehe dazu im Einzelnen unten § 4, C., IV., 1., d). 17 In der Sache ebenso Schünemann, Organuntreue, S. 44. Das Drohpotential strafrechtlicher Sanktionen ist für eine wirksame Prävention auch insofern von Bedeutung, als ausschließlich zivilrechtliche Sanktionen gegebenenfalls durch Vermögenshaftpflichtversicherungen (sog. D&O-Versicherungen) der Organmitglieder aufgefangen werden. Bei festgestellten (Vermögens-)Straftaten kommt dieser Versicherungsschutz hingegen regelmäßig nicht zur Anwendung, da die Musterbedingungen der D&O-Police in Ziff. 51 ausdrücklich einen Ausschluss für alle „vorsätzlichen“ Pflichtverletzungen vorsehen; vgl. dazu Preussner / Pananis, BKR 2004, S. 348 mit Fn. 8.

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§ 1 Einleitung

nelle Ethik und persönliche Unabhängigkeit der Mandatsträger natürlich nicht zu ersetzen vermag18. Da Unternehmensverfassung und Corporate Governance in einem internationalen Wettbewerb um die Gunst der Investoren stehen19, wurde die Einleitung eines Strafverfahrens gegen die prominenten Aufsichtsratsmitglieder der Mannesmann AG in jüngster Vergangenheit dahingegen als verheerende Kriminalisierung kritisiert: Die CDU-Vorsitzende und jetzige Bundeskanzlerin Angela Merkel fürchtete einen „Schlag gegen den Wirtschaftsstandort Deutschland“20; nach Einschätzung des Economist hätte der Streitgegenstand in den USA oder in Großbritannien für wenig Aufsehen gesorgt und wäre jedenfalls kein Fall für den Staatsanwalt gewesen21. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass eine konsequente Kontrolle der Amtsführung von Unternehmensorganen durch die deutschen Strafgerichte das Vertrauen in einen funktionsfähigen Vermögensschutz gemeinhin stärkt und damit umgekehrt die Attraktivität des Finanzstandorts für internationale Kapitalanleger sogar erhöht22. Bezeichnenderweise wurden zuletzt auch in den USA als Reaktion auf die jüngsten Unternehmensskandale gerade die Mittel des Strafrechts durch den Sarbanes-Oxley-Act (in verschiedener Hinsicht weit über das deutsche Recht hinaus) bedeutend verschärft23. Aus diesem Grund kann und darf die Auslegung der Strafgesetze kriminalpolitisch nicht zu einem Prüfstein für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands erhoben werden. Resümierend tut sich in der Rechtspraxis damit das dringende Bedürfnis einer strafrechtlichen Kontrolle von Aufsichtsräten auf. Im Strafrecht vermeidet der gesetzliche Verfolgungs- und Anklagezwang der Staatsanwaltschaft24 grundsätzlich die erwähnten Schwächen des Aktienrechts. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass sich die Delinquenz der Unternehmensorgane als sog. Kontrollkriminalität25 oftmals der unmittelbaren Kontrolle durch die Strafverfolgungsbehörden gerade entzieht. In diesen Fällen ist die strafrechtliche Prüfung maßgeblich darauf angewiesen, dass interne Missstände durch Unternehmensangehörige aufgedeckt und angezeigt werden (sog. Whistleblowing)26. Darüber hinaus greifen die Strafge18 Insgesamt kritisch zur Geltung des Präventionstheorems aus diesem Grund Paal, DStR 2005, S. 432. 19 Vgl. Hopt, in: FS Wiedemann 2002, S. 1021; Paal, DStR 2005, S. 382. 20 Die Zeit vom 22. 1. 2004, S. 1. 21 The Economist vom 7. 1. 2006, S. 14; ebenfalls kritisch Preis, in: F.A.Z. vom 23. 4. 2004, S. 15: „Prämien an Manager sind kein Fall für den Staatsanwalt“. 22 Dahingehend auch die Anzeigeerstatter Binz / Sorg, BB 43 / 2003, S. I und BB 6 / 2006, S. I; Schünemann, Organuntreue, S. 43; sowie aus der Tagespresse Bayer, in: F.A.Z. vom 28. 4. 2004, S. 23; Handelsblatt vom 22. 12. 2005, S. 26 ff.; Süddeutsche Zeitung vom 22. 12. 2005, S. 4. 23 Siehe dazu Strauch, NZG 2003, S. 952 ff. 24 §§ 152 Abs. 2, 170 Abs. 1 StPO; siehe zum sog. Legalitätsprinzip nur Meyer-Goßner, Komm. StPO, § 152 / Rn. 2. 25 Vgl. zu diesem Begriff Eisenberg, Kriminologie, § 26 / Rn. 7.

B. Gegenstand der Untersuchung

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richte in beweisschwierigen Wirtschaftsstrafverfahren gerne auf die Möglichkeit einer prozessualen Lösung27 zurück, indem sie das Verfahren ohne gerichtlichen Schuldnachweis und reguläre Kriminalstrafe nach § 153a StPO gegen Zahlung von Geldauflagen einstellen28. Diese Restriktionen der Rechtspraxis nehmen der strafrechtlichen Kontrolle allerdings nicht ihre kriminalpräventive Bedeutung. Denn die abschreckende Wirkung für die Normadressaten geht weit weniger von strengen Strafen aus, als gemeinhin angenommen29. Es genügt vielmehr in der Regel, dass auf ein kriminelles Verhalten überhaupt reagiert wird bzw. reagiert werden kann30. Welches Drohpotential das Strafrecht in dieser Hinsicht de lege lata zumindest bereit hält, soll eine Untersuchung der materiell-strafrechtlichen Verantwortung des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft im Einzelnen klären. Die vorliegende Schrift unternimmt es deshalb, das strafrechtlich noch ausgesprochen unsichere Terrain, auf dem sich die Aufsichtsräte derzeit bewegen, näher zu vermessen, zumal Wirtschaftskriminalität in vielen Bereichen „neue“ Kriminalität ist, deren Entwicklung und Verfolgung besonders vom Grad der Sensibilisierung durch die Wissenschaft abhängt31.

B. Gegenstand der Untersuchung Die zu beantwortende Frage einer strafrechtlichen Verantwortung von Aufsichtsratsmitgliedern soll mit Blick auf die Praxisrelevanz und den vornehmlichen Klärungsbedarf in zweifacher Hinsicht konzentriert werden:

I. Begrenzung auf die Rechtsform der Aktiengesellschaft Der Aufsichtsrat tritt als Organ verschiedener Gesellschaftsformen in Erscheinung. Die größte praktische Bedeutung kommt ihm als Pflichtorgan in allen Ak26 Berndt / Hoppler, BB 2005, S. 2623 ff. u. 2628, betrachten das Whistleblowing entsprechend als integralen Bestandteil effektiver Corporate Governance. Realiter gelangt bislang allerdings nur ein kleiner Teil der Wirtschaftskriminalität auf diese Weise zur Strafanzeige; siehe dazu Bussmann, zfwu 2004, S. 37, mit Verweis auf statistische Schätzungen. 27 Hierzu Schoreit, in: KK-StPO, § 153a / Rn. 3; Weßlau, in: SK-StPO, § 153a / Rn. 1 u. 3; zum Vorwurf der Privilegierung „sozial hervorgehobener“ Beschuldigter in diesem Zusammenhang vgl. Kaiser / Meinberg, NStZ 1984, S. 343 ff. 28 Prominenteste Fälle sind der Mannesmann-Prozess, vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 29. 11. 2006, http: / / www.lg-duesseldorf.nrw.de / presse / dokument / 09 – 06.pdf. sowie das Strafverfahren gegen Bundeskanzler a.D. Helmut Kohl wegen des Verdachts der Untreue, siehe dazu den Beschluss des LG Bonn, NJW 2001, S. 1736 ff. 29 Siehe Bussmann, zfwu 2004, S. 37. 30 Vgl. Bussmann, zfwu 2004, S. 38. Zu den präventiven Effekten einer Erhöhung des Entdeckungs- und Verfolgungsrisikos siehe P.-A. Albrecht, Kriminologie, S. 54. 31 Vgl. H.-J. Albrecht, in: Kriminalität, S. 46.

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§ 1 Einleitung

tiengesellschaften zu (§§ 95 ff. AktG). Gesellschaften mbH sind dahingegen nach dem GmbHG nicht verpflichtet, einen Aufsichtsrat zu implementieren. Sie können vielmehr im Gesellschaftsvertrag einen Aufsichtsrat fakultativ einführen (§ 52 GmbHG). Lediglich bei Kapitalanlagegesellschaften (§ 3 Satz 1 KAGG) sowie bei Überschreiten einer bestimmten Mitarbeiterzahl nach Maßgabe bestimmter Mitbestimmungsgesetze (§§ 76, 77 BetrVG 52, § 1 MitbestG 76, § 1 Abs. 2 MontanMitbestG) ist auch in der Rechtsform der GmbH ein Aufsichtsrat obligatorisch32. Wenngleich die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats in der GmbH weitgehend denen des aktienrechtlichen Aufsichtsrats angepasst sind33, bestehen doch – gerade im Hinblick auf mögliche strafrechtliche Implikationen und Vergleiche – entscheidende Unterschiede: So ist der Aufsichtsrat in der GmbH nicht allein für die Überwachung der Geschäftsführung verantwortlich, sondern selbstständig neben der Gesellschafterversammlung34. Darüber hinaus sind die Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats einer GmbH im Vergleich zur Aktiengesellschaft eingeschränkt, sein Einfluss – und damit korrespondierend seine Verantwortung – insgesamt deutlich geringer35. In Genossenschaften besteht der Aufsichtsrat wiederum ohne Ausnahme als Pflichtorgan (§ 36 GenG) mit zwar sehr ähnlichen Überwachungspflichten wie in der Aktiengesellschaft36, allerdings mit nur eingeschränkten (Personal-)Kompetenzen37. Die in dieser Untersuchung entwickelten Kriterien einer strafrechtlichen Verantwortung der Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft lassen sich daher für die entsprechende Fragestellung bei der GmbH und der Genossenschaft nur begrenzt – im Lichte dieser strukturellen Unterschiede – heranziehen. Demgegenüber verfügt die Europäische Gesellschaft (Societas Europaea, kurz: SE) mit Aufsichtsorgan über die identische Organisationsstruktur wie die Aktiengesellschaft. Gemäß Art. 38 SE-VO kann die Verbandsverfassung der SE ebenfalls als dualistisches System in unmittelbarer Anlehnung an das Aufsichtsratsmodell der deutschen Aktiengesellschaft ausgestaltet werden38. In diesem Fall besitzt das Aufsichtsorgan nach Art. 39 Abs. 2, 40 SE-VO die gleichen Rechte und Pflichten wie der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft. Die Organmitglieder haften nach Art. 51 SE-VO gemäß der im Sitzstaat der SE für Aktiengesellschaften maßgeblichen Rechtsvorschriften39. Folgerichtig lassen sich die hier für die deutsche Aktiengesellschaft gefundenen Ergebnisse sinngemäß für die Frage einer strafrecht32 Ausführlich dazu Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 13 / Rn. 891 ff.; U. Schneider, in: Scholz, Komm. GmbHG, § 52 / Rn. 8 ff. 33 Vgl. Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 13 / Rn. 892, 962. 34 Vgl. Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 13 / Rn. 920. 35 Vgl. Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 13 / Rn. 924. 36 Vgl. Beuthien, Komm. GenG, § 38 / Rn. 1 ff. 37 Vgl. Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 15 / Rn. 1011 ff. 38 Eingehend dazu Reichert / Brandes, in: Münchener Komm. AktG, SE-VO Art. 38 / Rn. 9 ff. 39 Hierzu Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 nF / Rn. 82 m. w. N.

C. Gang und Ziel der Untersuchung

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lichen Verantwortung von Mitgliedern des Aufsichtsorgans einer SE fruchtbar machen. Diese Erkenntnis hat insofern besondere Relevanz, als die Rechtsform der SE als „Flagschiff des europäischen Gesellschaftsrechts“40 in der Rechtspraxis zunehmend an Bedeutung gewinnt41.

II. Begrenzung auf das Kernstrafrecht Eine Strafbarkeit der Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft kann sich grundsätzlich sowohl nach den Vorschriften des StGB als auch nach den Straftatbeständen zahlreicher Spezialgesetze ergeben. Im Hinblick auf die spezialgesetzliche Strafandrohung besteht allerdings für die Aufsichtsräte als Normadressaten wie auch für die Strafverfolgungsbehörden und Strafrichter eine bedeutend größere Rechtssicherheit. Denn diese nebenstrafrechtlichen Tatbestände sind jeweils als echte Sonderdelikte ausgestaltet und beziehen die Mitglieder des Aufsichtsrats ausdrücklich in den Kreis der (potentiellen) Täter ein. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Strafandrohungen wegen falscher Angaben gemäß § 399 AktG, wegen unrichtiger Darstellung gemäß § 400 AktG42, § 313 UmwG und § 331 HGB, wegen Verletzung der Geheimhaltungspflicht gemäß § 404 AktG, § 315 UmwG sowie wegen Verletzung des Insiderhandelsverbots gemäß § 38 WpHG. Die bei diesen Delikten verbleibenden tatbestandsspezifischen Anwendungsfragen sind danach allgemeiner Natur und betreffen nicht nur den Aufsichtsrat. Aus diesem Grund soll die strafrechtliche Verantwortung im Nebenstrafrecht, ungeachtet ihrer nicht minder praktischen Bedeutung, im weiteren Verlauf dieser Untersuchung nicht weiter vertieft werden. Das Augenmerk richtet sich nachfolgend vielmehr auf die Vorschriften des Kernstrafrechts im StGB, deren Anwendungsbereich in Bezug auf Mitglieder des Aufsichtsrats noch weitgehend ungeklärt ist. Hier stellen sich sowohl im Allgemeinen Teil mit Blick auf eine Garantenhaftung der Aufsichtsratsmitglieder als auch im Besonderen Teil mit Blick auf eine Untreuestrafbarkeit besonders virulente Fragen für die Rechtspraxis.

C. Gang und Ziel der Untersuchung Sedes materiae für die strafrechtliche Verantwortung von Aufsichtsratsmitgliedern ist das Zusammenspiel von Gesellschaftsrecht und Strafrecht. Im Wissen darum schafft § 2 der Untersuchung zunächst die Grundlagen für die anschließend im Mittelpunkt stehende strafrechtliche Prüfung, indem die aktienrechtliche Funktion des Aufsichtsrats sowie die einzelnen Rechte und Pflichten seiner Mitglieder 40 41 42

Hopt, ZIP 1998, S. 99. Vgl. Kübler, in: Münchener Komm. AktG, Einf. Europ. Gesellschaft / Rn. 9. Siehe dazu zuletzt BGHSt 49, 381 ff. „EM.TV“.

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§ 1 Einleitung

mit Blick auf ihre Bedeutung für das strafrechtliche Urteil herausgearbeitet werden. Der anschließende strafrechtliche Teil der Arbeit gliedert sich sodann in zwei gedankliche Schritte: In den ersten Kapiteln soll zunächst erörtert werden, welches strafrechtlich relevante Verhalten von einem Aufsichtsratsgremium ausgehen kann. § 3 widmet sich dabei zuerst Fragen des Allgemeinen Teils des StGB, die vor die Klammer gezogen grundsätzlich für alle Straftatbestände Geltung beanspruchen. Im Mittelpunkt des Interesses steht hier die Prüfung einer Garantenstellung des Aufsichtsrats gemäß § 13 StGB, aus der in verschiedenen Konstellationen eine Strafbarkeit durch Unterlassen erwachsen kann. Im Anschluss daran greift § 4 aus dem Besonderen Teil des StGB den Untreuetatbestand des § 266 StGB heraus, dessen Anwendungsbereich für die Aufsichtsratsmitglieder nicht nur von herausragender Praxisrelevanz ist, sondern aktuell auch im Brennpunkt der fachjuristischen Wahrnehmung steht. § 5 wendet sich angesichts vieler einflussreicher Aufsichtsräte in deutschen Unternehmen der wiederum allgemeinen, aber für die Praxis spannenden Frage zu, ob und inwieweit es strafrechtliche Konsequenzen für die Aufsichtsräte nach sich zieht, wenn sie aus ihrer Funktion als Überwachungsorgan ausbrechen und durch ihre faktische Machtposition realiter die Leitung des Unternehmens an sich ziehen. Steht danach fest, unter welchen Voraussetzungen sich ein Aufsichtsrat in der Aktiengesellschaft grundsätzlich strafbar machen kann, so bemüht sich § 6 schließlich um die jeweils notwendige Individualisierung der strafrechtlichen Verantwortung der Aufsichtsratsmitglieder bei delinquentem Verhalten des Kollegialorgans. Am Ende der Untersuchung steht das Ziel, das Pflichtenheft der Aufsichtsratsmitglieder in strafrechtlicher Hinsicht zu konkretisieren und fortzuschreiben (§ 7). Damit soll auf der einen Seite den Mandatsträgern und ihren Rechtsberatern ein verlässlicher Leitfaden zur Überprüfung ihrer Entscheidungen an die Hand gegeben werden. Auf der anderen Seite soll durch die entwickelten Kautelen einer strafrechtlichen Verantwortung die für Staatsanwälte und Strafrichter bestehende Rechtsunsicherheit zurückgedrängt werden, um die kriminalpolitisch unverzichtbare strafrechtliche Kontrolle der Aufsichtsräte auf eine materiell-rechtlich gesicherte Grundlage zu stellen.

§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft in ihrer Bedeutung für das Strafrecht Die Funktion des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft bestimmt sich maßgeblich nach seinen im Aktiengesetz formulierten Rechten und Pflichten. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung muss der Blick des Strafrechtlers deshalb zunächst über den Tellerrand des eigenen Rechtsgebiets hinausgehen. Der Dialog über die Disziplingrenzen hinweg und die gründliche Aufarbeitung der aktienrechtlichen Gesellschaftsverfassung sowie der einzelnen gesetzlichen Aufgaben, Handlungsmöglichkeiten aber auch Bindungen des Aufsichtsratsgremiums ist eine unabdingbare Voraussetzung, um den Aufsichtsratsmitgliedern sodann auch den Spiegel ihrer strafrechtlichen Verantwortung vorhalten zu können. Die Erfassung der gesetzlich positivierten Aufsichtratstätigkeit schafft nicht nur die notwendige Sensibilität für mögliche Ansatzpunkte einer strafrechtlichen Untersuchung. Wie sogleich einführend gezeigt werden soll, stellen die gesellschaftsrechtlichen Regeln vielmehr in unterschiedlicher Form bereits grundlegende Weichen für die sich anschließende strafrechtliche Pflichtenbestimmung.

A. Die strafrechtsgestaltende Kraft des Gesellschaftsrechts Die Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder für das strafrechtliche Urteil erschließt sich aus dem allgemeinen Verhältnis des Strafrechts zur außerstrafrechtlichen Rechtsordnung (I.). Aus diesem Verständnis heraus lassen sich für den weiteren Verlauf der strafrechtlichen Untersuchung substanzielle dogmatische Vorgaben des Gesellschaftsrechts ableiten (II.).

I. Verhältnis des Strafrechts zur außerstrafrechtlichen Rechtsordnung Das allgemeine Verhältnis des Strafrechts zum Zivilrecht wie auch zum öffentlichen Recht ist bis heute nicht abschließend geklärt1. Zunächst prägte Binding im Jahre 1885 die radikale Auffassung, das Strafrecht könne nicht isoliert, sondern 1

Dierlamm, StraFo 2005, S. 397.

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

stets nur akzessorisch zu den metastrafrechtlichen Vorgaben betrachtet werden2. Den absoluten Gegenpol dazu entwickelte später vor allem Bruns, der – mitunter im Zuge der nationalsozialistischen Ideologisierung – einer radikalen „Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen Denken“ und damit einer autonomen strafrechtlichen Begriffsbildung das Wort redete3, die Lüderssen in der jüngsten Entwicklung des modernen Wirtschaftsrechts bisweilen wieder aufleben sieht4. Im Laufe der Zeit hat sich in dieser Frage ein deutlich differenzierteres Meinungsspektrum ausgebildet. Die verschiedenen Erklärungsversuche haben eine lange historische Tradition, die weit in die Grundlagen des Rechts und die Allgemeine Rechtslehre zurückreicht, deren Entwicklung hier aber nicht in ihren Einzelheiten nachgezeichnet werden kann5. Eine für die Gegenwart konsistente Position muss ihren Ausgang jedenfalls von einem Strafrecht nehmen, dessen Legitimation sich nicht aus dem staatlichen Herrschaftswillen oder der Staatsräson ableitet, sondern dessen Aufgabe im Rechtsgüter- und damit im Opferschutz besteht6. Unsittliche oder politisch verwerfliche Handlungen sowie – das sei vor allem mit Blick auf die in der Öffentlichkeit zuletzt entbrannten Diskussionen betont – als unmoralisch empfundene Entscheidungen führender Wirtschaftskräfte begründen danach keinen „Strafanspruch“, solange sie kein gesetzlich geschütztes Rechtsgut verletzen7. Das private wie auch das öffentliche Recht gestalten diese Rechtsgüter jeweils normativ aus, statuieren entsprechende Ge- und Verbote und legen ebenso fest, welche Rechtsfolgen bei einem Verstoß primär zu verhängen sind8. Das scharfe Schwert des Strafrechts findet hingegen nach der Diktion des Bundesverfassungsgerichts erst als äußerstes Mittel Anwendung, „wenn ein bestimmtes Verhalten über sein Verbotensein hinaus in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich ist“9. Strafrechtliche Sanktionen kommen daher erst zum Einsatz, wenn sie nach dem Gedanken der Subsidiarität und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zum Zwecke eines wirksamen Rechtsgüterschutzes (zusätzlich) geboten erscheinen. Als „ultima Binding, Handbuch, S. 9 f. Bruns, Befreiung des Strafrechts, S. 107 ff.; 167 ff.; damit verband sich offenbar das Ziel, ohne Rücksicht auf eher hinderlich erscheinende Begrifflichkeiten (ab-)strafen zu können; vgl. Dierlamm, StraFo 2005, S. 398. 4 Siehe zur Kritik Lüderssen, in: FS Hanack 1999, S. 487 ff. 5 Siehe dazu eingehend Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 9 ff.; in groben Zügen jüngst Lüderssen, in: FS Eser 2005, S. 164 ff. 6 Vgl. Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 154; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 48 ff.; Lüderssen, in: FS Eser 2005, S. 165. Diese Erkenntnis ist bis heute jedoch nicht unumstritten; zum Stand der Diskussion siehe Schünemann, in: Rechtsgutstheorie, S. 133 ff. 7 Alwart, JZ 2006, S. 546 ff., plädierte (auch) deshalb zuletzt dafür, das „traditionelle Rechtsgutschema“ des (Wirtschafts-)Strafrechts um ein „modernes Regelmodell“ zu ergänzen. 8 Lüderssen, in: FS Eser 2005, S. 167; vgl. auch Dierlamm, StraFo 2005, S. 398. 9 Vgl. BVerfGE 6, 389 (433); 39, 1 (45); 88, 203 (258); 96, 10 (25). 2 3

A. Die strafrechtsgestaltende Kraft des Gesellschaftsrechts

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ratio der Sozialpolitik“10 sind die Strafnormen mit anderen Worten nur sekundär für den Rechtsgüterschutz zuständig11. Gleichwohl wird das Strafrecht in dieser Funktion nicht in das enge Korsett einer strengen Akzessorietät zur metastrafrechtlichen Rechtsordnung gepresst und durch das zivilistische Denken quasi vollkommen „versklavt“12. Sehr prägnant veranschaulicht dies die Vorschrift des § 823 Abs. 2 BGB, die im Rahmen der „Schutzgesetze“ gerade umgekehrt (auch) originär strafrechtliche Bestimmungen in den bürgerlich-rechtlichen Güterschutz inkorporiert13. Ein Paradebeispiel hierfür bietet die jüngste Spruchpraxis des Bundesgerichtshofes zur sog. Existenzvernichtungshaftung im GmbH-Konzernrecht. Für Fälle, in denen im Rahmen eines faktischen Konzerns das herrschende Unternehmen die Interessen des Konzerns zu Lasten einer abhängigen Gesellschaft vorrangig verfolgt und der schädigende Eingriff zugleich aus einer solchen Fülle von Maßnahmen besteht, dass einzelne jeweils nach § 826 BGB einklagbare Schädigungen nicht mehr isolierbar sind, hatte die Rechtsprechung ursprünglich das Rechtsinstitut des „qualifiziert faktischen GmbH-Konzerns“ entwickelt und die Haftung der herrschenden Gesellschaft bzw. ihrer gesetzlichen Vertreter auf eine analoge Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften der §§ 302, 303 AktG bzw. der §§ 309 Abs. 2, 317 Abs. 3 AktG gestützt14. Im Fall „Bremer Vulkan“ hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes diese zivilrechtliche Haftungsfigur nun aufgegeben und die Haftung für Schädigungen der abhängigen GmbH über § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB vielmehr „strafrechtsakzessorisch“ folgendermaßen begründet15: Das beherrschende Unternehmen treffe als Alleingesellschafter eine strafbewehrte Vermögensbetreuungspflicht gegenüber seiner Tochtergesellschaft. Es sei danach gehalten, bei seinen Dispositionen über das Vermögen der abhängigen GmbH auf deren Eigeninteresse angemessen Rücksicht zu nehmen und deren Existenz nicht zu gefährden16. 10 Roxin, AT I, § 2 / Rn. 97 ff. m. w. N.; siehe auch Höffner, Zivilrechtliche Haftung und strafrechtliche Verantwortung, S. 77 ff.; Arth. Kaufmann, in: FS Henkel 1974, S. 100 ff. 11 Dierlamm, StraFo 2005, S. 398; Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 154 ff.; Lüderssen, in: FS Eser 2005, S. 167 ff.; Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 223 ff.; Tiedemann, in: FS Dünnebier 1982, S. 530 ff.; ähnlich J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 324 f. 12 Davor jüngst warnend Schünemann, NStZ 2006, S. 202. 13 Vgl. Herzberg, Unterlassung, S. 218 f.; Landau, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 35; Lüderssen, in: FS Eser 2005, S. 169 f.; Sangenstedt, Garantenstellung, S. 210. 14 Vgl. BGHZ 95, 330 „Autokran“; BGHZ 107, 7 „Tiefbau“; BGHZ 115, 187 „Video“; BGHZ 122, 123 „TBB“. 15 BGH, Urt. v. 17. 9. 2001 – II ZR 178 / 99, BGHZ 149, 10 „Bremer Vulkan“; fortgeführt durch BGHZ 150, 61 „L. Kosmetik Vertriebs GmbH“ und BGHZ 151, 181 „KBV“. Vgl. zur Rezeption dieses Paradigmenwechsels in der Literatur u. a. Decher, ZInsO 2002, S. 113 ff.; Drygala, GmbHR 2003, 729 ff.; Habersack, in: Emmerich / Habersack, Komm. Konzernrecht, Anh. § 318 AktG / Rn. 33 ff.; Kramer, WM 2004, S. 305 ff.; Römermann / Schröder, GmbHR 2001, S. 1015 ff.; Wilken, DB 2001, S. 2383 ff. Siehe jedoch auch die neuerliche Modifikation des Haftungskonzepts zum existenzvernichtenden Eingriff durch BGH, Urt. v. 16. 7. 2007 – II ZR 3 / 04 „Trihotel“, NJW 2007, S. 2689 ff.

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

Dem Strafrecht bleibt es mithin grundsätzlich unbelassen, autonom auch Verund Gebote zu normieren, die in anderen Rechtsgebieten keine unmittelbare Entsprechung finden17. In metastrafrechtlich nicht hinreichend geregelten Fällen kann dem Strafrecht vielmehr sogar die maßgebliche Funktion zukommen, der Handlungsfreiheit äußerste Grenzen zu setzen. Ein solcher originär strafrechtlicher Rechtsgüter- und Opferschutz wird insbesondere virulent, wenn sich im Wandel der Zeit Gefahren offenbaren sollten, die der Gesetzgeber bei der Schaffung der Primärmaterie möglicherweise (noch) nicht gesehen und berücksichtigt hat18. Die Möglichkeit solcher strafrechtlichen Primärmaterien ändert indessen nichts daran, den überwiegenden Teil der strafrechtlichen Normen, der regelmäßig an eine ziviloder öffentlich-rechtlich bereits durchnormierte Wertordnung anknüpft, als sog. Sekundärmaterie zu begreifen19.

II. Konsequenzen der Sekundarität des Strafrechts Die strafrechtliche Aufgabe der Sicherung der bestehenden, durch das Zivilund öffentliche Recht ausgestalteten Rechts- und Sozialordnung bedingt damit zwangsläufig einen wesentlichen Einfluss der Primärmaterie auf die sekundärstrafrechtliche Rechtsfindung. Man kann insoweit von einer strafrechtsgestaltenden Kraft des Gesellschaftsrechts sprechen20. Die bereits existierenden, strafrechtsexternen Regelungskomplexe können als wichtige Erkenntnisquelle einen richtungweisenden Charakter für die Statuierung der strafrechtlichen Verhaltensbestimmungen annehmen21. Denn die Regelwerke 16 Für eine Pflichtverletzung seien die gesetzlichen Vertreter gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB verantwortlich. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat diese Existenzvernichtungshaftung anschließend in die Dogmatik des Untreuetatbestandes aufgenommen; vgl. BGH, Urt. v. 13. 5. 2004 – 5 StR 73 / 03, NJW 2004, S. 2248 ff. „Bremer Vulkan“; näher dazu Beiner / Lanzius, NZI 2004, S. 687 ff.; Eisner, EWiR § 266 StGB 1 / 04, S. 723 f.; Fleischer, NJW 2004, S. 2867 ff.; Salditt, NStZ 2005, S. 270 f. Die strafrechtliche Implementierung dieser Vermögensfürsorgepflicht bedeutet jedoch einen Gläubiger- und Insolvenzschutz, den das Gesetz nicht im Untreuetatbestand des § 266 StGB, sondern bei den Insolvenzstraftaten der §§ 283 ff. StGB verortet hat und stößt daher auf tiefgreifende dogmatische Bedenken; siehe dazu ausführlich unten § 4, A., III. und IV., sowie zu der insofern berechtigten Kritik in der Literatur Fischer, Komm. StGB, § 266 / Rn. 52d f. m. w. N.; Kühl, Komm. StGB, § 266 / Rn. 20a; Kutzner, NStZ 2005, S. 271 f. 17 Plathner, Einfluss, S. 111 ff.; Sangenstedt, Garantenstellung, S. 183 f.; Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 221 ff. 18 Der Grundsatz der Subsidiarität des Strafrechts erfordert insoweit jedoch stets eine sorgfältige Gesetzesexegese der vorhandenen Primärmaterie; vgl. dazu im konkreten Fall unten § 4, C., I., 1., b) und c). 19 Lüderssen, in: FS Eser 2005, S. 169. 20 In Anlehnung an die These einer „strafrechtsgestaltenden Kraft des Zivilrechts“ von Weber, in: FS Baur 1981, S. 133 ff. 21 So auch Schultz, Amtswalterunterlassen, S. 77.

A. Die strafrechtsgestaltende Kraft des Gesellschaftsrechts

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dieser metastrafrechtlichen Rechtsgebiete positivieren sehr häufig Wertentscheidungen, Strukturen und Verhaltensanweisungen, die auch im Rahmen der strafrechtlichen Würdigung und der durch ihre Zwecke und Kautelen notwendigen strafrechtlichen Eigenwertung letztlich von pflichtbegründender Art sein können22. So wird sehr genau zu untersuchen sein, inwieweit sich gerade aus der bereits vorgegebenen aktienrechtlichen Funktion des Aufsichtsrats als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft normative Pflichtenpositionen ableiten lassen, die auch in strafrechtlicher Hinsicht eine Überwachungsverantwortlichkeit seiner Mitglieder konstituieren. Die Begründung einer strafrechtlichen Verantwortung muss dabei jedoch stets die Einheit der Rechtsordnung23 im Auge behalten, die als gesichertes Postulat der Methodenlehre zu den fundamentalsten rechtsethischen Forderungen gehört und letztlich in der Rechtsidee selbst wurzelt24. Den Kern der Vorstellung von der Einheit der Rechtsordnung bildet das Gebot der Widerspruchsfreiheit25. Entsprechend werden Wertungswidersprüche in der Rechtsdogmatik als zentraler Argumentationstopos im Rahmen der Rechtsfortbildung herangezogen26. In Bezug auf den identischen Regelungsgegenstand kommt der außerstrafrechtlichen Rechtsordnung unter diesem Gesichtspunkt auf zweierlei Art eine ganz wesentliche begrenzende Bedeutung zu, die eine gänzliche „Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen Denken“ gerade nicht erlaubt: Zum einen präjudizieren die Wertungen des Primärrechts das strafrechtliche Urteil insoweit, als sie eine strafrechtliche Sanktionierung dann zwingend ausschließen, wenn sie das betreffende Verhalten ausdrücklich erlauben oder dem Normadressaten in der konkreten Situation zumindest einen Entscheidungsspielraum einräumen, der es ihm gestattet, mit Rücksicht auf übergeordnete Interessen gewisse Gefahrenquellen uneingedämmt oder bestimmte Rechtsgüter ungeschützt zu lassen27. Zum anderen kann das Strafrecht im umgekehrten Fall dem Einzelnen keine Handlung abverlangen, die nach sonstigem Recht ausdrücklich verboten ist28. Diese Maßgaben der Sekundarität des Strafrechts ändern allerdings auch für die nachfolgende Beurteilung der Aufsichtsratstätigkeit nichts an seiner grundsätzlichen Eigenständigkeit in der Selektion und Begründung strafwürdiger und straf22 Vgl. Sangenstedt, Garantenstellung, S. 216; Seelmann, in: Vielfalt des Rechts, S. 85 ff.; Spitz, Strafrechtliche Produkthaftung, S. 288 ff.; Schünemann, GA 1969, S. 53. 23 Grundlegend hierzu Engisch, Einheit der Rechtsordnung, aus dem Jahre 1935; siehe dazu zuletzt insbesondere Bumke, Relative Rechtswidrigkeit, S. 37 ff. 24 Canaris, Systemdenken und Systembegriff, S. 16. 25 Eingehend dazu Bumke, Relative Rechtswidrigkeit, S. 38 ff. 26 Vgl. Bumke, Relative Rechtswidrigkeit, S. 52 m. w. N., 68 f., 75 ff. 27 Vgl. Rudolphi, NStZ 1991, S. 363 f.; ders., in: FS Dünnebier 1982, S. 581 f. m. w. N.; Sangenstedt, Garantenstellung, S. 217; Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 223 ff. 28 Ebenso J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 325; a.A. jüngst Knauer, Die Kollegialentscheidung, S. 70 f., der von einer „höherrangigen Natur“ der strafrechtlichen Pflicht ausgeht, ohne dies jedoch dogmatisch näher zu begründen.

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

bedürftiger Verhaltensweisen29. Die Verhaltensnormen dürfen zwar nicht von einem Rechtsgebiet zum anderen divergieren. Ob und wie das jeweilige Rechtsgebiet aber auf die Verletzung einer Verhaltensnorm reagiert, beurteilt sich je nach Materie unterschiedlich. Die primärrechtlichen Verhaltensgebote müssen nicht immer zugleich mit den gravierenden Sanktionen des Strafrechts belegt sein30. Die Akzessorietät der strafrechtlichen Rechtsfindung zu den nun im Anschluss aufzuzeigenden Bestimmungen des Aktienrechts lässt sich daher insgesamt als asymmetrisch kennzeichnen31: Was den Aufsichtsratsmitgliedern im Gesellschaftsrecht ausdrücklich erlaubt ist, darf nicht zu einem strafrechtlichen Verbot führen. Was ihnen im Gesellschaftsrecht hingegen verboten ist, kann gleichwohl unbestraft bleiben oder im Hinblick auf die Schwere der Sanktion nur unter weiteren strafrechtlichen Voraussetzungen mit Strafe zu versehen sein.

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft Das Aufgabenfeld des Aufsichtsrats wird in zahlreichen, zum Teil weit verstreuten Normen des Aktiengesetzes näher beschrieben32. Im Mittelpunkt dieser Vorschriften steht der gesetzliche Auftrag des § 111 Abs. 1 AktG, der dem Aufsichtsrat die Überwachung der Geschäftsführung überantwortet. Diese zentrale Aufgabennorm ist ebenso kurz wie umfassend, bedarf aber gerade auf Grund ihrer Abstraktheit einer weiteren Konkretisierung. So ist insbesondere die nähere Bestimmung von Gegenstand und Umfang, sowie Maßstab und Grenzen der Überwachungstätigkeit unerlässlich, um aus § 111 Abs. 1 AktG auch konkrete gesellschaftsrechtliche Handlungspflichten für den Aufsichtsrat ableiten und formulieren zu können.

I. Gegenstand der Überwachung Gegenstand der Überwachung des Aufsichtsrats ist nach dem gesetzlichen Wortlaut die „Geschäftsführung“. Anders als noch § 246 HGB in seiner alten, bis 1937 29 Vgl. auch Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 155 ff.; Sangenstedt, Garantenstellung, S. 217; Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 223 ff.; J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 325. 30 Siehe Grünewald, Garantenpflichten, S. 131 f.; Maaß, Betrug, S. 18; Roxin, AT I, § 14 / Rn. 33 ff. 31 Dierlamm, StraFo 2005, S. 398; Lüderssen, in: FS Eser 2005, S. 170; ders., in: FS Lampe 2003, S. 728 f.; gleichsinnig Günther, in: FS Weber 2004, S. 314: „limitierte Akzessorietät“. 32 Vgl. im Einzelnen §§ 33, 58 Abs. 2, 59 Abs. 3, 77 Abs. 2, 78 Abs. 3, 84, 87 – 90, 105 Abs. 2, 111, 112, 114, 115, 124 Abs. 3, 170 – 172, 204 Abs. 1, 245 Nr. 5, 268 Abs. 2, 308 Abs. 3 Satz 2, 314 AktG.

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft

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geltenden Fassung spricht das Gesetz nicht mehr von einer Überwachung der Geschäftsführung „in allen Zweigen der Verwaltung“33. Einem derart weit reichenden Überwachungsauftrag konnten die Aufsichtsräte in der Vergangenheit – und können sie auch heute – realiter nicht gerecht werden34. Aus dem historischen Vorverständnis heraus kann der Terminus der „Geschäftsführung“ in § 111 Abs. 1 AktG deshalb entgegen seiner allgemeinen begrifflichen Bedeutung nicht jedwede tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigkeit für die Gesellschaft meinen35. Die Prüfungspflicht des Aufsichtsrats ist vielmehr nach einhelliger Ansicht im Grundsatz auf die Kontrolle der Leitungsmaßnahmen im Unternehmen und damit auf einen herausgehobenen Teilbereich36 der Geschäftsführung zu beschränken37. Die Unternehmensleitung kann wiederum je nach einem entweder formal-organisch oder inhaltlich-materiell geprägten Verständnis in unterschiedlicher Form als Objekt der Überwachungstätigkeit herangezogen werden. Ein organisches Verständnis würde für die Aktiengesellschaft bedeuten, dass einzig der Vorstand als zentrales Geschäftsleitungsorgan gemäß § 76 Abs. 1 AktG Zielgruppe der Überwachung durch den Aufsichtsrat wäre38. Bei einem inhaltsorientierten Verständnis hätte der Aufsichtsrat dagegen jede unternehmensleitende Tätigkeit zu überwachen39. Der Sache nach wären dann insbesondere auch leitende Angestellte unterhalb der Vorstandsebene oder sogar die Hauptversammlung, die zum Beispiel unter den Voraussetzungen des § 119 Abs. 2 AktG über Fragen der Geschäftsführung entscheidet, in die Überwachung mit einzubeziehen. 33 Davon hatte sich bereits das Aktiengesetz von 1937 in seinem dem heutigen § 111 Abs. 1 vorgehenden § 95 Abs. 1 gelöst. Die Vorschriften finden sich im Wortlaut abgedruckt bei Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 107 / Rn. 320. § 38 Abs. 1 GenG lautet hingegen noch immer so. 34 Vgl. Hommelhoff, in: Schubert / Hommelhoff, Aktienrechtsreform, S. 84; ebenso Hüffer, ZGR 1980, S. 339, für den Aufsichtsrat einer Publikums-Kapitalgesellschaft. 35 Hüffer, Komm. AktG, § 111 / Rn. 3; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 / Rn. 29 u. 32. Insoweit geht der gleichlautende Terminus in § 77 Abs. 1 AktG weiter. 36 So die herrschende Meinung, vgl. Fleischer, ZIP 2003, S. 3; Hüffer, Komm. AktG, § 76 / Rn. 7; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 107 / Rn. 128; Seibt, in: Schmidt / Lutter, Komm. AktG, § 76 / Rn. 9. Teilweise werden die Begriffe der „Geschäftsleitung“ und der „Geschäftsführung“ auch (weitgehend) gleichgesetzt; vgl. Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 31; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 6; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 81. 37 Vgl. u. a. Dreist, Überwachungsfunktion, S. 85; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 63; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 31; Potthoff / Trescher / Theisen, Aufsichtsratsmitglied, Rn. 345; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 6; ders., in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 95. 38 So etwa Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 96; Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. AG, § 29 / Rn. 24; Hoffmann / Preu, Der AR, Rn. 103; Meyer-Landrut, in: Großkomm. AktG, § 111 / Rn. 11; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 100; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 35 f. 39 Dies befürworten Biener, BFuP 1977, S. 491; Dreist, Überwachungsfunktion, S. 87; Duden, in: FS Fischer 1979, S. 103 und zuletzt M. Roth, AG 2004, S. 5 f. m. w. N.

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

Insofern gilt es nachfolgend zu klären, ob sich die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats in ihrer Ausrichtung primär als eine Organkontrolle des Vorstands oder vielmehr als eine Funktionskontrolle jeglicher Leitungsmaßnahmen im Unternehmen darstellt. Im Anschluss daran muss das Überwachungsfeld „Unternehmensleitung“ auch in seiner sachlichen Reichweite weiter eingegrenzt und inhaltlich näher konkretisiert werden.

1. Zu überwachender Personenkreis a) Vorstand Der Auftrag zur Überwachung der Geschäftsführung in § 111 Abs. 1 AktG umfasst in jedem Fall die Kontrolle des Vorstands40. Der Vorstand nimmt als klassisches Geschäftsleitungsorgan die originären Führungsfunktionen innerhalb des Unternehmens wahr (§ 76 Abs. 1 AktG) und darf diese Entscheidungskompetenzen auch nicht auf nachgeordnete Führungsebenen delegieren, da er sich sonst seiner eigentlichen Funktion entäußern würde41. Die Überwachung richtet sich grundsätzlich auf den Vorstand als Organ, d. h. die Gesamtheit seiner Mitglieder42. Falls ein einzelnes Vorstandsmitglied seine Ressortaufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllt, müssen zunächst die anderen Vorstandsmitglieder im Rahmen ihrer gegenseitigen Überwachungspflicht43 aktiv werden. Deshalb stellt sich die Frage nach der Sorgfaltspflicht eines einzelnen Vorstandsmitglieds für den Aufsichtsrat nicht, solange jedenfalls das Gesamtorgan seine Geschäftsführungsaufgaben pflichtgemäß erledigt44. Erst wenn der Vorstand als Gesamtorgan seinen Pflichten nicht nachkommt und eine entsprechende Mängelrüge zu keiner Beseitigung führt, ist der Aufsichtsrat berechtigt und auch verpflichtet, die Überwachung (auch) auf das jeweils zuständige einzelne Vorstandsmitglied auszudehnen und seine Einwirkungskompetenzen auf dieses Mitglied zu konzentrieren45.

40 Vgl. u. a. Henn, Aktienrecht, § 19 / Rn. 610; Hueck, in: Baumbach / Hueck, Komm. AktG, § 111 / Rn. 5; Meyer-Landrut, in: Großkomm. AktG, § 111 / Rn. 2; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 81. 41 Schiessl, ZGR 1992, S. 80; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 23; Turiaux / Knigge, DB 2004, S. 2199 ff. 42 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 67; v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 27. 43 Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 77 / Rn. 14; dazu jüngst auch Habersack, WM 2005, S. 2360 ff. 44 Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 113. 45 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 67; Potthoff / Trescher / Theisen, Aufsichtsratsmitglied, Rn. 344; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 114.

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft

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b) Ausführungsgehilfen des Vorstands und Angestellte in Leitungsfunktionen Einer eingehenderen Untersuchung bedarf die Frage, ob auch leitende Angestellte unterhalb der Vorstandsebene in die Überwachung durch den Aufsichtsrat einzubeziehen sind, jedenfalls soweit sie materiell Führungsaufgaben wahrnehmen. Gerade auf Grund der hohen Anzahl und zunehmenden Komplexität der Vorgänge kann für den Vorstand, insbesondere in Großunternehmen, die Notwendigkeit bestehen, vorbereitende oder ausführende Tätigkeiten im Rahmen seiner originären unternehmerischen Leitungsfunktion auf Mitarbeiter nachgeordneter Führungsebenen zu delegieren46. Maßgebliche Führungsverantwortung unterhalb des Vorstands tragen ferner auch sog. Geschäftsbereichsleiter, denen innerhalb einer divisionalen Organisationsstruktur die weitgehend selbständige Führung einer bestimmten Einheit im Unternehmen übertragen ist47. Soweit diese Mitarbeiter nicht der konkreten Überwachung durch den Aufsichtsrat unterstellt werden, könnte die Gefahr bestehen, dass die von ihnen wahrgenommenen Führungsfunktionen durch die dezentrale Verlagerung von Verantwortlichkeiten der Überprüfung durch den Aufsichtsrat gänzlich entzogen sind48. Im Interesse einer effektiven Kontrolle der Unternehmensleitung erscheint deshalb eine zusätzliche Überwachung von Ausführungsgehilfen des Vorstands sowie der leitenden Angestellten zunächst durchaus als sinnvoll und wünschenswert49. Gleichwohl ist eine derartige Ausweitung der Überwachung durch den Aufsichtsrat im Hinblick auf die gesetzliche Einbettung des § 111 Abs. 1 AktG de lege lata schwer zu begründen und deshalb im Ergebnis auch nicht angezeigt50. So ist zu beachten, dass auch im Falle der Delegation von Entscheidungskompetenzen der Vorstand gemäß § 76 Abs. 1 AktG weiterhin die unveräußerliche Gesamtverantwortung zu tragen hat51. Sollte der Vorstand tatsächlich anders verfahren, so muss ihn der Aufsichtsrat auf seine Lenkungs- und Kontrollpflichten 46 Aufgaben dieser Art unterliegen nicht dem o.g. Delegationsverbot (Fn. 41), vgl. Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 24. 47 Vgl. zu dieser Art der Unternehmensorganisation Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 76 / Rn. 49; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 26 ff. 48 Biener, BFuP 1977, S. 492; v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 29. 49 So befürworten eine Einbeziehung u. a.: Biener, BFuP 1977, S. 491; v.Godin / Wilhelmi, Komm. AktG, § 111 / Anm. 2; Hueck, in: Baumbach / Hueck, Komm. AktG, § 111 / Rn. 5; Hüffer, Komm. AktG, § 111 / Rn. 3; U. Schneider, in: Scholz, Komm. GmbHG, § 52 / Rn. 61; Ulmer, in: Hanau / Ulmer, Komm. MitbestG, § 25 / Rn. 50. 50 Gegen eine Einbeziehung sprechen sich daher aus: Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. AG, § 29 / Rn. 24; Hommelhoff, in: FS Stimpel 1985, S. 611; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 68 ff.; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111 / Rn. 21; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 34 ff.; Potthoff / Trescher / Theisen, Aufsichtsratsmitglied, Rn. 342; Scheffler, DB 1994, S. 793; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 116; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 41 ff. und in der Rechtsprechung OLG Köln, AG 1978, S. 21. 51 Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 77 / Rn. 18 f.; Schiessl, ZGR 1992, S. 66 ff.

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

bezüglich aller Tätigkeiten im Unternehmen hinweisen und auf diese Weise einem Rückzug des Vorstands entgegenwirken52. Der Aufsichtsrat hat indessen weder die Pflicht noch das Recht, diese dem Vorstand originär zustehende Führungsaufgabe der Unternehmenskontrolle selbst wahrzunehmen, indem er auch Angestellte überwacht. Er würde damit sowohl gegen das ausdrückliche Verbot der Geschäftsführung in § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG, als auch gegen das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit des Vorstands gemäß § 76 Abs. 1 AktG verstoßen53. Darüber hinaus ist eine wirksame Überwachung immer nur zu verwirklichen, wenn für den Aufsichtsrat die Möglichkeit besteht, ausreichende Informationen als notwendige Basis jeder Kontrolltätigkeit zu erlangen. In den §§ 90, 170 und 314 AktG wird ausschließlich der Vorstand zur Berichterstattung gegenüber dem Aufsichtsrat verpflichtet, so dass ein verbindliches Informationssystem als Grundlage einer Überwachung von Angestellten folgerichtig durch das Gesetz überhaupt nicht vorgesehen ist54. Die Überwachung von in zulässiger Weise delegierten Führungsentscheidungen bleibt daher formal stets eine Überwachung der Unternehmensleitungspflicht des Vorstands. Der Aufsichtsrat muss sich in diesem Rahmen vergewissern, ob dessen Aufgabendelegation einer zweckmäßigen Organisation der Geschäftsführung entspricht, ob die Angestellten die entsprechende Eignung besitzen und ob sie vom Vorstand ausreichend überwacht werden55. Um dazu die erforderlichen Feststellungen treffen zu können, haben sich die Aufsichtsratsmitglieder deshalb realiter durchaus mit der Tätigkeit der Angestellten zu befassen56. Allerdings wird das Handeln der Mitarbeiter dadurch nicht zum eigenständigen Überwachungsobjekt, sondern stellt lediglich ein Indiz für ein Fehlverhalten des Vorstands dar57. c) Hauptversammlung Schließlich bleibt zu klären, ob die Hauptversammlung vom Aufsichtsrat im Rahmen seiner Überwachungspflicht nach § 111 Abs. 1 AktG zu kontrollieren ist58. 52 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 69; v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 29; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 116. 53 Vgl. Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 119. 54 Diesen Aspekt betonen u. a. auch Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 34 f. m. w. N.; Saage, DB 1973, S. 117; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 118; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 41 f. 55 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 66 und 68; v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 29; Semler, in: FS Döllerer 1988, S. 589. Eingehend zu den Vorstandspflichten bei vertikaler Arbeitsteilung Fleischer, AG 2003, S. 291 ff. 56 Henze, BB 2000, S. 214 misst daher der Streitfrage für die praktische Umsetzung des Überwachungsauftrages nur geringe Bedeutung zu. 57 Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 36; Potthoff / Trescher / Theisen, Aufsichtsratsmitglied, Rn. 342. 58 Dafür spricht sich Duden, in: FS Fischer 1979, S. 95 ff., aus.

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft

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Diese Frage stellt sich insoweit, als auch die Hauptversammlung in einigen Fällen Aufgaben im Bereich der Geschäftsführung wahrnimmt. Im Vordergrund stehen hierbei vor allem das Tätigwerden auf Verlangen des Vorstands gemäß § 119 Abs. 2 AktG59 sowie zur Überwindung einer Zustimmungsverweigerung des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG60. Die entsprechende Schlussfolgerung einer Ausdehnung des Überwachungsauftrages auf die geschäftsführenden Tätigkeiten der Hauptversammlung widerspricht jedoch auch in diesem Fall der vom Gesetz vorgegebenen Systematik61. So dient die Geschäftsführungsbefugnis der Hauptversammlung in § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG gerade dazu, eine negative Entscheidung des Aufsichtsrats aufzuheben. Wäre die Hauptversammlung in diesem Fall wieder einer Kontrolle durch den Aufsichtsrat mit entsprechenden Einwirkungskompetenzen62 unterworfen, so würde die Kompetenzzuweisung des § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG faktisch leer laufen und die damit bezweckte Konfliktlösung nicht erreicht63. Die Systemwidrigkeit einer Überwachungspflicht wird ebenso deutlich, wenn man die Zuständigkeiten der Hauptversammlung für die Wahl, Abberufung und Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder betrachtet (vgl. §§ 101 Abs. 1, 120 AktG). Ein Aufsichtsrat, der in so hohem Maße von der Hauptversammlung abhängig ist, kann keine Gewähr für eine effektive und unabhängige Kontrolle derselben bieten64.

d) Zwischenergebnis Es hat sich daher gezeigt, dass der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Pflicht zur Überwachung der Unternehmensleitung nach § 111 Abs. 1 AktG ausschließlich die Tätigkeiten des Vorstands als originäres Geschäftsleitungsorgan der Gesellschaft überwachen muss. Die Überwachung von Angestellten sowie der Hauptversammlung lässt sich bei Berücksichtigung des gesetzlichen Systemzusammenhangs de lege lata nicht begründen, so dass die Aufsichtsratsmitglieder hinsichtlich dieser Personengruppen keiner direkten Kontrollpflicht unterliegen.

59 Um zum Beispiel die Haftung gegenüber der Gesellschaft auszuschließen (§ 93 Abs. 4 Satz 1 AktG). 60 Zu weiteren gesetzlich normierten Fällen der Geschäftsführung durch die Hauptversammlung, vgl. Zöllner, in: Kölner Komm. AktG, § 119 / Rn. 29. 61 Daher wird eine Pflicht zur Überwachung der Hauptversammlung überwiegend abgelehnt, vgl. Hommelhoff, ZGR 1978, S. 142; Hüffer, Komm. AktG, § 111 / Rn. 2; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 77 / Rn. 22; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 37 ff.; Timm, DB 1980, S. 1201 f. 62 Denkbar wäre, für Anträge des Vorstands nach § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG einen Zustimmungsvorbehalt i.S.v. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG zu statuieren, vgl. Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 37. 63 Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 130. 64 Dies betont auch Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 39.

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

2. Sachliche Eingrenzung des Überwachungsfeldes Ausgehend von der soeben erfolgten personellen Eingrenzung bezieht sich die Überwachungspflicht nach § 111 Abs. 1 AktG in sachlicher Hinsicht auf die Leitungsaufgaben des Vorstands65. Die unterschiedliche Formulierung des Gesetzes, das der „Geschäftsleitung“ des Vorstands in § 76 Abs. 1 AktG die Überprüfung der „Geschäftsführung“ durch den Aufsichtsrat entgegenstellt, begründet hierbei keinen überwachungsfreien Raum. Vielmehr schließt die weiter gefasste Geschäftsführung die Leitung als einen besonderen Teilbereich mit ein66. Der sowohl vergangenheitsbezogenen als auch präventiv gebotenen Überwachung67 durch den Aufsichtsrat unterliegen nicht nur beabsichtigte oder getroffene Entscheidungen und Geschäfte, sondern auch ein Nichthandeln des Vorstands, wenn die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Leitungsfunktion ein Tätigwerden erfordert hätte68. Im Grundsatz hat der Aufsichtsrat danach schwerpunktmäßig alle Vorgänge zu überwachen, die für die Lage und Entwicklung der Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung sind69. Denn mit diesen Geschäftsführungsmaßnahmen hat sich der Vorstand als Leitungsorgan stets selbst zu befassen. Er muss die zugehörigen Entscheidungen selbst treffen und ihre sodann delegierbare Ausführung weiter kontrollieren70. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass reine Ausführungsentscheidungen oder die Erledigung des laufenden Tagesgeschäfts im Regelfall71 nicht Gegenstand der Überwachung sind72. Zur näheren Bestimmung des Überwachungsumfangs ist wiederum das normative Umfeld des § 111 Abs. 1 AktG, der in seiner Allgemeinheit allein als Rahmenbeschreibung zu dienen vermag, heranzuziehen73. So sind einmal mit der Pflicht zur Prüfung des Jahresabschlusses, des Konzernabschlusses, des Lageberichts und 65 Ausführlich zur inhaltlichen Ausformung der Leitungsaufgabe, Fleischer, ZIP 2003, S. 1 ff. 66 Siehe in personeller Hinsicht bereits oben, 1. 67 Vgl. zu dieser Differenzierung auch BGH, ZIP 1997, S. 883 (886) „ARAG / Garmenbeck“. 68 Vgl. Semler / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, Vor § 76 / Rn. 70. 69 Hoffmann / Preu, Der AR, Rn. 102; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 65; Semler / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, Vor § 76 / Rn. 72. 70 Vgl. Fleischer, ZIP 2003, S. 6 m. w. N. 71 Zu Ausnahmen siehe im Folgenden. 72 Potthoff / Trescher / Theisen, Aufsichtsratsmitglied, Rn. 342; v. Schenck, in: Semler J. / v. Schenck K., AR Hdb., § 7 / Rn. 34; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 96. 73 Vgl. zu dieser Notwendigkeit Hommelhoff, in: FS Stimpel 1985, S. 605. Dagegen sind generalklauselartige Definitionsversuche wie der von Biener, BFuP 1977, S. 491 f., der „Geschäftsführungsmaßnahmen, denen erhebliche Bedeutung zukommt oder die wegen der besonderen Verhältnisse des Unternehmens im Einzelfall von Wichtigkeit sind“, als Überwachungsobjekt ausmacht, gerade wegen ihrer Unbestimmtheit nicht geeignet, die Überwachungspflicht hinreichend genau zu konkretisieren; darauf weist auch Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 83, hin.

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft

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des Gewinnverwendungsvorschlags in § 171 Abs. 1 AktG, der Pflicht zur Prüfung des Abhängigkeitsberichts in § 314 Abs. 1 AktG sowie mit den haftungsrelevanten Vorgängen in § 93 Abs. 3 AktG einzelne Überwachungsgegenstände ausdrücklich gesetzlich positiviert. Durch das KonTraG wurde 1998 zudem die Einrichtung eines Risikoerkennungs- und Frühwarnsystems als besondere Organisationsaufgabe74 des Vorstands in § 91 Abs. 2 AktG herausgestellt. Seitdem gehört es nun auch ausdrücklich zur Überwachungspflicht des Aufsichtsrats, die Tauglichkeit dieses vom Vorstand implementierten Frühwarnsystems zu überprüfen75. Die existenzielle Bedeutung dieses Systems rückt diese Aufgabe gar in das Zentrum seiner Kontrolltätigkeit76. Im Übrigen bieten die Berichtspflichten des Vorstands nach § 90 Abs. 1 AktG den besten Anhaltspunkt für den konkreten sachlichen Umfang der Überwachungsaufgabe. Denn eine Berichtspflicht macht nur dann einen Sinn, wenn alle Vorgänge, die dem Aufsichtsrat berichtet werden müssen, von ihm anschließend auch zu überprüfen sind77. Zugleich bestimmen die Informationsrechte aber auch die Grenze des Überwachungsauftrags, da die Möglichkeit zur umfassenden Kenntnisnahme der Umstände die zwingend erforderliche Grundlage für eine effektive und ordnungsgemäße Überwachung durch den Aufsichtsrat bildet78. Der Kontrolle durch die Aufsichtsratsmitglieder unterliegen daher vor allem die beabsichtigte Unternehmenspolitik und andere wesentliche Fragen der Unternehmensplanung, wie insbesondere die Finanz-, Investitions- und Personalplanung (vgl. § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG), sowie allgemein der Gang der Geschäfte und die Lage der Gesellschaft (vgl. § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AktG). Einzelne Rechtsgeschäfte, Vorgänge oder Entscheidungen, die der Geschäftsführung des Vorstands außerhalb der eigentlichen Leitungsfunktion zugerechnet werden können, bedürfen nur dann einer Überprüfung, wenn sie von wesentlichem Einfluss auf die Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft sein können (vgl. § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AktG) oder aus anderen Gründen von erheblicher Bedeutung sind (vgl. § 90 Abs. 1 Satz 3 AktG)79. Begr. RegE. KonTraG, BT-Drucks. 13 / 9712, S. 15. Zunächst ist zwar der Abschlussprüfer zur Prüfung verpflichtet. Dieser hat dem Aufsichtsrat anschließend jedoch einen Prüfungsbericht zu erstatten (vgl. § 321 Abs. 4 HGB), auf dessen Grundlage sich der Aufsichtsrat dann ein eigenes Urteil zu bilden hat, vgl. Clausen / Korth, in: FS Lutter 2000, S. 328 ff.; Feddersen, AG 2000, S. 388; Hommelhoff / Mattheus, AG 1998, S. 252; Pahlke, NJW 2002, S. 1680 ff. 76 Kropff, NZG 2003, S. 346, 350. 77 Diese Regel lässt sich dem Gesetz an anderer Stelle explizit entnehmen. So wird in den §§ 170 Abs. 1, 314 Abs. 1 AktG zunächst eine Berichtspflicht an den Aufsichtsrat statuiert und in der Folge in den §§ 171 Abs. 1, 314 Abs. 2 AktG diesbezüglich ausdrücklich eine Prüfungspflicht angeordnet. Dieser Argumentationslinie folgen u. a. auch Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 116; Henze, NJW 1998, S. 3309; Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. AG, § 29 / Rn. 23; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 64; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 90 / Rn. 2; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 37 ff.; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 103. 78 So überzeugend Hommelhoff, in: FS Stimpel 1985, S. 609; Hommelhoff / Mattheus, AG 1998, S. 253. 74 75

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

Anhand des gesetzlich normierten Berichtssystems wird somit deutlich, dass der Aufsichtsrat vornehmlich80 die Wahrnehmung der originären unternehmerischen Führungsfunktionen – Unternehmensplanung, Unternehmenskoordinierung, Unternehmenskontrolle sowie die Besetzung von Führungsstellen81 – durch den Vorstand zu überwachen hat (vgl. § 90 Abs. 2 AktG). Vorgänge, die außerhalb dieser Führungstätigkeiten lediglich unregelmäßig auftreten, braucht der Aufsichtsrat hingegen nur aufzugreifen und näher zu prüfen, wenn sie ihm im Wege einer besonderen Berichterstattung aus wichtigem Anlass durch den Vorstand (§ 90 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 1 Satz 2 AktG) bekannt werden oder aber im Rahmen der erforderlichen Sorgfaltspflicht bereits auf Grund von konkreten Besorgnisgründen oder Unregelmäßigkeiten – etwa infolge begründeten Misstrauens, gleichgültig ob personenoder sachbezogen82 – bekannt werden müssen83.

II. Maßstäbe der Überwachung Der Aufsichtsrat hat im Rahmen seines Überwachungsauftrags zu kontrollieren, ob die Geschäftsführung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters entspricht (vgl. § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG). Dieser Anforderung wird der Vorstand gerecht, wenn er bei der Leitung des Unternehmens zunächst die allgemeinen Handlungsmaximen für unternehmerisches Handeln beachtet und darüber hinaus die Grundsätze der Rechtmäßigkeit, der Ordnungsmäßigkeit, der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit befolgt84. Diese Kriterien zeichnen im Einzelnen den Rahmen und den konkreten Prüfungsmaßstab für die Beurteilung der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat vor und sind deshalb im Folgenden mit konkreten Inhalten zu füllen.

79 Hüffer, Komm. AktG, § 111 / Rn. 3; Semler / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, Vor § 76 / Rn. 71; zu einzelnen Fallbeispielen, vgl. Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 117. 80 Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 111, spricht insoweit von der „laufenden Überwachungspflicht“. 81 Vgl. im einzelnen Scheffler, Konzernmanagement, S. 38 f.; Semler / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, Vor § 76 / Rn. 60 ff. 82 Vgl. dazu Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 11 / Rn. 828; Semler / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, Vor § 76 / Rn. 76, jeweils m. w. N. 83 Derartige Kontrollen fasst Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 111, unter dem Begriff der „erweiterten Überwachung“ zusammen. 84 Allgemeine Meinung, vgl. RGZ 107, S. 221 (226); BGHZ 114, 127 (129 f.); HoffmannBecking, in: Münchener Hdb. AG, § 29 / Rn. 26 f.; Hueck, in: Baumbach / Hueck, Komm. AktG, § 111 / Rn. 5; Hüffer, Komm. AktG, § 111 / Rn. 6; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 71 ff.; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111 / Rn. 27; Potthoff / Trescher / Theisen, Aufsichtsratsmitglied, Rn. 481 ff.; v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 117 ff.; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 183 ff., jeweils m. w. N.

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft

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1. Allgemeine Verhaltensmaximen für unternehmerisches Handeln der Verwaltungsorgane a) Verfolgung des Unternehmensgegenstands Der Vorstand hat die Geschäfte des Unternehmens in den Grenzen des durch die Anteilseigner in der Satzung festgelegten Gegenstands des Unternehmens (vgl. § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG) zu führen85. Geschäfte des Vorstands, die den Rahmen des Unternehmensgegenstands überschreiten, sind zwar im Außenverhältnis wirksam, aber pflichtwidrig. Der Aufsichtsrat hat über die Einhaltung dieser Grenze zu wachen, die für den Vorstand nicht nur ein Überschreitungs-, sondern auch ein Unterschreitungsverbot statuiert86.

b) Gewinnerzielung als Unternehmensziel Jede Aktiengesellschaft ist – soweit die Satzung nicht ausdrücklich einen anderen Zweck bestimmt – gehalten, erwerbswirtschaftliche Zwecke zu verfolgen und im Interesse der vorhandenen Aktionäre87 gewinnorientiert zu arbeiten88. Diese Zielsetzung ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Gesetz, wird aber bereits formal durch die Berichtspflichten des Vorstands über die Rentabilität der Gesellschaft, insbesondere des Eigenkapitals indiziert (vgl. § 90 Abs. 1 Nr. 2 AktG)89. Darüber hinaus ist die Gewinnerzielung auch materiell unverzichtbar. Denn ohne wirtschaftlichen Erfolg ist das Unternehmen nicht in der Lage, seine Substanz zu erhalten und auszubauen, um sich dauerhaft im Wettbewerb am Markt behaupten zu können. Nur eine angemessene Rentabilität macht die Gesellschaft für Kapitalgeber interessant und gewährleistet auf Dauer den Erhalt von Arbeitsplätzen. Schließlich ist auch die Gemeinschaft in nicht unwesentlicher Form auf nachhaltige Unternehmensgewinne infolge der sich daraus ergebenden Ertragssteuerbeiträge angewiesen90. Ausführlich dazu Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 474 ff. Vgl. Fleischer, ZIP 2005, S. 143 f.; Semler / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, Vor § 76 / Rn. 78. 87 Die verbandsrechtliche Vorstellung des Aktienrechts beruht dabei auf der typisierenden Annahme, dass die Ertragsmaximierung durch die Gesellschaft den übereinstimmenden Vermögensinteressen der Aktionäre entspricht, vgl. Mülbert, ZGR 1997, S. 158 f. 88 OLG Hamm, AG 1995, S. 514; Hüffer, Komm. AktG, § 76 / Rn. 13; Junge, in: FS v. Caemmerer 1978, S. 554; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 76 / Rn. 17, 22; Mülbert, ZGR 1997, S. 141; Potthoff / Trescher / Theisen, Aufsichtsratsmitglied, Rn. 484; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 34 ff.; Ulmer, BB 1979, S. 400. 89 Die Vorschriften über die Gewinnverteilung (§§ 58, 174, 254 AktG) betreffen zwar nicht die Verwaltungsorgane und lassen sich daher nicht unmittelbar zur Begründung heranziehen. Sie setzen aber mittelbar voraus, dass die Gesellschaft Gewinne erwirtschaftet. Auf dieser Grundlage sieht auch § 150 Abs. 2 AktG eine zwingende Rücklagenbildung aus Teilen des Gewinns vor, vgl. Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 35. 85 86

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

Insofern versteht sich das Unternehmensziel der Gewinnerzielung nicht als Aufgabe zu einer kurzfristigen Ertragsmaximierung, sondern vielmehr als dauerhafter Auftrag, für eine langfristige Rentabilität der Gesellschaft zu sorgen91. Um im Rahmen der Überwachung aber einen spezifischen Sorgfaltsmaßstab an die Geschäftsleitung anlegen zu können, ist dieses abstrakte Unternehmensziel in Form einer konkreten Zielvorschrift zu quantifizieren. Anhand der Vorgabe einer anzustrebenden „Maximierung des Gewinns“92 lässt sich zwar die Zulässigkeit einzelner Maßnahmen im Hinblick auf ihre Erfolgswirkung beurteilen und somit die Grenze einer zielführenden Unternehmensleitung verdeutlichen93. Eine wirklich messbare Größe gewährt als Sorgfaltsmaßstab allerdings nur das Ziel der Erwirtschaftung eines angemessenen (bilanzrechtlichen) Gewinns94, der eine substantielle Kapitalerhaltung95 sowie die Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals mit dem landesüblichen Zinssatz und einer sachgerechten Risikoprämie sicherstellt96. In den letzten Jahren wurde nun auch in Deutschland vermehrt die Umsetzung des ursprünglich angloamerikanischen Shareholder Value-Ansatzes vorangetrieben, nach dem die Unternehmenspolitik im Interesse der Anteilseigner in erster Linie an der Maximierung des Unternehmenswerts97 als Ziel der Geschäftstätigkeit auszurichten ist98. Dieses Konzept ist mit der Zielsetzung eines angemessen Gewinns dann kompatibel, wenn es für den Vorstand eine kongruente Unternehmensstrategie impliziert99: Das Gewinnerzielungsziel verlangt vom Vorstand mitunter, dass er zur Umsetzung der Unternehmensstrategie sowie zur Finanzierung des Un90 Vgl. hierzu Junge, in: FS v. Caemmerer 1978, S. 556; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 38 f.; Semler / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, Vor § 76 / Rn. 79. 91 Hüffer, Komm. AktG, § 76 / Rn. 13; Junge, in: FS v. Caemmerer 1978, S. 555. 92 So Mülbert, ZGR 1997, S. 141. 93 Vgl. die Untersuchung von Großmann, Unternehmensziele, S. 78 ff. 94 So zutreffend H.-P. Müller, DB 1978, S. 2169; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 40 ff.; ähnlich Clemm, in: FS Ritter 1997, S. 680; vgl. auch Raiser, ZHR 144 (1980), S. 215 f. 95 Vgl. dazu Laske, ZGR 1979, S. 191. 96 Mertens, ZGR 1977, S. 275, begnügt sich hingegen mit der Kapitalerhaltung als Minimum des Rentabilitätsziels. Bei einer reinen Kapitalerhaltung fehlt es jedoch an jedem Nutzen für das eingesetzte Kapital, so dass sie für eine Zielformulierung nicht ausreicht, dazu richtig Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 48, dort in Fn. 82. 97 Der Unternehmenswert leitet sich nach der modernen investitionstheoretisch fundierten Unternehmensbewertung aus dem Marktwert des Eigenkapitals ab; näher dazu Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, S. 635 ff. 98 Einen geschichtlichen Überblick über den Einzug des Shareholder Value-Gedankens in das deutsche Aktienrecht gewähren Groh, DB 2000, S. 2152; Mülbert, in: FS Röhricht 2005, S. 433 ff.; vgl. darüber hinaus Englert / Scholich, BB 1998, S. 684; Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 1 / Rn. 29 ff.; ders., in: Spindler / Stilz, Komm. AktG, § 76 / Rn. 29 ff.; v. Werder, ZGR 1998, S. 69. Grundlegend zum Begriff des Shareholder Value aus betriebswirtschaftlicher Sicht Rappaport, Shareholder Value. 99 Mögliche Konfliktfelder zeigt Mülbert, in: FS Röhricht 2005, S. 427 ff.; ders., ZGR 1997, S. 159 ff., auf.

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft

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ternehmenswachstums benötigtes Kapital zu möglichst günstigen Konditionen beschafft. Eine marktwertmaximierende Unternehmensführung fördert die wettbewerbsfähige Stellung der Gesellschaft am Eigenkapitalmarkt maßgeblich und verbessert in diesem Sinne ihre künftigen Eigenkapitalfinanzierungsmöglichkeiten100. Ausgehend von dieser Überlegung ist deshalb, auch im Lichte der jüngeren Aktien- und Kapitalmarktgesetzgebung, insbesondere bei börsennotierten Gesellschaften eine wertorientierte Unternehmensführung als zielführend anzusehen und damit aktienrechtlich zulässig101. Beide Unternehmensziele verlangen indessen nicht, dass alle Aufwendungen des Unternehmens an der jeweiligen Zielgröße zu messen sind. Das Gebot der Gewinnerzielung verwehrt es einer Gesellschaft nicht, sich als sog. good corporate citizen102 innerhalb des Gemeinwesens auch einmal in Form von ertragsmindernden Leistungen, Sponsoring, „Mäzenatentum“ und Spenden für kulturelle, soziale und staatsbürgerliche Zwecke zu engagieren, um ihre gesellschaftspolitische Akzeptanz zu fördern, z. B. durch Hilfeleistungen bei Naturkatastrophen und Unglücksfällen im In- und Ausland oder durch Zuwendungen an Sportverbände und – da keine Pflicht zur politischen Neutralität besteht – Parteien103. Der Freiraum des Vorstands bei derartigen Beiträgen ist jedoch insofern eingeschränkt, als sich der Umfang dieser freigebigen Zuwendungen an der Lage und der finanziellen Leistungsfähigkeit der Gesellschaft zu orientieren hat und das Unternehmensziel eines angemessenen Gewinns insgesamt nicht gefährden darf104. Der Aufsichtsrat hat sich daher im Ergebnis davon zu überzeugen, dass sich der Vorstand bei seinen geschäftsführenden Maßnahmen grundsätzlich von der Maxime einer angemessenen Gewinnerzielung leiten lässt. Er ist dementsprechend sowohl dann zum Einschreiten verpflichtet, wenn einzelne Aufwendungen diesbezüglich ein unvertretbares Übermaß erreichen, als auch bei der Feststellung einer 100 Siehe im Einzelnen dazu Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 / Rn. 54; Mülbert, ZGR 1997, S. 162; Wollburg, ZIP 2004, S. 648 f. 101 Fleischer, DB 2006, S. 542; Mülbert, in: FS Röhricht 2005, S. 433 ff.; Schmidt / Spindler, in: FG Kübler 1997, S. 540; Wiesner, in: Münchener Hdb. AG, § 19 / Rn. 23; Wollburg, ZIP 2004, S. 647 f.; vgl. im Ergebnis auch Hüffer, ZHR 161 (1997), S. 217 f.; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 10 / Rn. 765; Semler / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, Vor § 76 / Rn. 91. 102 Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 76 / Rn. 16 u. 32; Seibt, in: Schmidt / Lutter, Komm. AktG, § 76 / Rn. 12. 103 BGHSt 47, 187 (192 ff.) „SSV Reutlingen“; Fleischer, AG 2001, S. 175 ff.; Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 76 / Rn. 72; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 / Rn. 66 ff.; Seibt, in: Schmidt / Lutter, Komm. AktG, § 76 / Rn. 13. 104 Fleischer, in: Spindler / Stilz, Komm. AktG, § 76 / Rn. 41.; Hüffer, Komm. AktG, § 76 / Rn. 13 f.; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 76 / Rn. 32; Rittner, in: FS Gessler 1971, S. 151 f.; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 56. Auf die im Lichte des Art. 103 Abs. 2 GG bestehende Notwendigkeit, diesen Handlungsrahmen im Hinblick auf eine strafrechtliche Sanktionierung noch schärfer zu konturieren, sei an dieser Stelle bereits hingewiesen; ausführlich dazu unten § 4, C., II., 2., b), insbesondere bb).

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

nachhaltig ungenügenden Rentabilität, die den Bestand des Unternehmens auf die Dauer gefährden kann105. c) Beachtung des Unternehmensinteresses Für die Funktionsfähigkeit eines Unternehmens ist neben dem Kapitaleinsatz der Anteilseigner insbesondere auch der Einsatz von Arbeitskraft durch die Mitarbeiter sowie die Steuerung und Koordination dieser beiden Gruppen durch eine organisierte Führungskraft erforderlich. Aus diesem Grund sind die Verwaltungsorgane einer Aktiengesellschaft – Vorstand und Aufsichtsrat (§ 120 Abs. 2 AktG) – nach der Rechtsprechung sowohl des Bundesverfassungsgerichts als auch des Bundesgerichtshofs verpflichtet, bei der Verfolgung des Unternehmensziels das Unternehmensinteresse zu wahren106. Eine exakte Definition des Unternehmensinteresses findet sich gleichwohl weder im Gesetz noch in den Ausführungen der Rechtsprechung. Daher begegnet man im Schrifttum einer Vielzahl von Versuchen, diese Maxime mit konkreten Inhalten auszufüllen107. Das Unternehmensinteresse bestimmt sich jedenfalls nicht als abstraktes Interesse des Unternehmens als solches108. Es ergibt sich vielmehr im Wege einer Abwägung als Ergebnis des Ausgleichs zwischen den verschiedenen konfligierenden Interessen der betroffenen Unternehmensbeteiligten 109, entsprechend dem aus der modernen Verfassungslehre bekannten Gebot der praktischen Konkordanz110. 105 Semler / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, Vor § 76 / Rn. 83. Dies kann den Abzug von Ressourcen aus nicht mehr wettbewerbsfähigen Unternehmenseinheiten bzw. deren Stilllegung zur Folge haben. Insoweit ist selbst dann eine Handlungspflicht anzunehmen, wenn einzelne Unternehmenssparten (ausnahmsweise) ohne negative Auswirkungen auf ihre ökonomische Basis über längere Zeiträume unrentabel arbeiten können, will man dieses Kriterium nicht auf Fälle evidenter Substanzverluste beschränken. Vgl. auch Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 76 / Rn. 17. 106 BVerfGE 50, 290 (374); BGHZ 36, 296 (306, 310); BGHZ 64, 325 (330 f.); BGH NJW 1979, S. 1826. Der BGH verwendet dabei die Begriffe Unternehmens- und Gesellschaftsinteresse sinngleich, vgl. Henze, BB 2000, S. 212. 107 Vgl. hierzu beispielsweise die Abhandlungen von Brinkmann, Unternehmensinteresse und Unternehmensstruktur; Eisenhardt, Jura 1982, S. 294 ff.; Jürgenmeyer, Das Unternehmensinteresse; Koch, Unternehmensinteresse, insbesondere S. 68 ff.; Mülbert, ZGR 1997, S. 142 ff.; Zöllner, AG 2003, S. 7 f. 108 Zutreffend Schmidt-Leithoff, Unternehmensleitung, S. 152; Zöllner, in: Kölner Komm. AktG, Einl. / Rn. 130. 109 Sog. Integrationsmodell; ebenso Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 10 / Rn. 765; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 51. Westermann, ZGR 1977, S. 222, schreibt der Maxime deshalb eine gewisse „Schiedsrichterfunktion“ zu. 110 Für die Anwendung dieses verfassungsrechtlichen Grundsatzes sprechen sich aus: Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 76 / Rn. 57; Hopt, ZGR 1993, S. 536; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 / Rn. 64; in der Sache ebenso Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 76 / Rn. 19. Zu dem von Böckenförde stammenden Begriff der praktischen Konkordanz, vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 72, 317 ff.

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft

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Berücksichtigung ihrer partikularen Interessen erwarten nicht nur die Anteilseigner (sog. Shareholder), sondern auch die Mitarbeiter und Führungsorgane111 als Interessenträger im Unternehmen, sowie Kunden und Lieferanten, Kreditinstitute, Gläubiger und nicht zuletzt die Allgemeinheit als Träger von Interessen am Unternehmen (sog. Stakeholder)112. Hier ist jedoch zu differenzieren. Die Führung der Geschäfte des Unternehmens durch den Vorstand hat ausschließlich im Interesse der Förderung der unmittelbar am Unternehmensverband beteiligten Personen, d. h. insbesondere der Anteilseigner und der Arbeitnehmer, zu erfolgen113. In Übernahmesituationen bindet der Gesetzgeber die Verwaltungsorgane sogar an das Wertsteigerungsinteresse des Unternehmens und damit seiner Aktionäre und räumt diesem Interesse somit ausdrücklich Priorität gegenüber anderen Partikularinteressen ein (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 1 WpÜG)114. Die Belange der lediglich am Unternehmen interessierten Gruppen sind nur im Rahmen einzelner Geschäfte zu berücksichtigen und determinieren nicht die allgemeine Handlungsmaxime für die Verwaltung der Gesellschaft115. Soweit die Interessen der Gläubiger oder der Öffentlichkeit überdies in gesetzlichen Vorschriften Ausdruck finden, stehen sie ohnehin nicht zur Disposition der Verwaltungsorgane für einen Interessenausgleich, sondern sind von ihnen bereits als Schranke des Unternehmensinteresses zwingend zu beachten116. Vorstand und Aufsichtsrat sind daher verpflichtet, anhand der Ermittlung des Unternehmensinteresses das Unternehmensziel der Erwirtschaftung eines angemessenen Gewinns bzw. der Maximierung des Shareholder Value im Hinblick auf abweichende Interessen zu überprüfen. Sie haben sodann festzustellen, ob und in 111 Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 52, weist zutreffend darauf hin, dass die ausschließliche Berücksichtigung der Interessen von Aktionären und Mitarbeitern die Führungsaufgabe derart vernachlässigen könnte, dass die ordnungsgemäße Fortführung des Unternehmens beeinträchtigt werden könnte. Von diesem Grenzfall abgesehen wird sich ein eigenständiges Interesse der Führungsorgane jedoch in der Regel nur schwer feststellen lassen, so auch Jürgenmeyer, Das Unternehmensinteresse, S. 63; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 47, dort in Fn. 9. 112 Über den Umfang der in die Abwägung einzubeziehenden Interessen bestehen Meinungsverschiedenheiten, vgl. die Darstellung bei Eisenhardt, Jura 1982, S. 294 ff.; Kessler, AG 1995, S. 61 ff.; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 51, dort in Fn. 97. 113 So zutreffend Kunze, ZHR 144 (1980), S. 105; Schilling, ZHR 144 (1980), S. 137; Semler / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, Vor § 76 / Rn. 88 f.; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 47. 114 Ähnlich die Formulierung in Ziff. 3.7 Abs. 2 DCGK. 115 Dagegen hatte § 70 Abs. 1 AktG 1937 dem Vorstand noch ausdrücklich die Berücksichtigung der Belange der Allgemeinheit aufgegeben; in diesem Sinne u. a. auch Raisch, in: FS Hefermehl 1976, S. 351 ff.; für das geltende Aktienrecht ablehnend Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 76 / Rn. 54. Die Feststellung des öffentlichen Interesses ist im Unternehmen allerdings schwer möglich und vielmehr Aufgabe des parlamentarischen Gesetzgebers und der Verwaltungsbehörden; darauf weisen auch Junge, in: FS v. Caemmerer 1978, S. 550 und Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 54, dort in Fn. 111, hin. 116 Hopt, ZGR 1993, S. 536 f.; Junge, in: FS v. Caemmerer 1978, S. 550; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 79.

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

welchem Umfang die Geschäftsführung im Einzelfall von diesem Hauptziel abweichen darf oder abweichen muss117. Das zeigt zum einen, dass sich die Verhaltensimplikationen der Maxime nicht abstrakt und generell, sondern nur von Fall zu Fall in Abhängigkeit von der konkreten Situation bestimmen lassen118. Dies bedeutet aber auch, dass trotz unvermeidbarer wirtschaftlich nachteiliger Entscheidungen im Einzelfall auf längere Sicht stets das Primat einer nachhaltigen Rentabilität 119 der Gesellschaft im Vordergrund der Interessenfindung bleiben muss, um den Bestand und die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens zu erhalten120. Unternehmerische Maßnahmen, die dieses langfristige Hauptziel als oberste handlungsleitende Maxime nicht beachten, verstoßen gegen die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG121.

2. Konkrete Prüfungsmaßstäbe Erfolgt die Geschäftsleitung innerhalb dieser dargestellten Grenzen für unternehmerisches Handeln, so ist sie vom Aufsichtsrat ferner auf ihre Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit hin zu kontrollieren. Die einzelnen Aufgabenfelder lassen sich teilweise nicht eindeutig einer Prüfungskategorie zuordnen, da die Sachbereiche in einem engen Zusammenhang stehen und sich punktuell überschneiden. Letztlich handelt es sich dabei jedoch nur um einen formal-theoretischen Streit des Schrifttums um Begrifflichkeiten, der auf den materiellen Prüfungsgehalt im Ergebnis ohne Auswirkung bleibt122.

117 Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 57. Der Shareholder Value-Ansatz lässt sich insofern nur dann mit dem Konzept des Unternehmensinteresses vereinbaren, wenn er nicht generell den Interessen der Shareholder Vorrang vor denjenigen der anderen Stakeholder einräumt, sondern schlicht den Einsatz aller Kräfte zur Steigerung des Unternehmenswerts verlangt (sog. moderater Ansatz), so zutreffend Semler / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, Vor § 76 / Rn. 90 f. 118 Koch, Unternehmensinteresse, S. 66; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 10 / Rn. 765; v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 128. 119 Bzw. eines zu maximierenden Unternehmenswerts i.S. des Shareholder Value-Ansatzes, vgl. oben bb). 120 Dieses Ziel wird auch als „kleinster gemeinsamer Nenner“ bezeichnet, so bei Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 625 ff.; ähnlich Hüffer, Komm. AktG, § 76 / Rn. 13; Junge, in: FS v. Caemmerer 1978, S. 554; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 / Rn. 52; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 10 / Rn. 765; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 76 / Rn. 22; Raisch, in: FS Hefermehl 1976, S. 369; Ulmer, in: Hanau / Ulmer, Komm. MitbestG, § 25 / Rn. 93. 121 Vgl. Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 10 / Rn. 765. 122 Ein Überblick über die im Einzelnen variierenden Subsumtionen innerhalb des Schrifttums findet sich bei Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 124 f., und Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 84 ff.

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft

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a) Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung aa) Umfang der Legalitätskontrolle Das Gebot der Rechtmäßigkeit des Vorstandshandelns ist ein essentieller Bestandteil der korrekten Leitung des Unternehmens und muss daher vom Aufsichtsrat unbedingt auf seine Einhaltung hin überprüft werden. Der Aufsichtsrat hat dabei zu untersuchen, ob sich die Vorstandsmitglieder sowohl formell als auch materiell im Rahmen der Grenzen bewegen, die ihnen durch die Satzung der Gesellschaft, die Geschäftsordnung123 und durch den Anstellungsvertrag124 jeweils gesetzt werden125. In ähnlicher Weise ist auch die Nichtbeachtung der Selbstverpflichtung auf den Deutschen Corporate Governance Kodex (vgl. § 161 AktG) vom Aufsichtsrat zu verfolgen126. Die Gesellschaft kann zwar nach dem Grundsatz „comply or explain“ berichten127, wenn Empfehlungen des Kodex nicht angewendet werden. Allerdings bedarf ein solches Abweichen im Zweifel der Zustimmung des Aufsichtsrats, wenn dieser vorher der Entsprechenserklärung128 zugestimmt hatte129. Darüber hinaus hat der Aufsichtsrat die unbestrittene Pflicht, auch die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften im Unternehmen zu kontrollieren. Er muss darüber wachen, dass sich der Vorstand zum einen selbst an die Gesetzesbestimmungen hält und zum anderen aber auch die Mitarbeiter des Unternehmens zu gesetzestreuem Verhalten anhält130. Uneinigkeit besteht in der Frage, welchen Umfang diese Pflicht annimmt bzw. welchen Rechtsvorschriften in diesem Zusammenhang überhaupt eine Prüfungsrelevanz zukommt. Als gesellschaftsrechtliches Kontrollorgan hat der Aufsichtsrat in jedem Fall darüber zu wachen, dass der Vorstand die 123 Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 184, klassifiziert die Bestimmungen der Geschäftsordnung als Kriterien der Ordnungsmäßigkeit. 124 So bereits Dreist, Überwachungsfunktion, S. 93; Lippert, Überwachungspflicht, S. 51 f.; Saage, in: Handbuch des Aufsichtsrats, S. 449; zustimmend Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 85, mit dem Hinweis, dass anderenfalls für den Anstellungsvertrag keine Kontrollinstanz vorhanden wäre, da die Hauptversammlung nicht berufen und auch nicht im Stande ist, die Einhaltung zu prüfen. 125 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 72; v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 121. 126 So Semler / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, Vor § 76 / Rn. 117; zu möglichen Verstößen Ettinger / Grützediek, AG 2003, S. 354 ff. 127 Diese Berichterstattung ist wiederum Bestandteil der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung, vgl. Semler / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, Vor § 76 / Rn. 106 sowie unten, b). 128 Siehe zu den vom Aufsichtsrat zu beachtenden Anforderungen einer korrekten Entsprechenserklärung jüngst LG Schweinfurt, WPg 2004, S. 229, kritisch dazu Ettinger / Grützediek, AG 2003, S. 353 ff.; Henze, BB 2005, S. 171 f. 129 Siehe zum Zustimmungsvorbehalt allgemein unten IV., 5. 130 Sog. „Zuchtmeisterpflicht“, vgl. U. Schneider, in: Scholz, Komm. GmbHG, § 52 / Rn. 64.

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

Regeln des Aktiengesetzes sowie die unmittelbar die Unternehmenstätigkeit betreffenden Normen – im besonderen handels-, kartell-, wettbewerbs-, steuer-, mitbestimmungs-, umwelt- und vergaberechtliche Vorschriften – oder die für eine Branche spezifischen Gesetze, wie zum Beispiel die Vorschriften des WpHG und des KWG, einhält131. Inwieweit Verstöße gegen andere, nicht unmittelbar die Unternehmenstätigkeit betreffende Gesetze – insbesondere strafrechtliche Vorschriften – einer Überwachungspflicht des Aufsichtsrats unterliegen, wird im Schrifttum hingegen sehr differenziert beurteilt. Ausgangspunkt der Diskussion ist der Hinweis auf die Funktion des Aufsichtsrats, der als Organ der Gesellschaft gerade nicht die Aufgabe eines objektiven Kontrollorgans zur Sicherung von Recht und Gesetz im Sinne einer Strafverfolgungsbehörde auszufüllen hat132. Eine lückenlose Gewährleistung der Legalität würde den Aufsichtsrat in seinen Möglichkeiten überfordern133 und eine effektive Kontrolltätigkeit eher lähmen134, zumal das Gesetz selbst in der Regel ein bis zwei Sitzungen im Kalenderhalbjahr zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung für ausreichend betrachtet135. Die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats dient der Sicherstellung des Unternehmensinteresses und soll im konkreten Fall des rechtswidrigen Vorstandshandelns Schaden von der Gesellschaft abwenden136. Vor diesem Hintergrund ist es jedenfalls dort, wo lediglich die Interessen Dritter oder der Allgemeinheit beeinträchtigt werden, nicht die Sache des Aufsichtsrats, die Verletzung geltenden Rechts durch den Vorstand zu beanstanden137, soweit nicht eine alle Staatsbürger treffende Anzeigepflicht besteht (vgl. § 138 StGB). Umgekehrt ist von einer uneingeschränkten Prüfungspflicht des Aufsichtsrats auszugehen, sobald der Gesetzesverstoß des Vorstands eine wirtschaftliche Relevanz für das Unternehmen besitzt und insofern das Unternehmensinteresse 131 Dreist, Überwachungsfunktion, S. 93; Lutter, Information, S. 30; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 72; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 122 f.; v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 121; U. Schneider, in: Scholz, Komm. GmbHG, § 52 / Rn. 64; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 186 f.; Lutter / Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 / Rn. 11. 132 Vgl. v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 122; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 188 sowie Lutter, Information, S. 30, der gerade darauf hinweist, dass es nur um die Legalität der Geschäftsführung und nicht um die Legalität im Unternehmen insgesamt geht. 133 Besonders die Kenntnisnahme ist angesichts des festgelegten Informationssystems nicht lückenlos gesichert, so dass der Aufsichtsrat von vielen kleineren Gesetzesverstößen erst gar nicht erfahren wird. Diese Einschätzung teilen auch Raiser, ZGR 1989, S. 64 und Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 86. 134 Dies betont auch Raiser, ZGR 1989, S. 64; zustimmend Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 86. 135 Vgl. oben I., 2., a). 136 Vgl. Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 73; v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 123. 137 So auch Raiser / Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 / Rn. 109 sowie im Ergebnis Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), S. 12.

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft

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berührt138. Die Schwere des Verstoßes sowie die Höhe des Schadensrisikos dürfen in diesem Zusammenhang nicht zur einschränkenden Bedingung gemacht werden139, da sie in ihrer generalklauselartigen Weite ungeeignet sind, die Pflichtenbindung des Aufsichtsrats hinreichend konkret zu bestimmen. Zudem ist der Vorstand im Rahmen der Geschäftsleitung gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG zur Beachtung aller rechtlichen Vorschriften verpflichtet140. Mit der umfassenden Pflicht des Prüfungsobjekts muss der Prüfungsmaßstab der Kontrolltätigkeit durch den Aufsichtsrat korrespondieren141. Aspekte wie die unterschiedliche Schwere der Tat und die Höhe des Schadensrisikos können deshalb erst bei der gedanklich sich anschließenden Frage der Art und Weise sowie der Intensität der korrigierenden Einwirkung auf den Vorstand in Form eines abgestuften Mitteleinsatzes Berücksichtigung finden142. Die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen durch die Verwaltungsorgane ist dem Unternehmensinteresse stets vorgeordnet143. Gesetzesverstöße, die subjektiv im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft oder gar objektiv zu ihrem Nutzen erfolgen – exemplarisch seien an dieser Stelle gewinnbringende, aber illegale Waffengeschäfte, die Missachtung kostenträchtiger Umwelt- bzw. Arbeitsschutzstandards oder Schmiergeldzahlungen unter Verstoß gegen § 299 StGB bzw. bei einer Bestechung (ausländischer) Amtsträger unter Verstoß gegen § 334 StGB (i.V.m. Art. 2 § 1 Nr. 2 IntBestG)144 genannt –, entbehren daher trotz ihrer ökonomischen „Nützlichkeit“ einer Rechtfertigung145. Entsprechend ging auch der Gesetzgeber jüngst bei der Kodifizierung des unternehmerischen Ermessens in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ausweislich davon aus, dass für wohl kalkulierte Gesetzesverstöße nach dem Muster einer „Law-as-Price“-Theorie146 kein „sicherer Hafen“ besteht147. 138 Diese überzeugende Differenzierung treffen Raiser, ZGR 1989, S. 64; ebenso Raiser / Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 / Rn. 109 sowie Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), S. 12; zustimmend Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 87. 139 So aber Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 187 f. 140 Dazu Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 93 / Rn. 34 ff. 141 Darauf weist auch Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 122 f., hin; ähnlich Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 73. 142 So zutreffend Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 73; vgl. zu den abgestuften Formen der Einwirkung Raiser, ZGR 1989, S. 65; ebenso Krieger, EWiR § 111 AktG, 1 / 1988, S. 212. 143 Ausdruck findet dieser Rechtssatz in § 396 Abs. 1 AktG, wonach die Gesellschaft bei gesetzwidrigem Verhalten ihrer Verwaltungsträger aufgelöst werden kann; vgl. Fleischer, ZIP 2005, S. 148; eine ausdrückliche Festschreibung im Gesetzestext empfiehlt gleichwohl Paefgen, AG 2004, S. 252. 144 Vgl. dazu etwa BGHZ 94, 268. 145 Sog. Legalitätsprinzip („duty of obedience“), vgl. Fleischer, ZIP 2005, S. 145 ff. m. w. N.; Ihrig, WM 2004, S. 2103 ff.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 24 f.; jedenfalls für vorsätzliche Verstöße gegen Strafbarkeitsnormen M. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 132. 146 Näher zu diesem Ansatz Fleischer, ZIP 2005, S. 147.

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

bb) Überwachungspflicht bei Straftaten des Vorstands Führt man sich die Funktion der Legalitätskontrolle vor Augen, so hat der Aufsichtsrat Verstöße gegen strafrechtliche Vorschriften immer, aber auch nur dann zu beanstanden, wenn das Verhalten des Vorstands zu wirtschaftlich relevanten Nachteilen für die Gesellschaft führt und damit das Unternehmensinteresse beeinträchtigt. Der Schaden für das Unternehmen braucht dabei nicht unmittelbar materieller Art, etwa infolge einer deliktsrechtlichen Schadensregresspflicht, zu sein. Auch ein zunächst nur ideeller Nachteil in Gestalt einer Schädigung der Reputation des Unternehmens kann weit reichende materielle Einbußen nach sich ziehen148. Jedenfalls die Wahrung des Ansehens der Gesellschaft verpflichtet den Aufsichtsrat daher in der Regel, die Einhaltung strafrechtlicher Ge- und Verbote durch das Geschäftsleitungsorgan im Interesse des Unternehmens zu überwachen. Zu weit geht es allerdings, wenn man in diesem Zusammenhang auch strafbares Verhalten des Vorstands im Privatbereich der Legalitätskontrolle unterwirft149, da dieser Handlungsbereich sachlich nicht Gegenstand des Überwachungsauftrages ist150. Die Einwirkungspflichten, die den Aufsichtsrat nach der Feststellung von Verstößen gegen Strafgesetze treffen, orientieren sich wiederum an seiner Funktion als unternehmensbezogenes Kontrollorgan. So haben die Aufsichtsratsmitglieder im Rahmen der Selbstverwaltung des Unternehmens vorrangig durch gesellschaftsinterne Maßnahmen und Korrekturen gesetzmäßige Zustände herzustellen. Eine Pflicht zur Erstattung einer Strafanzeige ergibt sich erst dann, wenn der Aufsichtsrat seine eigenen gesellschaftsinternen Mittel ausgeschöpft hat oder nur durch eine staatsanwaltlich eingeleitete Aufklärung schwerer Schaden von der Gesellschaft abgewendet werden kann151. b) Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung Eine ordnungsgemäße Leitung der Gesellschaft verlangt vom Vorstand allgemein die Beachtung kaufmännischer Sorgfaltsregeln152 und findet im Wesentlichen in drei Aufgabenbereichen näheren Ausdruck: 147 Vgl. Begr. RegE. UMAG, BT-Drucks. 15 / 5092, S. 11; siehe dazu eingehend unten § 4, C., I., 2., a). 148 Vgl. Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 73; v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 123; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 86. 149 Vgl. aber Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 84 / Rn. 98; Hüffer, Komm. AktG, § 84 / Rn. 28; Janzen, NZG 2003, S. 473 unter Hinweis auf BGH WM 1967, S. 251; BGH NJW 1956, S. 1513 = LM BGB § 626 Nr. 8; BayObLG, NJW 1955, S. 1678. 150 Siehe dazu auch unter § 6 A., II., 1. 151 Ebenso Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 72; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 116 / Rn. 17; Otto, in: Großkomm. AktG, Vor § 399 / Rn. 24; Säcker, NJW 1986, S. 804 f.; v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 124. 152 Vgl. Potthoff / Trescher / Theisen, Aufsichtsratsmitglied, Rn. 491.

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft

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Von Bedeutung ist zunächst eine im Hinblick auf die Struktur und die Eigenart der Gesellschaft sachgerechte Organisation des Unternehmens. Hier hat der Aufsichtsrat zu kontrollieren, ob der Vorstand trotz dezentralisierter Aufgabenwahrnehmung die Gesellschaft auf der Grundlage eines internen Kontrollsystems und mittels eines wirksamen Führungsinstrumentariums tatsächlich steuern und leiten kann153. Wie die Regelungen des § 91 Abs. 2 AktG sowie der Ziff. 4.1.4 und 5.3.2 des DCGK unterstreichen, kommt in diesem Zusammenhang der Einrichtung eines wirksamen Risikomanagements im Unternehmen eine ganz wesentliche Rolle zu. So muss sich vornehmlich der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats sehr genau vergewissern, ob der Vorstand nicht nur für das Erkennen, sondern auch für das Managen und Steuern erkannter (strafrechtlicher 154) Risiken angemessen Vorsorge getroffen hat155. Weiteres Kennzeichen einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung ist eine angemessene Planung im Unternehmen. Der Aufsichtsrat muss sich unter diesem Aspekt von der Existenz und Angemessenheit sowohl einer kurzfristigen, als auch einer mittel- und langfristigen Planung in den Bereichen Produktion, Umsatz, Finanzen, Investitionen und Personal (vgl. § 90 Abs. 1 AktG) überzeugen156. Grundlage jeglichen unternehmerischen Wirkens und somit gleichfalls ein Gebot der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsleitung ist ein funktionierendes, systematisches Berichtswesen innerhalb der Gesellschaft, das die ständige und ausreichende Informationsversorgung von Vorstand und Aufsichtsrat gewährleistet157. Der Aufsichtsrat hat die Verpflichtung, auf eine ordnungsgemäße Berichterstattung zu achten, weil unzureichende oder mangelhafte Entscheidungsgrundlagen häufig unternehmerische Fehlentscheidungen und damit in der Folge Schäden für die Gesellschaft hervorrufen können158.

153 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 74; Potthoff / Trescher / Theisen, Aufsichtsratsmitglied, Rn. 491; v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 120. 154 Nach Dierlamm, in: Wabnitz / Janovsky, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 27. Kap. / Rn. 7, soll es hier wesentlich auch um die Kontrolle strafrechtlicher Risiken gehen; zurückhaltender Große Vorholt, Management, Rn. 155 ff. 155 Eingehend dazu Lentfer, Überwachung, S. 147 ff. Umstritten ist insoweit lediglich, ob die Pflicht des Vorstands zur Implementierung eines effektiven Risikomanagements ebenfalls aus der Spezialnorm des § 91 Abs. 2 AktG folgt oder aber in der allgemeinen Leitungsaufgabe nach § 76 Abs. 1 AktG gründet; siehe dazu Gernoth, DStR 2001, S. 299 ff.; Pahlke, NJW 2002, S. 1681 ff. 156 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 75 ff.; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 184; weiterführend Lutter, AG 1991, S. 249 ff. 157 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 79; v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 120; Semler / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, Vor § 76 / Rn. 94 f. 158 Dies betont Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 185.

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

c) Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung Der Vorstand hat bei der Leitung der Gesellschaft weiterhin die Gebote der Wirtschaftlichkeit zu beachten, um eine ausreichende Liquidität, eine angemessene Finanzierung sowie die langfristige Ertragskraft und damit die Überlebensfähigkeit des Unternehmens im Wettbewerb mit anderen Marktteilnehmern sicherzustellen159. Der Aufsichtsrat muss deshalb darüber wachen, ob der Vorstand bei seinen unternehmerischen Entscheidungen von mehreren Handlungsalternativen die wirtschaftlich Vorteilhafteste wählt, bei der Aufwand und Nutzen im besten Verhältnis zueinander stehen. Die Effizienzprüfung anhand betriebswirtschaftlicher Kennzahlen hat dabei neben dem Erlös der Einzelmaßnahme stets auch den Nutzen für das Gesamtunternehmen im Auge zu behalten160. Die Aufsichtsratsmitglieder müssen sich aber stets bewusst sein, dass unternehmerisches Handeln das Eingehen gewisser Risiken bedingt, so dass der Vorstand Geschäfte in den Grenzen des normalen kaufmännischen Risikos durchführen können muss161.

d) Zweckmäßigkeit der Geschäftsführung Schließlich obliegt dem Aufsichtsrat die Kontrolle der Zweckmäßigkeit des Vorstandshandelns162. Er muss dabei unter Abwägung der Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung, der Verhältnismäßigkeit des Mitteleinsatzes und des Ausmaßes möglicher Risiken erörtern, ob und inwieweit die eingesetzten Mittel dem angestrebten Zweck angemessen sind, ob das betreffende Vorhaben langfristig den größten Erfolg verspricht, ob es Alternativen gibt oder ob sogar ein Verzicht auf die Maßnahme geboten ist163. Die Beurteilung orientiert sich dabei in hohem Maße an reinen Erfahrungswerten164 und hat auch die sozialen Auswirkungen des geplanten Geschäfts in die Bewertung mit einzubeziehen165. Der Aufsichtsrat darf sich jedoch nicht auf die Prüfung beschränken, ob sich die Entscheidung des Vorstands innerhalb der Grenzen seines zulässigen Ermessens166 bewegt. Er hat vielmehr durchVgl. Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 83. Dreist, Überwachungsfunktion, S. 94; Potthoff / Trescher / Theisen, Aufsichtsratsmitglied, Rn. 494; v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 125. 161 Semler / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, Vor § 76 / Rn. 127. 162 Vgl. u. a. BGHZ 75, 120 (133); Hueck, in: Baumbach / Hueck, Komm. AktG, § 111 / Rn. 5; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111 / Rn. 27. 163 Potthoff / Trescher / Theisen, Aufsichtsratsmitglied, Rn. 493; v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 126; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 192. 164 Vgl. dazu Saage, in: Management-Enzyklopädie, S. 336. 165 Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 183, dort in Fn. 292. Henn, Aktienrecht, § 19 / Rn. 612; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 79 und Raiser, in: Hachenburg / Ulmer, Großkomm. GmbHG, § 52 / Rn. 87, stufen dies als eine Frage der Ordnungsmäßigkeit ein. 166 Siehe unten III., 2., b). 159 160

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft

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weg eine eigene Einschätzung der Zweckmäßigkeit des Geschäfts vorzunehmen, unabhängig von der Frage einer Einwirkungspflicht167 bei Meinungsverschiedenheiten mit dem Vorstand168. Die Frage der Wirtschaftlichkeit einer Maßnahme wird häufig die Beurteilung ihrer Zweckmäßigkeit präjudizieren. Allerdings sind durchaus auch Konstellationen denkbar, in denen ein Vorhaben zwar wirtschaftlich, aber unzweckmäßig169 oder zweckmäßig, aber unwirtschaftlich sein kann170. In diesen Fällen hat der Aufsichtsrat das Vorstandshandeln nicht generell zu beanstanden171, sondern erst nach Vornahme einer „Gesamtschau“ der Prüfungskriterien zu entscheiden, ob ein Eingreifen geboten ist oder nicht172.

III. Durchführung der Überwachung 1. Das Überwachungsverfahren Die Überwachungsaufgabe beinhaltet für den Aufsichtsrat im Einzelnen mehrere Verpflichtungen, die sich jeweils in einzelne Verfahrensschritte systematisieren lassen. Ausgangspunkt jeder Überwachung ist die Erfassung des richtigen Sachverhalts. Der Aufsichtsrat hat die entscheidungsrelevanten Tatsachen festzustellen, sie kritisch zu bewerten und sich sodann ein eigenständiges Urteil zu bilden173. Bei der Meinungsbildung braucht er sich nicht auf die vom Vorstand angeführten Argumente zu beschränken, sondern ist vielmehr gehalten, auch die unternehmerischen Kenntnisse und beruflichen Erfahrungen seiner einzelnen Mitglieder einzubringen174.

167 Der Aufsichtsrat kann und darf gerade nur im Falle der Überschreitung der Ermessensgrenzen durch den Vorstand tätig werden, vgl. unten III., 2., b). 168 Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 127 ff. 169 Vgl. das Beispiel bei Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 90, dort in Fn. 240, die aufführt, dass ein finanziell lukratives Geschäft unzweckmäßig sein kann, wenn dadurch der Ruf des Unternehmens nachhaltig geschädigt werden würde. 170 Diese Ansicht teilt auch Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 191. A.A. dagegen Hüffer, Komm. AktG, § 111 / Rn. 6. 171 Dies vertreten allerdings Meier / Budde, DB 1974, S. 1273. 172 Ebenso Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 90. Henn, Aktienrecht, § 19 / Rn. 612, spricht insoweit von „wirtschaftlicher Zweckmäßigkeit“. 173 Vgl. Semler, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 1 / Rn. 176 ff. 174 Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. AG, § 29 / Rn. 29. Denn oft bestehen Aufsichtsratsgremien aus Vorstandsmitgliedern anderer Unternehmen oder ehemaligen Vorstandsmitgliedern desselben Unternehmens, deren Berufserfahrung für die Geschäftsführung der Gesellschaft sehr wertvoll sein kann.

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

Im Anschluss muss der Aufsichtsrat im Wege einer Stellungnahme die Vorstandsmitglieder über das Ergebnis seiner Überlegungen in Kenntnis setzen und gegebenenfalls auf seine Bedenken bezüglich einzelner Maßnahmen oder der Geschäftsführung insgesamt hinweisen175. Der Aufsichtsrat darf sich dabei jedoch nicht mit einer schlichten Information begnügen, sondern hat dem Vorstand konkret mitzuteilen, was und warum ihm etwas missfällt und wie dieser seiner Ansicht nach hätte handeln müssen176. Auf der Grundlage des Dialogs mit dem Vorstand muss der Aufsichtsrat schließlich entscheiden, ob und wie er auf die gerügten Mängel tatsächlich reagiert. Kommen die Aufsichtsratsmitglieder zu dem Ergebnis, dass ein Einschreiten geboten ist, so können sie zwischen mehreren rechtlichen Möglichkeiten wählen, um auf die Geschäftsführungstätigkeit des Vorstands einzuwirken. Als Mittel zur Durchsetzung ihrer abweichenden Beurteilung stehen ihnen insbesondere die formelle Beanstandung, die Festlegung eines Zustimmungsvorbehalts (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG), die Änderung der Geschäftsordnung oder der Geschäftsverteilung des Vorstands (§ 77 Abs. 2 AktG), die Änderung der personellen Zusammensetzung des Vorstands (§ 84 AktG), der Hinweis im Bericht an die Hauptversammlung (§ 151 Abs. 2 Satz 2 AktG) oder auch die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung (§ 111 Abs. 3 AktG) zur Verfügung177.

2. Reichweite und Grenzen der Überwachung Das vom Aufsichtsrat zu überwachende Handeln des Vorstands im Rahmen der Geschäftsführung bedingt unternehmerische Entscheidungen. Charakteristische Merkmale einer unternehmerischen Entscheidung – zum Beispiel im Rahmen einer Kreditvergabe – sind neben ihrer besonderen wirtschaftlichen Tragweite eine häufig hohe Komplexität, die vielfache Ausrichtung auf die Zukunft sowie im Besonderen ein verbleibender Unsicherheitsfaktor, der zur Folge hat, dass sie regelmäßig sowohl Chancen als auch Risiken begründet178. Die vom Gesetzgeber geprägte dualistische Konzeption der Verwaltungsstruktur einer Aktiengesellschaft grenzt den Tätigkeitsbereich des Vorstands sachlich und organisatorisch bewusst von den Aufgaben des Aufsichtsrats ab179 (vgl. §§ 105 175 BGHZ 124, 111 (127); vgl. Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111 / Rn. 31; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 197. 176 Vgl. Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 150. 177 Vgl. zu den einzelnen Eingriffsrechten des Aufsichtsrats ausführlich unten IV. 178 Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 93 / Rn. 28; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 8 ff. m. w. N.; Semler, in: FS Ulmer 2003, S. 627 f. 179 Dieses sog. Trennungs- oder Two Tier-System ist auch in Österreich, Schweden, Finnland, Dänemark sowie teilweise in den Niederlanden zwingend und von dem monistischen Board-Modell angelsächsischer Prägung oder dem schweizerischen Verwaltungsratsystem zu unterscheiden. In Frankreich, Portugal und Spanien besteht eine Wahlmöglichkeit zwischen

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft

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und 111 Abs. 4 Satz 1 AktG) und schafft für den Vorstand auf diese Weise einen eigenständigen Kompetenzbereich, der ihm für sein unternehmerisches Handeln die notwendige Gestaltungsfreiheit eröffnet und ihm die Befugnis einräumt, diese unternehmerischen Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen (§ 76 Abs. 1 AktG). Die „richtige“ oder „beste“ Entscheidung wird sich jedoch, auch unter Anwendung der Lehren der modernen Betriebswirtschaft, auf Grund der nicht zu vermeidenden Unsicherheit hinsichtlich zukünftiger Entwicklungen und Szenarien oft nicht genau antizipieren lassen. Für die Entscheidungsträger wird es immer wieder erforderlich sein, ihre Entscheidungen zu einem gewissen Grad auch „aus dem Bauch“ heraus zu treffen und dabei die „richtige Nase“ zu haben180. Würde man anschließend bei der Beurteilung ex post die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht allein aus der Kenntnis der später eingetretenen tatsächlichen Entwicklung heraus stellen, so bestünde die begründete Gefahr, dass Vorstandsmitglieder den unternehmerisch notwendigen Mut zu chancenreichen, aber zugleich mit einem gewissen Risiko behafteten Entscheidungen verlieren181. Der Vorstand ist deswegen in der Wahl seiner Handlungsmöglichkeiten zwar nicht vollständig frei zu stellen. Für ein unternehmerisches Tätigwerden, das eben charakteristischerweise Entscheidungen verlangt, die sowohl Chancen als auch Risiken begründen, sind den Vorstandsmitgliedern aber gewisse Handlungsspielräume einzuräumen, die nicht nur die bewusste Eingehung geschäftlicher Risiken, sondern auch die Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen umfassen182. Die Entscheidungsträger können in diesen Fällen ausschließlich für den steuerbaren Prozess der Entscheidungsfindung, nicht aber für den letztendlichen (Miss-)Erfolg ihrer unternehmerischen Entscheidung zur Verantwortung gezogen werden183. Diese autonomen unternehmerischen Entscheidungsspielräume des Vorstands sind vom Aufsichtsrat bei seiner Bewertung entsprechend zu beachten und definieren insoweit Reichweite und Grenzen seiner Überwachungsaufgabe. Es soll daher im Folgenden dargestellt werden, inwieweit der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Kontrolltätigkeit im Einzelnen berechtigt und verpflichtet ist, den Prozess unternehmerischer Entscheidungen des Vorstands einer Überprüfung zu unterziehen.

dem ein- und zweitstufigen Modell. Vgl. Jud, Überwachung der Unternehmen, S. 106; J. Schneider, Unternehmensüberwachung, S. 23 ff.; zur historischen Entwicklung M. Roth, AG 2004, S. 3 f.; zu einem Systemvergleich zuletzt Fleischer, AcP 204 (2004), S. 525 ff. 180 Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 226; Semler, in: FS Ulmer 2003, S. 632. 181 Darauf weisen Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 76 / Rn. 25 sowie der Bundesgerichtshof in dem Judikat ZIP 1997, S. 1027 (1029), ganz richtig hin. 182 BGHZ 135, 244 (253 f.) „ARAG / Garmenbeck“; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 / Rn. 41; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 123; Wiesner, in: Münchener Hdb. AG, § 19 / Rn. 22. 183 Vgl. BGHZ 75, 96 (109 f.); BGH AG 1978, 79 (81); Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 171 ff.; Wiesner, in: Münchener Hdb. AG, § 26 / Rn. 9.

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

a) Feststellung des Sachverhalts Die Ermittlung des Sachverhalts zur Bestimmung des Entscheidungsproblems unterliegt in jedem Fall und in vollem Umfang einer Nachprüfung durch den Aufsichtsrat, so dass im Bereich der Sachaufklärung und Beweiswürdigung kein prüfungsfreier Raum für den Vorstand besteht184. Die Feststellung des Sachverhalts berührt die Geschäftsführungsprärogative des Vorstands nicht. Der Aufsichtsrat ist deshalb an die gewonnenen Erkenntnisse des Vorstands nicht gebunden und kann auch eigene Ermittlungen und Tatsachenbewertungen unternehmen, etwa mit Hilfe seines Einsichts- und Prüfungsrechts nach § 111 Abs. 2 Satz 1 AktG oder der Beauftragung von Sachverständigen (§ 111 Abs. 2 Satz 2 AktG), ohne sich auf die Berichte des Vorstands verlassen zu müssen185. Im Ergebnis kommt es entscheidend darauf an, dass alle verfügbaren Erkenntnisquellen ausgeschöpft werden und der Aufsichtsrat seine Beurteilung auf einen vollständigen und korrekten Sachverhalt stützt186. Eine Pflicht zur eigenverantwortlichen Ermittlung der Umstände im Unternehmen ist allerdings nur dann anzunehmen, wenn Anlass für konkrete Zweifel entweder an der Vollständigkeit bzw. Richtigkeit der erhaltenen Informationen187 oder an der Sorgfältigkeit sonstigen Vorstandsverhaltens188 besteht, die Gesellschaft erst vor relativ kurzer Zeit angelaufen ist189 oder aber ein sog. Anfangsverdacht190 bezüglich strafbarer Handlungen erkennbar wird191. Der ausschließlich vage Verdacht einer unzureichenden Informationsversorgung über riskante oder am Rande des satzungsmäßig Erlaubten liegende Geschäfte verpflichtet den Aufsichtsrat hingegen nur dann zu einer erweiterten Kontrollaktivität, wenn deren Inhalt von existentieller Bedeutung für die Gesellschaft ist192. Ein solches besonderes Risiko ist Semler, in: FS Ulmer 2003, S. 632 f. Dies wird besonders dann von Relevanz sein, wenn sich der Vorstand bei besonderer Eilbedürftigkeit ausnahmsweise auf eine rein summarische Prüfung beschränken konnte, vgl. Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 93 / Rn. 25; Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 84. Vgl. zu den Informationsquellen im Einzelnen v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 137 ff.; Kropff, in: FS Raiser 2005, S. 238 ff., der ferner darauf hinweist, dass der Aufsichtsrat bei der Einholung vorstandsunabhängiger Information in einer die Autorität des Vorstands möglichst schonenden Form vorgehen sollte. Zu der Pflicht eines Gremiumsmitglieds zur organinternen Weitergabe „informell“ erlangten Sonderwissens, vgl. Emde, DB 1999, S. 1487 f. 186 Semler, in: FS Ulmer 2003, S. 632 f. 187 Kiethe, WM 2005, S. 2125 f. 188 Vgl. BGH, ZIP 2007, S. 224. 189 OLG Düsseldorf, WM 1984, S. 1080 (1084). 190 Der Anfangsverdacht muss es nach kriminalistischen Erfahrungen als möglich erscheinen lassen, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt, vgl. Meyer-Goßner, Komm. StPO, § 152 / Rn. 4. 191 Zutreffend Brandi, ZIP 2000, S. 175; ähnlich Raiser / Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 / Rn. 113; G. Roth / Wörle, ZGR 2004, S. 568; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 215. 184 185

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allerdings nicht bei jedem gewagten Geschäft, sondern erst dann anzunehmen, wenn die möglichen Risiken einer Maßnahme in keinem Verhältnis zu den potentiellen Gewinnchancen stehen193.

b) Unternehmerische Entscheidungsprärogativen des Vorstands und ihre Überprüfbarkeit Die Handlungsspielräume des Vorstands werden in der gesellschaftsrechtlichen Literatur teilweise einheitlich unter dem Begriff des „unternehmerischen Ermessens“ zusammengefasst194. Im Hinblick auf die Art der jeweils zu treffenden Entscheidung sollte jedoch präzise zwischen Beurteilungs- und Ermessensspielräumen differenziert werden195.

aa) Beurteilungsspielräume Wenn es um Fragen des Erkenntnisbereichs196 geht, sind im Rahmen einer Entscheidung häufig unbestimmte Rechtsbegriffe mit Hilfe allgemeiner Wertungen inhaltlich zu konkretisieren. So müssen die Vorstandsmitglieder zum Beispiel beurteilen, ob die betreffende Maßnahme einer „angemessenen Gewinnerzielung“ dient und im „Unternehmensinteresse“ liegt oder ob sie im Allgemeinen rechtund ordnungsmäßig ist197. In diesen Fällen lassen sich die maßgeblichen Handlungsparameter sehr oft nicht nur in einer einzigen vertretbaren Beurteilung zusammenführen. Den Entscheidungsträgern steht deshalb in solchen Situationen ein Beurteilungsspielraum für die sachliche Ausfüllung der unbestimmten Rechtsbegriffe zu, der ihnen in diesem Rahmen die Freiheit der endlichen Entscheidung sichert. 192 LG Bielefeld, ZIP 2000, S. 20 (24) „Balsam / Procedo“; zustimmend Westermann, ZIP 2000, S. 26. 193 Kiethe, WM 2005, S. 2126; Westermann, ZIP 2000, S. 26; vgl. auch LG Stuttgart, DB 1999, S. 2462 f. 194 So zum Beispiel M. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 10 ff.; sprachlich undifferenziert spricht auch das OLG Braunschweig, BB 1998, S. 2022 (2024), von einem „unternehmerischen Beurteilungsermessen“. 195 So auch BGH, BB 1997, S. 1170 (1171) „ARAG / Garmenbeck“; Dreher, ZHR 158 (1994), S. 621 ff.; Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 93 / Rn. 27; Henze, BB 2001, S. 57; Semler, in: FS Ulmer 2003, S. 632 ff. Zur Rechtsprechung vgl. weiterhin BGHZ 136, 133 (137 ff.) „Siemens / Nold“; BGHZ 125, 239 (246 ff.) „Deutsche Bank“; BGHZ 75, 96 (110 ff.) „Herstatt“. 196 Bei einer Erkenntnisentscheidung bestehen nur eine richtige und eine falsche Alternative. Der Vorstand hat dabei zu „erkennen“, welche der Handlungsmöglichkeiten die Richtige ist, vgl. Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 70. 197 Vgl. Dreher, ZHR 158 (1994), S. 622; Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 93 / Rn. 27; Henze, BB 2000, S. 211; Semler, in: FS Ulmer 2003, S. 633.

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

Unabhängig davon, ob und inwieweit in diesem Zusammenhang die im Verwaltungsrecht entwickelten öffentlich-rechtlichen Prüfungsgrundsätze der sog. Lehre vom Beurteilungsspielraum198 als Maßstab für die Überwachung dieser Entscheidungen durch den Aufsichtsrat brauchbar gemacht werden199, besteht in der Sache jedenfalls Einigkeit darüber, dass derartige Beurteilungen des Vorstands nur einer eingeschränkten gesellschaftsrechtlichen Überprüfung zugänglich sind. Grundsätzlich sind sie vom Aufsichtsrat als Teil der Geschäftsführungsprärogative des Vorstands als verbindlich hinzunehmen200. Der Aufsichtsrat ist allerdings verpflichtet, sich zu vergewissern, ob der betreffende Rechtsbegriff überhaupt einen Beurteilungsspielraum zulässt, ob der Vorstand den Sachverhalt vollständig und richtig ermittelt hat und ob sich seine Ausnutzung durch den Vorstand im gesetzlichen Rahmen bewegt sowie allgemeinen Denkgesetzen nicht widerspricht201.

bb) Ermessensspielräume Soweit dem Vorstand im Rahmen seiner Geschäftsführungsentscheidungen mehrere Gestaltungs- oder Durchsetzungsmöglichkeiten zur Auswahl stehen, muss und darf er eigenverantwortlich entscheiden, mit welcher Alternative sich die verfolgten Ziele nach seiner Einschätzung am besten verwirklichen lassen. In diesen Situationen steht ihm, insbesondere wenn er nach den Geboten des wirtschaftlichen und zweckmäßigen Handelns zu entscheiden hat, von Rechts wegen ein weit reichender Ermessensspielraum zu202. Gleichwohl sind die Vorstandsmitglieder auch in ihrer Ermessensentscheidung nicht völlig frei. Die Grenzen ihres Leitungsermessens ergeben sich aus den positiven und negativen Vorgaben anderer Pflichtenquellen203. So hat der Aufsichtsrat die Ermessensentscheidungen des Vorstands daraufhin zu überwachen, dass sie Vgl. nur Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 / Rn. 31 ff. m. w. N. Klar ist, dass dem Vorstand vor dem Bedürfnis unternehmerischer Kalkulation ein weitergehender Spielraum als der öffentlichen Verwaltung zustehen muss, die zur Achtung der Grundrechte verpflichtet ist, vgl. Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 93 / Rn. 27. Streitig ist hingegen, ob davon abgesehen eine Anlehnung an die öffentlichrechtlichen Regeln für das Gesellschaftsrecht notwendig und weiterführend ist; befürwortend Hüffer, in: FS Raiser 2005, S. 174 f.; Semler, in: FS Ulmer 2003, S. 633 f. Ablehnend Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 237 ff.; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 13 f.; ähnlich auch Raiser, NJW 1996, S. 553. 200 Semler, in: FS Ulmer 2003, S. 634. 201 Semler, in: FS Ulmer 2003, S. 634. 202 Henze, BB 2000, S. 211; Hüffer, Komm. AktG, § 76 / Rn. 12; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 76 / Rn. 10; Semler, in: FS Ulmer 2003, S. 634 f.; vgl. auch Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 168 ff. 203 So formuliert es Kindler, ZHR 162 (1998), S. 105 f.; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 76 / Rn. 16 ff., spricht von „ermessensleitenden Gesichtspunkten“. 198 199

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stets die Grundsätze der Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit beachten204, sich an den allgemeinen Verhaltensmaximen für unternehmerisches Handeln205 ausrichten und nicht willkürlich oder rechtsmissbräuchlich getroffen werden206. In die Ermessensbetätigung dürfen deshalb keine sachfremden Umstände einfließen. Die organschaftliche Treuebindung verbietet den Vorstandsmitgliedern ferner, im Rahmen ihres unternehmerischen Handelns eigennützige Zwecke zu verfolgen207. Deshalb erfordert bereits die Gefahr eigennütziger Interessenwahrnehmung ein verstärktes Tätigwerden des Aufsichtsrats, der sicherzustellen hat, dass persönliche Interessen in keiner Weise Einfluss auf die Vorstandsentscheidungen haben208. Der Aufsichtsrat hat die Entscheidungen aber auch auf die Einhaltung wirtschaftlicher Grenzen hin zu kontrollieren und bei entsprechenden Über- bzw. Unterschreitungen des kaufmännischen Ermessens einzugreifen. Denn der Vorstand muss sein Gestalten der Art und Größe des Unternehmens anpassen209 und darf keine Entscheidungen treffen, die den Bestand des Unternehmens gefährden können oder bei denen die Risiken die zu erwartenden Chancen insgesamt deutlich überwiegen210. Auf der anderen Seite ist er aber auch verpflichtet, die Entwicklung des Unternehmens zu fördern und unternehmerische Chancen zu suchen und zu nutzen. Ansonsten unterschreitet er sein Leitungsermessen, auch wenn er dadurch Risiken vermeidet211. Eine Ermessensunterschreitung hat der Aufsichtsrat überdies zu beanstanden, wenn der Vorstand fälschlicherweise davon ausgeht, zu einem sich anbietenden Geschäft nicht befugt zu sein212. Ungeachtet dessen braucht der Vorstand jeweils nicht die beste der sich ergebenden Handlungsalternativen zu wählen213. Solange er eine vertretbare Entscheidung trifft, die sich innerhalb seines Ermessensspielraums bewegt, ist der Aufsichtsrat weder berechtigt noch verpflichtet, eigene Vorstellungen von Zweckmäßigkeit und BGHZ 124, 111 (127). Verfolgung des Unternehmensgegenstandes, Erzielung eines angemessenen Gewinns, Beachtung des Unternehmensinteresses; siehe oben II., 1. 206 Kindler, ZHR 162 (1998), S. 105 f.; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 76 / Rn. 16 ff.; Semler, in: FS Ulmer 2003, S. 635; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 73. 207 Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 93 / Rn. 26; Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 144 ff.; Kindler, ZHR 162 (1998), S. 106; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 93 / Rn. 57 ff. 208 Semler, in: FS Ulmer 2003, S. 637 f. 209 Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 86. 210 BGHZ 69, 207 (213); Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 82; Lutter, in: FG BGH II 2000, S. 334; ähnlich Clemm, in: FS Ritter 1997, S. 686; Pahlke, NJW 2002, S. 1684. Bei sog. start-up Unternehmen kann in Ausnahmefällen auch eine existenzgefährdende Maßnahme zulässig sein, wenn das Einverständnis der Kapitalgeber vorliegt, vgl. Semler, in: FS Ulmer 2003, S. 635. 211 Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 93 / Rn. 29; Semler, in: FS Ulmer 2003, S. 640. 212 Semler, in: FS Ulmer 2003, S. 640. 213 Vgl. Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 187 ff. 204 205

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

Wirtschaftlichkeit an die Stelle derjenigen des Vorstands zu setzen und dessen Verhalten zu rügen214. Insoweit ist die Überwachungsbefugnis der Aufsichtsratsmitglieder bei Ermessensentscheidungen eingeschränkt.

3. Art und Umfang der vom Aufsichtsrat zu treffenden Entscheidungen Die Entscheidungen, die der Aufsichtsrat im Rahmen des Überwachungsverfahrens jeweils treffen muss, haben konsequenterweise denselben Verhaltensmaximen der Verwaltung einer Aktiengesellschaft zu folgen wie bereits die Tätigkeit des Vorstands215. So sind auch die Aufsichtsratsmitglieder bei ihrem Handeln dem Unternehmensgegenstand, dem Ziel einer angemessenen Gewinnerzielung sowie ausschließlich dem Unternehmensinteresse216 verpflichtet und müssen deshalb persönliche Interessen in diesem Zusammenhang völlig zurückstellen217. Die ihnen obliegenden Entscheidungen unterscheiden sich je nach Gegenstand und Inhalt in ihrer Art sowie ganz entscheidend auch in der Einschätzungsprärogative, die den Entscheidungsträgern im Hinblick auf eine rechtliche und gerichtliche Nachprüfung zugestanden wird. Für den weiteren Verlauf der Untersuchung soll deshalb zwischen Überwachungsentscheidungen und eigenen unternehmerischen Entscheidungen des Aufsichtsrats differenziert werden218:

a) Überwachungsentscheidungen des Aufsichtsrats Reine Überwachungsentscheidungen, die bereits getroffene – allerdings nicht notwendigerweise auch schon umgesetzte – Geschäftsführungsentscheidungen des Vorstands im Wege einer vergangenheitsbezogenen Kontrolle nachvollziehen und entweder billigen oder missbilligen, sind ausschließlich dem kognitiven Bereich zuzuordnen. Sie eröffnen dem Aufsichtsrat regelmäßig keine eigenen Entscheidungsspielräume219. Als Überwachungsorgan darf er die Vorstandsentscheidungen nicht durch eigene gestaltende Erwägungen ersetzen, sondern ist nur berechtigt 214 Dreher, ZHR 158 (1994), S. 622; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111 / Rn. 33 u. 35; Meyer-Landrut, in: Großkomm. AktG, § 111 / Anm. 3; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 131. 215 Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 181 f.; vgl. dazu im Einzelnen oben II., 1. 216 BVerfGE 50, 290 (374); BGHZ 36, 296 (306 u. 310); Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 10 / Rn. 765 m. w. N. 217 Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. AG, § 33 / Rn. 63; Potthoff / Trescher / Theisen, Aufsichtsratsmitglied, Rn. 925. 218 Die Unterscheidung zwischen unternehmerischer Präventivkontrolle und strikt rechtsgebundener ex-post-Kontrolle macht hingegen keinen Sinn; vgl. Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 149; dahingehend tendiert jedoch Kropff, in: FS Raiser 2005, S. 229 f. 219 BGHZ 135, 244 (254 f.) „ARAG / Garmenbeck“, anders noch die Vorinstanz des OLG Düsseldorf, AG 1995, S. 416 (419 f.); eingehend Pahlke, NJW 2002, S. 1686 m. w. N.

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und verpflichtet, die sachgerechte Ausnutzung von unternehmerischen Entscheidungsspielräumen durch das geschäftsführende Organ sicherzustellen220. Erst wenn es um die Auswahl der Mittel geht, die der Aufsichtsrat im Rahmen der Überwachung zur Einwirkung auf den Vorstand einzusetzen beabsichtigt, kann ihm ausnahmsweise einmal ein autonomes Handlungsermessen zustehen, nämlich sofern er zu entscheiden hat, mittels welcher von mehreren gleichermaßen geeigneten Maßnahmen die Aufgabe erledigt werden soll221.

b) Unternehmerische Entscheidungen des Aufsichtsrats Die Mitglieder des Aufsichtsrats treffen in vielfältigem Umfang auch selbst unternehmerische Geschäftsführungsentscheidungen222, mit denen sie die Lage und Entwicklung der Gesellschaft aktiv mitgestalten223. Diese Kompetenzen sind nach dem gesetzlichen Verständnis ebenfalls Teil der Überwachungsaufgabe224. Bei echten unternehmerischen Mitwirkungsrechten stehen den Aufsichtsratsmitgliedern die gleichen Entscheidungsspielräume wie dem Vorstand225 sowie eine eigene Gestaltungskompetenz zu226. Diese Befugnisse haben sie im gegebenen Fall gleichberechtigt mit dem Vorstand auszuüben227. Vgl. Kindler, ZHR 162 (1998), S. 111; Semler, in: FS Ulmer 2003, S. 629. BGHZ 135, 244 (254) „ARAG / Garmenbeck“; Goette, in: FS 50 Jahre BGH 2000, S. 131; Henze, NJW 1998, S. 3310; Raiser, NJW 1996, S. 554; Semler, in: FS Raiser 2005, S. 630; a.A. neuerdings Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 167 ff., die von einem verbindlichen Handlungsprogramm ausgeht. 222 So in Gestalt der Personalkompetenz (§ 84 AktG), der Mitwirkung bei der Feststellung des Jahresabschusses (§ 172 AktG), der Einstellung eines Teils des Jahresüberschusses in Gewinnrücklagen (§ 58 Abs. 2 AktG), der Beschlussfassung über Zustimmungsvorbehalte (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG), der Abgabe der Entsprechenserklärung (§ 161 AktG), der Zustimmung zu Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn (§ 59 Abs. 3 AktG), der Entscheidung über die Bedingungen der Aktienausgabe beim genehmigten Kapital (§ 204 Abs. 1 Satz 2 AktG), der eigenständigen Stellungnahme zu einem Übernahmeangebot (§ 27 Abs. 1 WpÜG) sowie konzernrechtlich durch die Mitwirkung bei der Ausübung von Beteiligungsrechten in mitbestimmten Tochtergesellschaften (§ 32 MitbestG, § 15 MitbestErgG); vgl. Goette, in: FS 50 Jahre BGH 2000, S. 129; Kling, DZWIR 2005, S. 46; Mertens, ZGR 1977, S. 279 ff.; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 116 ff.; Semler, in: FS Ulmer 2003, S. 628, Fn. 6. Darüber hinaus nimmt der Aufsichtsrat auch durch die Beratung des Vorstands Einfluss auf die Geschäftspolitik, vgl. Hüffer, Komm. AktG, § 111 / Rn. 5. 223 Vgl. BGHZ 114, 127 (129 f.); Boujong, AG 1995, S. 204; M. Roth, AG 2004, S. 4 f. 224 Hoffmann / Preu, Der AR, Rn. 101; eingehend dazu Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 113 ff. 225 Die Handlungsspielräume sind deckungsgleich, da es sich in beiden Fällen um unternehmerische Tätigkeiten handelt und zudem ein strengerer Maßstab für den Aufsichtsrat mittelbar auch den Spielraum des Vorstands begrenzen würde; so zutreffend Pahlke, NJW 2002, S. 1686. 226 Dies gilt zum einen für die Fälle, in denen eine Entscheidung für die Gesellschaft vom Aufsichtsrat allein getroffen wird, wie z. B. bei der Wahrnehmung der Personalkompetenz 220 221

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In anderen Fällen kann der Aufsichtsrat zwar wiederum eigene Entscheidungsspielräume bei der Bewertung vorgeschlagener Geschäftsführungsmaßnahmen wahrnehmen. Ihm wird jedoch darüber hinaus kein eigenständiges Gestaltungsrecht eingeräumt, welches ihm erlauben würde, eine Vorstandsentscheidung durch ein eigenes unternehmerisches Sachurteil zu ersetzen228.

4. Die Bedeutung der Unternehmenslage für die Intensität der Überwachung Der Aufsichtsrat muss seine Überwachungstätigkeit der jeweiligen Lage der Gesellschaft anpassen und ist dementsprechend angehalten, die Kontrolldichte sowie die Intensität seiner Einwirkung auf die Geschäftsführung insbesondere in Krisenzeiten, aber auch schon bei einer sich abzeichnenden Verschlechterung der Geschäftslage, zu steigern229. Denn die erhöhte Existenzgefahr für das Unternehmen erfordert in diesen Situationen auch ein gesteigertes Maß an Sorgfalt und Einsatz durch das Überwachungsorgan, um drohenden Schaden von der Gesellschaft abzuwenden230. Drohen sich die Unternehmensergebnisse zu verschlechtern, so bedarf es einer „unterstützenden“ Überwachung durch den Aufsichtsrat, indem er den Informationsfluss verstärkt, unter Umständen Sachverständige einbezieht (§§ 109 Abs. 1 Satz 2, 111 Abs. 2 Satz 2 AktG) und durch besondere Zustimmungsvorbehalte die Grundlagen für eine Einwirkung erweitert231. Gerät das Unternehmen (§ 84 AktG), dem Vertragsabschluss mit dem Abschlussprüfer (§ 318 Abs. 1 Satz 4 HGB), oder bei der Ausübung von Beteiligungsrechten (§ 32 MitbestG, § 15 MitbestErgG), zum anderen aber auch für die Mitwirkung bei der Feststellung des Jahresabschlusses (§ 172 AktG) und die Entscheidung über die Einstellung eines Teils des Jahresüberschusses in die Gewinnrücklagen (§ 58 Abs. 2 AktG) sowie die Entsprechenserklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex (§ 161 AktG), vgl. Henze, BB 2001, S. 58; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 8 / Rn. 481 ff.; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 138. 227 Vgl. Kindler, ZHR 162 (1998), S. 108; Kropff, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 8 / Rn. 4; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 8 / Rn. 481. 228 Das betrifft z. B. Entscheidungen über Geschäfte, die einem Zustimmungsvorbehalt unterliegen (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG), die Zustimmung zu Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn (§ 59 Abs. 3 AktG) oder Entscheidungen über die Bedingungen der Aktienausgabe beim genehmigten Kapital (§ 204 Abs. 1 Satz 2 AktG), vgl. Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 139. 229 Sog. abgestufte Überwachungspflicht, vgl. Buchta / v. Kann, DStR 2003, S. 1665; Goerdeler, WPg 1982, S. 34; Hüffer, Komm. AktG, § 111 / Rn. 7; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 87 ff.; v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 129; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 61; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 92 ff.; a. A. nur Claussen, AG 1984, S. 20 f. 230 Vgl. Potthoff / Trescher / Theisen, Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1290; Semler, AG 1983, S. 141; sowie allgemein zu diesem Grundsatz im Rahmen der bürgerlich-rechtlichen Sorgfaltspflicht Löwisch, in: Staudinger, Komm. BGB, § 276 / Rn. 49. 231 Vgl. OLG Hamburg, DB 2001, S. 583 (584); Henze, BB 2000, S. 214; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 88; Pahlke, NJW 2002, S. 1686 f.; Semler, AG 1983, S. 142.

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gar in eine Krise, so verdichtet sich die Kontrollpflicht zu einer „gestaltenden“ Überwachung. Der Aufsichtsrat muss sodann in erster Linie im Rahmen seiner Personalhoheit für einen Vorstand sorgen, der das Unternehmen aus dieser Situation zurück zum Erfolg führt. In einer besonders existenzbedrohenden Lage kann der Aufsichtsrat ausnahmsweise auch verpflichtet sein, kurzzeitig zwingend erforderliche Geschäftsführungsmaßnahmen selbst zu veranlassen232. Dazu hat er gemäß § 105 Abs. 2 AktG die Möglichkeit, ein Aufsichtsratsmitglied vorübergehend zur Stellvertretung in den Vorstand zu bestellen233. Diese situationsbedingte Primärverantwortung des Aufsichtsrats ändert indessen nichts an der grundsätzlichen Funktionsteilung in der Verwaltungsstruktur der Gesellschaft, so dass auch in einer Unternehmenskrise und möglicherweise bei der Abwehr von fremden Unternehmensübernahmen keine „Obergeschäftsführung“ durch das Überwachungsorgan zulässig ist234.

IV. Kompetenzen und Mittel des Aufsichtsrats zur Einwirkung auf den Vorstand Die Überwachungsaufgabe erschöpft sich nicht in einem reinen Prüfungsauftrag, sondern verlangt von den Aufsichtsratsmitgliedern gerade auch die Durchsetzung ihrer von der des Vorstands abweichenden Beurteilung, solange sie dadurch nicht in dessen Leitungsprärogative eingreifen. Entscheidend für die Formulierung diesbezüglicher gesellschaftsrechtlicher, wie auch dann strafrechtlicher Handlungspflichten der Aufsichtsratsmitglieder ist ihr rechtliches Können235. Das Gesetz eröffnet eine Reihe von Eingriffsmöglichkeiten, ohne dass der Aufsichtsrat zum Einsatz eines bestimmten Überwachungsmittels gezwungen ist. Er ist vielmehr berechtigt und verpflichtet, selbst nach pflichtgemäßem Ermessen ein der Situation angemessenes Instrument auszuwählen236. Welche Handlungsalternativen dem Aufsichtsrat dabei von Rechts wegen konkret zur Verfügung stehen, soll im Folgenden näher erläutert werden237. 232 Hüffer, Komm. AktG, § 111 / Rn. 7; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 89; v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 129. Die Regelung des § 105 Abs. 2 Satz 3 AktG bestätigt diese fortdauernde Funktionstrennung. 233 Vgl. dazu eingehend Heidbüchel, WM 2004, S. 1317 ff. 234 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 113, dort in Fn. 19; Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 / Rn. 90; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 89; Potthoff / Trescher / Theisen, Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1290; v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 129; Semler, AG 1983, S. 142. 235 So bereits Geßler, in: Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, Komm. AktG, § 111 / Rn. 9. 236 Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 217. 237 In Extremfällen kommt für die Aufsichtsratsmitglieder auch eine Amtsniederlegung in Betracht. Dies wird allerdings eher als ein Ausdruck von Hilflosigkeit zu werten sein; so auch Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 194.

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

1. Stellungnahmen und Beanstandungen Nach der Feststellung eines Mangels in der Geschäftsführung ist der Aufsichtsrat berechtigt, zu dem betreffenden Vorgang Stellung zu nehmen und den Vorstand unter eingehender Begründung auf die Fehlerhaftigkeit seines Handelns hinzuweisen. Die in diesem Rahmen geäußerten Standpunkte haben dem einheitlichen Willen aller Aufsichtsratsmitglieder zu entsprechen und müssen deshalb zuvor in einem Gremiumsbeschluss verabschiedet werden (§ 108 Abs. 1 AktG)238. Eine Verpflichtung zur Stellungnahme besteht generell bei nicht ordnungsgemäßem oder rechtswidrigem Verhalten des Vorstands239. Aber auch in Fällen einer unterschiedlichen Beurteilung unternehmerischer Ermessensfragen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit oder Zweckmäßigkeit eines Vorhabens gebietet die gegenseitige organschaftliche Förderungspflicht240, dass der Aufsichtsrat seine Sicht der Dinge gegenüber dem Vorstand kommuniziert und ihm so möglicherweise wertvolle, entscheidungserhebliche Aspekte nochmals vor Augen führt241. Der Vorstand muss die Äußerungen des Aufsichtsrats sodann sorgfältig prüfen242. Aus sich heraus kommt den Stellungnahmen jedoch keine rechtliche Verbindlichkeit zu, so dass der Vorstand ihnen nicht unbedingt Folge zu leisten hat243. Der Effektivität der Stellungnahme als Überwachungsmittel sind insofern Grenzen gesetzt. Ihre tatsächliche Kontrollwirkung darf gleichwohl nicht unterschätzt werden244. Denn sie veranlasst die Vorstandsmitglieder, sich mit den Argumenten des Aufsichtsrats auseinanderzusetzen und setzt sie auf diese Weise einem Begründungs- und Argumentationszwang aus, durch den sie auch sich selbst gegenüber erneut Rechenschaft über die Plausibilität ihrer Entscheidungsgründe ablegen müssen245. Allein dies kann im Ergebnis bereits häufig eine Änderung der Geschäftsführung bewirken246. BGHZ 41, 282 (286); ebenso bereits BGH, WM 1959, S. 286. Denn in solchen Situationen besteht ohnehin eine generelle Eingriffspflicht, siehe oben II., 2., a) und b) sowie v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 174 f. 240 Diese lässt sich aus der gemeinsamen Verantwortung beider Verwaltungsorgane gegenüber der Gesellschaft (§ 120 Abs. 2 Satz 1 AktG) ableiten, vgl. v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 178. 241 So überzeugend Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 202; vgl. auch Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 96. Allerdings darf er dem Vorstand in Ermessensbereichen seine Meinung nicht aufdrängen, vgl. Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 163; Lippert, Überwachungspflicht, S. 53, warnt insoweit vor einem „Überredungsdirigismus“. 242 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 101; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111 / Rn. 31. 243 Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 96; Bea / Scheurer, DB 1994, S. 2147; HoffmannBecking, in: Münchener Hdb. AG, § 29 / Rn. 31; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 101; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111 / Rn. 32. 244 Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 159, spricht in diesem Zusammenhang sogar von einem der wichtigsten Überwachungsmittel des Aufsichtsrats. 238 239

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Lenkt der Vorstand auch nach der Stellungnahme nicht ein, so verbleibt dem Aufsichtsrat die Möglichkeit, eine formelle Beanstandung der Geschäftsführung auszusprechen. Diese hat zwar gleichfalls keine rechtliche Verbindlichkeit für den Vorstand247. Ein zusätzliches Gewicht ist ihr aber insoweit beizumessen, als der Aufsichtsrat dann nicht umhin kommt, diese Maßnahme in seinem gesetzlichen Jahresbericht an die Hauptversammlung zu erwähnen (vgl. § 171 Abs. 2 Satz 2 AktG)248. 2. Beratung des Vorstands Die Überwachung der Geschäftsführung darf sich nicht auf eine Kontrolle abgeschlossener Sachverhalte aus der Vergangenheit beschränken. Der Aufsichtsrat muss sich vorbeugend mindestens in gleichem Umfang auch mit laufenden Entscheidungen und den Planungen des Vorstands für die Zukunft kritisch befassen249. Besonders deutlich wird dies anhand der Vorschrift des § 90 AktG, die allgemein für „den Gang der Geschäfte“ (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) , im Besonderen für bevorstehende rentabilitäts- oder liquiditätserhebliche Geschäfte (Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 4) sowie für die „beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung“ (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) gerade auch eine gegenwarts- und zukunftsorientierte Berichtspflicht des Vorstands vorsieht und dadurch dem Aufsichtsrat die Gelegenheit frühzeitiger Einflussnahme auf die Überlegungen der Unternehmensführung eröffnet250. Mittels einer präventiven Kontrolle kann der Aufsichtsrat viel weitergehend die Geschicke des Unternehmens beeinflussen und auf die Korrektur von Mängeln oder die Vermeidung fehlerhafter Ansätze hinwirken, als ihm dies durch eine bloße Überprüfung bereits abgeschlossener Vorgänge möglich ist251. Entsprechend hat der Bundesgerichtshof höchstrichterlich bestätigt, dass der Prüfungsauftrag des § 111 Abs. 1 AktG das Recht und die Pflicht des Aufsichtsrats 245 Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. AG, § 29 / Rn. 30; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111 / Rn. 31 u. 33. 246 Diese Einschätzung teilen v. Godin / Wilhelmi, Komm. AktG, § 111 / Anm. 2; Prühs, BFuP 1971, S. 361; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 217. 247 Bea / Scheurer, DB 1994, S. 2147; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 101. 248 Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 196 u. 204, der zugleich mit Recht bemerkt, dass es sich dabei eher um ein theoretisches Sanktionsmittel handelt, da die Hauptversammlung insoweit nicht befugt ist, über die aufgeworfenen Fragen der Geschäftsführung zu entscheiden (§ 119 Abs. 2 AktG), sondern lediglich mit der Abberufung des Aufsichtsrats reagieren kann (§ 103 Abs. 1 AktG). 249 Götz, AG 1995, S. 350; Hüffer, Komm. AktG, § 111 / Rn. 5; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111 / Rn. 34; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 247; Servatius, AG 1995, S. 223. 250 Zutreffend Boujong, AG 1995, S. 203; Deckert, AG 1997, S. 111; Lutter / Kremer, ZGR 1992, S. 89; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 253. 251 Lutter / Kremer, ZGR 1992, S. 89; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 94; v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 107.

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beinhaltet, den Vorstand im Wege einer vorausschauenden Überwachung in übergeordneten Fragen der Unternehmensführung fortlaufend zu beraten252. So hat der Aufsichtsrat dem Vorstand bereits im Stadium der Entscheidungsfindung und -verwirklichung alternative, gedanklich von ihm selbst initiierte Erwägungen und Argumente vorzutragen, wenn er Bedenken an der Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit oder Zweckmäßigkeit hat253. Gerade im Rahmen der Beratungskompetenz des Aufsichtsrats ist aber strikt zu beachten, dass sie ein integraler Bestandteil der Überwachung bleibt254 und demnach nicht zu einer (Mit-)Geschäftsführung ausarten darf255. Wie der Stellungnahme kommt daher auch der Beratung schlussendlich keine rechtliche Bindungswirkung zu256. Davon abgesehen können ohnehin nur die grundsätzlichen und bedeutenden Fragen der Unternehmensführung Gegenstand der Beratungsfunktion sein. Geschäftsführungsinitiative und Planungszuständigkeit sowie die Verantwortung für das operative Tagesgeschäft verbleiben allein beim Vorstand257. Darüber hinaus ist es besonders wichtig, dass sich der Aufsichtsrat gegenüber dem Vorstand ein gewisses Maß an Misstrauen bewahrt, das für eine wirksame expost Kontrolle zwischen den Parteien unbedingt notwendig ist und durch die beratende „Mitwirkung“ des Aufsichtsrats an einem Projekt in bestimmter Weise verloren zu gehen droht258. Diese unterschwellige Gefahr einer verminderten Distanz zum Vorstand haben sich die Aufsichtsratsmitglieder deshalb bei ihrer Beratungstätigkeit regelmäßig vor Augen zu führen, um ein Nachlassen in der Überwachungsintensität zu vermeiden259. Die Vorstandsberatung im Rahmen der Überwachungspflicht ist schließlich strikt von der Beratungstätigkeit einzelner Aufsichtsratsmitglieder auf Grund von entgeltlichen Beraterverträgen mit der Gesellschaft zu unterscheiden. Gemäß § 114 Abs. 1 AktG sind derartige individuelle Verträge nur zulässig, soweit die Beratung 252 So ausdrücklich in BGHZ 114, 127 (130); BGHZ 126, 340. Die „Beratung“ durch den Aufsichtsrat findet sich auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. BVerfGE 34, 103 (111). 253 Vgl. Lutter / Kremer, ZGR 1992, S. 89; G. Roth / Wörle, ZGR 2004, S. 568. 254 Ebenso die vorherrschende Meinung, vgl. Deckert, AG 1997, S. 111; Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. AG, § 29 / Rn. 32; Hüffer, Komm. AktG, § 111 / Rn. 5; Lutter / Kremer, ZGR 1992, S. 88; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111 / Rn. 34. Differenzierend dagegen A. Jäger, DStR 1996, S. 675, Meyer-Landrut, in: Großkomm. AktG, § 111 / Rn. 1; Steinmann / Klaus, AG 1987, S. 29; Theisen, AG 1995, S. 199. 255 Boujong, AG 1995, S. 205; Deckert, AG 1997, S. 112; Hoffmann / Preu, Der AR, Rn. 104; Möllers, ZIP 1995, S. 1727; G. Roth / Wörle, ZGR 2004, S. 568. 256 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 94; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 252. 257 Lutter / Kremer, ZGR 1992, S. 90; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 250. 258 Darauf weisen Steinmann / Klaus, AG 1987, S. 33, hin; zustimmend Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111 / Rn. 34; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 162. 259 So auch Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 96, dort in Fn. 4; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 162.

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nicht bereits zu den Organpflichten des Aufsichtsrats gehört. Damit soll verhindert werden, dass der Vorstand durch eine zusätzliche Vergütungszusage die Überwachungstätigkeit einzelner Aufsichtsratsmitglieder mittelbar beeinflussen kann, weil dann die für eine funktionierende Kontrolle erforderliche Unabhängigkeit des Kontrollorgans nicht mehr gewährleistet wäre260. Eine vertraglich vereinbarte Beratung des Vorstands kommt daher nur auf einem Gebiet in Betracht, das – wie zum Beispiel das operative Tagesgeschäft – außerhalb des obligatorischen Überwachungsfeldes liegt261. 3. Personalauswahl § 84 AktG begründet die Personalkompetenzen des Aufsichtsrats und überantwortet ihm die ausschließliche262 Zuständigkeit für die Bestellung und Abberufung der Mitglieder des Vorstands. Durch die Auswahl qualifizierter Persönlichkeiten für den Vorstand kann der Aufsichtsrat die Basis für eine vertrauensvolle Kooperation beider Organe als wichtige Voraussetzung einer funktionierenden Überwachungsarbeit schaffen263. Darüber hinaus ist er in der Lage, über die Besetzung der Vorstandspositionen auch inhaltlich einen wesentlichen und zugleich nachhaltigen Einfluss auf die Unternehmensleitung und deren geschäftspolitischen Kurs zu nehmen264. Insofern verleiht die Bestellungshoheit den Aufsichtsratsmitgliedern zwei wirksame Instrumente, sowohl zur vorbeugenden als auch zur repressiven Überwachung. a) Bestellung und Anstellung von Vorstandsmitgliedern Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG hat der Aufsichtsrat das Recht, aber auch die Pflicht265, die nach Gesetz oder Satzung erforderliche Zahl von Vorstandsmitglie260 Deckert, AG 1997, S. 110; Lutter / Kremer, ZGR 1992, S. 92. Folgerichtig gilt dieser Grundsatz auch dann, wenn der Beratungsvertrag nicht unmittelbar mit dem Organwalter, sondern mit der Sozietät, der er angehört, geschlossen wird; näher dazu BGH, ZIP 2006, S. 1529 ff.; BGH, ZIP 2007, S. 22 ff.; H.-F. Müller, NZG 2002, S. 798. 261 Boujong, AG 1995, S. 204 f.; Lutter / Kremer, ZGR 1992, S. 93 ff.; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 267. 262 Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 84 / Rn. 9; Hüffer, Komm. AktG, § 84 / Rn. 1; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 84 / Rn. 9; vgl. auch OLG Nürnberg, WM 1991, S. 1719 (1721), für den Insolvenzfall. 263 Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 137. Bereits als Teil der Überwachungsaufgabe sehen die Bestellung dementsprechend auch Hoffmann / Preu, Der AR, Rn. 106; G. Roth / Wörle, ZGR 2004, S. 566; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 219 dort in Fn. 341. 264 Der BGH sieht in der Personalkompetenz deshalb auch „eine der wichtigsten Aufgaben, die das Gesetz dem Aufsichtsrat zuweist“, vgl. BGH, WM 1993, S. 1330 (1336). Götz, AG 1995, S. 348, spricht von der „Kardinalpflicht“ des Aufsichtsrats; ähnlich Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 7 / Rn. 331; Rellermeyer, ZGR 1993, S. 82; Semler, in: FS Peltzer 2001, S. 517; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 137.

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dern (vgl. §§ 76 Abs. 2, 23 Abs. 3 Nr. 6 AktG) zu bestellen. Die materielle Entscheidung hat insoweit das Plenum zu treffen und darf nicht an einen Ausschuss zur Beschlussfassung delegiert werden (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG)266. Die umfangreiche Vorbereitung der Entscheidung kann hingegen in einem Personalausschuss erfolgen267. Von dem korporationsrechtlichen Akt der Bestellung des Vorstands ist dessen Anstellung zu unterscheiden268, für die der Aufsichtsrat in gleicher Weise zuständig ist (§ 84 Abs. 1 Satz 5 AktG), deren Regelung jedoch auch einem Ausschuss übertragen werden kann269. Während durch die Bestellung die körperschaftliche Organstellung in der Gesellschaft begründet wird, legt der Anstellungsvertrag die schuld- und arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen dem Vorstandsmitglied und der Gesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat (§ 112 AktG), fest270. Der Aufsichtsrat hat in diesem Zusammenhang besonders die rechtliche Vorgabe einer „angemessenen“ Vergütungsregelung nach § 87 AktG zu beachten. Die Personalselektion steht im unternehmerischen Ermessen der Aufsichtsratsmitglieder271. Sie haben sich bei ihrer Entscheidung von den allgemeinen Verhaltensmaximen für unternehmerisches Handeln272 – insbesondere vom Unternehmensinteresse – leiten zu lassen273. Verbindliche Vorgaben stellt das Gesetz für die Eignungsvoraussetzungen der Kandidaten in § 76 Abs. 3 AktG sowie für die Dauer Vgl. Wiesner, in: Münchener Hdb. AG, § 20 / Rn. 18. Für mitbestimmte Gesellschaften schreibt § 31 Abs. 2 – 4 MitbestG ein abgestuftes Kompromissverfahren vor, um die Mitwirkung sowohl der Arbeitgeber- als auch der Arbeitnehmerseite in besonderem Maße sicherzustellen; vgl. zu Einzelheiten ausführlich Krieger, Personalentscheidungen, S. 97 ff. 267 Götz, AG 1995, S. 348; Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 84 / Rn. 13; Krieger, Personalentscheidungen, S. 58; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 44. 268 Sog. Trennungstheorie, die sowohl im Wortlaut des § 87 Abs. 1 Satz 5 und Abs. 3 Satz 5 AktG als auch in der Gesetzesbegründung Ausdruck findet, vgl. Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 106; Hüffer, Komm. AktG, § 84 / Rn. 2 sowie aus der neueren Rechtsprechung BGH, NJW 2003, S. 351. Die neuerdings wieder von Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 3 ff., vertretene Einheitstheorie ist deshalb abzulehnen. 269 So die allgemeine Meinung, vgl. u. a. Hüffer, Komm. AktG, § 84 / Rn. 12. Der Ausschuss darf aber durch Vereinbarung unangemessener Anstellungsbedingungen die Bestellungszuständigkeit des Plenums nicht unterlaufen, vgl. BGHZ 83, 144 (150). 270 Vgl. Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 7 / Rn. 331; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 84 / Rn. 2. 271 Goette, in: FS 50 Jahre BGH 2000, S. 129; Hüffer, Komm. AktG, § 84 / Rn. 5. Der Aufsichtsrat ist zwar im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht dazu angehalten, sich mit dem amtierenden Vorstand abzustimmen. Im Ergebnis bleibt er aber Herr des Verfahrens, vgl. Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 7 / Rn. 336; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 70 f.; Peltzer, NZG 2002, S. 13. 272 Vgl. dazu im Einzelnen die Ausführungen II., 1., die insoweit auch für den Aufsichtsrat gelten. 273 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 7 / Rn. 341. 265 266

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der Bestellung auf, die gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG auf maximal fünf Jahre begrenzt ist274. Eine wiederholte Bestellung oder eine Verlängerung der Amtszeit ist nach Maßgabe des § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtsperiode zulässig. Insofern wird eine vorzeitige Neufestsetzung der Amtszeit durch Aufhebung der laufenden Bestellung unter gleichzeitiger Neubestellung teilweise für bedenklich oder gar unzulässig gehalten, wenn dadurch die Dauer der effektiven Bestellung insgesamt fünf Jahre überschreitet275. Vom Wortlaut des § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG wird diese Gestaltung aber gerade nicht erfasst. Überdies ist dem Schutzzweck der Fristenregelung ausreichend Genüge getan, wenn die Gesellschaft zu keinem Zeitpunkt länger als sechs Jahre an ein Vorstandsmitglied gebunden ist276. Denn unabhängig von dieser gesetzlichen Vorgabe gebietet bereits die Sorgfaltspflicht der Aufsichtsratsmitglieder (§§ 116, 93 AktG), dass sie sich nicht ohne einen sachlichen Grund vorzeitig binden und sich damit ihrer personalpolitischen Flexibilität berauben277. Deshalb ist entsprechend der Empfehlung in Ziffer 5.1.2 DCGK anzuerkennen, dass der Aufsichtsrat in begründeten Ausnahmefällen von der Möglichkeit einer vorzeitigen Neubestellung rechtmäßig Gebrauch machen kann278.

b) Widerruf der Bestellung und Kündigung der Anstellung Zur Reaktion auf ein Fehlverhalten steht dem Aufsichtsrat gemäß § 84 Abs. 3 AktG als schwerwiegendstes Sanktionsmittel279 die Möglichkeit der Abberufung eines Vorstandsmitglieds vor Ablauf der regulären Amtszeit zur Verfügung. Durch 274 Andererseits darf der Aufsichtsrat die Amtszeit aber auch nicht zu kurz bemessen, da er ansonsten die Unabhängigkeit des Leitungsorgans gefährden würde, wenn der Vorstand jede Entscheidung unter dem Damoklesschwert treffen müsste, zeitnah nicht wiedergewählt zu werden; vgl. Krieger, Personalentscheidungen, S. 118; Steinbeck / Menke, DStR 2003, S. 943; Wiesner, in: Münchener Hdb. AG, § 20 / Rn. 31. 275 So etwa Götz, AG 2002, S. 306; Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 84 / Rn. 36; Hüffer, Komm. AktG, § 84 / Rn. 7; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 84 / Rn. 18. 276 J.-H. Bauer / Krets, DB 2003, S. 817; Hefermehl, in: Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, Komm. AktG, § 84 / Rn. 28; Werner, AG 1990, S. 19; Wiesner, in: Münchener Hdb. AG, § 20 / Rn. 32; Willemer, AG 1977, S. 132 f. 277 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 7 / Rn. 358. Deshalb dürfen einem Vorstandsmitglied für die Zeit nach Ablauf der Amtsperiode auch keine unangemessenen Leistungen versprochen werden, die den Aufsichtsrat in seiner Entschließungsfreiheit wirtschaftlich einschränken, vgl. Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 84 / Rn. 11; Wiesner, in: Münchener Hdb. AG, § 20 / Rn. 24. 278 Ebenso J.-H. Bauer / Arnold, DB 2006, S. 260 f.; Fonk, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 9 / Rn. 50; Hölters / Weber, AG 2005, S. 631 ff. 279 So auch die Einschätzung von Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 82; G. Roth / Wörle, ZGR 2004, S. 568.

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den Widerruf der Bestellung erlöschen Organstellung, Geschäftsführungsrecht und Vertretungsmacht des Vorstandsmitglieds280. Das Schicksal der schuldrechtlichen Anstellung bestimmt sich hingegen gemäß § 84 Abs. 3 Satz 5 AktG nach den allgemeinen Vorschriften und macht deshalb eine gesonderte Kündigung – in der Regel nach § 626 BGB – erforderlich281. § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG bindet die Abberufung an das Vorliegen eines wichtigen Grundes, der neben den beispielhaften Aufzählungen des Gesetzgebers (vgl. § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG) im Allgemeinen dann gegeben ist, wenn der Gesellschaft auf Grund bestimmter Umstände die Fortsetzung der Geschäftsführungstätigkeit durch das Vorstandsmitglied bis zum Ablauf der Amtszeit nicht mehr zugemutet werden kann282. Im Rahmen der Feststellung der Unzumutbarkeit sind für jeden besonderen Einzelfall die objektiven Interessen der Gesellschaft gegen diejenigen des betroffenen Vorstandsmitglieds abzuwägen283. Ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages nach § 626 Abs. 1 BGB reicht stets für eine Abberufung aus284, nicht jedoch umgekehrt285. Die Beteiligung eines Vorstandsmitglieds an strafbaren Handlungen zu Lasten der Gesellschaft stellt unbestritten als grobe Pflichtverletzung einen wichtigen Grund dar, der im Einzelfall zur Abberufung und außerordentlichen Kündigung berechtigt286. Aber auch strafbares Verhalten, das sich nicht gegen die Gesellschaft 280 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 7 / Rn. 362; Wiesner, in: Münchener Hdb. AG, § 20 / Rn. 42. 281 Hüffer, Komm. AktG, § 84 / Rn. 24; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 84 / Rn. 91. Der Widerruf kann jedoch zugleich schlüssig die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung enthalten; vgl. BGHZ 12, 337 (340) und BGHZ 18, 334. Alternativ kann das Schicksal des Anstellungsvertrages aber auch durch eine sog. Gleichlaufklausel an die Bestellung gebunden werden, vgl. Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 84 / Rn. 156. 282 Allgemeine Meinung, vgl. BGH, NJW-RR 1988, 352 (353); Fonk, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 9 / Rn. 288; Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 84 / Rn. 95; Wiesner, in: Münchener Hdb. AG, § 20 / Rn. 43. Ein Verschulden des Vorstandsmitglieds ist dafür nicht unbedingt erforderlich, vgl. BGH, ZIP 1992, S. 760 (761). 283 BGH, NJW-RR 1988, 352 (353); OLG Stuttgart, NZG 2002, S. 971 (972); Fonk, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 9 / Rn. 288; Hüffer, Komm. AktG, § 84 / Rn. 26; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 84 / Rn. 103. Nach anderer Ansicht sind die Individualinteressen des Vorstandsmitglieds dagegen nur bei der Kündigung des Anstellungsvertrages zu berücksichtigen; so Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 84 / Rn. 95; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 7 / Rn. 365; Wiesner, in: Münchener Hdb. AG, § 20 / Rn. 44. Dies gilt zumindest für die ausschließlich dienstvertragsbezogenen Vermögens- und Versorgungsinteressen des Vorstandsmitglieds; vgl. Janzen, NZG 2003, S. 470. 284 BGH, NJW-RR 1996, S. 156; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 7 / Rn. 394 m. w. N.; Wiesner, in: Münchener Hdb. AG, § 20 / Rn. 44. 285 BGH, NJW 1989, S. 2683 (2684); vgl. dazu näher Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 84 / Rn. 127. 286 So auch Hefermehl, in: Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, Komm. AktG, § 84 / Rn. 70; Hüffer, Komm. AktG, § 84 / Rn. 28; Janzen, NZG 2003, S. 473; Raiser / Veil, Kapitalgesellschaften, § 14 / Rn. 40.

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richtet, kann die charakterliche Eignung des Vorstandsmitglieds soweit in Frage stellen, dass es sich als wichtiger Grund für eine Trennung anführen lässt287. Hierfür kann bereits ein durch bestimmte Tatsachen objektiv begründeter, dringender Tatverdacht als Grundlage für eine sog. Verdachtskündigung ausreichen288. Selbst Straftaten im privaten Bereich des Vorstands können angesichts des Reputationsschadens für die Gesellschaft einen Widerruf der Bestellung rechtfertigen289. Bei der Entscheidung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, genießen die Aufsichtsratsmitglieder keinen Beurteilungsspielraum. Sie unterliegt uneingeschränkt der gerichtlichen Überprüfung290. Dagegen räumt ihnen das Gesetz in der Frage, ob sie das Vorstandsmitglied bei gegebenem wichtigen Grund tatsächlich abberufen, einen Ermessensspielraum ein („kann“). Dies ist insofern sachgerecht, als der Verzicht auf die Abberufung trotz des Vertrauensverlustes zum Schutze höherwertiger Unternehmensinteressen oder auf Grund der Unentbehrlichkeit der betreffenden Person zur Wahrung der Unternehmenskontinuität im Einzelfall – jedenfalls vorübergehend – gerechtfertigt sein kann291.

c) Suspendierung Die Frage, ob und inwieweit das Recht des Aufsichtsrats zum Widerruf der Bestellung als weniger einschneidende Maßnahme außerdem die Befugnis ein287 Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 84 / Rn. 131. Ähnlich für Geschäftsführer U. Schneider, in: Scholz, Komm. GmbHG, § 38 / Rn. 49. Auf Grund der Vorbildfunktion eines Führungsorgans sind an die Verwaltungsorganmitglieder bei der Beurteilung ihres Verhaltens auch strengere Maßstäbe anzulegen, als bei gewöhnlichen Mitarbeitern, so zutreffend Fonk, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 9 / Rn. 289; entsprechend für Geschäftsführer wiederum Stein, in: Hachenburg / Ulmer, Großkomm. GmbHG, § 38 / Rn. 39. 288 Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 84 / Rn. 98; ebenso die ständige Rspr. des BAG und BGH, vgl. grundlegend BAG, NZA 1995, S. 269 ff.; sowie Henssler, in: Münchener Komm. BGB, § 626 / Rn. 240 ff. m. w. N. 289 Vgl. BGH, WM 1967, S. 251; BGH, NJW 1956, S. 1513 = LM BGB § 626 Nr. 8; BayObLG, NJW 1955, S. 1678; Henssler, in: Münchener Komm. BGB, § 626 / Rn. 190; Hüffer, Komm. AktG, § 84 / Rn. 28. In diesem Fall dient das Recht zur Abberufung jedoch nicht der Durchsetzung der Überwachungsaufgabe nach § 111 Abs. 1 AktG, da der Aufsichtsrat kraft Gesetz nur zur Kontrolle der Geschäftsführung, aber nicht auch zur Überwachung des privaten Handlungsbereichs der Vorstandsmitglieder verpflichtet ist, vgl. oben 2., b), aa), (2). 290 Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 84 / Rn. 94; Hüffer, Komm. AktG, § 84 / Rn. 26; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 84 / Rn. 104; Wiesner, in: Münchener Hdb. AG, § 20 / Rn. 51; dagegen Krieger, Personalentscheidungen, S. 137 ff. 291 So kann im Falle der Vakanz einer Schlüsselposition insbesondere auch der Börsenkurs des Unternehmens „abstürzen“. Im Ergebnis ebenso OLG Stuttgart, NZG 2002, S. 971 (972); Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 84 / Rn. 94; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 7 / Rn. 368; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 84 / Rn. 104; Raiser, ZGR 1989, S. 59; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 142. Die Annahme einer generellen Abberufungspflicht geht daher zu kurz; so aber Janzen, NZG 2003, S. 471; Ulmer, in: Hanau / Ulmer, Komm. MitbestG, § 31 / Rn. 32; Wiesner, in: Münchener Hdb. AG, § 20 / Rn. 51.

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

schließt, ein Vorstandsmitglied im Wege einer Suspendierung vorübergehend seiner Amtsführung zu entheben292, wird in der gesellschaftsrechtlichen Literatur nicht einheitlich beurteilt293. Als eigenständiges, in den Rechtsfolgen milderes Sanktionsmittel ist die Suspendierung im Wege eines Schlusses vom Größeren auf das Kleinere294 letztlich aber zuzulassen, zumal dem Aufsichtsrat diese Möglichkeit im Dienstvertragsrecht über § 84 Abs. 3 Satz 5 AktG nach allgemeiner Ansicht zusteht295. Erkennt man diese Handlungsoption an, so ist weiterhin umstritten, ob ihr Gebrauch ebenfalls einen wichtigen Grund im Sinne des § 84 Abs. 3 AktG voraussetzt296. Angesichts der weniger einschneidenden Rechtsfolgen für den Vorstand werden jedoch materiell auch geringere Anforderungen an die Legitimation gestellt werden können297. Eine Suspendierung ist daher schon dann gerechtfertigt, wenn der Verdacht einer groben Pflichtverletzung des Vorstands zwar noch nicht so schwerwiegend ist, dass er zu einer Abberufung berechtigen würde298, der Gesellschaft aber gleichwohl auf Grund bereits gewichtiger Anhaltspunkte die weitere Amtsführung bis zu einer endgültigen Aufklärung nicht zumutbar ist299. Problematisch an diesem Einwirkungsmittel bleibt in jedem Fall, dass seine Wirkungsintensität insofern eingeschränkt ist, als dem betroffenen Vorstandsmitglied zwar gesellschaftsintern die Geschäftsführungsbefugnis entzogen ist, die Vertretungsmacht im Außenverhältnis jedoch weiter bestehen bleibt300.

292 Vereinzelt wird die Suspendierung auch als echter Widerruf eingestuft, der vorübergehend sogar zur Beendigung des Vorstandsamtes führen soll; so LG München I, AG 1986, S. 142; Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 84 / Rn. 122. Dann hat die Suspendierung als Maßnahme aber keine eigenständige Bedeutung; so mit Recht Hüffer, Komm. AktG, § 84 / Rn. 35. 293 Vgl. zum Streitstand im Einzelnen Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 84 / Rn. 121 ff.; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 84 / Rn. 152 ff. 294 Zum sog. argumentum a maiore ad minus vgl. Zippelius, Methodenlehre, S. 71. 295 Siehe Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 110 / Rn. 31 ff. m. w. N. 296 So Krieger, Personalentscheidungen, S. 154 ff.; Meyer-Landrut, in: FS Fischer 1979, S. 481. 297 Entsprechend für die arbeitsrechtliche Suspendierung Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 110 / Rn. 33. 298 Vgl. zur sog. Verdachtskündigung Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 125 / Rn. 129. 299 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 7 / Rn. 379; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 84 / Rn. 152; ähnlich Wiesner, in: Münchener Hdb. AG, § 20 / Rn. 61; in der Sache auch Hüffer, Komm. AktG, § 84 / Rn. 35. 300 Vgl. u. a. OLG München, AG 1986, S. 234 (235); Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 7 / Rn. 377; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 84 / Rn. 152 u.157.

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft

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4. Erlass einer Geschäftsordnung für den Vorstand Als notwendige Ergänzung zu den Personalkompetenzen weist § 77 Abs. 2 Satz 1 AktG dem Gesamtaufsichtsrat301 auch das vorrangige Recht302 zum Erlass einer Geschäftsordnung für den Vorstand zu303. Abgesehen davon, dass er nicht befugt ist, materielle Vorgaben für die Geschäftsführung aufzustellen304, ist der Aufsichtsrat in seiner Gestaltung weitgehend frei, ohne einer richterlichen Inhaltskontrolle zu unterliegen305. So kann die Geschäftsordnung insbesondere verbindliche Regelungen über die Geschäftsverteilung durch die schwerpunktmäßige Schaffung verschiedener funktionaler Ressorts und Ausschüsse (§ 77 Abs. 1 Satz 2 AktG), Bestimmungen zur Zusammenarbeit im Vorstand sowie der Kooperation mit dem Aufsichtsrat treffen oder den Katalog der nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG zustimmungsbedürftigen Geschäfte festlegen306. Das Gesetz normiert insoweit keine ausdrückliche Handlungspflicht. Zumindest in größeren Unternehmen gebietet aber die Sorgfaltspflicht der Aufsichtsratsmitglieder, dass sie für eine sachgerechte Organisation der Vorstandsarbeit sorgen307. Entsprechend empfiehlt auch der Deutsche Corporate Governance Kodex in Ziffer 4.2.1, die Geschäftsverteilung sowie die Zusammenarbeit im Vorstand durch eine Geschäftsordnung zu regeln. Der Erlass einer Geschäftsordnung eröffnet dem Aufsichtsrat jedenfalls die Möglichkeit, über die formale Gestaltung des Arbeitsrahmens auch einen gewichtigen Einfluss auf den Inhalt der Geschäftsführungstätigkeit des Vorstands zu nehmen308. Auf Grund dieser Beeinflussungsqualität ist die Kompetenz als Überwachungsmittel durchaus bedeutsam309.

301 Die Zuständigkeit des Gesamtorgans ist diesbezüglich nicht delegierbar, § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG. 302 Vgl. zur subsidiären Erlasskompetenz des Vorstands, Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 / Rn. 65 f. m. w. N. 303 Eine sachgerechte Personalauswahl bedarf der Abstimmung mit dem Organisationsgefüge und setzt deshalb insoweit Flexibilität des Aufsichtsrats voraus, Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 7 / Rn. 429. 304 Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 77 / Rn. 39; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 145. 305 Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 / Rn. 80; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 67. 306 Vgl. Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 77 / Rn. 39; Hüffer, Komm. AktG, § 77 / Rn. 21; Wiesner, in: Münchener Hdb. AG, § 22 / Rn. 19. 307 So auch Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 7 / Rn. 427; ähnlich Bender, DB 1994, S. 1966. 308 In diesem Zusammenhang ist auch die Kompetenz des Aufsichtsrats zur Regelung der Vertretungsbefugnisse des Vorstands nach § 78 Abs. 3 Satz 2 AktG von Bedeutung. 309 Diese Einschätzung teilen Hoffmann-Becking, ZGR 1998, S. 503; Hommelhoff, BFuP 1977, S. 508; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 7 / Rn. 424; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 66.

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

5. Zustimmungsvorbehalte Durch das Recht zur Festlegung von Zustimmungsvorbehalten nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG erhält der Aufsichtsrat – abgesehen von den gesetzlich ausdrücklich geregelten Fällen der notwendigen Zustimmung zur Abschlagszahlung auf den Bilanzgewinn gemäß § 59 Abs. 3 AktG sowie zur Aktienausgabe beim genehmigten Kapital gemäß § 204 Abs. 1 Satz 2 AktG – die Möglichkeit, rechtsverbindlichen Einfluss auf die Unternehmensleitung zu nehmen, indem er die Durchführung bestimmter Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands ausdrücklich von seiner Zustimmung abhängig macht310. Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung, so kann das betreffende Geschäft nur noch wahrgenommen werden, wenn der Vorstand sich die Genehmigung der Hauptversammlung mit einer Dreiviertelmehrheit einholt (§ 111 Abs. 4 Satz 3 und 4 AktG)311. Die ersatzweise Anrufung der Hauptversammlung ist jedoch – insbesondere in Publikumsgesellschaften – mit einem erheblichen organisatorischen Aufwand verbunden und trägt zudem den Konflikt mit dem Aufsichtsrat unerwünscht in die Öffentlichkeit312. Diese hohe und deshalb sehr oft auch inopportune Hürde313 für den Vorstand macht deutlich, dass der Aufsichtsrat mit dem Recht, die Zustimmung für bestimmte Vorhaben zu verweigern oder an die Erfüllung gewisser Auflagen zu knüpfen, über ein sehr probates Mittel verfügt, um im Wege einer präventiven Überwachung wirklich gestaltend auf die Geschäftsführung einwirken zu können314. Die Zuständigkeit des Aufsichtsrats zur Einrichtung der Zustimmungsvorbehalte besteht konkurrierend315 und ergänzend316 zur Regelungsmöglichkeit durch die 310 Trotz der damit verbundenen Einschränkung des generellen Geschäftsführungsverbots aus § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG („jedoch“) bleibt diese Kompetenz ein Instrument vorbeugender Überwachung, zumal auch im Bereich der zustimmungspflichtigen Geschäfte die Initiative ausschließlich beim Vorstand liegt und der Aufsichtsrat auf dessen Vorschläge nur reagieren kann, vgl. Götz, NZG 2002, S. 602; Immenga, ZGR 1977, S. 261; Lenz, AG 1997, S. 449; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 55 ff.; v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 213; sowie bereits oben 3., b). 311 Die Ersatzzustimmung der Hauptversammlung ist selbst im Fall einer pflichtwidrig verweigerten Zustimmung durch den Aufsichtsrat erforderlich, vgl. Götz, ZGR 1990, S. 644. 312 Darüber hinaus verfügt die Hauptversammlung nicht zwingend über den nötigen Sachverstand, der zur sachgerechten Beurteilung des zustimmungspflichtigen Geschäfts erforderlich ist. Insofern wird der Vorstand dort realistisch kaum in der Lage sein, mit seinem Vorhaben gegen das Votum des Aufsichtsrats durchzudringen. Vgl. Götz, ZGR 1990, S. 644; Kropff, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 8 / Rn. 53; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 446. 313 Vgl. Bea / Scheurer, DB 1994, S. 2147; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111 / Rn. 85; in der Praxis wurde dieser Weg über die Hauptversammlung wohl auch deshalb in der Vergangenheit nur selten beschritten, vgl. C. W. Vogel, Aktienrecht und Aktienwirklichkeit, S. 222; BMJ, Bericht der Unternehmensrechtskommission, S. 221. 314 Diese Einschätzung teilen u. a. auch Götz, ZGR 1990, S. 633; Kropff, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 8 / Rn. 10 f.; Lenz, AG 1997, S. 449; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 145.

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft

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Satzung. Der Aufsichtsrat kann die einzelnen zustimmungspflichtigen Maßnahmen entweder in die Geschäftsordnung des Vorstands317 aufnehmen oder durch einen gesonderten Plenarbeschluss (vgl. § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG) festlegen, der im Bedarfsfall auch ad hoc gemeinsam mit der sofortigen Verweigerung gefasst werden kann318. Die jeweilige Entscheidung über die Erteilung der Zustimmung zu einem Geschäft darf sodann auch einem Ausschuss überlassen werden319. Was die Reichweite der Kompetenz angeht, gilt es zu differenzieren. Der Begriff des Geschäfts in § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG ist grundsätzlich extensiv auszulegen. Er umfasst nicht nur Rechtsgeschäfte und sonstige Tätigkeiten mit Außenwirkung, sondern auch unternehmensinterne Leitungsmaßnahmen des Vorstands320. Allerdings erstreckt er sich nur auf aktive Handlungen und nicht auch auf solche Entscheidungen des Vorstands, die einen Verzicht und die Erhaltung des Status quo beinhalten321. Dementsprechend kann der Aufsichtsrat nicht festlegen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung unterlassen werden dürfen322. Ansonsten hätte er die Möglichkeit, einem Unterlassen des Vorstands nicht zuzustimmen, was im Ergebnis aber nichts anderes ist, als die Anordnung, ein bestimmtes Geschäft vorzunehmen323. Eine solche Geschäftsführungsinitiative steht dem Aufsichtsrat als Überwachungsorgan nicht zu. Entscheidend ist zudem, wann der Aufsichtsrat von der Statuierung einer Zustimmungspflicht konkret Gebrauch machen kann und darf. Seit der Änderung durch das TransPuG324 sieht das Gesetz sogar eine Pflicht des Aufsichtsrats vor, für „bestimmte Arten von Geschäften“ einen Zustimmungsvorbehalt festzule315 So mit Recht die herrschende Meinung, vgl. u. a. Götz, ZGR 1990, S. 634 ff.; Hüffer, Komm. AktG, § 111 / Rn. 17; Immenga, ZGR 1977, S. 261 ff. 316 Vgl. Kropff, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 8 / Rn. 19. 317 Vgl. oben d). Entsprechende Regelungen können aber auch in der gesetzlich nicht geregelten Geschäftsordnung des Aufsichtsrats getroffen werden, vgl. Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 404 ff. 318 BGHZ 124, 111 (127); Boujong, AG 1995, S. 205; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 108; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 409. 319 Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111 / Rn. 84 m. w. N.; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 26, 35. 320 Götz, ZGR 1990, S. 641; Kropff, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 8 / Rn. 26; Lange, DStR 2003, S. 376; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 111. Streitig ist neuerdings, ob davon auch die Vorstandsentscheidung zur Anerkennung der Verhaltensempfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex erfasst wird, vgl. Lieder, DB 2004, S. 2254 f. 321 So allerdings Lange, DStR 2003, S. 377, mit dem berechtigten Hinweis, dass sich viele Unternehmenskrisen gerade auf Versäumnisse bei der rechtzeitigen Anpassung an veränderte Markt- und Wettbewerbsbedingungen zurückführen lassen und ein Unterlassen der Leitungsorgane insoweit oftmals sogar schwerwiegendere Folgen für das Unternehmen haben kann. 322 Ebenso Dietrich, DStR 2003, S. 1577 ff.; Hüffer, Komm. AktG, § 111 / Rn. 17. 323 So zutreffend Dietrich, DStR 2003, S. 1578 f.; Lieder, DB 2004, S. 2254. 324 Das TransPuG ist am 25. 7. 2002 im BGBl. I, S. 2681 ff., verkündet worden und gemäß Art. 5 TransPuG im Wesentlichen am Tage nach seiner Verkündung in Kraft getreten.

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

gen325. Diese Vorgabe erfüllt er nicht, wenn er sich nur formal für einzelne, wenig relevante Maßnahmen die Zustimmung vorbehält326. Die Aufsichtsratsmitglieder sind vielmehr verpflichtet, für alle Geschäftsarten eine Zustimmungspflicht anzuordnen, die materiell von grundlegender Bedeutung für die Gesellschaft sind327. Eine grundlegende Bedeutung weisen dabei allgemein Entscheidungen des Vorstands auf, welche nach sorgfältiger kaufmännischer Beurteilung des Aufsichtsrats die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Unternehmens grundlegend verändern328. Mit diesem Pflichtkatalog erfüllt der Aufsichtsrat indes nur die gesetzliche Mindestvorgabe. Er hat darüber hinaus stets nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob im Interesse einer effektiven Überwachung der Bedarf besteht, sich durch die Festlegung weiterer Zustimmungspflichten zusätzliche Veto-Positionen zu eröffnen329. Dabei kann sich aus der Sorgfaltspflicht der Aufsichtsratsmitglieder im Einzelfall die Notwendigkeit zum Handeln ergeben. So verdichtet sich das Ermessen zu einer Einwirkungspflicht, wenn der Vorstand ein rechtswidriges Geschäft durchführen will oder eine wirtschaftlich eindeutig unvertretbare Maßnahme beabsichtigt, die für die Gesellschaft einen schweren materiellen Schaden zur Folge haben würde, und das Vorhaben nur noch durch die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts verhindert werden kann330. 325 Auf Grund der konkurrierenden Zuständigkeit obliegt es dem Aufsichtsrat für die gesetzlich vorgeschriebenen Zustimmungsvorbehalte zu sorgen, solange die Satzung schweigt oder unzureichend ist, vgl. Hüffer, Komm. AktG, § 111 / Rn. 17a; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 411. 326 Hüffer, Komm. AktG, § 111 / Rn. 17; Ihrig / Wagner, BB 2002, S. 794; Lieder, DB 2004, S. 2252; im Ergebnis auch Bosse, DB 2002, S. 1594; anders wohl DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2002, S. 117; Schiessl, AG 2002, S. 597. 327 So im Hinblick auf das Regelungsziel mit Recht Lange, DStR 2003, S. 380; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 412. 328 So Ziff. 3.3 Satz 2 DCGK; ähnlich Baums, Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 35. Die Regierungsbegründung will die grundlegende Bedeutung des Geschäfts hingegen an seinem für die Gesellschaft existentiellen Charakter festmachen, vgl. Begr. RegE. TransPuG, NZG 2002, S. 213 (222) bzw. BT-Drucks. 14 / 8769 S. 17 f. Eine Beschränkung auf existenzgefährdende Geschäfte würde aber die Zustimmungspflicht auf Fälle begrenzen, in denen die Zustimmung in der Regel gar nicht erteilt werden darf. Überdies liefe dieses restriktive Verständnis dem Zweck der Gesetzesänderung, die gerade eine Stärkung der präventiven Kontrolle bewirken soll, zuwider; ablehnend daher auch Götz, NZG 2002, S. 602 f.; Kropff, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 8 / Rn. 39; Lieder, DB 2004, S. 2253; a.A. wiederum Lange, DStR 2003, S. 377. In der Praxis werden jedenfalls Finanzmaßnahmen, deren Wert 1 – 2% des Eigenkapitals der letzten Unternehmens- bzw. Konzernbilanz übersteigt, der Zustimmung durch das Kontrollgremium unterworfen, so etwa bei der Siemens AG; vgl. Säcker / Boesche, BB 2006, S. 897. 329 Hüffer, Komm. AktG, § 111 / Rn. 17; Kropff, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 8 / Rn. 41; Oetker, in: Erfurter Komm. ArbR, § 111 AktG / Rn. 13; Thümmel, AG 2004, S. 89. 330 BGHZ 124, 111 (127); LG Bielefeld, ZIP 2000, S. 20 (25) „Balsam / Procedo“; Boujong, AG 1995, S. 206; Breuer / Fraune, in: Anwaltskomm. AktR, § 111 / Rn. 26; Henze, Rspr.

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft

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Die Reichweite der Einflussnahmemöglichkeit wird aber durch das Gesetz zugleich auf „bestimmte Arten von Geschäften“ begrenzt. Diese Einschränkung des Gesetzgebers hat einmal zur Folge, dass generalklauselartig formulierte Zustimmungsvorbehalte, wie etwa für „alle außergewöhnlichen oder bedeutenden Geschäfte“, unzulässig sind. Im Interesse der Rechtssicherheit für die beteiligten Verwaltungsorgane müssen die zustimmungspflichtigen Geschäfte anhand präziser inhaltlicher Merkmale ihrer Art nach eindeutig bestimmt werden331. Des weiteren verwehrt es diese gesetzliche Vorgabe dem Aufsichtsrat, seinen Katalog von Zustimmungspflichten so engmaschig zu formulieren, dass er dadurch die eigenverantwortliche Leitungskompetenz des Vorstands (§ 76 Abs. 1 AktG) sowie das damit korrespondierende Geschäftsführungsverbot nach § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG in Frage stellen würde332. Insbesondere das Tages- und Routinegeschäft kann er deshalb nicht an seine Zustimmung binden333. Er ist vielmehr gehalten, den Einsatz des Überwachungsmittels auf Geschäftsvorfälle zu beschränken, die nach Gegenstand, Umfang oder Risiko für das Unternehmen zwar nicht von grundlegender, aber doch von erheblicher oder strategischer Bedeutung sind, vergleichbar mit den vorlagepflichtigen Maßnahmen nach § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AktG334. Ist eine derartig herausragende Bedeutung für die Gesellschaft gegeben, so hat der Aufsichtsrat gleichwohl das Recht, ausnahmsweise auch einmal ein einzelnes Geschäft einer Zustimmungspflicht zu unterwerfen335. Stellt sich für den Aufsichtsrat in der Folge die konkrete Frage der Zustimmung zu einem Geschäft, so unterliegt es wiederum seinem pflichtgemäßen Ermessen, ob er diese erteilt oder verweigert. Dabei kann er seine Zustimmung auch dann versagen, wenn er ein Vorhaben des Vorstands zwar für vertretbar hält, es jedoch zum Aktienrecht, Rn. 582; Kau / Kukat, BB 2000, S. 1048 f.; Kropff, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 8 / Rn. 42; Lieder, DB 2004, S. 2253; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 106; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111 / Rn. 79; Schiessl, AG 2002, S. 597; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 V 1a; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 413. 331 Götz, ZGR 1990, S. 640; Hüffer, Komm. AktG, § 111 / Rn. 18; Lange, DStR 2003, S. 379; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 109 mit einzelnen Beispielen; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 398. 332 Götz, NZG 2002, S. 602; Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. AG, § 29 / Rn. 43; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111 / Rn. 66; Peltzer, NZG 2002, S. 15; Raiser / Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 / Rn. 10; J. Schneider, Unternehmensüberwachung, S. 33; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 395. 333 Kropff, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 8 / Rn. 36; Lieder, DB 2004, S. 2253. 334 Vgl. Bernhardt, ZHR 159 (1995), S. 313; Götz, NZG 2002, S. 602; Lenz, AG 1997, S. 450; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 112; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111 / Rn. 66; Schlömer, Überwachungssystem, S. 90; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 151. 335 Ebenso BGHZ 124, 111 (127); OLG Stuttgart, WM 1979, S. 1296 (1300); Boujong, AG 1995, S. 205; Buchta / v. Kann, DStR 2003, S. 1666; Götz, ZGR 1990, S. 642 f.; Hüffer, Komm. AktG, § 111 / Rn. 18; Lieder, DB 2004, S. 2253; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 110; weitergehend sogar Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 63 f.; ablehnend Kort, in: Großkomm. AktG, Vor § 76 / Rn. 12.

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

seinen eigenen unternehmerischen Vorstellungen nicht entspricht. In diesem Fall trägt er die unternehmerische Verantwortung für die Nichtdurchführung des beabsichtigten Geschäfts und haftet für einen Schaden, wenn er die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen hat336. Hält er hingegen eine Maßnahme für pflichtwidrig oder unvertretbar, so reduziert sich das Ermessen auf eine Pflicht, von dem Vetorecht Gebrauch zu machen337. Schlussendlich darf nicht übersehen werden, dass die Zustimmungsvorbehalte nur zu einer gesellschaftsinternen Verhaltenspflicht für den Vorstand im Sinne des § 82 Abs. 2 AktG führen. Seine nach § 82 Abs. 1 AktG unbeschränkbare Vertretungsmacht wird durch das Fehlen der Zustimmung nicht berührt, so dass er das betreffende Geschäft im Außenverhältnis gleichwohl wirksam abschließen kann338. Auf der anderen Seite bleibt der Vorstand auch nach einer erteilten Zustimmung des Aufsichtsrats in der Entscheidung frei, ob er die Geschäftsführungsmaßnahme sodann tatsächlich durchführt339. 6. Einberufung der Hauptversammlung Im Rahmen seiner Überwachungsaufgabe hat der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 3 AktG das Recht – und zugleich die Pflicht –, eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen, wenn es das Wohl der Gesellschaft verlangt. Die Ausübung dieser Kompetenz obliegt grundsätzlich dem Gesamtorgan (vgl. § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG), wenn nicht die Satzung ausdrücklich auch einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern ein Einberufungsrecht zugesteht (§ 121 Abs. 2 Satz 3 AktG)340. Nachdem das Gesetz nicht weiter bestimmt, unter welchen Voraussetzungen das „Wohl der Gesellschaft“ eine Einberufung ermöglicht und fordert, obliegt die Beurteilung dieser Frage dem Aufsichtsrat mit Blick auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles341. Wenngleich ihm dabei ein gewisser Handlungsspielraum zusteht, Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 212. Vgl. Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 116; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111 / Rn. 85; Semler, in: FS Raiser 2005, S. 413; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 152 ff. 338 Kropff, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 8 / Rn. 12; Lenz, AG 1997, S. 450 f.; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111 / Rn. 86; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 430. 339 Matthießen, Aufsichtsrat, S. 301; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111 / Rn. 88. 340 Vgl. Semler, in: Münchener Hdb. AG, § 35 / Rn. 11; Werner, in: Großkomm. AktG, § 121 / Rn. 38. Allerdings sind einzelne Mitglieder bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht selbst zur Einberufung verpflichtet. Ihr Pflichtenkreis ist vielmehr auf die Anregung einer Einberufung im Aufsichtsratsplenum zu beschränken, vgl. dazu eingehend Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 170 m. w. N. 341 Werner, in: Großkomm. AktG, § 121 / Rn. 16; Zöllner, in: Kölner Komm. AktG, § 121 / Rn. 12. 336 337

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft

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hat sich die Konkretisierung vorrangig an den Kompetenzen der Hauptversammlung aus § 119 AktG zu orientieren. Denn diese kann nur zum Zwecke der Vornahme solcher Maßnahmen angerufen werden, die auch in ihre Zuständigkeit fallen342. Danach ist eine Einberufung insbesondere gerechtfertigt, wenn der Hauptversammlung die Gelegenheit gegeben werden soll, Mitgliedern des Vorstands das Vertrauen zu entziehen, um so einen wichtigen Grund für deren Abberufung zu statuieren (§ 84 Abs. 3 Satz 2 AktG)343. Das Wohl der Gesellschaft kann eine außerordentliche Hauptversammlung aber auch fordern, wenn Geschäftsführungsmaßnahmen anstehen, die auf die Entwicklung des Unternehmens einen so wesentlichen Einfluss haben, dass die Verwaltungsorgane schlechterdings nicht davon ausgehen können, diese Entscheidungen ohne eine Anhörung der Aktionäre treffen zu dürfen344. Wenn der Vorstand in so einem Fall die Anrufung der Hauptversammlung unterlässt, obliegt es dem Aufsichtsrat, eine Hauptversammlungsentscheidung herbeizuführen345. Von dieser Konstellation abgesehen kann die Hauptversammlung jedoch nur auf Verlangen des Vorstands in Fragen der Geschäftsführung entscheiden (§ 119 Abs. 2 AktG). Für den Aufsichtsrat kommt deshalb insoweit allenfalls eine Einberufung zum Zwecke der Erörterung von Geschäftsführungsangelegenheiten durch die Hauptversammlung in Betracht. Ungeachtet der Eigenverantwortung des Vorstands für die Geschäftsführung ist dem Aufsichtsrat diese Möglichkeit für Situationen einzuräumen, in denen er es – gerade auch in kleineren Gesellschaften – im Interesse des Unternehmens für geboten hält, sich ein Bild von der Meinung der Anteilseigner zu verschaffen346. In Publikumsgesellschaften hat er jedoch zu bedenken, dass auf diese Weise auch gesellschaftsinterne Informationen und Auseinandersetzungen in die Öffentlichkeit getragen werden, die das Vertrauen in das Unternehmen unter Umständen erheblich beeinträchtigen können347. Obschon diese Hüffer, Komm. AktG, § 111 / Rn. 13; Semler, in: Münchener Hdb. AG, § 35 / Rn. 9. Hüffer, Komm. AktG, § 111 / Rn. 13; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 123. 344 Vgl. BGHZ 83, 122 (131 f.) „Holzmüller“, wonach für den Fall der Ausgliederung wesentlicher Unternehmensbereiche auf Tochtergesellschaften eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit besteht. Ebenso für den Fall einer Umstrukturierung des Beteiligungsbesitzes jüngst BGH, BB 2004, S. 1182 ff. „Gelatine“. Die Übertragung der „Holzmüller-Doktrin“ auf den Erwerb und die Veräußerung von Beteiligungen sowie andere schwerwiegende Geschäftsführungsmaßnahmen ist in der Literatur allerdings heftig umstritten, vgl. zum Meinungsstand Henze, in: FS Ulmer 2003, S. 211 ff.; Hüffer, in: FS Ulmer 2003, S. 279 ff.; Lutter / Leinekugel, ZIP 1998, S. 805 ff. 345 Hüffer, Komm. AktG, § 111 / Rn. 14; Kubis, in: Münchener Komm. AktG, § 121 / Rn. 19; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 361. 346 Ebenso Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 123; Semler, in: Münchener Hdb. AG, § 35 / Rn. 9; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 167 f.; Werner, in: Großkomm. AktG, § 121 / Rn. 34, Fn. 22; ablehnend Hüffer, Komm. AktG, § 111 / Rn. 14; Zöllner, in: Kölner Komm. AktG, § 119 / Rn. 33. 347 Darauf verweisen mit Recht Biener, BFuP 1977, S. 497; v. Godin / Wilhelmi, Komm. AktG, § 111 / Anm. 2. 342 343

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

Publizität sehr wohl dazu geeignet ist, Druck auf die Geschäftsführung auszuüben, hat der Aufsichtsrat deshalb stets abzuwägen, ob eine außerordentliche Hauptversammlung in Anbetracht dieser möglichen negativen Konsequenzen dennoch zum Wohl der Gesellschaft nötig ist348.

7. Verweigerung der Zustimmung zum Jahresabschluss und Mitentscheidung bei der Bildung von Gewinnrücklagen Im Bereich der Rechnungslegung obliegt dem Aufsichtsrat zunächst gemäß § 172 AktG die Billigung des vom Vorstand aufgestellten Jahresabschlusses (vgl. §§ 242, 264 HGB), sofern diese Feststellungskompetenz nicht der Hauptversammlung übertragen wurde. Während die Prüfung und Billigung des Jahresabschlusses durch das Plenum zu erfolgen haben (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG), wird vom Deutschen Corporate Governance Kodex in Ziff. 5.3.2 zur Vorbereitung der Entscheidung die Einsetzung eines Bilanzausschusses (sog. audit comittee) ausdrücklich empfohlen. Der Aufsichtsrat hat im Rahmen seiner Prüfungspflicht (§ 171 Abs. 1 Satz 1 AktG) zunächst die Recht- und Ordnungsmäßigkeit des vorgelegten Jahresabschlusses auf der Grundlage des Prüfungsberichts des Abschlussprüfers (§ 321 Abs. 5 Satz 2 HGB, § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG) zu kontrollieren. Er muss sich darüber hinaus aber auch mit der Zweckmäßigkeit der vom Vorstand getroffenen bilanzpolitischen Ermessensentscheidungen – besonders vor dem Hintergrund steuerlicher Erwägungen – auseinandersetzen349. Dementsprechend steht es ihm zu, auch bei Meinungsverschiedenheiten über die Ausübung von Bilanzierungsund Bewertungswahlrechten, die Bemessung von Rückstellungen und Wertberichtigungen oder die Ausschüttungs- und Thesaurierungspolitik seine Zustimmung zum Jahresabschluss gemäß § 171 Abs. 2 Satz 4 AktG zu versagen350. Diese Kompetenz verschafft dem Aufsichtsrat dennoch keinen zwingenden Einfluss auf die Rechungslegung als besonderem Teil der Geschäftsführung, etwa in Form einer Änderungsbefugnis. Denn unterbleibt die Billigung durch den Aufsichtsrat, so entscheidet die Hauptversammlung als verbleibendes Gesellschaftsorgan über die Feststellung des Jahresabschlusses (§ 173 Abs. 1 Satz 1 AktG). Der Aufsichtsrat ist allerdings in der Lage, diese Entscheidungsfindung durch die Erläuterung seiner Einwendungen im Überwachungsbericht an die HauptverSo auch Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 168. Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung, § 171 AktG / Rn. 17 u. 21; Claussen / Korth, in: Kölner Komm. AktG, § 171 / Rn. 7 ff.; Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. AG, § 44 / Rn. 14. 350 Vgl. Hüffer, Komm. AktG, § 171 / Rn. 7; Kropff, in: Münchener Komm. AktG, § 171 / Rn. 28 ff. Umstritten ist insoweit, ob der Aufsichtsrat einschränkend die Billigung auch unter Auflagen erteilen kann, vgl. dazu Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. AG, § 45 / Rn. 4 m. w. N. 348 349

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft

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sammlung (§§ 171 Abs. 2, 172 Satz 2 AktG)351 sowie durch die Unterbreitung entsprechender Beschlussvorschläge (§ 124 Abs. 3 AktG)352 mitzuprägen. Bedenkt man ferner, dass für den Vorstand die Durchsetzung seiner Vorlagen in der Hauptversammlung gegen den Willen des Aufsichtsrats wesentlich schwerer sein dürfte, als eine Einigung mit dem Überwachungsorgan, so verfügen die Aufsichtsratsmitglieder zumindest faktisch über ein bedeutendes Druckmittel353. Sein Einsatz ist aber auf Kontroversen im Bereich der Rechnungslegung zu beschränken354. Im Zusammenhang mit der Feststellung des Jahresabschlusses fällt dem Aufsichtsrat gemäß § 58 Abs. 2 AktG zugleich die Befugnis zu, gemeinsam mit dem Vorstand über die Einstellung eines Teils des Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen (§ 266 Abs. 3 A III. Nr. 4 HGB) zu befinden355. Im Rahmen seines unternehmerischen Handlungsermessens hat er insoweit sogar die Möglichkeit, die Geschäftsführungspolitik gestaltend mit zu beeinflussen.

8. Leistungs- oder Unterlassungsklage zur Erzwingung pflichtgemäßen Verhaltens Das Aktiengesetz sieht neben den speziellen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen der §§ 245 Nr. 5, 249 Abs. 1, 250 Abs. 3 AktG weder für den Aufsichtsrat als Organ noch für einzelne seiner Mitglieder eine besondere Klagebefugnis vor. Auch im Übrigen normiert das Zivilrecht keine Grundlage für eine eigenständige Rechtsund Prozessführungsbefugnis356. Die Parteifähigkeit des Aufsichtsrats in einem Organstreitverfahren lässt sich deshalb nur aus Rechtsschutzerwägungen heraus im Wege der Rechtsfortbildung begründen357. Den maßgeblichen Anknüpfungspunkt hierfür bildet die Frage, ob neben den gesellschaftsinternen Einwirkungsmöglichkeiten die Inanspruchnahme einer Leistungs- oder Unterlassungsklage für den Aufsichtsrat notwendig ist, um seine materiellen Rechtspositionen im Rahmen der Überwachungsaufgabe gegenüber dem Vorstand durchzusetzen358. Vgl. dazu Kropff, in: Münchener Komm. AktG, § 171 / Rn. 152. Vgl. Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 8 / Rn. 489. 353 Ebenso Bea / Scheurer, DB 1994, S. 2148; vgl. auch Pfannschmidt, Personelle Verflechtungen, S. 42. 354 Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 205. 355 Vgl. Hüffer, Komm. AktG, § 58 / Rn. 9. 356 Vgl. Flume, Juristische Person, § 11 V; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 IV a. 357 Vgl. Hüffer, Komm. AktG, § 90 / Rn. 18; K. Schmidt, in: FS Semler 1993, S. 342, der insbesondere auch die Ableitung einer allgemeinen Klagebefugnis aus dem Sonderrecht des § 245 Nr. 5 AktG ablehnt. 358 Vgl. Hommelhoff, ZHR 143 (1979), S. 305. Denn derjenige, der ein materielles Recht besitzt, muss es regelmäßig auch – notfalls prozessual – durchsetzen können, vgl. Schumann, in: Stein / Jonas, Komm. ZPO, Vor § 253 / Rn. 84 f. m. w. N. 351 352

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

Das praktische Bedürfnis einer Klagemöglichkeit wird im Schrifttum bisweilen sehr unterschiedlich beurteilt359 und im Hinblick auf die weit reichenden Personalkompetenzen des Aufsichtsrats teilweise auch gänzlich negiert360. Der Bundesgerichtshof hat unterdessen die Entscheidung über die Notwendigkeit einer solchen Fortbildung der Einwirkungsrechte bisher ausdrücklich offen gelassen361. Hier gilt es deshalb zu differenzieren. Unbestritten steht dem Aufsichtsrat mit dem Abberufungsrecht als schärfstem Überwachungsmittel bereits ein wirkungsvolles Instrument zur gesellschaftsinternen Durchsetzung seiner Auffassung gegenüber der Geschäftsführung zur Verfügung. Eine derart rigorose Maßnahme erscheint jedoch in Situationen, in denen die Meinungsverschiedenheit nur einzelne Punkte betrifft und das Vorstandsmitglied sein Amt im Übrigen pflichtgemäß ausübt, mitunter als eine unverhältnismäßige Reaktion, die nicht im Interesse des Unternehmens liegt, wenn sie eine im Allgemeinen leistungsfähige Geschäftsführung grundlegend verändert362. Insoweit besteht für Konfliktfälle dieser Art durchaus Bedarf an einem milderen, aber dennoch – im Gegensatz zu den unverbindlichen Beanstandungen – durchschlagskräftigen Überwachungsmittel363. Im Grundsatz ist dem Aufsichtsrat daher der Klageweg gegen den Vorstand als Partei364 einzuräumen365. Der Anerkennung einer Parteifähigkeit des Aufsichtsrats sind jedoch von Rechts wegen Grenzen gesetzt. Zum einen können die Gerichte ausschließlich beansprucht werden, soweit der Aufsichtsrat materiellrechtlich ein eigenes Interorganrecht geltend machen kann366. Zum anderen muss sich ein Klagerecht als Überwachungsmittel in das aktienrechtliche Verwaltungssystem einfügen und kann deshalb nur bestehen, soweit es die Eigenverantwortlichkeit des Vorstands gemäß § 76 359 Vgl. zum Diskussionsstand auch die eingehende Übersicht bei Pflugradt, Leistungsklagen, S. 7 ff. 360 So von Brücher, AG 1989, S. 191 ff.; Flume, Juristische Person, § 11 V; Hüffer, Komm. AktG, § 90 / Rn. 18; Mertens, ZHR 154 (1990), S. 37; Werner, AG 1990, S. 16. 361 BGHZ 106, 54 (60 ff.) „Adam Opel AG“; ablehnend dagegen OLG Hamburg, AG 1992, S. 197. 362 Dies betonen zu Recht U. Bauer, Organklagen, S. 19; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), S. 309; Lewerenz, Leistungsklagen, S. 28; Raiser, ZGR 1989, S. 59; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), S. 230. Insoweit kann insbesondere der von Mertens, in: Kölner Komm. AktG, Vor § 76 / Rn. 6, vorgebrachte Einwand, selbst eine rechtmäßige Berichterstattung könne durch eine vorzeitige Abberufung durchgesetzt werden, nicht überzeugen. 363 So auch LG Darmstadt, AG 1987, S. 218 (219); K. Schmidt, ZZP 92 (1979), S. 230. Lewerenz, Leistungsklagen, S. 41 ff., weist zutreffend nach, dass insoweit auch die Möglichkeit eines Zwangsgeldverfahrens nach § 407 AktG i.V.m. §§ 132 ff. FGG eine zivilprozessuale Klage nicht von vorneherein ausschließt. 364 Vgl. Bork, ZGR 1989, S. 23 ff.; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), S. 316. 365 Ebenso U. Bauer, Organklagen, S. 69 ff.; Bork, ZGR 1989, S. 23; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), S. 311 ff.; Kort, in: Großkomm. AktG, Vor § 76 / Rn. 56; Poseck, DB 1996, S. 2167; Raiser, ZGR 1989, S. 56 ff.; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), S. 214 ff.; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 187; Semler / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, Vor § 76 / Rn. 131. 366 Sog. relative Parteifähigkeit, vgl. U. Bauer, Organklagen, S. 80; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 IV a.

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft

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Abs. 1 AktG nicht beeinträchtigt 367. Zu unterscheiden sind dabei im Folgenden Klagen des Aufsichtsrats zur Durchsetzung sekundärer Organpflichten, Klagen zur Abwehr von Kompetenzübergriffen und schließlich Klagen im Rahmen der allgemeinen Verhaltenskontrolle. Die gerichtliche Durchsetzung sog. sekundärer Organpflichten368 erstreckt sich auf formale Auskunftsansprüche, die dem Aufsichtsrat zur sachgerechten Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe zur Verfügung stehen und insbesondere in den §§ 90 Abs. 1 bis 3, 111 Abs. 2 und 170 AktG positiviert sind. Diese Berichtsrechte stehen dem Aufsichtsrat originär als Ausfluss seiner Überwachungskompetenz zu und können daher vom Gesamtorgan369 systemkonform auch klageweise gegenüber dem Vorstand geltend gemacht werden370. Die Abwehr eines Kompetenzübergriffs ist in erster Linie bei Geschäften von Relevanz, die der Vorstand entgegen §§ 111 Abs. 4 Satz 2 und 3, 119 Abs. 2 AktG ohne Zustimmung des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung vornimmt. Die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands findet nach dem dualistischen Verwaltungssystem des Aktiengesetzes ihre Grenze in der Kompetenz des Aufsichtsrats zur Festlegung von Zustimmungsvorbehalten. Diese Funktionentrennung erfüllt jedoch nur dann ihren Zweck, wenn sie gleichzeitig durch ein innerorganisatorisches Störungsverbot für die Gesellschaftsorgane gestützt wird, das sich bei einem Kompetenzübergriff jeweils zu einem subjektiven Abwehrrecht zur Aufrechterhaltung des eigenen Entscheidungsbereichs verdichtet371. Folgerichtig muss der Aufsichtsrat notfalls auch in der Lage sein, gegen den Vorstand auf Unterlassung zu klagen, wenn dieser die gesetzliche Zustimmungspflicht missachtet372. Eine Klagebefugnis festigt damit gerade die gesetzliche Kompetenzverteilung und versetzt den Aufsichtsrat in die Lage, rechtswidrige Geschäftsführungsmaßnahmen mit gerichtlicher Hilfe wirksam zu unterbinden. Daher ist auch bei Kompetenzverletzungen der Weg für eine Organklage373 eröffnet. Vgl. U. Bauer, Organklagen, S. 92; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 188. Im Schrifttum findet sich teilweise auch die Bezeichnung als „Kooperationsrechte“ (Hommelhoff, ZHR 143 (1979), S. 290), „sekundäre Hilfsrechte“ (Bork, ZGR 1989, S. 15), „funktionale Hilfsbefugnisse“ (U. Bauer, Organklagen, S. 110), oder „kompetenzsichernde Rechte“ (Häsemeyer, ZHR 144 (1980), S. 282). 369 Im Fall des § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG ist auch das einzelne Aufsichtsratsmitglied klagebefugt, vgl. Bork, ZGR 1989, S. 33; Deckert, AG 1994, S. 462. 370 Ebenso U. Bauer, Organklagen, S. 118; Bork, ZGR 1989, S. 17; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), S. 282; Poseck, DB 1996, S. 2167; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), S. 215; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 189. 371 So auch Bork, ZGR 1989, S. 19; Deckert, AG 1994, S. 462 f.; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), S. 279. 372 Ebenso U. Bauer, Organklagen, S. 98 f.; Bork, ZGR 1989, S. 19; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), S. 282 f.; Lewerenz, Leistungsklagen, S. 121; Raiser, ZGR 1989, S. 60 ff.; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), S. 232; Teichmann, in: FS Mühl 1981, S. 671. 373 Während im Fall der §§ 111 Abs. 4 Satz 2 und 3 AktG (auch) der Kompetenzbereich des Aufsichtsrats verletzt ist und er im eigenen Namen klagen kann, ist im Rahmen des § 119 367 368

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

Übrig bleibt die äußerst umstrittene und in der Judikatur374 bisher ungeklärte Frage, ob der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Überwachungsaufgabe generell gegen rechtswidriges375 Verhalten der Geschäftsführung sogleich in einem gerichtlichen Organstreit vorgehen kann. Rechtspolitisch sprechen zwei Gründe für einen klagbaren Unterlassungsanspruch des Überwachungsorgans gegen unrechtmäßige, insbesondere strafrechtswidrige Vorhaben der Unternehmensleitung. Der Aufsichtsrat ist zum einen als Kontrollinstanz an das geltende Recht gebunden und kann einen Rechtsverstoß des Vorstands daher keinesfalls billigen, da er sich ansonsten der Gefahr einer Schadensersatzpflicht nach §§ 116, 93 AktG aussetzten würde376. Zum anderen besteht in Fällen, in denen der Gesellschaft ein erheblicher materieller oder ein repressiv nicht wieder gut zu machender immaterieller Schaden – gerade durch deliktisches Handeln – droht, auch im Interesse des Unternehmens ein starkes Bedürfnis für einen effektiven vorbeugenden Rechtsschutz, um dem Aufsichtsrat aus den genannten Gründen für den Einzelfall eine Alternative zur Abberufung zu bieten377. Die rechtsdogmatische Begründung fällt hingegen schwer. Als Problem stellt sich bereits die Anspruchsgrundlage dar, zumal Gegenstand der Klage nicht die Verletzung eines eigenen Interorganrechts des Aufsichtsrats ist, sondern vielmehr der Verstoß gegen eine allgemeine Rechtsvorschrift. In Betracht zu ziehen ist insoweit, aus der Überwachungspflicht des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 1 AktG ein Organrecht auf pflichtgemäßes Verhalten gegenüber dem Vorstand abzuleiten378. Auf der anderen Seite obliegt dem Vorstand bereits kraft Gesetz gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG eine dementsprechende Sorgfaltspflicht gegenüber der Gesellschaft379. Prozessual wäre es insofern auch möglich, Abs. 2 AktG ausschließlich der Kompetenzbereich der Hauptversammlung betroffen, so dass der Aufsichtsrat nur im Namen der Gesellschaft gemäß § 112 AktG klagen kann, weil ihm insoweit kein eigenes subjektives Abwehrrecht zusteht, vgl. Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 195 m. w. N in Fn. 779. Ob insoweit auch einzelne Aufsichtsratsmitglieder klagebefugt sind, ist sehr umstritten, vgl. dazu Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 212 ff. m. w. N. 374 Vgl. BGHZ 106, 54 „Adam Opel AG“. 375 Für den Bereich der Zweckmäßigkeitskontrolle wird hingegen ein präventives Klagerecht auf Grund des weiten Handlungsspielraumes des Vorstands nicht ernsthaft diskutiert, vgl. Bork, ZGR 1989, S. 21, dort in Fn. 85; Raiser, ZGR 1989, S. 63 f. 376 Dahingehend Raiser, ZGR 1989, S. 64. 377 Vgl. Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), S. 13. Der Aufsichtsrat wird dadurch auch nicht zum Hüter der Interessen der Allgemeinheit oder Dritter, wie Lewerenz, Leistungsklagen, S. 128, einwendet. Denn der Umfang der Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt sich gerade auf allgemeine Gesetzesverstöße, die – zugleich – das Unternehmensinteresse berühren, vgl. oben 2., b), aa), (1). Häufig wird ein derart folgenschweres Fehlverhalten eine Abberufung nahe legen. Dies ist aber kein Grund, eine Alternative generell abzulehnen. 378 So jedenfalls LG Darmstadt, AG 1987, S. 218 (219) „Adam Opel AG“; ablehnend Bork, ZGR 1989, S. 21; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 194. 379 Darüber hinaus sind besonders mit dem Wettbewerbsverbot und der Verschwiegenheitspflicht in den §§ 88 und 93 Abs. 1 Satz 2 AktG sowie in § 93 Abs. 3 AktG zum Schutz des Gesellschaftsvermögens auch spezielle Verhaltenspflichten des Vorstands gegenüber der Gesellschaft gesetzlich statuiert.

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft

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dass der Aufsichtsrat gemäß § 112 AktG den Unterlassungsanspruch im Namen der Gesellschaft vor Gericht geltend macht380. Weitaus bedenklicher erscheint aber die große Gefahr, dass der Vorstand durch die mit einer Unterlassungsklage verbundene Möglichkeit des einstweiligen Rechtschutzes an der ihm zustehenden eigenverantwortlichen Wahrnehmung der Unternehmensleitung (§ 76 Abs. 1 AktG) de facto in erheblichem Maße gehindert werden könnte381. Die Leitungskompetenz des Vorstands schließt zwar nicht die Befugnis zur Vornahme rechtswidriger Akte ein382. Die Rechtmäßigkeit einer Handlung wird jedoch in vielen Fällen gerade im Streit stehen und dementsprechend könnte eine einstweilige Verfügung vom Aufsichtsrat regelmäßig bereits mit der glaubhaften Behauptung eines rechtswidrigen Geschäfts begehrt werden383. Ein solcher Vorstoß des Aufsichtsrats würde die Leitungsmacht des Vorstands in einem gesetzlich nicht vorgesehenen Maß beeinträchtigen384 und zugleich aber auch die aktienrechtliche Entscheidung für eine gesellschaftsinterne Konfliktlösung in materiellen Geschäftsführungsfragen konterkarieren385. Insofern ist der Aufsichtsrat auf die Alternative zu verweisen, einem geplanten rechtswidrigen Vorhaben des Vorstands mit dem ad hoc – Erlass eines Zustimmungsvorbehalts nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG zu begegnen, dessen Einhaltung er – wie bereits dargestellt – notfalls ebenso gerichtlich einklagen kann, ohne jedoch auf diese Weise die Kompetenzordnung und das Primat gesellschaftsinterner Konfliktlösung zu unterlaufen. Ein Recht, die inhaltliche Streitentscheidung über ein Vorstandsverhalten unmittelbar vor den Gerichten auszutragen, ist dem Überwachungsorgan dagegen aus den aufgezeigten rechtsdogmatischen Gründen im Ergebnis zu versagen386.

380 Für diesen Weg spricht sich wohl Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), S. 13, aus. Ausdrücklich offen gelassen bei Raiser, AG 1989, S. 189. 381 Darauf weisen auch U. Bauer, Organklagen, S. 120 f.; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 202, hin. 382 Zutreffend v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 252. 383 Dies bemerken auch Häsemeyer, ZHR 144 (1980), S. 280; Mertens, ZHR 154 (1990), S. 27; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 202; Teichmann, in: FS Mühl 1981, S. 676. 384 Ebenso U. Bauer, Organklagen, S. 119 f.; Bork, ZGR 1989, S. 20 f.; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), S. 278; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), S. 366; Lewerenz, Leistungsklagen, S. 121 ff.; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 202 f. 385 Das Aktiengesetz sieht in § 93 Abs. 2 erst eine nachträgliche Einschaltung der Gerichte im Rahmen eines Schadensersatzprozesses vor. Dahingehend auch U. Bauer, Organklagen, S. 120; Bork, ZGR 1989, S. 20; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), S. 312; Poseck, DB 1996, S. 2168. 386 A.A. Raiser, ZGR 1989, S. 64 f.; v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 252; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), S. 12 f.

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

9. Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen Gesetzlich wiederum ausdrücklich normiert ist das Recht des Aufsichtsrats, gemäß §§ 112, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG organschaftlich begründete Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegenüber dem Vorstand oder einem Vorstandsmitglied gerichtlich geltend zu machen387. Die Schadensersatznahme bezweckt nicht nur die nachträgliche Kompensation eines durch eine bereits abgeschlossene Pflichtwidrigkeit des Vorstands entstandenen Schadens. Ihre Realisierung durch den Aufsichtsrat wirkt vielmehr auch in die Zukunft, indem die Drohung einer (erneuten) Inanspruchnahme auf Schadensersatz den Vorstand präventiv zu pflichtgemäßem Verhalten anhält388. Mit dieser zukunftsorientierten Steuerungsfunktion und dem gleichzeitig erfolgenden Schutz des Gesellschaftsvermögens389 ist die Kompetenz für den Aufsichtsrat daher ein weiteres wichtiges Instrument, um die Überwachungsaufgabe umfassend wahrnehmen zu können390. Den Aufsichtsrat trifft als Kollegialorgan insoweit die Pflicht, in eigener Verantwortung zu prüfen, ob der Gesellschaft aus einer schuldhaften Pflichtverletzung des Vorstands im Rahmen seiner organschaftlichen Tätigkeit Schadensersatzansprüche erwachsen, die er mit Aussicht auf Erfolg vor Gericht einfordern kann391. Die Vorstandspflichten, auf die der Aufsichtsrat in diesem Zusammenhang seinen Blick zu richten hat, können sich aus Gesetz, Satzung, Geschäftsordnung oder Anstellungsvertrag ergeben392. Ratio legis der Haftungsregelung in § 93 AktG ist allerdings ausschließlich der Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft393. Insofern hat der Aufsichtsrat grundsätzlich nur Verstößen gegen Vorschriften nachzugehen, die auch eine entsprechende Pflicht des Vorstands gegenüber der Gesellschaft statuieren. Betrifft eine Pflichtverletzung hingegen nur Interessen der Allgemeinheit, so kommt ein Regress lediglich im Ausnahmefall unter dem Aspekt der Einheit der Rechtsordnung in Betracht, wenn die geschützten 387 Eingehend zur Vertretung der Gesellschaft nach § 112 AktG jüngst Nägele / Böhm, BB 2005, S. 2197 ff. 388 Vgl. Götz, NJW 1997, S. 3277; C. Jäger / Trölitzsch, ZIP 1995, S. 1158. 389 Vgl. Hüffer, Komm. AktG, § 93 / Rn. 1; allgemein zu den Funktionen der zivilrechtlichen Schadensersatzhaftung Larenz, Schuldrecht I, § 27 I. 390 Dahingehend auch BGH, ZIP 1997, S. 883 (885) „ARAG / Garmenbeck“; HoffmannBecking, in: Münchener Hdb. AG, § 29 / Rn. 28; Horn, ZIP 1997, S. 1136 f.; A. Jäger, WiB 1997, S. 10 ff.; Raiser, NJW 1996, S. 554; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 III a; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 199; für eine gegenüber der Überwachung eigenständige Kompetenz hingegen Kort, DZWiR 1995, S. 521 f. 391 Von dieser Pflicht entbindet den Aufsichtsrat auch nicht die in § 147 Abs. 1 AktG vorgesehene Möglichkeit einer Rechtsverfolgung auf Verlangen der Hauptversammlung oder einer Aktionärsminderheit, vgl. BGH, ZIP 1997, S. 883 (885) „ARAG / Garmenbeck“; C. Jäger / Trölitzsch, ZIP 1995, S. 1158. 392 Hüffer, Komm. AktG, § 93 / Rn. 13; Wiesner, in: Münchener Hdb. AG, § 26 / Rn. 5. 393 Glöckner / Müller-Tautphaeus, AG 2001, S. 345; Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 93 / Rn. 70.

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft

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Gemeininteressen – wie etwa bei wettbewerbsrechtlichen Normen394 – von erheblicher Bedeutung sind395. Der Prüfungs- und Entscheidungsvorgang des Aufsichtsrats hat sich in zwei gedanklichen Schritten zu vollziehen396. Zunächst bedarf es der Feststellung des Sachverhalts verbunden mit einer Analyse der Erfolgsaussichten einer Anspruchsverfolgung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unter Berücksichtigung bestehender Prozessrisiken397 sowie der Beitreibbarkeit der Forderung. Kommt der Aufsichtsrat zu dem Ergebnis, dass ein Ersatzanspruch voraussichtlich – Gewissheit kann an dieser Stelle von ihm nicht verlangt werden398 – besteht und durchsetzbar ist, so hat er in einem zweiten Schritt zu entscheiden, ob er den Anspruch sodann gerichtlich auch geltend macht. Im Einzelnen umstritten ist allerdings, ob und inwieweit dem Aufsichtsrat in diesem Zusammenhang ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer, autonomer (unternehmerischer) Handlungsspielraum zusteht. Die Prüfung des Bestehens und der Realisierbarkeit eines Schadensersatzanspruchs auf der ersten Entscheidungsstufe gründet überwiegend auf Fragen des Erkenntnisbereichs und ist nur begrenzt wertender Natur. Die Haltbarkeit und Richtigkeit jedenfalls dieser Erörterungen ist daher im Grundsatz in vollem Umfang justitiabel. Lediglich für die Fälle einer nur sehr schwer antizipierbaren Beweiswürdigung bei umstrittenen Sachverhalten oder der Würdigung noch ungeklärter Rechtsfragen kann den Aufsichtsratsmitgliedern auf Grund der verbleibenden Unsicherheiten ein begrenzter Beurteilungsspielraum zuerkannt werden399. Für die sich an eine positive Prognose anschließende Entscheidung über die tatsächliche Anspruchsverfolgung wird die Frage eines autonomen Entscheidungsspielraumes des Aufsichtsrats sehr unterschiedlich beurteilt. Hier gilt es wiederum, exakt zu differenzieren. Den Anknüpfungspunkt haben die für die Verwaltungsorgane geltenden Verhaltensmaximen zu bilden. Der Aufsichtsrat ist wie der Vorstand zunächst dem Unternehmensziel der Gewinnerzielung verpflichtet400. Die Durchsetzung einer Schadenskompensation verbessert grundsätzlich die finanzielle Situation der Gesellschaft. Insofern verlangt bereits das Gebot ge394 So jedenfalls Glöckner / Müller-Tautphaeus, AG 2001, S. 345; vgl. auch Horn, ZIP 1997, S. 1136. 395 Glöckner / Müller-Tautphaeus, AG 2001, S. 345; Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 93 / Rn. 70. 396 Vgl. OLG Düsseldorf, ZIP 1995, S. 1183 (1191) „ARAG / Garmenbeck“; dem OLG als Vorinstanz insoweit folgend BGH, ZIP 1997, S. 883 (885 f.). 397 Hier sind insbesondere die Darlegungs- und Beweislastgrundsätze des § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG zu beachten, vgl. Boujong, DZWiR 1997, S. 328. 398 Vgl. Heimbach / Boll, VersR 2001, S. 808. Götz, NJW 1997, S. 3276 und Hoffmann / Preu, Der AR, Rn. 102.9, fordern insoweit eine überwiegende Wahrscheinlichkeit eines prozessualen Erfolgs. 399 So auch – ohne nähere Erläuterung – BGH, ZIP 1997, S. 883 (886) „ARAG / Garmenbeck“; konkreter Boujong, DZWiR 1997, S. 328; Heermann, AG 1998, S. 203 u. 206; Henze, BB 2005, S. 166. 400 Siehe oben II., 1., b).

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§ 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

winnorientierten Handelns im Regelfall eine Geltendmachung des Anspruchs401 und eröffnet insoweit keinen Spielraum mehr für eine Ermessensentscheidung des Aufsichtsrats402, zumal auch § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG zeigt, dass ein Anspruchsverzicht nicht ohne besondere Rechtfertigung möglich sein soll403. Der Aufsichtsrat muss sodann lediglich abwägen, ob einer Schadensersatznahme im Einzelfall gewichtige Belange der Gesellschaft entgegenstehen404. So kann eine Haftungsklage unter Umständen die Vorstandsarbeit behindern, das Betriebsklima beeinträchtigen oder auf Grund der mit ihrer Erhebung verbundenen negativen Publizität zu einem Ansehensverlust der Gesellschaft in der Öffentlichkeit führen405 und auf diese Weise noch weitere (im Saldo größere) wirtschaftliche Einbußen nach sich ziehen. Bei konfligierenden Aspekten bemisst sich die Frage der Anspruchsverfolgung ausschließlich nach dem festzustellenden Unternehmenswohl406. Auf rein personenbezogene Belange, wie etwa die sozialen Konsequenzen für das betroffene Vorstandsmitglied, darf der Aufsichtsrat deshalb keine Rücksicht nehmen407. Er sollte aber bei der vorzunehmenden Interessengewichtung von einer Korrelation zwischen der Wahrscheinlichkeit eines prozessualen Erfolgs, der Schwere der Pflichtwidrigkeit sowie der Höhe des Schadens für die Gesellschaft auf der einen Seite und dem Umfang und der Stichhaltigkeit der Rechtfertigungsgründe für einen Verzicht auf der anderen Seite ausgehen408. Für die schlussendliche Abwä401 Ebenso BGH, ZIP 1997, S. 883 (886) „ARAG / Garmenbeck“; C. Jäger / Trölitzsch, ZIP 1995, S. 1159. 402 Nicht zu überzeugen vermag daher der Standpunkt des OLG Düsseldorf ZIP 1995, S. 1183 (1192), wonach eine Ermessensreduktion zur Anspruchsverfolgung nur im Falle einer Existenzbedrohung für die Gesellschaft bestehen soll. Für einen Ermessensspielraum auch Dreher, ZHR 158 (1994), S. 637 ff.; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111 / Rn. 37; Nirk, in: FS Boujong 1996, S. 409 ff.; Ritttner, EWiR § 116 AktG 1 / 95, S. 630. 403 Darauf verweisend BGH, ZIP 1997, S. 883 (886) „ARAG / Garmenbeck“; Boujong, DZWiR 1997, S. 329; Henze, NJW 1998, S. 3311; C. Jäger / Trölitzsch, ZIP 1995, S. 1158; Thümmel, DB 1997, S. 1118. 404 Vgl. dazu die beispielhaften Aufzählungen bei BGH, ZIP 1997, S. 883 (886) „ARAG / Garmenbeck“; Heermann, AG 1998, S. 207 f.; A. Jäger, WiB 1997, S. 15; C. Jäger / Trölitzsch, ZIP 1995, S. 1162. 405 Eine negative Öffentlichkeitswirkung darf jedoch kein pauschales Argument zur Abwehr einer Rechtsverfolgung darstellen. Soweit sie nicht die konkrete Gefahr finanzieller Einbußen begründet oder es sich bei dem Vorfall in einer börsennotierten Aktiengesellschaft um eine kursbeeinflussende Tatsache handelt, die gemäß § 15 WpHG ohnehin zu veröffentlichen ist, kann sie einen Verzicht nicht rechtfertigen. Mit dieser Einschränkung auch Götz, NJW 1997, S. 3277; C. Jäger / Trölitzsch, ZIP 1995, S. 1162. 406 BGH, ZIP 1997, S. 883 (886) „ARAG / Garmenbeck“; Götz, NJW 1997, S. 3277; Henze, NJW 1998, S. 3311; vgl. zu dieser Verhaltensmaxime oben II., 1., c). 407 Zutreffend Heermann, AG 1998, S. 207; C. Jäger / Trölitzsch, WiB 1997, S. 686; Lutter, ZIP 1995, S. 442; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 135 u. 199. Der Bundesgerichtshof zeigt insoweit eine gewisse Inkonsequenz und schließt in begrenzten Fällen eine Ausnahme nicht aus, vgl. BGH, ZIP 1997, S. 883 (886) „ARAG / Garmenbeck“; zustimmend Götz, NJW 1997, S. 3277; ähnlich Horn, ZIP 1997, S. 1138.

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft

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gungsentscheidung sind sodann zwei Situationen zu unterscheiden: Besitzen die Gesichtspunkte, die gegen eine Rechtsverfolgung sprechen, ein erhebliches Übergewicht, so verpflichtet den Aufsichtsrat wiederum bereits die Beachtung des dahingehend eindeutigen Unternehmensinteresses, von einer Klage im Ergebnis abzusehen, und lässt ihm keinen Raum für eine Einschätzungsprärogative409. Kommt den widerstreitenden Interessen in der konkreten Situation allerdings einmal annähernd das gleiche Gewicht zu, so eröffnet sich eine „Grauzone“, die sachlich nicht eindeutig zu einer Entscheidung zwingt. Nur für diesen eng begrenzten Fall ist dem Aufsichtsrat bei der erforderlichen Abwägung, ob die Geltendmachung des Schadensersatzes dem Interesse der Gesellschaft entspricht, ein Beurteilungsspielraum einzuräumen410.

V. Verhaltenspflichten und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder Die für den Aufsichtsrat geltenden Vorschriften der §§ 116, 93 AktG über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit greifen unmittelbar ineinander. Die Festlegung der Aufsichtsichtsratsmitglieder auf die Verpflichtung zur Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Überwachers und Beraters411 ist die Grundlage für etwaige Schadensersatzansprüche. Die „sinngemäße“ Anwendung der Maßstäbe für die Vorstandsmitglieder in diesem Zusammenhang gebietet eine Berücksichtigung der Unterschiede in den Aufgaben und der Tätigkeitsstruktur beider Organe412. So gilt es insbesondere zu beachten, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats im Gegensatz zum Vorstand nicht hauptberuflich für die Gesellschaft tätig sind und entsprechend kraft Gesetzes einen geringeren Arbeitseinsatz schulden (vgl. § 110 Abs. 3 AktG)413. 408 So auch Heermann, AG 1998, S. 207 ff.; ähnlich BGH, ZIP 1997, S. 883 (886) „ARAG / Garmenbeck“; C. Jäger / Trölitzsch, ZIP 1995, S. 1159, dort in Fn. 24, u. 1161 f. 409 Ebenso mit Recht M. Fischer, BB 1996, S. 228; Götz, NJW 1997, S. 3277; Heimbach / Boll, VersR 2001, S. 808 f.; Henze, NJW 1998, S. 3311; Raiser, NJW 1996, S. 554; Thümmel, DB 1997, S. 1119. Insoweit kann die Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht überzeugen, der hier dennoch von einer Ermessensentscheidung des Aufsichtsrats ausgeht, vgl. ZIP 1997, S. 883 (886) „ARAG / Garmenbeck“. 410 Dahingehend auch Götz, NJW 1997, S. 3277; BGH, ZIP 1997, S. 883 (886) „ARAG / Garmenbeck“, die allerdings von einem „Ermessensspielraum“ sprechen. Das ist begrifflich nur dann stringent, wenn man in dieser „Pattsituation“ annimmt, dass beide Handlungsalternativen dem Unternehmensinteresse entsprechen und man deshalb den Handlungsspielraum auf die Rechtsfolgenseite verlagert; vgl. zu dieser Unterscheidung bereits oben III., 2., b). 411 Hüffer, Komm. AktG, § 116 / Rn. 2; Ulmer, in: Hanau / Ulmer, Komm. MitbestG, § 25 / Rn. 117. 412 Fleck, in: FS Heinsius 1991, S. 89 f.; Hüffer, Komm. AktG, § 116 / Rn. 1; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 3. 413 Siehe dazu Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 116 / Rn. 18 ff.; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 115 ff.

100 § 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

Die §§ 116, 93 AktG begründen die umfassende Pflicht, das beaufsichtigte Unternehmen einerseits nicht durch aktives Verhalten zu schädigen und den Vorteil der Gesellschaft zu wahren, sowie andererseits von dritter Seite drohende Schädigungen zu verhindern414. Ähnlich wie beim Vorstand lässt sich der konkrete gesellschaftsrechtliche Pflichtenkreis der Aufsichtsratsmitglieder in die Pflicht zur sorgfältigen Wahrnehmung der Organfunktion (1.), die Treuepflicht sowie die ausdrücklich normierte Verschwiegenheitspflicht gemäß §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 3, 116 Satz 2 AktG (2.) unterteilen415. Er bildet als vorstrafrechtliche Wertordnung zusammen mit dem aktienrechtlichen Verschuldensmaßstab (3.) eine wichtige Grundlage für die anschließende strafrechtliche Pflichtenbestimmung416 und soll deshalb für die Zwecke dieser Untersuchung ebenfalls in Kürze skizziert werden.

1. Pflicht zur sorgfältigen Wahrnehmung der Organfunktion Das Aktiengesetz sieht als Adressaten der Pflichten zunächst nicht das einzelne Aufsichtsratsmitglied, sondern grundsätzlich den Gesamtaufsichtrat als Organ an417. Die Pflichten des Gesamtaufsichtsrats sind Organpflichten, die Pflichten der einzelnen Mitglieder Individualpflichten. Der Inhalt dieser Individualpflichten leitet sich aus den Organpflichten insofern ab, als die Aufsichtsratsmitglieder jeweils zur sorgfältigen Wahrnehmung der Organfunktion verpflichtet sind418. Mit dieser Sorgfaltspflicht verbindet sich für jedes Mitglied nach einhelliger Meinung wiederum ein Bündel verschiedener, konkreter Einzelpflichten. So sind die Aufsichtsratsmitglieder nicht nur zur Mitarbeit im Aufsichtsratsgremium und seinen Ausschüssen, zur persönlichen Urteilsbildung, zur Sicherung einer funktionsgerechten, effizienten Selbstorganisation und Arbeitsweise gehalten, sondern darüber hinaus auch zu einer hinreichenden Informationsbeschaffung und Kenntnisnahme der Vorstandsberichte, zur Mitwirkung an der Prüfung nach § 171 Abs. 1 AktG, und schlussendlich zu einem Einschreiten bei Anhaltspunkten für eine Pflichtverletzung des Vorstands verpflichtet419. Die Mitglieder schulden daBGHZ 21, 354, (357); Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 72. Auf den Haftungsmaßstab hat diese Differenzierung grundsätzlich keine Auswirkung. Im angloamerikanischen Recht wird hingegen nicht nur systematisch, sondern ganz entscheidend auch nach der Haftungsintensität zwischen den „duties of care“ und den strengeren „duties of loyalty“ unterschieden; siehe dazu American Law Institute, Principles of Corporate Governance, §§ 4, 5; Hopt, in: FS Mestmäcker 1996, S. 917. 416 Näher zum Verhältnis zivil- und strafrechtlicher Pflichtenzuweisung unten § 3, C., III., 5., c), bb) sowie § 4, B., III. 417 Eingehend dazu jüngst Dürr, Haftung, S. 97 ff. 418 BGHZ 114, 127 (130); Dürr, Haftung, S. 102; Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 31, 66; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 100 f. 419 Zu weiteren Einzelheiten siehe Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 115 ff.; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 10 / Rn. 757 ff.; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 116 / Rn. 9 ff.; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 109 ff. 414 415

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft

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nach keinen bestimmten Erfolg, sondern Sorgfalt bei der Tätigkeit, deren Einhaltung jeweils aus einer ex-ante-Sicht zu beurteilen ist420. Die neuerdings in der Betriebswirtschaftslehre verstärkt erörterten „Grundsätze ordnungsgemäßer Überwachung“421 vermögen hingegen ebenso wenig wie die Regeln des Deutschen Corporate Governance Kodex422 unmittelbar haftungsbegründende Sorgfaltspflichten für den Aufsichtsrat zu begründen. Insoweit gilt es zwischen betriebswirtschaftlicher Wünschbarkeit und der in einer Rechtsnorm verfestigten Pflicht zu unterscheiden423. Voraussetzung ist deshalb, dass diese Regeln in der Satzung, der Geschäftsordnung oder in den Anstellungsverträgen umgesetzt und auf diese Weise zum Inhalt der Verhaltens- und Sorgfaltspflichten der Organe gemacht werden424.

2. Treuepflicht und Verschwiegenheitspflicht Neben der Mitwirkungspflicht an den Aufgaben des Gesamtorgans trifft die Mitglieder des Aufsichtsrats eine organschaftliche Treuepflicht sowie eine Verschwiegenheitspflicht gegenüber der Gesellschaft. Inhalt der Treuepflicht ist das Gebot, das Interesse des Unternehmens zu wahren sowie das Verbot, das Aufsichtsratsamt zu benutzen, um im persönlichen Interesse, im partikularen Interesse der von ihnen repräsentierten Gruppen oder im Interesse eines anderen, hinter ihnen stehenden Unternehmens nachteilig auf die Gesellschaft einzuwirken425. Diese Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder stellt sich allerdings unterschiedlich dar, je nachdem ob es um ein Verhalten bei der Wahrnehmung des Mandats und das Gebrauchmachen von diesem Mandat geht, oder aber um das allgemeine Verhältnis zur Gesellschaft jenseits der Organfunktion426. Soweit das Aufsichtsratsmitglied sein Amt ausübt, genießen – obschon die Einbringung von Partikularinteressen in die Gremiumsberatungen grundsätzlich erwünscht ist – die Interessen der Gesellschaft unbedingten Vorrang vor PrivatinteSemler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 100. Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 68 ff.; ders., in: FS Peltzer 2001, S. 489 ff. 422 Seidel, ZIP 2004, S. 285 ff., stuft den DCGK gar als verfassungswidrig und damit nichtig ein. 423 Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 88; Hüffer, Komm. AktG, § 111 / Rn. 1; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 204 ff. 424 Ettinger / Grützediek, AG 2003, S. 366; für eine generelle „Vermutungswirkung“ der Kodexnormen sowie eingehend zum diesbezüglichen Meinungsstand jüngst Becker, Haftung, S. 168 ff. 425 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 10 / Rn. 843; zum Umgang mit widerstreitenden Interessen siehe Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 210 ff. m. w. N. 426 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 10 / Rn. 844; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 116 / Rn. 22 ff.; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 171 ff. 420 421

102 § 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

ressen oder kollidierenden Belangen aus anderen Nebentätigkeiten427. Außerhalb der Organfunktion trifft die Mitglieder des Aufsichtsrats hingegen nur eine allgemeine Rücksichtnahmepflicht gegenüber der Gesellschaft, die sie nicht hindert, gesellschaftsfremde Interessen zu verfolgen428. Sie dürfen in diesen Fällen lediglich die im Rahmen der Aufsichtsratstätigkeit erworbenen Kenntnisse und Informationen nicht zum Nachteil des Unternehmens verwenden429. Die ausdrücklich positivierte Verschwiegenheitspflicht gemäß §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 3 AktG präzisiert diese allgemeine organschaftliche Treueverpflichtung430. Sie gebietet den Aufsichtsratsmitgliedern konkret, über vertrauliche Angaben und Geheimnisse, insbesondere über erhaltene vertrauliche Berichte und vertrauliche Beratungen, die ihnen im Rahmen ihrer Organtätigkeit bekannt geworden sind, Stillschweigen zu bewahren431. Der Umfang dieser Verschwiegenheitspflicht wird nicht nur durch das Unternehmensinteresse maßgeblich begründet, sondern zugleich im Ausnahmefall auch begrenzt, wenn durch die Weitergabe der vertraulichen Information ein Nachteil für die Gesellschaft gerade verhindert werden kann und muss432.

3. Verschuldensmaßstab Die §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG normieren neben objektiven Verhaltenspflichten in Form einer Generalklausel auch den Verschuldensmaßstab für die Mitglieder des Aufsichtsrats433. Ungeachtet der heterogenen Zusammensetzung heutiger Kontrollgremien verlangen die Gesamtverantwortung des Aufsichtsrats sowie die Gleichheit von Rechten und Pflichten aller Mitglieder im Grundsatz einen einheitlichen, objektiv-typisierten Verschuldensmaßstab, der sich an der Sorgfalt orientiert, die von einem durchschnittlichen Aufsichtsratsmitglied erwartet werden kann434. Entsprechend fordert der Bundesgerichtshof einen Mindeststan427 Zur Lösung von Interessenkonflikten bei Bankenvertretern als Aufsichtsratsmitglieder einer Zielgesellschaft anlässlich der Finanzierung der Unternehmensübernahme, instruktiv Herkenroth, AG 2001, S. 33 ff. 428 Fleck, in: FS Heinsius 1991, S. 91; Ulmer, NJW 1980, S. 1605 f. 429 Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 179; Hüffer, Komm. AktG, § 116 / Rn. 4; Kübler / Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 IV 3b; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 171. 430 Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 187; Hüffer, Komm. AktG, § 93 / Rn. 6; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 374; für eine Herleitung aus Treue- und Sorgfaltspflicht Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 93 / Rn. 75; BGHZ 64, 325 (327). 431 Siehe dazu im Einzelnen Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 6 / Rn. 248 ff.; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 373 ff. 432 Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 209 ff., mit denkbaren Fallkonstellationen; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 6 / Rn. 277; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 93 / Rn. 82. 433 Diese Doppelfunktion ist einhellig anerkannt; vgl. Hüffer, Komm. AktG, § 93 / Rn. 3a.

B. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft

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dard an Kenntnissen und Fähigkeiten, die jedes Aufsichtsratsmitglied – mit Blick auf die jeweilige Art und Größe des Unternehmens435 – besitzen oder sich aneignen muss, um zumindest alle regelmäßig anfallenden Geschäftsvorgänge nachvollziehen und sachgerecht bewerten zu können436. Persönliche Herkunft und Vorbildung erlauben deshalb insbesondere bei Arbeitnehmer- und Kleinaktionärsvertretern oder Anteilseignervertretern der öffentlichen Hand keine Abstufung der Sorgfaltsanforderungen437. Auf der Grundlage der stets vorauszusetzenden Mindestqualifikationen können sich hingegen bestimmte Differenzierungen aus der Arbeitsorganisation des Aufsichtsrats ergeben. Aufsichtsratsmitglieder, die eine besondere Funktion übernehmen, etwa der Aufsichtsratsvorsitzende438 oder Mitglieder, die aufgrund ihrer Sachkunde in einem Ausschuss mit besonderen Aufgaben betraut sind, unterliegen einem strengeren, rollen- oder bereichsbezogenen Maßstab439. Inwieweit darüber hinaus individuelle Sonderkenntnisse die Haftung verschärfen, ist in der gesellschaftsrechtlichen Literatur umstritten440, aber mit guten Gründen zu befürworten. Denn vielfach werden einzelne Mitglieder gerade wegen ihrer spezifischen Fertigkeiten, zum Beispiel als Ingenieur, Jurist, Bankier, Unternehmensberater oder Wirtschaftsprüfer, in das Kontrollgremium berufen441. Vor diesem Hintergrund erscheint es folgerichtig, demjenigen, der über solche Sonderkenntnisse verfügt und sie nicht verwertet, sodann die Berufung auf die durchschnittlich-typisierte Sorgfalt zu versagen442. Schlussendlich bleibt zu beachten, dass der aktienrechtliche 434 So die heute h. M., siehe u. a. Hüffer, Komm. AktG, § 116 / Rn. 2; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 11 / Rn. 846; Raiser / Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 / Rn. 117; Schwark, in: FS Werner 1984, S. 841 ff., auch mit Nachweisen zur Gegenmeinung. 435 Für die Aufsichtsratstätigkeit in einem internationalen Konzern sind selbstredend andere Qualitäten gefragt als in einem regional operierenden Unternehmen; siehe zu dieser Differenzierung Hüffer, Komm. AktG, § 116 / Rn. 3; Mutter / Gayk, ZIP 2003, S. 1775. 436 BGHZ 85, 293 (295) „Hertie“. 437 Schwark, in: FS Werner 1984, S. 850; Ulmer, in: Hanau / Ulmer, Komm. MitbestG, § 25 / Rn. 118. 438 Vgl. Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 268. 439 Dies entspricht dem berufs- und positionsspezifischen Verständnis des allgemeinen Fahrlässigkeitsbegriffs (§ 276 Abs. 2 BGB) im Zivilrecht; vgl. Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 11 / Rn. 849; Mutter / Gayk, ZIP 2003, S. 1774 f.; Schwark, in: FS Werner 1984, S. 848. 440 Ablehnend Hüffer, Komm. AktG, § 116 / Rn. 3; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 III 1d. 441 Mutter / Gayk, ZIP 2003, S. 1775 mit Verweis auf eigene empirische Untersuchungen; treffend insoweit der Hinweis von Säcker, AG 2004, S. 182: „Ein Aufsichtsrat, der seine Beratungs- und Kontrollfunktion ernst nimmt, kann nicht mit einem Heer von gutwilligen Generalisten besetzt sein, um gemeinsam mit einem Vorstand aus Spezialisten das Unternehmen zu führen“; ähnlich H.-F. Müller, NZG 2002, S. 798. 442 Ebenso OLG Düsseldorf, ZIP 1984, S. 825 (Wirtschaftsprüfer); LG Hamburg, ZIP 1981, S. 194 (Bankier); Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. AG, § 33 / Rn. 61; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 11 / Rn. 849; Mutter / Gayk, ZIP 2003, S. 1775; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 95 m. w. N.; Wirth, ZGR 2005, S. 335 f.

104 § 2 Die gesellschaftsrechtliche Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft

Sorgfaltsmaßstab einen relativen Maßstab bezeichnet, der den jeweiligen Anforderungen der konkreten Situation und damit insbesondere auch der Lage des Unternehmens443 anzupassen ist444.

Siehe dazu bereits eingehend oben III., 4. Raiser / Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 / Rn. 114; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 266. 443 444

§ 3 Möglichkeiten einer Unterlassungsstrafbarkeit der Mitglieder des Aufsichtsrats A. Einführung in die Problemstellung: Strafbarkeit wegen Nichtverhinderung von Straftaten durch die Geschäftsführung? Der Blick auf die gesellschaftsrechtliche Stellung des Aufsichtsrats in der Unternehmensverfassung hat gezeigt, dass sich seine Funktion als Verwaltungs- und Kontrollorgan der Aktiengesellschaft in erster Linie auf gesellschaftsinterne Überwachungsmaßnahmen konzentriert und nur in begrenztem Maße auch die eigene Vornahme aktiv gestaltender Handlungen mit Außen- und Drittwirkung vorsieht. Dieses Tätigkeitsprofil legt es nahe, den Fokus einer strafrechtlichen Untersuchung zunächst auf die Frage zu richten, ob mit dieser zivilrechtlich begründeten Organfunktion als Kontrollinstanz im Unternehmen auch strafrechtlich relevante Aufsichts- und Handlungspflichten für das Aufsichtsratsgremium mit der Folge einer möglichen Unterlassensstrafbarkeit korrespondieren. Hinzu kommt, dass der prozessuale Nachweis einer aktiven Straftatbeteiligung der Aufsichtsratsmitglieder in der Praxis auf Grund der gemeinhin auftretenden Beweisschwierigkeiten im Bereich der Unternehmenskriminalität 1 oft nur schwer gelingen wird2. In Situationen, in denen sich eine aktive Tatbeteiligung demnach oft nur vermuten lässt, ein Untätigbleiben hingegen offenkundig zu Tage tritt, erlangt die Frage einer strafbewehrten Aufsichtspflicht damit auch aus kriminalpolitischer Sicht eine zentrale Bedeutung, will man die Beteiligten strafrechtlich zur Verantwortung ziehen3. Den entscheidenden und zugleich notwendigen Anknüpfungspunkt einer möglichen Unterlassungsverantwortung der Aufsichtsratsmitglieder bilden regelmäßig Straftaten durch andere Unternehmensangehörige. Hier drängt sich die Frage auf, inwieweit solche Straftaten aus dem Unternehmen heraus, insbesondere durch Mitglieder des Vorstands, auch eine strafrechtliche Verantwortung der AufsichtsratsSiehe dazu eingehend Hillenkamp, in: Recht und Wirtschaft, S. 226 ff. Diese Einschätzung teilt auch Cramer, in: FS Stree / Wessels 1993, S. 567. 3 Zum allgemeinen Einsatz der Unterlassensstrafbarkeit als „Reaktion auf typische Beweisnotsituationen“ siehe Hillenkamp, in: FS Wassermann 1985, S. 864 f.; Spitz, Strafrechtliche Produkthaftung, S. 27 m. w. N., verweist diesbezüglich konkret auf die Spruchpraxis der Gerichte, die im Bereich der Delinquenz von Führungspersonen in Unternehmen in vielen Fällen letztlich den Weg über das (unechte) Unterlassungsdelikt gewählt haben und so zu einer Verurteilung gekommen sind. Für Arzt, in: Strafrechtliche Probleme, S. 84, übernimmt die Unterlassung sogar die Funktion einer „Verdachtsstrafe für positives Tun“. 1 2

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mitglieder nach sich ziehen können, wenn diese es unterlassen, entweder im Vorfeld gegen das strafbewehrte Verhalten im Unternehmen einzuschreiten oder aber eine bereits begangene Tat nach (gesellschaftsinterner) Kenntniserlangung gegenüber den Strafverfolgungsbehörden zur Anzeige zu bringen (vgl. § 258 Abs. 1 StGB). Das Interesse gilt vorliegend ausschließlich strafrechtlichen Handlungspflichten, die an die spezifische Organstellung und die damit verbundene Sondersituation der Aufsichtsratsmitglieder anknüpfen. Aus diesem Grund werden die strafrechtlichen Verhaltensgebote, deren Verletzung in den sog. echten Unterlassungsdelikten4 sanktioniert ist, an dieser Stelle nicht weiter vertieft. Sie knüpfen entweder als Sonderdelikte an eine besondere Täterqualifikation an, die den Aufsichtsrat bereits aus dem Kreis der tauglichen Handlungssubjekte ausscheidet – wie zum Beispiel im Rahmen des § 401 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AktG oder des § 266a StGB –, oder sie positivieren Pflichten, die unspezifisch für jedermann Geltung beanspruchen, wie es etwa in den §§ 138 und 323c StGB der Fall ist5. Im Bereich der verbleibenden sog. unechten Unterlassungsdelikte bestimmt sich die Frage nach den Normadressaten der Handlungsgebote grundsätzlich mit Hilfe des allgemeinen Kriteriums der Garantenstellung als Grundvoraussetzung jeder Gleichstellung von Tun und Unterlassen i. S. d. § 13 Abs. 1 StGB, § 8 OWiG6. Nur in vereinzelten Fällen erfolgt die erforderliche Gleichstellung mit dem Begehungsdelikt bereits im jeweiligen Straftatbestand des Besonderen Teils. Für den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist aus diesen Sonderregelungen nur der Tatbestand der Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB mit seinem Sonderkriterium der Vermögensfürsorgepflicht7 von Interesse8. Die Frage einer Untreuestrafbarkeit soll hier jedoch zunächst ausgeklammert bleiben. Ihr wird auf Grund der besonderen 4 Die Abgrenzung der echten von den unechten Unterlassungsdelikten ist im Schrifttum äußerst umstritten, vgl. Roxin, AT II, § 31 / Rn. 16 ff.; Schünemann, ZStW 96 (1984), S. 303. Hier sollen als echte Unterlassungsdelikte solche Straftaten bezeichnet werden, die sich in dem Verstoß gegen eine Gebotsnorm durch bloßes Unterlassen der vom Gesetz geforderten Tätigkeit erschöpfen, während mit unechten Unterlassungsdelikten Straftaten gemeint sind, bei denen der Unterlassende als Garant zur Erfolgsabwendung verpflichtet ist und das Unterlassen wertungsmäßig einer Tatbestandsverwirklichung durch aktives Tun entspricht. 5 Vgl. Cramer / Sternberg-Lieben, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 323c / Rn. 1, 31; Fischer, Komm. StGB, § 138 / Rn. 2. 6 Die Dogmatik der Garantenstellung geht zurück auf Nagler, GerS 111 (1938), S. 59 ff., und hat sich heute in Rechtsprechung und Literatur allgemein durchgesetzt, vgl. GrSenBGHSt 16, S. 158 ff.; Jescheck / Weigend, AT, § 59 IV 1; dagegen zuletzt Freund, Erfolgsdelikt, S. 39 ff., 154 ff. Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung Schünemann, ZStW 96 (1984), S. 287 ff. m. w. N. Die Ausführungen beschränken sich im Folgenden auf eine Unterlassungsstrafbarkeit nach § 13 StGB, lassen sich aber sinngemäß auch auf den Geltungsbereich des § 8 OWiG für das Ordnungswidrigkeitenrecht übertragen. 7 Vgl. Kühl, Komm. StGB, § 266 / Rn. 2; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 55, 91. 8 Bei den weiteren, ausdrücklich geregelten Ausnahmen, u. a. in den §§ 221 Abs. 1 Nr. 2, 225, 315c Abs. 1 Nr. 2g StGB, ist ein Bezug zu der hier im Blickpunkt stehenden Strafbarkeit im Rahmen der Aufsichtsratstätigkeit schwer vorstellbar; vgl. dazu Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 4 ff.

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Problematik und ihrer herausragenden praktischen Relevanz im Bereich der Unternehmenskriminalität in einem eigenen Teil gesonderte Aufmerksamkeit geschenkt9. Insofern konzentriert sich die Problemstellung nachfolgend auf die Begründung einer strafrechtlichen Garantenstellung der Mitglieder des Aufsichtsrats. Diese Frage lässt sich allerdings nicht völlig abstrakt aufwerfen, sondern kann sinnvoll jeweils nur im Hinblick auf bestimmte Gefahren oder eine bestimmte Art von zu schützenden Rechtsgütern und Personen beantwortet werden. Die Spannbreite der strafrechtlichen Verfehlungen, deren sich Unternehmensangehörige schuldig machen können, ist wiederum sehr groß. Sie reicht von diversen Vermögensdelikten, Körperverletzungs- und Tötungsdelikten – vor allem durch fehlerhafte Produkte – bis hin zu Delikten des Umweltstrafrechts und Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz. Aus diesem Grund verfolgen die nachstehenden Ausführungen nicht das Ziel, der strafrechtlichen Einstandspflicht von Aufsichtsratsmitgliedern im Einzelnen für jede in Frage kommende Konstellation nachzugehen. Vielmehr soll versucht werden, das Feld möglicher Garantenstellungen zum Schutz fremder Rechtsgüter so zu systematisieren, dass die gewonnenen Ergebnisse bei Bedarf auf den deliktsspezifischen Einzelfall übertragen werden können. Zu diesem Zweck werden zunächst die strafrechtstheoretischen Grundlagen zur Begründung einer Garantenstellung im Allgemeinen erarbeitet (B.). Mit Hilfe des herausgeschälten dogmatischen Fundaments sollen sodann in einem nächsten Schritt die Möglichkeiten einer Garantenpflicht der Aufsichtsratsmitglieder im Speziellen eruiert werden. Angesichts der grundlegend verschiedenen Schutzrichtung und den damit verbundenen Besonderheiten wird die Anknüpfung einer Garantenpflicht an Straftaten der Geschäftsführung zu Lasten Dritter (C.) bzw. zum Nachteil der eigenen Gesellschaft (D.) jeweils gesondert erörtert. Die schließlich verbleibende Frage der konkreten Form der Tatbeteiligung lässt sich zum Abschluss sodann wieder generalisierend beantworten (E.).

B. Dogmatische Grundlagen einer strafrechtlichen Legitimation von Garantenpflichten der Aufsichtsratsmitglieder Die in der Strafrechtswissenschaft formulierten normtheoretischen Ansätze zur Herleitung von Garantenpflichten sind äußerst vielfältig, detailliert und teilweise sehr divergierend10. Insofern ist nach wie vor äußerst streitig und nicht geklärt, welche Faktoren das besondere Pflichtverhältnis einer Garantenstellung genau konSiehe unten § 4. Einen Überblick gewähren Jakobs, AT, 29 / 28 in Fn. 53; Otto / Brammsen, Jura 1985, S. 532 ff.; Sangenstedt, Garantenstellung, S. 123 ff. 9

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stituieren11. Um verfassungsrechtlichen Bedenken12 im Hinblick auf das Analogieverbot und den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG („nullum crimen, nulla poena sine lege“) zu begegnen, hat der Gesetzgeber im Rahmen der Strafrechtsreform von 196913 die Vorschrift des § 13 in das geltende StGB aufgenommen14, nach der als Täter eines unechten Unterlassungsdelikts nur in Betracht kommt, wer „rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt“15. Diese generalklauselartige Regelung enthält zwar den grundlegenden Hinweis, dass die Garantenpflicht einem rechtlichen und nicht rein sozialen, sozialethischen oder moralischen Erfolgsabwendungsgebot entspringen muss16. Darüber hinaus normiert sie indessen keine konkreten Vorgaben für die Bestimmung einer Garantenposition, sondern überlässt die Präzisierung der Kriterien einer Handlungsäquivalenz weiterhin bewusst Rechtsprechung und Lehre17. Um dennoch der rechtsstaatlichen Garantiefunktion des Strafgesetzes gerecht zu werden, ist es unerlässlich, dass sich die Konkretisierung der gesetzlichen Voraussetzungen einer Garantenstellung, trotz aller kriminalpolitischer Bestrebungen nach einem ausreichenden Opferschutz18, um eine „restriktive Interpretation“19 anhand der Wertvorgaben der geschriebenen (Straf-)Rechtsordnung bemüht20, die zumindest ihrerseits „hinreichend bestimmte Ergebnisse“21 für den Normadressaten gewährleistet und damit einer grenzenlosen „Garanten-Hypertrophie“22 bei der Auslegung Vorschub leistet23. Für die inhaltliche Konturierung des § 13 Abs. 1 11 Roxin, AT II, § 32 / Rn. 2, bezeichnet diese Frage sogar als das heute noch umstrittenste Problem des Allgemeinen Teils. 12 Vgl. nur Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendung, S. 277 ff., 340 ff. m. w. N. 13 Durch das 2. Gesetz zur Reform des Strafrechts mit Wirkung zum 1. 1. 1975. 14 So ausdrücklich der Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform zum Entwurf des 2. StrRG, BT-Drucks. V / 4095, S. 8; vgl. Jescheck, in: LK-StGB, § 13 / Rn. 1, 11 ff.; Roxin, AT II, § 31 / Rn. 31 ff. 15 Das zusätzliche Gleichstellungskriterium der „Entsprechung“ soll an dieser Stelle außer Acht bleiben. 16 BGHSt 30, S. 393 f.; Kühl, AT, § 18 / Rn. 41; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 7. 17 Vgl. den Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform zum Entwurf des 2. StrRG, BT-Drucks. V / 4095, S. 8. 18 Auf dieses Spannungsfeld weisen insbesondere Seelmann, GA 1989, S. 241 ff., und Stankewitz, Überwachergarantenstellung, S. 1 f., hin. 19 Seelmann, in: NK-StGB1, § 13 / Rn. 10; ähnlich Otto, AT, § 9 / Rn. 47, mit der Forderung nach einer konsequenten Anwendung des „in dubio pro reo“-Grundsatzes; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 13 / Rn. 13. 20 Sangenstedt, Garantenstellung, S. 121; Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 255 ff.; vgl. auch Roxin, Grundlagenprobleme, S. 193 f. 21 Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 3; vgl. zur verfassungsrechtlichen Rechtsprechung BVerfGE 96, S. 97 ff. 22 Mit diesem Begriff beschreibt Schünemann, ZStW 96 (1984), S. 295 f., die extensive Entwicklung der Begründungsansätze in den fünfziger Jahren.

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StGB können dazu im Wege einer Art analogistischen Rechtsfindung insbesondere auch die sachlogischen und rechtlichen Strukturen der strafrechtlichen Begehungsverantwortlichkeit fruchtbar gemacht werden24. Vor dem Hintergrund dieser Problematik muss es zunächst das Ziel sein, die konkrete Untersuchung einer Garantenverantwortlichkeit von Aufsichtsratsmitgliedern auf ein dogmatisches Fundament zu stellen, das diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen auch standhält. Deshalb sollen im Folgenden auf der Basis einer Erörterung der wesentlichen Legitimationsmodelle in der wissenschaftlichen Literatur (I.) tragfähige Kriterien statuiert werden (II.), mit deren Hilfe die Entstehung einer strafrechtlichen Garantenbeziehung und der damit korrespondierenden Handlungspflicht von Mitgliedern des Aufsichtsrats im Anschluss hinreichend sicher begründet und zugleich begrenzt werden kann.

I. Konzeptionen und Kriterien zur Legitimation der Garantenhaftung Die in der Strafrechtswissenschaft vertretenen Konzeptionen zur Herleitung von Garantenpflichten können methodisch zunächst in materiale und formale Ansätze geordnet werden, je nachdem, ob sie ihrer Begründung inhaltliche Kriterien zu Grunde legen oder nicht. Im Bereich der materialen Legitimationsmodelle lässt sich wiederum eine Unterscheidung danach vornehmen, ob der Haftungsgrund auf ein einheitliches Prinzip zurückgeführt wird (monistisches Konzept) oder aber in zwei inhaltlichen Prinzipien seine theoretische Basis findet (dualistisches Konzept). 1. Die formale Konzeption der Rechtsquellenlehre Die sog. formelle Rechtsquellenlehre oder Rechtspflichttheorie geht in ihrem Ursprung auf die Ausführungen von Feuerbach25 bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts zurück und richtet ihre Pflichtbestimmung an den Entstehungsgründen aus. So können nach dieser positivistischen Lehre26, an die auch die Rechtspre23 Unter diesen Voraussetzungen ist die gesetzliche Regelung des § 13 StGB durchaus verfassungskonform; so auch die h. L., vgl. Jescheck, in: LK-StGB, § 13 / Rn. 14; Roxin, AT II, § 31 / Rn. 33; J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 326 ff.; a. A. Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 187 f. 24 So Freund, Erfolgsdelikt, S. 7; Herzberg, Arbeitsschutz, S. 225, 228; Nickel, Problematik, S. 179; Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S. 93; Sangenstedt, Garantenstellung, S. 214, 372; Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 229 ff.; ders., Unternehmenskriminalität, S. 88; J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 312; Welp, Vorangegangenes Tun, S. 172; kritisch dagegen Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 105 ff. 25 Feuerbach, Lehrbuch, § 24. 26 Vgl. aus dem Schrifttum etwa v. Hippel, Lehrbuch, S. 101 f.; von Liszt / Schmidt, Lehrbuch, S. 172 f., 189 f.

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chung des Reichsgerichts anknüpfte27, allein aus außerstrafrechtlichen Rechtsquellen erwachsende Pflichten eine Garantenstellung begründen. Die Entstehungsgründe wurden zunächst apodiktisch auf rein förmliche Rechtspflichten aus Gesetz und Vertrag beschränkt. In der Folge erfuhr der Begründungsansatz allerdings sowohl durch die Anerkennung von Garantenpflichten aus vorangegangenem Tun (sog. Ingerenz)28 als auch später durch die Einbeziehung enger Lebens- und Gefahrengemeinschaften 29 jeweils Erweiterungen, bei denen die ursprünglich streng formelle Anbindung aufgegeben wurde30. Diese dogmatische Fortschreibung lässt bereits eines der entscheidenden Defizite einer rein formal ausgerichteten Konzeption erkennen. Denn sie verdeutlicht, dass die Statuierung eines strafrechtlichen Erfolgsabwendungsgebotes nicht zwingend eine entsprechende Sonderpflicht in der metastrafrechtlichen Rechtsordnung voraussetzt und folgerichtig an einen „Numerus clausus“ zivil- oder öffentlichrechtlicher Pflichtenkataloge nicht gebunden ist31. Darüber hinaus kann der undifferenzierte Verweis auf Gesetz oder Vertrag allein nicht genügen, um die entscheidende Frage zu klären, welcher dieser außerstrafrechtlichen Handlungspflichten für eine strafrechtliche Pönalisierung im konkreten Fall überhaupt Relevanz zukommt32. Denn er lässt die rechtliche Stellung des Unterlassenden zum gefährdeten Rechtsgut oder zum schädigenden Ereignis unbeachtet. Für die strafrechtliche Garantenstellung ist es jedoch maßgeblich, dass die mit ihr korrespondierende Erfolgsabwendungspflicht gerade dem Schutz des bedrohten Rechtsguts dient und durch ihre normative Intention nicht bloß einen zufälligen Schutzreflex bewirkt33. Selbst wenn die metastrafrechtliche Rechtspflicht (zumindest auch) den Zweck verfolgt, das von dem jeweiligen Straftatbestand geschützte Rechtsgut vor der konkret drohenden Gefahr zu schützen, so ist sie für sich dennoch nicht in der Lage, Vgl. RGSt 58, 130 (131 f.); 63, 392 (394); 66, 71 (72 ff.). Vgl. etwa RGSt 24, 339 f.; 64, 273 (276). 29 RGSt 66, 71 (73 f.); 69, 321 (322 ff.); 74, 309 (310 f.). 30 D. Albrecht, Garantenstellungen, S. 26; Jakobs, AT, 29 / 26 in Fn. 44; Otto / Brammsen, Jura 1985, S. 53. 31 Siehe allgemein bereits oben 1.Teil, C., I.; speziell zur Garantendogmatik Grünewald, Garantenpflichten, S. 20; Herzberg, Arbeitsschutz, S. 223; Sangenstedt, Garantenstellung, S. 209 ff.; Schünemann, ZStW 96 (1984), S. 291 f. Für eine Beschränkung der strafrechtlichen Einstandspflicht auf Gesetz und Vertrag zur Gewährleistung des Bestimmtheitsgrundsatzes hingegen in letzter Zeit Seebode, in: FS Spendel 1992, S. 340 ff.; ebenso Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 15 / Rn. 41. 32 So mit Recht D. Albrecht, Garantenstellungen, S. 27; Gallas, Unterlassungsdelikt, S. 76, 84 f.; Grünewald, Garantenpflichten, S. 20 dort in Fn. 33, veranschaulicht diese Unzulänglichkeit treffend anhand des Beispiels, dass sich die Pflicht eines Hauseigentümers, den Brand des eigenen Hauses zum Schutz der Allgemeinheit vor Brandgefahren zu löschen, nicht aus dem Vertrag mit seiner Versicherung herleiten lässt; so aber RGSt 64, 273 (277). 33 Jescheck, in: LK-StGB, § 13 / Rn. 4; Rudolphi, NStZ 1991, S. 364; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 8 m. w. N.; zustimmend jetzt auch BGHSt 43, 84 f. 27 28

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die nach dem Gesetz erforderliche Legitimation einer Garantenstellung zu leisten34. Denn gemäß § 13 Abs. 1 StGB ist für die strafrechtliche Verantwortung eines Garanten von entscheidender Bedeutung, dass die Nichtabwendung des Erfolges in ihrem Unwert der Verwirklichung des Tatbestandes durch aktives Tun entspricht35. Ein ausschließlich formaler Begründungsansatz, der sich mit der Feststellung einer zivil- oder öffentlich-rechtlichen Pflichtverletzung begnügt, lässt diesen (zusätzlichen) positiven Nachweis der Handlungsäquivalenz des Fehlverhaltens als dem maßgeblichen tertium comparationis für die Gleichbewertung des Unterlassens vermissen und wird deshalb letztlich den gesetzlich gestellten Anforderungen nicht gerecht36. Zusammenfassend erweist sich das dogmatische Konzept der Rechtsquellenlehre daher durch den unreflektierten Verweis auf formelle Rechtspflichten einerseits als zu weit, mit Blick auf die gesetzlichen Anforderungen an die Begehungsgleichheit des Pflichtversäumnisses auf der anderen Seite aber auch als zu eng37.

2. Materiale Konzeptionen Die materialen Konzeptionen versuchen das Defizit eines rein formalen Begründungsansatzes zu überwinden, indem sie den nach § 13 Abs. 1 StGB für die Garantenhaftung erforderlichen Gesichtspunkt der Begehungsgleichwertigkeit anhand materieller, also inhaltlich-wertbezogener Kriterien und Voraussetzungen näher konkretisieren. Hierbei ist indes umstritten, ob sich gemäß den sog. monistischen Erklärungsmodellen ein alle Garantenstellungen umfassendes, materiales Legitimationsprinzip definieren lässt, oder ob die Garantenpflichten nicht vielmehr entsprechend dem dualistischen Konzept in zwei Gruppen einzuteilen sind, denen jeweils ein unterschiedliches Haftungsprinzip zugrunde zu legen ist.

34 Vgl. etwa Grünewald, Garantenpflichten, S. 20; Köhler, AT, 4 / I 4; Stankewitz, Überwachergarantenstellung, S. 34; J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 338 f. 35 Diese sog. Handlungsäquivalenz ist nach h. M. bereits Voraussetzung für die Annahme einer Garantenposition. Der Entsprechensklausel in § 13 Abs. 1 StGB kommt hingegen nur bei sog. verhaltensgebundenen Delikten eine eigenständige Bedeutung zur Bestimmung der sog. Modalitätenäquivalenz zu; dazu eingehend Jakobs, AT, 29 / 7; Jescheck, in: LK-StGB, § 13 / Rn. 4 f.; Roxin, AT II, § 32 / Rn. 218 ff.; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 17; Schünemann, ZStW 96 (1984), S. 312 ff. 36 Vgl. Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 91; Roxin, AT II, § 32 / Rn. 10 ff.; Sangenstedt, Garantenstellung, S. 192; J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 339. 37 So auch D. Albrecht, Garantenstellungen, S. 26; Köhler, AT, 4 / I 4; Seelmann, GA 1989, S. 243.

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a) Das dualistische Konzept der sog. Funktionenlehre Ausgangspunkt einer dualistischen Annäherung an die Legitimationsproblematik waren die Untersuchungen von Armin Kaufmann, der die soziale Funktion einer Garantenstellung als „Schutzposition gegenüber einem Rechtsgut“ in den Mittelpunkt seiner Überlegungen stellte38. Aus diesem Gedanken heraus führte er alle Garantenpflichten auf zwei Grundpositionen zurück und differenzierte im Hinblick auf die jeweiligen Aufgaben zwischen Beschützer- und Überwachergaranten39. Diese funktionale Zweiteilung, der die Gliederung in Sicherungs- und Obhutspflichten entspricht, hat sich im Schrifttum heute überwiegend durchgesetzt40 und wurde zuletzt auch in der Rechtsprechung rezipiert41. Nach dieser sog. Funktionenlehre steht der Beschützergarant in unmittelbarer Beziehung zum Opfer und hat deshalb eine Schutzfunktion für dessen Rechtsgüter gegenüber Gefahren aus allen Richtungen42. Auf dieser Grundlage können sich für ihn Obhutspflichten vor allem aus natürlicher oder familiärer Verbundenheit, bei engen Lebens- und Gefahrengemeinschaften sowie aus der freiwilligen, tatsächlichen Übernahme ergeben43. Mit Blick auf den Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft ist in diesem Rahmen jedoch im Besonderen eine mögliche Beschützergarantenpflicht auf Grund der Organverantwortung gegenüber der juristischen Person von Interesse. Demgegenüber trägt der Überwachergarant unabhängig von dem möglichen Opfer die Verantwortung für eine bestimmte Gefahrenquelle und muss insofern die von ihr ausgehenden Gefahren für alle potentiell bedrohten Rechtsgüter eindämmen. In diesem Zusammenhang können Sicherungspflichten ebenfalls auf Grund eines Übernahmeaktes, ferner aber auch aus vorangegangenem gefährlichen Tun, aus der Sachherrschaft über bestimmte Gefahrenquellen sowie aus der Verantwortung für fremdes Verhalten erwachsen44. Abgesehen von einer sinnvollen und förderlichen Systematisierung der Garantenstellungen durch die Einordnung in Schutz- und Überwachungspflichten bleibt allerdings auch der funktionale Ansatz eine normative Erklärung für die EntsteVgl. Ar. Kaufmann, Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte, S. 283. Vgl. Ar. Kaufmann, Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte, S. 283 ff. 40 Vgl. u. a. Jescheck, in: LK-StGB, § 13 / Rn. 19; Kühl, Komm. StGB, § 13 / Rn. 12 m. w. N.; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 24 ff.; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 9 ff. 41 Vgl. BGHSt 48, 77 (91); OLG Stuttgart, NJW 1998, S. 3131. 42 Gleichwohl darf der Gedanke einer „Rundumverteidigung“ nicht missverstanden werden, da auch im Bereich der Schutzpflichten der Pflichtenkreis des Garanten, wie z. B. im Falle des Arztes, begrenzt sein kann, vgl. Freund, in: MK-StGB, § 13 / Rn. 159; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 21. 43 Vgl. etwa Freund, in: MK-StGB, § 13 / Rn. 101 ff.; Kühl, AT, § 18 / Rn. 45 ff.; Otto / Brammsen, Jura 1985, S. 537 ff.; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 46 ff. 44 Vgl. dazu u. a. Arzt, JA 1980, S. 648; Kühl, AT, § 18 / Rn. 91 ff.; Otto / Brammsen, Jura 1985, S. 598 ff.; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 26 ff. 38 39

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hung der jeweiligen Verantwortlichkeit des Garanten, sowie Aussagen über Inhalt und Umfang der Erfolgsabwendungspflichten schuldig45. Die dualistische Ordnung kann daher die fundierte Herleitung eines Rechtsgrundes für die Handlungsäquivalenz nicht ersetzen, sondern setzt diese vielmehr voraus. Sie macht damit weitere Bemühungen zur Klärung der konkreten Entstehungsvoraussetzungen einer Garantenbeziehung erforderlich46.

b) Monistische Konzepte Vor diesem Hintergrund bemüht sich ein großer Teil der Lehre, monistische materiale Legitimationsprinzipien zu entwickeln. Auf welchen materialen Gesichtspunkt die Garantenpflichten zurückzuführen sind, ist indes gleichfalls ungemein umstritten. Nachfolgend sollen ausschließlich die wesentlichen Kriterien „Gefahrschaffung“, „Vertrauen“, „Erwartung“ und „Herrschaft“ als mögliche Grundlage jeder Garantenhaftung näher betrachtet werden47.

aa) Das Prinzip der Gefahrschaffung als Grundlage der Garantenpflicht Der Gefährdungsgedanke lässt sich als ein eigenes und sämtlichen Erfolgsabwendungspflichten zu Grunde liegendes Kriterium herausstellen, wenn man davon ausgehen kann, dass in allen Garantenpflichten „eine rudimentäre Gefahrschaffung als Begehungselement“ enthalten ist, entweder unmittelbar oder mittelbar durch Übernahme und nicht einwandfreie Durchführung der Aufgabe der Gefahrenabwehr48. Mit diesem Ansatzpunkt ist es jedoch schwer möglich, vor allem die Entstehung der erwähnten Obhutspflichten zu erklären. Für derartige Pflichten erweist sich die Rückführung auf eine Gefahrschaffung des Garanten als wenig passend49. Auch der Versuch, das Gefährdungsmoment in diesen Fällen mit der „Enttäuschung berechtigten Vertrauens“50 zu begründen51, geht insoweit fehl, als eine Enttäuschung 45 Arzt, JA 1980, S. 648; Grünewald, Garantenpflichten, S. 21; Otto / Brammsen, Jura 1985, S. 533; Seelmann, in: NK-StGB1, § 13 / Rn. 35; Schünemann, ZStW 96 (1984), S. 305; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 13 / Rn. 15. 46 Ebenso R. Busch, Unternehmen, S. 513; Jakobs, AT, 29 / 27; Rengier, JuS 1989, S. 806; Rogall, ZStW 98 (1986), S. 614. 47 Zu weiteren monistischen Erklärungsansätzen vgl. D. Albrecht, Garantenstellungen, S. 39 ff.; Sangenstedt, Garantenstellung, S. 123 ff. 48 So vor allem Arzt, JA 1980, S. 560; einen ähnlichen Ausgangspunkt vertreten auch Schultz, Amtswalterunterlassen, S. 138 ff., 145 ff.; ders., JuS 1985, S. 271 f., der zwischen Innen- und Außengefahr unterscheidet, sowie Stree, in: FS Mayer 1966, S. 147 ff. 49 Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 133; Grünewald, Garantenpflichten, S. 22. 50 Arzt, JA 1980, S. 650.

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erst Folge der Verletzung der bestehenden Erwartungshaltung durch das Unterlassen des Garanten ist. Das Unterlassen selbst kann aber nicht gleichzeitig als Grundlage für die Statuierung einer Erfolgsabwendungspflicht herangezogen werden52. Darüber hinaus beantwortet die Bezugnahme auf das Gefahrschaffungselement allein gerade nicht die relevante Frage, wer für bestimmte Gefahren nach welchen Kriterien wann überhaupt verantwortlich ist53. Denn das Erfordernis eines bestimmten Gefährdungsmoments für die Begründung einer Garantenverantwortung versteht sich insoweit bereits von selbst, als eine konkrete Erfolgsabwendungspflicht natürlich nur dann erwachsen kann, wenn das Opfer nicht in der Lage ist, eine drohende Rechtsgutsbeeinträchtigung selbst abzuwenden. Dieser Gesichtspunkt findet auf der Ebene der objektiven Zurechnung seine entsprechende Berücksichtigung54. bb) Das Vertrauensprinzip als Grundlage der Garantenpflicht Im Gegensatz dazu wird die der Ableitung von Erfolgsabwendungsgeboten zu Grunde liegende Garantiebeziehung von Teilen der Lehre als eine Beziehung des Vertrauens oder des Vertrauendürfens bestimmt55. Die so definierte theoretische Basis der Garantenpflicht ist als ein objektives Normvertrauen zu verstehen, bei dem es folglich weder um ein bei einer konkret betroffenen Person tatsächlich vorhandenes Vertrauen geht, noch um ein Vertrauen, das sich in bloßen Sozialnormen statt in positivierten Rechtsnormen manifestiert56. Im Schrifttum wird ausgeführt, eine Garantenpflicht sei dann anzunehmen, wenn im Vertrauen auf eine Zusage oder die Präsenz des Verpflichteten anderweitige Sicherungsmaßnahmen unterblieben seien und deswegen eine Gefahr für das betroffene Rechtsgut entstanden sei57. Darüber hinaus soll sich das die Garantenpflicht tragende Vertrauen auch aus einer Abhängigkeitsbeziehung zwischen Opfer und Täter ergeben können58. 51 Bereits diese Ergänzung mit dem Vertrauensgedanken macht deutlich, dass die Gefährdung für sich keine hinreichende Legitimation für eine Garantenpflichtbegründung bieten kann; vgl. Grünewald, Garantenpflichten, S. 23. 52 So auch Otto / Brammsen, Jura 1985, S. 534; Seelmann, in: NK-StGB1, § 13 / Rn. 38. 53 D. Albrecht, Garantenstellungen, S. 41; Otto / Brammsen, Jura 1985, S. 534; Schünemann, ZStW 96 (1984), S. 296 f., Fn. 32; J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 343. Zu weiterer Kritik, insbesondere an der Konzeption von Schultz, vgl. Sangenstedt, Garantenstellung, S. 262 ff. 54 J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 342. 55 Blei, in: FS Mayer 1966, S. 142; Kühne, Geschäftstüchtigkeit oder Betrug, S. 81; Maaß, Betrug, S. 16 f., 36; Vogler, in: FS Lange 1976, S. 281 ff.; Welp, Vorangegangenes Tun, S. 172 ff.; E. A. Wolff, Kausalität, S. 36 ff. 56 Vgl. Sangenstedt, Garantenstellung, S. 222 ff.; E. A. Wolff, Kausalität, S. 38, 40. 57 Blei, in: FS Mayer 1966, S. 122, 138; Vogler, in: FS Lange 1976, S. 281. 58 Welp, Vorangegangenes Tun, S. 178.

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In der bisherigen Auseinandersetzung mit dem Vertrauensprinzip ist es jedoch nicht gelungen, zu einer klaren Begriffsbestimmung zu finden. So bleibt unklar, was „Vertrauen“ konkret ist und unter welchen Voraussetzungen auf ein bestimmtes Verhalten überhaupt „berechtigt“ vertraut werden darf59. Das tatsächlich praktizierte Normvertrauen lässt sich jedenfalls nicht als Grund für die Garantenverantwortung heranziehen. Andernfalls würde das Vertrauensprinzip leicht zu einem im Hinblick auf das in Art. 103 Abs. 2 GG vertypte Verbot strafrechtlichen Gewohnheitsrechts unhaltbaren ordre public in der Unterlassungshaftung60. Überdies wird nicht deutlich, weshalb allein aus dem Vorliegen eines Vertrauenstatbestandes bereits eine Rechtspflicht des Garanten zum Handeln erwachsen soll und kann61. Schließlich erweist sich als weiteres signifikantes Problem dieses Legitimationsansatzes die – wohl unvermeidbar – zirkuläre Argumentationsfolge. Denn einerseits sollen die strafrechtlichen Gebotsnormen durch den vorrechtlichen Vertrauensgrundsatz erst begründet werden. Andererseits sind es aber gerade diese Strafrechtsnormen, die im Wesentlichen festlegen, wann von einem legitimen Vertrauen auf Normeinhaltung und damit auf ein Tätigwerden des Garanten ausgegangen werden kann62. Insgesamt stellt sich die Betonung des Vertrauensgesichtspunktes daher als zu unspezifisch und zu wenig konkretisiert dar, als dass sie im Ergebnis einer alleinigen normativen Legitimation der Garantenstellungen im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bestimmtheitsgrundsatzes gerecht werden könnte. Der Aspekt des Vertrauens vermag gleichwohl in Teilbereichen – insbesondere bei Schutzpflichten und in den Fällen der tatsächlichen Übernahme63 – einen brauchbaren Anhaltspunkt für die Begründung einer Garantenposition zu liefern64. cc) Soziale Verhaltenserwartungen als Grundlage der Garantenpflicht Vor dem Hintergrund der soeben erläuterten Problematik des normativen Prinzips der Vertrauenskonzeption hat sich unter anderem eine „ethnomethodologisch, das heißt an den Strukturen des sozialen Alltagslebens ausgerichtete Garantenlehre“65 herausgebildet, in dem Bemühen, die Erfolgsabwendungspflichten durch Re59 Vgl. Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 85 f.; Lilie, JZ 1991, S. 545; Maiwald, ZStW 91 (1979), S. 975; Otto / Brammsen, Jura 1985, S. 535; Sangenstedt, Garantenstellung, S. 256 ff.; Schlüchter, in: FS Salger 1995, S. 148; Seelmann, in: NK-StGB1, § 13 / Rn. 39. 60 Vgl. Lilie, JZ 1991, S. 545. 61 Vgl. Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 251; Seelmann, in: NK-StGB1, § 13 / Rn. 44; Stree, in: FS Mayer 1966, S. 154. 62 Vgl. Grünewald, Garantenpflichten, S. 25; Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 251; J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 345. 63 Siehe dazu insbesondere unten § 5. 64 Dahingehend auch D. Albrecht, Garantenstellungen, S. 58; Otto / Brammsen, Jura 1985, S. 535; Schultz, JuS 1985, S. 272, Fn. 20. 65 So die eigene Bezeichnung bei Otto / Brammsen, Jura 1985, S. 536.

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kurs auf faktisch bestehende und damit außerrechtliche Pflichtenpositionen herzuleiten66. Durch Anknüpfung an die Erkenntnisse der soziologischen Systemtheorie67 werden alle Garantenpflichten auf real existierende Verhaltenserwartungen zurückgeführt, soweit diese sich empirisch nachweisbar sozial verfestigt und „die Erhaltung elementarer Rechtsgüter oder wesentlicher Strukturen des gesamtgesellschaftlichen alltäglichen Sozialgefüges zum Inhalt“ haben68. Für die strafrechtliche Inanspruchnahme des Unterlassenden als Garant ist danach entscheidend, dass er die an seinen besonderen sozialen Einflussbereich gerichtete und seine soziale Position ebenfalls berücksichtigende Handlungserwartung nicht befolgt hat, obwohl er als Erwartungsadressat wusste bzw. im Sinne einer sog. „Erwartungserwartung“ seinerseits erwarten musste, dass andere Personen sich in ihrem Verhalten an der Vornahme seiner als sicher erwarteten erfolgsvermeidenden Handlung orientieren und sie als bestimmenden Faktor in die Ausgestaltung ihres Alltagslebens einbezogen haben69. Dieses Legitimationsmodell gelangt im Ergebnis über eine reine Ergründung faktischer Gegebenheiten sowie die Feststellung und Beschreibung tatsächlich bestehender Verhaltenserwartungen in der Rechtsgemeinschaft nicht hinaus70. Eine strafrechtlich verbindliche Geltungskraft kann diesen sozialen Tatsachen nie bereits „aus sich selbst heraus“ zukommen, sondern im Hinblick auf das in Art. 103 Abs. 2 GG verankerte Gesetzlichkeitsprinzip stets nur durch eine Positivierung des Strafgesetzgebers71. Die für eine strafrechtliche Statuierung entsprechender Erfolgsabwendungsgebote relevante Frage nach den materiellen, normativen Anforderungen an eine Garantenstellung bleibt hingegen ohne Antwort72. Und der unmittelbare Schluss vom außerstrafrechtlichen Sein auf das strafrechtliche Sollen verbietet sich auch im Bereich sozialer Verhaltenserwartungen. Für soziale Normen gelten die obigen Ausführungen zur Unzulässigkeit der undifferenzierten Adaption metastrafrechtlicher Rechtspflichten vielmehr sogar a fortiori73.

66 Vgl. vor allem Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 113 ff., 129 ff.; Otto, AT, § 9 / Rn. 42 ff. 67 Dazu eingehend Luhmann, Rechtssoziologie, S. 31 ff. 68 Vgl. Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 114 ff.; Otto / Brammsen, Jura 1985, S. 536 f. 69 So Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 123. 70 Ähnlich Freund, Erfolgsdelikt, S. 138 f.; Grünewald, Garantenpflichten, S. 26; Jakobs, AT, 29 / 28 in Fn. 53; J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 348. 71 Treffend hervorgehoben von Sangenstedt, Garantenstellung, S. 148 ff.; verfassungsrechtliche Bedenken erheben auch D. Albrecht, Garantenstellungen, S. 45, und J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 348. 72 Grünewald, Garantenpflichten, S. 26; Jakobs, AT, 29 / 28 in Fn. 53; Seelmann, in: NKStGB1, § 13 / Rn. 44; J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 348. 73 Siehe oben 1. sowie Freund, Erfolgsdelikt, S. 139; Grünewald, Garantenpflichten, S. 26; Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S. 90 f.; Stankewitz, Überwachergarantenstellung, S. 59.

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dd) Der Herrschaftsgedanke als Grundlage der Garantenpflicht Den bisher genannten Legitimationskriterien wird angesichts ihrer aufgezeigten Schwächen in der Literatur vermehrt das Herrschaftsprinzip als Maßgabe zur Begründung und Begrenzung einer strafrechtlichen Garantenstellung entgegengestellt74. Ausgangspunkt in der Argumentation dieser Lehre ist die Überlegung, dass die von § 13 Abs. 1 StGB geforderte Handlungsäquivalenz der Unterlassung korrekterweise nur durch eine Untersuchung der für das Begehungsunrecht fundamentalen Strukturelemente und Haftungsprinzipien hergestellt werden kann75. Mit diesem Ansatz kommen ihre Vertreter dementsprechend zu der grundlegenden Feststellung, dass bei Begehungsdelikten regelmäßig die „Tatherrschaft“ im Sinne einer aktiven Steuerung des Kausalverlaufs als Zurechnungskriterium den Grund für die Strafbarkeit des Täters kennzeichne76. Diese Erkenntnis führt Schünemann sodann zu einer vorstrafrechtlichen Gemeinsamkeit zwischen Tun und Unterlassen, die er in dem sachlogischen Gleichstellungsmerkmal der „Herrschaft über den Grund des Erfolges“ zusammenfasst77 und – im Wesentlichen deckungsgleich zur funktionalen Einteilung in Beschützerund Überwachungsgaranten78 – in zwei Erscheinungsformen klassifiziert. Während die Herrschaft im Rahmen der Obhutsverhältnisse über die „Hilflosigkeit des Rechtsgutes“ bzw. die „Anfälligkeit des Opfers“ vermittelt werde, soll im Bereich der Sicherungspflichten die „Herrschaft über einen Gefahrenherd“ bzw. über eine „wesentliche Erfolgsursache“ für die Entstehung einer Garantiebeziehung ausschlaggebend sein79. Unterlässt ein Beschützergarant in einer Situation der Hilfsbedürftigkeit die zum Schutz des der eigenen Herrschaft unterstehenden Opfers erforderlichen Schutzmaßnahmen, so sei die dadurch bewirkte Erfolgsherbeiführung materiell mit einer aktiven Steuerung des Kausalverlaufs beim Begehungs74 Vgl. bereits Traeger, Unterlassungsdelikte, S. 109 sowie Beulke / Bachmann, JuS 1992, S. 740; R. Busch, Unternehmen, S. 513 ff.; Bottke, wistra 1991, S. 89; Herzberg, Arbeitsschutz, S. 230; Roxin, AT II, § 32 / Rn. 17 ff.; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 23; Sangenstedt, Garantenstellung, S. 366; Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 229 ff.; beschränkt auf Überwachungsgarantenstellungen Brammsen, GA 1993 (140), S. 113; ähnlich auch Jakobs, AT, 29 / 28. 75 Vgl. Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S. 96; Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 229, 232 f., 235. 76 Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 21; ders., NStZ 1984, S. 150; Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 234 f.; vgl. auch Roxin, AT II, § 32 / Rn. 19. 77 Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 236; ders., ZStW 96 (1984), S. 293 f.; sich anschließend Schutzbach, Betriebsunfälle, S. 123. 78 Auch Schünemann selbst betont dies, vgl. Unterlassungsdelikte, S. 242, 280, wenngleich er seine eigene Einteilung auf Grund ihrer „inhaltlich bestimmten Umschreibung der Bedingungen der Begehungsäquivalenz“ im Vergleich zur „bloß formalen Aufteilung“ der Funktionenlehre als weiterreichend erachtet, vgl. Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 89. 79 Vgl. Schünemann, ZStW 96 (1984), S. 294; ders., Unterlassungsdelikte, S. 241 f.; ders., Unternehmenskriminalität, S. 88.

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delikt vergleichbar. Analog verhalte es sich bei einem Überwachungsgaranten, der eine Gefahrenquelle unterhält und damit die Herrschaft über den Erfolgsgrund innehabe, wenn es durch ein Unterlassen der gebotenen Sicherheitsvorkehrungen zu einer Rechtsgutsbeeinträchtigung komme80. Auf ganz ähnliche Weise stellt Rudolphi heraus, dass eine aktive Beherrschung des Kausalgeschehens stets mit einer „Anfälligkeit und Schutzlosigkeit des Opfers“ gegenüber der gefährlichen Handlung des Täters einhergehe81. Demzufolge knüpft er die materielle Rechtfertigung der Handlungsäquivalenz an die Feststellung einer gleichgearteten, spezifischen Abhängigkeit des Opfers in der Unversehrtheit seiner Rechtsgüter vom Verhalten des Unterlassenden82. Dieser habe deshalb nur dann als Garant für den Nichteintritt des tatbestandsmäßigen Unrechtserfolges einzustehen, wenn ihm innerhalb des sozialen Gefüges eine (Schutz-) Funktion überantwortet sei, kraft derer er in der Lage sei, die „maßgebliche Entscheidung“ über den Erfolgseintritt zu treffen. Denn unter dieser Voraussetzung beherrsche der Unterlassende das zur Rechtsgutsverletzung führende Geschehen in der gleichen Weise wie ein Begehungstäter und zeige sich damit auch in der entsprechenden Form als Garant für die Unversehrtheit der bedrohten Rechtsgüter des schutzlosen Opfers verantwortlich83. Die Prämissen des Herrschaftsprinzips haben sich im Wesentlichen mit zwei Einwänden auseinanderzusetzen. Zunächst wird unter Verweis auf die Pflichtdelikte vorgebracht, dass die Herrschaft schon bei den Begehungsstraftatbeständen nicht immer den tragenden Haftungsgrund bilde, so dass eine materiale Gleichstellung der Unterlassensstrafbarkeit ebenfalls nicht einzig auf diesen Gedanken abstellen könne84. Dieser Vorbehalt für sich verhindert eine materiale Legitimation der Garantenhaftung mit dem Herrschaftsprinzip allerdings nicht. Denn obgleich sich die Täterschaft im Rahmen der Pflichtdelikte nicht durch die Innehabung einer „Steuerungs“-Tatherrschaft auszeichnet, lässt sie sich doch zumindest durch eine „Kontroll“-Herrschaft kennzeichnen, wie sie vorstehend für die Unterlassungsdelikte entsprechend formuliert wurde85. Dies verdeutlicht etwa der Blick auf den Untreuetatbestand, bei dem die Verletzung der Vermögensfürsorgepflicht eben gerade erst durch die Kontrolle des Täters über den von ihm zu betreuenden Vermögensbestand möglich wird86.

So zustimmend Roxin, AT II, § 32 / Rn. 19; vgl. auch R. Busch, Unternehmen, S. 515. Rudolphi, NStZ 1984, S. 150. 82 Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 22; ders., NStZ 1984, S. 150; ebenso Hillenkamp, JR 1988, S. 303. 83 Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 21 ff.; ders., NStZ 1984, S. 150 f.; ders., in: FS Lackner 1987, S. 873. 84 Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 69 ff.; Herzberg, Unterlassung, S. 193; Jakobs, AT, 29 / 28 in Fn. 53; J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 351. 85 Überzeugend Roxin, AT II, § 32 / Rn. 20. 86 So das treffende Beispiel von Roxin, AT II, § 32 / Rn. 20; näher dazu unten § 4, A., V., 2. 80 81

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Der zweite Kritikpunkt setzt an der Mehrdeutigkeit und begrifflichen Weite des Herrschaftskriteriums an87 und bedarf daher angesichts der rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen an die Strafrechtsnormierung einer eingehenderen Erörterung. Dem Einwand ist erst einmal insoweit zu folgen, als es sich bei dem Herrschaftsgedanken in der Tat um keinen bereits unmittelbar subsumtionsfähigen Begriff handelt. Das Herrschaftsprinzip kann deshalb einer verfassungskonformen Begründung der Garantenhaftung nur dann zu Grunde gelegt werden, wenn es als „Typus“ in Gestalt eines maßgeblichen Leitaspektes interpretiert und fruchtbar gemacht wird, den es inhaltlich weiter zu konkretisieren und einzugrenzen gilt88. Mit der Anerkennung seiner Konkretisierungsbedürftigkeit verlagert sich das Problem damit auf die Frage der Konkretisierungsfähigkeit des Herrschaftsbegriffes. Als genus proximum erfasst das Herrschaftskriterium zunächst den Fall der tatsächlichen Herrschaft im Sinne einer faktischen Macht, auf den gefährlichen Prozess einzuwirken und die drohende Schadensfolge abzuwenden89. Diese physischreale Vermeidemöglichkeit ist allerdings als Ausdruck der individuellen Handlungsfähigkeit des Täters bereits Grundvoraussetzung jeder tatbestandlichen Unterlassung90 und kann deshalb eine überdies erforderliche Garantenposition alleine nicht konstituieren91. Mit dem Aspekt der faktischen Herrschaft lässt sich vielmehr nur derjenige bestimmen, der den Erfolg tatsächlich abwenden kann, aber noch nicht zwingend die Person, die den Erfolg auch rechtlich gemäß § 13 Abs. 1 StGB abwenden soll92. Zudem vermag die Beschränkung auf die Feststellung einer tatsächlichen Herrschaftsbeziehung der Garantenhaftung auf Grund der vielschichtigen Möglichkeiten faktischer Einwirkung auf Sachen und Personen keine hinreichend bestimmte Kontur zu verleihen93. Die inhaltliche Zuweisung und Abgrenzung des garantenpflichtbegründenden Herrschafts- bzw. Verantwortungsbereichs muss deshalb über eine rein faktische Betrachtungsweise hinausgehen und sich zusätzlich normativer Erwägungen bedienen94. 87 Kritisch dazu Grünewald, Garantenpflichten, S. 23; Maiwald, JuS 1981, S. 480; Otto / Brammsen, Jura 1985, S. 534; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 15; J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 351. 88 Dahingehend auch R. Busch, Unternehmen, S. 515; Herzberg, Arbeitsschutz, S. 230; Roxin, AT II, § 32 / Rn. 21; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 23; Schünemann, ZStW 96 (1984), S. 295 in Fn. 26; zustimmend J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 351 f. 89 Vgl. Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 240 f., 243, 245 ff., 345; ders., ZStW 96 (1984), S. 295 in Fn. 26. 90 Siehe BGH, wistra 2000, S. 136; Rudolphi, in: SK-StGB, Vor § 13 / Rn. 2; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, Vor § 13 / Rn. 141 f.; Wessels / Beulke, AT, Rn. 708. 91 So mit Recht Herzberg, Arbeitsschutz, S. 230; ders., Unterlassung, S. 320 f.; sich anschließend R. Busch, Unternehmen, S. 521. 92 Vgl. Maurach / Gössel / Zipf, AT 2, § 46 / Rn. 61; Seelmann, in: NK-StGB1, § 13 / Rn. 46. 93 Treffend Herzberg, Arbeitsschutz, S. 232; ähnlich C. P. Schmidt, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 60 ff.; a. A. jedenfalls für die Herrschaft über Sachen Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 240 f., 243 ff.

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Eine solche notwendige „normative Brücke“95 zwischen der realen Beherrschung und einer strafrechtlichen Garantenpflicht kann systematisch korrekt – jedenfalls zur Legitimation der Überwachungsgarantenstellung – wiederum mit Blick auf das Wesen der Begehungsstrafbarkeit gebildet werden96. Die Strafbarkeit im Rahmen der Begehungsdelikte lässt sich letzten Endes darauf zurückführen, dass der Täter gewissermaßen die Herrschaft über sich und seinen eigenen Körper als Gefahrenherd hat und daher verpflichtet ist, Schädigungen anderer zu vermeiden97. Der entscheidende normative Grund für die Verantwortlichkeit ist dort in dem Grundrecht auf Selbstbestimmung und freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG zu suchen, welches dem Täter neben seiner faktischen Macht eben auch das Recht einräumt, zur Schadensabwendung gleichsam auf sich selbst einzuwirken. Mit diesem (grund-)gesetzlich gewährten Freiheitsrecht der Selbstbestimmung korrespondiert als Kehrseite die persönliche Verantwortung für das eigene (gefährliche) Handeln und seine (Schadens-)Folgen98. Daraus lässt sich für die Bestimmung der Überwachungsgarantenpflichten der entscheidende Transfer gewinnen, dass eine Person in den Fällen, in denen sie eine „fremde“ Gefahrenquelle in ähnlich exklusiver Form beherrscht wie sich selbst, rechtlich auch in der gleichen Weise für deren Unschädlichkeit einstehen muss wie für die der eigenen Person99. Für die Konkretisierung des Herrschaftsprinzips im Bereich der Sicherungspflichten bedeutet diese Erkenntnis wiederum, dass zu der faktischen Herrschaft des Unterlassenden regelmäßig auch die rechtliche Befugnis zur Herrschaftsausübung im Sinne einer qualifizierten Rechtsmacht zur Einwirkung auf den Gefahrenherd hinzukommen muss100. Eine solche Rechtsbefugnis 94 Ebenso R. Busch, Unternehmen, S. 522; Grünewald, Garantenpflichten, S. 24; Roxin, AT II, § 32 / Rn. 21; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 22 f.; J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 352 f. 95 So die bildhafte Formulierung von Bottke, Nichtverhütung von Straftaten, S. 28. 96 Ähnlich Freund, Erfolgsdelikt, S. 71 ff. 97 Herzberg, Strafrechtliche Verantwortung, S. 13. 98 Darauf weist zu Recht Herzberg, Arbeitsschutz, S. 225 f.; ders., Unterlassung, S. 320 hin; zustimmend C. P. Schmidt, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 62; ähnlich Jakobs, AT, 28 / 14 u. 29 / 57, der die Garantenpflichten als „Kosten der Handlungsfreiheit“ bezeichnet; J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 364; Walter, Pflichten des Geschäftsherrn, S. 108. Bottke entwickelt diese Einstandspflicht anschaulich aus dem „Prinzip sozialer Fairness“, das einen sozial ausgewogenen Nutzen / Lasten-Schlüssel in einer freiheitlichen Gesellschaft beinhaltet. Danach hat im Sinne des Neminem-laede-Gebots derjenige, der „erhöht machtstiftend [ . . . ] zu seiner individuellen Wohlfahrt drittlastige Gefahrenquellen schafft und hierfür die Bereitschaft der Gesellschaft, seine Organisation zu akzeptieren, in Anspruch nimmt“, neben dem Nutzen fairerweise auch den „berechtigten ordnungspolitisch begründbaren Sicherheitserwartungen der Gesellschaft Rechnung zu tragen“, vgl. Bottke, Nichtverhütung von Straftaten, S. 22, 25 f. Zum Zusammenspiel zwischen der menschlicher Handlungsfreiheit und der Selbstverantwortung eingehend auch Henkel, Rechtsphilosophie, S. 265 ff. 99 So auch Herzberg, Arbeitsschutz, S. 226; ders., Unterlassung, S. 320; Sangenstedt, Garantenstellung, S. 412 ff.; zustimmend Stankewitz, Überwachergarantenstellung, S. 101 ff.; ähnlich Freund, in: MK-StGB, § 13 / Rn. 109 ff.

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zur Gefahreneindämmung kann sich entweder unmittelbar aus dem Gesetz ergeben oder – speziell im Bereich der Überwachungspflichten kraft Übernahme – im Wege einer einverständlichen Übertragung vom originären Herrschaftsinhaber auch derivativ abgeleitet werden101. Allgemeine Notrechte, wie sie in den Erlaubnistatbeständen, etwa in den §§ 32, 34 StGB und §§ 228, 904 BGB, normiert sind, legitimieren dahingegen lediglich für den Ausnahmefall an sich verbotene Einwirkungen und indizieren als Jedermannsrechte keine den Vorgaben des § 13 Abs. 1 StGB entsprechende besondere Verantwortungsposition. Als Herrschaftsbefugnisse im hier relevanten Sinne lassen sie sich zur Konturierung von Überwachungsgarantenstellungen deshalb nicht heranziehen102. Für die Statuierung einer Beschützergarantenstellungen kann es dagegen – obgleich sich die Obhutsaufgabe auch als Schutz des zu Behütenden durch Überwachung der diesem drohenden Gefahren formulieren liese103 – nicht maßgeblich auf die rechtliche Befugnis zur Einwirkung auf den Gefährdeten oder die Gefahrenquelle ankommen. Der materielle Grund ihrer Entstehung lässt sich normativ aber insoweit konkretisieren, als die Schutzpflicht eine spezifische Abhängigkeitsoder Obhutsbeziehung voraussetzt, auf Grund derer dem Garanten bei wertender Betrachtung eine besonders starke Verantwortung für die bedrohten Rechtsgüter zukommt, die ihn angesichts seiner faktischen Herrschaft entsprechend verpflichtet, das ausgelieferte schutzunfähige Opfer vor den drohenden Gefahren zu schützen104. Insgesamt erweist sich die analogistische Rückführung der Garantenstellungen auf die materielle Gleichstellungsgrundlage des Herrschaftskriteriums damit als eine brauchbare Annäherung an die Legitimationsproblematik. Ähnlich wie das abstrakte Vertrauensprinzip bietet der Herrschaftsbegriff für sich zwar zunächst keinen abschließend definierten und für den Einzelfall bereits unmittelbar auslegungsfähigen Lösungsvorschlag. Er zeichnet sich aber im Unterschied zu anderen monistischen Haftungskriterien entscheidend durch eine Konkretisierungsfähigkeit aus, die in der Anwendung empirisch nachvollziehbare Ergebnisse gewährleistet105, und ist dadurch vor allem in der Lage, der verfassungsrechtlichen 100 Ebenso Böse, NStZ 2003, S. 638; Brammsen, GA 1993 (140), S. 113; R. Busch, Unternehmen, S. 522; Göhler, in: FS Dreher 1977, S. 619; Herzberg, Arbeitsschutz, S. 232; ders., Unterlassung, S. 320 f.; Ransiek, ZGR 1999, S. 615; Rudolphi, NStZ 1991, S. 366; C. P. Schmidt, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 65; Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 329 f., soweit er eine „rechtliche Befehlsgewalt über Strafmündige“ fordert; Seelmann, in: NK-StGB1, § 13 / Rn. 121; J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 353; vgl. auch Jakobs, AT, 29 / 35 und Welp, Vorangegangenes Tun, S. 249. 101 Vgl. C. P. Schmidt, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 63 f. 102 Siehe Herzberg, Arbeitsschutz, S. 233 f.; C. P. Schmidt, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 65. 103 Vgl. nur Jakobs, AT, 29 / 27. 104 So im Ergebnis auch Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 46; ders., NStZ 1984, S. 151; ähnlich Freund, in: MK-StGB, § 13 / Rn. 158; Herzberg, Arbeitsschutz, S. 249. 105 Diese Einschätzung teilt auch Roxin, AT II, § 32 / Rn. 21.

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Garantiefunktion der Strafgesetze gerecht zu werden. Das Herrschaftsprinzip eröffnet als leitender Gesichtspunkt eine geeignete Möglichkeit, die Garantenhaftung in den verschiedensten Lebensbereichen durch eine normative Zuweisung und Abgrenzung von Verantwortungsbereichen auf eine einheitliche dogmatische Plattform zu stützen. Ob das hier entwickelte normative Herrschaftskriterium letzten Endes als monistische Basis ausreicht, um alle spezifischen Garantenpositionen zu erklären oder ob im Einzelfall noch weitere Aspekte wie das Vertrauensprinzip herangezogen werden können und müssen, um die Erfolgsabwendungspflicht umfassend zu tragen, soll an dieser Stelle dahinstehen. Diese Frage wird in erster Linie im Rahmen der Familien- und familienähnlichen Verhältnisse106 virulent und braucht insofern für die hier in Rede stehende Untersuchung der unternehmensbezogenen Aufsichtsratstätigkeit nicht weiter vertieft werden107.

II. Begründung der Garantenstellung durch normative Zuweisung und Abgrenzung von Verantwortungsbereichen auf der Grundlage des Herrschaftsprinzips Aus den vorstehenden Analysen der wesentlichen in Schrifttum und Rechtsprechung vertretenen Ansätze zur Legitimation der Garantenhaftung nach § 13 Abs. 1 StGB lässt sich für die Begründung und Begrenzung strafrechtlicher Erfolgsabwendungspflichten von Mitgliedern des Aufsichtsrats folgender dogmatischer Leitfaden entwickeln: Im Grundsatz sind zunächst zwei Typen von Garantenstellungen zu unterschieden, deren Paradigmen sich allerdings nicht gegenseitig ausschließen, sondern unter Umständen auch nebeneinander vorliegen können108. Danach kann sich die Garantenpflicht für den Betroffenen je nach Situation zum einen als Pflicht zur Überwachung und Sicherung einer bestimmten Gefahrenquelle, zum anderen aber auch als Obhutspflicht zur Verteidigung bestimmter Rechtsgüter darstellen. Ausgehend von dieser funktionalen Differenzierung zwischen Überwacher- und Beschützergaranten müssen die Erfolgsabwendungspflichten sodann auf der Grundlage eines nach § 13 Abs. 1 StGB erforderlichen Gleichstellungsmaßstabes jeweils materiell legitimiert werden. Die Erörterung der dazu formulierten theoretischen Konzeptionen hat herausgeschält, dass die Garantenposition lediglich mit 106 Vgl. dazu das Beispiel von Herzberg, Unterlassung, S. 193 f., sowie zuletzt die Monographie von Perdomo-Torres, Garantenpflichten aus Vertrautheit, S. 20 ff. 107 Zur Vereinbarkeit der Garantenstellung aus Ingerenz mit dem Herrschaftskriterium vgl. Roxin, AT II, § 32 / Rn. 151; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 38; sowie unten C, II., 1. 108 Vgl. zur Kombination von Garantenpflichten BGHSt 26, 35; Arzt, JA 1980, S. 654; Seelmann, in: NK-StGB1, § 13 / Rn. 55; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 16.

B. Dogmatische Grundlagen einer strafrechtlichen Legitimation

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Hilfe eines normativ ausgestalteten Herrschaftsprinzips auf ein strafrechtstheoretisches Fundament gestellt werden kann, das nicht nur rechtsstaatlichen Ansprüchen genügt, sondern vor allem auch von dem Verdacht kriminalpolitisch motivierter Rechtsfindung befreit. Zur Annahme einer Beschützergarantenstellung bedarf es dementsprechend der Feststellung zweier konstituierender Momente. Eine strafrechtliche Schutzpflicht setzt zunächst voraus, dass die betreffende Person selbst nicht fähig ist, ihre Rechtsgüter wirksam vor den drohenden Gefahren zu schützen. Darüber hinaus muss zwischen dem Unterlassenden und dem Rechtsgutsträger eine Obhutsbeziehung bestehen, die dem Garanten wie in den gesetzlich speziell geregelten unechten Unterlassungsdelikten der §§ 221 und 225 StGB normativ eine besondere Schutzfunktion zur Kompensation dieses Mankos überantwortet. Verfügt der Unterlassende unter diesen Voraussetzungen im konkreten Fall über die rechtliche und faktische Macht, auf den Schädigungsprozess hindernd einzuwirken, so ist die zu beschützende Person in der Unversehrtheit ihrer Rechtsgüter von ihm in vergleichbarer Weise abhängig wie von einem den Kausalverlauf aktiv beherrschenden Täter und damit auf der Grundlage des gleichstellenden Herrschaftsprinzips eine Erfolgsabwendungspflicht gemäß § 13 Abs. 1 StGB materiell begründet109. Träger einer Überwachungsgarantenstellung kann hingegen grundsätzlich nur sein, wer neben der tatsächlichen Herrschaft über eine Gefahrenquelle im gegebenen Fall auch in der Lage ist, seinen auf Schadensabwendung gerichteten Willen mittels rechtlicher Einwirkungsbefugnisse wirksam durchzusetzen. Das Bestehen einer solchen normativen Herrschaftsposition ist gerade in Unternehmen, die regelmäßig über eine größere Zahl von Mitarbeitern und mehrere hierarchische Ebenen verfügen, im Einzelnen ganz wesentlich von der rechtlichen Funktion und Stellung innerhalb des Unternehmensgefüges sowie den vorherrschenden sozialen und organisatorischen Verhältnissen abhängig. Durch Arbeitsteilung und die Dezentralisierung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten kommt es sehr häufig zu einer Verzahnung und wechselseitigen Ergänzung der unternehmerischen Tätigkeiten und damit unter Umständen auch einmal zu der Notwendigkeit, das sachlich Erforderliche im Zusammenwirken mit anderen Unternehmensangehörigen vorzunehmen oder zu veranlassen. Deswegen ist es für die strafrechtliche Rechtsfindung insoweit, ebenso wie im Rahmen der objektiven Zurechnung, unerlässlich, die jeweilige Unternehmensverfassung in die Betrachtung mit einzubeziehen und auf dieser Grundlage die betrieblichen Verantwortungsbereiche mit den korrespondierenden Entscheidungsbefugnissen der beteiligten Personen normativ zu bestimmen und voneinander abzugrenzen110. Für den nach109 Vgl. dazu nochmals Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 46; Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 236. 110 Ähnlich Böse, NStZ 2003, S. 638 f.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 43 u. 51 f.; Rogall, ZStW 98 (1986), S. 617; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 107 f. („sektorale Herrschaft“); Tiedemann, NJW 1986, S. 1844. Entsprechend zur Verantwortungszuweisung im Umweltstrafrecht R. Busch, Unternehmen, S. 522; Freund, Erfolgsdelikt, S. 309 m. w. N.;

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§ 3 Möglichkeiten einer Unterlassungsstrafbarkeit

folgend zu untersuchenden Fall der Aufsichtsratsmitglieder wird die normative Konturierung ihres Verantwortungsbereichs daher maßgeblich von der durch das Gesellschaftsrecht vorgegebenen, dualistischen Verwaltungsstruktur der Aktiengesellschaft111 und dem insoweit aktienrechtlich eingeschränkten Einflussbereich des Aufsichtsrats, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens, geprägt sein. Bei gegenständlichen Gefahrenquellen muss die Herrschaft im Grundsatz nicht zwingend auf den räumlich begrenzten Einflussbereich des Unterlassenden im Sinne des Gewahrsamsbegriffes bei § 242 StGB beschränkt sein. Als entscheidender Maßstab für die Annahme einer rechtlichen Einwirkungsbefugnis auf Sachgegenstände können vielmehr alle gesetzlich normierten Besitzformen der §§ 854 ff. BGB herangezogen werden112. Bei personalen Gefahrenquellen113 kann sich eine rechtliche Einwirkungsmöglichkeit indessen nur aus der gesetzlich eingeräumten Kompetenz, über fremdes menschliches Verhalten zu bestimmen, ergeben. Eine solche Aufsichts- und Befehlsgewalt wird dabei innerhalb von Unternehmen – wenn überhaupt114 – in erster Linie den Weisungs- und Direktionsrechten der Arbeitgeber oder der Vorgesetzten zu entnehmen sein115. Nach Maßgabe dieser Kautelen kann nunmehr auf einer hinreichend bestimmten strafrechtstheoretischen Grundlage untersucht werden, ob und inwieweit für Mitglieder des Aufsichtsrats im Einzelfall strafbewehrte Garantenpflichten erwachsen können.

C. Unterlassungsstrafbarkeit bei delinquentem Verhalten der Geschäftsführung zu Lasten Dritter Eine strafrechtliche Verantwortung der Aufsichtsratsmitglieder kann bei delinquentem Verhalten der Geschäftsführung zu Lasten Dritter prinzipiell aus einer Keller, in: Umweltschutz, S. 384 f.; Möhrenschlager, in: Meinberg / Möhrenschlager / Link, Umweltstrafrecht, S. 38; Schmidt-Salzer, NJW 1996, S. 3; Steindorf, in: LK-StGB, Vor § 324 / Rn. 59 ff.; vgl. auch Cramer / Heine, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, Vor § 324 ff. / Rn. 28a ff.; Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 138 f. 111 Siehe oben § 2, B., III., 2. 112 Siehe dazu R. Busch, Unternehmen, S. 522; Herzberg, Arbeitsschutz, S. 232 f. 113 Kritisch zur Einstufung von Arbeitnehmern als „Gefahrenquelle“ Gimbernat, in: FS Roxin 2001, S. 661 f.; Schünemann, wistra 1982, S. 43. Für Mitarbeiter, die im Rahmen ihrer Arbeitstätigkeit durch kriminellen Einsatz die Gesellschaft selbst oder Dritte schädigen, entspricht eine solche Kennzeichnung aber durchaus noch dem normalen Sprachgebrauch; ebenso Bottke, Nichtverhütung von Straftaten, S. 58 f.; Roxin, AT II, § 32 / Rn. 139; Schall, in: FS Rudolphi 2004, S. 276. 114 Siehe dazu ausführlich unten C., III., 2., b). 115 Vgl. R. Busch, Unternehmen, S. 522; Herzberg, Arbeitsschutz, S. 231; Peter, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 81; Ransiek, in: NK-StGB, § 324 / Rn. 57 ff.; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 102 f.

C. Unterlassungsstrafbarkeit bei delinquentem Verhalten zu Lasten Dritter

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strafbewehrten Sicherungspflicht als Überwachungsgarant wie auch aus einer allgemeinen Obhutsverpflichtung als Beschützergarant für die bedrohten Rechtsgüter erwachsen.

I. Beschützergarantenstellung auf Grund der Organfunktion In Anlehnung an die anerkannten Fallgruppen der modernen Funktionenlehre116 ist eine Beschützergarantenposition der Aufsichtsratsmitglieder für gesellschaftsextern betroffene Rechtsgüter vornehmlich im Hinblick auf ihre Organstellung und die Übernahme damit verbundener Pflichten zu untersuchen. Diese Konstellation beschreibt letztendlich einen Sonderfall der tatsächlichen, freiwilligen Übernahme einer Schutzfunktion117. Der zu Grunde liegende, zivilrechtliche Anstellungsvertrag der Aufsichtsratsmitglieder ist für das Entstehen und den Bestand der Garantenverantwortlichkeit unerheblich118. Die Vereinbarung der Parteien kann im Einzelfall lediglich wie das Gesetz als Indiz für den Inhalt und den Umfang der mit der Organfunktion übernommenen, strafrechtlichen Schutzpflichten dienen119. Im vorliegenden Fall führt der Blick auf die Vertragsvereinbarung zwischen dem Aufsichtsratsmitglied und der Gesellschaft allerdings nicht weiter. Denn eine Schutzwirkung zu Gunsten der Allgemeinheit oder individueller Dritter wird Anstellungsverträgen im Gesellschaftsrecht grundsätzlich abgesprochen120 und ist deshalb auch bei Verträgen der Aufsichtsräte nicht anzunehmen121. Der weitere Gesichtspunkt der Betriebsgemeinschaft als Ausprägung einer besonders engen Gemeinschaftsbeziehung kann hingegen für sich alleine noch keine strafrechtlichen Schutzpflichten für die Beteiligten begründen, sondern setzt stets voraus, dass zugleich die Übernahme einer Schutzaufgabe vorliegt122. Er bietet daher als eigenständiges Legitimationskriterium keine weiteren Erkenntnisse und braucht daher nicht zusätzlich vertieft werden.

Siehe oben B., I., 2., a). Denn von einer Garantenstellung kraft Übernahme einer Schutzaufgabe wird nicht nur bei der Übernahme von Schutzfunktionen im privaten Bereich gesprochen, sondern auch dann, wenn sie auf Grund einer beruflichen Amts- oder Dienstpflicht erfolgt; vgl. etwa Kühl, AT, § 18 / Rn. 77 f.; Otto, AT, § 9 / Rn. 67. 118 Vgl. Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 62, sowie die Kritik zu einer rein formellen Pflichtlegitimation in Abschnitt B., I., 1. 119 Kühl, AT, § 18 / Rn. 70 f.; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 63. 120 Vgl. BGH, NStZ 1992, S. 540 (541); Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 89; zu Ausnahmen Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 250 ff.; Gottwald, in: Münchener Komm. BGB, § 328 / Rn. 64, 148. 121 So auch Peter, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 67 ff. 122 Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 57; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 25. 116 117

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1. Schutzpflichten für die Rechtsgüter der Allgemeinheit Erlangt der Aufsichtsrat Kenntnis von Tatsachen, die den Verdacht begründen, dass der Vorstand bzw. einzelne seiner Mitglieder eine Straftat begangen haben, so stellt sich die Frage, ob er strafrechtlich verpflichtet ist, den Verdacht begründenden Sachverhalt der zuständigen Strafverfolgungsbehörde mitzuteilen, mit der Konsequenz, dass ein Unterlassen eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung gemäß §§ 258, 13 StGB nach sich ziehen würde. Eine solche Anzeigepflicht hängt entscheidend davon ab, inwieweit der Aufsichtsrat als Garant im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB rechtlich dafür einzustehen hat, dass die Vorstandsmitglieder dem Strafgesetz gemäß bestraft werden. Deswegen ist es von besonderem Interesse, ob dem Aufsichtsrat bei normativer Betrachtung der Schutz der staatlichen Strafrechtspflege und damit die Verteidigung des durch § 258 StGB geschützten Universalrechtsgutes123 überantwortet ist. In Anbetracht der Sekundarität des Strafrechts124 bedarf es hierfür zunächst auch in der außerstrafrechtlichen Rechtsordnung einer Anzeigepflicht des Aufsichtsrats. Denn es würde einen unhaltbaren Wertungswiderspruch begründen, wenn das Strafrecht die Aufsichtsratsmitglieder als Garanten verpflichten würde, eine ihnen bekannt gewordene Straftat des Vorstands den zuständigen Strafverfolgungsorganen zu melden, obwohl ihnen das primär maßgebende Zivilrecht die Pflicht auferlegt oder zumindest zugesteht, (nach pflichtgemäßem Ermessen) von einer Mitteilung an die Behörden abzusehen. Im Grundsatz ist jedes Aufsichtsratsmitglied infolge seiner organschaftlichen Treuepflicht kraft Gesetz nach § 93 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 116 AktG zur Verschwiegenheit bezüglich aller Informationen verpflichtet, die es in dieser Eigenschaft erlangt hat125. Eine unbefugte Verletzung dieser Geheimhaltungspflicht wird durch § 404 AktG sogar ausdrücklich unter Strafe gestellt. Andererseits kann diese Schweigepflicht der Aufsichtsratsmitglieder bei einer auftretenden Pflichtenkollision im Einzelfall zurücktreten126. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Aufsichtsrat auf Grund seiner gesellschaftsrechtlichen Pflicht zur Überwachung des Vorstandes gemäß § 111 Abs. 1 AktG gerade gezwungen ist, strafbare Handlungen zu offenbaren127. So beinhaltet die Überwachungsaufgabe – wie bereits gezeigt – auch eine Legalitätskontrolle im Hinblick auf die Einhaltung strafrechtlicher Ge- und Verbote im Interesse Dritter, soweit die Wahrung des Ansehens der Gesellschaft dies gebietet128. Hierbei ist zwar grundsätzlich zu beachten, dass dem Aufsichtsrat bei der Reaktion auf ein strafbares Verhalten des Vorstandes ein autonomes HandlungsVgl. nur BGHSt 45, 97 (101); Cramer, in: MK-StGB, § 258 / Rn. 3. Siehe oben § 2, A. 125 Siehe oben § 2, B., V., 2. 126 BGHZ 64, 325 (331); Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 6 / Rn. 277. 127 So auch Geilen, in: Kölner Komm. AktG, § 404 / Rn. 83; Otto, in: Großkomm. AktG, § 404 / Rn. 45; v. Stebut, Geheimnisschutz, S. 126. 128 Siehe oben § 2, B., II., 2., a). 123 124

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ermessen zusteht129. Dieser Ermessensspielraum kann sich für ihn aber zu einer Anzeigepflicht verdichten, wenn er bei weit reichenden wirtschaftskriminellen Straftaten die ihm selbst zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen ausgeschöpft hat130 oder ausschließlich durch eine von den Strafverfolgungsbehörden eingeleitete Aufklärung erheblicher (mittelbarer) Schaden von der Gesellschaft abgewendet werden kann131. Vor diesem Hintergrund bleibt nun zu klären, ob dem Aufsichtsrat angesichts dieser aktienrechtlichen Pflicht, Straftaten der Geschäftsführung zur Anzeige zur bringen, bei normativer Betrachtung eine Schutzfunktion obliegt, kraft derer er strafrechtlich als Schutzgarant für die gesetzmäßige Strafverfolgung des Vorstands verantwortlich einzustehen hat. Allein der Umstand, dass die Aufsichtsratsmitglieder auf Grund ihrer gesetzlich eingeräumten Stellung über exklusive Möglichkeiten der gesellschaftsinternen Kenntnisnahme verfügen und dadurch im Einzelfall als einzige Instanz überhaupt in der Lage sind, Gefahren für die gesetzmäßige Strafverfolgung abzuwenden, kann das erforderliche Obhutsgarantenverhältnis für sich nicht begründen. Voraussetzung dafür wäre vielmehr, dass dem Aufsichtsrat eine bestimmte Funktion im Rahmen der staatlichen Strafverfolgung anvertraut ist132. Über den Kreis der Amtsträger im Sinne des § 258a StGB133 hinaus ist dies bei Privatpersonen nur unter besonderen Gegebenheiten anzunehmen, etwa wenn ein Gesetz wie in § 11 GWG die Mitteilung an die Strafverfolgungsbehörden bei einer Verdachtslage ausdrücklich vorschreibt134. Für den Aufsichtsrat kann insoweit nur auf seine aktienrechtliche Anzeigepflicht rekurriert werden. Eine präjudizierende Wertung für eine entsprechende Garantenstellung lässt sich dieser primärrechtlichen Mitteilungspflicht allerdings nur dann entnehmen, wenn sie zumindest auch der staatlichen Strafverfolgung zu dienen bestimmt ist und damit den identischen Schutzzweck wie § 258 StGB verfolgt135. Diesbezüglich bestehen jedoch entscheidende Differenzen. Denn die dem Aufsichtsrat obliegende Legalitätskontrolle ist in ihrer Funktion als Teil des dualistischen Verwaltungssystems in der Aktiengesellschaft zu sehen und dient vor diesem Hintergrund einzig dem Zweck, wirtschaftliche Nachteile zu verhindern, die der Gesellschaft aus dem strafrechtsSiehe oben § 2, B., III., 3., a) a. E. Strafrechtswidriges Verhalten kann im Extremfall eine Abberufung des Vorstandsmitgliedes nach § 84 Abs. 3 AktG rechtfertigen, vgl. oben § 2, B., IV., 3., b). 131 Hier bedarf es immer einer Abwägung, ob die durch das Ermittlungsverfahren erzeugte Publizität zu einem Ansehensverlust in der Öffentlichkeit führt oder aber die Reputation der Gesellschaft gerade stärkt bzw. wiederherstellt; vgl. auch Fleischer, BB 2004, S. 2650; sowie § 2, B., II., 2., a), speziell bb). 132 Vgl. Altenhain, in: NK-StGB, § 258 / Rn. 43 f.; Rudolphi, NStZ 1997, S. 601. 133 Dieser erfasst etwa Strafrichter, Staatsanwälte und Polizeibeamte, vgl. Kühl, Komm. StGB, § 258a / Rn. 2. 134 Vgl. Altenhain, in: NK-StGB, § 258 / Rn. 44; Ruß, in: LK-StGB, § 258 / Rn. 18; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 258 / Rn. 19. 135 Vgl. Altenhain, in: NK-StGB, § 258 / Rn. 44; Jescheck, in: LK-StGB, § 13 / Rn. 4; Kühl, Komm. StGB, § 258 / Rn. 7a; Rudolphi, NStZ 1991, S. 364. 129 130

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widrigen Verhalten der Geschäftsführung durch einen Reputationsverlust mittelbar erwachsen können136. Eine Pflicht des Aufsichtsrats zur Einschaltung der Ermittlungsbehörden beurteilt sich im konkreten Fall immer ausschließlich danach, ob die Anzeige im Interesse des Unternehmens geboten ist. Die faktisch damit verbundene Gewährleistung der staatlichen Strafverfolgung stellt sich insofern nicht als Intention, sondern lediglich als bloßer Schutzreflex der gesellschaftsrechtlichen Anzeigepflicht dar. Zur Begründung einer Beschützergarantenstellung der Aufsichtsratsmitglieder fehlt es damit an einer normativ überantworteten Schutzfunktion des Aufsichtsrats gegenüber der Strafrechtspflege137. Strafrechtlich sind die Aufsichtsratsmitglieder daher zur Anzeigenerstattung nur gehalten, wenn eine alle Staatsbürger betreffende Mitteilungspflicht wie in § 138 StGB besteht. Im Ergebnis exemplifiziert diese Erörterung das Verhältnis des Aufsichtsrats zu allen strafrechtlich geschützten Rechtsgütern der Allgemeinheit. Als Ausfluss der Gemeinwohlbindung der Aktiengesellschaft nach Art. 14 Abs. 2 GG ist der Aufsichtsrat als Gesellschaftsorgan „lediglich“ wie alle Staatsbürger zur Wahrung derjenigen Allgemeininteressen verpflichtet, deren Schutz durch die Gesetze, etwa in Form der betriebsbezogenen Umwelt- oder Steuervorschriften, gewährleistet wird138. Der verbleibende unternehmerische Entscheidungsspielraum vermag jedoch darüber hinaus kein Herrschafts- und Entscheidungsmonopol zu begründen, das die Mitglieder des Aufsichtsrats normativ als Garanten zur Abwehr von Gefahren für die Universalrechtsgüter verpflichten würde139. Während sich dies zum Beispiel bei Amtsträgern der staatlichen Umweltbehörden durchaus in Erwägung ziehen lässt140, ist für Organe juristischer Personen des Privatrechts eine derart weitgehende Beschützerfunktion als Sachwalter öffentlicher Interessen abzulehnen141.

2. Schutzpflichten für bestimmte Individualrechtsgüter Bei dem großen Kreis der in Frage kommenden, individuellen Schutzadressaten ist eine differenzierende Betrachtung mit Blick auf die für eine Obhutsbeziehung relevanten Kriterien unerlässlich. Aus diesem Grund sollen nachfolgend die Gruppen der Gesellschaftsgläubiger, Aktionäre, Unternehmensmitarbeiter und sonstiger Dritter als mögliche Schutzobjekte jeweils gesondert behandelt werden. Siehe oben § 2, B., II., 2., a). So im Ergebnis auch Cramer, in: FS Stree / Wessels 1993, S. 582 f.; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 59; Tiedemann, in: FS Tröndle 1989, S. 321. 138 Vgl. Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 76 / Rn. 56; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 78, sowie oben § 2, B., II., 1., c), zur Rolle öffentlicher Belange bei der Feststellung des Unternehmensinteresses. 139 Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 115; Rotsch, Individuelle Haftung, S. 180. 140 Vgl. zum Diskussionsstand eingehend Sangenstedt, Garantenstellung, S. 633 ff. 141 Ebenso Große Vorholt, Management, Rn. 161; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 109. 136 137

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a) Der „Normalbürger“ als Schutzobjekt Die Frage einer Schutzfunktion gegenüber der zuletzt genannten Fraktion der „Normalbürger“ lässt sich mit Verweis auf die obigen Ausführungen142 beantworten. Denn ähnlich wie bei den Rechtsgütern der Allgemeinheit liegt auch insoweit eine besondere normative Verantwortung des Aufsichtsrats für die Individualrechtsgüter eines unbegrenzten Adressatenkreises typischerweise fern. b) Die Gläubiger der Gesellschaft als Schutzobjekt Für die Gesellschaftsgläubiger lässt sich das hingegen nicht mit der gleichen Eindeutigkeit konstatieren. Diese Gruppe steht als Vertragspartner in einer spezifischen Geschäftsbeziehung zur Gesellschaft und hebt sich dadurch von dem Kreis der sonstigen Dritten ab. Überdies sind ihre Vermögensinteressen die einzigen Individualbelange aus dem Unternehmensumfeld, deren Beachtung der Gesetzgeber den Verwaltungsorganen in einzelnen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften ausdrücklich aufgetragen hat. So werden ihre auf die Sicherheit der dem Unternehmen zur Verfügung gestellten Geldmittel ausgerichteten Bedürfnisse einmal durch die Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 57, 62 Abs. 2, 71 AktG sowie die Insolvenzantragspflicht nach § 92 Abs. 2 AktG geschützt143. Darüber hinaus hat die Geschäftsführung – mit Beteiligung des Aufsichtsrats144 – gemäß §§ 264, 325 HGB vor allem auch einen Jahresabschluss zu publizieren, der zum Schutz dieser Gläubigerinteressen ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft im Sinne des „true and fair view“-Prinzips vermitteln muss145. Aus diesem Grund gilt es zu klären, ob die aktienrechtliche Organpflicht des Aufsichtsrats, im Rahmen seiner Überwachungsaufgabe nach § 111 Abs. 1 AktG die Einhaltung spezifischer Gläubigerschutzbestimmungen durch den Vorstand sicherzustellen 146, bei normativer Betrachtung nicht zugleich eine VerhaltensanweiSiehe oben 1. a. E. Vgl. Hüffer, Komm. AktG, § 57 / Rn. 1 u. § 92 / Rn. 16; Kessler, AG 1995, S. 64. 144 Siehe § 2, B., IV., 7. 145 Vgl. Merkt, in: Baumbach / Hopt, HGB Komm., Einl. v. § 238 / Rn. 37, § 264 / Rn. 9 u. 18; Wiedmann, Bilanzrecht Komm., § 264 Rn. 21 ff.; mit Verweis auf die unterschiedliche Funktion gegenüber der Steuerbilanz Birk, Steuerrecht, Rn. 754; Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 2 / Rn. 1, 7. Der Gedanke des Gläubigerschutzes findet dabei nicht nur in der Publizitätspflicht, sondern auch in einzelnen Rechnungslegungsvorschriften des Bilanzrechts, wie insbesondere im Vorsichts- und Imparitätsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, seinen normativen Ausdruck; vgl. BGH, NJW 1982, S. 2825. 146 Eine Vermögensschutzpflicht auf der Grundlage des Vertragsverhältnisses selbst (vgl. dazu Kühl, AT, § 18 / Rn. 75) scheidet unabhängig vom Vorliegen ihrer strengen Voraussetzungen bereits deshalb aus, weil der Abschluss derartiger Verträge Teil der Geschäftsführung des Vorstandes ist und der Aufsichtsrat insofern nicht als Vertragspartner mit Außenwirkung auftreten kann (vgl. § 78 Abs. 1 AktG). 142 143

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sung positiviert, die nach strafrechtlichen Kautelen ein Obhutsverhältnis mit konkreten Schutzpflichten gegenüber dem Gläubigervermögen zu begründen vermag147. Zunächst indiziert die Tatsache, dass der Gesetzgeber den Belangen der Gläubiger in einzelnen Vorschriften des Gesellschaftsrechts dezidiert Rechnung getragen hat, ein besonderes, reales Schutzbedürfnis dieser Interessengruppe. So sind die Gläubiger in gewisser Weise hilflos und von den Verwaltungsorganen der Gesellschaft insoweit abhängig, als ihnen ausschließlich das Gesellschaftsvermögen als Sicherheit für ihre Vermögensforderungen zur Verfügung steht, sie als Außenstehende aber auf dieses Schuldendeckungspotential keinen unmittelbaren Einfluss nehmen können148. Die Frage ist jedoch, ob dem Aufsichtsrat deshalb als Folge seiner Überwachungsfunktion in der Gesellschaft strafrechtlich zugleich eine spezifische Verantwortung für das Gläubigervermögen zukommt. Eine Antwort lässt sich auch hier nur mit Blick auf das Wesen der Organfunktion des Aufsichtsrats entwickeln. Als Verwaltungsorgan ist der Aufsichtsrat in seiner Funktion nicht Vertreter von Partikularinteressen, sondern stets auf die Wahrung des Unternehmensinteresses verpflichtet149. Allein der Hinweis darauf schließt eine Beschützergarantenposition zu Gunsten der Gläubiger allerdings per se noch nicht aus, da sich das Unternehmensinteresse immer als Ergebnis einer Abwägung verschiedener Individualinteressen darstellt, zu denen unter anderem auch die Belange der Gläubiger als sog. Stakeholder zählen können150. Ausschlaggebend ist vielmehr die Art und Weise bzw. die hierarchische Rangfolge, in der die verschiedenen Interessen von den Verwaltungsorganen zu berücksichtigen sind. Hier ergeben sich entscheidende Unterschiede. Denn die Aufsichtsratsmitglieder haben ihre Verantwortung als Überwachungsorgan zunächst ausschließlich im Interesse der Förderung der unmittelbar zum Unternehmensverband gehörenden Personen, d. h. insbesondere der Anteilseigner und der Arbeitnehmer, wahrzunehmen. Zwar dürfen sie die Interessen der 147 Die Fragestellung weist Parallelen zu der Problematik um strafrechtliche Schutzpflichten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gegenüber dem Vermögen der Gläubiger der Kreditinstitute auf. Auch die BaFin hat die gesetzliche Aufgabe, die Einhaltung von Gläubigerschutzbestimmungen (vgl. § 10 KWG) durch die Banken zu gewährleisten (§ 6 Abs. 2 KWG). Eine damit korrespondierende Beschützergarantenstellung der Aufsichtsbehörde gegenüber den Einlagegläubigern war hier ebenfalls in der wissenschaftlichen Diskussion (vgl. BGH, NJW 1984, S. 2691) und wurde erst auf Grund der klarstellenden Reaktion des Gesetzgebers hinsichtlich des Schutzweckes in § 6 Abs. 3 KWG a. F., jetzt § 4 Abs. 4 FinDAG, der die Aufgabenwahrnehmung im ausschließlich öffentlichen Interesse betont, abgelehnt; vgl. dazu Roxin, AT II, § 32 / Rn. 106; Schwirten, in: Boos / Fischer / SchulteMattler, KWG Komm., § 4 FinDAG / Rn. 7 ff.; Winkelbauer, NStZ 1986, S. 150, dort in Fn. 30. 148 Auch der Regressanspruch gegen die Aktionäre beim Empfang verbotener Leistungen aus § 62 Abs. 2 AktG kann den Gläubigern keine umfassende Sicherheit bieten. 149 Ganz h. M. in Rechtsprechung und Lehre, vgl. etwa BVerfGE 50, 290 (374); BGHZ 36, 296 (306, 310); Hoffmann / Preu, Der AR, Rn. 108 f.; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 10 / Rn. 765; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, Vor § 95 / Rn. 9 ff. 150 Vgl. BGH, NJW 1979, S. 1823 (1826) sowie oben § 2, B., II. 1., c).

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Gläubiger auch über die gesetzlichen Schutzbestimmungen hinaus bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt (§§ 116, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG) nicht gefährden151. Gleichwohl sind die Belange der lediglich am Unternehmen interessierten Gruppen stets nur im Rahmen einzelner Geschäftsvorgänge zu berücksichtigen. Sie bestimmen daher gerade nicht die generelle Handlungsmaxime für die Verwaltungsorganfunktion des Aufsichtsrats152. Sehr deutlich wird dies, wenn man die Mitwirkung des Aufsichtsrats bei der Feststellung des Jahresabschlusses begutachtet153. Soweit die gläubigerschützenden Rechnungslegungsvorschriften hier Handlungsspielräume eröffnen, muss sich die Beurteilung der bilanzpolitischen Ermessensentscheidungen des Vorstands am Primat nachhaltiger Rentabilität ausrichten und gerade nicht an einer, möglicherweise für bestimmte Gläubiger vorteilhafteren, kurzfristigen Gewinnmaximierung154. Eine spezifische strafrechtliche Schutzpflicht und exklusive Verantwortung des Aufsichtsrats gegenüber dem Vermögen der Gläubiger würde dem normativen Verständnis seiner Funktion als Verwaltungsorgan der Gesellschaft im Einzelfall damit sogar widersprechen. Sofern im Übrigen die Verfolgung des primären Unternehmensziels155 regelmäßig zugleich die Interessen der Gläubiger fördert, erweist sich dies als bloßer Schutzreflex. Eine strafrechtliche Beschützergarantenstellung zu Gunsten der Gesellschaftsgläubiger lässt sich daher im Ergebnis nicht begründen. c) Die am Unternehmensverband beteiligten Aktionäre und Mitarbeiter als Schutzobjekt Für die unmittelbar am Unternehmensverband beteiligten und mit ihren Interessen daher primär zu berücksichtigenden Aktionäre und Unternehmensmitarbeiter bietet die Organpflicht zur Wahrung des Unternehmensinteresses hingegen zunächst gerade einen normativen Anhaltspunkt für eine entsprechende strafrechtliche Schutzfunktion des Aufsichtsrats. Die Arbeitnehmerinteressen können allerdings im Einzelfall ebenfalls dem Primat der Erzielung nachhaltiger Rentabilität zur Sicherung des Unternehmensbestandes, etwa im Rahmen von gebotenen Rationalisierungsmaßnahmen, zum Opfer fallen und genießen daher bereits aktienrechtlich keinen exklusiven Schutz156. Dem Gebot ihrer Berücksichtigung allein kann deswegen keine weiterreichende, normative Verantwortungszuweisung im Sinne eines strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes entnommen werden. Vgl. Semler / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, Vor § 76 / Rn. 87. Siehe oben § 2, B., II. 1., c). 153 Siehe dazu bereits oben § 2, B., IV., 7. 154 Vgl. Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung, § 171 AktG / Rn. 21; Hüffer, Komm. AktG, § 171 / Rn. 6. 155 Siehe oben § 2, B., II., 1., b). 156 Vgl. Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 / Rn. 58. 151 152

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Anders verhält es sich für die Gruppe der Aktionäre. Denn das maßgebliche Gesellschaftsinteresse der juristischen Person beschreibt keine gegenüber den gebündelten Interessen der Gesellschafter eigenständige Größe157. Die Pflicht zur Befolgung des Gesellschaftsinteresses ist insofern nicht wesensverschieden von einer Orientierung an den Vermögensinteressen der Anteilseigner. Aus dieser Pflichtenposition lässt sich für den Aufsichtrat bei normativer Betrachtung jedoch allenfalls eine strafrechtliche Schutzfunktion gegenüber dem in den Aktien verbrieften Anteil der Aktionäre am Gesellschaftsvermögen (vgl. § 1 Abs. 2 AktG) herleiten158. Eine über diesen „korporativen Vermögensschutz“ hinausgehende, besondere Verantwortung des Aufsichtsrats für das jeweilige Individualvermögen der Aktionäre ist davon strikt zu trennen und entbehrt insoweit einer rechtlichen Grundlage.

3. Zwischenergebnis Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass eine strafrechtliche Einstandspflicht der Aufsichtsräte für eine Verletzung von Rechtsgütern Außenstehender jedenfalls aus einer Beschützergarantenstellung nicht erwachsen kann. Es verbleibt nunmehr die Möglichkeit einer Überwachungsgarantenposition.

II. Überwachungsgarantenstellung aus vorangegangenem gefährlichem Verhalten (Ingerenz) Im Bereich der Überwachungsgarantenstellungen knüpft eine strafbewehrte Erfolgsabwendungspflicht des Garanten entweder allgemein an eine Herrschaftsposition über bestimmte (sachliche bzw. personale) Gefahrenquellen oder aber an die spezifische Schaffung einer (neuen) Gefahrenlage durch ein im Einzelfall festzustellendes, gefährliches Vorverhalten an159. In der letzteren Situation der sog. Ingerenz160 unterscheiden sich die Überwachungsgarantenpflichten lediglich dadurch, dass sie nicht primär auf eine Sicherung, sondern vielmehr auf die Beseitigung des vom Garanten zuvor geschaffenen Gefahrenherdes gerichtet sind161. Mit Blick auf diese unterschiedlichen Ansatzpunkte soll im Folgenden zunächst untersucht werden, ob der Aufsichtsrat durch ein bestimmtes Verhalten im Rahmen der 157 Die Gleichsetzung von Gesellschaftsinteresse und Gesellschafterinteresse bei der Einpersonen-Kapitalgesellschaft lässt sich prima facie auf die Mehrpersonen-AG übertragen; vgl. dazu Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 / Rn. 53 m. w. N. 158 Inwieweit eine strafrechtliche Schutzpflicht gegenüber den Rechtsgütern der Gesellschaft und damit auch dem Gesellschaftsvermögen besteht, wird unten in Abschnitt D. gesondert untersucht. 159 Vgl. Roxin, AT II, § 32 / Rn. 143 f.; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 26. 160 Von lateinisch „ingerere“: sich in etwas (hier: eine fremde Sphäre) einmischen. 161 Roxin, AT II, § 32 / Rn. 145.

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Organtätigkeit einen für Dritte gefährlichen Kausalprozess in Gang zu setzen vermag, der seine Mitglieder als Garanten sodann strafrechtlich verpflichtet, den Schadenseintritt in Gestalt einer Rechtsgutsbeeinträchtigung zu verhindern. Die Auslösung eines Schadensverlaufes kann zwar grundsätzlich auch eine strafbare Teilnahme der Aufsichtsratsmitglieder, insbesondere an einer Straftat des Vorstandes, durch Beihilfe (§ 27 StGB) oder Anstiftung (§ 26 StGB) begründen162, deren Handlungsunwert – soweit man in diesen Fällen eine anschließende Ingerenzhaftung nicht bereits von vorneherein kategorisch ausschließt163 – den nachfolgenden Unterlassungsunwert jedenfalls auf Konkurrenzebene verdrängen würde164. Allerdings wird es für eine Teilnahmestrafbarkeit zumeist am prozessual nachweisbaren Vorsatz der Beteiligten fehlen. Geht man indes von einem zumindest fahrlässigen Vorverhalten aus, so kommt der Garantenpflicht aus Ingerenz eine tragende Bedeutung zu, sollte der Aufsichtsrat nach vollständiger Erfassung und Kenntnis der Tatumstände gleichwohl untätig bleiben und die drohende Rechtsgutsbeeinträchtigung nicht verhindern165. Bisweilen wird die Legitimation einer Garantenstellung aus Ingerenz von Teilen der Literatur bereits generell, vor allem mit Verweis auf ein fehlendes kriminalpolitisches Bedürfnis sowie die kritische Anknüpfung an eine reine Kausalitätsbetrachtung geleugnet166. Ohne dass an dieser Stelle auf alle ablehnenden Argumente näher eingegangen werden kann und soll, seien zwei entscheidende Erwägungen hierzu gleichwohl hervorgehoben. Zunächst lässt sich der Ingerenzgedanke materiell wiederum167 auf dieselbe Wertentscheidung zurückführen, auf 162 Da die Kerntätigkeit des Kontrollgremiums in weiten Teilen auf den gesellschaftsinternen Bereich beschränkt ist und keinen unmittelbaren Außenbezug aufweist, wird die hier im Blickpunkt stehende, schädigende Drittwirkung und der erforderliche Rechtsgutsbezug regelmäßig erst durch ein eigenverantwortliches Verhalten des geschäftsführenden Vorstands vermittelt werden. 163 So BGH, NStZ-RR 1996, S. 131; zuletzt offen gelassen wiederum von BGH, NJW 2003, S. 1060 (1061). 164 Zu dieser im Schrifttum herrschenden Ansicht Sowada, Jura 2003, S. 245 f.; Stein, JR 1999, S. 267 ff. m. w. N. 165 Die Relevanz der Ingerenz beschränkt sich damit im Ergebnis auf Konstellation, in denen die strafrechtliche Bewertung des Vorverhaltens für eine dem Unwert angemessene Strafzumessung selbst nicht ausreicht; vgl. Arzt, JA 1980, S. 714 f.; Herzberg, JZ 1986, S. 988. Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 393 ff., will hingegen den die Erfolgsabwendung unterlassenden Ingerenten stets aus einem (vorsätzlichen) Begehungsdelikt bestrafen, das sich jedoch nur mit einem dolus subsequens begründen lässt, den das moderne Strafrecht nicht kennt; zur ausführlichen Kritik an diesem Ansatz vgl. Sangenstedt, Garantenstellung, S. 334 ff. 166 So etwa Sangenstedt, Garantenstellung, S. 319; Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 313 ff.; zurückhaltender ders., ZStW 96 (1984), S. 309; einen Überblick zu den einzelnen Argumenten dieser sog. Antiingerenztheorie m. w. N. gewährt Hillenkamp, Probleme AT, S. 176 ff. 167 Diese Prämisse liegt der hier verfolgten Herrschaftslehre generell zu Grunde, vgl. oben B., I., 2., b), dd).

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die sich auch die Strafbarkeit des Begehungstäters stützt. Denn dem insoweit allgemein anerkannten Verbot, andere zu verletzen („neminem laede“), entspricht positiv das Gebot, selbst geschaffene Gefahren in der Folge zu beseitigen, wenn aus ihnen Schäden für fremde Rechtsgüter erwachsen können168. Anders ist nicht einzusehen, warum derjenige, der die Begründung von Gefahren für Dritte vermeiden muss, nach Verursachung einer solchen Gefahr nicht ebenso ihrer Weiterentwicklung zur Rechtsgutsbeeinträchtigung sollte vorbeugen müssen169. Insofern besteht unzweifelhaft ein sachlicher Grund für die Ausdehnung der strafrechtlichen Haftung in die der aktiven Handlung nachfolgende Phase der Unterlassung. Andererseits ist die Gefahr einer ausufernden, wertfreien Garantenverantwortung in diesem Rahmen für ausnahmslos jeden vorangegangenen Kausalbeitrag nicht zu bestreiten170. Aus diesem Grund kann letzten Endes eine der Sachlage angemessene Lösung nur über eine prinzipielle Anerkennung der Ingerenzhaftung unter allerdings restriktiven Voraussetzungen führen, indem zielgerichtet gesteigerte Anforderungen an die Qualität des pflichtbegründenden Vorverhaltens gestellt werden171. Unter dieser Einschränkung lässt sich die Anerkennung einer Garantenstellung aus Ingerenz, entgegen der abweichenden Meinung Schünemanns172, auch mit dem hier verfolgten materiellen Gleichstellungs- und Legitimationsmaßstab des Herrschaftskriteriums in Einklang bringen. Denn die Grenzen des zu sichernden Herrschaftsbereichs sind letztlich ohnehin immer normativ zu bestimmen173. Beansprucht das „neminem laede“- Gebot insoweit, wie gezeigt, für jede Phase des Kausalverlaufs Geltung, so muss der garantenpflichtbegründende Herrschaftsbereich des Verantwortlichen bei normativer Betrachtung folgerichtig auf jede beherrschbare Weiterentwicklung einer zu überwachenden, beherrschten Gefahrenquelle – sei es, wie in diesem Zusammenhang, der eigene Körper174, aber auch eine Sache oder eine fremde Person – ausgedehnt werden175. 168 Arzt, JA 1980, S. 714; Herzberg, JZ 1986, S. 988; Jescheck, in: LK-StGB, § 13 / Rn. 31; Seelmann, in: NK-StGB1, § 13 / Rn. 117; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 32. 169 Roxin, AT II, § 32 / Rn. 150. 170 Die bloße Kausalität der Vorhandlung, die im 19. Jahrhundert, geprägt durch den juristischen Naturalismus, zur Etablierung des Ingerenzprinzips geführt hat, wird heutigen Zurechnungsmaßstäben jedenfalls nicht mehr gerecht; vgl. Roxin, AT II, § 32 / Rn. 146; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 40. 171 So auch die ganz herrschende Meinung, vgl. Roxin, AT II, § 32 / Rn. 155 ff.; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 38 ff.; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 32 ff., jeweils m. w. N. 172 Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 316, der die Herrschaft allerdings auf eine reale Grundlage stellen will. 173 Siehe oben B., I., 2., b), dd). 174 Siehe dazu oben B., I., 2., b), dd). 175 So auch Roxin, AT II, § 32 / Rn. 151; im Ergebnis letztlich ebenso Rudolphi, in: SKStGB, § 13 / Rn. 38.

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Im Vordergrund steht deshalb nun die Aufgabe, die allgemeinen Entstehungsvoraussetzungen einer Ingerenzverpflichtung zunächst näher einzugrenzen, bevor sodann konkret zu prüfen bleibt, ob sich auf dieser restriktiven Grundlage für die Mitglieder des Aufsichtsrats ein Bereich strafrechtlicher Verantwortung ergibt. 1. Allgemeine Entstehungsvoraussetzungen der Ingerenzpflicht Genereller Anknüpfungspunkt einer Ingerenzverantwortung ist die Schaffung einer Situation, in der die nahe, adäquate176 Gefahr des Eintritts des tatbestandsmäßigen Erfolges besteht. Es muss ein Zustand herbeigeführt werden, bei dem ein Untätigbleiben die Gefahr oder den Schaden für das betroffene Rechtsgut vergrößert177. Die Eröffnung einer solchen Gefahrenquelle kann sowohl durch die selbstständige Auslösung eines zu einer Rechtsgutsverletzung hindrängenden Kausalverlaufs erfolgen, als auch – vor allem mit Blick auf die hier interessierende Situation des Aufsichtsrats – dergestalt, dass die Gefahr einer fremden Straftat hervorgerufen wird178. Nach überwiegender Meinung kommt dabei als taugliche Vorhandlung auch ein begehungsgleiches Unterlassen eines Garanten in Betracht179. Die Palette der Kriterien, die im Weiteren zur notwendigen Begrenzung der Garantenposition angeboten werden, ist bunt180. Letztlich sind die verschiedenen Teilaspekte aber zu der entscheidenden normativen Bedingung zusammenzuführen, nach der den Unterlassenden eine Erfolgsabwendungspflicht nur dann treffen kann, wenn er nach den Wertungen der Rechtsordnung für die konkrete Gefahrenlage auf Grund seines Vorverhaltens auch verantwortlich gemacht werden kann181. a) Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens Als erste Einschränkung ergibt sich danach, dass über die bloße, wertfreie Kausalität hinaus, die für sich noch keine menschliche Verantwortung zu begründen vermag182, in aller Regel nur die pflichtwidrige – jedoch nicht unbedingt schuld176 Aus diesem Kriterium ergibt sich indes noch keine brauchbare Einschränkung; siehe dazu Jescheck, in: LK-StGB, § 13 / Rn. 32; Seelmann, in: NK-StGB1, § 13 / Rn. 11; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 34. 177 Jescheck, in: LK-StGB, § 13 / Rn. 32; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 42. 178 Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 38. 179 RGSt 68, 99 (104); Jescheck, in: LK-StGB, § 13 / Rn. 31; Kühl, Komm. StGB, § 13 / Rn. 11; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 32; kritisch Welp, Vorangegangenes Tun, S. 197 ff. 180 Vgl. den Überblick bei Roxin, AT II, § 32 / Rn. 158 f. 181 Dahingehend auch Dencker, in: FS Stree / Wessels 1993, S. 171; Roxin, AT II, § 32 / Rn. 159; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 39; Sowada, Jura 2003, S. 243 ff. 182 Siehe dazu Rudolphi, in: SK-StGB, Vor § 1 / Rn. 52 ff.

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hafte183 – Gefahrschaffung eine gesteigerte Ingerenzverantwortung nach sich ziehen kann184. Ein rechtmäßiges Vorverhalten kann in dieser Hinsicht nur dann ausnahmsweise genügen, wenn der Täter entweder in, zum Beispiel nach § 34 StGB, gerechtfertigter Weise in den Rechtskreis eines Unbeteiligten eingreift oder aber zunächst rechtmäßig einen Dauerzustand herbeiführt, dessen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen später entfallen185. Mit Blick auf den Aufsichtsrat kann vor allem letztere Situation im Falle einer zunächst pflichtgemäß erteilten Zustimmung zu einer Geschäftsführungsmaßnahme nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG relevant werden, sofern die zu Grunde gelegten, rechtlichen Voraussetzungen entweder nachträglich wieder wegfallen oder sich erst später herausstellt, dass ein Geschäft des Vorstands etwa nach dem Außenwirtschaftsgesetz genehmigungspflichtig ist (vgl. § 3 AWG)186. Angesichts dieser Ausnahmen wird in der Literatur teilweise das „Regel“-Erfordernis der Pflichtwidrigkeit durch das weiter gefasste Kriterium eines „gesteigert riskanten Vorverhaltens“ als Geltungsgrund der Ingerenz zu ersetzen versucht187. Dieser Vorstoß bietet indessen keine hinreichend klare Sicherheit, wann der pflichtenbegründende Risikograd erreicht sein soll und vermag die Garantenstellung deshalb letztlich nicht weiterführend einzugrenzen188. Die neuere Judikatur des Bundesgerichtshofs hält verbal ebenfalls an dem Erfordernis der objektiven Pflichtwidrigkeit fest, dünnt allerdings gleichzeitig den Maßstab zur Bestimmung der Pflichtwidrigkeit so weit aus, dass die gebotene Restriktion mit Hilfe dieses Kriteriums faktisch preisgegeben wird189. So begnügt sich die Rechtsprechung im leading case der „Lederspray-Entscheidung“ allein mit der rechtlichen Missbilligung des erst ex post feststellbaren Gefährdungserfolges, ohne dass die Gefahrschaffung als solche bereits unbedingt sorgfaltspflichtwidrig gewesen sein muss190. Dieser Ansatz stößt jedoch auf Bedenken. Denn Verhaltensunrecht lässt sich sinnvoll nur ex ante bestimmen191. Rechtspflichten sollen ihre 183 BGHSt 37, 106 (119); Jescheck, in: LK-StGB, § 13 / Rn. 33; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 38. 184 So u. a. auch Jescheck, in: LK-StGB, § 13 / Rn. 33; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 39; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 35. Die reine Verursachungstheorie wird der gebotenen Restriktion nicht gerecht; vgl. dazu eingehend m. w. N. Hillenkamp, Probleme AT, S. 174 ff. 185 Vgl. Kühl, AT, § 18 / Rn. 103; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 40a ff. 186 Vgl. zu diesem Beispiel auch Cramer, in: FS Stree / Wessels 1993, S. 566 f., sowie ausführlich unten 2., a). 187 Arzt, JA 1980, S. 714; Kuhlen, NStZ 1992, S. 568; Meier, NJW 1992, S. 3196; Seelmann, in: NK-StGB1, § 13 / Rn. 117. 188 Ebenso Dreher, ZGR 1992, S. 48; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 99; ähnlich Kühl, AT, § 18 / Rn. 103. 189 Kühl, AT, § 18 / Rn. 103; Sowada, Jura 2003, S. 242 f. 190 BGHSt 37, 106 (118 f.). 191 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 34 ff. m. w. N.

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Adressaten zu einem bestimmten Verhalten motivieren. Umgekehrt kann ein Verhalten deshalb auch nur dann (objektiv) pflichtwidrig sein, wenn mit ihm eine bereits im Handlungszeitpunkt erkennbare rechtlich missbilligte Risikoschaffung verbunden ist und der Täter diese fahrlässig missachtet192. Die Garantenstellung aus Ingerenz ist somit im Ergebnis auf Fälle zu beschränken, in denen der Täter die tatbestandliche Gefahr für das geschützte Rechtsgut zum Zeitpunkt seines Vorverhaltens hätten erkennen können, und muss folgerichtig ausscheiden, wenn sich ex ante diesbezüglich kein Sorgfaltspflichtverstoß nachweisen lässt.

b) Pflichtwidrigkeitszusammenhang zwischen Vorverhalten und Gefahr In Anlehnung an die Fahrlässigkeitsdogmatik impliziert das Pflichtwidrigkeitserfordernis zwingend weitere Restriktionselemente für eine strafrechtliche Wertung, die folgerichtig im vorliegenden Kontext ebenfalls Geltung beanspruchen müssen. So ist der einmal hinzukommende Pflichtwidrigkeitszusammenhang allgemein Ausdruck der Erkenntnis, dass die Feststellung irgendeiner Sorgfaltspflichtverletzung noch keine strafrechtliche Verantwortung für einen Erfolg begründet. Weitergehende Voraussetzung einer Zurechnung ist vielmehr stets, dass die abstrakt geforderte Sorgfalt dem Rechtsgutsobjekt hypothetisch genutzt hätte und der Erfolg bei Beachtung der Sorgfaltsregeln mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeblieben wäre193. Übertragen auf die Vorhandlung bei der Ingerenz bedeutet dies, dass eine Garantenpflicht ausscheiden muss, wenn zweifelhaft ist, ob die konkrete Gefährdung gerade auf der Pflichtwidrigkeit beruht194. Der Bundesgerichtshof besteht im Rahmen der Ingerenz hingegen nicht darauf, dass sich die Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens auch in dem späteren Erfolg niedergeschlagen hat195. Diese Rechtsprechung läuft aber – abgesehen von der ohnehin bereits dargestellten, faktischen Preisgabe des Pflichtwidrigkeitselements – im Ergebnis auf eine unzulässige, durch die Lehre der objektiven Zurechnung ansonsten gemeinhin überwundene Sanktionierung eines versari in re illicita hinaus196 192 So mit Recht Arzt, JA 1980, S. 715; Kühl, AT, § 18 / Rn. 103; Kuhlen, NStZ 1992, S. 568; Otto / Brammsen, Jura 1985, S. 651; Seelmann, in: NK-StGB1, § 13 / Rn. 112; Sowada, Jura 2003, S. 242. 193 Allgemein Kühl, AT, § 17 / Rn. 47 ff.; Roxin, AT I, § 11 / Rn. 76 f.; zur Ablehnung der Risikoerhöhungslehre in diesem Zusammenhang bleibt hier auf die schwer ausräumbaren Argumente bei Hillenkamp, Probleme AT, S. 182 ff., und Wessels / Beulke, AT, Rn. 199, zu verweisen. 194 Ebenso Herzberg, JZ 1986, S. 989; Kühl, AT, § 18 / Rn. 102; Roxin, AT II, § 32 / Rn. 170; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 39a f. 195 BGHSt 34, 82; vgl. jüngst BGH NJW 2000, S. 2754 (2757). 196 So mit Recht Roxin, AT II, § 32 / Rn. 170; zur Lehre vom sog. versari in re illicita ders., AT I, § 7 / Rn. 57, § 10 / Rn. 121.

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und vermag aus diesem Grund nicht zu überzeugen. Durch die Voraussetzung eines Pflichtwidrigkeitszusammenhangs zwischen Vorverhalten und Gefahr ist hingegen sichergestellt, dass die (Zurechnungs-)Grenzen der Verantwortlichkeit des Täters für die Folgen seines Vorverhaltens durch die Konstruktion der Ingerenzhaftung nicht unterlaufen werden197.

c) Schutzzweckzusammenhang Als weitere Einschränkung ist nach den Prämissen der objektiven Zurechnung im Rahmen der Fahrlässigkeit auch ein sog. Schutzzweckzusammenhang 198 zu verlangen. Danach begründet allein die Verletzung solcher Pflichten eine strafrechtliche Verantwortung, deren Sinn und Zweck darin besteht, gerade die von dem Unterlassenden durch seine Vorhandlung bewirkten Gefahren zum Schutze des konkret gefährdeten Rechtsguts zu vermeiden. Der Unterlassende muss somit durch sein sorgfaltspflichtwidriges Vorverhalten gegen eine Verhaltensnorm verstoßen haben, die gerade (auch) dem Schutz des betroffenen Rechtsguts dient199. Fällt die von ihm zu beseitigende Gefahr hingegen nicht in den Schutzbereich der verletzten Sorgfaltsnorm, entsteht auch keine Ingerenzverpflichtung.

d) Zurechnung der Gefahr fremder Straftaten Aus den genannten Kriterien ergibt sich für den Unterlassenden eine strafrechtliche Verantwortung allein dann, wenn ihm die zu bekämpfende Gefahrenlage und damit auch die aus ihr resultierenden Rechtsgutsbeeinträchtigungen als rechtswidrige Folgen seines Vorverhaltens objektiv zugerechnet werden können. Diese Verantwortlichkeit endet grundsätzlich auch dort, wo ein fremder Verantwortungsbereich beginnt. In Fällen, in denen die Gefahr des Erfolgseintritts erst durch ein hinzukommendes Verhalten des Opfers oder eines Dritten vermittelt wird, bekommt daher die im Rahmen der Zurechnungslehre äußerst streitige Frage der Sekundärverantwortung für eigenverantwortliche Straftaten Dritter auch im vorliegenden Kontext eine Bedeutung200. Die Klärung gerade letzterer Konstellation ist für eine Ingerenzhaftung des Aufsichtsrats sogar von herausragender Relevanz, da 197 Darauf verweisen auch Herzberg, JZ 1986, S. 989; Rudolphi, JR 1987, S. 163; Sowada, Jura 2003, S. 243; Stree, in: FS Klug 1983, S. 398. 198 Dazu allgemein Kühl, AT, § 17 / Rn. 68 ff.; Roxin, AT I, § 11 / Rn. 73 ff.; Wessels / Beulke, AT, Rn. 182. 199 Jescheck, in: LK-StGB, § 13 / Rn. 33; Roxin, AT II, § 32 / Rn. 171; Rudolphi, in: SKStGB, § 13 / Rn. 39a u. 41; Sowada, Jura 2003, S. 243; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 35a. 200 Siehe dazu eingehend Hillenkamp, Probleme AT, S. 187 ff.; Lenckner / Eisele, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, Vor § 13 / Rn. 100 ff.; Roxin, in: FS Tröndle 1989, S. 177 ff.; Rudolphi, in: SK-StGB, Vor § 1 / Rn. 72 ff.

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die erforderliche Außenwirkung seiner Entscheidungen und damit die unmittelbare Schadensgefahr regelmäßig erst durch die Geschäftsführungstätigkeit (des Vorstands) hergestellt werden wird. Während die herkömmliche Auffassung in dieser Frage auf einen Adäquanzzusammenhang abstellt und eine Zurechnung des Drittverhaltens lediglich dann entfallen lässt, wenn das eigenverantwortliche Dazwischentreten eines Fremden im Rahmen allgemeiner Lebenserfahrung nicht vorhersehbar war201, lehnt die Lehre vom sog. Regressverbot eine Haftung des Erstverursachers für ein nachträgliches (vorsätzliches)202 Fehlverhalten eines voll verantwortlichen Dritten hingegen generell ab203. Diese extrem gegenläufigen Ansätze müssen indes einer differenzierteren Abgrenzung der Verantwortungsbereiche der am Kausalgeschehen Beteiligten weichen204. Es muss dabei letztlich um eine Güterabwägung zwischen Handlungsfreiheit und Rechtsgüterschutz gehen205. Vor allem die ältere Rechtsprechung ist in der Bejahung der Ingerenz hierbei aber vielfach zu weit gegangen206. Wie Frisch eingehend belegt hat, liefe eine durchgängige Haftung für fremdes Verhalten sowohl auf eine unerträgliche Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit des Täters als auch auf eine unangemessene Einschränkung des Verantwortungs- und Entfaltungsspielraums des Dritten hinaus207. Maßgeblich für eine Ingerenzhaftung muss letztlich ebenso wie für die Bejahung einer fahrlässigen Begehungstäterschaft sein, ob der Ersttäter die Straftat des Zweittäters in pflichtwidriger Weise ermöglicht, gefördert oder auf sonstige Weise begünstigt hat208. Im Sinne des strafrechtlichen Prinzips der Eigenverantwortlichkeit sollte insofern als Leitlinie zunächst gelten, dass jedenfalls die (fahrlässige) Herbeiführung der Gefahr einer fremden Vorsatztat grundsätzlich keine Ingerenzpflicht auslöst209. Denn nach dem sog. Vertrauensgrundsatz darf sich im Regelfall jedermann darauf verlassen, dass andere sich rechtmäßig verhalten und keine vorsätzlichen Straftaten begehen210. Eine unerlaubte Gefahrschaffung kommt unter diesem Gesichtspunkt Vgl. die Nachweise bei Hillenkamp, Probleme AT, S. 188 f. Ohne Differenzierung Diel, Regressverbot, S. 179 ff., 268 ff. 203 Siehe dazu im Einzelnen Hillenkamp, Probleme AT, S. 189 f.; Roxin, in: FS Tröndle 1989, S. 177 ff. 204 Vgl. Lenckner / Eisele, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, Vor § 13 / Rn. 100; Rudolphi, in: SK-StGB, Vor § 1 / Rn. 72; im Übrigen sei an dieser Stelle auf die Vertiefung bei Hillenkamp, Probleme AT, S. 190 ff., verwiesen. 205 Vgl. Spitz, Strafrechtliche Produkthaftung, S. 48. 206 Vgl. etwa BGHSt 11, 353 mit Kritik von Otto / Brammsen, Jura 1985, S. 651; sowie zu den besonders problematischen Fällen der Meineidsbeihilfe durch Unterlassen zuletzt Geppert, Jura 2002, S. 178 f. 207 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 152 u. 240 f. 208 So die h. M., vgl. Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 42 m. w. N. 209 Vgl. Kühl, AT, § 18 / Rn. 104; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 42 u. 44; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 39. 210 Der Vertrauensgrundsatz wurde zunächst vor allem für das Verkehrsstrafrecht entwickelt und konkretisiert heute nach allgemeiner Meinung die Grenzen des erlaubten Risikos 201 202

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folgerichtig nur dann in Betracht, wenn der Ersttäter auf Grund konkreter Anhaltspunkte bzw. einer erkennbaren Tatgeneigtheit mit der Straftat eines Dritten rechnen musste und seinem Vertrauen somit die Grundlage entzogen war211. Dann handelt der Erstschädigende (auch) im Hinblick auf die Ermöglichung der Zweitschädigung pflichtwidrig. Streitig ist unterdessen, inwieweit diese Abgrenzung auch in Fällen Geltung beansprucht, in denen sich lediglich ein fahrlässiges Verhalten eines Dritten anschließt212. Geht man nicht bereits mit der Rechtsprechung davon aus, dass sich in solchen Fällen nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen kann, wer sich selbst sorgfaltswidrig verhält213, so lässt sich ein Vertrauen auf das Ausbleiben nachträglichen Fehlverhaltens zumindest auf keine vergleichbar tragfähige Grundlage stellen, da fahrlässiges Fehlverhalten nicht so selten vorkommt wie eine vorsätzliche Straftat214. Nicht zuletzt wegen der hier „fehlenden Dominanz der Vorsätzlichkeit“215 erscheint es im Ergebnis deshalb überzeugender, – wenigstens bei nur leichter Fahrlässigkeit des Zweittäters216 – von einer verbleibenden Teilverantwortung des Ersttäters auszugehen217. Eine Haftung für mittelbar ausgelöste Schadensverläufe ist abgesehen davon in jedem Fall dann anzunehmen, wenn der Ersttäter auf Grund einer personenbezogenen Sicherungsgarantenpflicht ohnehin für die Abwendung der von dem verantwortlichen Dritten geschaffenen Gefahren zu sorgen hat. Denn einem Garanten, der bereits zur Verhinderung fremder Straftaten verpflichtet ist, muss es erst recht verboten sein, genau dieses fremde, rechtsgutsgefährdende Verhalten in irgendeiner Weise gar zu veranlassen, zu ermöglichen oder zu fördern218. bzw. der Sorgfaltspflicht. Siehe dazu weiterführend Cramer / Sternberg-Lieben, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 15 / Rn. 148 ff.; Hannes, Vertrauensgrundsatz, S. 23 ff., 93 ff.; Kuhlen, Produkthaftung, S. 128 ff.; Roxin, AT I, § 24 / Rn. 21 ff.; Rudolphi, in: SK-StGB, Vor § 1 / Rn. 72. 211 Kühl, AT, § 4 / Rn. 49; Roxin, in: FS Tröndle 1989, S. 190 ff.; Rudolphi, in: SK-StGB, Vor § 1 / Rn. 72 ff.; Schroeder, in: LK-StGB, § 16 / Rn. 184; einschränkend Lenckner / Eisele, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, Vor § 13 / Rn. 101e. 212 Gegen eine Differenzierung (für Fälle aktiven Tuns des Zweittäters) Jakobs, AT, 24 / 21; Roxin, AT I, § 24 / Rn. 24; Rudolphi, in: SK-StGB, Vor § 1 / Rn. 73 f. 213 BGHSt 12, 172; 17, 299; Cramer / Sternberg-Lieben, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 15 / Rn. 215; Schroeder, in: LK-StGB, § 16 / Rn. 174. 214 Vgl. Kühl, AT, § 4 / Rn. 50. Nach Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 164, ist „leicht fahrlässiges Fehlverhalten eine so verbreitete Erscheinung [ . . . ], dass man mit ihr immer zu rechnen hat“. 215 So wörtlich Hillenkamp, Probleme AT, S. 193. 216 Vgl. zu dieser weiteren Unterscheidung u. a. Burgstaller, in: FS Jescheck 1985, S. 364 ff.; Wolter, Zurechnung, S. 347; kritisch Maiwald, JuS 1984, S. 442 m. w. N. 217 Mit guten Argumenten auch Maiwald, JuS 1984, S. 440 ff. 218 Vgl. dazu Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 352 ff.; Graul, JuS 1999, S. 567; Jakobs, AT, 24 / 19; Lenckner / Eisele, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, Vor § 13 / Rn. 101d; Rudolphi, in: SK-StGB, Vor § 1 / Rn. 72; Schaffstein, in: FS Lackner 1987, S. 799.

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2. Garantenpflichtbegründendes, gefährliches Vorverhalten des Aufsichtsrats Aus dem Bereich der regelmäßigen Aufsichtsratstätigkeit erscheinen vor allem die nachfolgenden Maßnahmen prinzipiell geeignet, eine Gefahrenlage für die Rechtsgüter Dritter herzustellen, die den Aufsichtsrat verpflichten könnte, gegen Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten einzuschreiten. Sie sollen deshalb an dieser Stelle herausgestellt und näher daraufhin untersucht werden, ob sie den aufgestellten Anforderungskriterien für eine Ingerenzverpflichtung im Einzelnen entsprechen.

a) Zustimmung zu einer Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands Eine rechtsgutsgefährdende Situation kann zunächst dadurch entstehen, dass der Aufsichtsrat seine Zustimmung zu einer Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands erteilt (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG), die im Falle ihrer Umsetzung einen gesetzlichen Straftatbestand erfüllen würde.

aa) Gefahrschaffung sowohl durch pflichtwidrige als auch durch pflichtgemäße Zustimmung Die objektive Pflichtwidrigkeit einer solchen Zustimmung folgt, in Anlehnung219 an den objektivierten zivilrechtlichen Sorgfaltsmaßstab der §§ 93, 116 AktG220, aus einem Verstoß gegen das Gebot der Rechtmäßigkeit221. Voraussetzung dafür ist, dass die strafbegründenden Umstände – wie etwa das Fehlen einer umweltschutzrechtlichen Genehmigung für die Inbetriebnahme einer Produktionsanlage im Rahmen der §§ 324 ff. StGB, die fehlende Genehmigung einer Warenausfuhr im Sinne des § 34 AWG222 oder auch die gesundheitsschädigende Wirkung eines in den Verkehr gelangenden Produkts223 – zu diesem Zeitpunkt für den Aufsichtsrat erkennbar waren.

219 Zum Verhältnis zivil- und strafrechtlicher Sorgfaltspflichtbestimmung ausführlicher unten III., 5., c), bb) und cc). 220 Vgl. Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 11 / Rn. 846 sowie im Einzelnen § 2, B., V., 1. und 3. 221 Siehe oben § 2, B., II., 2., a). 222 Weiterführend zu diesem Straftatbestand Hohmann / John, Ausfuhrrecht Komm., § 34 AWG. 223 Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 917, nennt in diesem Zusammenhang exemplarisch auch die Zustimmung zu einer erkennbar mangelhaften Organisation, bei der eine ausreichende Information der Konstruktions- und Entwicklungsbereiche durch die Reklamations- und Produktbeobachtungsabteilungen nicht gewährleistet ist.

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Erfolgte eine Zustimmungserteilung indes zunächst pflichtgemäß und verändert sich die (erkennbare) Rechts- oder Sachlage in diesen Punkten erst anschließend, indem sich beispielsweise nachträglich ein Genehmigungsbedürfnis einstellt, so kann allein die Rechtmäßigkeit des Vorverhaltens den Aufsichtsrat – entgegen der Auffassung von Poseck224 – nicht vor einer Ingerenzpflicht bewahren. Die Konstellation ist vielmehr vergleichbar mit den zum Postulat der Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens anerkannten Ausnahmefällen, in denen eine Behörde eine rechtmäßig erteilte Genehmigung, deren rechtfertigende Voraussetzungen später weggefallen sind, zurückzunehmen hat225. Durch die ursprünglich rechtmäßige Zustimmung hat der Aufsichtsrat in Bezug auf ihre legitimierende Wirkung für den Vorstand in ähnlicher Weise einen Dauerzustand geschaffen, dessen Beseitigung ihm entsprechend obliegen muss, sobald dieser Zustand in eine unrechtmäßige Gefahr umschlägt, weil er den rechtlichen Schutz (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) des betroffenen Rechtsguts reduziert hat226.

bb) Pflichtwidrigkeitszusammenhang Der weiterhin erforderliche Pflichtwidrigkeitszusammenhang zu der entstandenen Gefahr ist gegeben, wenn der Vorstand die strafrechtswidrige Maßnahme im konkreten Fall ohne eine Zustimmung des Aufsichtsrats auf Grund der sodann fehlenden gesellschaftsinternen Berechtigung und einer daraus drohenden Schadensersatzverantwortlichkeit nicht vornehmen würde. Sein Ersuchen um Zustimmung deutet dies regelmäßig an.

cc) Außenwirkung der Organpflicht Einer eingehenderen Erörterung bedarf die Frage, ob die Gefahr einer Straftat des Vorstands gegenüber Dritten auch in den Schutzbereich der verletzten Sorgfaltsnorm gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG i.V.m. §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG fällt227. Zunächst handelt es sich bei diesem Sorgfaltsgebot, wie bei Organpflichten allgemein, entsprechend der Gesetzessystematik um eine interne Verpflichtung der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft. Inwieweit organschaftliche Binnenpflichten darüber hinaus auch eine Schutzwirkung im Außenverhältnis gePoseck, Strafrechtliche Haftung, S. 134. Vgl. zu Fallbeispielen Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 40b; siehe auch Hillenkamp, JR 1988, S. 303; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 105 f.; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 36. 226 Davon geht im Ergebnis auch Cramer, in: FS Stree / Wessels 1993, S. 566 f., aus. 227 Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 134 ff., unterstellt dies im Ergebnis, ohne sich allerdings im Einzelnen mit der damit verbundenen Problematik auseinanderzusetzen; ohne Reflektion auch H. Schmidt, Umwelthaftung, S. 223 ff. 224 225

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genüber Dritten entfalten können, ist im Schrifttum indessen leidlich umstritten und wird von der einen Seite vor allem mit dem Hinweis abgelehnt, dass andernfalls – dogmatisch ebenso problematisch wie ökonomisch bedenklich – das gesellschaftsrechtliche Haftungssystem mit der Haftungskonzentration auf die juristische Person unterlaufen werde228. Abgesehen von der Frage einer allgemeinen – bereits mehrfach befürworteten229 – Externalisierung gesellschaftsrechtlicher Pflichten, muss jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang der Überwachungspflicht des Aufsichtsrats und den sich hieraus ergebenden Handlungsgeboten eine Außenwirkung beigemessen werden. Zweck des aktienrechtlichen Gebots einer sorgfaltspflichtgemäßen Zustimmung ist (mitunter) die Sicherstellung der Rechtmäßigkeit der betreffenden Geschäftsführungsmaßnahme230. Durch den Zustimmungsvorbehalt soll im Interesse des Unternehmens231 ein strafrechtswidriges Verhalten des Vorstands nicht nur gegenüber der Gesellschaft, sondern auch gegenüber Dritten232 verhindert werden. Die (strafrechtliche) Legalitätskontrolle des Aufsichtsrats bezweckt in dieser zweiten Konstellation aber nicht allein, die Gesellschaft vor materiellen oder immateriellen (Folge-)Schäden zu bewahren, sondern soll überdies die Beachtung des allgemeinen „neminem laede“-Verbots durch das Unternehmen gewährleisten, und dient unter diesem Gesichtpunkt deshalb auch dem Rechtsgüterschutz Dritter vor Schädigungen durch die Geschäftsführung233. Die Gefahr einer gesellschaftsexternen Vorstandsstraftat wird somit vom Schutzbereich dieser spezifischen Organpflicht ebenfalls erfasst.

dd) Zurechnung der Gefahr einer Vorstandsstraftat Voraussetzung bleibt nunmehr, dass sich die mittels der Zustimmung verursachte Schadensgefahr in der anschließenden Erfolgsverwirklichung durch den seinerseits eigenverantwortlich handelnden Vorstand letztlich auch realisiert und dieser die 228 Vgl. etwa Lutter, ZHR 157 (1993), S. 471 ff.; Mertens, in: Feddersen / Hommelhoff / Schneider, Corporate Governance, S. 160; Schmid, in: FS Keller 1989, S. 656; konkret für die Aufsichtsratspflichten Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 918; mit Einschränkungen Kleindiek, Deliktshaftung, S. 452 ff. 229 Vgl. etwa VI. ZS BGHZ 109, 297 (302 ff.) „Baustoff“; Ehrike, ZGR 2000, S. 378 f. mit Fn. 113; Gross, ZGR 1998, S. 567; Grunewald, ZHR 157 (1993), S. 456 ff.; Larenz / Canaris, Schuldrecht II / 2, § 76 III 5 d; Spitz, Strafrechtliche Produkthaftung, S. 303 m. w. N. 230 Siehe oben § 2, B., II., 2., a). 231 Zur gebotenen Berücksichtigung gerade auch von Drittinteressen in diesem Rahmen, siehe oben § 2, B., II., 1., c). 232 Siehe dazu oben § 2, B., II., 2., a), bb). 233 So im Ergebnis auch Ransiek, ZGR 1999, S. 624; ders., Unternehmensstrafrecht, S. 81; Spitz, Strafrechtliche Produkthaftung, S. 316; dahingehend zu verstehen sind auch Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 13; Schwark, in: FS Werner 1984, S. 852; zweifelnd Große Vorholt, Management, Rn. 148 f.

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Gefahrenlage nicht nur willkürlich zum Anlass seiner Straftat macht. Eine erteilte Zustimmung verpflichtet die Vorstandsmitglieder zwar weder zur Durchführung der vorgelegten Maßnahme234, noch werden sie dadurch aus einer möglichen Schadensersatzverantwortung entlassen235. Gleichwohl verdeutlicht der Vorstand mit seiner Bitte um Zustimmung, dass er das Votum des Aufsichtsrats zur (mit-)entscheidenden Maßgabe für einen positiven Handlungsentschluss macht236. Insofern begründet die pflichtwidrige Zustimmungserteilung eine unmittelbare Gefahr für die Rechtsgüter Dritter. Der sich durch eine fahrlässige oder vorsätzliche Straftat des Vorstand hieraus entwickelnde Schaden ist den Mitgliedern des Aufsichtsrats bereits wegen der sich im Ersuchen erkennbar manifestierenden Tatgeneigtheit des Vorstands zuzurechnen, unabhängig von einer im Anschluss zu erörternden personalen Aufsichtsgarantenpflicht237. Etwas schwieriger stellt sich die Situation indes im Falle der Gefahrbegründung durch eine zunächst pflichtgemäß erteilte Zustimmung dar. Hier konnten die Aufsichtsratsmitglieder jedenfalls zum Zeitpunkt der Zustimmungserteilung uneingeschränkt auf ein rechtmäßiges Verhalten des Vorstands vertrauen. Entscheidend ist deshalb die Frage, ob dieser Vertrauensgrundsatz die Aufsichtsratsmitglieder nach Erkennbarkeit einer veränderten Sach- oder Rechtslage ebenfalls noch entlastet. Richtigerweise müssen sie nach der gesetzlichen Kompetenzverteilung zunächst davon ausgehen können, dass der Vorstand in eigener Verantwortung jeweils die dem Geschäft zu Grunde liegende Rechtslage prüft, sodann beispielsweise selbst für eine (nun) erforderliche, behördliche Genehmigung sorgt, und die Maßnahme letztlich nur unter rechtmäßigen Voraussetzungen durchführt238. Dieses Vertrauen des Aufsichtsrats ist erst dann nicht mehr berechtigt, wenn erkennbare Anzeichen dafür bestehen, dass entweder die veränderten Umstände dem Vorstand verborgen bleiben oder dieser das betreffende Geschäft ungeachtet der Veränderungen vornehmen will239. Nur in diesem Fall ist dem Aufsichtsrat die unrechtmäßige Schadensgefahr für Dritte infolge der bestehenden Legitimationswirkung seiner Zustimmung zurechenbar und eine Erfolgsabwendungspflicht zu befürworten.

Siehe oben § 2, B., IV., 5. Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 347 ff. 236 Vergleichbar hat der BGH, NStZ 1992, S. 31 f., ein Bestärken des Zweittäters durch das Beseitigen von Hemmungen als ingerenzbegründendes Vorverhalten anerkannt. 237 Siehe dazu unten III. 238 So auch Cramer, in: FS Stree / Wessels 1993, S. 567. 239 Cramer, in: FS Stree / Wessels 1993, S. 567, verlangt hingegen positive Kenntnis, die jedoch für fahrlässiges Fehlverhalten nicht erforderlich ist. Hier genügt bereits die Voraussehbarkeit; vgl. u. a. Wessels / Beulke, AT, Rn. 667a und 692. 234 235

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ee) Zwischenergebnis Unter den genannten Prämissen kann sich aus der Zustimmung zu einer strafrechtswidrigen Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands eine strafbewehrte Erfolgsabwendungspflicht für die Aufsichtsratsmitglieder unter dem Gesichtspunkt der Ingerenz ergeben.

b) Pflichtwidrige Beratung des Vorstands Im Rahmen seiner Pflicht zur präventiven Überwachung kann und muss der Aufsichtsrat dem Vorstand im Stadium der Entscheidungsfindung und -verwirklichung, wie gezeigt, auch alternative, gedanklich von ihm selbst initiierte Erwägungen und Argumente im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit oder Zweckmäßigkeit einer geplanten Maßnahme vortragen240. Eine die Strafrechtswidrigkeit der Umsetzung verkennende und insoweit wiederum sorgfaltspflichtwidrige Beratung ist daher prinzipiell ebenfalls geeignet, eine vergleichbar gefährliche Situation für die Rechtsgüter Dritter zu schaffen. Im Gegensatz zur Zustimmungserteilung besteht diese Möglichkeit gefährlichen Vorverhaltens überdies sogar in Bezug auf Vorgänge, die, wie etwa das operative Tagesgeschäft, im Einzelnen nicht Gegenstand der gesetzlichen Kontrollaufgabe sind, aber zum Gegenstand einer zusätzlichen Beratungstätigkeit des Aufsichtsrats auf individueller Vertragsbasis gemacht werden können241. Der entscheidende Unterschied zum Zustimmungsvorbehalt besteht allerdings darin, dass diesen Stellungnahmen des Aufsichtsrats mangels rechtlicher Verbindlichkeit für den Vorstand in der Regel keine vergleichbare, kausale Steuerungswirkung zukommt. Der für die Ingerenz notwendige Gefahrzusammenhang würde danach voraussetzen, dass die Aufsichtsratsmeinung den Vorstand auf Grund faktischer Abhängigkeiten oder anderer besonderer Umstände des Einzelfalls, wie etwa einem überlegenen Fachwissen des Kontrollgremiums242, ausnahmsweise in seinem Tatentschluss spezifisch bestärkt und damit eine konkrete Schadensgefahr begründet hat243. Ein solcher Nachweis wird sich prozessual jedoch schwer führen lassen.

Siehe oben § 2, B., IV., 2. Dazu ebenfalls bereits oben § 2, B., IV., 2. a. E. 242 Vgl. Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 139. 243 In diesem Fall wird auch eine Förderungskausalität der psychischen Beihilfe nach § 27 StGB anerkannt, vgl. BGH, NStZ 2002, S. 139. 240 241

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c) Pflichtwidrige Auswahl und Bestellung eines delinquenten Vorstandsmitglieds Im Rahmen seiner Personalkompetenz (§ 84 Abs. 1 Satz 1 AktG) kann der Aufsichtsrat gegen das Unternehmensinteresse verstoßen und damit pflichtwidrig handeln, wenn er ein für das Amt allgemein ungeeignetes Vorstandsmitglied bestellt244. Diese Pflicht zur sorgfältigen Auswahl der Vorstandsmitglieder dient jedoch allenfalls insoweit (auch) dem Schutz Dritter vor strafrechtswidrigen Schädigungen durch die bestellte Person, als sie dem Aufsichtsrat unter Umständen gebietet, keine einschlägig vorbestraften Anwärter mit dem Amt zu betrauen. In Bezug auf die Insolvenzdelikte der §§ 283 ff. StGB ist diese Pflicht in § 76 Abs. 3 Satz 3 AktG ausdrücklich positiviert. Die gebotene Berücksichtigung sonstiger Kriterien, wie etwa die Unzuverlässigkeit der betreffenden Person oder eine fehlende ökologische Motivation und Kompetenz im Hinblick auf den betrieblichen Umweltschutz245, entfaltet hingegen keine spezifische Schutzwirkung für strafrechtlich geschützte Rechtsgüter. Aus diesem Grund kommt einem diesbezüglichen Pflichtverstoß angesichts des erforderlichen Schutzzweckzusammenhanges keine Relevanz für eine Ingerenzhaftung zu246. Sollte der Aufsichtsrat im gegebenen Fall einmal eine Person trotz ihrer erkennbaren, dem Unternehmensinteresse widersprechenden Vorbestrafung in den Vorstand berufen haben, so ist gleichwohl sehr fraglich, ob er auf diese Weise eine Straftat des Vorstandsmitglieds in pflichtwidriger Weise ermöglicht, gefördert oder auf sonstige Weise begünstigt und damit bereits eine unmittelbare Schadensgefahr geschaffen hat. Das betreffende Vorstandsmitglied erhält durch den Bestellungsakt vorerst nur die Befugnis zur Wahrnehmung seiner Organfunktion. Mögliche schadensträchtige Fehlentwicklungen in diesem Zusammenhang unterliegen sodann aber der ständigen Überwachung durch den Aufsichtsrat selbst247. Eine schon nahe, konkrete Gefahrsituation zur Auslösung einer Ingerenzpflicht, in der „nicht nur die gedankliche Möglichkeit, sondern eine auf festgestellte tatsächliche Umstände gegründete Wahrscheinlichkeit eines schädigenden Ereignisses besteht“248, vermag allein auf Grund der Bestellung deshalb noch nicht zu entstehen249. Sie er244 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 11 / Rn. 831; eingehend Peltzer, in: FS Semler 1993, S. 261 ff. 245 Eine Berücksichtigung dieses Kriteriums fordert H. Schmidt, Umwelthaftung, S. 223. 246 Ungenau insoweit Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 135, und Peter, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 154, der allerdings die Notwendigkeit eines Schutzzweckzusammenhangs generell bestreitet. 247 Darauf weist mit Recht auch Peter, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 157, hin. 248 So die Definition einer „Gefahr“ in BGHSt 18, 272; vgl. auch BGHSt 26, 176 (179). 249 Ebenso Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 138 f. Dieses Ergebnis entspricht dem in der Literatur herrschenden Standpunkt im Rahmen eines Anstellungsbetruges durch Verschweigen einschlägiger Vorstrafen. Danach besteht allein durch die Anstellung noch keine konkrete Vermögensgefährdung i. S. d. § 263 StGB; vgl. Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 263 / Rn. 154; Tiedemann, in: LK-StGB, § 263 / Rn. 227.

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wächst vielmehr im Folgenden gegebenenfalls einer nachlässigen Erfüllung der gesetzlichen Überwachungsaufgabe250.

d) Sonstiges pflichtwidriges Verhalten im Rahmen der Überwachungsaufgabe Im Übrigen liese sich ein pflichtwidriges (Vor-)Verhalten des Aufsichtsrats prinzipiell auch aus formellen Verstößen, etwa in Gestalt einer unzulässigen Aufgabendelegation an untergeordnete Ausschüsse251 oder durch ein Handeln auf der Grundlage fehlerhafter Beschlussfassungen (§ 108 AktG) herleiten. Dieses formelle Fehlverhalten begründet aber weder für sich eine unmittelbare Gefahr für fremde Rechtsgüter252, noch verletzt es Vorschriften, die gerade spezifisch den Opferschutz vor strafrechtswidrigen Schädigungen im Auge haben. Die Entstehung einer Ingerenzverpflichtung kommt in dieser Hinsicht somit nicht in Betracht. Schließlich bleibt die Möglichkeit, dass die unmittelbare Schadensgefahr aus einem Unterlassen des Aufsichtsrats erwächst, wenn die Mitglieder schlicht ihre gesetzliche Überwachungsaufgabe nicht pflichtgemäß wahrnehmen, indem sie bei drohenden Straftaten der Geschäftsführung völlig untätig bleiben253. Zur Begründung einer Ingerenzstellung ist insoweit erforderlich, dass der Aufsichtsrat durch dieses Vorverhalten zugleich einer strafrechtlichen (Aufsichts-)Garantenpflicht nicht nachkommt, deren Bestehen an dieser Stelle noch nicht nachgewiesen ist254. Angesichts der sodann bereits bestehenden Straftatverhinderungspflicht erlangt eine Ingerenzpflicht in diesem Fall aber ohnehin keine eigenständige praktische Bedeutung mehr255.

3. Inhalt der Ingerenzverpflichtung Die spezifische Garantenpflicht des Ingerenten besteht, wie bereits erwähnt, allgemein in der Beseitigung der verantwortlich geschaffenen Gefahrenlage im Rahmen der vorhandenen (gesellschaftsrechtlichen) Handlungsmöglichkeiten256. Siehe dazu nachfolgend d). Siehe zur Binnenorganisation im Einzelnen unten § 6, A., III. 252 So zur pflichtwidrigen Aufgabendelegation auch Peter, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 157 f.; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 139. 253 Siehe zur gesellschaftsrechtlichen Einwirkungspflicht in diesem Fall, oben § 2, B., II., 2., a), bb). 254 Siehe dazu ausführlich im Anschluss unter III. 255 Ebenso Peter, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 154; Tiedemann, in: Scholz, Komm. GmbHG, § 82 / Rn. 98; ähnlich Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 45. 256 Rechtlich gefordert kann vom Normadressaten immer nur das physisch-real Mögliche in der konkreten Gefahrensituation, vgl. BGH, wistra 2000, S. 136. 250 251

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Demnach haben die Mitglieder des Aufsichtsrats grundsätzlich den sog. actus contrarius zu ihrem gefahrbegründenden Vorverhalten einzuleiten257. Im Falle einer Gefahrverursachung durch die pflichtwidrige Zustimmung des Aufsichtsrats zu einem strafrechtswidrigen Vorhaben des Vorstands wird dazu regelmäßig die Rücknahme der für die Umsetzung maßgeblichen Legitimationswirkung der Genehmigung erforderlich sein258. Das (primäre) Aktienrecht regelt insoweit zwar weder die Möglichkeit einer erneuten Befassung des Aufsichtsrats mit einer bereits genehmigten Maßnahme, noch sieht es eine ausdrückliche Rüchnahmeermächtigung des Kontrollgremiums vor. Gleichwohl stehen das gesellschaftsrechtliche Kompetenzgefüge und insbesondere die Eigenverantwortlichkeit der Geschäftsleitung (§ 76 Abs. 1 AktG) der Anerkennung einer solchen Kassation auch nicht entgegen, da diese in ihrer rechtlichen Wirkung letztlich nur dem gesetzlich positivierten Veto nach § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG entspricht. Umgekehrt verlangt die aktienrechtliche Überwachungspflicht des Aufsichtsrats in dieser Situation gerade ein Einschreiten zur Verhinderung einer unrechtmäßigen Geschäftsführung259. Im Ergebnis muss deshalb auch ein zunächst genehmigtes Geschäft ad hoc durch erneute Beschlussfassung zum Gegenstand eines Vetos des Aufsichtsrats gemacht werden (können), welches die ursprüngliche Legitimation wieder aufhebt und damit die betreffende Schadensgefahr abwendet. Der Ingerenzpflicht infolge einer zunächst pflichtgemäß erteilten Zustimmung wird der Aufsichtsrat hingegen im Fall der Unkenntnis des Vorstands bezüglich der veränderten Rechtslage regelmäßig bereits durch einen Hinweis in Form einer Stellungnahme entsprechen können260.

4. Sonderproblem: Funktionsnachfolge des Ingerenten Im Unterschied zu der allgemeinen Anerkennung einer Übertragbarkeit von Sicherungsgarantenpflichten 261 ist im Rahmen der Ingerenz äußerst umstritten, ob die begründete Pflichtenstellung bei personellen Veränderungen im Amt oder Organ auf die jeweiligen Funktionsnachfolger übergeht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rückt bei berufs- bzw. betriebsspezifischen Pflichten der neu in einen Betrieb Eintretende durch Übernahme der Aufgaben in die GarantenVgl. Welp, Vorangegangenes Tun, S. 283. So richtig Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 140; vgl. auch Cramer, in: FS Stree / Wessels 1993, S. 567, der allerdings eine formelle Beschlussfassung für überflüssig erachtet. 259 Siehe oben § 2, B., II., 2., a), bb). 260 Stellungnahmen müssen zwar grundsätzlich durch einen Gremiumsbeschluss verabschiedet werden. Da die Erteilung einer Zustimmung zu einer Geschäftsführungsmaßnahme allerdings auch an einen Ausschuss delegiert werden kann, wird in so einem Fall entsprechend nur ein Beschluss der zuvor mit der Zustimmung befassten Ausschussmitglieder zu fordern sein. 261 Vgl. statt aller Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 26 ff. m. w. N. 257 258

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stellung des Vorgängers ein, während sich die Ingerenzpflicht des Ausgeschiedenen sodann auf die Möglichkeiten beschränkt, die ihm als nunmehr Außenstehender zur Schadensabwendung noch zur Verfügung stehen262. Nach dieser Maßgabe müsste auch einem neuen Aufsichtratsmitglied die Ingerenzverpflichtung seines Vorgängers im Wege einer die Figur der Ingerenz ausdehnenden, „organbezogenen Betrachtungsweise„263 überbürdet werden. Die Handlungspflicht würde danach stets die im Zeitpunkt des garantenpflichtwidrigen Unterlassens dem Aufsichtsratsgremium angehörenden Mitglieder treffen, unabhängig davon, ob sie an der Gefahrschaffung persönlich beteiligt waren264. Damit würden dem eintretenden Aufsichtsratsmitglied aber Pflichten infolge eines gefährlichen Verhaltens erwachsen, das für ihn nicht beherrschbar war. Es würde ohne normative Grundlage zum Einstandspflichtigen für das eigenverantwortliche Handeln seines Vorgängers. Eine solche Einstandspflicht steht jedoch in eklatantem Widerspruch zum strafrechtlichen Verantwortungsprinzip265. Der Ingerenzgedanke gründet, wie gezeigt, in dem Verbot des neminem-laede und knüpft die Verantwortung auf diese Weise unmittelbar an das persönliche Vorverhalten. Insofern statuiert die Garantenstellung aus Ingerenz eine höchstpersönliche Pflicht, die ein neues Organmitglied mit der Übernahme des Amtes – im Gegensatz zu den funktionsbezogenen (Überwachungs-)Pflichten des Vorgängers – folgerichtig nicht übernehmen kann266. Umgekehrt vermag die Abgabe des Aufsichtsratsmandats die Ingerenzpflicht des Vorgängers als solche nicht zu berühren. Durch das Ausscheiden aus dem Organ wird gleichwohl häufig die Tatbestandsmäßigkeit des Unterlassens entfallen, da es dem Außenstehenden faktisch erschwert oder gar unmöglich ist, geeignete Maßnahmen zur Erfolgsabwendung noch zu ergreifen267.

III. Überwachungsgarantenstellung auf Grund der Verantwortung für strafrechtswidriges Verhalten des Vorstands Der prozessuale Nachweis einer aktiven Beteiligung von Mitgliedern des Aufsichtsrats an Straftaten des Vorstands und entsprechend auch der Beweis eines ingerenzbegründenden Vorverhaltens wird in der Praxis oft nur schwer gelingen268. Situationen, in denen sich demnach eine aktive Tatbeteiligung lediglich vermuten BGHSt 37, 106 (120) „Lederspray“. Ähnlich Kühl, AT, § 18 / Rn. 121, zu einer „behördenbezogenen Betrachtungsweise“. 264 In diesem Sinne u. a. Rudolphi, in: FS Dünnebier 1982, S. 578; Schall, NJW 1990, S. 1269; Steindorf, in: LK-StGB, Vor § 324 / Rn. 57. 265 Brammsen, GA 1993, S. 111; Jasch, NStZ 2005, S. 11 f.; näher dazu unten III., 1., b). 266 Wie hier Brammsen, GA 1993, S. 111; Kühl, AT, § 18 / Rn. 121; Otto, AT, § 9 / Rn. 83; ders., Jura 1991, S. 315 f.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 40; Schünemann, wistra 1986, S. 244. 267 Vgl. Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 97. 268 Diese Einschätzung teilt auch Cramer, in: FS Stree / Wessels 1993, S. 567. 262 263

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lässt, ein Untätigbleiben hingegen offenkundig ist, nötigen deshalb als Nächstes zu der Frage, ob und inwieweit die gesellschaftsrechtliche Pflicht des Aufsichtsrats zur Überwachung der Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung gemäß § 111 Abs. 1 AktG auch für das Strafrecht eine allgemeine Überwachungs- und Sicherungspflicht seiner Mitglieder im Hinblick auf delinquentes Verhalten der Geschäftsführung impliziert. Eine Analyse der bisher nur sehr spärlichen Rechtsprechung und wissenschaftlichen Literatur zu dieser Fragestellung macht eines ganz offenkundig. Während beachtliche Stimmen eine solche Garantenpflicht des Aufsichtsrats zur Verhinderung von Straftaten des Vorstandes im Ergebnis ablehnen269, lassen auf der anderen Seite die Ausführungen der Befürworter einer Verantwortlichkeit eine problemorientierte, dogmatische Auseinandersetzung sowie eine fundierte strafrechtstheoretische Begründung ihres Standpunktes regelmäßig vermissen. So hat bereits die frühe Rechtsprechung des Reichsgerichts eine vergleichbare strafbewehrte Pflicht von Aufsichtsratsmitgliedern einer Genossenschaft gemäß § 147 GenG a. F. angenommen, im Falle einer unrichtigen Darstellung der Vermögenslage der Gesellschaft durch die Vorstandsmitglieder die Unrichtigkeit der Angaben gegenüber der Genossenschaftsversammlung bei entsprechender Kenntnis aufzuklären, ohne jedoch auf ihren Entstehungsgrund näher einzugehen270. Auch im Schrifttum wurden Stimmen laut, die sich mit dem unreflektierten Verweis auf die gesellschaftsrechtliche Überwachungspflicht des Aufsichtsrats begnügen, um auch eine korrespondierende Garantenverantwortung seiner Mitglieder zu proklamieren271. Der rein formale Verweis auf eine inhaltsgleiche, außerstrafrechtliche Pflicht kann allerdings – wie bereits eingehend dargelegt wurde272 – die strafrechtliche Überwachungspflicht für sich nicht hinreichend begründen. Auf eine trag- und zugleich konsensfähige Grundlage lässt sich eine solche „Aufsichtsgarantenposition“ 273 der Mitglieder des Aufsichtsrats nur stellen, wenn es gelingt, die daraus abzuleitende Straftatverhinderungspflicht zur Abwendung des tatbestandsmäßigen Erfolges materiell aus dem hier entwickelten274 normativen Herrschaftsgedanken heraus zu legitimieren. Mit dieser Aufgabe findet man sich indessen auf einem Problemfeld des Unternehmensstrafrechts wieder, das zu 269 So namentlich Brammsen, in: Individuelle Verantwortung, S. 126 in Fn. 120; Cramer, in: FS Stree / Wessels 1993, S. 586; Lüderssen, in: FS Lampe 2003, S. 741; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 120 ff. 270 RGSt 14, 80 (81); 45, 210 (212). 271 So vor allem Tiedemann, in: FS Tröndle 1989, S. 322; sowie Dannecker, in: Michalski, Komm. GmbHG, § 82 / Rn. 63; Kohlmann, in: Hachenburg / Ulmer, Großkomm. GmbHG, Vor § 82 / Rn. 51; Schaal, in: Rohwedder / Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, Vor §§ 82 – 85 / Rn. 14; zuletzt auch Schramm, Untreue, S. 136; mit Vorbehalten dagegen Spindler, in: Spindler / Stilz, Komm. AktG, § 116 / Rn. 205. 272 Vgl. nochmals zu den Defiziten einer rein formalen Legitimation B., I. 1. 273 Diesen Begriff hat Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 224 ff., geprägt. 274 Siehe oben B., I., 2., b), dd) sowie B., II.

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den heute noch umstrittensten Bereichen der gesamten Garantendogmatik zählt275. Die Frage einer strafrechtlichen Unterlassungshaftung der Unternehmensleitung für die Nichtverhinderung von Straftaten durch Betriebsangehörige hat dabei vor allem unter dem Stichwort der „Geschäftsherrenhaftung“276 in den letzten Jahren für eine Menge fachjuristischen Tintenfluss gesorgt277. Ein rechtsvergleichender Blick über die nationalen Grenzen lässt im Ausland die klare Tendenz zur Anerkennung einer entsprechenden (garantenähnlichen) Strafhaftung erkennen. So kennt etwa das französische Strafrecht für weite Bereiche eine „responsabilité d’autrui“, während im Common Law eine Haftung für fremdes Verschulden in Gestalt der „implied vicarious liability“ existiert278. Ebenso hat sich das schweizerische Bundesgericht für die Annahme einer entsprechenden Aufsichtsgarantenpflicht ausgesprochen279. Nicht zuletzt fordert auch auf supranationaler Ebene das Corpus Juris eines europäischen Strafrechts280 in Art. 12 eine strafrechtliche Unterlassungshaftung von Personen mit Entscheidungs- oder Kontrollbefugnissen innerhalb eines Unternehmens für die Straftaten ihrer Untergebenen281. Die nationale Rechtsprechung lässt dagegen wirklich richtungweisende Urteile gegenwärtig vermissen. In der Nachkriegsrechtsprechung ist zwar auf der einen Seite keine kontinuierliche Fortsetzung der früheren Reichsgerichts-Rechtsprechung zur prinzipiellen Garantenhaftung des Betriebsinhabers282 festzustellen, andererseits wurde die Garantenverantwortung aber auch nirgendwo grundsätzlich in 275 So die Einschätzung von Roxin, AT II, § 32 / Rn. 134; ähnlich Kühl, Komm. StGB, § 13 / Rn. 14. 276 Der Begriff passt zwar allenfalls für Betriebe oder Unternehmen kleineren Zuschnitts, bei denen Leitung und Inhaberschaft nicht auf unterschiedliche Personen bzw. Organe verteilt sind. Er hat sich jedoch zur Beschreibung der Straftatverhütungspflicht der Unternehmensleitung durchgesetzt und soll deshalb auch hier im Weiteren verwendet werden. 277 Vgl. insbesondere die Monographien von Hsü, Garantenstellung des Betriebsinhabers, S. 11 ff.; Walter, Pflichten des Geschäftsherrn, S. 46 ff.; sowie Bosch, Organisationsverschulden, S. 142 ff.; Gimbernat, in: FS Roxin 2001, S. 653 ff.; Schall, in: FS Rudolphi 2004, S. 267 ff., jeweils m. w. N. 278 Allerdings sind diese richterrechtlichen Figuren in beiden Rechtsordnungen vor allem für Straftaten gedacht, die kein Verschulden erfordern, vgl. Smith / Logan, Criminal Law, S. 174 ff.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 184; ders., in: FS Nishihara 1998, S. 505 f. m. w. N. 279 SchwBGE 96 IV 155 (174 f.) „Bührle“; SchwBGE 105 IV 172 (176 f.); vgl. auch Schubarth, ZStR 1976 (92), S. 370 ff.; Vest, ZStR 1988 (105), S. 288 ff. 280 Corpus Juris der strafrechtlichen Regelungen zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union, in der Fassung von Florenz, Stand 25. 03. 2003. 281 Näher dazu Ambos, Der allgemeine Teil, S. 666 ff.; Weigend, in: FS Roxin 2001, S. 1393 ff. Zu einem Gesetzesentwurf für das nationale Recht vgl. Schünemann, Deutsche Wiedervereinigung III, S. 156 ff. 282 RGSt 57, 151; 58, 155; 75, 296; siehe dazu auch Bosch, Organisationsverschulden, S. 149 ff.

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Frage gestellt283. Dem „Lederspray-Urteil“ des Bundesgerichtshofs284 kann zumindest eine gewisse Offenheit und Tendenz für eine allgemeine betriebsbezogene Garantenstellung entnommen werden285. Im Ergebnis beschränkt sich der definitive Aussagegehalt des Judikats gleichwohl auf eine Garantenpflicht aus Ingerenz zum Rückruf gefährlicher Produkte, da die Frage einer allgemeinen Geschäftsherrenhaftung vom Gericht nicht einmal aufgeworfen wurde286. In kriminalpolitischer Hinsicht wird die Kontroverse um eine Überwachungsgarantenstellung auf Grund der Verantwortung für fremdes Handeln im Betrieb von dem unabweisbaren Bedürfnis einer angemessenen strafrechtlichen Ahndung der aus einem Unternehmensverband heraus begangenen Rechtsgutsbeeinträchtigungen Dritter getragen287. Denn die innerbetriebliche Arbeitsteilung, die Delegation von Aufgaben sowie die Trennung der Funktionen mit der Konsequenz dezentralisierter Organisationsstrukturen bringen häufig zugleich eine Teilung der Verantwortung im Unternehmen mit sich, die in strafrechtlicher Hinsicht einer Zurechnung und prozessualen Verfolgung von Straftaten erhebliche Hindernisse bereitet288. Darüber hinaus führt sie – letztlich unabhängig vom arithmetischen Ausgangspunkt einer „top down“- oder „bottom up“-Verantwortungszuweisung289 – tendenziell zu einer Verlagerung der Tatzurechnung auf die „unteren“ Glieder der Organisation, weil nur diese die deliktstypische Handlung selbst vornehmen290. Vor diesem Hintergrund erklärt sich ein allgemeines Interesse, diesen gordischen Knoten durch eine (zusätzliche) Unterlassungshaftung des Aufsichts- und Führungspersonals für nicht selbst verursachte Schadensfolgen zu lösen, um die generalpräventive Abschreckungswirkung des Strafrechts auch im Bereich des Wirtschaftslebens und damit im „wichtigsten Subsystem der zeitgenössischen Gesellschaft“ durchgängig aufrechtzuerhalten bzw. zu steigern291. Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 77. BGHSt 37, 106. 285 Ähnlich v. Freier, Verbandsstrafe, S. 273; An. Kaufmann, Pflichtverletzungen im Unternehmen, S. 123. 286 Schünemann, in: FG BGH IV 2000, S. 635. 287 Vgl. Landscheidt, Garantenpflichten, S. 114 f.; Schünemann, ZStW 96 (1984), S. 318; ders., GS Meurer 2002, S. 49 f.; ders., Unternehmenskriminalität, S. 27; Walter, Pflichten des Geschäftsherrn, S. 90. 288 Die auftretenden Beweisprobleme in der Unternehmenskriminalität verdeutlicht Hillenkamp, in: Recht und Wirtschaft, S. 225 ff. 289 Vgl. zu dieser Unterscheidung Bosch, Organisationsverschulden, S. 144 f. 290 Vgl. Kohlmann / Ostermann, wistra 1990, S. 122 f.; Otto, Jura 1998, S. 409 f.; Schünemann, wistra 1982, S. 42; ders., ZStW 96 (1984), S. 318. 291 Vgl. Schünemann, GS Meurer 2002, S. 48 ff. Angesichts dieser Interessenlage gab es in der Vergangenheit bereits konkrete Vorschläge zur Einführung eines allgemeinen Straftatbestandes der Aufsichtspflichtverletzung in Betrieben und Unternehmen. So sprach sich zuletzt der Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Umweltkriminalität (schlussendlich ergebnislos) für die Einführung einer solchen Vorschrift in § 261 StGB-E aus; vgl. Kohlmann / Ostermann, wistra 1990, S. 125 ff.; BR-Drucks. 126 / 90, S. 5 ff. 283 284

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Die kriminalpolitisch geprägten Motive einer Geschäftsherrenhaftung reagieren allerdings in spezifischer Weise auf die Schwierigkeiten, die sich aus dem betrieblichen Organisationsprinzip der Dezentralisierung für das Unternehmensstrafrecht ergeben und lassen sich für die Verwaltung einer Aktiengesellschaft und das diesbezügliche Verhältnis zwischen Aufsichtsrat und Vorstand nicht in der gleichen Form postulieren. Denn der gesetzlich verankerten Zweiteilung der Verwaltung in ein mit Außenwirkung handelndes Geschäftsführungsorgan (Vorstand) auf der einen Seite, und ein davon getrenntes Überwachungsorgan (Aufsichtsrat) auf der anderen Seite, liegt gerade keine für die Betriebsorganisation typische hierarchische Ordnung der beiden Funktionsträger mit der Möglichkeit zur Aufgaben- und Verantwortungsdelegation zu Grunde, sondern vielmehr die Idee einer gezielten Machtbalance zwischen den Organen nach dem System der „Checks and Balances of Power“292. Darüber hinaus ist die sich für den Aufsichtsrat ergebende, weitgehende Divergenz zwischen „Handlung“293 und Organverantwortung dem aktienrechtlichen System der dualen Unternehmensverfassung gerade immanent. Der deutsche Gesetzgeber hat mit dem Aufsichtsrat gegenüber dem ansonsten weltweit überwiegenden One Board- oder One Tier-System, das nur ein Verwaltungsorgan kennt, eine zusätzliche Kontrollinstanz geschaffen294. Insofern kann aus kriminalpolitischer Sicht keine Rede davon sein, dass durch die strukturelle Funktionentrennung innerhalb der Verwaltung der Rechtsgüterschutz außenstehender Dritter beeinträchtigt oder erschwert wird295 und bereits deshalb – entsprechend der weitläufigen Argumentation bei der Geschäftsherrenhaftung – für ein Unterlassen des Aufsichtsrats ein besonderes Strafbedürfnis besteht296. Eine andere Frage ist es hingegen, ob nicht auf Grund der im Gesellschaftsrecht vollzogenen Verantwortungsteilung in der Konsequenz auch die strafrechtliche Verantwortlichkeit beider Verwaltungsorgane im Interesse einer wirksamen, durchgängigen Spezial- und Generalprävention297 kriminalpolitisch zu begrüßen wäre, zumal der Aufsichtsrat, schöpft er seine Möglichkeiten zur Personal- und Sachentscheidung wirklich aus, oft zum eigentlichen Führungsorgan des Unternehmens werden kann298. Die Antwort mag an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Denn eine Vgl. Hüffer, Komm. AktG, § 76 / Rn. 4; Kort, in: Großkomm. AktG, Vor § 76 / Rn. 9. Damit ist in diesem Zusammenhang die strafrechtlich relevante Handlung gegenüber Dritten gemeint. 294 Siehe bereits oben § 2, B., III., 2. 295 Vgl. zum Gebot der Unabhängigkeit des Rechtsgüterschutzes von Organisationsstrukturen Cramer / Sternberg-Lieben, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 15 / Rn. 223 f.; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 209; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 87 f. 296 Dass allein das vermutete Interesse des Aufsichtsrats an den Straftaten des Vorstands keine Garantenstellung zu begründen vermag, versteht sich überdies von selbst. Entsprechend v. Freier, Verbandsstrafe, S. 275 in Fn. 49. 297 Vgl. dazu sowie zu den Strafzwecken allgemein Wessels / Beulke, AT, Rn. 12a. 298 Vgl. Raiser / Veil, Kapitalgesellschaften, § 13 / Rn. 12. 292 293

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dogmatisch und rechtsstaatlich fundierte Begründung der Garantenstellung de lege lata können solche Überlegungen letzten Endes ohnehin nicht ersetzen. Deshalb gilt es vor allen Dingen, den Blick für die maßgeblichen Probleme bei der rechtsdogmatischen Legitimation einer Überwachungsgarantenpflicht auf Grund der Verantwortung für fremdes Handeln zu schärfen. Eine solche Garantenbeziehung zeichnet sich zunächst allgemein dadurch aus, dass der Betreffende rechtlich verpflichtet ist, eine andere Person so zu beaufsichtigen, dass sie Dritten keinen Schaden zufügt, und er deshalb für ihr rechtswidriges Verhalten auch strafrechtlich die Verantwortung trägt299. Die Begründung einer solchen Verantwortungsposition bereitet jedoch Schwierigkeiten, sobald die zu überwachende Person selbst voll schuldfähig ist300. Denn das im Strafrecht geltende Prinzip der Eigenverantwortlichkeit eines jeden Menschen schließt es grundsätzlich aus, jemanden für das rechtswidrige Verhalten eines anderen sekundär zur Verantwortung zu ziehen301. Deshalb kann auch der Weg zur Legitimation einer (zusätzlichen) Garantenverantwortung des Aufsichtsrats für das Verhalten des Vorstands nur über eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Einwand der strafrechtlichen Eigenverantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder führen. Im Folgenden sind deshalb zunächst die Bedingungen zu formulieren, unter denen als Ausnahme zum Grundsatz der Selbstverantwortung eine Überwachungsgarantenstellung allgemein in Betracht kommt (1.). Anschließend soll anhand der wissenschaftlichen Diskussion um eine Geschäftsherrenhaftung veranschaulicht werden, inwieweit diese allgemeinen Kriterien im Unternehmensbereich Eingang finden (2.), um auf dieser Grundlage schließlich den Transfer auf das vorliegend interessierende Verhältnis zwischen Aufsichtsrat und Vorstand vorzunehmen (3. und 4.).

1. Die Entstehungsvoraussetzungen einer Aufsichtsgarantenpflicht vor dem Hintergrund des strafrechtlichen Prinzips der Eigenverantwortlichkeit Nach dem strafrechtlichen Prinzip der Eigenverantwortlichkeit und der Selbstbestimmung der Rechtsgenossen besteht regelmäßig keine – über den Rahmen des § 323c StGB hinausgehende – strafbewehrte Sonderpflicht, das Handeln anderer 299 Kühl, AT, § 18 / Rn. 116; Otto / Brammsen, Jura 1985, S. 598 f.; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 51. 300 Unbestritten sind derartige Aufsichtspflichten hingegen bezüglich eingeschränkt Schuldfähiger, wie zum Beispiel die der Eltern, Betreuer und Lehrer gegenüber Minderjährigen, vgl. Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 33. 301 Dazu eingehend Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 1 ff., 6, 42; vgl. auch Arzt, JA 1980, S. 652; Gimbernat, in: FS Roxin 2001, S. 651; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 104; Seelmann, in: NK-StGB1, § 13 / Rn. 127; Wessels / Beulke, AT, Rn. 724.

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Menschen zu überwachen und eine freiverantwortlich begangene, fremde Straftat zu verhüten302. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nur dort in Betracht, wo die Verantwortung für das rechtswidrige Verhalten einer Person durch die Rechtsordnung (auch) einem Dritten auferlegt wird303.

a) Die Bedeutung gesetzlicher Spezialregelungen einer Aufsichtspflicht Vorschriften, in denen eine Verantwortungszuweisung dieser Art expressis verbis normiert ist, finden sich nur für vereinzelte Sonderfälle. So stellt § 357 Abs. 1 3. Alt. StGB dezidiert unter Strafe, dass ein Vorgesetzter eine rechtswidrige Tat seines Untergebenen im Amt geschehen lässt. Ähnlich wird im Wehrstrafgesetz in den §§ 30 Abs. 2, 31 Abs. 2, 41 das Nichteinschreiten des militärischen Vorgesetzten gegen das Fehlverhalten seiner Untergebenen sanktioniert. § 108 Abs. 1 Satz 1 2. Alt SeemannsG sieht schließlich eine entsprechende Aufsichtspflicht der Schiffsoffiziere304 gegenüber den untergebenen Besatzungsmitgliedern vor305. Darüber hinaus existieren indes keine weiteren Bestimmungen, die eine Straftatverhinderungspflicht Dritter ausdrücklich vorsehen. Auf Grund des Fehlens einer diesen Normen entsprechenden strafrechtlichen Regelung für den Bereich der Privatwirtschaft sehen sich im Umkehrschluss verschiedene Stimmen in der Literatur gehindert, eine solche Sekundärverantwortung für fremdes Verhalten gegen den (scheinbaren) Willen des Gesetzgebers im Wege der Anerkennung eines unechten Unterlassungsdeliktes einzuführen306. Diese Argumentation sieht sich zunächst bereits dem methodischen Einwand ausgesetzt, dass mit der gleichen logischen Berechtigung gerade aus den bestehenden Vorschriften auch im Wege eines Analogieschlusses eine entsprechende allgemeine Unterlassungshaftung von „Führungspersonen“ abgeleitet werden könnte307. Auf Grund ihrer beliebigen Austauschbarkeit können daher letztlich beide 302 Bestes Beispiel dafür ist die eheliche Gemeinschaft, in der zwar eine gegenseitige Schutzpflicht der Ehepartner, aber keine Beaufsichtigungspflicht besteht, vgl. nur Kühl, AT, § 18 / Rn. 117. 303 Ebenso R. Busch, Unternehmen, S. 540; Peter, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 78; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 32. 304 Vgl. auch RGSt 71, 177. 305 Vgl. überdies zu einer strafbewehrten Aufsichtspflichtverletzung im Presserecht, § 20 Abs. 2 Nr. 2 LPresseG BW sowie die entsprechenden Vorschriften in den übrigen Landespressegesetzen; zu den Überwachungspflichten des Personals im Strafvollzug, § 2 Satz 2 StVollzG, siehe auch RGSt 53, 292. 306 So vor allem Jescheck, in: LK-StGB, § 13 / Rn. 45; Otto, GRUR 1982, S. 282; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 35a. 307 Zu dieser bekannten Austauschbarkeit des argumentum a simile und des argumentum e contrario, siehe OLG München, DB 1984, S. 499; Th. Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 115; Rogall, ZStW 98 (1986), S. 615; sowie grundlegend Engisch, Einführung, S. 148 f.; Schünemann, wistra 1982, S. 43, ist jedoch beizupflichten, dass diese Einzelfälle als

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juristischen Schlussfolgerungen zu einer Ergebnisfindung wenig beitragen. Davon abgesehen bleibt aber auch gänzlich unklar, warum gerade in diesem Zusammenhang eine ausdrückliche gesetzliche Regelung von Nöten sein soll, wenn sie im Übrigen bei anderen Garantenstellungen nicht verlangt wird308. Ferner lässt sich keiner dieser Bestimmungen anhand ihrer Genese auch nur annähernd zuverlässig entnehmen, dass der Gesetzgeber die Unterlassungshaftung für das Verhalten vollverantwortlicher Dritter mit der einzelfallbezogenen Positivierung abschließend regeln wollte309. Die legislative Entwicklung bei den nebenstrafrechtlichen Vorschriften im Wettbewerbsrecht weist vielmehr in eine andere Richtung. Dort verzichtete der Gesetzgeber zuletzt im Rahmen der UWG-Reform 2004 auf die bisher in § 4 Abs. 2 UWG a. F. ebenfalls ausdrücklich enthaltene Normierung einer Unterlassungsstrafbarkeit des Betriebsleiters bei irreführenden Werbeangaben der Angestellten, ohne dabei aber von seiner Grundhaltung zu einer Garantenpflicht in diesen Fällen310 Abstand zu nehmen311. Dies macht deutlich, dass er auch vom Bestehen nicht ausdrücklich positivierter Überwachungsgarantenpflichten im Unternehmensbereich nach den allgemeinen Grundsätzen des Strafrechts ausgeht und demnach den normierten Tatbeständen keine Exklusivität beimisst312. Letztendlich ist hier eine für die Unterlassungsstrafbarkeit gerade typische, ungeregelte Situation anzutreffen, die es anhand der allgemeinen Maßstäbe des § 13 Abs. 1 StGB zu beurteilen gilt. Mit konkretem Blick auf den Aufsichtsrat ist in diesem Zusammenhang allerdings noch eine weitere Frage zu klären. In § 130 OWiG hat der Gesetzgeber das Problem der Aufsichtspflichten in Betrieben und Unternehmen immerhin einer eigenen Regelung unterworfen und eine diesbezügliche Pflichtverletzung zwar nicht als Straftat, aber doch zumindest als Ordnungswidrigkeit pönalisiert. Wertet man nun, wie einige Autoren es tun313, diese unternehmensspezifische Bestimmung als gesetzgeberische Entscheidung für das Bestehen einer betriebsbezogenen Überwachungsgarantenpflicht, so stellt sich zwangsläufig die Frage nach Konsequenzen für die Mitglieder des Aufsichtsrats. Denn § 130 OWiG beschränkt die Pflichtenposition gerade ausdrücklich auf den Unternehmensinhaber und damit im Rahmen Grundlage für einen Analogieschluss zu fragmentarisch wären. Davon abgesehen kann diese rein formelle Betrachtungsweise ohnehin für eine Legitimation nicht ausreichen. 308 Dies bemerkt auch v. Freier, Verbandsstrafe, S. 300. 309 So im Ergebnis auch Brammsen, in: Individuelle Verantwortung, S. 129; Hoyer, in: Individuelle Verantwortung, S. 199 ff.; Rogall, ZStW 98 (1986), S. 615; Seelmann, in: NKStGB1, § 13 / Rn. 131, Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 13 / Rn. 47. 310 In Begr. RegE., BT-Drucks. 8 / 2145, S. 12 ging der Gesetzgeber ausdrücklich von einer Garantenposition im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB aus. 311 Siehe Begr. RegE., BT-Drucks. 15 / 1487 zu § 16 n.F. 312 Zu diesem Ergebnis gelangen auch Ch. Alexander, WRP 2004, S. 412; Brammsen, in: Individuelle Verantwortung, S. 132; Hefermehl / Köhler / Bornkamp, Komm. UWG, § 16 / Rn. 21; Rogall, ZStW 98 (1986), S. 615. 313 So Göhler, in: FS Dreher 1977, S. 621; Landscheidt, Garantenpflichten, S. 112 f.

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einer Aktiengesellschaft entsprechend auf den Vorstand als Geschäftsführungsorgan (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG)314. Poseck sieht sich aus diesem Grund zu der Schlussfolgerung veranlasst, dass eine derartige strafbewehrte Pflicht für den Aufsichtsrat infolge seiner Nichtnennung vom Gesetzgeber nicht intendiert sei. Es wäre „ein fragwürdiges Ergebnis, direkt zum einschneidenderen Strafrecht zu greifen, weil der Anwendungsbereich des OWiG verschlossen ist“315. Diese Konklusion lässt sich jedoch in zweierlei Hinsicht nicht aufrechterhalten. Zunächst sollte die Vorschrift des § 130 OWiG nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers die allgemeine Frage der Garantenhaftung nicht präjudizieren 316, sondern lediglich als Vorfelddelikt eine Art Auffangtatbestand einnehmen, der auf den Schuldzusammenhang mit der Zuwiderhandlung verzichtet317 und subsidiär auch nur dann eingreift, wenn der Überwachungspflichtige die in Bezug genommene Sonderpflicht nicht vorsätzlich oder fahrlässig selbst täter- oder teilnehmerschaftlich verletzt hat318. Darüber hinaus ist es kein „fragwürdiges Ergebnis“, angesichts der Nichtnennung des Aufsichtsrats in § 130 OWiG „direkt zum einschneidenderen Strafrecht zu greifen“, sondern vielmehr ausdrücklicher Wille des Gesetzgebers. Die Bestimmung des § 21 Abs. 1 OWiG bringt dies unmissverständlich zum Ausdruck, indem sie dem Ordnungswidrigkeitenrecht stets nur eine subsidiäre Bedeutung gegenüber dem Strafrecht zuschreibt. Insofern erlauben Genese und Wortlaut des § 130 OWiG keine Schlussfolgerungen im Hinblick auf eine Aufsichtsgarantenpflicht der Aufsichtsratsmitglieder, weder im negativen noch im positiven Sinne. Als Zwischenresümee lässt sich somit festhalten, dass die vereinzelt vom Gesetzgeber ausdrücklich positivierten Aufsichtspflichten eine ihnen teilweise zugesprochene Sperrwirkung nicht beanspruchen und demzufolge der Entwicklung einer entsprechenden Überwachungsverantwortung nach allgemeinen garantendogmatischen Grundsätzen jedenfalls nicht entgegenstehen.

b) Begründung einer Verantwortung für fremdes Handeln auf der Grundlage einer praktischen Konkordanz von personaler Herrschaftsmacht und Eigenverantwortlichkeit Eine Verantwortung für fremdes Handeln in der spezifischen Gestalt einer Überwachungsgarantenpflicht hat im Grundsatz zunächst wiederum die materiellen VoVgl. dazu Bohnert, Komm. OWiG, § 130 / Rn. 8 und § 9 / Rn. 10 f. m. w. N. Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 120. 316 Siehe Schünemann, wistra 1982, S. 43; zustimmend auch R. Busch, Unternehmen, S. 539. 317 Die Zuwiderhandlung ist lediglich objektive Bedingung der Ahndbarkeit, vgl. Bohnert, Komm. OWiG, § 130 / Rn. 24. 318 Allgemeine Meinung; vgl. nur BGH VRS 70, 29 ff.; OLG Düsseldorf, wistra 1989, S. 358; Bohnert, Komm. OWiG, § 130 / Rn. 1 m. w. N.; Brammsen, in: Individuelle Verantwortung, S. 132 m. w. N., Roxin, AT II, § 32 / Rn. 140. 314 315

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raussetzungen einer strafrechtlichen Garantieposition nach Maßgabe des normativen Herrschaftskriteriums zu erfüllen319. In dieser besonderen Konstellation findet aber eine Garantenpflicht dennoch nur dann eine Legitimation, wenn sie zugleich einer Überprüfung im Hinblick auf die gegenläufigen Kautelen des strafrechtlichen Grundsatzes der Eigenverantwortlichkeit standhält. Insofern muss eine dogmatisch tragfähige Herleitung die Prinzipien der personalen Herrschaft und der Eigenverantwortlichkeit miteinander in praktische Konkordanz bringen und durch eine normative Abgrenzung der Verantwortungsbereiche der beteiligten Personen jedem Grundsatz so weit Geltung verschaffen, wie es der andere gestattet320. Dazu bietet es sich an, auf die erwähnten, gesetzlich bereits anerkannten Fälle einer Sekundärverantwortung für das rechtswidrige Verhalten Dritter zu rekurrieren321. Diesen Vorschriften lässt sich eindeutig die normative Wertung entnehmen, dass eine entsprechende Unterlassungshaftung stets eine Art „Autoritätsstellung“ der Überwachungspflichtigen voraussetzt, die sie als notwendige Kehrseite ihrer Verantwortung auch in die Lage versetzt, das Verhalten der zu überwachenden Personen gestalten, kontrollieren und damit letztlich beherrschen zu können322. Außerhalb der hierarchisch aufgebauten staatlichen Organisationen mit ihren „besonderen Gewaltverhältnissen“ wird die Annahme solcher personaler Herrschaftsbeziehungen indes zum Teil pauschalierend mit dem Hinweis abgelehnt, dass im privatrechtlichen und privatwirtschaftlichen Bereich eine vergleichbare effektive Beeinflussung fremden Willens schlechthin ausgeschlossen sei323. Vor allem im Arbeitsleben verkennt diese Einschätzung angesichts der unabweisbaren Befehlsund Organisationsgewalt von Vorgesetzten und Arbeitgebern aber sehr oft die faktische und auch normative Realität in den Betrieben und Unternehmen324, so dass eine differenzierende Betrachtung in diesem Zusammenhang unbedingt von Nöten ist. Als Ausfluss des Grundrechts auf freie Willensentschließung und Willensbetätigung325 sowie als unabdingbare Voraussetzung menschlicher Würde und Persönlichkeit gestattet das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit in einer der Gleichheit und Selbstbestimmung ihrer Bürger verhafteten Rechtsgesellschaft jedenfalls nur dort eine Ausnahme, wo nicht nur faktische Zwänge bestehen, sondern das Recht Siehe oben B., II. So auch R. Busch, Unternehmen, S. 555; Rogall, ZStW 98 (1986), S. 616 f.; Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 330. 321 Vgl. auch An. Kaufmann, Pflichtverletzungen im Unternehmen, S. 120. 322 Vgl. Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 224 ff.; Herzberg, Unterlassung, S. 320 f.; Jescheck, in: LK-StGB, § 13 / Rn. 41; Roxin, AT II, § 32 / Rn. 125 ff.; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 32 ff.; Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 323 ff.; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 51 f.; sowie oben B., I., 2. b), dd) und III. 323 Herzberg, Unterlassung, S. 320 f.; Immel, ZRP 1989, S. 108 f.; Otto / Brammsen, Jura 1985, S. 599 f. 324 So insbesondere auch R. Busch, Unternehmen, S. 540. 325 Siehe dazu bereits oben B., I., 2., b), dd). 319 320

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selbst unter Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze eine Einschränkung zulässt und den Autoritätspersonen die Ausübung rechtlich fundierter Anordnungs- oder Herrschaftsmacht gewährt326. Diese Voraussetzung deckt sich mit den Anforderungen, die das normative Herrschaftskriterium bereits allgemein an die Legitimation einer Garantenpflichtposition stellt und bereitet insofern keinen weitergehenden, spezifischen Begründungsaufwand. Dass die primäre Eigenverantwortlichkeit der „Untergebenen“ einer Überwachungspflicht im Rahmen derartiger personaler Herrschaftsverhältnisse dann nicht entgegensteht, lassen nicht nur die erwähnten, gesetzlich positivierten Sonderfälle erkennen327, sondern zeigt sich überdies vor allem darin, dass Überwachungsgaranten nach nahezu einhelliger Meinung328 auch solche Straftaten verhindern müssen, die vollverantwortlich handelnde Dritte unter Ausnutzung der der Herrschaftsgewalt des Garanten unterliegenden, sachlichen Gefahrenquellen begehen wollen329. Eine solche normative Zuordnung der Verantwortungsbereiche im Rahmen des Herrschaftsprinzips ist dem Strafrecht aber auch außerhalb der Garantendogmatik nicht fremd330 und vor allem im Bereich der mittelbaren Täterschaft bereits anerkannt. Dort heben beispielsweise die von der Einbindung in einen organisatorischen Machtapparat ausgehenden Zwänge die Willensbetätigungsfreiheit des Tatmittlers ebenfalls nicht gänzlich auf, sofern sie nicht schlechthin unwiderstehlich sind. Und trotz der insoweit uneingeschränkten primären Verantwortlichkeit der Vordermänner wird auch hier nach dem strafrechtlichen Werturteil in Rechtsprechung und Lehre eine strafbewehrte Sekundärverantwortung der Hintermänner auf Grund einer „Willens- bzw. Organisationsherrschaft“ als sog. „Täter hinter dem Täter“ angenommen331. Gerade der Bundesgerichtshof erstreckt diese Rechtsfigur in seiner 326 So überzeugend Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 226; ders., in: Individuelle Verantwortung, S. 124; im Ergebnis auch Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 117; Peter, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 80 ff.; Schall, in: Deutsche Wiedervereinigung, Band III, S. 110; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 30 / Rn. 96 ff.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 185. 327 Über die spezialgesetzlichen Regelungen hinaus ist auch für das Anstaltspersonal gegenüber Sicherungsverwahrten, für Lehrer gegenüber strafmündigen Schülern sowie für Fahrlehrer gegenüber ihren Fahrschülern eine Straftatverhinderungspflicht innerhalb personaler Autoritätsbeziehungen anerkannt, vgl. Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 52. 328 Siehe Roxin, AT II, § 32 / Rn. 110; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 43 m. w. N. 329 Klassisches Beispiel ist die Verantwortung des Halters eines Kraftfahrzeuges, vgl. Schall, in: FS Rudolphi 2004, S. 273; siehe auch R. Busch, Unternehmen, S. 542; zur Mindermeinung zuletzt Kirchner, Unterlassungshaftung, S. 85 f., 155 ff. 330 Zur Möglichkeit der „Beherrschung“ vollverantwortlich handelnder Dritter allgemein auch Kuhlen, in: Individuelle Verantwortung, S. 82 f. 331 Vgl. dazu eingehend den Urheber dieser Rechtsfigur, Roxin, AT II, § 25 / Rn. 105 ff., mit umfangreichen Nachweisen zur ihm folgenden herrschenden Meinung in Fn. 134; ders., Täterschaft, S. 242 ff., 677 ff.; sowie aus der Rspr. BGHSt 35, 353; 40, 236.

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jüngsten Rechtsprechung ausdrücklich auch auf den Bereich privater Unternehmensorganisationen332. Entgegen anders lautenden Stimmen im Schrifttum333 begründet es gleichwohl keinen Widerspruch oder dogmatische Distorsionen, wenn im Lichte dieser aufgezeigten Parallele auf der einen Seite in Betrieben und Unternehmen eine Aufsichtsgarantenpflicht kraft personaler Herrschaft angenommen wird, obwohl auf der anderen Seite eine die mittelbare Täterschaft konstituierende, unternehmerische Organisationsherrschaft der gleichen Autoritätspersonen von großen Teilen der Literatur334, sowie auch nach der hier vertretenen Meinung abzulehnen ist335. Denn eine mittelbare Täterschaft kraft Ausnutzung eines organisatorischen Machtapparats setzt im Unterschied zu einer Garantenstellung als tragendes Leitelement einen in spezifischer Weise implementierten rechtsfeindlichen Charakter der Organisation voraus336. Eine differenzierende Beurteilung der beiden Haftungsfiguren beruht deshalb – ganz abgesehen von der Fragwürdigkeit einer tatherrschaftsvermittelnden Fungibilität der Beschäftigten337 – vielmehr auf dem Faktum, dass es in rechtskonform arbeitenden Wirtschaftsunternehmen innerhalb der hierarchischen Ordnungen eben realiter an Befehlsstrukturen fehlt, in denen die Geltung staatlichen Rechts allgemein außer Kraft gesetzt ist338. Der maßgebliche Unterschied besteht darin, dass die Anordnung strafbarer Handlungen keine (Organisations-)Herrschaft konstituieren kann, solange sich die Beteiligten einer unabhängigen Rechtsordnung verpflichten, weil die Gesetze den höheren Rangwert haben und deshalb im Normalfall die Durchführung rechtswidriger Befehle ausschließen339. Dahingegen stützt sich die personale Herrschaftsposition eines Garanten auf die Macht, strafbare Handlungen gerade zu untersagen.

BGHSt 40, 218 (236 f.) zunächst in einem obiter dictum; BGH, JR 2004, S. 245 ff. Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 117; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 85 f.; Rotsch, Individuelle Haftung, S. 194 f. 334 So u. a. Cramer / Heine, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 25 / Rn. 25a; Otto, AT, § 21 / Rn. 92; Roxin, AT II, § 25 / Rn. 129 ff., jeweils m. w. N.; a. A. Kühl, Komm. StGB, § 25 / Rn. 2, m. w. N.; Kuhlen, in: FG BGH IV 2000, S. 671 f.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 46 ff.; BGHSt 40, 218 (236 f.) in einem obiter dictum; vgl. auch jüngst BGH, JR 2004, S. 245 ff. 335 Gegen eine zwingende Korrelation von Aufsichtsgarantenstellung und mittelbarer Täterschaft ausdrücklich Brammsen, in: Individuelle Verantwortung, S. 143; Roxin, AT II, § 32 / Rn. 137; Schall, in: FS Rudolphi 2004, S. 272; Schünemann, in: FG BGH IV 2000, S. 631, mit Fn. 35; im Ergebnis auch Rogall, in: Neue Erscheinungsformen, S. 195 f.; anders offenbar R. Busch, Unternehmen, S. 542. 336 Sehr treffend Brammsen, in: Individuelle Verantwortung, S. 142 m. w. N.; Roxin, in: LK-StGB, § 25 / Rn. 129; Schünemann, in: FG BGH IV 2000, S. 631. 337 Vgl. dazu Brammsen, in: Individuelle Verantwortung, S. 142 m. w. N.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 47; Rotsch, NStZ 2005, S. 15 f.; sowie unten 2., b). 338 Brammsen, in: Individuelle Verantwortung, S. 142 f.; Otto, AT, § 21 / Rn. 92; Rogall, in: Neue Erscheinungsformen, S. 195 f.; Roxin, AT II, § 25 / Rn. 60 u. 130; ders., Täterschaft, S. 249 ff.; Schünemann, in: FG BGH IV 2000, S. 630 ff. 339 So überzeugend Roxin, Täterschaft, S. 249. 332 333

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Losgelöst von den in letzter Zeit zunehmenden Diskussionen um eine Organisationsherrschaft der Autoritätspersonen in Unternehmen340 ist es jedenfalls im Bereich der Garantendogmatik wie gezeigt möglich, die gegenläufigen Prinzipien der personalen Herrschaft und der Eigenverantwortlichkeit so in praktische Konkordanz zu bringen, dass sie die normative Zuordnung einer Sekundärverantwortung in Gestalt einer Aufsichtsgarantenstellung ausnahmsweise erlauben. Von beiden Grundsätzen jeweils vorausgesetztes Konstituens einer solchen Straftatverhinderungspflicht ist die Befugnis des Überwachungsgaranten, eine Betätigung fremder deliktischer Willensentschlüsse durch die Ausübung rechtlich bereits im Vorfeld eingeräumter Machtmittel zu unterbinden, ohne dadurch selbst tatbestandsmäßig und rechtswidrig zu handeln.

2. Die Anerkennung strafrechtlicher Aufsichtsgarantenpflichten im Unternehmen im Rahmen der sog. Geschäftsherrenhaftung Die strafrechtliche Geschäftsherrenhaftung war besonders in jüngster Vergangenheit Gegenstand vielfältiger wissenschaftlicher Bearbeitungen341. Mögen auch die insoweit gelegentlich getroffenen Pauschalbekundungen im Sinne einer generellen Ablehnung oder aber einer umfassenden Anerkennung einer Geschäftsherrenhaftung dazu verleiten, die geäußerten Standpunkte zu polarisieren, so wird eine derartige Radikalisierung dem heutigen Meinungsstand im Schrifttum gleichwohl nicht wirklich gerecht. Streitig ist im Ergebnis nicht mehr, ob die Geschäftsleitung in einem Unternehmen auf Grund der Herrschaft über eine Gefahrenquelle als Garant zur Verhinderung betriebsbezogener Straftaten der Untergebenen verpflichtet ist, sondern vielmehr die Frage, wie weit der Kreis der eine Unterlassungsstrafbarkeit auslösenden Straftaten zu ziehen ist. Tatsächlich vereint der insofern leicht irreführende Begriff der Geschäftsherrenhaftung auch unterschiedliche Garantenpositionen342, deren haftungsbegrenzenden Besonderheiten durch eine pauschalierende Betrachtung allzu leicht in den Hintergrund geraten. Inhalt und Reichweite der Garantenpflicht hängen vielmehr maßgeblich davon ab, welche der in Betracht kommenden, unternehmensspezifischen Gefahrenquellen einer normativen Herrschaft der Führungspersonen und damit ihrer strafrechtlichen Überwachungspflicht unterliegen. In diesem Punkt gehen die Ansichten in der Literatur letztlich auseinander, ohne dass sich allerdings einer der Standpunkte bisher als herrschend durchgesetzt hat. Zur Konturierung des Verantwortungsbereichs der Überwachungspflichtigen muss im Wesentlichen zwischen den Kriterien einer sachlichen Herrschaft über betriebliche Gefahrenquellen und einer personalen Herrschaft über untergebene Mitarbeiter differenziert werden.

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Zum gegenwärtigen Meinungsstand jüngst Rotsch, NStZ 2005, S. 13 ff. Vgl. die Nachweise oben in Fn. 277. Vgl. den Überblick bei Bosch, Organisationsverschulden, S. 147 f.

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a) Die Straftatverhinderungspflicht auf Grund der sachlichen Herrschaft über betriebliche Gefahrenquellen Eine Pflicht der Geschäftsleitung zur Verhinderung von Straftaten Untergebener wird zunächst weitgehend einmütig aus einer Überwachungsgarantenstellung auf Grund der normativen Herrschaft über die sachlich-gegenständlichen Gefahrenquellen im Betrieb hergeleitet343. Die strafrechtliche Verantwortung für die im eigenen sachlichen Herrschaftsbereich liegenden Gefahrenherde findet ihre Legitimation darin, dass Außenstehende diese exklusive fremde Herrschaftssphäre respektieren müssen, also auch nicht auf die in diesem Bereich liegenden Gefahrenquellen einwirken dürfen, und deshalb in ihrer Unversehrtheit entscheidend davon abhängig sind, dass derjenige, der die Verfügungsgewalt und Kontrolle über den Bereich ausübt, zugleich die aus dieser Herrschaftssphäre sich entwickelnden, rechtswidrigen Gefahren für Dritte eindämmt344. Auf der Grundlage des vorstrafrechtlichen neminem laede-Gebots ergibt sich diese Sicherungspflicht als notwendige Kehrseite der rechtlich eingeräumten Freiheit und Alleinzuständigkeit des Sachherrschaftsinhabers345 und findet in den zivilrechtlichen „Verkehrssicherungspflichten“ ihre Entsprechung346. Allerdings unterliegt die Verantwortung des „Sachherrschaftsgaranten“347 mit Blick auf seine Pflicht zur Straftatverhinderung einer gewichtigen Einschränkung. Den (Organ-)Besitzer348 oder Gewahrsamsinhaber349 trifft als Garant nur dann eine Handlungs- und Erfolgsabwendungspflicht, wenn der Sache selbst aufgrund ihrer Eigenart oder Beschaffenheit eine spezifische Gefahr anhaftet350. Die Innehabung der Herrschaft über eine an sich ungefährliche Sache begründet hingegen 343 Brammsen, in: Individuelle Verantwortung, S. 126 ff.; Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 118 ff.; Jescheck, in: LK-StGB, § 13 / Rn. 45; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 27, 35a; Schlüchter, in: FS Salger 1995, S. 148 f.; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 30 / Rn. 97; Wessels / Beulke, AT, Rn. 723; kritisch hingegen Rotsch, Individuelle Haftung, S. 203 ff. 344 Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 27; Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 290. 345 Vgl. dazu bereits oben B., I., 2., b), dd) sowie Bottke, Nichtverhütung von Straftaten, S. 28 ff.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 34 f. 346 Vgl. Sprau, in: Palandt, Komm. BGB, § 823 / Rn. 45 ff. 347 Brammsen, in: Individuelle Verantwortung, S. 126. 348 Zur unmittelbaren Sachherrschaft der Leitungspersonen bezüglich betrieblicher Gegenstände, die bei juristischen Personen rechtlich im Rahmen des sog. Organbesitzes besteht, vgl. Bassenge, in: Palandt, Komm. BGB, § 855 / Rn. 2 ff. u. § 854 / Rn. 10. 349 Für Leitungspersonen ist insoweit von übergeordnetem Mitgewahrsam auszugehen, ebenso Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 96. Vgl. aber zur nur bedingten Relevanz des Gewahrsamsbegriffs oben B., II. 350 So die heute wohl überwiegende Meinung. Diskutiert wird diese Frage vornehmlich am Beispiel des Wohnungsinhabers, für den nur bei einer besonderen Beschaffenheit der Wohnung, die die Begehung von Straftaten begünstigt, eine Garantenpflicht angenommen wird. Vgl. dazu Roxin, AT II, § 32 / Rn. 115 m. w. N.; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 47; aus der Rspr. zuletzt BGH, StV 2003, S. 280.

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allein noch keine Garantenstellung und dementsprechend auch keine Pflicht zur Verhinderung einer mittels dieser Sache begangenen Straftat. Denn wird die Sache erst durch die deliktische Verwendung eines Dritten gefährlich, so ist der bewirkte Deliktserfolg ausschließlich auf den fremden Missbrauch der Sache zurückzuführen und damit gemäß dem strafrechtlichen Grundsatz der Eigenverantwortung dem alleinigen Verantwortungsbereich des Begehungstäters zuzuschreiben351. Für die Unterlassungshaftung der Geschäftsleitung hat diese Restriktion zwei ganz wesentliche Konsequenzen. So lässt sich unter dem Gesichtspunkt der sachlichen Herrschaft über betriebliche Gefahrenquellen bereits nicht für jede deliktische Verwendung betriebszugehöriger Sachen eine Überwachungsgarantenstellung begründen. Eine Straftatverhinderungspflicht der Leitungspersonen findet vielmehr nur dann eine Legitimation, wenn die Straftat entweder mittels einer zum Betrieb gehörigen gefährlichen Sache oder aufgrund einer bereits an sich gefährlichen, sachgebundenen Verrichtung begangen wird352. Auf dieser Grundlage haben sie etwa die Auslieferung gesundheitsschädlicher Arznei- und Lebensmittel oder fehlerhafter Kraftfahrzeuge ebenso zu verhindern wie die Lieferung von Waffen an Terroristen oder Schädigungen der Umwelt353. Nicht erfassen lässt sich auf diese Weise hingegen zum Beispiel eine Bestechung durch Angestellte mit Mitteln aus dem Betriebsvermögen, die für sich eben noch keine sachliche Gefahr darstellen. Darüber hinaus versagt der sachlich-gegenständliche Anknüpfungspunkt vor allem aber auch in den Fällen, in denen die Untergebenen – wie etwa bei Wettbewerbsverstößen oder auch bei Handgreiflichkeiten eines gewalttätigen Türstehers354 – im Rahmen ihrer Straftat überhaupt keine gefährlichen Betriebsgegenstände als Tatmittel verwenden oder die Mitarbeiterdelinquenz keinen Zusammenhang mit den betriebstypischen Gefahren aufweist355. Den dadurch verbleibenden Haftungslücken versuchen einige Autoren in der Literatur wiederum zu begegnen, indem sie das Kriterium der Sachherrschaft über einzelne betriebliche Gegenstände auf die gesamte Organisation ausdehnen und den wirtschaftlichen Betrieb oder das Unternehmen insgesamt als die von den Leitungspersonen maßgeblich zu überwachende Gefahrenquelle bestimmen356. Diese 351 Ebenso Jakobs, AT, 29 / 36a; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 44; im Ergebnis auch v. Freier, Verbandsstrafe, S. 282 ff.; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 28; vgl. ferner Freund, Erfolgsdelikt, S. 227 ff. 352 Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 35a; Schall, in: FS Rudolphi 2004, S. 275; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 95 ff. 353 Vgl. Jescheck, in: LK-StGB, § 13 / Rn. 45; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 35a; siehe auch SchwBGE 96 IV 155 (174 f.) „Bührle“. 354 So die anschaulichen Beispiele von Roxin, AT II, § 32 / Rn. 139. 355 Ebenso R. Busch, Unternehmen, S. 538; Schubarth, ZStR 1976 (92), S. 384, der allerdings sehr restriktiv bereits bei verbotswidrigen Waffenlieferungen durch Angestellte eines Rüstungskonzernes eine betriebstypische Gefahr ablehnt; überzeugender die Gegenansicht bei Vest, ZStR 1988 (105), S. 301 in Fn. 48. 356 Achenbach, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, I 3 / Rn. 38; Bottke, Nichtverhütung von Straftaten, S. 28 ff.; Hoyer, in: Individuelle Verantwortung, S. 201 f.; Ransiek, Unternehmens-

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strukturelle Gleichstellung einer allgemeinen Betriebs- oder Unternehmensgefahr mit der Sachgefahr in Gestalt einer Art „verlängerten Sachgarantenstellung“357 vermag vom Ergebnis her zunächst zu überzeugen. Wirtschaftsunternehmen stellen regelmäßig komplex organisierte Herrschaftsbereiche dar, in denen die typischen Risiken zumeist nicht homogen entstehen, sondern sich durch eine Vielzahl oder durch das Zusammenspiel einzelner Ursachen entwickeln358. Die drohenden Gefahren für Dritte können nicht nur von gefährlichen Maschinen, Werkstoffen oder Verrichtungen im Unternehmen ausgehen, sondern schlicht auch in diversen Tätigkeiten der Mitarbeiter bei der Erfüllung ihrer betrieblichen Aufgaben und der Teilnahme am Rechtsverkehr359 ihren Ursprung haben. In bestimmten Situationen ist dabei eine eindeutige Trennung zwischen einer Sach- oder Personengefahr zudem kaum noch möglich, so etwa wenn technische Mängel eines Produktes durch einen Wartungsfehler hervorgerufen oder potenziert werden360. Insofern erscheint es nur konsequent, dass die Geschäftsleitung den gesamten „Gefahrenherd“ Unternehmen zu sichern hat und damit sämtliche unternehmensbezogenen Straftaten der Untergebenen verhindern muss, gleichgültig, ob sie dem sachlichen oder persönlichen Gefahrenpotential in der Organisation entspringen. Dogmatisch bleibt dieser Begründungsansatz einer erweiterten Straftatverhinderungspflicht allerdings defizient. Die wertende Gleichstellung der Gefährlichkeit eines Unternehmens mit der einer Sache361 stellt nicht nur eine zu vereinfachende Verdinglichung in Fällen dar, in denen die Mitarbeiterdelinquenz überhaupt keinen Sachbezug aufweist, weil die Straftaten ohne Betriebsgegenstände als Tatmittel verwirklicht werden362. Sie kann vor allem die zur Legitimation einer Überwachungspflicht stets erforderliche, positive Feststellung einer normativen Herrschaft des Garanten über die jeweilige Gefahrenquelle363 nicht ersetzen. Birgt ein Unternehmen aber sowohl sachliches als auch persönliches Gefahrenpotential in sich, so lässt sich eine durchgehende Verantwortung der Leitungspersonen für den gesamten „Gefahrenherd“ Unternehmen auf der Basis des normativen Herrschaftsprinzips nur dann materiell legitimieren, wenn die Geschäftsleitung entsprechend auch bezüglich jeder Risikoquelle in der Organisation zur sicherheitsgewährenden strafrecht, S. 35; ders., ZGR 1999, S. 615; Roxin, AT II, § 32 / Rn. 137; Schall, in: FS Rudolphi 2004, S. 277 f.; Schlüchter, in: FS Salger 1995, S. 148 f. u. 158; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 13 / Rn. 48. 357 Roxin, AT II, § 32 / Rn. 137; Schlüchter, in: FS Salger 1995, S. 158. 358 Dies betonen auch Rotsch, Individuelle Haftung, S. 203; Schall, in: FS Rudolphi 2004, S. 277. 359 Siehe dazu speziell Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 35; ders., ZGR 1992, S. 218 ff. 360 Mit Recht Roxin, AT II, § 32 / Rn. 137; vgl. auch Hsü, Garantenstellung des Betriebsinhabers, S. 5 f.; v. Freier, Verbandsstrafe, S. 281 ff. 361 Noll, in: Verhandlungen des 49. DJT, Band II, S. M 29, vergleicht in diesem Zusammenhang die Gefährlichkeit eines Unternehmens mit der eines Kraftfahrzeuges. 362 Ebenso v. Freier, Verbandsstrafe, S. 280. 363 Siehe oben B., II.

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Kontrolle berechtigt und in der Lage ist. Für unternehmensbezogene Straftaten, bei denen das deliktische Verhalten der Unternehmensangehörigen nicht durch betriebliche Sachmittel funktional bedingt ist, bietet eine sachliche Herrschaft wie bereits gezeigt keine Legitimationsgrundlage für eine Überwachungsverantwortung. Eine Straftatverhinderungspflicht lässt sich in diesen Konstellationen deshalb nur auf der Grundlage einer weitergehenden, personalen Herrschaftsmacht der Geschäftsleitung über die betreffenden „gefährlichen“ Mitarbeiter begründen.

b) Die Straftatverhinderungspflicht auf Grund der personalen Herrschaft über die untergebenen Mitarbeiter als Gefahrenquelle Maßgebliches Konstituens einer personalen Herrschaftsposition zur Statuierung einer Überwachungsgarantenstellung ist allgemein die Kompetenz des Herrschaftsinhabers, im Vorfeld der Deliktsbegehung über fremdes menschliches Verhalten bestimmen und seinen auf Schadensabwendung gerichteten Willen mittels einer rechtlich eingeräumten Einwirkungsbefugnis wirksam durchsetzen zu können364. Sind diese Voraussetzungen gegeben, so steht auch die primäre Eigenverantwortlichkeit des Begehungstäters einer Unterlassungshaftung nicht entgegen365. Der spezifischen Begründung einer solchen personalen Herrschaftsmacht von Leitungsorganen innerhalb einer Betriebs- oder Unternehmensorganisation hat sich ursprünglich vor allem Schünemann angenommen, der eine entsprechende Aufsichtsgarantenpflicht bezüglich der gefährlichen Unternehmensangehörigen sogleich auf drei verschiedene Säulen stützt366. Die zunächst erforderliche rechtliche Befehlsgewalt über die nachgeordneten Mitarbeiter leitet er aus dem Direktionsrecht des Arbeitgebers ab, das seine Rechtsgrundlage im jeweiligen Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 315 BGB findet und in § 106 GewO nunmehr für alle Arbeitsverhältnisse rechtlich positiviert ist367. Mit dieser rechtlichen Einwirkungsbefugnis korrespondiere zudem eine faktische Durchsetzbarkeit der Herrschaft infolge einer sowohl organisationstheoretisch als auch unternehmenssoziologisch bedingten Gehorsamspflicht der Arbeitnehmer368. Die Fungibilität der Mitarbeiter, das Wissen des einzelnen darum sowie seine Prägung durch die kollektive Verbandsattitüde würden demnach in sozial institutionalisierten Formen selbst dort die Herrschaftsgewalt der Autoritätspersonen gewährleisten, wo die Leitungsbefugnisse im Einzelfall überhaupt nicht aktiv ausgeübt werden369. Schließlich manifestiere sich die Siehe nochmals B., II. Siehe oben 1., b). 366 Vgl. Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 104. 367 Vgl. BAG, DB 1990, S. 2026; Brox / Rüthers / Henssler, Arbeitsrecht, Rn. 50, 150; Lakies, BB 2003, S. 364 ff. 368 Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 328; ders., Unternehmenskriminalität, S. 102. 369 Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 102 f.; zustimmend R. Busch, Unternehmen, S. 541 f.; Schall, in: Deutsche Wiedervereinigung, Band III, S. 111. 364 365

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Herrschaftsposition auch in einem in der Unternehmensleitung – und relativ bei den einzelnen Vorgesetzten – gebündelten Herrschaftswissen. Der gegenüber den Mitarbeitern überlegene Informationsfundus könne sich dabei in vielfältiger Weise ausdrücken, etwa in der monopolisierten Kenntnis über die Gefährlichkeit von Betriebsmitteln und Produkten, über betriebsrelevante Vorschriften und die Binnenorganisation, oder in einem Wissensvorsprung bei der Nutzung von Informationswegen und Außenkontakten370. Diese Herleitung einer personalen Herrschaftsstellung der Geschäftsleitung mit der Konsequenz einer umfassenden Straftatverhinderungspflicht bezüglich aller unternehmensbezogenen Straftaten der nachgeordneten Mitarbeiter hat in der Literatur vielfach Zustimmung gefunden371. Gleichwohl ist das 3-Säulen-Modell Schünemanns im Hinblick auf eine Verallgemeinerung und Übertragung auf das hier zu untersuchende Verhältnis zwischen Aufsichtsrat und Vorstand zu relativieren. Sowohl das Kriterium einer faktisch gesicherten Durchsetzbarkeit der Herrschaftsgewalt auf Grund ihrer unterstellten sozialen Institutionalisierung in den Unternehmen als auch der Gesichtspunkt eines überlegenen Wissens der Autoritätspersonen unterstreichen zwar jeweils das Bestehen eines Subordinationsverhältnisses. Es darf jedoch nicht verkannt werden, dass beide Merkmale nicht immer und zwangsläufig mit der arbeitsrechtlichen Weisungsbefugnis der Führungskräfte korrespondieren372. So sind realiter oft auch Konstellationen denkbar, in denen die Untergebenen über ausgeprägte oder bereichsspezifisch sogar überlegene Fachkenntnisse verfügen und die Vorgesetzten dementsprechend häufig keinen Informations- oder Wissensvorsprung für sich in Anspruch nehmen können373. Darüber hinaus sind auch der Fungibilität der Arbeitnehmer nicht nur quantitative Grenzen gesetzt. Besitzen bestimmte Mitarbeiter für den Arbeitsbetrieb unverzichtbare Spezialkenntnisse, so sind sie je nach Lage auf dem Arbeitsmarkt eventuell schon einzeln nicht austauschbar374. Schließlich bleibt zu bedenken, dass auch die Prägung durch eine Unternehmensattitüde überhaupt erst dann verhaltens370 Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 102; ähnlich Bottke, Täterschaft, S. 106 f.; R. Busch, Unternehmen, S. 541 f.; Schall, in: Deutsche Wiedervereinigung, Band III, S. 111; Seelmann, in: NK-StGB1, § 13 / Rn. 131; Weißer, Kollegialentscheidungen, S. 64. 371 Vgl. u. a. R. Busch, Unternehmen, S. 540 ff.; Göhler, in: FS Dreher 1977, S. 621; Grunst, StV 2005, S. 457; Kühl, Komm. StGB, § 13 / Rn. 14; Rengier, in: KK-OWiG, § 8 / Rn. 47 f.; Rogall, ZStW 98 (1986), S. 616 ff.; Roxin, AT II, § 32 / Rn. 137; Schall, in: FS Rudolphi 2004, S. 272; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 30 / Rn. 99; Thiemann, Aufsichtspflichtverletzungen, S. 17 ff.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 185; ders., in: FS Nishihara 1998, S. 506; Wohlers, in: NK-StGB, § 13 / Rn. 53. 372 Davon geht letztlich auch Schünemann aus, wenn er schreibt, dass die Schwächen der einen Säule im Sinne einer gegenseitigen Subsituierbarkeit durch eine besondere Effizienz der anderen kompensiert werden können; vgl. Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 104. 373 Vgl. dazu Schlüchter, in: FS Salger 1995, S. 159 ff. 374 Ebenso Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 47 f.; vgl. dazu auch Brammsen, in: Individuelle Verantwortung, S. 142; Heine, in: Grenzüberschreitungen, S. 66 f.

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steuernd oder motivierend wirken kann, wenn sich eine solche ausgebildet und verfestigt hat375. Insofern ist letzten Endes von entscheidender Bedeutung, dass das Weisungsund Direktionsrecht in Unternehmen auch unabhängig von einem überlegenen Herrschaftswissen der Vorgesetzten und unabhängig von einer etwaigen „Botmäßigkeit“ der Mitarbeiter eine personale Herrschaftsposition der Leitungspersonen stützt. Teilweise wird dieser arbeitsrechtlichen Kompetenz die notwendige Eignung, das allgemeine Verhalten der Untergebenen im Sinne einer echten Befehlsund Herrschaftsgewalt gestalten und wirksam beeinflussen zu können, abgesprochen376. Diese Bewertung vermag allerdings nicht zu überzeugen. Das Direktionsrecht befähigt die Führungskräfte nicht nur zu individuellen Verhaltensregeln für die Durchführung der Arbeit, sondern ermöglicht ihnen daneben auch organisationsbezogene Weisungen, durch die die Ordnung und der Frieden im Betrieb oder das Ansehen des Unternehmens sichergestellt werden sollen (vgl. § 106 Satz 2 GewO)377. Die Berechtigten verfügen damit über eine Gestaltungskompetenz378 sowohl zur individuellen Konkretisierung der Arbeitstätigkeit als auch zur allgemeinen Normierung des Verhaltens der Arbeitnehmer im Unternehmen sowie bei ihrem Auftreten gegenüber Arbeitskollegen oder betriebsfremden Dritten379. Die Mitarbeiter sind umgekehrt auf Grund und im Rahmen ihres Arbeitsvertrages verpflichtet, solchen Anweisungen unter dem Damoklesschwert einer Kündigung und dem drohenden Verlust des Arbeitsplatzes uneingeschränkt Folge zu leisten380. Die Leitungspersonen verfügen daher im Ganzen über eine hinreichende Grundlage, um im Sinne des Herrschaftsprinzips auf das Verhalten der nachgeordneten Mitarbeiter einen bestimmenden Einfluss nehmen zu können. Im Ergebnis ist es somit das arbeitsrechtlich fundierte Weisungsrecht, das erforderlich, zugleich aber ausreichend ist, um den Führungspositionen in einem Wirtschaftsunternehmen den Rang einer sachunabhängigen Aufsichtsgarantenstellung zu vermitteln und die Ausübungsberechtigten entsprechend zu verpflichten, alle unternehmensbezogenen Straftaten der beherrschten Mitarbeiter zu verhindern381. Siehe auch v. Freier, Verbandsstrafe, S. 278. Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 232 f.; ders., in: Individuelle Verantwortung, S. 124 f.; Jakobs, AT, 29 / 36. 377 Vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 31 / Rn. 31 u. 33; Wollenschläger, Arbeitsrecht, Rn. 213. Hinsichtlich des Ordnungsverhaltens kann der Arbeitgeber darüber hinaus auch auf sein Hausrecht verweisen; vgl. näher Müller-Glöge, in: Münchener Komm. BGB, § 611 / Rn. 1022. 378 Vgl. u. a. Blomeyer, in: Münchener Hdb. ArbR, § 46 / Rn. 24; Zöllner / Loritz, Arbeitsrecht, § 13 IV. 379 Vgl. zur neuen Rechtslage Lakies, BB 2003, S. 367 m. w. N. 380 Blomeyer, in: Münchener Hdb. ArbR, § 46 / Rn. 25 u. 37; Brox / Rüthers / Henssler, Arbeitsrecht, Rn. 226; Wollenschläger, Arbeitsrecht, Rn. 210. 381 So im Ergebnis auch Hermanns / Kleier, Aufsichtspflicht, S. 58; Herzberg, Arbeitsschutz, S. 231; Peter, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 80 ff.; Ransiek, in: NK-StGB, 375 376

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Mit dieser gewonnenen Erkenntnis gilt es nun zu klären, ob für die Mitglieder des Aufsichtsrats eine vergleichbare Garantenpflicht zur Überwachung der Vorstandstätigkeit besteht.

3. Die Begründung einer normativen Herrschaftsposition des Aufsichtsrats als Grundlage einer Aufsichtsgarantenstellung Wie sich bei der Geschäftsherrenhaftung gezeigt hat, kann sich die für eine unternehmensbezogene Straftatverhinderungspflicht relevante Herrschaftsposition sowohl aus einem sachlichen Bezug als auch auf Grund eines personalen Subordinationsverhältnisses ergeben. An dieser grundsätzlichen Unterscheidung soll auch im Folgenden festgehalten werden.

a) Die sachliche Herrschaft als Entstehungsgrund einer Straftatverhinderungspflicht Die Anknüpfung der Überwachungsgarantenstellung des Aufsichtsrats an einen Sachbezug hat zunächst bereits insoweit eine eher geringe Bedeutung, als die typische Geschäftsführungstätigkeit des Vorstands regelmäßig keinen unmittelbaren Umgang mit gefährlichen Betriebsgegenständen mit sich bringt, so dass auch das Risiko einer sich daraus entwickelnden Straftat realiter nicht unbedingt auf der Hand liegt. Davon abgesehen lässt sich eine sachherrschaftsgetragene Straftatverhinderungspflicht aber auch dogmatisch nicht herleiten. Bei juristischen Personen üben die Organe gleichberechtigt im Rahmen ihres Aufgabenbereiches stets selbst die tatsächliche Sachherrschaft in Gestalt des sog. Organbesitzes aus382. Eine gegenüber dem Vorstand überlegene bzw. ausschließliche Sachherrschaftsbeziehung des Aufsichtsrats zu von diesem verwendeten Betriebsgegenständen, wie sie bei der Geschäftsleitung gegenüber Mitarbeitern im Rahmen einer Besitzdienerschaft oder mittels übergeordneten Gewahrsams angenommen wird, ist daher rechtlich ausgeschlossen383. § 324 / Rn. 57 ff.; Rengier, in: KK-OWiG, § 8 / Rn. 48; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 185. Gleichwohl gilt es zu beachten, dass die Führungspersonen dieser Pflicht praktisch durch eine top-down-Delegation der Überwachung nachkommen können; vgl. dazu grundlegend Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 26. Für die Unternehmensleitung verbleiben als primärer Adressat der Garantenpflicht deshalb regelmäßig lediglich Organisations-, Aufsichts- und Koordinationspflichten, wohingegen die nachrangigen Unternehmensmitarbeiter als sekundäre Adressaten die unmittelbare Handlungspflicht im Einzelfall trifft; siehe dazu im Einzelnen R. Busch, Unternehmen, S. 544 ff. m. w. N. 382 Vgl. Joost, in: Münchener Komm. BGB, § 854 / Rn. 17 ff. 383 Die Organe können entsprechend alle aus dem Besitz folgenden Rechte nur gegenüber Dritten und nicht gegenüber anderen Organen geltend machen, vgl. Westermann, Sachenrecht, § 20 II 2.

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b) Die personale Herrschaft als Entstehungsgrund einer Straftatverhinderungspflicht Zur Legitimation einer personalen Herrschaftsposition des Aufsichtsrats lässt sich die für eine Geschäftsherrenhaftung deduzierte Rechtsgrundlage einer unternehmensinternen Befehlsgewalt nicht unbesehen übernehmen. Die Mitglieder des Vorstands werden zwar vom Aufsichtsrat im Rahmen eines Dienstvertrages angestellt384. Gleichwohl nehmen sie dadurch arbeitsrechtlich nicht den Rang von Arbeitnehmern ein, die dem Direktionsrecht des Aufsichtsrats als ihrem Arbeitgeber unterworfen wären385. Auf Grund ihrer Organstellung üben die Vorstandsmitglieder vielmehr selbst die Funktion eines Arbeitgebers in der Aktiengesellschaft aus386. Entsprechend verfügen sie bei der Wahrnehmung ihrer Organtätigkeit über ein weit größeres Maß an Eigenverantwortung (vgl. § 76 Abs. 1 AktG) und sind nicht in der gleichen Weise unselbstständig und fremdbestimmt, wie dies typischerweise bei angestellten Mitarbeitern als Arbeitnehmer der Fall ist387. Im Unterschied zur Geschäftsherrenhaftung kann sich die garantenpflichtbegründende Herrschaftsmacht des Aufsichtsrats daher auf eine arbeitsrechtliche Subordination des Vorstands jedenfalls nicht gründen. Aus diesem Grund gilt es in der vorliegenden Konstellation, den Blick in verstärktem Maße auf das Gesellschaftsrecht zu richten. Hier wird das rechtliche Verhältnis der beiden Organe maßgeblich durch die im Aktiengesetz angelegte, duale Unternehmensverfassung geprägt, die eine zweigliedrige Verwaltung der Aktiengesellschaft mit dem Ziel der Machtbalance zwischen den Verwaltungsorganen Aufsichtsrat und Vorstand vorsieht388. Folgerichtig besteht nach dieser aktienrechtlichen Grundordnung ebenfalls keine hierarchische, sondern vielmehr eine horizontale Organstruktur, in der dem Aufsichtsrat keine vorgesetzte Stellung gegenüber dem Vorstand zukommt389. Andererseits impliziert dieses duale System wiederum auch eine Einschränkung der Geschäftsleitungsautonomie des Vorstands durch die Kontrollfunktion des Aufsichtsrats und gewährt diesem zur Wahrnehmung dieser Überwachungsaufgabe entsprechend verschiedene gesellschaftsrechtliche Möglichkeiten der Einwirkung auf die Geschäftsführung390. Es stellt sich damit die Frage, ob diese Kompetenzen den Aufsichtsrat rechtlich in die Lage versetzen, seinen auf Schadensabwendung gerichteten Willen gegenüber dem Vorstand Siehe oben § 2, B., IV., 3., a). BSG, AG 2000, S. 361 ff. 386 BGHZ 10, 187; 79, 38 (41); Hüffer, Komm. AktG, § 84 / Rn. 11; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 14 / Rn. 11; grundlegend Fleck, in: FS Hilger / Stumpf 1983, S. 202 ff. 387 Die Nichtanwendung arbeitsrechtlicher Haftungserleichterungen aus betrieblich veranlasster Tätigkeit hängt hingegen nicht unmittelbar mit dem Fehlen der Arbeitnehmereigenschaft zusammen; vgl. Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 342 m. w. N. 388 Siehe Lutter, AG 1991, S. 250; sowie bereits oben § 2, B., III., 2. 389 Hüffer, Komm. AktG, § 76 / Rn. 4; Lutter, AG 1991, S. 250. 390 Siehe dazu eingehend oben § 2, B, IV. 384 385

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im Bedarfsfall wirksam durchsetzen zu können, und ihm damit eine personale Herrschaftsgewalt im Sinne der Garantendogmatik verleihen.

aa) Die gesellschaftsrechtlich anerkannten Einwirkungsbefugnisse gegenüber dem Vorstand als Grundlage einer Herrschaftsgewalt (1) Stellungnahmen und formelle Beanstandungen Die Berechtigung zur Stellungnahme und formellen Beanstandung391 der Geschäftsführung befähigt den Aufsichtsrat auf Grund der fehlenden Rechtsverbindlichkeit nicht, über das Verhalten des Vorstands wirkungsvoll bestimmen zu können und vermag daher eine korrespondierende Straftatverhinderungspflicht nicht zu begründen392. (2) Erlass einer Geschäftsordnung für den Vorstand Die Kompetenz zum Erlass einer Geschäftsordnung für den Vorstand393 gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 AktG bietet dem Aufsichtsrat zwar die Gelegenheit, über die formale Gestaltung des Arbeitsrahmens mittelbar auch einen gewissen Einfluss auf den Inhalt der Geschäftsführungstätigkeit zu nehmen, um auf diese Weise einem missbräuchlichen oder gar rechtswidrigen Verhalten mittels eines entsprechenden Organisationsgefüges eventuell Vorschub zu leisten. So kann eine sachgerechte Organisation und Kompetenzverteilung im Vorstand durchaus der Prävention von Schäden oder Straftaten dienen, wenn zum Beispiel effektive Kommunikationsströme zwischen den Ressorts implementiert werden394. Gleichwohl haben die Aufsichtsratsmitglieder in diesem Rahmen weder für jeden Einzelfall unmittelbar die Möglichkeit noch allgemein das Recht, dem Vorstand auf diesem Weg konkrete, materielle Handlungsanweisungen zu geben, so dass es auch insoweit an der erforderlichen Befehlsgewalt des Gremiums fehlt395. (3) Einberufung der Hauptversammlung Die Befugnis zur Einberufung der Hauptversammlung396 gemäß § 111 Abs. 3 AktG erlaubt dem Aufsichtsrat mitunter, Geschäftsführungsangelegenheiten durch Siehe oben § 2, B., IV., 1. Ebenso Cramer, in: FS Stree / Wessels 1993, S. 572 f.; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 120; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 83. 393 Siehe oben § 2, B., IV., 4. 394 Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 918. 395 Vgl. auch Cramer, in: FS Stree / Wessels 1993, S. 573; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 120. 396 Siehe oben § 2, B., IV., 6. 391 392

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die Aktionäre erörtern zu lassen, soweit er diese Meinungsbildung im Interesse der Gesellschaft für nützlich erachtet, und eröffnet ihm somit prinzipiell auch die Option, (drohende) strafbare Verfehlungen des Vorstands in diesem Forum zur Sprache zu bringen. Ungeachtet der negativen Publizitätswirkung, die eine solche Maßnahme wohl regelmäßig bereits als inopportun erscheinen lässt, verleiht diese Alternative dem Aufsichtsrat aber ebenfalls keine rechtlich durchsetzbare Gestaltungskompetenz, sondern allein eine faktische Machtposition gegenüber dem Vorstand, die für eine Garantenstellung nicht ausreicht397. (4) Verweigerung der Zustimmung Eine Möglichkeit zur rechtsverbindlichen Einwirkung auf die Vorstandstätigkeit erhält der Aufsichtsrat hingegen durch sein Recht, die Durchführung einer Geschäftsführungsmaßnahme nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG unter den Vorbehalt seiner Zustimmung zu stellen398. Wenngleich er dem Vorstand auf diese Weise kein bestimmtes Verhalten positiv abverlangen kann, so ist er immerhin in der Lage, durch die Verhinderung von Maßnahmen negativ einen steuernden Einfluss zu nehmen. Zur Vermeidung drohender Straftaten des Vorstands darf der Aufsichtsrat zwar keinen allgemeinen Zustimmungsvorbehalt für das gesamte operative Tagesgeschäft oder generalklauselartig für „alle Geschäfte im Grenzbereich des strafrechtlich Zulässigen“ formulieren399. Erlangt er aber Kenntnis von einem strafrechtswidrigen Vorhaben der Geschäftsführung, so hat er indes die Befugnis, einzelfallbezogen auf die Situation zu reagieren, indem er ad hoc eine Zustimmungspflicht zusammen mit der umgehenden Verweigerung des Geschäfts gemäß § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG beschließt. Dieses Recht zur Anordnung im Einzelfall wird neuerdings bestritten. So schließe es die durch das TransPuG 2002 geschaffene Neufassung des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG aus, über den nunmehr vorgeschriebenen Mindestkatalog hinaus noch weitere Einzelmaßnahmen der Zustimmungspflicht zu unterwerfen400. Die Formulierung „bestimmte Arten von Geschäften“ mag eine solche wörtliche Auslegung auf den ersten Blick nahe legen. Genauso lässt sich allerdings mit einem Schluss vom Größeren auf das Kleine401 aus dieser Wendung auch eine Befugnis bezüglich einzelner Geschäfte herleiten402. Die Frage ist deshalb letztlich systematisch im Lichte der generellen Kompetenzverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat zu beurteilen. Dabei gilt es wiederum zu berücksichtigen, dass die §§ 76 Abs. 1, 111 397 Im Ergebnis auch Cramer, in: FS Stree / Wessels 1993, S. 576; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 120. 398 Siehe oben § 2, B., IV., 5. 399 Siehe bereits § 2, B., IV., 5. 400 So namentlich Kort, in: Großkomm. AktG, Vor § 76 / Rn. 12; zur alten Rechtslage bereits Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 151 f. 401 Vgl. zum sog. argumentum a maiore ad minus bereits oben § 2, B., IV., 3., b). 402 Vgl. Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 63 f.

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Abs. 4 Satz 1 AktG dem Vorstand jeweils die Eigenverantwortlichkeit bei der sachgerechten Führung des Unternehmens im Sinne des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG und damit eine Aufgabenwahrnehmung im Rahmen der Gesetze sichern sollen403. Ein punktuelles Vetorecht greift deshalb, jedenfalls im Falle einer beabsichtigten Straftat des Vorstands, nicht in diesen unantastbaren Kernbereich der Leitungsfunktion404 und die aktienrechtliche Entscheidungsstruktur ein, sondern gewährleistet vielmehr eine effektive Erfüllung des gesetzlichen Überwachungsauftrages durch den Aufsichtsrat405. Über das Zustimmungserfordernis ist für den Aufsichtsrat daher eine gesellschaftsrechtliche Möglichkeit geschaffen, durch ein einzelfallbezogenes Veto Straftaten und Ordnungswidrigkeiten der Vorstandsmitglieder ad hoc zu verhindern406. Es stellt sich jedoch die Frage, ob dieses Überwachungsmittel mit Blick auf seine Wirkungsintensität ausreicht, um dem Aufsichtsrat im Rahmen der Garantendogmatik eine pflichtbegründende Herrschaftsposition zu vermitteln. Materieller Maßstab muss diesbezüglich das die Geschäftsherrenhaftung legitimierende, arbeitsrechtliche Weisungsrecht sein. Insofern bedarf es zunächst der Überprüfung, ob der Zustimmungsverweigerung die gleiche Rechtsverbindlichkeit für den Adressaten zukommt wie dem unmittelbar verpflichtenden Direktionsrecht des Arbeitgebers. Zweifel lassen sich einerseits insoweit geltend machen, als dem Vorstand stets die rechtliche Möglichkeit bleibt, die Verbindlichkeit einer verweigerten Zustimmung des Aufsichtsrats mittels einer qualifizierten Genehmigung der Hauptversammlung wieder außer Kraft zu setzen. Abgesehen von dieser praktisch regelmäßig sehr hohen Hürde sowie der zeitlich damit einhergehenden Verzögerung, die eine planmäßige Verwirklichung des Geschäfts häufig unter Umständen bereits verhindert, ist diese Rekurs-Möglichkeit des Vorstands jedenfalls im relevanten Fall eines strafrechtswidrigen Vorhabens aber auch rechtlich ohne Bedeutung. Die Genehmigung einer Straftat des Vorstands durch einen Beschluss der Aktionäre ist ihrem Inhalt nach als nichtig im Sinne von § 241 Nr. 3, 3. Alt. AktG einzustufen und vermag daher eine den Vorstand legitimierende Rechtswirkung nicht zu entfalten407. Zur Abwendung einer Straftat verfügt der Aufsichtsrat mit dem Vetorecht demzufolge ebenfalls über eine Einwirkungsbefugnis, die für den Vgl. auch Otto, ZStW 111 (1999), S. 680; sowie oben § 2, B., II. Ansätze einer aktienrechtlichen „Kernbereichslehre“ finden sich bei Fleischer, ZIP 2003, S. 2. 405 Die Effizienz der Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats sollte im Übrigen durch das TransPuG gerade gestärkt werden, so dass der Wille des Gesetzgebers generell für ein solches Vetorecht spricht. Vgl. eingehend Lieder, DB 2004, S. 2253 f.; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 63 f. 406 Dies verkennen Cramer, in: FS Stree / Wessels 1993, S. 574; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 82; ders., ZGR 1999, S. 625. 407 Es ist davon auszugehen, dass die betreffenden strafrechtlichen Vorschriften „im öffentlichen Interesse“ die Nicht-Anerkennung des Beschlusses insoweit gebieten. Vgl. zu diesem Nichtigkeitsgrund eingehend Hüffer, Komm. AktG, § 241 / Rn. 18; K. Schmidt, in: Großkomm. AktG, § 241 / Rn. 59; Zöllner, in: Kölner Komm. AktG, § 241 / Rn. 106. 403 404

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Vorstand sofort und unwiderruflich zu befolgende Rechtspflichten begründet. Andererseits drängen sich Bedenken auf, ob der Aufsichtsrat infolge der gemäß § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG vorgeschriebenen Zuständigkeit des Gesamtgremiums mit Hilfe dieses Überwachungsmittels überhaupt imstande ist, in vergleichbarer Weise unmittelbar auf einen drohenden Schadensverlauf Einfluss zu nehmen408. Angesichts der Möglichkeiten einer fernmündlichen Beschlussfassung (vgl. § 108 Abs. 4 AktG), durch die zudem ad hoc sowohl über den Vorbehalt als auch über die Versagung der Zustimmung gleichzeitig entschieden werden kann409, erscheinen die Aufsichtsratsmitglieder allerdings auch Eilsituationen gewachsen und entsprechend in der Lage, das Verhalten des Vorstands sodann unmittelbar zu steuern410. Im Ergebnis steht die Zustimmungsverweigerung des Aufsichtsrats der arbeitsrechtlichen Weisungsbefugnis an rechtlicher Durchsetzungskraft daher nicht nach. Gleichwohl lehnt Poseck auf dieser Rechtsgrundlage eine für die Garantenverantwortung erforderliche Herrschaftsgewalt generell mit Verweis auf die fehlende positive Gestaltungskompetenz des Aufsichtsrats, die uneingeschränkt bestehende zivilrechtliche Haftung des Vorstands sowie die mangelnde Außenwirkung der Zustimmungsverweigerung ab411. Bei näherer Betrachtung können diese Argumente allerdings durchweg nicht überzeugen. Zunächst vermag die, im Vergleich zu den Haftungserleichterungen der weisungsunterworfenen Arbeitnehmer, uneingeschränkte Schadensersatzverantwortlichkeit des Vorstands nach § 93 AktG das Fehlen einer Subordination gegenüber dem Aufsichtsrat nicht zu indizieren. Sie findet ihren Grund vielmehr darin, dass sich das Verhältnis der Vorstandsmitglieder zur Gesellschaft nicht wie bei einem gewöhnlichen Arbeitsverhältnis in einer gegenseitigen Beziehung erschöpft. Die zivilrechtliche Haftung gemäß § 93 AktG besteht nämlich gerade auch im Interesse der Gesellschafter und der Gesellschaftsgläubiger und muss insoweit auf eine Haftungsmilderung vor allem deshalb verzichten, weil deren Belange hierdurch beeinträchtigt werden könnten412. Auch die fehlende Außenwirkung der Zustimmungsverweigerung schließt die Annahme einer normativen Herrschaftsposition gegenüber dem Vorstand nicht aus. Bestes Beispiel ist das arbeitsrechtliche Weisungsrecht selbst, das ebenfalls keinen Einfluss auf eine eventuelle Vertretungsbefugnis der Arbeitnehmer hat, sondern die Betroffenen gleichermaßen nur unternehmensintern mit der anschließenden Sanktionsmöglichkeit einer Schadensersatznahme oder Kündigung verpflichtet413. Ent408 Vgl. zu diesem Wesensmerkmal einer Herrschaftsgewalt auch Herzberg, Arbeitsschutz, S. 244. 409 Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 409. 410 Siehe auch Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 115. 411 Vgl. Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 118 f. 412 Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 342; U. Schneider, in: FS Werner 1984, S. 807. 413 Vgl. Blomeyer, in: Münchener Hdb. ArbR, § 46 / Rn. 37; Brox / Rüthers / Henssler, Arbeitsrecht, Rn. 226; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 55 / Rn. 2; Wollenschläger, Arbeitsrecht, Rn. 210. Das Weisungsrecht erkennt aber (insoweit widersprüchlich) auch Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 116, als hinreichende Grundlage einer Geschäftsherrenhaftung an.

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scheidende rechtliche Voraussetzung einer Herrschaftsmacht ist vielmehr, dass der Überwachungspflichtige seinen auf Schadensabwendung gerichteten Willen rechtsverbindlich gegenüber der personalen Gefahrenquelle durchsetzen kann. Diese Möglichkeit haben aber, wie bereits gezeigt, sowohl der Aufsichtsrat als auch der Arbeitgeber oder Geschäftsherr. Zuletzt verbleibt die aufgeworfene Frage, ob die Kompetenz zur positiven Verhaltenssteuerung mittels inhaltlicher Gebote notwendiges Attribut einer herrschaftsverbürgenden Befehlsgewalt ist. In diesem Punkt gilt es sich zunächst vor Augen zu führen, dass die von der Rechtsordnung eingeräumten, personen- wie auch sachbezogenen Beherrschungsrechte selten grenzenlos eingeräumt werden, sondern im Regelfall bestimmten Einschränkungen ausgesetzt sind. So unterliegt auch das betriebliche Weisungsrecht eines Vorgesetzten verschiedenen, rechtlichen Ausübungsschranken (vgl. § 87 BetrVG)414. Eine Beschränkung allein kann demnach noch kein Grund sein, um eine garantenpflichtbegründende Machtposition abzulehnen415. Wie weit solche Befugnisschmälerungen für die Begründung einer Garantenstellung letztlich noch als unerheblich zu betrachten sind, lässt sich mit Blick auf den eigentlichen Haftungsgrund des normativen Herrschaftsprinzips beantworten. Grund der strafrechtlichen Verantwortung, sowohl im Rahmen der Begehungs- als auch der Unterlassungsdelikte, ist danach eine Herrschaftsposition des Täters, die ihn verpflichtet, die Schädigung anderer zu vermeiden416. Folgerichtig kann eine herrschaftsgetragene Garantenstellung dann angenommen werden, wenn der Unterlassende kraft seiner Rechtsposition in der Lage ist, diese strafrechtliche „Herrschaftspflicht“ zu erfüllen417. Einen durch die Vorstandstätigkeit drohenden Schadenserfolg kann der Aufsichtsrat aber, wie gezeigt, auch mittels Versagung der Zustimmung in Form einer negativen Verhaltenssteuerung rechtlich verhindern. Im Ergebnis verleiht das Vetorecht also den Aufsichtsratsmitgliedern unabhängig von der fehlenden positiven Gestaltungsbefugnis die für eine Garantenpflicht relevante, rechtliche Herrschaftsgewalt. Die aktienrechtliche Beschränkung der Aufsichtsratskompetenz auf eine rein negative Verhaltenssteuerung des Vorstands hat allerdings in anderer Form Auswirkung auf die Reichweite der mit dem Vetorecht korrespondierenden Garantenstellung. Denn die Straftatverhinderungspflicht geht nur soweit, wie die Kompetenz reicht418. So ist zu beachten, dass der Aufsichtsrat gesellschaftsrechtlich generell nur aktive Handlungen der Geschäftsführung zum Gegenstand eines Zustimmungsvorbehalts machen darf, da er mit einem Veto gegen ein Unterlassen des Vorstands letztlich die ihm kraft Gesetz nach § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG ausdrücklich verEingehend Brox / Rüthers / Henssler, Arbeitsrecht, Rn. 151. So auch Herzberg, Arbeitsschutz, S. 234. 416 Siehe ausführlich oben B., 2., b), dd). 417 So im Ergebnis auch Herzberg, Arbeitsschutz, S. 234; Schutzbach, Betriebsunfälle, S. 123. 418 Vgl. auch Cramer, in: FS Stree / Wessels 1993, S. 570; Schutzbach, Betriebsunfälle, S. 123; sowie unten 4. und 5. 414 415

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wehrte Geschäftsführungsinitiative an sich ziehen würde419. Für eine strafrechtliche Pflicht zur Abwendung von Unterlassungsstraftaten des Vorstands fehlt es damit an einem pflichtbegründenden Herrschaftsrecht der Aufsichtsratsmitglieder420. Demzufolge lässt sich auf der Grundlage des Vetorechts (nur) eine Überwachungsgarantenstellung mit der Pflicht zur Verhinderung von Begehungsstraftaten des Vorstands legitimieren. Einer solchen Garantenpflicht steht sodann im Hinblick auf den zu beachtenden Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung421 auch die gesellschaftsrechtliche Wertung, die ein Einschreiten außerhalb des gesetzlichen Pflichtkataloges grundsätzlich in das Ermessen des Aufsichtsrats stellt, nicht mehr entgegen. Denn dieses Ermessen der Aufsichtsratsmitglieder verdichtet sich auch gesellschaftsrechtlich zu einer Einwirkungspflicht, wenn der ad hoc-Beschluss eines Vetos im Sinne einer Ultima Ratio die einzige Möglichkeit darstellt, um ein (straf-)rechtswidriges Geschäft des Vorstands abzuwenden422. Da dem Aufsichtsrat ein zur Straftatverhinderung geeignetes, aber zugleich milderes Einwirkungsmittel, wie gezeigt, nicht zur Verfügung steht, ist er somit schlussendlich sowohl gesellschaftsrechtlich als auch strafrechtlich verpflichtet, eine drohende Begehungsstraftat des Vorstands durch Wahrnehmung des Vetorechts zu verhindern. (5) Widerruf der Bestellung und außerordentliche Kündigung der Anstellung Im Rahmen seiner umfassenden Personalkompetenz steht dem Aufsichtsrat als stärkstes Einwirkungsmittel schließlich die Möglichkeit zu, ein Vorstandsmitglied bei einer strafbaren Handlung, mitunter schon bei einem starken Tatverdacht, abzuberufen und schuldrechtlich eine außerordentliche Kündigung auszusprechen423. Diese Maßnahme bietet in erster Linie die Gelegenheit zur repressiven Reaktion auf schon vollendete Verfehlungen. Gleichwohl ist damit nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall bereits einmal die Absicht des Vorstands zur Begehung einer künftigen Straftat oder das unmittelbare Ansetzen zu einem Delikt im Sinne des § 22 StGB einen Widerruf der Bestellung rechtfertigt und das Überwachungsmittel dann auch zur präventiven Schadensabwendung eingesetzt werden kann424. Siehe dazu oben § 2, B., IV., 5. Zwar lässt sich dieses Ergebnis auch durch die Verneinung der Unterlassungskausalität erzielen, da bei fehlender rechtlicher Durchsetzungsbefugnis nicht sicher feststellbar ist, ob der Aufsichtsrat den strafrechtlichen Erfolg hätte verhindern können; so wohl Tiedemann, in: FS Tröndle 1989, S. 323. Die Begrenzung der Pflichtenstellung durch das normative Herrschaftskriterium erscheint jedoch dogmatisch überzeugender. 421 Siehe dazu grundlegend bereits oben § 2, A., II. 422 Siehe oben § 2, B., IV., 5. m. w. N. 423 Siehe oben § 2, B., IV., 3., b). 424 Ähnlich Cramer, in: FS Stree / Wessels 1993, S. 575; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 119; vgl. zur arbeitsrechtlichen Rspr. und Lehre Henssler, in: Münchener Komm. BGB, § 626 / Rn. 185. 419 420

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Maßstab für das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist einzig die Zumutbarkeit weiterer Zusammenarbeit für die Gesellschaft. Zeigen die deliktischen Tatpläne eine hohe kriminelle Energie und lassen damit ernsthafte Zweifel an der Rechtschaffenheit und charakterlichen Eignung des Vorstandsmitglieds entstehen, so können sie, jedenfalls abgesehen von Bagatellfällen 425, durchaus geeignet sein, das erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat nachhaltig zu zerstören426. Denn die Vorstandsmitglieder begründen (und billigen) selbst durch eine Straftat zu Lasten Dritter stets zugleich die Gefahr eines hohen Imageschadens für die Gesellschaft427, der in der Folge regelmäßig auch materielle Vermögenseinbußen nach sich ziehen wird428. Steht ein strafrechtswidriges Vorhaben demnach in unmittelbarem Widerspruch zur Aufgabe des Vorstands, zu seiner vermögensspezifischen Vertrauensstellung als Verwaltungsorgan429 sowie letztlich zum Interesse des gesamten Unternehmens, so kann bereits der Deliktsplan – besonders bei Gefahren für besonders bedeutsame, strafrechtlich geschützte Rechtsgüter – im Einzelfall einer Organbeziehung die Vertrauensgrundlage endgültig entziehen und entsprechend eine präventive Abberufung und Kündigung durch den Aufsichtsrat rechtfertigen430. Es gilt jedoch zu beachten, dass ein rein subjektiver Vertrauensverlust des Aufsichtsrats hierfür nicht ausreicht. Vielmehr muss sich der wichtige Grund in Gestalt des strafrechtswidrigen Vorhabens des Vorstands in äußeren, objektiven Tatsachen manifestieren431. Ein Eingreifen des Aufsichtsrats ist im Hinblick auf die zu gewährleistende Unabhängigkeit des Vorstands überdies nur dann gerechtfertigt, wenn sich die drohende Strafrechtswidrigkeit eindeutig feststellen lässt, und schei425 Nach Ansicht des BAG kann allerdings im Einzelfall auch eine geringfügige Verfehlung, etwa die Entwendung einer geringwertigen Sache, eine außerordentliche Kündigung zulassen (DB 1984, S. 2702); kritisch Preis, in: Staudinger, Komm. BGB, § 626 / Rn. 193. 426 Da zwischen Vorstandsmitgliedern und dem Aufsichtsrat eine besondere Vertrauensbeziehung bestehen muss, sind an den wichtigen Grund für eine Kündigung grundsätzlich keine übermäßig strengen Anforderungen zu stellen; vgl. Henssler, in: Münchener Komm. BGB, § 626 / Rn. 31. 427 Zum Ansehensverlust als „wichtigem Grund“ BGH WM 1956, S. 865; LAG Frankfurt, BB 1986, S. 193; vgl. auch Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 84 / Rn. 98 mit Fn. 408. Ausdrücklich bereits eine Gefährdung des Ansehens anerkennend Fonk, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 9 / Rn. 289. 428 Vgl. Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 73; v. Schenck, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 7 / Rn. 123; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 86. 429 Zu der für einen Vertrauensverlust erforderlichen Auswirkung der Pflichtverletzung auf eine Vertrauensstellung oder das konkrete Arbeitsverhältnis, vgl. Enderlein, RdA 2000, S. 327; Preis, in: Staudinger, Komm. BGB, § 626 / Rn. 195; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 125 / Rn. 117. 430 Auf Grund ihrer Vorbildfunktion in der Gesellschaft unterliegen die Vorstandsmitglieder bei der Beurteilung ihres Verhaltens überdies strengeren Maßstäben, als sie bei gewöhnlichen Mitarbeitern anzulegen sind; vgl. Fonk, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 9 / Rn. 289. 431 Enderlein, RdA 2000, S. 326 ff.; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 125 / Rn. 44; BAG, NZA 1995, S. 271.

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det daher aus, wenn – zum Beispiel bei naturwissenschaftlichen Zweifeln über die Schadenskausalität – unklar oder umstritten ist, ob als Folge der Entscheidung des Vorstands strafrechtlich geschützte Rechtsgüter Dritter überhaupt beeinträchtigt werden432. Gleichwohl bleibt dadurch die Möglichkeit zur Straftatverhinderung mittels einer Abberufung nicht von vorneherein auf den Fall einer drohenden Wiederholung bereits vollendeter Straftaten durch den Vorstand beschränkt433, so dass in diesem Rahmen durchaus von einer strafrechtsrelevanten Herrschaftsposition ausgegangen werden kann. Trotz der insoweit bestehenden präventiven Einwirkungsbefugnis lässt sich auf dieser materiellen Rechtsgrundlage eine strafrechtliche Pflicht der Aufsichtsratsmitglieder zur Straftatverhinderung im Ergebnis regelmäßig nicht begründen. Denn nach den Maßstäben des Gesellschaftsrechts ist das Gremium auch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht zur Abberufung verpflichtet434. Der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung schließt deshalb die Statuierung einer entsprechenden Handlungspflicht im Strafrecht grundsätzlich aus, sofern sich das Ermessen des Aufsichtsrats nicht in besonders drastischen Fällen von vorneherein zu einer Abberufungspflicht im Interesse des Unternehmens verdichtet435. bb) Deduktion einer Sonderweisungsbefugnis aus der gesetzlichen Personalkompetenz zur Begründung der Herrschaftsgewalt Trotz der systemimmanenten, durch verschiedene Gesetzesänderungen in der Vergangenheit zunehmend sogar verstärkten436 Einschränkung der Geschäftsleitungsautonomie des Vorstands durch die Kontrollfunktion gehen – jedenfalls die aktienrechtlich ausdrücklich normierten – Überwachungskompetenzen des Aufsichtsrats nicht so weit, dass er den Vorstand auch in positiv gestaltender Weise zu einem bestimmten (strafrechtskonformen) Verhalten unmittelbar veranlassen kann. Auf der anderen Seite zeigt die Regelung des § 32 MitbestG wiederum, dass die aktienrechtlich vorgegebene Entscheidungsstruktur innerhalb der Verwaltung ein Weisungsrecht des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand nicht gänzlich ausschließt, sondern in eng begrenzten, legitimen Sonderfällen auch eine Weisungsbindung der Geschäftsführung zulässt437. Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden untersucht werden, ob sich auf der Grundlage des positivierten gesellschaftsrechtlichen Kompetenzgefüges nicht auch für den (Sonder-)Fall eines strafrechtswidrigen Vorhabens des Vorstands ausnahmsweise ein Recht – und sodann die Vgl. dazu Ransiek, ZGR 1999, S. 626. So aber Cramer, in: FS Stree / Wessels 1993, S. 575 f. 434 Siehe oben § 2, B., IV., 3., b). 435 Grundlegend dazu oben § 2, A., II. 436 Siehe dazu Kort, in: Großkomm. AktG, Vor § 76 / Rn. 12. 437 So im Ergebnis auch Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 3 / Rn. 101; zu § 32 MitbestG vgl. Ulmer, in: Hanau / Ulmer, Komm. MitbestG, § 32 / Rn. 1 f. 432 433

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entsprechende strafrechtliche Pflicht – der Aufsichtsratsmitglieder begründen lässt, mittels einer rechtsverbindlichen Einzelanweisung die drohende (Unterlassungs-)Straftat zu verhindern. Soweit ersichtlich wurde eine solche Kompetenz jedenfalls in der gesellschaftsrechtlichen Literatur bisher nicht in Erwägung gezogen. Die rechtliche Grundlage für diese Sonderweisungsbefugnis kann dabei zunächst der gesetzlichen Personalkompetenz des Aufsichtsrats aus § 84 Abs. 3 AktG entnommen werden. Danach ist der Aufsichtsrat ausdrücklich zwar nur berechtigt, die Bestellung eines Vorstandsmitglieds zu widerrufen. Dieses Abberufungsrecht schließt nach überwiegender Meinung als mildere Maßnahme aber darüber hinaus die ungeschriebene Möglichkeit ein, das betreffende Vorstandsmitglied im Wege einer Suspendierung vorübergehend seiner Amtsführung zu entheben438. Mit dem gleichen „Erst-recht-Schluss“ muss dem Aufsichtsrat deshalb auf dieser rechtlichen Basis dann prinzipiell auch eine auf den Einzelfall beschränkte, und insoweit in ihren Rechtsfolgen nochmals weniger einschneidende Handlungsanweisung gegenüber dem Vorstand möglich sein439. Die rechtliche Anerkennung einer Weisungskompetenz des Aufsichtsrats setzt jedoch überdies wie im Falle der Suspendierung maßgeblich voraus, dass die vom Gesetzgeber bezweckte Unabhängigkeit des Vorstands auf diese Weise nicht contra legem440 unterlaufen wird. Bei den allgemein anerkannten Einwirkungsrechten nach § 84 Abs. 3 AktG verhindert das Erfordernis eines „wichtigen Grundes“, dass die Vorstandsmitglieder durch die Gefahr einer jederzeitigen Abberufung oder Suspendierung in eine Abhängigkeit zum Aufsichtsrat geraten, die ihrer eigenverantwortlichen Leitungsfunktion nicht mehr entspräche441. Diese materielle Einschränkung des Gesetzgebers muss folgerichtig auch für ein Weisungsrecht des Aufsichtsrats Geltung beanspruchen. Demnach kann eine einzelfallbezogene Handlungsanweisung ebenfalls ausschließlich in Betracht kommen, wenn das geplante strafrechtswidrige Vorhaben des Vorstands einen wichtigen Grund im Sinne des § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG darstellt442. In diesem engen, rechtlichen Rahmen begründet dann auch eine im Sonderfall bestehende Weisungsbindung des Vorstands keinen Widerspruch zu der aktienrechtlichen Maßgabe einer grundsätzlich weisungsfreien Geschäftsführung. Denn die gesellschaftsrechtlich garantierte Autonomie soll die Vorstandsmitglieder nach dem Willen des Gesetzgebers in die Lage versetzen, ihrem Auftrag aus § 76 Abs. 1 Siehe oben § 2, B., IV., 3., c). Vgl. zu diesem argumentum a maiore ad minus Ransiek, ZGR 1999, S. 625. 440 Allgemein zur Rechtsfindung contra legem zuletzt Neuner, Rechtsfindung, S. 132 ff. 441 Vgl. Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 106; Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 350 f.; Hüffer, Komm. AktG, § 84 / Rn. 26; zur Suspendierung Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 7 / Rn. 379. 442 Siehe zu den Voraussetzungen für das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ ausführlich oben aa), (5). 438 439

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AktG zur Leitung des Unternehmens nach der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG)443 ungehindert nachkommen zu können444. Eine unternehmerische Gestaltungsfreiheit und Unabhängigkeit in seinen Entscheidungen wird dem Vorstand daher nur für rechtmäßige Geschäftsführungsmaßnahmen eingeräumt. Ein Weisungsrecht des Aufsichtsrats zur Straftatverhinderung knüpft damit unter den entwickelten Voraussetzungen an eine (geplante) Tätigkeit des Vorstands an, die ohnehin keinen Schutz mehr durch die §§ 76 Abs. 1, 111 Abs. 4 Satz 1 AktG genießt und daher nicht dem unantastbaren Kernbereich der Leitungsfunktion angehört. Das Schweigen des Aktiengesetzes kann deshalb auch nicht als eine bewusste Entscheidung gegen eine einzelfallbezogene Weisungskompetenz des Aufsichtsrats interpretiert werden, da der Gesetzgeber in seinen aktienrechtlichen Regelungen von einer sachgerechten unternehmerischen Betätigung ausgeht445. Die vorgenommene Beschränkung der Einwirkungsbefugnis auf Fälle eindeutiger Strafrechtswidrigkeit auf Grund objektiv feststellbarer Anhaltspunkte446 gewährleitstet überdies, dass auch im oftmals entweder tatsächlich unklaren oder rechtlich umstrittenen „Grenzbereich“ strafrechtlich zulässigen Handelns die Entscheidungsprärogative der Vorstandsmitglieder weiterhin unangetastet bleibt und dem Aufsichtsrat auf diesem weiten Feld unterschiedlich vertretbarer Verhaltensbewertungen kein „Einfallstor“ zu einer gestalterisch möglicherweise lähmenden Einflussnahme auf die Geschäftsführung eröffnet wird. Schließlich finden sich auch keine sonstigen gesellschaftsrechtlichen Bedenken gegen die Annahme einer Sonderweisungsbefugnis des Aufsichtsrats. So bleibt nicht nur der zu beachtende Schutz des Rechtsverkehrs in diesem Fall unbeeinträchtigt, da auch der Verhaltensanweisung nur eine gesellschaftsinterne Wirkung zukommt (vgl. § 82 AktG) und der Vorstand somit nach außen weiterhin uneingeschränkt handlungsbefugt bleibt447. Auch für die Gesellschaft begründet die Weisungsbindung des Vorstands keine Nachteile. Vielmehr dient sie in diesem spezifischen Zusammenhang einer effektiven Kontrolle der Geschäftsführung und entspricht insofern sogar dem Interesse des Unternehmens448. Siehe im Einzelnen oben § 2, B., II. Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 106; vgl. auch Krieger, Personalentscheidungen, S. 132 m. w. N. 445 Vgl. bereits oben aa), (4) m. w. N. Entsprechend wird bei Vorstandsstraftaten die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats auch in anderer Hinsicht – dort allerdings nach verbreiteter Auffassung – nicht auf den Einsatz der gesellschaftsrechtlich ausdrücklich positivierten Mittel beschränkt, sondern im Einzelfall zum Beispiel auch auf eine Pflicht zur Anzeigenerstattung erweitert, siehe oben § 2, B., II., 2., a), bb). 446 Siehe oben aa), (5). 447 Der Annahme einer strafrechtsrelevanten Herrschaftsgewalt steht dies aber nicht entgegen, vgl. bereits oben aa), (4). 448 Vgl. oben § 2, B., II., 2., a), bb). Die zivilrechtliche Haftungspflicht des Aufsichtsrats gemäß den §§ 116, 93 AktG spricht nicht per se für die Einräumung einer ungeschriebenen Straftatverhinderungsmöglichkeit, da die Mitglieder natürlich nur im Rahmen ihres rechtlichen Könnens haftbar gemacht werden können; dies verkennt Ransiek, ZGR 1999, S. 626. 443 444

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Somit lässt sich für den Sonderfall eines strafrechtswidrigen Vorhabens des Vorstands in einem ersten Schritt über die gesetzlich geregelten Einwirkungsmittel hinaus eine Kompetenz des Aufsichtsrats deduzieren, kraft derer er in der Lage ist, die geplante Straftat ausnahmsweise auch mittels einer positiven Handlungsanweisung zu verhindern449. Die Aufsichtsratsmitglieder verfügen daher in einer der personalen Befehlsgewalt der Geschäftsherren entsprechenden Form im Bedarfsfall über eine rechtliche Grundlage, um auf das Verhalten des Vorstands im Sinne des Herrschaftsprinzips einen bestimmenden, unmittelbaren450 Einfluss nehmen zu können451. Gleichwohl stellt sich sodann wiederum die Frage, ob aus dieser Herrschaftsposition mit Blick auf das zu beachtende Postulat von der Einheit der Rechtsordnung auch eine strafrechtliche Weisungspflicht zur Straftatverhinderung hergeleitet werden kann. Die Statuierung einer strafrechtlichen Pflicht muss zunächst den Maßgaben des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots aus Art. 103 Abs. 2 GG standhalten. Bei möglichen Bewertungsunsicherheiten hinsichtlich des Vorstandsverhaltens besteht daher die Notwendigkeit einer restriktiven Auslegung. Wie bereits im Rahmen der Widerrufsbefugnis könnte ferner das dem Aufsichtsrat nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG eingeräumte Handlungsermessen der Statuierung einer solchen Garantenpflicht entgegenstehen452. Der Zweck dieses gesellschaftsrechtlichen Ermessens bietet jedoch einen Ansatz zur Differenzierung. Bei einer Abberufung kann angesichts ihrer sehr weit gehenden Rechtswirkung im Ausnahmefall ein Verzicht vor allem zum Schutze höherwertiger Unternehmensinteressen oder auf Grund der Unentbehrlichkeit der betreffenden Person – zumindest vorübergehend – einmal geboten sein, so dass die Entscheidung zu Recht in das Ermessen des Aufsichtsrats zu stellen ist453. Im Rahmen der auf den konkreten Einzelfall einer drohenden Straftat beschränkten Weisung muss im Hinblick auf die ermessensleitenden Gesichtspunkte indes von einer Ermessensreduktion auf Null und damit von einer Pflicht des Aufsichtsrats zur Einwirkung auf den Vorstand ausgegangen werden. Der gesetzliche Überwachungsauftrag zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung verpflichtet das 449

So im Ergebnis auch Ransiek, ZGR 1999, S. 625 f.; ders., Unternehmensstrafrecht,

S. 82. 450 Bezüglich der Unmittelbarkeit kann auf die Ausführungen zum Zustimmungsverweigerungsrecht entsprechend verwiesen werden, vgl. dazu oben aa), (4). 451 Durch die arbeitsrechtliche Möglichkeit, selbst die Tätigkeit für die Gesellschaft jederzeit einzustellen und zu kündigen, können sich die Vorstandsmitglieder zwar dieser Einflussnahme entziehen. Damit verlassen sie jedoch zugleich den vom Aufsichtsrat maßgeblich zu überwachenden (Herrschafts-)Bereich des unternehmensbezogenen Vorstandshandelns. Einer Gestaltungskompetenz des Aufsichtsrats innerhalb seines Verantwortungsbereichs steht dieser „Fluchtweg“ daher entgegen dem Einwand von Jakobs, AT, 29 / 36, nicht entgegen. 452 Keine Probleme ergeben sich hingegen für die Fürsprecher einer generellen Abberufungspflicht; vgl. Janzen, NZG 2003, S. 471; Ulmer, in: Hanau / Ulmer, Komm. MitbestG, § 31 / Rn. 32; Wiesner, in: Münchener Hdb. AG, § 20 / Rn. 51. 453 Siehe dazu oben § 2, B., IV., 3., b) a. E.

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Aufsichtsratsgremium bereits in der Regel dazu, durch gesellschaftsinterne Maßnahmen gesetzmäßige Zustände herzustellen, um einen Folgeschaden für die Gesellschaft zu verhindern454. Ausnahmsweise gegen die einschneidende Abberufung sprechende Aspekte, wie etwa die unentbehrliche Fachkompetenz des Vorstandsmitglieds oder ein drohender Absturz des Börsenkurses durch die Vakanz einer Schlüsselposition, bleiben durch eine Weisung unbeeinträchtigt. Die Aufsichtratsmitglieder trifft deshalb im Interesse des Unternehmens insoweit eine Pflicht zur Straftatverhinderung. Dass dem Aufsichtsrat sodann bei einer drohenden Begehungsstraftat auf Grund der ebenfalls möglichen Zustimmungsverweigerung ein Ermessen bei der Auswahl seines Einwirkungsmittels bleibt455, ändert – abgesehen von dieser rein formal-theoretischen Alternative – nichts an der im Ergebnis bestehenden, gesellschaftsrechtlichen Handlungspflicht und verwehrt insofern die Begründung einer inhaltsgleichen Garantenpflicht im Strafrecht nicht.

c) Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass für die Mitglieder des Aufsichtsrats gerade das typische Korrespondenzverhältnis zwischen Herrschaftsrecht und -pflicht besteht, das die gesetzlich anerkannten personalen Herrschaftsstrukturen, wie zum Beispiel die (Garanten-)Stellung des Amtsvorgesetzten, entscheidend kennzeichnet456 und dessen Fehlen im unternehmerischen Bereich teilweise gegen eine Aufsichtsgarantenstellung der Geschäftsherren vorgebracht wird457. Nach Maßgabe des Herrschaftsprinzips ist daher im Strafrecht eine Aufsichtsgarantenstellung mit der entsprechenden Erfolgsabwendungspflicht der Aufsichtsratsmitglieder begründet. Sowohl das gesetzlich positivierte, einzelfallbezogene Zustimmungsverweigerungsrecht gemäß § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG, als auch die aus der Personalkompetenz nach § 84 Abs. 3 AktG abgeleitete Sonderweisungsbefugnis räumen den Aufsichtsratsmitgliedern im Sinne der Garantendogmatik eine normative Herrschaftsgewalt gegenüber dem Vorstand ein und vermitteln ihnen auf diese Weise strafrechtlich den Rang einer Aufsichtsgarantenstellung. Auf der Grundlage des Vetorechts ist es allerdings nur möglich, eine herrschaftsgetragene Überwachungsgarantenstellung mit der Pflicht zur Verhinderung von Begehungsstraftaten des Vorstands herzuleiten. Die für eine umfassende Straftatverhinderungspflicht maßgebliche Herrschaftsposition stützt sich deshalb letzten Endes auf die deduzierte Weisungskompetenz der Aufsichtsratsmitglieder, die sie bereits im Vorfeld der Deliktsbegehung in die Lage versetzt, sowohl bei Begehungs- als auch bei Siehe ausführlich oben § 2, B., II., 2., a), bb). Siehe oben § 2, B., III., 3., a). 456 Vgl. Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 117. 457 So namentlich Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 117; Otto, Jura 1998, S. 413; Rotsch, Individuelle Haftung, S. 195. 454 455

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Unterlassungsstraftaten des Vorstands ihren auf Schadensabwendung gerichteten Willen rechtlich durchzusetzen. Bestehen demnach im Grunde die materiellen Voraussetzungen für eine Überwachungsgarantenstellung der Aufsichtsratsmitglieder, so bedarf es nunmehr einer weiteren Konturierung der damit verbundenen Verantwortung mit besonderem Blick auf die Reichweite und den Inhalt der sich ergebenden Garantenpflicht. 4. Personale und sachliche Eingrenzung der zu verhindernden Straftaten Ansatzpunkt und Korrektiv zur Bestimmung der Reichweite der personalen Aufsichtsgarantenpflicht muss wiederum der materielle Entstehungsgrund der Garantenposition sein. Die Sicherungspflicht des Überwachungsgaranten gründet allgemein darin, dass ein spezifisches strafrechtliches Risiko nicht durch soziale Kontrollen aufgefangen, sondern hinreichend nur am Gefahrenherd selbst ausgesteuert werden kann. Dritte müssen sich demgemäß darauf verlassen, dass der Inhaber der Kontrollherrschaft über die Gefahrenquelle als Ausgleich für ihre rechtliche Tolerierung in der gleichen Weise für ihre Unschädlichkeit sorgt, wie für die der eigenen Person458. Die strafrechtliche Garantenpflicht geht deshalb immer nur so weit, wie der Herrschaftsbereich des Aufsichtspflichtigen reicht. Die Reichweite der normativen Herrschaftsgewalt gibt insofern zwangsläufig immer auch die Grenzen für die Statuierung einer entsprechenden Gefahrabwendungspflicht vor459. Folgerichtig kann eine Straftatverhinderungspflicht der Aufsichtsratsmitglieder nur im Rahmen ihrer gesellschaftsinternen Sonderweisungsbefugnis bestehen. Der Aufsichtsrat hat weder das Recht noch die Pflicht, die allgemeine, private Lebensführung der Vorstandsmitglieder außerhalb der Gesellschaft zu kontrollieren und zu beeinflussen. Straftaten im privaten Bereich des Vorstands können zwar repressiv angesichts eines Reputationsschadens für die Gesellschaft im Einzelfall einen Widerruf der Bestellung rechtfertigen460. Ein pflichtbegründendes, präventives Herrschaftsrecht steht dem Aufsichtsrat für den Bereich der privaten Lebensführung des Vorstands aber in keinem Fall zu. Der strafrechtlich zu sichernde Herrschaftsbereich des Aufsichtsrats lässt sich umgekehrt allerdings auch nicht räumlich mit dem Unternehmensbereich gleichsetzen, so dass die Gremiumsmitglieder zudem nicht bei jeder Straftat des Vorstands innerhalb des Betriebs oder Unternehmens automatisch eine Erfolgsabwendungspflicht trifft. 458 Vgl. Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 118 f.; Roxin, AT II, § 32 / Rn. 107; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 27; Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 290; sowie oben B., I., 2., b), dd). 459 Vgl. entsprechend zur Geschäftsherrenhaftung R. Busch, Unternehmen, S. 543; Herzberg, Unterlassung, S. 321; Rogall, ZStW 98 (1986), S. 618; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht, S. 121. 460 Siehe oben § 2, B, II., 2., a), bb) sowie § 2, B., IV., 3., b).

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Entscheidender funktionaler Gegenstand der aktienrechtlichen Herrschaftsgewalt der Aufsichtsratsmitglieder und damit zugleich Maßgabe für eine Eingrenzung der zu verhindernden Bezugsstraftaten muss vielmehr die Geschäftsführung als Gegenstand der Überwachung nach § 111 Abs. 1 AktG461 sein. Die in erster Linie davon erfasste Wahrnehmung der originären unternehmerischen Führungsfunktionen durch den Vorstand wird insoweit allerdings kaum einmal eine abzuwendende Straftat mit sich bringen. Von ungleich größerer Relevanz sind in diesem Zusammenhang die einzelnen Rechtsgeschäfte, Vorgänge oder Entscheidungen, die der Geschäftsführung des Vorstands außerhalb der eigentlichen Leitungsfunktion zugerechnet werden können, und die dann einer Überprüfung zugänglich sind und bedürfen, wenn sie – wie regelmäßig im Falle ihrer Strafrechtswidrigkeit – von erheblicher (negativer) Tragweite für die Gesellschaft sind oder zumindest konkrete Besorgnisgründe in dieser Hinsicht bestehen462. Die Geschäftsführungstätigkeit von Ausführungsgehilfen des Vorstands und Angestellten in Leitungsfunktionen unterliegt gesellschaftsrechtlich hingegen nicht unmittelbar dem Einfluss und der Prüfungspflicht des Aufsichtsrats. Folgerichtig kann sich die Aufsichtsgarantenpflicht nach den Kautelen des Herrschaftsprinzips nicht auf diesen Personenkreis und seine Maßnahmen erstrecken463. Gleichwohl muss das Aufsichtsratsgremium auch insoweit stets sicherstellen, dass jedenfalls der Vorstand seinerseits die von ihm delegierte Geschäftsführung dieser Personen ausreichend überwacht464. Unter diesem Gesichtspunkt können deshalb mittelbar durchaus auch strafrechtlich relevante Verfehlungen auf nachgeordneten Hierarchieebenen Anlass für eine Handlungspflicht der Aufsichtsratsmitglieder bieten, wenn erkennbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Vorstand seiner Aufsichts- und Kontrollverpflichtung nicht sorgfaltsgemäß nachkommt und sich dadurch selbst nach den Grundsätzen der Geschäftsherrenhaftung465 strafbar zu machen droht. Im Hinblick auf seine Herrschaftsbefugnisse kann vom Aufsichtsrat in dieser Konstellation aber letztlich nur ein unmittelbares Einwirken auf den Vorstand verlangt werden, mit der Maßgabe, dass dieser wiederum im Rahmen seiner Einflussmöglichkeiten die drohenden Straftaten verhindert466. Indessen bleibt für diese Fälle sachlich dezidiert abzugrenzen, inwieweit eine (drohende) strafrechtswidrige Tätigkeit oder Unterlassung im Einzelnen (noch) spezifisch der vom Aufsichtsrat zu beaufsichtigenden Gefahrenquelle „Geschäftsführung“ zuzurechnen ist. Da der Vorstand durch ein deliktisches Verhalten regelmäßig gerade seine gesetzliche Geschäftsführungsaufgabe überschreitet bzw. überSiehe zur personellen und sachlichen Eingrenzung ausführlich bereits oben § 2, B., I. Siehe oben § 2, B., I., 2., sowie II., 2., a), bb). 463 Zu möglichen Ausnahmen bei „faktischer“ Unternehmensleitung des Aufsichtsrats siehe unten § 5. 464 Siehe oben § 2, B., I., 1., b). 465 Siehe dazu oben 2. 466 Zur Anzeigepflicht im Ausnahmefall siehe unten, 5. 461 462

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schreiten würde, kann die Erfolgsabwendungspflicht schwerlich für alle Straftaten begründet werden, die der Vorstand „in Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgabe“467 begeht468. Die aktienrechtlich gebotene Ausrichtung der Geschäftsführungstätigkeit am Unternehmensinteresse legt es auf den ersten Blick zunächst nahe, den notwendigen Bezug entsprechend danach zu bemessen, ob das Vorstandsmitglied in der betreffenden Situation (wenigstens auch) im Interesse des Unternehmens handelt bzw. entscheidet oder aber ausschließlich eigennützigen Belangen folgt469. Diese Abgrenzung erweist sich jedoch bei näherer Betrachtung wiederum als zu eng. Zwar wird es bei den in der Praxis häufigen Fällen – etwa bei wettbewerbsrechtlichen Straftaten nach § 16 UWG470, Kartellrechtsverstößen471, Bestechungsdelikten im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 StGB472 oder verschiedenen Betrugsstraftaten, bei denen der Gewinn dem Unternehmen zufließen soll – so sein, dass die Vorstandstat im (vermeintlichen) Interesse der Gesellschaft erfolgt. Die Orientierung an den subjektiven Interessen verkompliziert aber nicht nur den ohnehin oft schwierigen Nachweis der inneren Tatseite und macht insoweit eine Strafbarkeit von der jeweiligen Einlassung des Vorstands abhängig473, sondern bereitet bei Unterlassungs- und Fahrlässigkeitstatbeständen – wie zum Beispiel im Rahmen der Insolvenzstraftaten der §§ 283 ff. i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB474 – auch in der Anwendung Schwierigkeiten475. Überdies sind etwa im Bereich der Untreue (§ 266 StGB) durchaus Konstellationen vorstellbar, in denen das Vorstandsmitglied zwar im eigenen Interesse handelt, dabei aber dennoch den typischen beruflichen Versuchungen erliegt und die Tat sich als spezifischer Ausfluss der Gefahrenquelle So aber Roxin, AT II, § 3 / Rn. 141, zur Abgrenzung der Geschäftsherrenhaftung. Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 277, will die Reichweite der Sicherungspflicht von der Gewichtigkeit des gefährdeten Rechtsguts abhängig machen. Dieser Ansatz legt der Garantenpflicht jedoch soziale Verhaltenserwartungen zu Grunde und ist deshalb den bereits dargestellten allgemeinen Einwänden einer solchen Konzeption ausgesetzt, vgl. dazu oben B., I., 2., b), cc). 469 So erstreckt beispielsweise Schünemann, wistra 1982, S. 45, die Geschäftsherrenhaftung lediglich auf die Überwachung von „Verbandstaten“ im Unternehmensinteresse und grenzt rein eigennützige „Exzesstaten“ der Untergebenen aus; ebenso Bottke, Nichtverhütung von Straftaten, S. 68 f. In ähnlicher Weise schließt der Bundesgerichtshof ein strafrechtlich relevantes Handeln „als Organ“ im Rahmen des § 14 Abs. 1 StGB aus, sofern es lediglich persönlichen Interessen des Organmitglieds dient; vgl. zu dieser „Interessentheorie“ BGHSt 30, 127; 34, 221. 470 Vgl. dazu Lettl, Das neue UWG, Rn. 744 ff. 471 Siehe Achenbach, in: FK-KartR, Vor § 81 GWB / Rn. 38. 472 Vgl. zur Tätereigenschaft geschäftsführender Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft BGHSt 20, 210; Fischer, Komm. StGB, § 299 / Rn. 10; Kühl, Komm. StGB, § 299 / Rn. 2. 473 Labsch, wistra 1985, S. 59. 474 Zur Strafbarkeit der Vorstandsmitglieder Pelz, Strafrecht in Krise und Insolvenz, Rn. 121; Weyand, Insolvenzdelikte, Rn. 23. 475 Vgl. Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 14 / Rn. 26; Tiedemann, NJW 1986, S. 1844; Weber, StV 1988, S. 17. 467 468

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„Geschäftsführung“ darstellt. Die entscheidende Verknüpfung mit der zu überwachenden Gefahrenquelle muss daher anhand objektiver Kriterien hergestellt werden. In Anlehnung an die entsprechenden Abgrenzungsbemühungen im Rahmen der Geschäftsherrenhaftung – sowohl der strafrechtlichen als auch der zivilrechtlichen nach § 831 BGB476 – könnte insoweit ein „innerer, unmittelbarer Zusammenhang“ des Vorgangs mit dem übertragenen Aufgaben- und Pflichtenkreis des Vorstands gefordert werden477. Der Aufsichtsrat hätte dann folgerichtig für Straftaten der Vorstandsmitglieder, die diese nur „bei Gelegenheit“ ihrer Geschäftsführungstätigkeit begehen, nicht einzustehen. Diesbezüglich ist jedoch zu beachten, dass der Vorstand nach § 77 Abs. 1 Satz 2 AktG in Abweichung vom Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung auch eine entweder funktionale oder divisionale Geschäftsund Ressortverteilung auf die einzelnen Mitglieder vornehmen kann478. Der objektive Zusammenhang zu dem spezifischen Aufgabenfeld darf dann jedenfalls nicht so weit verengt werden, dass die Überwachungsverantwortung bereits deshalb entfällt, weil ein Vorstandsmitglied ein Delikt außerhalb des ihm zugewiesenen Teilressorts begeht479. Aus diesem Grund erscheint es letzten Endes am überzeugendsten, die vom Aufsichtsrat zu verhindernden Straftaten danach zu bestimmen, ob der Vorstand die Tat gegenüber Dritten gerade unter Einsetzung und Ausnutzung der spezifischen tatsächlichen480 und rechtlichen Wirkungsmöglichkeiten ausführt, die ihm aus seiner Aufgabe und Stellung als Geschäftsführungsorgan in der Gesellschaft erwachsen und die insofern das besondere, einzudämmende Gefahrenpotential verkörpern. Selbst mit Hilfe eines so formulierten Abgrenzungskriteriums – das in der Literatur auch im Rahmen des § 14 Abs. 1 StGB zur Konkretisierung des umstrittenen Zurechnungsmerkmals „Handeln als Organ“ verwendet wird481 – lässt sich die Frage der Reichweite der Garantenpflicht zwar nicht abschließend beantworten. Gleichwohl sollte es auf dieser Grundlage möglich sein, in den verschiedenen Einzelfällen sachgerecht und berechenbar zu beurteilen, ob eine Straftat – wie etwa eine Steuerhinterziehung durch den Vorstand, die unvollständige Erfüllung Vgl. u. a. Wagner, in: Münchener Komm. BGB, § 831 / Rn. 19 ff. Siehe R. Busch, Unternehmen, S. 543; Landscheidt, Garantenpflichten, S. 115 f.; Rengier, in: KK-OWiG, § 8 / Rn. 48; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 52; ähnlich auch Thiemann, Aufsichtspflichtverletzungen, S. 21. 478 Dazu im Einzelnen Fleischer, ZIP 2003, S. 7; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 / Rn. 46 ff. 479 Zumal die interne Geschäftsverteilung nichts am Grundsatz der Gesamtverantwortung aller Vorstandsmitglieder ändert; vgl. Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 / Rn. 47. 480 Das kann zum Beispiel die Übertragung von Besitz und Gewahrsam oder auch der tatsächliche Umgang mit Vermögensgegenständen sein; vgl. Labsch, wistra 1985, S. 61. 481 Labsch, wistra 1985, S. 60 f.; Tiedemann, NJW 1986, S. 1844; entsprechend zur Konkretisierung der Betriebsbezogenheit bei der Geschäftsherrenhaftung Schall, in: FS Rudolphi 2004, S. 282 f.; Wohlers, in: NK-StGB, § 13 / Rn. 53. 476 477

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der Sozialversicherungspflichten, unerlaubte Waffengeschäfte oder Verstöße gegen Umweltschutzvorschriften – in funktionalem Zusammenhang mit der Gefahrenquelle „Geschäftsführung“ steht oder nicht. Als sog. Exzesstaten, deren drohende Verwirklichung in diesem Zusammenhang nicht den aufgabenspezifischen Wirkungsmöglichkeiten des Vorstands, sondern allgemeinen, ohnehin bestehenden Gefahren entspringt, sind der Sekundärverantwortung des Aufsichtsrats danach zum Beispiel Diebstähle während einer Werksbesichtigung, sexuelle Belästigungen gegenüber Mitarbeitern sowie körperliche Übergriffe oder Beleidigungen entzogen.

5. Inhalt der Aufsichtsgarantenpflicht Ist damit der Kreis der zu verhindernden Straftaten sowohl in personeller als auch in sachlicher Hinsicht näher bestimmt, so bleibt nun abschließend zu konkretisieren, welche Gestalt und Qualität die entsprechende Handlungspflicht der verantwortlichen Aufsichtsratsmitglieder inhaltlich anzunehmen hat. Im Unterschied zu den Umständen, welche die Garantenpflicht begründen (Garantenstellung), gehört die daraus erwachsende Garantenpflicht nicht zum Tatbestand der unechten Unterlassungsdelikte, so dass die Kenntnis des Garantengebotes selbst nicht erforderlich ist und ein Irrtum über die Gebotswidrigkeit den Tatbestandsvorsatz nicht berührt482. Differenzierungen und Einschränkungen, die sich dabei aus der horizontalen Arbeitsteilung im Gremium oder in Abhängigkeit von einem bestimmten Abstimmungsverhalten aus den besonderen internen Verhältnissen des Kollegialorgans ergeben können, finden an dieser Stelle allerdings noch keine Berücksichtigung. Mit spezifischem Blick auf den konkreten Handlungsbedarf zur Erfolgsabwendung soll hier zunächst die (externe) Garantenpflicht des Aufsichtsratsorgans typisiert werden. Der sich sodann stellenden Frage der individuellen Verantwortungszuweisung an die jeweiligen Kollegialorganmitglieder wird auf Grund ihrer allgemeinen, über die Garantenhaftung hinausgehenden Bedeutung gesonderte Aufmerksamkeit geschenkt483.

a) Pflicht zur Gefahrabwendung oder auch zur Gefahrminderung? Allgemein unstreitig entfällt eine Handlungspflicht des Garanten gänzlich, wenn dieser überhaupt nicht über die physisch-reale oder rechtliche Möglichkeit verfügt, den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges abzuwenden484. Von diesen Fällen abgesehen besteht bereits im Grundsatz eine Uneinigkeit über den Umfang einer 482 So der Große Senat in BGHSt 16, 155 und die h. M. in der Literatur, vgl. u. a. Fischer, Komm. StGB, § 16 / Rn. 17 m. w. N.; Maurach / Gössel / Zipf, AT 2, § 46 / Rn. 123 ff. 483 Siehe dazu ausführlich unten § 6. 484 Vgl. u. a. BGH, wistra 2000, S. 136; Roxin, AT II, § 31 / Rn. 8 ff.; Wessels / Beulke, AT, Rn. 708.

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Garantenpflicht, die letztlich in verschiedenen Kausalitäts- bzw. Zurechnungsansätzen ihre eigentliche Ursache hat. So verlangt die bislang in Literatur und Rechtsprechung vorherrschende Meinung für eine „Quasi-Kausalität“ des Unterlassens, dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entsprechend der conditio-sine-qua-non-Formel bei Vornahme der pflichtgemäßen Handlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre485. Folgerichtig wird eine strafrechtliche Handlungspflicht des Garanten auf die Fälle beschränkt, in denen die hinreichende Sicherheit gegeben ist, dass die missbilligte Gefahr durch die Vornahme der Handlung auch abgewendet wird486. Diese Lehre stößt jedoch in der praktischen Anwendung an ihre Grenzen, sobald der hypothetischen Kausalreihe keine tradierten Erkenntnisse oder Erfahrungen zu Grunde gelegt werden können487. Je komplexer sich die möglichen Risiken darstellen, desto schwieriger lässt sich eine Garantenpflicht vor dem Hintergrund des „in dubio pro reo“-Gebots bei verbleibenden Zweifeln an der Erfolgstauglichkeit einer Gegenmaßnahme wirklich begründen488. Die Umweltzerstörung durch ein chemisches Großunternehmen beispielsweise mag zwar hic et nunc unternehmerische Fehlentscheidungen offenbaren, ob diese aber ex ante durch ein besseres Management, etwa mit Blick auf die Art und Weise einer Produktion oder die Standortwahl, immer objektiv vermeidbar sind, erscheint häufig äußerst fraglich489. Dieser Beweisproblematik begegnet die sog. Risikoerhöhungslehre490, die sich (beim Begehungsdelikt) bereits mit einer kausalen Gefahrerhöhung für die Zurechnung begnügt, durch eine Ausweitung der Handlungspflicht auf Situationen, in denen der Garant jedenfalls über die Möglichkeit verfügt, die Gefahr für das bedrohte Rechtsgut zu vermindern491. In der Konsequenz wünschenswert erhöht dieser An485 Vgl. etwa RGSt 51, 127; 75, 49 (50); BGHSt 6, 1 (2), 37, 127; BGH, NJW 2003, S. 522 (526); Jescheck, in: LK-StGB, § 13 / Rn. 15, 18; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 61. 486 Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 30; Kühl, AT, § 18 / Rn. 38. 487 Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 143. 488 Dieses Problem sehen auch Achenbach, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, I 3 / Rn. 38; Th. Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 51. 489 In diesem Sinne auch Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 43 f.; Rotsch, wistra 1999, S. 374; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 54 f. In der Praxis hat dies zum Beispiel auch das langjährige und letztlich wieder eingestellte Strafverfahren gegen die Konzernspitze der Sandoz AG aus Basel wegen hochgradiger Kontamination des Rheins gezeigt; näher dazu Hinderling / Goepfert, SchwJZ 83 (1987), S. 57 ff. 490 Bezogen auf den Unterlassungsbereich auch als Risikoverminderungslehre bezeichnet; vgl. Beulke / Bachmann, JuS 1992, S. 743, Fn. 90. 491 So vor allem Otto, AT, § 9 / Rn. 98 ff.; Rudolphi, in: SK-StGB, Vor § 13 / Rn. 16 u. 25; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 13 / Rn. 54 ff.; zustimmend zuletzt auch Th. Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 52 f. Auch in der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes finden sich Anlehnungen an diesen Ansatz, wenn es beispielsweise bei Stichproben als Form einer geforderten Aufsichtsmaßnahme in Unternehmen nicht darauf ankommen soll, dass

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satz zwar die Rettungschancen für das Rechtsgut. Er sieht sich allerdings dem berechtigten Einwand ausgesetzt, dass er auf diese Weise die Verletzungsdelikte contra legem in Gefährdungsdelikte umdeutet492. Wäre das Opfer auch bei einem Eingreifen nicht mit Sicherheit gerettet worden, so ist die Rechtsgutsverletzung eben nur vielleicht das „Werk“ des Unterlassenden493. Insofern können die Mitglieder des Aufsichtsrats trotz der damit einhergehenden Beweisschwierigkeiten de lege lata nur zur Vornahme einer Handlung verpflichtet werden, die mit hinreichender Sicherheit den missbilligten Erfolg in Gestalt der Vorstandsstraftat auch abwendet.

b) Einwirkungsmöglichkeiten zur Verhinderung von Straftaten des Vorstands Die normative Herrschaftsposition des Aufsichtsrats als materielle Grundlage der Garantenpflicht bedingt naturgemäß eine rechtliche Kompetenz des Gremiums, durch unmittelbare Einflussnahme auf den Vorstand die Gefahr einer Rechtsgutsverletzung nicht nur zu mindern, sondern gänzlich zu vermeiden. Insofern sind die Aufsichtsratsmitglieder zur Erfolgsabwendung vor allem auf die Inanspruchnahme ihrer bereits festgestellten Herrschaftsrechte zu verweisen. Eine rechtsverbindliche Einwirkungsmöglichkeit vermittelt ihnen dabei umfassend die deduzierte Sonderweisungsbefugnis bei drohender Delinquenz, sowie in eingeschränktem Rahmen auch das gesetzliche Vetorecht494. Die präventive Abberufung des Vorstandsmitglieds vermag eine bevorstehende Straftat zwar ebenfalls zu verhindern. Gleichwohl kann diese Kompetenz auf Grund des grundsätzlichen Handlungsermessens nur in Ausnahmefällen auch zum Gegenstand einer sekundären Garantenpflicht gemacht werden495. Einer Differenzierung bedarf es wohl im Hinblick auf die nachzuweisende Sicherheit der Straftatverhinderung mit Hilfe dieser Maßnahmen. Die Abberufung wird einem unternehmensbezogenen Delikt des Vorstandsmitglieds ohne Bedenken zuvorkommen. Ob hingegen allein die Rechtsverbindlichkeit des Weisungs- und hierdurch tatsächlich Missstände aufgedeckt worden wären, sondern entscheidend sei, dass durch eine erkennbare Überwachung der betreffenden Betriebsmitarbeiter der jeweiligen Gefahr „weitgehend vorgebeugt“ worden wäre, so BGHSt 25, 158 (163). 492 Vgl. u. a. Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 14 / Rn. 86 f.; Kühl, Komm. StGB, Vor § 13 / Rn. 14a; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 61; Wessels / Beulke, AT, Rn. 199, jeweils m. w. N. 493 Kühl, AT, § 18 / Rn. 39; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 18 f. 494 Im Einzelnen ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen, 3., b), aa), (4) sowie bb). 495 Siehe dazu näher oben 3., b), aa), (5) a. E. Entgegen Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 128, ist dafür aber nicht ausschlaggebend, dass „das Unterlassen auf sachfremden [privaten] Gründen [ . . . ] beruht“ und bereits deshalb ermessenfehlerhaft ist. Entscheidend ist vielmehr, dass in der entsprechenden Situation das maßgeblich zu berücksichtigende Interesse des Unternehmens einzig eine Abberufung erlaubt und nicht einen (jedenfalls vorübergehenden) Verzicht rechtfertigt.

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Vetorechts zwangsläufig auch die Folgsamkeit der Vorstandsmitglieder und damit die Gefahrabwendung sicher gewährleistet (hätte), ist besonders in den Fällen einer (schweren) Vorsatztat des Vorstands, in denen dieser das (Straf-)Recht gerade vorsätzlich beugt, zumindest zweifelhaft und wird deshalb nach den Umständen des Einzelfalles dezidiert darzulegen sein. Bei bloßen Fahrlässigkeitsdelikten der Vorstandsmitglieder ist indessen davon auszugehen, dass die Rechtsverbindlichkeit der Einflussnahme und die aus einem Verstoß für den Vorstand drohenden drastischen Konsequenzen einer Schadensersatzpflicht oder gar einer Kündigung regelmäßig die Straftat mit hinreichender Sicherheit unterbunden hätten. Die Handlungspflicht ist allerdings keineswegs weder auf die Wahrnehmung der Herrschaftsbefugnisse beschränkt, noch allgemein durch die spezifisch gesellschaftsrechtlichen Einwirkungsmittel des Aufsichtsrats begrenzt496. So mag im Einzelfall, etwa wenn dem Aufsichtsrat bestimmte strafrechtsrelevante Umstände im Gegensatz zum Vorstand bekannt sind, bereits der bloße Hinweis in Form einer Stellungnahme genügen, um eine (weitere) Rechtsgutsbeeinträchtigung abzuwenden. Die auf Grund der fehlenden Verbindlichkeit dieser Maßnahme uneingeschränkt verbleibende Handlungsfreiheit des eigenverantwortlichen Vorstands wird insoweit den prozessualen Beweis einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit der Gefahrabwendung jedoch äußerst schwierig gestalten497. Als ultima ratio kann die Handlungspflicht der Aufsichtsratsmitglieder auch eine Anzeige gegenüber den Strafverfolgungsbehörden umfassen, sofern diese nicht in Widerspruch zu der gleichfalls strafbewehrten Geheimhaltungspflicht gemäß §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 3 AktG, § 404 StGB steht498. Eine über die allgemeine Anzeigepflicht des § 138 StGB hinausgehende Offenbarungspflicht kommt danach allenfalls bei weit reichenden wirtschaftskriminellen Straftaten499 oder Verbrechen in Betracht, bei denen der Gesellschaft selbst ein erheblicher (mittelbarer) Schaden droht500. Bei schweren Gesundheitsschäden Dritter wird eine gebotene Strafanzeige indessen nur in § 138 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. § 314 StGB gründen können, sofern sich vorsätzlich herbeigeführte Produktgefahren als „gemeingefährliche Vergiftung“ erfassen lassen501. A. A. Cramer, in: FS Stree / Wessels 1993, S. 585. Ähnlich Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 129. 498 Siehe zur maßgebenden primärrechtlichen Anzeigepflicht bereits eingehend oben C., I., 1.; sowie Otto, in: Großkomm. AktG, Vor § 399 / Rn. 24; in Andeutung auch BGHSt 47, 187 (201). 499 Bei Kartellrechtsverstößen wird eine Anzeigepflicht nur in besonders schweren Fällen oder bei Wiederholungstaten anzunehmen sein; vgl. dazu Brammsen, in: Schwerpunkte, S. 83 ff., 94; BGE 104 IV, 175 zur Strafbarkeit eines Produktmanagers, der die EG-Kommission über Kartellrechtsverstöße seines Unternehmens unterrichtet hatte, wegen Verletzung von Geschäftsgeheimnissen. 500 Vgl. Geilen, in: Kölner Komm. AktG, § 404 / Rn. 83; Lenckner, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 203 / Rn. 32; Otto, in: Großkomm. AktG, § 404 / Rn. 45. 501 Dazu Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 77; zustimmend Fleischer, BB 2004, S. 2650. 496 497

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Dem weiteren Regulativ der Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens lassen sich – abgesehen von den dogmatischen Zweifeln an seiner Berechtigung502 – jedenfalls für die Handlungspflicht des Aufsichtsrats keine denkbaren Einschränkungen entnehmen. So können beispielsweise auch etwaige Vermögensinteressen des Arbeitgebers oder die Sorge um den Verlust von Arbeitsplätzen nach den insoweit heranzuziehenden Kriterien des § 35 StGB keinen Entschuldigungsgrund in diesem Zusammenhang bieten503.

c) Pflichtgemäßes Verhalten im Rahmen der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit Infolge des prozessual häufig nur schwerlich zu führenden Nachweises der inneren, subjektiven Tatseite für das Vorsatzdelikt kommt der Fahrlässigkeitsdelinquenz insbesondere für die Praxis eine wesentliche Bedeutung zu504, die vorliegend eine genauere Konkretisierung der strafrechtlichen Fahrlässigkeitsverantwortung der Aufsichtsratsmitglieder gebietet.

aa) Verhältnis von Garanten- und Sorgfaltspflicht Im Bereich der fahrlässigen Unterlassungsdelikte kann das Handlungsgebot des Garanten erst im Zusammenhang mit der objektiven Sorgfaltspflicht näher bestimmt und begrenzt werden. Wenngleich Garanten- und Sorgfaltspflicht begrifflich zu unterscheiden bleiben, lassen sie sich inhaltlich zu einem kongruenten Gebot pflichtgemäßen Verhaltens zusammenführen505. Bei Vorliegen einer Garantenstellung bedeutet eine Sorgfaltspflichtverletzung zugleich die Verletzung der Garantenpflicht506. Für die Frage einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit ist damit bei dem Vorwurf fahrlässigen Unterlassens der Inhalt der entsprechenden Sorgfaltspflichten der maßgebliche Faktor507. 502 Vgl. dazu allgemein Bosch, Organisationsverschulden, S. 356; Kühl, AT, § 18 / Rn. 140 f.; Kuhlen, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, II / Rn. 63; Wessels / Beulke, AT, Rn. 739. 503 Dannecker, in: Individuelle Verantwortung, S. 233 ff. 504 Der Nachweis der Kenntnis eines Tatbestandsmerkmals (z. B. der Garantenstellung, oder die Voraussicht des Erfolges) ist beim Fahrlässigkeitsdelikt nicht zwingend notwendig (unbewusste Fahrlässigkeit). Der Vorwurf geht hier vielmehr dahin, dass der Täter auf Grund seiner Stellung und seinen persönlichen Verhältnissen hätte erkennen können, dass im gegebenen Fall eine Gefährdung bestand, die in einen (für ihn) voraussehbaren Erfolg umschlagen konnte; vgl. u. a. Kühl, AT, § 19 / Rn. 4. 505 Ebenso Fünfsinn, Aufbau, S. 98 ff.; Grünewald, Garantenpflichten, S. 125; Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 97; Kühl, Komm. StGB, § 15 / Rn. 54; Röhl, JA 1999, S. 900; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 16 / Rn. 2; differenzierend Cramer / Sternberg-Lieben, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 15 / Rn. 143; J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 244 ff. 506 Wohlers, in: NK-StGB, § 13 / Rn. 21. 507 Spitz, Strafrechtliche Produkthaftung, S. 28.

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bb) Gesellschaftsrechtliche Sorgfaltsobliegenheiten als Ausgangspunkt der inhaltlichen Bestimmung pflichtgemäßen Verhaltens im Strafrecht Nachdem die Mitglieder des Aufsichtsrats auch gemäß §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG zur sorgfältigen Überwachung des Vorstands verpflichtet sind, stellt sich die Frage, ob und inwieweit die im Gesellschaftsrecht diesbezüglich erarbeiteten und bereits ausdifferenzierten Pflichten508 auch zur inhaltlichen Konkretisierung509 des strafrechtlichen Handlungsgebots herangezogen werden können. Die Übertragung der im Gesellschaftsrecht entwickelten Maßstäbe würde nicht nur die Rechtssicherheit im Bereich der Aufsichtsratsverantwortung steigern, sondern zudem die Einheit der Rechtsordnung fördern und nicht zuletzt die strafrichterliche Argumentation entlasten510. (1) Divergenzen zwischen dem zivilrechtlichen Pflichtbegriff und strafrechtlichen Prinzipien Die Problematik einer Übertragbarkeit zivilrechtlicher Handlungspflichten in das Strafrecht wurde in Rechtsprechung und Literatur bisher in erster Linie im Zusammenhang mit den für die Produkthaftung bedeutsamen Verkehrssicherungspflichten thematisiert. Die herrschende Ansicht, wie Kuhlen dies festgestellt hat, folgte dabei zunächst lange einer „(normativen und kasuistischen) Einheitlichkeitsund Präjudizienthese“ 511 und ging von einem identischen Sorgfaltsmaßstab im Zivil- und im Strafrecht aus512. In letzter Zeit wird der vorbehaltslosen Übernahme 508 Wenngleich es aus der Rechtsprechung bisweilen wenig rechtlich aufbereitetes Fallmaterial gibt, was weniger auf eine geringe Zahl von Pflichtverletzungen zurückzuführen ist, als vielmehr auf die Schwierigkeit des Schadensnachweises sowie das mangelnde Interesse der Vorstände, Schadensersatzansprüche gegenüber ihren Überwachern geltend zu machen; vgl. Raiser / Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 / Rn. 114; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 15, jeweils m. w. N. 509 Diese ist strikt von der Begründung der Garantenstellung zu unterscheiden, die davon unabhängig stets nach materiellen, strafrechtseigenen Prinzipien zu erfolgen hat. Es geht deshalb vorliegend nicht um eine Anlehnung an die überholte, formale Rechtsquellenlehre; siehe ausführlich oben B., I., 1. 510 Eine vergleichbare Motivation wird allgemein auch für die Harmonisierung der Verkehrssicherungspflichten im Bereich der Produkthaftung angeführt; vgl. Grünewald, Garantenpflichten, S. 34; Hilgendorf, Strafrechtliche Produzentenhaftung, S. 147; Kuhlen, Produkthaftung, S. 83. Goll / Winkelbauer, in: v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch I, § 46 / Rn. 8, gehen deshalb davon aus, dass „sich das Strafrecht zukünftig zwar nicht formal, doch aber im Ergebnis zivilrechtlichen Haftungsstandards annähern wird“. 511 Kuhlen, Produkthaftung, S. 87 ff., 149 m. w. N.; vgl. jüngst LG Waldshut-Tiengen, NJW 2002, S. 153. 512 Allgemein vertritt etwa auch Herzberg, JuS 1996, S. 380, den Standpunkt, die zivilrechtlichen Sorgfaltspflichten im Sinne des § 276 Abs. 2 BGB n. F. könnten auch Grundlage für den strafrechtlichen Sorgfaltsmaßstab sein, da es einen wesentlichen Unterschied nicht gebe. Vgl. auch Hauf, MDR 1995, S. 21 f.; zurückhaltender insoweit Kühl, AT, § 17 / Rn. 3.

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zivilrechtlicher Pflichten in das Strafrecht hingegen zunehmend mit Skepsis begegnet513. So ist auch der Bundesgerichtshof in seinem grundlegenden „LedersprayUrteil“ einer eindeutigen Entscheidung ausgewichen, indem er einerseits bemerkt, es spreche „manches dafür, dass die dieselben Pflichten, die für die zivilrechtliche Produkthaftung maßgebend sind, auch die Grundlage strafrechtlicher Verantwortlichkeit bilden“, während er andererseits betont, es dürften „die schadensersatzorientierten Haftungsprinzipien des Zivilrechts nicht unbesehen zur Bestimmung strafrechtlicher Verantwortlichkeit benutzt werden“514. Für die Mitglieder des Aufsichtsrats hat die höchstrichterliche Rechtsprechung zuletzt sogar konkret bestimmt, dass der Umfang ihrer strafrechtlichen Vermögensfürsorgepflicht, die im Rahmen des § 266 StGB gerade Ausdruck der allgemeinen Garantenverpflichtung ist515, den Obliegenheiten der §§ 116, 93 AktG zu entnehmen sei516. Allerdings stellte der Bundesgerichtshof zugleich klar, dass sodann nicht jede, sondern nur eine „gravierende“ gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung als Grundlage für eine strafrechtliche Pönalisierung ausreiche517. Die für dieses zusätzliche strafrechtliche Korrektiv maßgebliche „Gesamtschau“ verschiedener, insbesondere gesellschaftsrechtlicher Kriterien518 erlaubt indessen keine verallgemeinerungsfähige Eingrenzung519. Sie hängt vielmehr entscheidend von dem (vorausgesetzten) jeweiligen Handlungs- und Ermessensspielraum ab, der vor allem unternehmerische Entscheidungen auf Grund ihres immanenten Prognoserisikos kennzeichnet und insoweit Differenzierungen in der Wertung zulässt520. Deshalb verbietet sich in diesem Zusammenhang eine schematische Übertragung von in anderen einzelfallbezogenen Entscheidungen aufgestellten Qualifikationskriterien nicht nur generell, sondern im Besonderen auch bei der Bemessung der Überwachungspflichten des Aufsichtsrats, die ausschließlich dem kognitiven Bereich angehören und deshalb bereits aktienrechtlich keine zu berücksichtigenden Entscheidungs- und damit Bewertungsspielräume eröffnen521. 513 Siehe jüngst Th. Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 59 ff.; sowie Grünewald, Garantenpflichten, S. 34 f., 124 ff.; Kuhlen, Produkthaftung, S. 76 ff.; Spitz, Strafrechtliche Produkthaftung, S. 288 ff. 514 BGHSt 37, 106 (115); zustimmend Beulke / Bachmann, JuS 1992, S. 740; Bosch, Organisationsverschulden, S. 179 in Fn. 586. 515 Fischer, Komm. StGB, § 266 / Rn. 27; Kühl, Komm. StGB, § 266 / Rn. 2; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 55, 91. 516 BGHSt 47, 187 (200 f.). 517 BGHSt 47, 187 f.; dahingehend auch BGHSt 47, 148 (152), bezüglich der banküblichen Informations- und Prüfungspflichten gemäß § 18 KWG. Diese Einschränkung betraf zwar ausdrücklich jeweils nur Pflichtverletzungen des Vorstands, lässt sich aber auf alle „unternehmerischen Entscheidungen“ der Verwaltungsorgane übertragen, so jüngst LG Düsseldorf, ZIP 2004, S. 2044 (2051) „Mannesmann“. Ohne Einschränkung an die aktienrechtlichen Pflichten anknüpfend indes H. Schmidt, Umwelthaftung, S. 223 ff. 518 Siehe die beispielhafte Aufzählung in BGHSt 47, 187 (188). 519 Dies erkennt auch das LG Düsseldorf, ZIP 2004, S. 2044 (2051) „Mannesmann“. 520 Siehe dazu ausführlich oben § 2, B., III., 2.

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Gleichwohl weist diese neuere Rechtsprechung jedenfalls auf die regelmäßige Notwendigkeit einer eigenständigen kernstrafrechtlichen Wertung hin und teilt damit das hier bereits entwickelte Verständnis von der grundsätzlichen Sekundarität des Strafrechts im Verhältnis zur metastrafrechtlichen Rechtsordnung522. Grundlage dieses „strafrechtlichen Filters“523 müssen die bestehenden Divergenzen zwischen dem zivilrechtlichen Pflichtbegriff und den traditionell das Strafrecht prägenden Prinzipien sein. Dem Strafrecht obliegt die Aufgabe, die fundamentale Freiheitssphäre vor Eingriffen und Verletzungen zu schützen524. Strafe ist Ausdruck eines ethischen Unwerturteils525. Dabei geht es neben einer Spezialund Generalprävention um den Ausgleich des vom Täter verschuldeten Unrechts (Schuldausgleich)526. Das zivilrechtliche Haftungsrecht zielt hingegen allgemein auf den Ausgleich von Vermögensschäden ab, wobei es dabei teilweise von einer Risikozuschreibung ausgeht, die durch strafrechtsfremde Aspekte wie die sozialen Belange des Geschädigten, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schädigers oder die Versicherbarkeit des Schadensrisikos geprägt ist527. Dies verdeutlicht eine grundverschiedene Fokussierung beider Rechtsgebiete. Während sich das Strafrecht auf den Täter und seine Tat konzentriert und den Schuldvorwurf seinen persönlichen Verhältnissen zumisst, orientiert sich das Zivilrecht primär an der Lage des Geschädigten. Unter Anwendung von Billigkeitserwägungen tendiert das Schadensersatzrecht dazu, dessen Interessen gegenüber dem meist haftpflichtversicherten Schädiger den Vorrang einzuräumen, und entfernt sich dadurch (notwendigerweise) vom strafrechtlichen Verschuldensprinzip528. Das gesteigerte Haftungsrisiko des Schädigers kann wiederum im Strafrecht nicht auf eine Versicherung abgewälzt werden. Nur so wird die bezweckte Verhaltenssteuerung der Strafnormen erreicht, während diese im Zivilrecht hinter den Aspekt der Schadenskompensation zurücktritt529. 521 Siehe zum Inhalt der Überwachungsentscheidungen des Aufsichtsrats in Abgrenzung zu seinem unternehmerischen Handeln eingehend oben § 2, B., III., 3. Die Interpretation von Lüderssen, in: FS Lampe 2003, S. 742, der diese zusätzliche Qualifikation als einen geradezu „klassischen Fall der Modalitäten-Äquivalenz im Sinne des § 13 StGB“ begreifen will, verkennt den Zweck und den damit einhergehenden Anwendungsbereich dieser Einschränkung. 522 Siehe dazu oben § 2, A., II. 523 Spitz, Strafrechtliche Produkthaftung, S. 293. 524 Vgl. Grünewald, Garantenpflichten, S. 125; Joecks, in: MK-StGB, Einl. / Rn. 26; Wessels / Beulke, AT, Rn. 6. 525 Vgl. Spitz, Strafrechtliche Produkthaftung, S. 123; Wessels / Beulke, AT, Rn. 9. 526 Siehe dazu Grünewald, Garantenpflichten, S. 82 ff.; Spitz, Strafrechtliche Produkthaftung, S. 123 ff.; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 1 / Rn. 3 ff.; Wessels / Beulke, AT, Rn. 12a. 527 Th. Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 60 f.; Grünewald, Garantenpflichten, S. 66 ff.; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 118 f.; Spitz, Strafrechtliche Produkthaftung, S. 112 ff. 528 Vgl. Th. Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 60 f.; Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 123; Spitz, Strafrechtliche Produkthaftung, S. 112 und 126; Weißer, Kollegialentscheidungen, S. 62 f.

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So verfolgt auch die hier in Rede stehende, aktienrechtliche Organhaftung der §§ 116, 93 AktG unmittelbar den Zweck, einen Vermögensausgleich gegenüber der Gesellschaft, den Gesellschaftern sowie den Gesellschaftsgläubigern für Nachteile aus dem eigenverantwortlichen und treuhänderischen Handeln der Organmitglieder herbeizuführen530. Gleichwohl besteht auch für die Mitglieder des Aufsichtsrats die besagte Möglichkeit, dieses Risiko einer auf der einen Seite de lege lata „scharfen“531 gesellschaftsrechtlichen Haftung durch eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung (sog. D&O-Versicherung532) auf der anderen Seite entsprechend abzufangen533. Weiterer Ausdruck dieser zivilrechtlichen Ausgleichsfunktion ist die Beweislastumkehr nach §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 2 Satz 2 AktG, die dem Organmitglied in Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen die Beweislast für die fehlende objektive Pflichtwidrigkeit auferlegt534. Diese Beweiserleichterung darf wegen des „in dubio pro reo“-Grundsatzes im Strafrecht ebenfalls keine Anwendung finden535. Allerdings hat dies keinen Einfluss auf die Anwendbarkeit des gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsmaßstabs, da sich dieses Problem erst auf prozessualer Ebene stellt536. Grundsätzlich gilt es deshalb bei der Transformation zivilrechtlicher Sorgfaltsgebote in das Strafrecht zu berücksichtigen, dass die zivilrechtliche Haftungsbegründung sich primär an einer parteilichen Verteilungsgerechtigkeit orientiert, wohingegen in die Bestimmung strafrechtlicher Verhaltensnormen Gesichtspunkte wie das Ziel des Rechtsgüterschutzes, die Notwendigkeit des Einsatzes von Strafe und einer Beschränkung der Handlungsfreiheit sowie die Stabilisierung von Eigenverantwortlichkeit einzufließen haben537.

529 Th. Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 61. Vgl. jedoch auch die Ausführungen von Goll / Winkelbauer, in: v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch I, § 46 / Rn. 19, zu einer Straf-Rechtsschutzversicherung, die aber im Falle einer vorsätzlichen Tatbegehung entfällt. 530 Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 11 ff.; C. Jäger / Trölitzsch, ZIP 1995, S. 1158; U. Schneider, in: FS Werner 1984, S. 807 f., 814; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 8. 531 Hopt, in: FS Mestmäcker 1996, S. 914. 532 Abgeleitet von der amerikanischen Directors’ and Officers’ Liability Insurance. 533 Siehe dazu vertiefend Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 518 ff.; Ihlas, Organhaftung, S. 59 ff.; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 11 / Rn. 866 ff. 534 Siehe dazu Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 276 ff.; Hüffer, Komm. AktG, § 93 / Rn. 16; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 11 / Rn. 850. 535 Eidam, Unternehmen und Strafe, S. 443; Kuhlen, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, II / Rn. 43. 536 So auch Weißer, Kollegialentscheidungen, S. 62. 537 Siehe dazu mit zahlreichen Nachweisen Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 123 mit Fn. 137; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 118; Seelmann, in: Vielfalt des Rechts, S. 91.

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(2) Orientierungs- und Indizwirkung gesellschaftsrechtlicher Verhaltensgebote Aus den aufgezeigten Divergenzen erhellt, dass die unreflektierte Anknüpfung des Strafrechts an zivilrechtliche Sorgfaltsmaßstäbe im Einzelfall die Gefahr einer strafrechtlich nicht hinnehmbaren, und angesichts des zivilrechtlichen Opferschutzes auch weniger notwendigen538 Pflichtenüberspannung bergen kann539. Dessen ungeachtet stellen die vorstrafrechtlichen Verhaltensgebote jedoch einen absolut geeigneten und überdies erforderlichen Orientierungspunkt für die inhaltliche Bestimmung sekundär-strafrechtlicher Handlungsgebote dar. Die Beschränkung des strafrechtlichen Pflichtbegriffs als schärfstes Mittel der Rechtsordnung gründet in der Ultima Ratio-Funktion strafrechtlicher Normen540. Das Strafrecht darf deshalb mit Blick auf das Postulat der Einheit der Rechtsordnung in seiner Pflichtintensität jedenfalls nicht weitergehen als das Zivil- bzw. Gesellschaftsrecht541. Folglich scheidet ein strafrechtlicher Sorgfaltspflichtverstoß stets aus, wenn der Normadressat den zivilrechtlichen Handlungsgeboten entspricht. Die Verneinung der Pflichtwidrigkeit durch die Zivilgerichte präjudiziert insoweit die strafrechtliche Wertung542. Umgekehrt lässt sich aus einer zivilrechtlich festgestellten Pflichtwidrigkeit lediglich das Indiz für einen strafrechtlich relevanten Pflichtverstoß entnehmen, dessen Belastbarkeit im Hinblick auf die vorstehend erarbeiteten, strafrechtlichen Prinzipien in einem zweiten Schritt gesondert zu verifizieren bleibt543. (3) Projektion organschaftlicher Binnenpflichten ins Außenverhältnis Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei den aktienrechtlichen Sorgfaltspflichten des Aufsichtsrats gemäß §§ 116, 93 AktG grundsätzlich um organschaftliche Binnenpflichten gegenüber der Gesellschaft, deren externe Schutzwirkung gegenüber Dritten äußerst streitig ist, die aber jedenfalls im Bereich der (strafrechtlichen) Legalitätskontrolle auch im Außenverhältnis Bedeutung erlangen. Die Verwaltungsorgane sind im Rahmen ihrer Organpflichten gegenüber der Gesellschaft durchweg gehalten, die externen Rechtsbindungen zu beachten544. Aus dem Verstoß gegen das strikte Verbot in der Außenbeziehung folgt unwiderlegbar eine Pflichtverletzung im Binnenverhältnis. Zwischen der aktienrechtlichen OrganverRoxin, AT II, § 32 / Rn. 169. Vgl. auch Kuhlen, JZ 1994, S. 1146; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 881. 540 Siehe oben § 2, A., I. 541 Spitz, Strafrechtliche Produkthaftung, S. 176 f. 542 Vgl. Kuhlen, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, II / Rn. 30. 543 Im Ergebnis ebenso Th. Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 63; Spitz, Strafrechtliche Produkthaftung, S. 329; Weißer, Kollegialentscheidungen, S. 63. 544 Siehe im Einzelnen dazu oben, II., 2., a), cc). 538 539

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antwortung und der strafrechtlichen Aufsichtsgarantenpflicht besteht überdies insoweit inhaltliche Kongruenz, als die gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltspflichten grundsätzlich unternehmensinterne Mittel und Maßstäbe normieren, um die Erfüllung der Gefahrabwendungspflicht im Außenverhältnis zu ermöglichen545. Die im Gesellschaftsrecht ausdifferenzierten Überwachungsobliegenheiten des Aufsichtrats lassen sich deshalb in ihrem Inhalt auf die externe Garanten- und Sorgfaltspflicht projizieren546. cc) Sorgfaltsanforderungen einer pflichtgemäßen Überwachung (1) Objektiv-typisierte Sorgfaltsanforderungen des Gesellschaftsrechts Aus den im Gesellschaftsrecht ausdifferenzierten Obliegenheiten des Aufsichtsrats zur sorgfältigen Wahrnehmung der Überwachungsfunktion sind für die strafrechtliche Legalitätskontrolle die Pflichten zur Selbstorganisation und -information sowie zum Einschreiten bei Anhaltspunkten für eine Pflichtverletzung des Vorstands hervorzuheben547. Zunächst haben die Mitglieder des Aufsichtsrats durch eine effiziente Arbeitsaufteilung zu gewährleisten, dass nicht bereits infolge einer fehlerhaften Organisation und daraus folgenden Überwachungsmängeln Schäden für Dritte entstehen. Spindler nennt in diesem Zusammenhang exemplarisch den Fall eines Chemie-Unternehmens, dessen Aufsichtsrat keinen speziellen Ausschuss zur Überwachung der Umweltschutzaktivitäten sowie des Störfallmanagements implementiert hat, und sodann bei einem Störfall aufgrund unsachgemäßer Organisation des Umweltschutzes durch die Geschäftsleitung Dritte zu Schaden kommen548. Im Rahmen ihrer Informationspflicht sind die Aufsichtsratsmitglieder aufgefordert, alle verfügbaren Erkenntnisquellen zur vollständigen und korrekten Erfassung der Sachverhalte auszuschöpfen. Dazu haben sie primär den Vorstand zu einer ausreichenden Berichterstattung anzuhalten. Nach dem im Rahmen der Sorgfaltspflicht zu beachtenden Vertrauensgrundsatz549 dürfen sie diesen Vorstandsberichten grundsätzlich auch Glauben schenken550. Eine Pflicht zur eigenverantwortlichen Ermittlung der Umstände trifft die Aufsichtsratsmitglieder erst, wenn 545 Dahingehend auch Dreher, ZGR 1992, S. 33; Ihrig, WM 2004, S. 2104; Spitz, Strafrechtliche Produkthaftung, S. 317. 546 Entsprechend wird zum Beispiel auch im Rahmen der strafrechtlichen Produkthaftung auf die zivilrechtlich gefestigte, inhaltliche Differenzierung der verschiedenen Herstellerpflichten zurückgegriffen, vgl. Th. Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 66; Kuhlen, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, II / Rn. 30; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 883 ff. 547 Siehe dazu oben § 2, B., V., 1. 548 Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 917. 549 Siehe dazu bereits oben II., 1., d) m. w. N. 550 Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. AG, § 29 / Rn. 29.

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entweder Anlass für konkrete Zweifel an der Vollständigkeit bzw. Richtigkeit der erhaltenen Informationen oder an der Sorgfältigkeit sonstigen Vorstandsverhaltens besteht oder insbesondere auch dann, wenn ein sog. Anfangsverdacht bezüglich strafbarer Handlungen erkennbar wird551. In diesen Fällen ist der Aufsichtsrat gehalten, mit Hilfe des Einsichts- und Prüfungsrechts nach § 111 Abs. 2 Satz 1 AktG wie auch unter Verwendung anderer Mittel, etwa der Einsetzung von Sachverständigen (vgl. § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG), eigene Ermittlungen vorzunehmen und gegebenenfalls von seinen Einwirkungskompetenzen Gebrauch zu machen. Erlangen die Aufsichtsratsmitglieder indessen nicht in sonstiger Weise von bevorstehenden Vorstandsstraftaten Kenntnis, so bestimmen ihre Informationsrechte zugleich die Grenzen ihres Überwachungsauftrages. (2) Zusätzlich individualisierender Maßstab des strafrechtlichen Schuldprinzips Der objektivierte (gesellschaftsrechtliche) Sorgfaltsmaßstab muss im Strafrecht jedoch stets zu einem subjektiven Schuldvorwurf individualisiert werden. Dies ist unverzichtbar, weil die Strafe nicht nur mit einem Grundrechtseingriff in die Freiheit oder das Vermögen des Betroffenen verbunden ist, sondern immer auch einen sozialethischen Tadel beinhaltet, der unmittelbar an die persönliche Vorwerfbarkeit der Tat geknüpft ist552. Das Schuldprinzip setzt demnach zusätzlich voraus, dass die Aufsichtsratsmitglieder nach ihren persönlichen Fähigkeiten und dem Maß ihres individuellen Könnens auch im Stande waren, die objektive Sorgfaltspflicht zu erkennen und die sich daraus ergebenden Anforderungen zu erfüllen553. So ist denkbar, dass insbesondere Arbeitnehmer- und Kleinaktionärsvertretern oder Anteilseignervertretern der öffentlichen Hand auf Grund unzureichender fachlicher Vorbildung und beruflicher Erfahrung im Einzelfall die subjektiven Fähigkeiten zur Erfassung der Sachverhalte einmal fehlen können. Gleichwohl gilt es zu beachten, dass sich der Schuldvorwurf in diesen Fällen bereits auf die Übernahme, entweder des Aufsichtsratsmandats im Allgemeinen, oder einer bestimmten (Ausschuss-)Tätigkeit im Besonderen, beziehen kann, soweit das betreffende Mitglied erkennen konnte, dass es nicht über die erforderliche Sachkunde verfügt554. Der unterdurchschnittlich Qualifizierte bleibt daher nicht immer straflos555.

Siehe oben § 2, B., III., 2., a). Kühl, AT, § 10 / Rn. 2; zur verfassungsrechtlichen Verankerung des strafrechtlichen Schuldprinzips siehe Lagodny, Strafrecht, S. 386 ff. 553 Vgl. etwa BGHSt 40, 341 (348); Kühl, Komm. StGB, § 15 / Rn. 49 m. w. N. 554 Sog. Übernahmeverschulden, vgl. BGHSt 10, 133, BGH, NJW 1998, S. 1802; Hüffer, Komm. AktG, § 116 / Rn. 3; Jescheck / Weigend, AT, § 57 II 3; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 15 / Rn. 23; Wessels / Beulke, AT, Rn. 668; weiterführend die Monographie von G. Müller, Fahrlässige Tätigkeitsübernahme, S. 7 ff.; kritisch Neumann, Zurechnung, S. 198 ff. 555 Vgl. Kühl, AT, § 17 / Rn. 35. 551 552

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Der insoweit vorauszusetzende Qualifikationsstandard richtet sich nach den Aufgaben, die zwingend dem Plenum vorbehalten sind556. Danach muss jedes Aufsichtsratsmitglied zumindest in der Lage sein, die erhaltenen Berichte und Informationen (des Vorstands) zu verstehen, sowie vor allem die für die Aufsichtsratstätigkeit maßgeblichen Rechtsvorschriften und -pflichten kennen557. Sodann ermöglicht die gesetzlich zugelassene Arbeitsteilung und Ausschussbildung aber gerade auch die Einbringung unterschiedlicher Fähigkeiten durch eine pluralistische Zusammensetzung des Gremiums. Entsprechend können und müssen spezielle Überwachungsaufgaben, die eine besondere Sachkunde voraussetzen, auch lediglich einzelnen, dazu befähigten Mitgliedern überantwortet werden558. Das übrige Kollegium muss im Bereich dieser delegierbaren, spezifischen Kontrollaufgaben lediglich in der Lage sein, die Einschätzung der fachlich kompetenteren Mitglieder auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen, und darf sich ansonsten auf deren Beurteilung verlassen559. Deshalb besteht im Falle delegierter Überwachungszuständigkeiten auch die Möglichkeit, dass dem „durchschnittlichen“ Aufsichtsratsmitglied kein subjektiver Sorgfaltspflichtverstoß vorgeworfen werden kann.

D. Unterlassungsstrafbarkeit bei Straftaten zu Lasten der Gesellschaft Bis 1965 stellte die Vorschrift des § 294 Abs. 1 AktG 1937 ein Handeln des Aufsichtsrats „zum Nachteil der Gesellschaft“ sogar ausdrücklich unter Gefängnisstrafe. Nach der Aufhebung dieser nebenstrafrechtlichen Norm muss und kann die Frage einer strafrechtlichen Verantwortung der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der eigenen Aktiengesellschaft heute nach den allgemeinen Regeln des Strafrechts beantwortet werden. Die Möglichkeit einer Unterlassungsstrafbarkeit der Aufsichtsratsmitglieder kann sich auch hier wiederum sowohl aus einer Sicherungspflicht als Überwachungsgarant bei delinquentem Verhalten des Vorstands als auch aus einer allgemeinen Obhutspflicht als Beschützergarant für die Rechtsgüter der Gesellschaft ergeben.

556 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 11 / Rn. 848; Raiser / Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 / Rn. 119. 557 Raiser / Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 / Rn. 119. 558 Siehe dazu auch unten § 6, A., III., 2. 559 Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. AG, § 33 / Rn. 61; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), S. 300; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 11 / Rn. 849.

D. Unterlassungsstrafbarkeit bei Straftaten zu Lasten der Gesellschaft

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I. Überwachungsgarantenstellungen bei delinquentem Verhalten des Vorstands Die Überwachungsgarantenstellungen kennzeichnet allgemein gerade ihre Unabhängigkeit von dem möglichen Opfer. Der Verantwortliche hat vielmehr stets die von der zu sichernden Gefahrenquelle ausgehenden Risiken für alle potentiell bedrohten Rechtsgüter einzudämmen. Folgerichtig beanspruchen die bereits festgestellten Garantenstellungen der Aufsichtsratsmitglieder sowohl aus einem eigenen, gefährlichen Vorverhalten (Ingerenz)560, als auch auf Grund ihrer personalen Herrschaftsstellung gegenüber der Geschäftsleitung561 auch bei den hier in Rede stehenden, abwendungspflichtigen Straftaten des Vorstands zu Lasten der Gesellschaft entsprechende Geltung.

II. Beschützergarantenstellung gegenüber der Gesellschaft auf Grund der spezifischen Organfunktion Die Schutzfunktion einer Beschützergarantenstellung kann hingegen naturgemäß nur mit spezifischem Blick auf das Opfer festgestellt werden und ist deshalb an dieser Stelle für die Rechtsgüter der Gesellschaft wieder gesondert zu erörtern. Dabei ist von Interesse, ob den Aufsichtsratsmitgliedern aus ihrer mit einem besonderen Pflichtenkreis verbundenen Stellung als Organ der Aktiengesellschaft zugleich eine strafbewehrte Obhutspflicht gegenüber der juristischen Person erwächst. Als juristische Person ist die Gesellschaft jedenfalls selbst nicht handlungsfähig und deshalb auch nicht im Stande, ihre Rechtsgüter wirksam vor drohenden Schädigungen zu bewahren562. Für eine strafrechtliche Verantwortungszuweisung als Beschützergarant muss dem Aufsichtsrat aber überdies gerade eine besondere Schutzfunktion zur Kompensation dieses Mankos normativ überantwortet sein563. In dieser Frage richtet sich der Blick wiederum auf die (primären) gesellschaftsrechtlichen Organpflichten des Kontrollgremiums: Aus der im Vordergrund stehenden Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats allein lässt sich allerdings noch keine gleichzeitige Schutzverpflichtung gegenüber dem Vermögen der Gesellschaft deduzieren, obschon die von ihm zu verhindernden, pflichtwidrigen Handlungen der Geschäftsführung gegenüber Außenstehenden im Einzelfall auch zivilrechtliche Regressansprüche gegen die juristische Person nach sich ziehen können564. Denn das überwachungspflichtige Fehlverhalten Siehe oben, C., II. Siehe oben, C., III. 562 Vgl. Roxin, AT II, § 32 / Rn. 77; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 54; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 30 / Rn. 99. 563 Siehe zu den Voraussetzungen einer Beschützergarantenstellung allgemein, oben B., II. 560 561

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§ 3 Möglichkeiten einer Unterlassungsstrafbarkeit

für sich hat noch nicht unmittelbar und zwingend eine vermögensschädigende Haftung der Gesellschaft zur Konsequenz. Vielmehr hängt die Schadensersatznahme letztlich von einem weiteren Tätigwerden des Verletzten sowie mitunter von der gerichtlichen Durchsetzbarkeit des Anspruchs ab. Eine Obhutspflicht zur Vermeidung all dieser Voraussetzungen einer Inanspruchnahme kann folglich nicht angenommen werden565. Die entscheidende primärrechtliche Grundlage für eine Beschützergarantenpflicht findet sich in der Sorgfaltspflicht der Aufsichtsratsmitglieder gemäß §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, die sie verpflichtet, ihre Organtätigkeit im Interesse des Unternehmens wahrzunehmen566 und dabei Schaden von der Gesellschaft abzuwenden567. Diese aktienrechtliche Handlungsmaxime impliziert ohne Zweifel eine besondere (Schutz-)Verantwortung der Aufsichtsratsmitglieder für die Rechtsgüter der juristischen Person, in die sie jeweils mit der tatsächlichen Übernahme der Organstellung568 hineinwachsen, die sich andererseits aber auch auf den organspezifischen Aufgabenbereich des Gremiums beschränkt569. Fraglich ist indessen, ob nicht darüber hinaus der organschaftlichen Treubindung, die den Aufsichtsrat allgemein zur Wahrung des Unternehmensinteresses verpflichtet570, auch für Fälle außerhalb der unmittelbaren Organtätigkeit eine gesteigerte Schutzverantwortung der Gremiumsmitglieder gegenüber der Gesellschaft zu entnehmen ist571. Insoweit muss allerdings Berücksichtigung finden, dass es sich nach den Vorstellungen des Gesetzgebers bei einem Aufsichtsratsmandat im Unterschied zur Vorstandstätigkeit um eine typische Nebentätigkeit handelt (vgl. § 110 Abs. 3 AktG)572. Durch die Zulassung von Mehrfachmandaten (§ 110 Abs. 2 AktG) sind Rollenkonflikte und Interessenkollisionen mit anderen Belangen vorgezeichnet und in der Praxis nicht selten573. Außerhalb ihrer Organfunktion sind die Aufsichtsratsmitglieder deshalb nach überwiegender Auffassung zu Recht 564 Ebenso im Ergebnis Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 116; Lüderssen, in: FS Lampe 2003, S. 740 f.; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 110; anders wohl Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 37. 565 Vgl. auch Lüderssen, in: FS Lampe 2003, S. 740 f.; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 110. 566 Siehe zu diesem allgemeinen Gebot unternehmerischen Handelns, oben § 2, B., II., 1., c). 567 So ausdrücklich BGHZ 21, 354 (357); vgl. auch Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 72 m. w. N. 568 Dazu bereits oben C., I. 569 Vgl. auch Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 54. 570 Siehe oben § 2, B., V., 2. 571 Offengelassen in BGHSt 47, 187 (201); vgl. dazu auch Peter, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 61 ff. 572 Fleck, in: FS Heinsius 1991, S. 90; Hüffer, Komm. AktG, § 116 / Rn. 4. 573 Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 147; Raiser / Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 / Rn. 121.

E. Form der Tatbeteiligung im Rahmen der Unterlassungsverantwortlichkeit

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nicht gehalten, den Interessen der Gesellschaft unbedingten Vorrang einzuräumen574. Folglich lässt sich für diesen Bereich auch keine strafrechtliche Obhutsund Straftatverhinderungspflicht statuieren. Im Rahmen seines Aufgabenbereichs verfügt der Aufsichtsrat schlussendlich auch über die erforderliche Rechtsmacht, im gegebenen Fall eigenverantwortlich auf den Schädigungsprozess hindernd einwirken zu können575, so dass nach Maßgabe des Herrschaftsprinzips eine strafrechtliche Beschützergarantenstellung der Gremiumsmitglieder materiell in jeder Hinsicht begründet ist576. Die damit verbundene Pflicht, Schaden vor allem an Eigentum und Vermögen der Gesellschaft abzuwenden, wird sich im Hinblick auf die Handlungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats im Wesentlichen auf die Verhinderung von Vorstandsstraftaten beziehen und entspricht daher trotz ihrer unterschiedlichen Ausrichtung als Schutzpflicht insoweit jedenfalls in Inhalt und Reichweite faktisch der bereits dargestellten Überwachungsgarantenpflicht 577.

E. Form der Tatbeteiligung im Rahmen der Unterlassungsverantwortlichkeit Nach der materiellen Begründung und inhaltlichen Bestimmung der einzelnen Garantenpflichten interessiert abschließend nun die Frage, ob die Aufsichtsratsmitglieder neben der delinquenten Geschäftsführung als Täter oder Teilnehmer für das verwirkte Unrecht haften. Kollegiumsspezifische Fragen der „horizontalen“ Beteiligungsform im Hinblick auf das Binnenverhältnis der beteiligten Aufsichtsratsmitglieder werden an dieser Stelle allerdings wiederum ausgeklammert und gemeinsam mit den allgemeinen strafrechtlichen Problemen von Gremienentscheidungen im Zusammenhang behandelt578. Die Beteiligungslehre wirft im Vorsatz- und im Fahrlässigkeitsbereich jeweils unterschiedliche Fragen auf.

574 Fleck, in: FS Heinsius 1991, S. 91; Ulmer, NJW 1980, S. 1605 f.; vgl. auch oben § 2, B., V., 2. 575 Vgl. insbesondere oben C., III., 3., b) sowie allgemein auch Kratzsch, ZGR 1985, S. 521. 576 So im Ergebnis auch BGHSt 47, 187 (201); Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 124 ff.; Raum, in: Wabnitz / Janovsky, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 4. Kap. / Rn. 54; Schaal, in: Rohwedder / Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, Vor §§ 82 – 85 / Rn. 14; Tiedemann, in: FS Tröndle 1989, S. 322; sowie für Gesellschaftsorgane allgemein Freund, in: MK-StGB, § 13 / Rn. 158; Kühl, AT, § 18 / Rn. 78; Roxin, AT II, § 32 / Rn. 77; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 54; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 30 / Rn. 99; Wessels / Beulke, AT, Rn. 721. A.A. Peter, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 53, der einer Schutzpflicht als bloßem „Annex der Überwachungsfunktion“ keine eigenständige Bedeutung beimisst. 577 Insoweit kann daher auf die obigen Ausführungen verwiesen werden, C., 4. und 5. 578 Siehe dazu unten § 6.

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§ 3 Möglichkeiten einer Unterlassungsstrafbarkeit

I. Vorsatzdelikte Im Rahmen der Vorsatzdelikte ist zunächst danach zu unterscheiden, ob die vom Aufsichtsrat nicht verhinderte Rechtsgutsverletzung ihrerseits durch aktives Tun oder ebenfalls durch ein Unterlassen (des Vorstands) verwirklicht wurde. Denn insbesondere die Beteiligungsform eines unterlassenden Garanten an einem fremden Begehungsdelikt ist bis heute äußerst umstritten. 1. Beteiligung an einem Begehungsdelikt a) Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme aa) Subjektiv geprägte Kriterien der Rechtsprechung Der Bundesgerichtshof pflegt die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme in derselben Weise wie beim Begehen vorzunehmen und hält deshalb auch hier an einer subjektiven Abgrenzung nach der Willensrichtung und inneren Einstellung des Beteiligten auf Grund einer wertenden Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung seiner Tatherrschaft fest579. Die Judikatur lässt jedoch im Einzelnen eine einheitliche Linie vermissen und ist sehr vom gewünschten Ergebnis her geprägt. Da es im Unterlassungsbereich an jeglichem positiven Tatbeitrag fehlt, wird letztlich häufig allein auf die innere Haltung und das Interesse des Unterlassenden an der Tat abgestellt580. Ohne Anhaltspunkte im äußeren Geschehen entziehen sich diese subjektiven Kriterien aber nicht nur einer nachträglichen gerichtlichen Feststellung und bergen damit die Gefahr völlig willkürlicher Entscheidungen581. Sie können unter diesen Voraussetzungen vor allem nicht den gesetzlichen Maßstäben des § 25 Abs. 1 StGB genügen, der die Täterschaft gerade an das objektiv verwirkte Unrecht knüpft582.

bb) Abgrenzung nach der objektiven Tatherrschaft Große Teile der Literatur rekurrieren deshalb zur Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme wie bei den Begehungsdelikten auf das objektive Kriterium der Tatherrschaft583. 579 Vgl. BGH LM Nr. 10 vor § 47; sowie den Überblick bei Roxin, AT II, § 31 / Rn. 125 ff. Zustimmend in der Literatur Arzt, JA 1980, S. 558; Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 29 / Rn. 58 f., 71 f.; Fischer, Komm. StGB, § 13 / Rn. 51a. 580 Vgl. BGHSt 13, 162 (166); BGH, StV 1986, 59; BGH, NStZ 1992, 31; BGHSt 43, 381 (396). 581 Krey, AT 2, § 38 / Rn. 380; Kühl, AT, § 20 / Rn. 35; Roxin, in: LK-StGB, § 25 / Rn. 204; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 14 / Rn. 12. 582 Vgl. Cramer / Heine, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, Vor § 25 / Rn. 59 m. w. N.

E. Form der Tatbeteiligung im Rahmen der Unterlassungsverantwortlichkeit

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Vertreter der sog. Gehilfentheorie584 gelangen auf diese Weise regelmäßig nur zu einer Beihilfe, weil der Begehungstäter dem Unterlassenden den Zugang zum Erfolg verstelle und als einzige „Zentralgestalt“ das Geschehen determiniere, solange er die aktive Handlungsherrschaft ausübe585. Zunächst darf es jedoch, soweit eine rechtlich relevante Handlung vorliegt, auf die bloße Unterscheidung zwischen Tun oder Unterlassen nicht ankommen586. Maßgeblich sind vielmehr die jeweiligen Pflichten – die Garantenpflicht des Unterlassenden bzw. die Unterlassungspflicht des Aktivtäters –, deren Verletzung gemäß § 13 Abs. 1 StGB gerade rechtlich gleichgestellt ist587. Über eine ausschließlich naturalistische Bewertung der Tatherrschaft darf deshalb – abgesehen von den dadurch erzielten Zufallsergebnissen588 – der Garantenpflichtverletzung nicht prinzipiell ein geringeres Gewicht mit dem Privileg einer doppelten Strafmilderung nach §§ 13 Abs. 2, 27 Abs. 2 StGB beigemessen werden589. Auf der Basis einer insoweit grundsätzlich gebotenen, normativen Beurteilung schreibt Ransiek wiederum, im Ergebnis völlig konträr, den Aufsichtsgaranten, wie es mitunter die Mitglieder des Aufsichtsrats sind, infolge ihrer personalen Herrschaftsposition stets die Tatherrschaft gegenüber den zu überwachenden, aktiv Handelnden zu und stuft sie dementsprechend – jedenfalls bei einer rechtsverbindlichen Einwirkungsmöglichkeit – als Täter eines Unterlassungsdelikts ein590. Bei näherer Betrachtung erweist sich allerdings auch diese Wertung als untauglich. Die Tatherrschaft bezeichnet beim Begehungsdelikt denjenigen, der den tatbestandsmäßigen Geschehensablauf aktiv steuert und die Tathandlung vorgenommen hat, und kann insofern bei Unterlassungstaten generell kein geeignetes Kriterium zur Klärung der Beteiligungsform bieten, als der Täter hier gerade nicht gestaltend in den Kausalverlauf eingreift591. Das Unterlassen als solches vermittelt keine (Mit-)Herrschaft über das Geschehen592. Die vor diesem Hintergrund verbleibende 583 Joecks, in: MK-StGB, § 25 / Rn. 236; Maurach / Gössel / Zipf, AT 2, § 49 / Rn. 87; Wessels / Beulke, AT, Rn. 734. 584 So genannt von Hillenkamp, Probleme AT, S. 124 f. m. w. N. 585 So u. a. Gallas, JZ 1952, S. 372; Jescheck, in: LK-StGB, § 13 / Rn. 57 m. w. N. in Fn. 71; Kühl, AT, § 20 / Rn. 230; Ranft, ZStW 94 (1982), S. 815 ff. 586 Seelmann, in: NK-StGB1, § 13 / Rn. 95. 587 Vgl. auch Jakobs, AT, 29 / 101; Walter, Pflichten des Geschäftsherrn, S. 157. 588 Der Garant haftet jedenfalls dann als Täter, wenn er (auch) nach Vornahme der aktiven Tathandlung durch einen anderen nicht eingreift, wenn er also beispielsweise dem zunächst schwer verletzten Mordopfer nicht hilft; siehe Roxin, AT II, § 31 / Rn. 156. 589 Cramer / Heine, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, Vor § 25 / Rn. 102; Krey, AT 2, § 38 / Rn. 378; Roxin, AT II, § 31 / Rn. 151 ff.; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 14 / Rn. 10. 590 Ransiek, ZGR 1999, S. 637; ders., Unternehmensstrafrecht, S. 83; abstufend nach dem Grad der Beherrschung auch Joecks, StGB, § 13 / Rn. 59. 591 Cramer / Heine, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, Vor § 25 / Rn. 103; Otto, AT, § 21 / Rn. 37; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 14 / Rn. 8. 592 Krey, AT 2, § 38 / Rn. 379; Roxin, AT II, § 31 / Rn. 133.

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§ 3 Möglichkeiten einer Unterlassungsstrafbarkeit

und praktizierte593 Anknüpfung an eine potentielle Tatherrschaft vermag eine Täterschaft allein hingegen nicht zu begründen, da die Erfolgsabwendungsmöglichkeit des Garanten Voraussetzung jeder strafbaren Unterlassung ist594. Entscheidend müssen deshalb andere Gesichtspunkte sein.

cc) Differenzierung nach der Art der Pflichtenstellung So unterscheidet eine weitere Konzeption nach Qualität und Inhalt der Garantenpflicht. Am weitesten verbreitet ist dabei die funktionale Differenzierung zwischen Schutz- und Sicherungspflichten595. Beschützergaranten sollen demnach auf Grund ihrer besonderen Beziehung zu dem geschützten Rechtsgut Unterlassungstäter sein, während Überwachungsgaranten lediglich wegen Beihilfe für eine unterlassene Straftatverhinderung bestraft werden sollen596. Dieser Ansatz sieht sich zunächst dem Einwand ausgesetzt, dass sich die identische Pflicht regelmäßig sowohl als Beschützer- wie auch als Überwachungsaufgabe formulieren lässt597. Entsprechend unterliegen sowohl Obhuts- als auch Sicherungsgaranten der identischen Rechtspflicht, den Erfolg zum Schutz des bedrohten Rechtsguts zu verhindern, die pflichtspezifische Abstufungen der Beteiligung nicht rechtfertigt598. Ferner stützt sich die Überlegung, dass bei der Nichtüberwachung von Gefahrenquellen die Hauptverantwortung den aktiv Handelnden treffe, letzten Endes auf das Tatherrschaftskriterium, dessen Untauglichkeit im Unterlassungsbereich bereits nachgewiesen wurde599. Die Art der Pflichtenstellung trägt eine aus ihr abgeleitete Differenzierung zwischen Täterschaft und Teilnahme somit ebenfalls nicht.

Vgl. BGHSt 11, 272; 37, 293. Cramer / Heine, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, Vor § 25 / Rn. 103; Roxin, in: LK-StGB, § 25 / Rn. 205; ders., Täterschaft, S. 462 f. 595 Zu ähnlichen Differenzierungen vgl. Freund, in: MK-StGB, § 13 / Rn. 256 ff.; Jakobs, AT, 29 / 101 ff. 596 So u. a. Cramer / Heine, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, Vor § 25 / Rn. 104; Herzberg, Unterlassung, S. 257 ff.; Krey, AT 2, § 38 / Rn. 381 ff.; Otto, AT, § 21 / Rn. 43 ff.; sowie konkret für die Mitglieder des Aufsichtsrats auch Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 141 f. 597 Jakobs, AT, 29 / 72; siehe auch Schwab, Täterschaft, S. 107 f. 598 Bloy, JA 1987, S. 492; Roxin, Täterschaft, S. 509; Rudolphi, in: SK-StGB, Vor § 13 / Rn. 40; Sowada, Jura 1986, S. 407; Wohlers, in: NK-StGB, § 13 / Rn. 26. 599 Roxin, in: LK-StGB, § 25 / Rn. 212. Besonders deutlich wird dies, wenn in Konstellationen, die (im Begehungsbereich) der Rechtsfigur der mittelbaren Täterschaft entsprechen, im Wege einer wertenden Betrachtung ausnahmsweise auch Überwachungsgaranten als Zentralgestalt und Täter eingestuft werden; siehe dazu Cramer / Heine, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, Vor § 25 / Rn. 106; Krey, AT 2, § 38 / Rn. 383. 593 594

E. Form der Tatbeteiligung im Rahmen der Unterlassungsverantwortlichkeit

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dd) Täterschaft kraft Pflichtstellung Richtigerweise sind die unechten Unterlassungsdelikte im Ergebnis als sog. Pflichtdelikte einzustufen, bei denen nicht wie bei den meisten Begehungsdelikten nach der äußeren Art des Tatbeitrags zwischen Täterschaft und Teilnahme abgegrenzt werden kann, sondern ausschließlich die sich aus der Garantenstellung ergebende Erfolgsabwendungspflicht maßgebliches und zugleich täterschaftskonstituierendes Kriterium ist600. Für diesen Ansatz spricht nicht nur der wichtige Aspekt der Rechtssicherheit601. Vielmehr bleibt für eine darüber hinausgehende Unterscheidung der Beteiligungsform auch kein Raum, da das unechte Unterlassen des Garanten gemäß § 13 Abs. 1 StGB und nach Maßgabe des gleichstellenden Herrschaftsprinzips602 überhaupt nur strafbar ist, wenn es einer aktiven, täterschaftlichen Tatbestandsverwirklichung entspricht603. Ist der Garant im konkreten Fall zur Erfolgsabwendung verpflichtet, so macht es keinen Unterschied, ob er unmittelbar für ein bestimmtes Rechtsgut obhutspflichtig ist oder als Sicherungsgarant nur mittelbar Schädigungen fremder Rechtsgüter verhindern muss. Dass ihm dadurch die obligatorische Strafmilderung gemäß § 27 Abs. 2 StGB sowie die Straflosigkeit der versuchten Beihilfe grundsätzlich vorenthalten bleiben, muss letztlich als systembedingte Konsequenz hingenommen werden604. Eine Teilnahme kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn trotz einer bestehenden Garantenpflicht das Unterlassen einer täterschaftlichen Begehung nicht gleichsteht. Bedeutsam ist dies einmal bei eigenhändigen Delikten, bei höchstpersönlichen Pflichtdelikten (z. B. §§ 153 ff. StGB) sowie bei Zueignungsdelikten, die bereits auf Grund ihrer besonderen Unrechtsstruktur nicht durch Unterlassen verwirklicht werden können605. Denkbar sind aber auch Fälle, in denen die Garantenstellung den Unterlassenden nur zur Verhinderung einer Teilnahmehandlung verpflichtet606. In diesen Konstellationen nehmen die gesetzlichen Teilnahmevorschriften eine Auffangfunktion ein607. 600 Ebenso Blei, AT, § 86 IV 2 b; Bloy, JA 1987, S. 492 f.; Haft, AT, S. 197; Heinrich, Rechtsgutszugriff, S. 320; Roxin, AT II, § 31 / Rn. 140 ff.; ders., in: LK-StGB, § 25 / Rn. 206; Rudolphi, in: SK-StGB, Vor § 13 / Rn. 37; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 14 / Rn. 13; Wohlers, in: NK-StGB, § 13 / Rn. 26; vgl. auch Hillenkamp, Probleme AT, S. 123 f. m. w. N. 601 Krey, AT 2, § 38 / Rn. 377. 602 Siehe oben B., I., 2., b), dd). 603 Rudolphi, in: SK-StGB, Vor § 13 / Rn. 37. 604 Siehe dazu Roxin, AT II, § 31 / Rn. 146 ff.; Wohlers, in: NK-StGB, § 13 / Rn. 26. Dieser Pflichtdeliktslehre ist vom Gesetzgeber ausdrücklich Raum gegeben worden, als er die noch im E 1962 enthaltene Wendung, dass der Unterlassende als „Täter oder Teilnehmer“ strafbar sei, bewusst gestrichen hat; vgl. hierzu die Begründung des Sonderausschusses, BT-Drucks. V / 4095, 8. 605 Vgl. Roxin, Täterschaft, S. 479 ff.; ders., in: LK-StGB, § 25 / Rn. 209; Rudolphi, in: SK-StGB, Vor § 13 / Rn. 41; Wohlers, in: NK-StGB, § 13 / Rn. 26. 606 Roxin, in: LK-StGB, § 25 / Rn. 210; Rudolphi, in: SK-StGB, Vor § 13 / Rn. 42. Allerdings kommt (auch) in diesen Fällen stets nur eine Beihilfe in Betracht, weil das Unterlassen

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§ 3 Möglichkeiten einer Unterlassungsstrafbarkeit

b) Täterschaft der Aufsichtsratsmitglieder Die Mitglieder des Aufsichtsrats haben demzufolge für ein garantenpflichtwidriges Unterlassen regelmäßig als Täter gemäß § 25 StGB einzustehen. Streiten lässt sich indes darüber, ob insoweit eine unmittelbare oder mittelbare Täterschaft vorliegt. Es wurde zwar gezeigt, dass die Rechtsfigur der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft auf die rechtskonforme, „hierarchische“ Beziehung zwischen Aufsichtsrat und Geschäftsführung nicht übertragen werden kann608. Gleichwohl ist (im Begehungsbereich) für Herrschaftsverhältnisse in wirtschaftlichen Unternehmen auch eine eigenständige Form der mittelbaren Täterschaft „kraft Pflichtenstellung“ von Autoritätspersonen im Verhältnis zu den ausführenden Untergebenen allgemein denkbar609. Umstritten ist jedoch bereits im Ansatz, ob auch bei Unterlassungen dem Umstand der fremdhändigen Tatbestandsverwirklichung durch die Anwendung der Regeln einer mittelbaren Täterschaft Rechnung getragen werden muss610. Eine unmittelbare Täterschaft würde jedenfalls einen Unterschied zwischen menschlich und natürlich veranlassten Kausalverläufen negieren611. Letztlich lässt sich eine mittelbare Täterschaft durch Unterlassen aber dogmatisch nicht konstruieren612. Zunächst macht der Garant den aktiv Handelnden nicht zu seinem „Werkzeug“, sondern lässt ihn vollkommen unbeeinflusst lediglich gewähren. § 25 Abs. 1, 2. Alt. StGB fordert jedoch, dass der Hintermann die Tat nicht nur „von“ einem anderen begehen lässt, sondern sie „durch“ ihn begeht. Das Unterlassen für sich verleiht ihm indes keine Machtposition über den Tatmittler und das Tatgeschehen. Darüber hinaus ist bei Unterlassungsdelikten, wie gezeigt, gerade nicht die Tatherrschaft, sondern vielmehr die Garantenpflicht das maßgebliche täterschaftsfundierende Kriterium. Diese Pflicht ist aber stets auf die Erfolgsabwendung gerichtet und macht insofern strukturell keinen Unterschied zwischen natürlichen und menschlich vermittelten Rechtsgutsgefährdungen613. Aus diesem nie einer Anstiftung durch positives Tun entsprechen kann; vgl. Haft, AT, S. 216; Otto, AT, § 22 / Rn. 39; sowie unten c); a.A. Rudolphi, in: SK-StGB, Vor § 13 / Rn. 42. 607 Bloy, JA 1987, S. 494; Roxin, AT II, § 31 / Rn. 142 und § 26 / Rn. 10. 608 Dazu bereits oben C., III., 1., b). 609 Roxin, AT II, § 25 / Rn. 137; vgl. auch Tiedemann, in: FS Nishihara 1998, S. 511 sowie Art. 12 Corpus Juris der strafrechtlichen Regelungen zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union, in der Fassung von Florenz, Stand 25. 03. 2003. 610 So etwa BGHSt 40, 257 (265 ff.); BGH, NJW 2003, S. 522; Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 29 / Rn. 118 f.; Bottke, in: FS Rudolphi 2004, S. 43 f.; Blei, AT, § 72 II 2; Brammsen, NStZ 2000, S. 337 ff.; Maurach / Gössel / Zipf, AT 2, § 48 / Rn. 95 f.; J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 288. 611 Vgl. Bottke, in: FS Rudolphi 2004, S. 29; Brammsen, in: Individuelle Verantwortung, S. 136 f. 612 Cramer / Heine, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 25 / Rn. 54 f.; Haft, AT, S. 205; Jescheck, in: LK-StGB, § 13 / Rn. 59; Knauer, NJW 2003 S. 3102; Krey, AT 2, § 38 / Rn. 385; Kühl, AT, § 20 / Rn. 267; Otto, AT, § 21 / Rn. 108; Roxin, AT II, § 31 / Rn. 175; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 14 / Rn. 14, 16; Wohlers, in: NK-StGB, § 13 / Rn. 27. 613 Roxin, in: LK-StGB, § 25 / Rn. 216; Stratenwerth / Kuhlen, AT, § 14 / Rn. 14, 16.

E. Form der Tatbeteiligung im Rahmen der Unterlassungsverantwortlichkeit

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Grund besteht deshalb immer eine unmittelbare Täterschaft des Garanten und damit auch der Mitglieder des Aufsichtsrats. Insofern stellt sich die Frage, ob bei einem gemeinsamen Willensentschluss von Vorstand und Aufsichtsrat eine Mittäterschaft der Beteiligten gemäß § 25 Abs. 2 StGB anzunehmen ist614. Der Bundesgerichtshof und Teile der Literatur halten eine Mittäterschaft zwischen einem Unterlassungs- und einem Begehungstäter allgemein für möglich615. Die gegenseitige Zurechnung von Tatbeiträgen kann im Rahmen der Mittäterschaft jedoch nur auf der Grundlage eines entsprechend einheitlichen Zurechnungskriteriums bzw. identischen Täterbegriffs erfolgen616. In der vorliegenden Konstellation gründet die Täterschaft der unterlassenden Aufsichtsratsmitglieder aber in ihrer Pflichtenstellung und nicht in einer Teilhabe an der Tatherrschaft der aktiv Handelnden. Eine Mittäterschaft ist daher nur bei Pflichtdelikten (z. B. § 266 StGB) möglich, bei denen sich auch die Täterschaft der Vorstandsmitglieder aus einem Pflichtverstoß ergibt. Ansonsten ist von einer unmittelbaren Nebentäterschaft617 der Beteiligten auszugehen.

c) Teilnahme der Aufsichtsratsmitglieder In bestimmten Konstellationen kommt trotz bestehender Garantenstellung nur eine Teilnahmestrafbarkeit der Aufsichtsratsmitglieder in Betracht. Dies ist zum einen, wie gezeigt, bei den höchstpersönlichen Aussagedelikten der §§ 153 ff. StGB sowie auf Grund der besonderen Unrechtsstruktur bei den Zueignungsdelikten der Fall. Zum anderen scheidet eine Täterschaft der Aufsichtsratsmitglieder aber auch bei Straftaten wie den Insolvenzdelikten gemäß §§ 283 – 283c StGB aus, bei denen die Vorstandsmitglieder Pflichten verletzen, welche die Aktiengesellschaft als solche treffen618. Denn die „besonderen persönlichen Merkmale“, die in diesen Fällen die Strafe begründen, können gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB zwar auf den Vorstand als vertretungsberechtigtes Organ der Gesellschaft, nicht aber auf den Aufsichtsrat durchschlagen619. Für die Aufsichtsratsmitglieder verbleibt des614 Praktisch spielt diese Frage freilich allenfalls eine Rolle, wenn nicht feststeht, ob der Garant den durch den Begehungstäter herbeigeführten Erfolg wirklich hätte verhindern können, weil es bei der Mittäterschaft ausreicht, dass die Tat insgesamt den Erfolg kausal herbeiführt; siehe dazu J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 285. 615 BGH, NJW 1966, S. 1763; so im Rahmen der Verantwortlichkeit kraft Organisationsherrschaft auch Jakobs, AT, 21,29 / 103; Jescheck / Weigend, AT, § 62 II 8; Otto, AT, § 21 / Rn. 92; Ranft, JZ 2003, S. 584. 616 Roxin, in: LK-StGB, § 25 / Rn. 165; ders., AT II, § 31 / Rn. 174. 617 Die gesetzlich nicht ausdrücklich geregelte Nebentäterschaft bezeichnet gemeinhin selbständige Täter, die unabhängig voneinander dasselbe Rechtsgut angreifen; siehe dazu Murmann, Nebentäterschaft, S. 183 ff. 618 Siehe dazu Kühl, Komm. StGB, § 283 / Rn. 3; Otto, Delikte, § 61 / Rn. 90; Tiedemann, in: LK-StGB, § 283 / Rn. 226 f.; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 470; allgemein auch Cramer, in: FS Stree / Wessels 1993, S. 565.

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§ 3 Möglichkeiten einer Unterlassungsstrafbarkeit

halb bei diesen Sonderdelikten regelmäßig nur eine Teilnahmestrafbarkeit mit der möglichen620 Strafmilderung nach 28 Abs. 1 StGB. Im Rahmen der strafbaren Teilnahme gilt es sodann im Einzelfall zwischen Anstiftung und Beihilfe abzugrenzen. Für eine Anstiftung nach § 26 StGB ist allerdings allgemein eine geistige Willensbeeinflussung des Haupttäters bzw. eine kommunikative Beziehung zu fordern, um im Hinblick auf den Strafrahmen die nötige Vergleichbarkeit des Unrechtsgehalts zu gewährleisten621. Unter dieser Restriktion kann daher durch ein schlichtes Unterlassen ein Tatentschluss bereits prinzipiell nicht hervorgerufen werden. Damit beschränkt sich für die Aufsichtsratsmitglieder die Möglichkeit einer strafbaren Teilnahme auf eine Beihilfe durch Unterlassen622 mit einer obligatorischen Strafmilderung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB623.

2. Beteiligung an einem Unterlassungsdelikt Im Falle des Nichteinschreitens gegen eine Unterlassungsstraftat der Geschäftsführung wird sich nach den genannten Kriterien ebenfalls regelmäßig eine unmittelbare Nebentäterschaft der Aufsichtsratsmitglieder ergeben624. Denkbar ist in dieser Konstellation hingegen im Einzelfall auch eine Mittäterschaft der Beteiligten, sofern sie in wechselseitigem Einverständnis625 die Rechtsgutsverletzung nicht verhindern, indem sie etwa nach vorangehender Beratung eine rechtlich gebotene Rückrufaktion bei einem gefährlichen Produkt nicht veranlassen. Praktische Bedeutung hat diese Zurechnungsfigur indes keine, da die Mitglieder von Aufsichtsrat und Vorstand insoweit ihre Erfolgsabwendungspflicht jeweils eigenständig erfüllen können und deshalb bereits jeweils für sich allein als unmittelbare Täter zur Verantwortung zu ziehen sind.

Schünemann, in: LK-StGB, § 14 / Rn. 44. Siehe dazu unten Fn. 623. 621 Ebenso die h. M.; siehe u. a. Cramer / Heine, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 26 / Rn. 5; Fischer, Komm. StGB, § 26 / Rn. 4; Otto, AT, § 22 / Rn. 40; Roxin, Täterschaft, S. 484; Wessels / Beulke, AT, Rn. 568; a.A. Kühl, Komm. StGB, § 26 / Rn. 3; vgl. zum Streitstand Hillenkamp, Probleme AT, S. 136 ff. m. w. N. 622 Allgemein zur Möglichkeit einer Beihilfe durch Unterlassen vgl. BGHSt 14, 229; BGH, NStZ 1985, 24; Cramer / Heine, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 27 / Rn. 6, 8. 623 Eine zusätzliche Strafmilderung gemäß § 28 Abs. 1 StGB scheidet nach umstrittener Ansicht des Bundesgerichtshofes allerdings aus, wenn das Aufsichtsratsmitglied nur deswegen Gehilfe ist, weil ihm ein besonderes persönliches Merkmal fehlt. Ansonsten würde derselbe Umstand zweimal zugunsten des Teilnehmers wirken; vgl. BGHSt 26, 53 sowie zum Streitstand Roxin, in: LK-StGB, § 28 / Rn. 88 f. 624 Für eine (wie gesehen nicht mögliche) Differenzierung zwischen Eingriffspflichten unterschiedlicher Intensität hingegen Arzt, JA 1980, S. 553; Jakobs, AT, 29 / 102; ablehnend hierzu auch Schwab, Täterschaft, S. 89. 625 Vgl. zu den Anforderungen im Einzelnen Roxin, in: LK-StGB, § 25 / Rn. 173. 619 620

E. Form der Tatbeteiligung im Rahmen der Unterlassungsverantwortlichkeit

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II. Fahrlässigkeitsdelikte Im Fahrlässigkeitsbereich ergibt sich eine (Einzel-)Täterschaft der Aufsichtsratsmitglieder – ebenso wie im Ordnungswidrigkeitenrecht (vgl. § 14 OWiG) – für alle kausalen und zurechenbaren Sorgfaltspflichtverstöße aus dem sog. Einheitstäterprinzip, das eine Berücksichtigung der unterschiedlichen Art und Weise der Tatbeiträge erst im Rahmen der Strafzumessung vorsieht626. Neuerdings mehren sich aber in der Literatur Stimmen, die auch bei den Fahrlässigkeitsdelikten eine Form der Mittäterschaft anerkennen wollen627. Diese Konstruktion beruht auf dem praktischen Bedürfnis, in den Fällen nicht nachweisbarer Kausalität durch eine wechselseitige Zurechnung von Tatbeiträgen die Begründung der Strafbarkeit und damit letztlich eine Ausweitung der Fahrlässigkeitshaftung zu ermöglichen628. Eine rein normative Begründung der fahrlässigen Mittäterschaft bereitet grundsätzlich auch der Möglichkeit einer Haftung für die Schadensfolgen arbeitsteiliger, aber organisatorisch in unterschiedlicher Verantwortung ausgeübter Tätigkeiten in Großunternehmen ohne spezifische Absprache eines pflichtwidrigen Verhaltens den Weg629. Für die Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder ist das Konstrukt einer „kausalitätsersetzenden Mittäterschaft“630 – jedenfalls im Verhältnis zu den delinquenten Vorstandsmitgliedern631 – aber nicht von Nöten632. Denn bei fahrlässiger Delinquenz der Vorstandsmitglieder ist, wie bereits dargelegt633, davon auszugehen, dass die Einflussnahme des Aufsichtsrats auf Grund ihrer Rechtsverbindlichkeit und den aus einem Verstoß für den Vorstand drohenden drastischen Konsequenzen einer Schadensersatzpflicht oder gar einer Kündigung die Rechtsgutsverletzung mit hinreichender Sicherheit verhindert hätte, so dass sich der Kausalitätsnachweis insoweit regelmäßig herkömmlich führen lässt. Siehe u. a. Bohnert, Komm. OWiG, § 14 / Rn. 1; Wessels / Beulke, AT, Rn. 506 m. w. N. So u. a. Kamm, Die fahrlässige Mittäterschaft, S. 175 ff., 208 f.; Lesch, JA 2000, S. 78; Otto, AT, § 21 / Rn. 114 ff.; Weißer, JZ 1998, S. 230 ff.; dies., Kollegialentscheidungen, S. 143 ff.; Wessels / Beulke, AT, Rn. 507 m. w. N.; ablehnend zuletzt Puppe, GA 2004, S. 129 ff. 628 Vgl. An. Kaufmann, Pflichtverletzungen im Unternehmen, S. 55. 629 Otto, in: FS Spendel 1992, S. 285. 630 Puppe, GA 2004, S. 135. 631 Siehe jedoch zur (fahrlässigen) Mittäterschaft zwischen den einzelnen Mitgliedern des Aufsichtsratsgremiums, unten § 6, C., I. 632 Davon abgesehen ist die (Mindest-)Voraussetzung einer „gemeinsamen Sorgfaltspflicht“ (vgl. Lesch, JA 2000, S. 78; Otto, AT, § 21 / Rn. 119; Weißer, Kollegialentscheidungen, S. 156) von Aufsichtsrat und Vorstand allenfalls in Gestalt ihrer organspezifischen gemeinsamen Obhutspflicht gegenüber der Gesellschaft zur Abwendung externer Gefahren denkbar. Die diesbezüglich in Betracht kommenden Eigentums- und Vermögensstraftaten zu Lasten der Gesellschaft sind jedoch Vorsatzdelikte, so dass sich faktisch zudem kein Anwendungsbereich für diese Zurechnungsfigur ergibt. 633 Dazu bereits oben C., III., 5., b). 626 627

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§ 3 Möglichkeiten einer Unterlassungsstrafbarkeit

F. Zusammenfassung Die vorstehende Untersuchung hat gezeigt, dass die gesellschaftsrechtliche Organfunktion des Aufsichtsrats seinen Mitgliedern zugleich eine Position vermittelt, die sie auch nach strafrechtlichen Kautelen im Einzelfall in die Pflicht nimmt, Straftaten durch die Geschäftsführung zu verhindern. Durch die Legitimation der Garantenstellung nach Maßgabe des normativen Herrschaftsprinzips ist diese strafrechtliche Verantwortung des Aufsichtsrats auf ein dogmatisches Fundament gestellt, das die Unterlassungsdelinquenz dem Begehungsunrecht materiell im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB gleichstellt, zugleich rechtsstaatlichen Ansprüchen genügt und vor allem auch von dem Verdacht ausschließlich kriminalpolitisch motivierter Rechtsfindung – mitunter vor dem Hintergrund der Beweisnot im Begehungsbereich – befreit. Danach trifft die Mitglieder des Aufsichtsrats einmal eine strafbewehrte Gefahrabwendungspflicht unter dem Gesichtspunkt der Ingerenz, soweit sie ihre Zustimmung zu einer Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands erteilt haben, die im Falle ihrer Umsetzung einen gesetzlichen Straftatbestand erfüllt. Auf Grund ihrer personalen Herrschaftsposition gegenüber dem Vorstand sind sie ferner als Aufsichtsgaranten gehalten, sämtliche Straftaten der Vorstandsmitglieder zu verhindern, die unter Einsetzung und Ausnutzung der tatsächlichen und rechtlichen Wirkungsmöglichkeiten im Unternehmen sowohl gegenüber Dritten als auch gegenüber der eigenen Gesellschaft erfolgen. Schließlich obliegt dem Aufsichtsrat infolge seiner Stellung als Organ der juristischen Person als Beschützergarant die umfassende Pflicht, im Rahmen seiner Handlungsmöglichkeiten die Rechtsgüter der Gesellschaft vor drohenden Schädigungen durch Dritte zu bewahren. Kommen die Aufsichtsratsmitglieder diesen Garantenpflichten entweder vorsätzlich oder fahrlässig nicht nach, so sind sie grundsätzlich unmittelbare Täter einer unechten Unterlassungsstraftat, soweit nicht die besondere Deliktsstruktur lediglich eine Beihilfe durch Unterlassen zulässt. Dogmatisch ist das Strafrecht damit de lege lata durchaus im Stande, der gesellschaftsrechtlich vorgenommenen Verantwortungsteilung im Rahmen der dualistischen Verwaltungsstruktur einer Aktiengesellschaft entsprechend Rechnung zu tragen, und mittels der allgemeinen Garantenhaftung die Steuerungswirkung der strafrechtlichen Verhaltensnormen auch auf das einflussreiche Kontrollgremium und oftmals „heimliche“ Führungsorgan634 Aufsichtsrat auszudehnen. Allerdings erzielt jedes dogmatische Konzept in der Praxis letztlich nur soweit einen kriminalpolitischen Einfluss, wie es sich auch prozessual mit hinreichender Erfolgsaussicht durchsetzen lässt635. Das (Wirtschafts-)Strafrecht ist ganz wesentlich auf die „Praktikabilität“ seiner materiellen Haftungskriterien im Prozess an634 635

Siehe Raiser / Veil, Kapitalgesellschaften, § 13 / Rn. 12. Vgl. Zipf, Kriminalpolitik, S. 54.

F. Zusammenfassung

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gewiesen636. Unter diesem Gesichtspunkt sind der entwickelten Garantenhaftung der Aufsichtratsmitglieder in zweierlei Hinsicht bestimmte Grenzen gesetzt637. Zunächst können die Beteiligten de lege lata nur zur Vornahme einer Handlung verpflichtet werden, die mit hinreichender Sicherheit den missbilligten Erfolg in Gestalt der Vorstandsstraftat auch abwendet. Wird den Aufsichtsratsmitgliedern etwa eine mangelhafte Kontrolle infolge sorgfaltswidriger Selbstorganisation oder -information vorgeworfen, so wird sich der entsprechende Nachweis der Quasikausalität, dass bei sorgfaltspflichtgemäßem Verhalten der tatbestandliche Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätte abgewendet werden können, häufig nicht führen lassen. Denn auch die ordnungsgemäße Überwachung der Geschäftsführung kann sowohl sachlich als auch zeitlich in Anbetracht der begrenzten Sitzungshäufigkeit nicht völlig lückenlos erfolgen. Ferner können in den Fällen einer (schweren) Vorsatztat des Vorstands, in denen dieser das (Straf-)Recht gerade vorsätzlich beugt, Zweifel verbleiben, ob eine Weisung des Aufsichtsrats trotz ihrer Rechtsverbindlichkeit die Straftat tatsächlich verhindert hätte638. Die Garantenhaftung leidet schließlich unter dem gemeinhin schwierigen Beweis der subjektiven Tatseite. Denn notwendig ist der Nachweis, dass die Aufsichtsratsmitglieder die konkrete deliktische Handlung des Vorstands entweder kannten oder im Rahmen der unbewussten Fahrlässigkeit zumindest kennen mussten639. In diesem Zusammenhang können jedoch unter Umständen das formalisierte Berichtssystem und die schriftliche Dokumentation des Informationsflusses zwischen den Verwaltungsorganen den Beweis erleichtern640. Zwingt die Beweisnot den Richter in diesen Fällen zu Freisprüchen, so ist dies gleichwohl keine „Niederlage“ der materiellen Garantendogmatik de lege lata, sondern die Konsequenz rechtsstaatlich-liberaler Tradition sowie eines ernst genommenen „in dubio pro reo“-Grundsatzes641.

636 Vgl. Hillenkamp, in: Recht und Wirtschaft, S. 241; Tiedemann, Wirtschaftskriminalität, S. 107 ff. 637 Vgl. auch Achenbach, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, I 3 / Rn. 35 ff. 638 Diesen Beweisschwierigkeiten kann nur materiell durch eine Reduzierung der Kausalitätsanforderungen begegnet werden. De lege ferenda ist hierfür eine gesetzliche Verankerung der Risikoerhöhungslehre zu erwägen, wie sie etwa Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 206 ff., für die Unterlassungshaftung von Weisungsberechtigten im Unternehmen bereits vorgeschlagen hat. 639 Die überdies erforderliche Kenntnis der tatsächlichen Umstände, welche die Garantenstellung begründen, wirft hingegen keine Probleme auf, zumal die fehlende Kenntnis des Garantengebotes selbst den subjektiven Tatbestand nicht berührt. 640 Vgl. Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 47 f. Ob darüber hinaus auch die von ihm genannte Möglichkeit der verbandsspezifischen Mitwisserschaft die Chancen einer kooperativen Beweisführung erhöht, mag indes bezweifelt werden, wenn das Problem nicht als individuelles, sondern als eines des Unternehmens insgesamt eingestuft wird. 641 Vgl. Hillenkamp, in: Recht und Wirtschaft, S. 241; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 4.

§ 4 Die strafrechtliche Verantwortung der Aufsichtsratsmitglieder wegen Organuntreue gemäß § 266 StGB Die bislang entwickelten Garantenstellungen adressieren an die Aufsichtsratsmitglieder jeweils strafbewehrte Pflichten, die grundsätzlich für alle unechten Unterlassungsdelikte des Besonderen Teils Geltung beanspruchen. Naturgemäß nehmen jedoch im Bereich der Wirtschaftskriminalität die Vermögensstraftaten eine herausragende Stellung ein1. Nach dem Profil der Aufsichtsratstätigkeit, die sich in erster Linie auf ein gesellschaftsinternes Wirken beschränkt, liegt eine Strafbarkeit wegen Betrugs oder Diebstahls insoweit fern, da diese Straftatbestände jeweils den externen Zugriff auf fremdes Vermögen sanktionieren. Aus diesem Grund richtet sich das Augenmerk hier vornehmlich auf die Frage einer Untreuestrafbarkeit gemäß § 266 StGB, die gewissermaßen das Korrelat zu diesen „Außenschädigungsdelikten“ bildet und angesichts ihrer außerordentlichen Praxisrelevanz für Aufsichtsratsmitglieder im Folgenden gesondert erörtert werden soll. Klärungsbedarf besteht hierbei in erster Linie im Hinblick auf eine Untreue der Aufsichtsratsmitglieder zum Nachteil ihrer „eigenen“ Gesellschaft (sog. Organuntreue2). Die Frage einer Vermögensschädigung von konzernzugehörigen Unternehmen im Wege einer sog. Konzernuntreue, die sich maßgeblich nach den konzernspezifischen Bindungen des Gesellschaftsrechts bestimmt, betrifft naturgemäß die Geschäfts- bzw. Konzernleitung und soll deshalb an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden3.

A. Einführung I. Das rechtshistorische Fundament der Organuntreue Die allgemein getroffene Feststellung, dass eine Tatbestandsanalyse der Untreue mehr als bei anderen Deliktstypen erst aus dem Verständnis ihrer geschichtlichen 1 Bundeskriminalamt, Polizeiliche Kriminalstatistik Bundesrepublik Deutschland, Berichtsjahr 2002 / 2003, S. 188 ff.; vgl. auch Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 1. 2 Die Bezeichnung ist keine strafrechtliche, sondern eine kriminologische, die sich an der Wirklichkeit der Erscheinung orientiert. 3 Insoweit sei u. a. auf die jüngsten Monographien von D. Busch, Konzernuntreue, S. 45 ff., und Höf, Untreue im Konzern, verwiesen.

A. Einführung

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Entwicklung heraus erfolgen kann4, beansprucht für die hier in Rede stehende Untreuestrafbarkeit von Gesellschaftsorganmitgliedern in besonderem Maße Geltung. Denn der Regelungsgehalt des § 266 StGB ist insoweit letztlich „als Ergebnis eines historischen Wechselspiels“5 zu begreifen, in dem sich das Verhältnis zwischen dem allgemeinen Untreuetatbestand und dem speziellen Aktiengesetz, das bei Verstößen gegen seine Regeln mit den Straf- und Bußgeldbestimmungen der §§ 399 – 405 AktG heute grundsätzlich ein eigenes Sanktionensystem für die Organe bereithält, widerspiegelt. Bei der Einführung des Strafgesetzbuches vom 15. 05. 18716 zählten gesellschaftsrechtliche Organbeziehungen zunächst noch nicht zum originären Anwendungsbereich des § 266 StGB. Dadurch entbrannte schnell ein Streit, ob den Gesellschaftsorganen deshalb nicht zumindest die Eigenschaft eines „Bevollmächtigten“, der zum Nachteil des Auftraggebers verfügt, im Sinne des Abs. 1 Nr. 2 der Vorschrift zugeschrieben werden konnte7. Während die Rechtsprechung dies für Vorstand und Aufsichtsrat ausdrücklich annahm8, sah die Literatur jedenfalls die Aufsichtsorgane nur insoweit als taugliche Täter einer Untreue an, als sie von ihren eng begrenzten Befugnissen zu Handlungen mit Rechtswirkungen nach außen Gebrauch machten9. Diese Probleme der Anwendung des allgemeinen § 266 StGB auf Organe von Gesellschaften waren in der Folge Anlass für den Gesetzgeber, in Spezialgesetzen besondere Straftatbestände einer Organuntreue zu schaffen10. So wurde mit der Aktiennovelle vom 18. 07. 188411 in Art. 249 ADHGB erstmals auch in das Handelsgesetzbuch eine Untreuevorschrift eingefügt und später in der Nachfolgeregelung des § 312 HGB vom 10. 05. 189712 entsprechend fortgeführt, um u. a. Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft ausdrücklich als Adressaten der strafbaren Untreue zu kennzeichnen. Diese gesellschaftsrechtlichen Sondertatbestände galten fortan als leges speciales zur allgemeinen Untreuevorschrift des § 266 StGB13. Mit der Strafrechtsreform vom 26. 05. 193314 erhielt der allgemeine Untreuetatbestand des § 266 StGB unter Abkehr von der kasuistischen Aufzählung der einMaurach / Schroeder / Maiwald, BT I, § 45 / Rn. 6. Nelles, Untreue, S. 20. 6 RGBl. I, S. 127 ff. 7 Siehe dazu eingehend Nelles, Untreue, S. 31 ff. 8 RGSt 7, 279 ff. 9 Ammon, Untreue, S. 66 ff. m. w. N. 10 Staub / Pinner, Komm. HGB, § 312 / Anm. 1; siehe auch Nelles, Untreue, S. 40 ff., mit einer ausführlichen Darstellung der jeweils branchenspezifischen Regelungen. 11 RGBl. I, S. 123 ff. 12 RGBl. I, S. 219 ff. 13 RGSt 37, 25 (26); 47, 38 (45); H. Mayer, Untreue, S. 308. 14 RGBl. I, S. 295 ff. 4 5

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§ 4 Die strafrechtliche Verantwortung wegen Organuntreue gemäß § 266 StGB

zelnen Tätergruppen schließlich seine in den tatbestandlichen Voraussetzungen bis heute gültige Fassung, die von dem damaligen nationalsozialistisch geprägten Gesetzgeber bewusst abstrakt gehalten wurde15. Die Entwicklung des gesellschaftsrechtlichen Untreuesonderrechts fand dadurch allerdings noch nicht ihr unmittelbares Ende. Vielmehr wurde bei der Einführung eines eigenständigen Aktiengesetzes zum 30. 01. 193716 in § 294 AktG die rechtsfolgenidentische Untreuesondernormierung speziell für Organe der Aktiengesellschaft bis auf weiteres fortgesetzt. Erst im Zuge der Aktienrechtsreform 196517 wurde die im Referentenentwurf als § 357 AktG im Wesentlichen noch übernommene Organuntreue schlussendlich doch gestrichen. Der Gesetzgeber begründete diesen Schritt ausweislich damit, dass der Anwendungsbereich der aktienrechtlichen Organuntreue bereits durch den allgemeinen Untreuetatbestand des § 266 StGB hinreichend abgedeckt sei, und die Erwägung, dass einer Sondervorschrift im Aktienrecht eine größere generalpräventive Wirkung zukommen könnte, ihre Beibehaltung allein nicht rechtfertige18. Gerade letzterer Gesichtspunkt erscheint angesichts der aktuell in der Öffentlichkeit wie auch in der Wissenschaft sehr kontrovers geführten Debatte19 um die Geltungskraft der Untreuestrafbarkeit für unternehmerische Führungsorgane aus heutiger Sicht zumindest wieder überdenkenswert20. Gegenwärtig sind jedenfalls die Fälle einer „aktienrechtlichen Untreue“ nunmehr ausschließlich nach dem allgemeinen Regelungsgehalt des § 266 StGB zu beurteilen21. Die insoweit abgeschlossene Entwicklung der Organuntreue im Rahmen der Sonderstraftatbestände bleibt gleichwohl ein wichtiges (historisches) Auslegungskriterium bei der Anwendung dieser Norm22. In dieser Hinsicht steht sie insbesondere jüngsten Bestrebungen in der Literatur entgegen, allein dem Fehlen einer aktienstrafrechtlichen Sanktionierung bestimmter aktienrechtlicher Verfehlungen (des Aufsichtsrats) den Willen des Gesetzgebers zu entnehmen, dass diese Pflichtverletzungen auch nach den Regeln des allgemeinen Untreuestrafrechts von vorneherein straflos bleiben sollten23. Eine solche Gesetzesauslegung verkennt, 15 Vgl. Matt, NJW 2005, S. 389. Die nachfolgenden Änderungen betrafen im Wesentlichen die Rechtsfolgen, die Regelbeispiele und das Antragserfordernis, siehe dazu Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Entstehungsgeschichte vor Rn. 1. 16 RGBl. I, S. 107 ff. 17 BGBl. I, S. 1089 ff. 18 Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 498. 19 Vgl. etwa Hamm, NJW 2005, S. 1993 ff.; Lesch, DRiZ 2004, S. 135 sowie jeweils erwidernd Englisch, NJW 2005, S. 2974 ff.; Altvater, DRiZ, 2004, S. 134; siehe dazu auch unten II. 20 In diesem Sinne zuletzt auch Schramm, Untreue, S. 256 f.; zum Problem der gegenwärtig verminderten Präventionswirkung überdies Geilen, in: Kölner Komm. AktG, Vor § 399 / Rn. 10; Tiedemann, in: FS Tröndle 1989, S. 320. 21 Für eine unbesehene Fortwirkung der Gläubigerschutzfunktion der §§ 294 AktG a. F., 81a GmbHG a. F. indes E. Schneider, Untreue, S. 38 ff., 109 ff.; BGH, StV 1989, S. 107. 22 In diesem Sinne auch Nelles, Untreue, S. 144. 23 Dahingehend Hamm, NJW 2005, S. 1995.

A. Einführung

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dass die Streichung der Organuntreue im Aktiengesetz, wie gezeigt, gerade unter dem ausdrücklichen Hinweis des Gesetzgebers auf die entsprechende Geltungskraft des § 266 StGB erfolgte.

II. Die (Organ-)Untreue im Brennpunkt der aktuellen kriminalpolitischen und rechtsdogmatischen Diskussion Allgemein erlebt der Untreuetatbestand in den letzten Jahren geradezu eine Hochkonjunktur, sowohl in der Strafverfolgungspraxis als auch in der fachjuristischen und öffentlichen Wahrnehmung. So hatten zuletzt auch verschiedene Strafsenate des Bundesgerichtshofes über mehrere spektakuläre Untreuefälle zu entscheiden24. Auf Grund des für heutige Wirtschaftsstrukturen typischen Auseinanderfallens von Kapital (Vermögenszuständigkeit) und Management (Vermögensverwaltung) – modellhaft ausgeprägt in der Rechtsform der Aktiengesellschaft – ergeben sich für die Vermögensverwalter (Vorstand und Aufsichtsrat) beträchtliche Anreize, ihren Informationsvorsprung und ihre Handlungsfreiheit zum eigenen Vorteil auszunutzen und sich heimlich Vermögenswerte aus dem Gesellschaftsvermögen anzueignen25. In der Betriebswirtschaftslehre bildet dieser sog. Principal-Agent-Konflikt dementsprechend den Kern der Unternehmensorganisationstheorie26. In der Strafrechtslehre rückt das Problem der Trennung von Eigentum und Kontrolle zunehmend den Tatbestand der Organuntreue in den Blickpunkt der forensischen Wahrnehmung27. Den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung markiert zweifellos der sog. Mannesmann-Prozess28, der wie kaum ein anderes Verfahren die Gemüter nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der breiten nationalen wie auch internationalen Öffentlichkeit erhitzt hat und nicht umsonst als das wohl spektakulärste Wirtschaftsstrafverfahren der deutschen Nachkriegs24 Vgl. 1. Strafsenat, Urt. v. 22. 11. 2005 – 1 StR 571 / 04, „Kinowelt“; 5. Strafsenat, Urt. v. 2. 12. 2005 – 5 StR 119 / 05 „Kölner Müllskandal“; 3. Strafsenat, Urt. v. 21. 12. 2005 – 3 StR 470 / 04 „Mannesmann“; 2. Strafsenat, Urt. v. 18. 10. 2006 – 2 StR 499 / 05 „CDU Hessen“. 25 In der ökonomischen Diktion spricht man insoweit auch von „hidden gains“ oder „hidden actions“; vgl. Fleischer, WM 2003, S. 1049 m. w. N. 26 Instruktiv dazu Fleischer, WM 2003, S. 1048 f. m. w. N. 27 Dies unterstreichen die aktuellen Strafverfahren wegen Organuntreue bei Volkswagen (vgl. F.A.Z. vom 26. 1. 2007, S. 11), Siemens (vgl. F.A.Z. vom 17. 11. 2006, S. 18) sowie bei der Bankgesellschaft Berlin AG (vgl. F.A.Z. vom 16. 3. 2004, S. 6); zu zahlreichen weiteren Untreue-Verfahren aus der jüngeren Vergangenheit vgl. Feddersen, in: FS Laufs 2006, S. 1172. Zur Aktualität im wissenschaftlichen Diskurs siehe Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 3; Schünemann, Organuntreue, S. 7; ders., NStZ 2006, S. 196 sowie die Monographien von Dittrich, Untreuestrafbarkeit von Aufsichtsratsmitgliedern bei der Festsetzung überhöhter Vorstandsvergütungen; Loeck, Strafbarkeit des Vorstands der Aktiengesellschaft wegen Untreue; Zech, Untreue durch Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft. 28 BGH, Urt. v. 21. 12. 2005 – 3 StR 470 / 04, ZIP 2006, S. 72 ff.; LG Düsseldorf, ZIP 2004, S. 2044 ff. (Vorinstanz); näher dazu unten C., IV., 1., d).

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geschichte bezeichnet wird29. Mit dieser anhaltend wachsenden Beliebtheit des Untreueverbots mehren sich aber auch die kritischen Stimmen, die eine Überreaktion des Strafrechts beklagen. Sie wollen in der Strafrechtspraxis zunehmend die Tendenz erkennen, nahezu jedem als „unkorrekt“ empfundenen Umgang mit Geld und Vermögen durch Verantwortliche aus Wirtschaft, Verwaltung oder Politik den Tatbestand des § 266 StGB überzustülpen30, und verbinden damit die Gefahr, dass die Justiz unter dem Vorwand des strafrechtlichen Schutzes vor krimineller Untreue letztlich je nach öffentlichem Klima für moralische, (kriminal-)politische oder gesellschaftliche Zwecke missbraucht wird31. Als Einfallstor für einen solchen Übergriff strafrechtsfremder Ziele in der Anwendungspraxis wird regelmäßig der abstrakte Wortlaut des Untreuetatbestandes ins Feld geführt. Bis heute werden die Kritiker deshalb nicht müde, wieder und wieder Hellmuth Mayer mit seinen inzwischen berühmten Worten aus dem Jahre 1954 zu zitieren: „Sofern nicht einer der klassischen alten Fälle der Untreue vorliegt, weiß kein Gericht und keine Anklagebehörde, ob § 266 StGB vorliegt oder nicht“32. Leicht zynisch wird gar behauptet, „§ 266 StGB passt immer“33. Schünemann34 erklärt sich die verstärkte Polemik gegen den Untreuetatbestand mitunter als interessengeleitet, weil sie sich nicht selten in Publikationen von Strafverteidigern findet35. Jedenfalls ließe sich ebenso argumentieren, dass die komprimierte Tatbestandsstruktur und die damit verbundene Flexibilität des § 266 StGB angesichts der Vielgestaltigkeit des Lebens und des Wandels der Verhältnisse für eine wirksame Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität praktisch unverzichtbar ist36. Gleichwohl kann nicht geleugnet werden, dass unter den Vorständen und Aufsichtsräten in der deutschen Wirtschaft momentan eine erhebliche Unsicherheit über die strafrechtlichen Konsequenzen ihrer unternehmerischen Entscheidungen herrscht. Bisweilen wird die Vermutung geäußert, „weltfremde Staatsanwälte [wollten] mit den Mitteln des Strafrechts die Trennlinie zwischen unternehmerischer Handlungsfreiheit und Kriminalität verschieben“37. Wiewohl ein effektiver Vermögensschutz nach § 266 StGB aus krimi29 So die Einordnung von Baums, Anerkennungsprämien, S. 1; ders., in: FS Huber 2006, S. 657; Günther, in: FS Weber 2004, S. 311. 30 Braum, KritV 2004, S. 78: „tagespolitische Allzweckwaffe“; Dahs, NJW 2002, S. 272; Hamm, NJW 2005, S. 1994; Lesch, DRiZ 2004, S. 135: „strafrechtlicher Wildwuchs“; Matt, NJW 2005, S. 390. 31 Saliger, ZStW 112 (2000), S. 613 m. w. N. 32 H. Mayer, Materialien, S. 337. 33 Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 634. 34 Schünemann, NStZ 2005, S. 474; in die gleiche Richtung geht der Vorwurf von Englisch, NJW 2005, S. 2974. 35 So hatte beispielsweise Hamm, der Verfasser des kritischen Kommentars in NJW 2005, S. 1993 ff., zu dieser Zeit im Mannesmann-Prozess die Verteidigung des ehemaligen IG-Metall-Vorsitzenden Zwickel übernommen; vgl. Handelsblatt vom 21. / 22. / 23. 10. 2005, S. 12. 36 Dahingehend Altvater, DRiZ, 2004, S. 134; Seier, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, V 2 / Rn. 19. 37 Manager-Magazin, 08 / 2003, S. 83 ff.: Kalte Wut – Aggressiv verfolgt die Justiz Deutschlands Wirtschaftselite.

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nalpolitischer Sicht wichtig ist, um einer „infektiösen Gier“38 und Willkür in Managementkreisen (auch) mit den Mitteln des Strafrechts Vorschub zu leisten, besteht deshalb die vordringlichste Aufgabe darin, die Grenzen des Untreuetatbestandes hinreichend klar und verständlich zu formulieren. Nur so können die Funktionsträger wirtschaftliche Investitionen und andere wichtige Unternehmensentscheidungen treffen, ohne von einem abstrakten Drohpotential des § 266 StGB in ihrem Engagement, das für eine gut funktionierende Wirtschaft und die Erhaltung oder Schaffung von Arbeitsplätzen unabdingbar ist, gefesselt und gelähmt zu werden. Vor allem aber ist nur auf dieser Grundlage überhaupt eine Strafe möglich, die dem verfassungsrechtlichen Gebot straftatbestandlicher Bestimmtheit aus Art. 103 Abs. 2 GG genügt. Im Rahmen der Organuntreue verlagern sich die virulenten Probleme damit vornehmlich auf die Frage der Pflichtwidrigkeit, nachdem die Untreuedogmatik lange Zeit von der (kasuistischen) Abgrenzung des relevanten Täterkreises geprägt war. Die Grenze zwischen dem strafrechtlich erlaubten und unerlaubten Verhalten erscheint für die Organmitglieder insbesondere auf Grund des ungeklärten Verhältnisses des Untreueverbots zu den gesellschaftsrechtlichen Verbotsnormen, sowie mittelbar infolge der teilweise bereits nur schwer zugänglichen Verbotstatbestände des Primärrechts (noch) außerordentlich diffus. Rechtsprechung und Lehre sind deshalb aufgefordert, zu einem Mehr an Rechtssicherheit beizutragen, indem sie in einem ersten Schritt den untreuerelevanten Pflichtenkreis der Organmitglieder sehr präzise benennen, und sodann das strafbewehrte Handlungsunrecht unter dezidierter Berücksichtigung des Gesellschaftsrechts trennscharf herausarbeiten.

III. Das geschützte Rechtsgut Geschütztes Rechtsgut der Untreue ist einzig das fremder Hand anvertraute Vermögen39. Entsprechend der durch § 1 AktG getroffenen Vermögenszuordnung ist danach auch eine Aktiengesellschaft als Vermögensträger durch ihre Verwaltungsorgane benachteiligungsfähig 40. Vorstöße, den Schutz darüber hinaus auf das individuelle oder kollektive Vertrauen in die Integrität des Treunehmers bzw. in die Redlichkeit des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs zu erstrecken41, sind ebenso we38 Der ehemalige US-Notenbankchef hat 2002 sinngemäß von einer „infectious greed“ der Unternehmensführer gesprochen, vgl. Alan Greenspan , Federal Reserve Board’s semiannual monetary policy report to the Congress. Mit ähnlich deutlichen Worten hat Adams, ZIP 2002, S. 1325, eine „Ausplünderung“ der Aktiengesellschaften durch deren Manager angeprangert. 39 So die ganz h. M., siehe u. a. BGHSt 14, 38 (47); 43, 293 (297); Kühl, Komm. StGB, § 266 / Rn. 1; Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 1; Samson / Günther, in: SK-StGB, § 266 / Rn. 2; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 28; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 747. 40 Vgl. dazu BGHSt 47, 187 (192); J. Kaufmann, Organuntreue, S. 14; Nelles, Untreue, S. 170 ff. m. w. N. 41 Dafür z. B. Ammon, Untreue, S. 44; Cramer, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB18, § 266 / Rn. 1; Luthmann, NJW 1960, S. 420; D.Meyer, JuS 1973, S. 215 f.

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nig konsensfähig wie eine zusätzliche Erfassung der Dispositionsfreiheit des Vermögensinhabers42. § 266 StGB ist nach seiner systematischen Stellung unter dem Aspekt des Rechtsguts in die Reihe der Vermögensdelikte einzureihen. Wie bei zahlreichen anderen strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen, etwa bei der Täuschung im Rahmen des Betrugs, dient der Missbrauch der Vertrauensstellung lediglich als Mittel zum Zweck und beschreibt insofern nur den Weg des Angriffs auf das verletzte Schutzgut43. Ähnlich kennzeichnet auch die Missachtung der Dispositionsfreiheit des Treugebers zweifellos einen wesentlichen Teil des Unrechtsgehalts der Untreue44. Gleichwohl ist sie deswegen – wiederum ebenso wie beim Betrug – nicht in den Rang eines neben dem Vermögen eigenständig geschützten Rechtsguts zu erheben45.

IV. Abgrenzung des Unrechtsgehalts der Untreue von den Insolvenzstraftaten Werden die vermögensschädigenden Handlungen zum Nachteil einer bereits insolvenzreifen Gesellschaft vorgenommen, oder führt gerade der Entzug des für die Existenzfähigkeit erforderlichen Vermögens zumindest zu einer Zahlungseinstellung der Gesellschaft gegenüber ihren Gläubigern, so werden neben den Vermögensinteressen der (Schuldner-)Gesellschaft auch die Vermögens- und Befriedigungsinteressen ihrer Gläubiger beeinträchtigt. Diese Gläubigerinteressen unterstehen jedoch unmittelbar nur dem Schutz der Insolvenzdelikte der §§ 283 ff. StGB46, wohingegen die Untreue diese Belange nicht gezielt, sondern allenfalls „mittelbar“ oder „reflexartig“ sichert47. Gerade auf Grund dieser Dysfunktion des Rechtsgüterschutzes wird die Möglichkeit einer Tateinheit dieser Delikte häufig mit dem Hinweis abgelehnt, dass eine identische Tathandlung nicht zugleich sowohl ein gegen das Vermögen des Schuldners als auch ein gegen die (diametralen) Gläubigerinteressen gerichtetes Delikt verwirklichen könne48. Bestimmt man unter dieser Prämisse das Konkurrenzverhältnis bereits auf der Tatbestandsebene, so hat die Abgrenzung Auswirkungen auf den Anwendungsbereich der Untreue, die nicht nur 42 Dahingehend Volk, in: Krekeler / Tiedemann / Ulsenheimer / Weinmann, Handwörterbuch, Stichwort „Haushaltsuntreue“ S. 3. 43 Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 1; Nelles, Untreue, S. 283 ff.; Schramm, Untreue, S. 24 f.; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 28; Seier, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, V 2 / Rn. 10. 44 Hillenkamp, NStZ 1981, S. 166. 45 So ausdrücklich BGHSt 43, 293 (297); Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 747. 46 Vgl. nur Kühl, Komm. StGB, § 283 / Rn. 1. 47 Siehe dazu BGH, NJW 2000, S. 154 f.; Wodicka, Untreue, S. 342. Zum streitigen Konkurrenzverhältnis dieser Vorschriften siehe unten II. 48 Flum, Der strafrechtliche Schutz, S. 143 f.; Reiß, wistra 1989, S. 84, 86; Wodicka, Untreue, S. 352 f.

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rein dogmatischer Natur sind, sondern für die Aufsichtsratsmitglieder auch wesentliche praktische Konsequenzen annehmen können. Denn auf der einen Seite zieht nur die Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat ein fünfjähriges Berufsverbot gemäß § 76 Abs. 3 Satz 3 AktG bzw. § 6 Abs. 2 GmbHG nach sich49, während auf der anderen Seite im Falle einer Untreuestrafbarkeit wiederum die für sie im Rahmen der §§ 283 ff. StGB obligatorische Strafmilderung des § 27 Abs. 2 StGB50 entfällt. 1. Die verschiedenen Abgrenzungskriterien im Überblick Allgemeine Voraussetzung einer Organstrafbarkeit im Rahmen der Insolvenzdelikte ist die „Überleitung“ der Schuldnereigenschaft der Gesellschaft nach § 14 Abs. 1 StGB. Für die nicht vertretungsberechtigten Mitglieder des Aufsichtsrats bleibt insofern allenfalls die Möglichkeit einer strafbaren Teilnahme an einer Insolvenzstraftat des Vorstands51. Die Abgrenzungsfrage erlangt deshalb vorliegend ausschließlich für Fälle Bedeutung, in denen der Vorwurf gegenüber dem Aufsichtsrat an ein (zu verhinderndes) deliktisches Bezugsverhalten des Vorstands anknüpft. Wann der Vorstand in diesen Konstellationen „als Organ“ im Sinne der §§ 283 ff., 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB handelt und entsprechend eine Teilnahme des Aufsichtsrats in Abgrenzung zu einer Untreuestrafbarkeit anzunehmen ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt. Die Rechtsprechung hat dafür eine sog. Interessenformel entwickelt, nach der ein Bankrott nur dann in Betracht kommt, wenn der Vorstand uneigennützig, also (zumindest auch52) im Interesse der Gesellschaft Vermögen beiseite geschafft hat53. Eine Untreuestrafbarkeit kommt danach in Fällen der eigennützigen bzw. dem Interesse der Anteilseigner entsprechenden Tatmotivation zur Anwendung. Die Feststellung des Interesses nimmt der Bundesgerichtshof anhand einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise vor und schließt insoweit bei jedem der Gesellschaft objektiv entstehenden Nachteil ein Interesse der Gesellschaft an der Vermögensverschiebung aus54. Praktisch bedeutet dies eine weitgehende Unanwendbarkeit der Insolvenzstraftaten auf Organhandeln mit der Konsequenz einer Verlagerung der strafrechtlichen Ahndung auf den Untreuetatbestand55. Zu diesem Aspekt auch D. Busch, Konzernuntreue, S. 39. Siehe oben § 3, E., 1., c). 51 Siehe dazu bereits oben 2.Teil, E., 1., c). 52 Zeitweise forderte die Judikatur ein ausschließlich uneigennütziges Handeln, vgl. BGHSt 6, 314 (316 f.). 53 BGHSt 28, 371 (372); 30, 127 (128); BGH NJW 1992, S. 250 (252); aus der Literatur zustimmend Fischer, Komm. StGB, § 14 / Rn. 5; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 171. 54 Vgl. BGH, NJW 1969, S. 1494; BGHSt 30, 127 (128); zu weiteren Nachweisen siehe Arloth, NStZ 1990, S. 571. 55 Siehe dazu D. Busch, Konzernuntreue, S. 40; J. Kaufmann, Organuntreue, S. 63 f.; Reiß, wistra 1989, S. 84. Hellmann, wistra 1989, S. 214, beklagt, die Untreue werde zum abstrakten (Konkurs-)Gefährdungsdelikt umfunktioniert. 49 50

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Die im Schrifttum vorherrschende sog. Funktionentheorie lehnt diese Abgrenzung nach der Täterintention ab und orientiert sich vielmehr an der objektiven Funktion des Organs. Mit gewissen Unterschieden in der konkreten Formulierung des Zurechnungskriteriums56 schränkt § 14 StGB nach dieser Lehre eine Organstrafbarkeit gemäß §§ 283 ff. StGB nur dann ein, wenn kein funktionaler Zusammenhang mit der Vertreterfunktion des Organs besteht57. Andere Stimmen in der Literatur binden die Zurechnung des Organhandelns und die damit verbundene Überwälzung der Schuldnereigenschaft der §§ 283 ff. StGB wiederum an die Zustimmung der Gesellschaft58. Denn eine Maßnahme, die mit Zustimmung des Vermögensinhabers erfolge, könne allein noch die Interessen der Gläubiger verletzen. Der Untreuetatbestand wäre danach nur eröffnet, soweit es an einer wirksamen Zustimmung der Gesellschaft im Einzelfall fehlt59.

2. Die These von der Unabhängigkeit der Tatbestände Gegen die bisweilen vertretene Exklusivität der Tatbestände sprechen indessen realiter Konstellationen, in denen die Interessen der Gläubiger sowie das Vermögen der (Schuldner-)Gesellschaft nicht alternativ, sondern kumulativ beeinträchtigt werden60. Die Verschiedenheit der geschützten Rechtsgüter vermag in diesen Fällen einer gleichzeitigen Anwendung der Strafnormen allein nicht entgegenzustehen. Denn das angegriffene Vermögen wird hier lediglich unter verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, einmal aus Sicht des materiellen Vermögensträgers und einmal aus Sicht der Gläubiger61. Dies impliziert aber gerade einen jeweils eigenständigen Unrechtsgehalt der Delikte, dem im Tenor in Form einer Idealkonkurrenz der Tatbestände sodann auch Rechnung getragen werden sollte62. Im Ergebnis 56 Siehe dazu im Einzelnen Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 14 / Rn. 26; Radtke, in: MK-StGB, § 14 / Rn. 60. 57 Arloth, NStZ 1990, S. 574; Labsch, wistra 1985, S. 60; Tiedemann, in: LK-StGB, Vor § 283 / Rn. 81; Wehleit, Abgrenzung, S. 69, 91 f. 58 Reiß, wistra 1989, S. 84 f., demzufolge auch eine gesetzeswidrige Zustimmung der Gesellschaft zuzurechnen ist, mit der Konsequenz, dass § 266 StGB grundsätzlich unanwendbar bleibt. Nach Radtke, GmbHR 1998, S. 369, und Wodicka, Untreue, S. 237 ff., 349, hindert der Verstoß gegen die den Anteilseignern gesetzten gesetzlichen Dispositionsgrenzen eine Zurechnung des Organhandelns durch Zustimmung; ohne Differenzierung Waßmer, Untreue, S. 20. 59 Einen Mittelweg beschreitet Flum, Der strafrechtliche Schutz, S. 140 ff., der bei fehlender Zustimmung die Tatbestände nach der Interessentheorie abgrenzt. 60 Ebenso D. Busch, Konzernuntreue, S. 42; D. Geerds, in: FS Geerds 1995, S. 693; Lampe, GA 1987, S. 252; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 91. 61 Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 91. 62 D. Busch, Konzernuntreue, S. 42; für die Möglichkeit der Tateinheit auch Arloth, NStZ 1990, S. 574; Lampe, GA 1987, S. 252; Wehleit, Abgrenzung, S. 102. Der Bundesgerichtshof nimmt Idealkonkurrenz zwischen Untreue und Bankrott an, soweit der Täter sowohl fremdals auch eigennützig handelt, vgl. BGHSt 28, 371.

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verdient deshalb die These einer grundsätzlichen Unabhängigkeit der Untreue von den Insolvenzdelikten den Vorzug63. Mit Blick auf das Kriterium der Einwilligung bestehen dabei keine rechtstechnischen Bedenken, eine mangels tatbestandsausschließender Einwilligung gegen das Gesellschaftsvermögen gerichteten Untreuehandlung anzunehmen, wenn gleichzeitig ein mit „Einverständnis“ der Schuldnergesellschaft verwirklichtes, gläubigerschädigendes Bankrottdelikt der Organmitglieder vorliegt64. Denn die Insolvenzstrafbarkeit der Organe setzt tatbestandsmäßig keine rechtswirksame Einwilligung der Gesellschaft, sondern einzig die Überleitung der Schuldnereigenschaft nach Maßgabe des § 14 StGB voraus. Die Anforderungen an den Zurechnungsbezug in diesem Sinne betreffen aber eine rechtstechnisch von der „Einwilligung“ völlig verschiedene Ebene65. Ebenso nötigt die von mehreren Stimmen kritisierte (vermeintliche) Schlechterstellung von Organmitgliedern gegenüber Einzelkaufmännern, die in ihrer Vermögensdisposition lediglich durch die Insolvenzstraftaten eingeschränkt sind, zu keinem anderen Schluss. Denn dieser Vergleich nivelliert eine sowohl formell als auch materiell abweichende Vermögenszuordnung und damit eine bereits völlig unterschiedliche Sachlage66. 3. Zwischenergebnis Das umstrittene Verhältnis der Untreue zu den Insolvenzdelikten erfordert keine tatbestandliche Abgrenzung. Vielmehr kann jeder Tatbestand für sich gesondert geprüft werden. Für die Untersuchung einer Untreuestrafbarkeit der Aufsichtsratsmitglieder gilt es somit für den weiteren Verlauf festzuhalten, dass einerseits der Rückgriff auf die Interessenformel der Rechtsprechung im Rahmen der §§ 283 ff. StGB eine kriminalpolitisch motivierte Ausdehnung des § 266 StGB als Auffangtatbestand für gläubigerschädigendes Verhalten nicht rechtfertigt67, die extensive Funktionentheorie andererseits den Anwendungsbereich der Untreue zur Vermeidung von Systemwidersprüchen aber im Tatbestand auch nicht einzuschränken vermag68. 63 Hinzu kommt, dass sowohl die subjektiven wie auch die objektiven Abgrenzungskriterien für die Tathandlungen des Zerstörens, Beschädigens oder Unbrauchbarmachens i. S. v. § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB keine stringenten Ergebnisse zu begründen vermögen; dazu Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 91. 64 So aber der Einwand von Reiß, wistra 1989, S. 84; Waßmer, Untreue, S. 19. 65 D. Busch, Konzernuntreue, S. 42, dort in Fn. 84; Radtke, in: MK-StGB, § 14 / Rn. 61. 66 Die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von Flum, Der strafrechtliche Schutz, S. 137 f., durch Verweis auf das besondere Schutzbedürfnis der betroffenen Gesellschaftsgläubiger bei den Rechtsformen der AG und GmbH vermag insoweit nicht zu überzeugen, als § 266 StGB gerade kein Gläubigerschutzinstrument ist. 67 Dies hat vor allem Auswirkungen auf die Einverständnisproblematik, siehe dazu unten C., III., 2. 68 In diesem Sinne zuletzt auch D. Busch, Konzernuntreue, S. 43; J. Kaufmann, Organuntreue, S. 67 ff.

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V. Die tatbestandlichen Modalitäten der Untreue Der Untreuetatbestand des § 266 Abs. 1 StGB vereinigt in seiner heutigen Fassung als Konsequenz aus dem historischen Streit um seine Unrechtsstruktur die Gedanken der Missbrauchs- und der konkurrierenden Treubruchstheorie69 in zwei verschiedenen Tatbestandsalternativen. Wenngleich gerade in der Judikatur zum Wirtschaftsstrafrecht fast durchweg offen gelassen wird, ob die Voraussetzungen der Missbrauchsalternative vorliegen, sofern jedenfalls eine Vermögensbetreuungspflicht besteht70, bedarf es schon aus rechtsstaatlichen Gründen – der Angeklagte hat Anspruch darauf, zu erfahren, welche Alternative ihm vorgeworfen wird71 – einer exakten Abschichtung der beiden Untreuevarianten. Für diese Zwecke soll hier einführend das dogmatische Gebäude des Untreuetatbestandes skizziert werden, innerhalb dessen es die spezifische Verantwortung der Aufsichtsratsmitglieder sodann zu lokalisieren gilt.

1. Abgrenzung der Tatbestandsvarianten a) Die Missbrauchsuntreue, § 266 Abs. 1, 1. Alt. StGB Die Missbrauchsuntreue gemäß § 266 Abs. 1, 1. Alt. StGB setzt als Tathandlung die bestimmungswidrige Ausübung einer Vertretungsmacht in Form einer Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis bezüglich fremden Vermögens voraus. Der Täter überschreitet dabei die Grenzen des rechtlichen Dürfens im Innenverhältnis unter Ausnutzung seines weitergehenden rechtlichen Könnens im Außenverhältnis72. Kennzeichnend für die erste Tatbestandsalternative ist somit die Vermögensschädigung durch ein intern pflichtwidriges, aber extern wirksames Handeln73. 69 Zur Entwicklung dieser Lehren eingehend Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 9, 11 ff.; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 4 ff. 70 Vgl. jüngst BGH, ZIP 2006, S. 72 (75) „Mannesmann“; sowie etwa BGH, NJW 1975, S. 1234; NJW 1977, S. 443 f.; NJW 1983, S. 461; BGH JR 1983, S. 515; BGH, wistra 1995, S. 61, wistra 2001, S. 304. 71 Vgl. Seier, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, V 2 / Rn. 39; hinzukommt dadurch die tendenzielle Verlagerung der Tatbestandsrestritktion auf die Vorsatzebene, kritisch Dierlamm, NStZ 1997, S. 534 f. 72 So die verbreitete Kurzformel der h. M.; vgl. u. a. BGHSt 5, 61 (63); Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 82; Kühl, Komm. StGB, § 266 / Rn. 6; Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 14 ff.; Nelles, Untreue, S. 520; Otto, Delikte, § 54 / Rn. 12; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 32; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 753. 73 Nach Arzt, in: FS Bruns 1978, S. 371 ff., und Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 32 ff., soll es dahingegen auf die zivilrechtliche Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht ankommen. Dadurch sollen gerade die gravierenden Formen des evidenten Vollmachtsmissbrauchs und des kollusiven, sittenwidrigen Zusammenwirkens, wie sie besonders in den untreuerelevanten „kick-back“-Fällen in der Unternehmenspraxis auftreten, ebenfalls durch die Missbrauchsvariante erfasst werden; siehe dazu jüngst Rönnau, in: FS Kohlmann 2003,

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Aus diesem Grunde ist ein Missbrauch nur durch rechtsgeschäftliche (oder hoheitliche) Handlungen möglich, wohingegen für rein tatsächliche Einwirkungen auf das fremde Vermögen ausschließlich der Treubruchstatbestand in Frage kommt. Der Befugnismissbrauch kann grundsätzlich auch durch Unterlassen erfolgen, sofern dieses eine Rechtswirkung entfaltet. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn das Schweigen als rechtsgeschäftliche Handlung wirkt (vgl. § 151 BGB, § 362 HGB), zum Rechtsverlust führt (§ 377 Abs. 2 HGB) oder wenn es rechtsgestaltende Kraft annimmt, wie im Falle des Unterlassens einer Kündigung74. Bloßes Untätigsein vermag hingegen noch keinen Missbrauch von Rechtsmacht zu begründen75. Mit Blick auf die gesetzliche Aufsichtsratstätigkeit ist der Anwendungsbereich der Missbrauchsuntreue daher stark eingeschränkt. Denn zu rechtsverbindlichen Handlungen mit Außenwirkung ist der Aufsichtsrat als primär gesellschaftsintern wirkendes Kontrollorgan nur in ausgewiesenen Sonderfällen befugt. Das Recht zur Erteilung des Prüfungsauftrags an den Abschlussprüfer aus § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG weist insoweit keine bedeutende Vermögensrelevanz auf. Ein missbräuchliches Verhalten des Aufsichtsrats wird vielmehr im Rahmen der Vertretungsbefugnis gegenüber den Vorstandsmitgliedern nach § 112 AktG in Betracht kommen. Auf dieser Grundlage sind die Aufsichtsratsmitglieder ausnahmsweise berechtigt, nach außen mit Rechtswirkung für die Gesellschaft Anstellungsverträge abzuschließen und insbesondere die Gesamtbezüge nach Maßgabe des § 87 Abs. 1 AktG festzusetzen, Kredite im Sinne des § 89 AktG zu gewähren sowie Schadensersatzansprüche (§ 93 AktG) geltend zu machen.

b) Die Treubruchsuntreue, § 266 Abs. 1, 2. Alt StGB Das Unrecht der Treubruchsuntreue gemäß § 266 Abs. 1, 2. Alt. StGB stimmt insoweit mit der Missbrauchsvariante überein, als auch dieses einen Verstoß gegen die zwischen Treugeber und Treunehmer bestehenden Pflichten im Innenverhältnis erfordert. Dieses Treueverhältnis kann auf denselben Grundlagen wie beim Missbrauchstatbestand beruhen, kann sich hier grundsätzlich aber auch aus S. 246 ff. Praktische Relevanz erlangt diese abweichende Ansicht jedoch nur in den Fallkonstellationen der eigennützigen Treuhand (z. B. Sicherungsübereignungen), in denen der Treubruchstatbestand als Auffangtatbestand einer Untreuestrafbarkeit nicht in Betracht kommt. Für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand der fremdnützigen Treuhand durch Gesellschaftsorgane hat diese Unterscheidung keine kriminalpolitische Bedeutung; so selbst Schünemann, Organuntreue, S. 13. Zu weiteren Einzelheiten ist deshalb an dieser Stelle auf die jüngste, überzeugende Erörterung der Streitfrage bei Schramm, Untreue, S. 31 f., zu verweisen. 74 BGH, NJW 1951, S. 645; Fischer, Komm. StGB, § 266 / Rn. 27. 75 Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 91; Kühl, Komm. StGB, § 266 / Rn. 6; Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 16. Unterschiedlich beurteilt wird hingegen das Verjährenlassen einer Forderung, siehe dazu Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 54.

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einem tatsächlichen Verhältnis ergeben76. Jedenfalls erfasst diese zweite Untreuevariante auch tatsächliche Verletzungshandlungen, Rechtsgeschäfte ohne rechtliche Außenwirkung für den Treugeber sowie jede Form der Unterlassung. Das Untreueunrecht gründet sich hier unmittelbar auf die im Innenverhältnis bewirkte (vermögensschädigende) Verletzung einer Vermögensfürsorgepflicht des Treupflichtigen77.

2. Der gemeinsame Unrechtskern Als Sonderdelikt78 knüpft der Untreuetatbestand die Strafbarkeit des Täters jeweils an eine besonders strukturierte Pflichtenstellung. Für eine weitere Konturierung dieser vermögensspezifischen Sonderverantwortung gilt es zunächst den tieferen Kern des in § 266 StGB tatbestandlich vertypten Unrechts herauszuschälen, will man sich später nicht in rein pragmatischen Begrifflichkeiten verlieren. Das Vermögen findet in diesem Zusammenhang, darauf hat Binding79 bereits richtig hingewiesen, „seinen Feind gerade in der Person, der es von Rechts wegen unterstellt ist, und gegen diese bedarf sein Inhaber energischen Schutzes“. Das spezifische Handlungsunrecht der Untreue besteht mithin im zweckwidrigen Gebrauch eingeräumter Entscheidungsmacht über fremdes Vermögen, und damit in einer Schädigung „von innen heraus“80, durch eine „im Lager“ des Vermögensinhabers stehende Person81. Gegenüber diesem Täterkreis, dem der jederzeitige Zugriff auf das Vermögen eines anderen von Rechts wegen eröffnet ist, bedarf es des besonderen strafrechtlichen Schutzes durch § 266 StGB. Denn die üblichen faktischen Sicherungs- und Kontrollvorkehrungen werden hier durch eine Vertrauensbeziehung zwischen Treugeber und Treunehmer ersetzt oder zumindest stark eingeschränkt. Zudem vermag auch das Zivilrecht insoweit keinen Schutz zu bieten, als es gerade den Zugriff auf das Vermögen rechtlich ermöglicht82. Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 769. Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 59 ff.; Kühl, Komm. StGB, § 266 / Rn. 9 ff.; Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 22 ff.; Samson / Günther, in: SK-StGB, § 266 / Rn. 22 ff.; Schramm, Untreue, S. 33; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 57 ff. 78 BGHSt 13, 330 ff.; Seier, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, V 2 / Rn. 60. 79 Binding, Handbuch, S. 397. 80 Dies unterscheidet die Untreue maßgeblich von den Vermögensdelikten der §§ 242, 263 StGB, die (ergänzend) einen externen Zugriff auf fremdes Vermögen sanktionieren. 81 Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 3; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 18. 82 Vgl. Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 18; den Aspekt des insoweit notwendigen Opferschutzes betont auch Saliger, Parteiengesetz, S. 27. Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 1, sehen die besondere Schutzwürdigkeit ferner darin begründet, dass Vermögensinhaber aus unterschiedlichen Gründen vielfach auch gezwungen sind, die Besorgung ihrer Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise Dritten zu überantworten. 76 77

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Mit dieser ratio legis des Untreuestrafschutzes sind zugleich die entscheidenden Grenzen der strafbarkeitsbegründenden Pflichtenstellung markiert: Täter kann nur sein, wer funktional in die Vermögenssphäre des Treugebers eingebunden ist und eine Macht- bzw. Herrschaftsposition über dessen fremdes Vermögen innehat83. Diese Wesensstruktur der Pflichtenstellung eint beide Tatbestandsalternativen der Untreue. Sie knüpfen den Täterstatus sodann lediglich an eine unterschiedliche Art der Vermögensherrschaft an. Beim Missbrauchstatbestand konstituiert sich die Herrschaftsmacht aus der fremdnützigen Verpflichtungs- und Verfügungsbefugnis über das fremde Vermögen, die den Treunehmer in die Lage versetzt, den Treugeber im Außenverhältnis entgegen seinen Vermögensinteressen rechtswirksam zu binden84. Die vermögensspezifische Verantwortung des Treunehmers für die betreuten fremden Vermögensinteressen ist die normative Konsequenz aus seiner rechtlichen Gestaltungsfreiheit nach außen und der damit gleichermaßen eingeschränkten Steuerungsmöglichkeit des Vermögensinhabers85. Diese sachlogische Struktur entspricht der im Rahmen der Untersuchung bereits zur allgemeinen Garantendogmatik entwickelten Korrelation von Herrschaft und strafrechtlicher Verantwortung86. Folgerichtig ist dies insofern, als bei der Untreue im Falle eines Unterlassens die tatbestandlich verankerte Treupflicht an die Stelle der allgemeinen Obhutsgarantenpflicht tritt und entsprechend die materiell erforderliche Begehungsäquivalenz herstellt87. Der Treubruchstatbestand erfasst hingegen alle anderen Formen der Vermögensherrschaft88. Die Kennzeichnung der Täterposition als Pflichtenstellung kraft Gestaltungsherrschaft über fremdes Vermögen sowie die erforderliche Gleichwertigkeit des Gefährdungspotentials mit der Missbrauchsvariante implizieren indessen, dass nicht jede faktische Zugriffsmöglichkeit auf das fremde Vermögen bereits eine Treupflicht begründen kann89. Der Treunehmer muss vielmehr im Innenverhältnis zum Vermögensinhaber über eine qualifizierte Herrschaftsposition verfügen, die in ihrer Gestaltungsfreiheit der rechtlichen Ver83 In diesem Sinne D. Busch, Konzernuntreue, S. 50 f.; G. Haas, Untreue, S. 30; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 22; Saliger, Parteiengesetz, S. 26 ff.; Sax, JZ 1977, S. 666 f.; Schramm, Untreue, S. 33; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 20; ansatzweise bereits Schwinge / Siebert, Untreuestrafrecht, S. 33. 84 Saliger, Parteiengesetz, S. 24; Schramm, Untreue, S. 33; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 20. 85 Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 20, 58, 85, kennzeichnet die Verantwortung des Herrschaftsinhabers als Folge der „eingeräumten Zugriffsmöglichkeit bei Abwesenheit von Kontrolle“; ganz ähnlich Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 3; Sax, JZ 1977, S. 702 ff. 86 Siehe § 3, B., I., 2., b), dd) und II. 87 Vgl. Kühl, Komm. StGB, § 266 / Rn. 2; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 55; Seier, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, V 2 / Rn. 76; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 765; offen gelassen in BGHSt 36, 227. 88 Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 20. 89 Dahingehend auch Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 3; Samson / Günther, in: SKStGB, § 266 / Rn. 27; Schramm, Untreue, S. 34; zur gebotenen Gleichwertigkeit des Unrechts bzw. der Angriffshandlungen, vgl. auch Küper, BT, S. 366; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 752.

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pflichtungs- und Verfügungsbefugnis aus der ersten Tatalternative materiell entspricht90. Der Aufgabenbereich des Betroffenen darf sich deshalb jedenfalls nicht in rein mechanischen oder bis in alle Einzelheiten vorbestimmten Tätigkeiten ohne jede eigenständige Entscheidungskompetenz erschöpfen91. Lässt sich demnach das Untreueunrecht allgemein als Verstoß gegen die Grenzen einer spezifisch ausgestalteten Herrschaftsmacht über fremdes Vermögen kennzeichnen, indem der Täter sich vorsätzlich über Pflichten hinwegsetzt, die ihm zum Schutz und zur Fürsorge dieses Vermögens auferlegt sind, so verbindet sich damit sogleich die Frage, an welchen Tatbestandsmerkmalen des § 266 Abs. 1 StGB diese Täterkonstitution jeweils festzumachen ist.

3. Die Vermögensfürsorgepflicht als täterschaftskonstituierendes Merkmal Während der Untreuetatbestand im Handlungsunrecht zunächst zwischen dem Missbrauch einer eingeräumten Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis über fremdes Vermögen einerseits und der Verletzung der „Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen“ (sog. Treupflicht) andererseits differenziert, beansprucht die im letzten Satzteil bezeichnete Pflicht des Täters, fremde Vermögensinteressen zu betreuen, nach dem syntaktischen Aufbau der Vorschrift für beide Tatbestandsvarianten Geltung. Diese Vermögensbetreuungspflicht ist Dreh- und Angelpunkt der Bestimmung des Täterkreises und manifestiert den Sonderdeliktscharakter des § 266 StGB92. Ihre funktionale wie auch inhaltliche Konkretisierung wirft gleichwohl eines der schwierigsten und zugleich umstrittensten Probleme des gesamten Vermögensstrafrechts auf, nach Einschätzung Schünemanns gar „das dunkelste und verworrenste Kapitel des Besonderen Teils“93. Gegenstand der Kontroversen ist hier einmal die Frage, ob diese jeweils erforderliche Täter-Opfer-Beziehung in Gestalt des Vermögensbetreuungsverhältnisses in ihren inhaltlichen Konturen der Vermögenswahrnehmungspflicht im Rahmen der Treubruchsvariante entspricht und damit letztlich für die Missbrauchsuntreue als weitere Einschränkung neben der erforderlichen Vertretungsmacht das identi90 Schramm, Untreue, S. 34, bezeichnet die „Freiheit im Inneren“ im Rahmen der Treubruchsvariante treffend als „Spiegelbild“ der „Freiheit nach außen“ im Rahmen der Missbrauchsvariante. 91 Siehe dazu Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 47; Schramm, Untreue, S. 34; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 20; in diesem Sinne auch RGSt 69, 279 (280 f.); BGHSt 13, 315 (317); zu den Wesensmerkmalen im Einzelnen, siehe unten B., I. 92 Nach h. M. handelt es sich bei ihr um ein besonderes persönliches Verhältnis i. S. d. §§ 28 Abs. 1, 14 Abs. 1 StGB; vgl. BGHSt 41, 1; Samson / Günther, in: SK-StGB, § 266 / Rn. 51; a. A. Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 52. 93 Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 1; ähnlich Dahs, NJW 2002, S. 273; Schramm, Untreue, S. 35.

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sche, qualifizierte Vermögensfürsorgeverhältnis vorauszusetzen ist wie für den Treubruchstatbestand94. Der Bundesgerichtshof hat diese Linie einer „streng monistischen“95 Konzeption in der einschneidenden „Scheckkartenentscheidung“96 im Jahre 1972 unter Abkehr von der bis dahin einhelligen Auffassung aufgegriffen und verlangt seitdem in ständiger Rechtsprechung für beide Tatbestandsvarianten eine inhaltsgleiche Vermögensfürsorgepflicht des Täters97. Danach bezeichnet die Missbrauchsuntreue als lex specialis nur einen (im Grunde überflüssigen) Anwendungsfall der umfassenderen Treubruchsuntreue. Die Literatur ist in der Folge, mit Verweis auf die dringende Notwendigkeit einer sachgerechten Restriktion des § 266 StGB, auf diese Position der Judikatur überwiegend eingeschwenkt98. Demgegenüber betonen zwei beachtliche Meinungsströme im Schrifttum weiterhin die Selbständigkeit der beiden Untreuevarianten und lehnen deshalb eine Übertragung der für den Treubruchstatbestand und die ihn kennzeichnende Vermögenswahrnehmungspflicht entwickelten strengen Kriterien mittels des Merkmals der Vermögensbetreuungspflicht auf den Missbrauchstatbestand ab. Während die „neuere dualistische“ Theorie das Betreuungsverhältnis im Rahmen der Missbrauchsvariante regelmäßig bereits aus der Pflicht zu einem rechtmäßigen Gebrauch der eingeräumten Vertretungsmacht folgert99, nimmt der „eingeschränkt monistische“ Ansatz schließlich einen vermittelnden Standpunkt ein, indem er für die Missbrauchsuntreue zumindest ein fremdnütziges Innenverhältnis voraussetzt100, das darüber hinaus jedoch nicht die Intensität einer qualifiziert vermögensfürsorgerischen Rechtsbeziehung aufzuweisen brauche101. 94 Zur unterschiedlichen Verwendung der Begriffe „wahrnehmen“ und „betreuen“, siehe Haft, BT, S. 224 ff.; Kargl, ZStW 113 (2001), S. 580 ff. 95 So die Bezeichnung von Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 8 ff.; vgl. aber auch die Unterscheidung von „Spezialitäts“- und „Selbständigkeitstheorie“ bei Hillenkamp, Probleme BT, S. 175 ff. 96 BGHSt 24, 386 (387 f.). 97 Vgl. BGH, ZIP 2006, S. 72 (75) „Mannesmann“; BGHSt 33, 244 (250); 35 244; 46, 30; 47, 187; aber auch OLG Köln, NJW 1988, S. 3219 (3220). 98 Begründet wurde diese Lehre von Hübner, vgl. in: LK-StGB10, § 266 / Rn. 5 ff., 21 ff.; ihr folgend u. a. Arzt / Weber, BT, § 22 / Rn. 68; Kühl, Komm. StGB, § 266 / Rn. 4; Rengier, BT 1, § 18 / Rn. 8; Samson / Günther, in: SK-StGB, § 266 / Rn. 5; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 750, jeweils m. w. N.; ähnlich die „integrierte Untreuekonzeption“ von Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 22 ff. 99 Dahingehend etwa Labsch, NJW 1986, S. 108; Otto, Delikte, § 54 / Rn. 4, 8. 100 Diese Interpretation veranlasste mitunter den Gesetzgeber im Jahre 1986 zur Einfügung des § 266b StGB, der sich als eine speziell normierte Missbrauchsuntreue ohne fremdnützige Vermögensbetreuungspflicht begreifen lässt und damit im Umkehrschluss nahe legt, dass die allgemeine Missbrauchsuntreue in § 266 StGB eine solche Pflicht voraussetzt; siehe Küper, BT, S. 340; anders Schünemann, Organuntreue, S. 12. 101 So vor allem Eisele, GA 2001, S. 380 f.; Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 2; Nelles, Untreue, S. 508; Schramm, Untreue, S. 36 f.; Wegenast, Missbrauch, S. 134 ff.

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Eine kriminalpolitische Bedeutung erlangt diese Streitfrage vor dem Hintergrund wiederum unterschiedlichster, mit Blick auf das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG jedoch zweifellos gebotener Bemühungen in Rechtsprechung und Literatur, dieses pflichterzeugende Vermögensfürsorgeverhältnis angesichts der „uferlosen Weite“ der Gesetzesformulierung (zumindest für die Treubruchsalternative) tatbestandlich schärfer einzugrenzen. Im Bereich der Organuntreue bleibt dieser Disput über eine sodann gleichlaufende Restriktion der Missbrauchsuntreue indes ohne praktische Auswirkung, da Verwaltungsorganmitglieder einer juristischen Person als bestellte Sachwalter des Gesellschaftsvermögens anerkanntermaßen in einem solch qualifizierten Vermögensfürsorgeverhältnis zur Gesellschaft stehen102. Insofern erübrigt sich an dieser Stelle eine weitergehende kritische Reflektion der verschiedenen Konzeptionen103, wenngleich zumindest angemerkt sei, dass die hier als maßgeblich herausgestellte Anknüpfung der strafrechtlichen Verantwortung an eine Herrschaftsstellung des Untreuetäters104 die streng monistische Tatbestandsauslegung der herrschenden Meinung nicht zwingend gebietet105. Für den weiteren Verlauf dieser Untersuchung soll jedenfalls der Terminus „Vermögensfürsorgepflicht“ als genus proximum106 verwendet und mit den Inhalten belegt werden, die in Rechtsprechung und Literatur überwiegend der gemeinsamen „Vermögensbetreuungspflicht“, von der genannten Minderheit hingegen ausschließlich der „Vermögenswahrnehmungspflicht“ zur Kennzeichnung der Täterposition zugeschrieben werden. Der konkrete Inhalt sowie der Umfang der strafrechtlichen Pflicht sind nach der tatbestandlichen Struktur des § 266 StGB stets den primärrechtlichen107 Regeln des Fürsorgeverhältnisses, hier also dem Aktienrecht, zu entnehmen. Der Untreuetatbestand zeigt sich insoweit akzessorisch zum gesellschaftsrechtlichen Regelungsgehalt108. Gleichwohl ist nochmals klarzustellen, dass der Strafzweck der Un102 Vgl. Otto, in: Großkomm. AktG, Vor § 399 / Rn. 23; Schünemann, Organuntreue, S. 11; zur historischen Anerkennung der Organuntreue bereits oben A., I.; sowie im Einzelnen dazu sogleich unten B., I. 103 Die jüngste, fundierte Auseinandersetzung mit der Kontroverse um das Verhältnis von Missbrauchs- und Treubruchsuntreue findet sich in der Monographie von Wegenast, Missbrauch, S. 10 ff. 104 Siehe oben 2. 105 Denn selbst ein Verpflichtungs- oder Verfügungsberechtigter, dessen Handlungsspielraum durch detaillierte Vorgaben im Innenverhältnis begrenzt ist, verfügt allein kraft seiner uneingeschränkten Entscheidungskompetenz im Außenverhältnis bereits über die erforderliche, herrschaftsbegründende Gestaltungsmacht über das fremde Vermögen. Zur Strafbegründung der Missbrauchsuntreue bedarf es daher der (herrschaftskonstituierenden) Anforderungen, die für die Treubruchsuntreue an den Status im Innenverhältnis zu stellen sind, grundsätzlich nicht; dahingehend auch Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 2; Schramm, Untreue, S. 36; Wegenast, Missbrauch, S. 107 f. 106 Ähnlich Hirmer, Zivil- und strafrechtliches Verbot, S. 88 f.: „dem generalisierenden Begriff der Vermögensfürsorgepflicht“. 107 Zur Unterscheidung von Primär- und Sekundärrecht, siehe oben § 2, A., I.

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treue damit nicht in der Pönalisierung zivilrechtlicher Pflichtverletzungen besteht, sondern ausschließlich an die dem Zivilrecht zugrunde liegende soziale Struktur in Gestalt der pflichtbegründenden Vermögensherrschaft anknüpft109. Der Zusammenhang stellt sich erst dadurch her, dass diese strafrechtsrelevante Herrschaftsposition durch das Gesellschaftsrecht primärrechtlich eingekleidet und konkretisiert wurde110. Wenngleich Nelles diese normspezifische Verweisung auf das Primärrecht als „blankettartig“ bezeichnet111, handelt es sich bei der Vermögensfürsorgepflicht nicht um ein Blankettstrafgesetz im engeren Sinne112, sondern vielmehr um ein stark normativ ausgeprägtes Tatbestandsmerkmal, welches das Schutzobjekt bereits selbst bezeichnet und wie es sich vergleichbar etwa bei der Steuerhinterziehung in § 370 AO findet113.

4. Vorsatz und Unrechtsbewusstsein Die Rechtsprechung versucht seit jeher durch gesteigerte Anforderungen an den Vorsatznachweis die Bestimmtheitsprobleme des objektiven Untreuetatbestands zu lösen. Derartige Restriktionen des Untreuevorsatzes stehen aber zu Recht in dem Verdacht, „dienstbare Krücken der Einzelfallgerechtigkeit“114 zu sein und können die gebotene Einschränkung im objektiven Tatbestand nicht ersetzen115. Der Untreuevorsatz setzt deshalb ohne Besonderheiten bei der richterlichen Überzeugungsbildung nach allgemein anerkannten Grundsätzen voraus, dass der Täter die ihm überantwortete Vermögensfürsorgepflicht kennt, ihr wissentlich und willentlich zuwiderhandelt und dabei voraussieht oder sich zumindest damit abfindet, dass er durch sein Verhalten das ihm anvertraute Vermögen schädigt116. Praktisch bedeutende und dogmatisch bisher nicht hinreichend geklärte Probleme wirft auf der subjektiven Seite des Untreuetatbestandes vornehmlich117 das not108 Lüderssen, in: FS Eser 2005, S. 164, 175; Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 644; Tiedemann, in: FS Weber 2004, S. 322; vgl. auch Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 68, 94 („Zivilrechtsaffinität“). 109 Siehe oben 2. 110 Schünemann, Organuntreue, S. 23. 111 Nelles, Untreue, S. 505. 112 Zur Terminologie, siehe Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 99 ff., 108, 122. Otto, in: Großkomm. AktG, Vor § 399 / Rn. 111 ff., unterscheidet zwischen echten und unechten Blankettstraftatbeständen. 113 Vgl. BGH, ZIP 2006, S. 72 (82) „Mannesmann“; Arzt / Weber, BT, § 22 / Rn. 69 m. w. N. 114 Treffend Hillenkamp, NStZ 1981, S. 163. 115 Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 25; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 778 m. w. N. 116 Vgl. BGH, wistra 1986, S. 25; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 779. 117 Zum Untreuevorsatz bei sog. (unternehmerischen) Risikogeschäften sei auf Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 638 ff., und Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 155, verwiesen.

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§ 4 Die strafrechtliche Verantwortung wegen Organuntreue gemäß § 266 StGB

wendige Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit auf. Je nach dem Stand seiner (Un-) Kenntnis von den Tatsachen und der (Fehl-)Bewertung seines Verhaltens kann sich der Täter entweder in einem den Vorsatz und damit die Strafbarkeit ausschließenden Tatbestandsirrtum (§ 16 StGB) oder in einem (un-)vermeidbaren Verbotsirrtum (§ 17 StGB) befunden haben. Die normative Gestalt der auf das Primärrecht Bezug nehmenden Treupflichtwidrigkeit118 erschwert die Abgrenzung im Einzelfall außerordentlich. Dies unterstreichen nicht nur die verschiedenen Stellungnahmen der Literatur, sondern auch die höchstrichterliche Scheu119 vor allgemeinverbindlichen Aussagen in dieser Frage. Ein Teil der Autoren ordnet die Vermögensfürsorgepflichtverletzung ähnlich der „Fremdheit“ bei § 242 StGB als normatives Tatbestandsmerkmal ein, so dass sich der Untreuevorsatz auch auf diesen rechtlichen Umstand (als objektives Tatbestandsmerkmal) erstrecken muss120. Damit würde bereits die leichtfertigste Fehlbeurteilung der Pflichtenlage im Rahmen einer Parallelwertung nach Laienart gemäß § 16 StGB die Untreuestrafbarkeit ausschließen. Selbst wenn sich der Täter in der Sicherheit, es werde sowieso nichts aufgedeckt werden, über die rechtliche Bewertung seines Verhaltens überhaupt keine Gedanken gemacht haben sollte, bliebe er straffrei121. Diese kriminalpolitisch unbefriedigende Konsequenz lässt sich vermeiden, indem man die Pflichtwidrigkeit als sog. gesamttatbewertendes Merkmal qualifiziert, bei dem der Vorsatz nur die dieses Merkmal begründenden Tatsachen – zu denen aufgrund der normativen Gestalt gleichwohl auch die nach Laienart zu beurteilenden primärrechtlichen Regelungen gehören – umfassen muss, während das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit sodann nur Teil des Unrechtsbewusstseins gemäß § 17 StGB ist122. Die irrige rechtliche Annahme des Täters, aufgrund oder trotz der ihm bekannten Tatsachen zu seinem Handeln befugt zu sein, stellt danach einen bloßen Verbotsirrtum dar. Diesen Verbotsirrtum muss der Untreuetäter vermeiden, indem er sich in Zweifelsfällen nicht auf sein eigenes Urteil verlässt, sondern kundigen Rechtsrat einholt123. Werden von sachkundiger Seite ebenfalls rechtliche Zweifel geäußert, Siehe oben 3. Offengelassen zuletzt vom 3. Strafsenat, BGH, ZIP 2006, S. 72 (82) „Mannesmann“. 120 Arzt / Weber, BT, § 22 / Rn. 69; Hohn, wistra 2006, S. 164; Jakobs, NStZ 2005, S. 277; ders., in: FS Dahs 2005, S. 55 ff. Nach Ansicht von Schramm, Untreue, S. 138, komme ein Verbotsirrtum danach erst dann in Betracht, wenn der Täter sich über die (aktienrechtliche) Pflichtwidrigkeit seines Handelns bewusst sei, er diese aber irrtümlicherweise für nicht strafbewehrt halte. Weiß der Täter aber um die materielle Wertwidrigkeit seines Verhaltens, so hat er das notwendige Unrechtsbewusstsein unabhängig davon, ob er glaubt, eine strafrechtliche Norm damit zu verletzen; ähnlich J. Vogel / Hocke, JZ 2006, S. 571; vgl. auch Cramer / Sternberg-Lieben, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 17 / Rn. 5; Kühl, Komm. StGB, § 17 / Rn. 2. 121 Vgl. Jakobs, NStZ 2005, S. 278. 122 Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 122; Roxin, AT I, § 21 / Rn. 23 f.; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 153 f.; ders., Organuntreue, S. 66 ff.; ebenso LG Düsseldorf, ZIP 2004, S. 2044 (2055); tendenziell auch BGH, ZIP 2006, S. 72 (82) „Mannesmann“. 123 Cramer / Sternberg-Lieben, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 17 / Rn. 13 ff.; Roxin, AT I, § 21 / Rn. 62. 118 119

B. Vermögensfürsorgepflichten gegenüber der Aktiengesellschaft

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so ist ein etwaiger Verbotsirrtum jedenfalls vermeidbar und eine Untreuestrafbarkeit entsprechend begründet, wenn nicht ausnahmsweise weitere Nachforschungen oder ein Abwarten der Maßnahme unzumutbar sind124.

B. Vermögensfürsorgepflichten der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Aktiengesellschaft Die Vermögensfürsorgepflicht bildet das Rückgrat des Untreuetatbestandes. Der Vorwurf täterschaftlicher Untreue gegenüber Mitgliedern des Aufsichtsrats ist daher zunächst an die Feststellung einer strafbewehrten Vermögensfürsorgepflicht zu knüpfen. Die Rechtsprechung125 sowie eine Vielzahl von Autoren im Schrifttum126 haben sich zur Begründung der Täterqualifikation der Aufsichtsratsmitglieder in diesem Zusammenhang bislang durchweg mit dem schlichten Verweis auf die gesellschaftsrechtliche Organfunktion begnügt, ohne aber diese Stellung wie nach sonstiger Übung mit den überkommenen materiellen Abgrenzungskriterien zu unterlegen. Wenngleich im Ergebnis kein ernsthafter Zweifel daran besteht, dass der Aufsichtsrat allgemein in einem tatbestandsmäßigen Vermögensfürsorgeverhältnis zur Aktiengesellschaft steht, soll nachfolgend doch in Kürze auf die Wesensmerkmale der Aufsichtsratsfunktion hingewiesen werden, die für die Pflichtenstellung im Sinne des § 266 StGB maßgeblich sind (I.). Denn nur auf dieser Grundlage lässt sich sodann die insbesondere im Bereich der Organuntreue essentielle Extraktion der sich für die Aufsichtsratsmitglieder aus dem gemeinhin bestehenden Vermögensfürsorgeverhältnis ergebenden, tatbestandsspezifischen Vermögensfürsorgepflichten sinnvoll vornehmen. Um diesen Pflichtenkatalog letztlich präzise benennen zu können (III.), gilt es wiederum vorab, sich die Anforderungen einer untreuerelevanten Pflichtenstellung aus normspezifischer und verfassungsrechtlicher Sicht vor Augen zu führen (II.). 124 Roxin, AT I, § 21 / Rn. 63. Bei unterbliebener Erkundigung kommt es darauf an, ob der Täter durch die eingeholte Auskunft zur Unrechtskenntnis gelangt wäre; vgl. BGH, NJW 2000, 2366; Kühl, Komm. StGB, § 17 / Rn. 7. 125 Siehe BGH, ZIP 2006, S. 72 (73) „Mannesmann“; BGHSt 47, 187 (201); BGH, wistra 1999, S. 418; LG Düsseldorf, ZIP 2004, S. 2044 (2045) „Mannesmann“; vgl. auch OLG Hamm, NStZ 1986, S. 119. Die zu den früheren Untreuesondervorschriften der §§ 294 AktG a. F., 81a GmbHG a. F. ergangene Judikatur – BGHSt 9, 203 (217); RGZ 81, 332 (335) – lässt sich indes, entgegen der bis heute praktizierten Verweisung in Rechtsprechung und Literatur, auf die heutige Rechtslage nicht unmittelbar übertragen; siehe dazu oben A., I.; kritisch auch Nelles, Untreue, S. 258; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 77. 126 So etwa Cramer, in: FS Stree / Wessels 1993, S. 564; Dreher, JZ 1990, S. 896 (inzidenter); Fischer, Komm. StGB, § 266 / Rn. 36; Große Vorholt, Management, Rn. 150; Hübner, in: LK-StGB10, § 266 / Rn. 55; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 58; Kühl, Komm. StGB, § 266 / Rn. 20b; Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 25; Schaal, in: Rohwedder / Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, Vor §§ 82 – 85 / Rn. 14; E. Schneider, Untreue, S. 44; Tiedemann, in: FS Tröndle 1989, S. 322; Zieschang, in: Park, Komm. Kapitalmarkt-Strafrecht, § 266 StGB / Rn. 26.

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§ 4 Die strafrechtliche Verantwortung wegen Organuntreue gemäß § 266 StGB

I. Das Vermögensfürsorgeverhältnis zwischen Aufsichtsrat und Aktiengesellschaft als rechtliche Grundlage untreuerelevanter Einzelpflichten 1. Allgemeine Wesensmerkmale eines Vermögensfürsorgeverhältnisses Während Konsens darüber besteht, dass die gesetzliche Formulierung des Treubruchtatbestandes zu weit geraten ist und einer einschränkenden Auslegung bedarf, wird vereinzelt bereits die Möglichkeit einer hinreichend scharfen Konturierung von vorneherein geleugnet und die Strafnorm daher wegen Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2 GG als verfassungswidrig eingestuft127. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat dazu bisher nicht Stellung genommen128. Aus diesem Grund und weil es nicht Aufgabe dieser Untersuchung ist, die verschiedenen, für die Organuntreue gleichwohl indifferenten Konkretisierungsbemühungen in Rechtsprechung und Literatur einer weitergehenden Einzelkritik zu unterziehen oder gar mögliche de lege ferenda-Konzepte129 zu diskutieren, werden nachfolgend einzig die das tatbestandsmäßige Vermögensfürsorgeverhältnis gemeinhin konstituierenden Merkmale aufgezeigt. Die Rechtsprechung hat das qualifizierte Vermögensfürsorgeverhältnis methodisch von Anbeginn an einem Katalog verschiedener Indizien im Wege einer Art „Gesamtschau“ festgemacht130. In einer Grundsatzentscheidung131 hat dazu bereits 1934 das Reichsgericht die wesentlichen Kriterien vorgezeichnet. Maßgebliche Anhaltspunkte sind danach, dass die Vermögensfürsorge „den wesentlichen Inhalt“ und nicht nur eine „Nebenpflicht des [ . . . ] Innenverhältnisses bildet“132, dass die Pflichten „sich ihrer Dauer nach über eine gewisse Zeit oder ihrem Umfang nach über bloße Einzelfälle hinaus erstrecken“133, und dass „der Verpflichtete für ihre Erfüllung einen gewissen Spielraum, eine gewisse Bewegungsfreiheit oder Selbstständigkeit hat“134. Die nachfolgende Judikatur des Bundesgerichtshofes hat sich 127 So namentlich Hamm, NJW 2001, S. 1696, „zumindest in der herrschenden Anwendungspraxis“; Kargl, ZStW 113 (2001), S. 594; Labsch, Untreue, S. 177 ff.; Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 641. 128 Zur Vereinbarkeit des § 266 StGB mit den bisher formulierten Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die Bestimmtheit staatlichen Strafens, siehe Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 29 ff. m. w. N. 129 Siehe dazu etwa Kargl, ZStW 113 (2001), S. 589 ff.; Labsch, Untreue, S. 344 f.; Nelles, Untreue, S. 540; Schramm, Untreue, S. 245 ff.; Weber, in: FS Dreher 1977, S. 555 ff. 130 Die Methode einer Gesamtbetrachtung anhand von Indizien ermöglicht, dass die Beweisanzeichen auch je einzeln gegeben sein können oder dass die schwächere Ausprägung eines Anhaltspunktes durch die stärkere eines anderen kompensiert werden kann; vgl. BGHSt 13, 315 (317 ff.); Saliger, Parteiengesetz, S. 22. 131 RGSt 69, 58 (60 ff.). 132 RGSt 69, 58 (62); ebenso u. a. RGSt 71, 90 (91); BGHSt 1, 186 (188 f.); 4, 170 (172); 13, 315 (317). 133 RGSt 69, 58 (61 f.); ferner RGSt 71, 90 (92); BGHSt 13, 315 (317 ff.).

B. Vermögensfürsorgepflichten gegenüber der Aktiengesellschaft

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an diese Indizien angelehnt und ergänzend die Notwendigkeit einer „fremdnützig typisierten“135 Fürsorgepflicht herausgestellt, die wirtschaftlich betrachtet „Hauptgegenstand“136 des Innenverhältnisses sein muss und die „Verantwortlichkeit“137 bzw. einen „Spielraum für eigenverantwortliche Entscheidungen“138 des Verpflichteten einschließt. In weiten Teilen der Literatur139 werden diese von der Rechtsprechung verwendeten Wesensmerkmale dem Grunde nach, mit gleichwohl unterschiedlicher Betonung ihrer Wertigkeit anerkannt140. Um mehr Transparenz zu erreichen, orientiert sich die tatbestandliche Eingrenzung dabei lediglich nachdrücklicher als in der Judikatur141 an dem zivilrechtlichen Typusbegriff der Geschäftsbesorgung im Sinne des § 675 BGB142, der allerdings die überkommenen Indizien „fremdnützige Vermögensfürsorge als Hauptpflicht“ und „Selbstständigkeit des Verpflichteten“ ebenfalls als wesentliche Momente eines qualifizierten Treueverhältnisses herausstreicht143. Einzelne Stimmen kennzeichnen das Vermögensfürsorgeverhältnis wiederum ausdrücklich als eine Obhutsgarantenbeziehung zu dem fremden Vermögen144. Allerdings vermag insoweit nicht jede Garantenstellung per se bereits ein untreuespezifisches Vermögensfürsorgeverhältnis zu begründen. Vielmehr müsse die Obhutsherrschaft über – zum Beispiel auch einem Arbeitnehmer anvertraute – einzelne Sachen hinausgehen und sich auf das fremde Vermögen als solches erstrecken145. 134 RGSt 69, 58 (62); siehe auch BGHSt 3, 289 (294); BGH, NStZ 1982, S. 210; BGH, NJW 1992, S. 251. 135 BGH, GA 1977, S. 18 (19). 136 BGHSt 1, 186 (188 f.); BGHSt 4, 170 (172); 33, 244 (250). 137 BGHSt 13, 315 (317); BGH, NStZ 1983, S. 455; BGH, wistra 2004, S. 105 (107). 138 BGH, StV 1986, S. 203; BGH, NJW 1991, S. 2574. 139 Vgl. etwa Fischer, Komm. StGB, § 266 / Rn. 29; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 31 ff.; Kühl, Komm. StGB, § 266 / Rn. 11; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 73. 140 Die Kritik richtet sich vielmehr gegen die Methodik einer wertenden Gesamtbetrachtung, die ein gewisses Maß an Unsicherheit in der Rechtsanwendung belässt, sowie die Vernachlässigung bestimmter Indizien in der Praxis; vgl. etwa Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 24; Otto, Delikte, § 54 / Rn. 23 f., Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 771 f. 141 Vgl. BGH, NJW 1983, S. 461; BGH, NStZ 1989, S. 72. 142 G. Haas, Untreue, S. 39; Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 23a; Otto, Delikte, § 54 / Rn. 20 f., Schramm, Untreue, S. 38 ff.; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 73 f. 143 Die Geschäftsbesorgung im Sinne des § 675 BGB wird gemeinhin definiert als selbständige, eigene Überlegung erfordernde Tätigkeit wirtschaftlicher Art im Interesse des Geschäftsherrn, die – an und für sich seine eigene Sorge – eigentlich ihm selbst obläge, aber von dem anderen ihm abgenommen wird; vgl. BGHZ 56, 204 (207); Sprau, in: Palandt, Komm. BGB, § 675 / Rn. 2 ff. 144 Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 23a; Samson / Günther, in: SK-StGB, § 266 / Rn. 27; vgl. auch Kindhäuser, in: FS Lampe 2003, S. 718; Schramm, Untreue, S. 42.

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§ 4 Die strafrechtliche Verantwortung wegen Organuntreue gemäß § 266 StGB

2. Der Vermögensfürsorgecharakter der Aufsichtsratsfunktion Mit Hilfe dieser Abgrenzungskriterien lässt sich nun veranschaulichen, wodurch sich die Organbeziehung der Aufsichtsratsmitglieder von einem einfachen Schuldrechtsverhältnis (eines Arbeitnehmers146) mit der Gesellschaft maßgeblich unterscheidet und in den Rang einer untreuerelevanten Sonderpflichtenstellung hebt. Entscheidend ist danach einmal, dass der Aufsichtsrat seine Organfunktion fremdnützig typisiert ausschließlich im Interesse des Unternehmens wahrzunehmen hat147. Mit der obersten Handlungsmaxime, das Unternehmensziel eines angemessenen Gewinns und einer nachhaltigen Rentabilität zu verfolgen und Schaden von der Gesellschaft abzuwenden148, stellt sich für seine Mitglieder überdies die Vermögensfürsorge als Hauptgegenstand ihrer facettenreichen Überwachungsaufgabe dar. Soweit dem Aufsichtsrat dabei selbst unternehmerische Geschäftsführungsentscheidungen möglich sind149, verfügt er zweifellos auch über die charakteristische Bewegungsfreiheit mit dem geforderten Entscheidungsspielraum150. Im Rahmen der rein kognitiven Kontrolltätigkeit151 verbleibt den Aufsichtsratsmitgliedern hingegen keine echte Entscheidungswahlfreiheit152 im Innenverhältnis, allenfalls bei der Auswahl ihrer Einwirkungsmittel gegenüber dem Vorstand. Gleichwohl steht das Gremium auch in diesem Handlungsbereich in einem qualifizierten Treueverhältnis zum Gesellschaftsvermögen. Denn mit Blick auf den Unrechtskern der Untreue stehen die Typusmerkmale „Selbständigkeit“ bzw. „Verantwortlichkeit“ letztlich nur als Attribute für die pflichterzeugende Vermögensherrschaft des Treunehmers153. Weite Entscheidungsspielräume des Verpflichteten verleihen der maßgeblichen Herrschaftsposition zwar eine besonders intensive Ausprägung. Konstituens einer Dispositionsmacht sind sie jedoch ebenso wenig, wie die „Dauer der Tätigkeit“ oder die „Größe des Vermögens“154. Die begrenzte Freiheit und Ei145 Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 85, der zudem die von Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 23a, insoweit geforderte Pflicht des Garanten zur Vermögensmehrung mit Recht als zu weitgehend ablehnt, da die tatbestandliche Vermögensschädigung auch im Rahmen von Treueverhältnissen erfolgen kann, die allein auf die Bewahrung des status quo gerichtet sind. 146 Vgl. BGHSt 4, 170; 5, 187 (Arbeitsverhältnis begründet allgemein noch keine Treuepflichten). 147 Siehe § 2, B., III., 3. 148 Siehe § 2, B., III., 3. und V., 1. 149 Siehe § 2, B., III., 3., b). 150 Dies verkennt Dierlamm, StraFo 2005, S. 399. 151 Siehe § 2, B., III., 3., a). 152 Hübner, in: LK-StGB10, § 266 / Rn. 32, erachtet diese Wahlfreiheit gerade als zwingende Voraussetzung der „Selbständigkeit“ des Fürsorgepflichtigen. 153 Siehe oben A., V., 2.; sowie Saliger, Parteiengesetz, S. 25; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 20; vgl. auch BGHSt 41, 224 (229). 154 Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 35; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 85, 87.

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genverantwortung im Innenverhältnis, eine vermögenswirksame Geschäftsführungsmaßnahme im Rahmen des Prüfungsmaßstabes entweder zu billigen oder aber zu beanstanden und zu verhindern, vermittelt den Aufsichtsratsmitgliedern auch in diesem Zusammenhang zumindest eine relative Selbständigkeit155, in der sich die ihnen anvertraute Entscheidungsmacht über das Vermögen der Gesellschaft und damit ihre pflichtbegründende Obhutsherrschaft widerspiegelt156. Die Aufgabe der Vermögensfürsorge durchzieht somit sämtliche Tätigkeitsbereiche des Aufsichtsrats.

II. Maßgaben zur Bestimmung der tatbestandsmäßigen Vermögensfürsorgepflicht Die Frage ist nunmehr, in welchen strafbewehrten Pflichten sich dieser Aufgabenkreis der Vermögensfürsorge für die Gremiumsmitglieder im Einzelnen manifestiert. Diese weitere Feinjustierung des tatbestandsspezifischen Unrechts spielt gerade im Bereich der Organuntreue eine zentrale Rolle und ist deshalb vorab auf eine allgemein tragfähige, und vor allem verfassungsrechtlich belastbare Subsumtionsgrundlage zu stellen157. 155 Zum relativen Sinngehalt des Merkmals „Selbständigkeit“ siehe auch Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 53 ff.; Schramm, Untreue, S. 40; BGHSt 41, 224 (229), der exemplarisch auf bedeutsame Vermögensmanagementaufgaben mit exakt gebundener Marschrichtung verweist. 156 So bereits oben § 3, D., II.; im Ergebnis übereinstimmend Fischer, Komm. StGB, § 266 / Rn. 36; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 60; Lüderssen, in: FS Lampe 2003, S. 729 f.; Nelles, Untreue, S. 554 f.; Otto, in: Großkomm. AktG, Vor § 399 / Rn. 24; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 81; Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 114 mit Fn. 14; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 / Rn. 27; Schramm, Untreue, S. 133; Seier, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, V 2 / Rn. 212 ff.; Tiedemann, in: FS Tröndle 1989, S. 322. 157 Im Ergebnis soll hier dahinstehen, ob es sich dabei um ein Problem der restriktiven Auslegung der Untreuehandlung (so die wohl h. M., grundlegend Burkhardt, NJW 1973, S. 2190; Fischer, Komm. StGB, § 266 / Rn. 40; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 61 f.) bzw. des völligen Fehlens einer Tathandlung (Sax, JZ 1977, S. 703 Fn. 29) oder aber bereits um eine Frage der Täterkonstitution (dahingehend wohl BGHSt 17, 360 (361 f.), BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 21, S. 1 f.; vgl. auch Saliger, Parteiengesetz, S. 30, Fn. 57) handelt. Da die Tathandlung des Treubruchs nicht näher bezeichnet wird, besteht insoweit generell die Möglichkeit einer Verschmelzung der Voraussetzungen von täterschaftskonstituierender Vermögensfürsorgepflicht und Pflichtverletzung (siehe dazu Saliger, ZStW 112 (2000), S. 610 f.). Um im Anschluss die Tauglichkeit der einzelnen primärrechtlichen Pflichten des Aufsichtsrats zur Begründung einer Untreuetäterschaft sinnvoll untersuchen zu können, werden die Einschränkungen für die Zwecke dieser Arbeit im Zusammenhang bei der Definition der tatbestandsmäßigen Pflichten erörtert. Vgl. aber auch den alternativen Ansatz von Nelles, Untreue, S. 531 ff., die das Kriterium der „Geschäftsbesorgung“ sogleich zur Konkretisierung der Tathandlung heranzieht und daher dieser weiteren Unrechtsspezifizierung nicht mehr bedarf.

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§ 4 Die strafrechtliche Verantwortung wegen Organuntreue gemäß § 266 StGB

1. Spezifischer Zusammenhang der strafbewehrten Pflicht mit dem Aufgabenkreis der Vermögensfürsorge Maßgebliche Restriktionen für die Konturierung des Pflichtenkreises ergeben sich zunächst vor allem aus dem tatbestandlich normierten Unrecht: a) Abgrenzung der qualifizierten Vermögensfürsorgepflicht von sonstigen Rechtspflichten gegenüber dem Vermögensinhaber Da der Wortlaut des § 266 StGB die Formen der Pflichtverletzung für den Treubruch nicht ausdrücklich vorgibt, schließt er damit zunächst jedenfalls nicht aus158, jede dem Treunehmer obliegende Rechtspflicht gegenüber dem Vermögensinhaber unbesehen auch als untreuerelevante Vermögensfürsorgepflicht tatbestandlich zu erfassen159. Mit Blick auf den herausgeschälten Unrechtskern und den Strafgrund des § 266 StGB ist eine solch extensive Auslegung indessen nicht weiter haltbar. Wenn das spezifische Handlungsunrecht der Untreue im zweckwidrigen Gebrauch einer anvertrauten Herrschaftsposition über fremdes Vermögen besteht160, dann muss zwischen der strafbewehrten Vermögensfürsorgepflicht(-verletzung) und dieser Machtstellung des Täters folgerichtig ein konkreter Zusammenhang bestehen161. Denn nur unter dieser Voraussetzung realisiert sich gegenüber dem Opfer das besondere Gefährdungspotential des Untreuetäters, das aus der Übertragung vermögensspezifischer Entscheidungsmacht „von innen heraus“ erwächst162. Gründet die strafrechtliche Verantwortung in der Herrschaftsstellung, so ist eine untreuerelevante Pflichtverletzung auch nur in den Grenzen dieses Herrschaftsbereichs möglich, zumal der qualifizierte Begriff der Vermögensfürsorgepflicht überdies eine Sanktionierung jeglicher vermögensschädigender Vertragsverletzungen gerade verhindern soll163. Entsprechend erkennt auch die Rechtsprechung inZur Indifferenz des Wortlauts zuletzt auch Saliger, Parteiengesetz, S. 32. In diese Richtung deuten etwa die Bemerkungen von G. Wolf, KJ 2000, S. 548, wonach „der selbständige, nach seinem eigenen Ermessen handelnde, zur umfassenden Sorge für fremdes Vermögen handelnde Täter“ seine Pflichten verletzt, „wenn er den Vermögensinhaber schädigt – auf welche Weise auch immer“. Ähnlich wertet im Bereich der Haushaltsuntreue eine Mindermeinung jeden Verstoß eines Hoheitsträgers gegen Haushaltsrecht, sei es formell durch Verletzung von Zuständigkeits-, Kompetenz- oder Verfahrensvorschriften oder materiell in Gestalt aufgabenwidriger Ausgaben, als untreueerheblich; vgl. z. B. Bittmann, NStZ 1998, S. 497. 160 Siehe oben A., V., 2. 161 So auch die h. M.; vgl. u. a. Fischer, Komm. StGB, § 266 / Rn. 38; Kindhäuser, in: NKStGB, § 266 / Rn. 62; Kühl, Komm. StGB, § 266 / Rn. 15; Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 23; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 89; Tiedemann, in: FS Tröndle 1989, S. 327; Zieschang, in: Park, Komm. Kapitalmarkt-Strafrecht, § 266 StGB / Rn. 26. 162 So auch Saliger, Parteiengesetz, S. 32. 163 Ein Treunehmer wäre ansonsten ohne Grund höheren Strafbarkeitsrisiken ausgesetzt als jede normale Vertragspartei; vgl. Saliger, Parteiengesetz, S. 32. 158 159

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zwischen an, dass eine rechtliche Beziehung, die sich gemeinhin als Vermögensfürsorgeverhältnis darstellt, auch Verpflichtungen des Treunehmers enthalten kann, die nicht in den Kreis der durch § 266 StGB geschützten, fremdnützigen Pflichten fällt164.

b) Qualifizierte Voraussetzungen einer Vermögensfürsorgepflicht Fraglich ist nun wiederum, nach welchen Kriterien dieser erforderliche Zusammenhang zwischen anvertrauter Vermögensherrschaft und konkreter Einzelpflicht (-verletzung) zu bestimmen ist. Maßgeblich für die Strafwürdigkeit und das Strafbedürfnis einer untreuerelevanten Vermögensfürsorgepflicht sind im Ergebnis zwei, indes strittige Kriterien:

aa) Zweckgerichteter Schutz des betreuten Vermögens Umstritten ist zunächst, ob der untreuerelevante Pflichtenkreis ausschließlich auf Verhaltensnormen zu beschränken ist, die unmittelbar dem Schutz des betreuten Vermögens dienen. Verstärkte Aufmerksamkeit wurde dieser Frage bisher in erster Linie im Zusammenhang mit Fällen der sog. Bankuntreue (Untreue durch Kreditvergabe) sowie in jüngster Vergangenheit auch im Rahmen der Diskussion einer „Parteiuntreue“165 zuteil. Denn weder die für die Rechtmäßigkeit einer Kreditvergabe maßgeblichen Vorschriften des KWG166 noch die einschlägigen Bestimmungen des PartG167 weisen diese besagte Vermögensschutzrichtung auf. Eine Bedeutung kommt dieser Frage gleichwohl bei jedem Verstoß eines Treunehmers gegen Normen zu, die nicht zielgerichtet das Vermögen des Treugebers schützen, mit Blick auf die Situation der Aufsichtsratsmitglieder etwa bei der Verletzung von Gläubigerschutzbestimmungen oder aber bei der Missachtung rein formaler Ordnungsregelungen. Ein beachtlicher Teil der Autoren in der Literatur168 sieht sich zu dieser Differenzierung nach dem Schutzzweck der verletzten Pflicht indes nicht veranlasst und 164 Vgl. u. a. BGH, NStZ 1986, S. 361 f.; BGH, wistra 2001, S. 304 (305); OLG Hamm, NJW 1973, S. 1809 (1810 f.). 165 Auslöser war das Ermittlungsverfahren gegen Bundeskanzler a. D. Helmut Kohl, siehe dazu den Beschluss des LG Bonn, NJW 2001, S. 1736 ff. 166 Schutzgut des KWG ist primär das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Banken und nur reflektorisch das Einlegervermögen, vgl. u. a. Laskos, Strafbarkeit, S. 34 ff.; Martin, Bankuntreue, S. 141 ff. 167 Das PartG schützt nur das Interesse der Öffentlichkeit an der Transparenz und Integrität politischer Entscheidungen; vgl. u. a. Seier, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, V 2 / Rn. 190; Velten, NJW 2000, S. 2853; anders Saliger, Parteiengesetz, S. 209 ff. 168 So zur „Bankuntreue“: Kohlmann, Verantwortlichkeit, Rn. 324, 339, 346, 349; Müller / Wabnitz / Janovsky, Wirtschaftskriminalität, S. 94 ff.; Nack, in: Müller-Gugenberger / Bieneck,

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§ 4 Die strafrechtliche Verantwortung wegen Organuntreue gemäß § 266 StGB

führt das Strafbedürfnis einer tatbestandsrelevanten Pflichtwidrigkeit insoweit unbesehen auf die bewirkte Vermögensschädigung des Treugebers zurück169. Im Einklang mit der im Schrifttum im Vordringen begriffenen Meinung170 ist jedoch eine Identität der Schutzrichtung zwischen der Untreuevorschrift und der strafbewehrten Vermögensfürsorgepflicht vorauszusetzen. Diese Einschränkung leitet sich letztlich aus einem Rekurs auf die gemeinhin im Rahmen der objektiven Zurechnung – in erster Linie für die Fahrlässigkeitsdelikte – behandelten und anerkannten Haftungsbegrenzungen ab. Da die inhaltliche Ausarbeitung dieser Regeln im Besonderen Teil generell und bei den Vermögensdelikten im Speziellen aber einen noch weitgehend weißen Fleck auf der dogmatischen Landkarte des Strafrechts bildet171, sollen die Gründe für dieses ungeschriebene Höhenmaß im Bereich des § 266 StGB nachfolgend vertieft werden. Für die Untreuestrafbarkeit legt vor allem die spezifische Tatbestandsarchitektur des § 266 StGB eine solche Restriktion nahe. So betont bereits die gesetzliche Formulierung „[ . . . ] und dadurch [ . . . ] Nachteil zufügt“172 die Notwendigkeit eines über die bloße Kausalität hinausgehenden, besonderen Zurechnungszusammenhanges zwischen Fürsorgepflichtverletzung und Vermögensschaden, wie er aus der Fahrlässigkeitsdogmatik als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal bekannt Wirtschaftsstrafrecht, § 66 / Rn. 79 ff.; zur „Parteiuntreue“: Saliger, Parteiengesetz, S. 50 f.; Schwind, NStZ 2001, S. 352 f. Für eine Untreuerelevanz von Satzungsregelungen, die ausschließlich dem fairen Sport dienten, im Rahmen des sog. Bundesligaskandals ferner auch die Rechtsprechung des BGH, NJW 1975, S. 1234 f.; Bringewat, JZ 1977, S. 670; Schreiber / Beulke, JuS 1977, S. 658; instruktiv Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 98. 169 Diese „Verschleifung“ von Tathandlung und Taterfolg (Saliger, ZStW 112 (2000), S. 610 f.; Matt, NJW 2005, S. 390) ist bereits strukturell bedenklich und widerstrebt vor allem den notwendigen Bemühungen um eine schärfere Konturierung des Tatbestandes. Ebenso wenig wie jede Pflichtverletzung einen zurechenbaren Schaden nach sich zieht, ist der Rückschluss in umgekehrter Richtung zwingend; siehe Hohn, wistra 2006, S. 162; Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 658 f. Erhält das Tatbestandmerkmal der „Pflichtwidrigkeit“ faktisch keine eigenständige Bedeutung mehr, besteht die Gefahr, dass die Untreue letztlich in eine allgemeine „Misserfolgshaftung“ umgedeutet wird, die insbesondere der Sozialadäquanz wirtschaftlich vernünftiger Wagnisse mit der immanenten Gefahr eines Misserfolges nicht gerecht werden würde (darauf verweist mit Recht auch Rose, wistra 2005, S. 285; vgl. auch unten C., II., 1.). 170 Ayasse, Untreue, S. 16, 65; Brammsen, DB 1989, S. 1613; Günther, in: FS Weber 2004, S. 316 f.; Hillenkamp, NStZ 1981, S. 166 mit Fn. 56; Knauer, NStZ 2002, S. 401 f.; Kubiciel, NStZ 2005, S. 360; Laskos, Strafbarkeit, S. 82; Martin, Bankuntreue, S. 140 ff.; Otto, RuP 2000, S. 110; Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 114; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 / Rn. 134; Seier, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, V 2 / Rn. 188; Taschke, in: FS Lüderssen 2002, S. 670; Thomas, in: FS Riess 2002, S. 805; Velten, NJW 2000, S. 2853; Volhard, in: FS Lüderssen 2002, S. 678; Waßmer, Untreue, S. 54; vgl. auch Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 672 f., der es indes für ausreichend erachtet, wenn der erstrebte Drittschutz der Norm über den Vermögensschutz des Betreuten gewährleistet werden soll; im Grundsatz ausdrücklich anerkennend neuerdings auch Schünemann, NStZ 2006, S. 198 f. 171 So zuletzt Schünemann, NStZ 2005, S. 476 m. w. N. 172 Dieser Wortlaut entspricht den Fahrlässigkeitstatbeständen der §§ 222, 229 StGB („Wer durch [ . . . ]“).

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ist173. Darüber hinaus gleicht die (freilich vorsätzlich begangene) Vermögensfürsorgepflichtverletzung im Rahmen der Untreue dem Sorgfaltspflichtverstoß beim Fahrlässigkeitsdelikt auch strukturell. So wie dem Fahrlässigkeitstäter nachzuweisen ist, dass er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt missachtet hat, muss gegen den Untreuetäter der Nachweis geführt werden, dass er den Verhaltensregeln seines Geschäftsherrn nicht gerecht geworden ist. So wie sich bei der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit der Sorgfaltsstandard nach der konkreten Lage und der sozialen Rolle des Handelnden, insbesondere nach seiner Berufsklasse sowie dem Verkehrskreis seiner Tätigkeit bestimmt174, werden die Verhaltensregeln des Treunehmers entscheidend von seinem jeweiligen Aufgabenkreis geprägt175. Das Überschreiten der Verhaltensregeln im Innenverhältnis zum Treugeber ist deshalb letztlich nichts anderes als eine (vorsätzliche) Sorgfaltspflichtverletzung 176. Folgerichtig legt es die deliktsspezifische Verwandtschaft mit der Fahrlässigkeitstat nahe, die dort allgemein anerkannten Haftungsbegrenzungen in Gestalt des sog. Pflichtwidrigkeitszusammenhangs177 sowie des sog. Schutzzweckzusammenhangs auch bei der Untreue entsprechend heranzuziehen178. Der Schutzzweckzusammenhang soll gemeinhin sicherstellen, dass allein die Verletzung solcher Pflichten eine strafrechtliche Verantwortung begründet, deren Sinn und Zweck darin besteht, den tatbestandlichen Erfolg zu verhindern179. Der Täter muss danach gegen eine Verhaltens- und Sorgfaltsnorm verstoßen haben, die gerade (auch) dem Schutz des tatbestandlich geschützten Rechtsguts dient. Da die Untreue als Rechtsgut weder die Dispositionsfreiheit des Treugebers noch Drittinteressen, sondern ausschließlich das fremder Hand anvertraute Vermögen schützt180, muss folgerichtig auch die untreueerhebliche Einzelpflicht genuin zum Schutz des betreuten Vermögens aufgestellt sein. Verletzen die Mitglieder des Aufsichtsrats deshalb Normen, die ausschließlich dem Schutz der Aktionäre oder sonstiger Dritter, der Öffentlichkeit oder den Interessen des Staates dienen, und setzen sie die Gesellschaft auf diese Weise der Gefahr vermögensgefährdenSiehe dazu bereits oben § 3, C., II., 1., b) und c) m. w. N. Vgl. BGHSt 7, 307; 20, 315, 321; Jescheck / Weigend, AT, § 55 I 2b; Wessels / Beulke, AT, Rn. 669. 175 Vgl. etwa BGH, wistra 1988, S. 305; Kühl, Komm. StGB, § 266 / Rn. 6 m. w. N. 176 Siehe zu dieser Strukturverwandtschaft auch Martin, Bankuntreue, S. 134 f., Seier, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, V 2 / Rn. 112, 186. 177 Der Pflichtwidrigkeitszusammenhang hat als reines Zurechungsinstitut keine Auswirkung auf die tatbestandlich relevante Pflichtenkonstitution und soll deshalb an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden; siehe zu den Voraussetzungen im Einzelnen bereits oben § 3, C., II., 1., b). 178 Nach teilweise vertretener Ansicht beanspruchen diese Zurechnungsvoraussetzungen sogar generell bei Vorsatzdelikten Geltung; siehe u. a. Lenckner / Eisele, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, Vor § 13 / Rn. 92; Roxin, AT I, § 11 / Rn. 39 ff., 44; Wessels / Beulke, AT, Rn. 178; ablehnend z. B. Kühl, AT, § 4 / Rn. 38 m. w. N. 179 Siehe dazu bereits oben § 3, C., II., 1., c) m. w. N. 180 Siehe oben A., III. 173 174

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der181 Regressansprüche aus – etwa durch Betreiben unlauteren Wettbewerbs, durch die Verletzung gewerblicher Schutzrechte oder die Missachtung von Steuer- und Umweltgesetzen –, so vermag jedenfalls der Verstoß gegen diese Pflichten für sich keinen Treubruch zu begründen182. Diese Restriktion des untreuerelevanten Pflichtenkreises widerspricht auch nicht – wie Saliger183 einwendet – dem herausgearbeiteten 184 Strafgrund der Untreue. Denn die maßgebliche interne Vermögensmachtstellung wird nicht schon dann stets zweckwidrig ausgeübt, wenn die Pflichtverletzung in einem funktionalen Zusammenhang mit dieser Machtstellung steht185. Von einem strafbegründenden zweckwidrigen Gebrauch der Vermögensherrschaft kann vielmehr nur bei einer Missachtung von Pflichten gesprochen werden, die diese interne Herrschaftsposition zweckgerichtet gerade aus Gründen des Vermögensschutzes begrenzen. Die Notwendigkeit eines Schutzzweckzusammenhanges unterstreicht auch eine weitere Überlegung: Gemäß § 30 Abs. 1 OWiG kann sowohl bei Straftaten als auch bei Ordnungswidrigkeiten durch die Gesellschaftsorgane eine Geldbuße gegen die Aktiengesellschaft festgesetzt werden. Würden all diese Fälle allein auf Grund der Sanktionsgefahr als untreuerelevantem Vermögensnachteil 186 für die Gesellschaft zugleich einen Untreuevorwurf begründen, so würde nicht nur § 266 StGB als eine Art Universaldelikt jegliche Konturen verlieren187, sondern die verhängte Sanktion würde überdies zu einer zusätzlichen Bestrafung des Täters eben wegen dieser Sanktion führen188. Sprechen daher sachliche Gründe für eine am Schutzzweck orientierte Einengung des tatbestandlichen Pflichtenkreises, so bleibt schließlich die Frage, ob sich aus dieser Restriktion überhaupt kriminalpolitische Auswirkungen für die praktische Anwendung ergeben. Denn nach verbreiteter Auffassung impliziert ein 181 Zu den Voraussetzungen vgl. Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 45. 182 So auch Kubiciel, NStZ 2005, S. 360; widersprüchlich insoweit Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 20, 37, die einerseits den Vorschriften des KWG mangels Vermögensschutzzweckes eine Untreuerelevanz absprechen (Rn. 20), andererseits wiederum den Verstoß gegen drittschützende Normen als untreueerheblich werten (Rn. 37); ebenso OLG Köln, NJW 1966, S. 1374. 183 Saliger, Parteiengesetz, S. 50 f. 184 Siehe oben A., V., 2. 185 So aber Saliger, Parteiengesetz, S. 51. 186 Die Voraussetzungen einer schadensgleichen Vermögensgefährdung ließen sich allenfalls auf der Grundlage eines restriktiven Unmittelbarkeitszusammenhanges zwischen Pflichtverletzung und Nachteil bestreiten; vgl. dazu Saliger, Parteiengesetz, S. 127 ff., 208 m. w. N. 187 Ebenso Seier, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, V 2 / Rn. 189. 188 Ob es sich dabei mit Taschke, in: FS Lüderssen 2002, S. 670, und Volhard, in: FS Lüderssen 2002, S. 678, um eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Strafverschärfung oder um eine unzulässige „Doppelbestrafung“ handelt (dahingehend Otto, RuP 2000, S. 109 f.) sei hier dahingestellt; keine Probleme sehen insoweit dagegen Saliger, Parteiengesetz, S. 207 f.; Schwind, NStZ 2001, S. 352 f.

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Vermögensfürsorgeverhältnis als „Minimalpflicht“ zumindest das allgemeine vermögensspezifische Verbot, den Treugeber zu schädigen189. Wenngleich diese Auslegung in ihrer Generalisierung zu Recht nicht frei von Kritik ist190 – ein allgemeines, ungeschriebenes Schädigungsverbot kennzeichnet noch keine qualifizierte Vermögensfürsorgepflicht, sondern trifft zum Beispiel in einem Unternehmen alle Mitarbeiter –, so findet dieses Verbot der Vermögensschädigung jedenfalls für die Mitglieder des Aufsichtsrats in der besonderen Sorgfaltspflicht der §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG unbestritten auch einen spezifischen Ausdruck191. Dies verleitet Schünemann dazu, dem Kriterium des Schutzzweckzusammenhangs für die Untreue eine haftungsbegrenzende Bedeutung gänzlich abzusprechen, „weil die Pflichtwidrigkeit, wenn es zu einer Schädigung kommt, dann eben subsidiär aus dem impliziten Schädigungsverbot zu entnehmen wäre“192. Ein feiner praktischer Unterschied kann im vorliegenden Kontext jedoch mit Blick auf die subjektive Tatseite entstehen, wenn der Täter zwar bezüglich einer nicht-vermögensschützenden Pflichtverletzung vorsätzlich handeln sollte, das Schädigungsverbot selbst indes nur fahrlässig missachtet193. Ferner lässt sich eine Pflichtverletzung regelmäßig, jedoch beispielsweise nicht in dem Fall aus der Vermögensschädigung ableiten, in dem das Organ im Verhältnis zur Gesellschaft die gesellschaftsrechtliche Kompetenz besitzt, die Weggabe von Vermögenswerten ohne wirtschaftliche Kompensation – etwa zu Spendenzwecken194 – vorzunehmen oder zu genehmigen195. 189 Arzt, in: FS Bruns 1978, S. 375; Laskos, Strafbarkeit, S. 82; Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 36; Rose, wistra 2005, S. 285; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 94; dahingehend auch RGSt 71, 335; 72, 194; BGHSt 20, 144. 190 Kritisch bzw. ablehnend Dierlamm, NStZ 1997, S. 535; ders., in: MK-StGB, § 266 / Rn. 166; Joecks, StGB, § 266 / Rn. 28; Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 673; Saliger, Parteiengesetz, S. 33; Samson / Günther, in: SK-StGB, § 266 / Rn. 28; vgl. auch Burkhardt, NJW 1973, S. 2191. 191 Siehe oben § 3, B., V., 1.; ebenso BGH, ZIP 2006, S. 72 (73) „Mannesmann“; Ignor / Rixen, wistra 2000, S. 449; Tiedemann, in: FS Tröndle 1989, S. 322 f.; näher dazu unten III., 2., d). 192 Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 98. 193 Laskos, Strafbarkeit, S. 82, verdeutlicht dies an dem von Schünemann selbst gewählten Beispiel: Ein Manager leistet unter Missachtung eines aus moralischen Gründen verhängten „Bestechungsverbots“ eine übliche Schmiergeldzahlung an eine für die Prosperität des Unternehmens unbedeutende Person. Maßgeblich für die Untreuestrafbarkeit ist hier nicht die Missachtung des Bestechungsverbots, sondern allein der Verstoß gegen das Schädigungsverbot. Wenn der Manager in diesem Fall aber nur in fahrlässiger Verkennung der Umstände die falsche, unbedeutende Person bestochen hat, hat er gegen das Schädigungsverbot nur fahrlässig verstoßen und kann insofern nicht wegen vorsätzlicher Untreue haftbar gemacht werden. 194 Siehe zum Engagement des Unternehmens als „good corporate citizen“ oben § 2, B., II., 1., b). Die Wirtschaft hat die Abkopplung von dem Dogma der Adäquanz von Leistung und Gegenleistung verbreitet vollzogen. So beinhaltet eine Vielzahl geschäftlicher Maßnahmen zur Förderung der Reputation und Verlässlichkeit des Unternehmens einen Aufwand ohne bezifferbaren Gegenwert. Exemplarisch sei hier auf die rechtsgrundlosen Zahlungen durch die Deutsche Bank AG an die vom Insolvenzfall „Schneider“ betroffenen Handwerker verwiesen; vgl. dazu Thomas, in: FS Riess 2002, S. 802 ff. mit weiteren Beispielen.

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§ 4 Die strafrechtliche Verantwortung wegen Organuntreue gemäß § 266 StGB

Auf eine Abschichtung nach dem Schutzzweck der betrachteten Verhaltensnorm kann deshalb im Einzelfall nicht verzichtet werden. Der für die Anwendungspraxis entscheidende Standpunkt der höchstrichterlichen Rechtsprechung in dieser Frage wurde, in erster Linie im Zusammenhang mit dem Problem einer Untreuestrafbarkeit wegen Verstößen gegen das KWG196, bisweilen widersprüchlich interpretiert197. Mit zwei neueren Entscheidungen zur „Bankuntreue“ hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs jedoch zuletzt eine klare Tendenz der Judikatur aufgezeigt. So hat der Senat ausdrücklich als Voraussetzung der Untreue statuiert, dass der eingetretene Vermögensnachteil gerade auf die Pflichtwidrigkeit zurückzuführen ist, was etwa nicht zutreffe, wenn bei einer Kreditvergabe zwar eine Kompetenzüberschreitung vorliege, die Bonität des Kreditnehmers aber außer Zweifel stehe198. In einem weiteren Urteil wollte der Strafsenat den nicht-vermögensschützenden Bestimmungen des § 18 KWG sodann lediglich „Anhaltspunkte“ für eine untreuerelevante Informations- und Prüfungspflichtverletzung entnehmen, an der es wiederum fehle, wenn eine pflichtwidrig nicht eingeholte Information durch andere gleichwertige Informationen ersetzt wurde199. Dogmatisch legt der 1. Strafsenat dem Untreuetatbestand damit die hier verwendeten Haftungsbegrenzungen des Schutzzweck- und Pflichtwidrigkeitszusammenhanges ebenfalls unverkennbar zu Grunde, lediglich ohne sie explizit beim Namen zu nennen200. Beschränkt man den täterschaftskonstituierenden Pflichtenkreis nicht wie hier geschehen von vorneherein auf genuin vermögensschützende Regeln, so muss die Ausgrenzung bei fehlendem Schutzzweckzusammenhang jedenfalls im Rahmen der objektiven Zurechnung erfolgen.

195

Dies muss auch Schünemann, Organuntreue, S. 24, ders., NStZ 2006, S. 198, eingeste-

hen. BGH, wistra 1985, S. 190 f. Zahlreiche Autoren postulierten, die Rechtsprechung nehme bei einem KWG-Verstoß eine untreuerelevante Pflichtverletzung an und verzichte daher auf eine Schutzzweckidentität (in diesem Sinne u. a. Ayasse, Untreue, S. 16; Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 20; Waßmer, Untreue, S. 55). Laskos, Strafbarkeit, S. 82 ff., widerspricht dieser Einschätzung und geht davon aus, dass die Judikatur in einer Verletzung des KWG nur ein starkes Indiz für eine Pflichtwidrigkeit sieht. 198 BGHSt 46, 30 (34). 199 BGHSt 47, 148 (150, 152). 200 In seiner jüngsten Abgrenzung spricht der 1. Strafsenat insoweit auch von einer untreuerelevanten „Hauptpflicht“, vgl. BGH, Urt. v. 22. 11. 2005 – 1 StR 571 / 04, ZIP 2005, S. 2317 (2319) „Kinowelt“. 196 197

B. Vermögensfürsorgepflichten gegenüber der Aktiengesellschaft

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bb) Funktionaler Zusammenhang mit der Vermögensherrschaft Als Maßstab einer weiteren (bzw. ausschließlichen 201) Eingrenzung findet sich in Rechtsprechung und Literatur sodann häufig der Rechtssatz, dass die untreueerhebliche Pflichtverletzung202 bzw. die Vermögensschädigung203 oder das Tatobjekt204 innerhalb des das Vermögensfürsorgeverhältnis begründenden Pflichtenkreises liegen müsse („inklusiver Zusammenhang“205). Abgesehen von der Selbstverständlichkeit, dass die Verletzbarkeit einer Pflicht nicht weiter reichen kann als die Pflicht selbst206, vermittelt diese Bedingung jedoch keinen eigenständigen Gehalt zur Konturierung des relevanten Pflichtenkreises. Weiter führt hier der in Judikatur und Schrifttum ebenfalls verfolgte Ansatz, demzufolge zwischen dem tatbestandsmäßigen Handeln des Täters und dem Vermögensfürsorgeverhältnis ein innerer Zusammenhang bestehen muss207. Dieser Maßstab weist insofern den richtigen Weg, als er die Pflichtenbestimmung in restriktiver Bemühung an die qualifizierten, für das allgemeine Vermögensfürsorgeverhältnis aufgestellten Kriterien zu binden versucht208. Auf diese Weise gelingt es zwar, „sonstige Herausgabe- und Rückerstattungspflichten“ 209 bzw. „bloße Schuldnerpflichten“210 aus dem untreuerelevanten Pflichtenkreis wirksam auszugrenzen. Soweit diese Lehre darüber hinaus aber von einer „Unablöslichkeit der Organeigenschaft“ ausgeht und entsprechend für den vorliegenden Kontext ein Handeln „als“ Organ nicht zur notwendigen Grundlage des „inneren“ Zusammenhangs macht211, kann diese Lehre nicht überzeugen.

201 So die Stimmen, die eine Restriktion auf vermögensschützende Pflichten ablehnen, vgl. die Nachweise in Fn. 168. 202 BGH, NJW 1988, S. 2485; BGH, NJW 1992, S. 251; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 62; Kühl, Komm. StGB, § 266 / Rn. 15; Zieschang, in: Park, Komm. KapitalmarktStrafrecht, § 266 StGB / Rn. 26. 203 OLG Hamm, NJW 1973, S. 1810 f.; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT I, § 45 / Rn. 36. 204 Samson / Günther, in: SK-StGB, § 266 / Rn. 40. 205 So die Bezeichnung von Saliger, Parteiengesetz, S. 33. 206 Hübner, in: LK-StGB10, § 266 / Rn. 81. 207 BGH, NJW 1992, S. 250 (251); Fischer, Komm. StGB, § 266 / Rn. 38; Kühl, Komm. StGB, § 266 / Rn. 15; Seier, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, V 2 / Rn. 155. Die Abgrenzung soll sich insoweit nach „Inhalt und Umfang der Treuabrede, wie sie sich aus den Vertragsvereinbarungen und deren Auslegung nach Treu und Glauben ergibt“, bestimmen; vgl. BGH, NJW 1991, S. 1069; BGH, StV 1995, S. 303. 208 Saliger, Parteiengesetz, S. 34. 209 BGH, NJW 1991, S. 1069; BGH, StV 1995, S. 303. 210 OLG Stuttgart, NJW 1973, S. 1385 (1386). 211 So RGSt 48, 35; 26, 136 (137); 58, 391 (392); für Organe von Aktiengesellschaften RGSt 36, 69; BGHSt 17, 360 (361 f.); zur Unteilbarkeit der Aufsichtsratsverantwortung BGH, NJW 1980, S. 1629 f.; Hübner, in: LK-StGB10, § 266 / Rn. 12 f. m. w. N.; im Übrigen ist auf die historischen Nachweise bei Nelles, Untreue, S. 66 f. in Fn. 103, zu verweisen.

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§ 4 Die strafrechtliche Verantwortung wegen Organuntreue gemäß § 266 StGB

Die Vermögensfürsorgepflichten füllen genau genommen die Aufgabe des Treunehmers zur Vermögensfürsorge mit konkreten Inhalten und Verhaltensgeboten. Folgerichtig muss auch stets ein funktionaler Zusammenhang der tatbestandsrelevanten Einzelpflicht(-verletzung) mit dem Aufgabenkreis der Vermögensfürsorge gegeben sein212. Mit Blick auf die verantwortungsbegründende Herrschaftsposition muss sich die Pflichtverletzung als spezifische Ausübung der eingeräumten Vermögensmacht darstellen bzw. von ihr wesentlich mitgeprägt sein213. Die Mitglieder des Aufsichtsrats dürfen die in Frage stehende Einzelpflicht daher nicht nur „bei Gelegenheit“ der Vermögensfürsorge missachten, sondern müssen sie vielmehr in ihrer Funktion und ihrem Amt als Vermögensbetreuer verletzen214. Da die Aufgabe der Vermögensfürsorge, wie gezeigt, sämtliche Tätigkeitsbereiche des Aufsichtsrats durchzieht, wird ein solcher funktionaler Zusammenhang mit der Vermögensherrschaft regelmäßig vorliegen, wenn die Pflichtverletzung gerade unter Einsetzung und Ausnutzung der spezifischen tatsächlichen und rechtlichen Wirkungs- und Zugriffsmöglichkeiten erfolgt, die den Mitgliedern aus ihrer Aufgabe und Stellung als Gesellschaftsorgan erwachsen und die insofern ihr besonderes Gefährdungspotential als Treunehmer verkörpern215. Die Tatsache, dass auch andere, nicht in einem Vermögensfürsorgeverhältnis zur Gesellschaft stehende Personen im Einzelfall in der Lage gewesen wären, die Tat in gleicher Form zu begehen, lässt diesen qualifizierten Zusammenhang nicht entfallen216. Rechtsverstöße des Täters außerhalb seines vermögensfürsorgerischen Aufgabenbereichs werden hingegen selbst dann nicht mehr vom Untreuetatbestand erfasst, wenn ihm seine interne Machtposition die Tat durch Umgehung der für andere bestehenden Hindernisse ermöglicht oder erleichtert hat217. Denn dieses Fehlverhalten stellt keine 212 Dahingehend auch Eisele, GA 2001, S. 388; Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 23; Mitsch, BT / 2 Tb.1, § 8 / Rn. 46; Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 114; Saliger, Parteiengesetz, S. 35; so im Ergebnis nun auch die Rechtssprechung, vgl. BGH, ZIP 2006, S. 72 (81 f.) „Mannesmann“. 213 Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 90. Die Machtstellung muss deshalb im Tatzeitpunkt auch noch vorliegen; siehe dazu Mitsch, BT / 2 Tb.1, § 8 / Rn. 32; BGH, NJW 1993, S. 1278. 214 Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 36; Mitsch, BT / 2 Tb.1, § 8 / Rn. 46; Nelles, Untreue, S. 555 f.; Saliger, Parteiengesetz, S. 36; Samson / Günther, in: SK-StGB, § 266 / Rn. 40; Zwiehoff, FS Eisenhardt 2007, S. 582 f. Der funktionale Bezug impliziert zugleich, dass die Verantwortung an die faktische Übernahme der Organfunktion anknüpft, unabhängig von der rechtlichen Wirksamkeit der Bestellung; vgl. Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 37; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 63. 215 Diese Abgrenzung entspricht der bereits entwickelten funktionalen Eingrenzung der Vorstandstätigkeit „als“ Geschäftsleitungsorgan, sowie der in der Literatur vorgenommenen Konkretisierung des „Handelns als Organ“ im Rahmen des § 14 Abs. 1 StGB; siehe dazu oben § 3, C., III., 4. m. w. N. 216 BGHSt 17, 360 (361 f.); pointiert Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 90: „Der Griff in die Kasse des Geschäftsherrn sieht sich eben anders an, je nachdem, wer ihn tut“; Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 36; anders hingegen OLG Köln, JMBlNRW 58, S. 208 (209). 217 So aber Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 36.

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pflichtwidrige Ausübung vermögensspezifischer Obhutsherrschaft dar und ist damit nicht mehr Ausdruck des sanktionierten Untreueunrechts218. Ein Aufsichtsratsmitglied, das beispielsweise ein Firmenfahrzeug vorsätzlich in ein Halteverbot stellt, weil Bußgeld und Abschleppkosten das Unternehmen als Halter treffen, macht sich demnach ebenso wenig einer Untreue schuldig, wie wenn es nachts im Stile eines gewöhnlichen Einbrechers in ein Unternehmensgebäude eindringt und Eigentum der Gesellschaft entwendet. Mit weitaus größerer Relevanz für die Praxis ergibt sich aus dieser Maßgabe aber vor allem die Aufgabe einer sehr genauen Abgrenzung der genuinen aktienrechtlichen Organpflichten der Aufsichtsratsmitglieder von bloßen Organnebenpflichten außerhalb der eigentlichen Organfunktion219.

2. Zivilrechtsakzessorietät und verfassungsrechtliche Bestimmtheitsanforderungen Inhalt und Umfang der strafrechtlichen Vermögensfürsorgepflicht sind nach der Tatbestandsstruktur der Untreue stets den primärrechtlichen Regeln des Fürsorgeverhältnisses zu entnehmen. Da sich die hier einschlägigen Vorschriften des Gesellschaftsrechts zahlreicher unbestimmter Rechtsbegriffe bedienen (vgl. zum Beispiel die „Angemessenheit“ der Vorstandsbezüge in § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG, das Handeln zum „Wohl der Gesellschaft“ in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG), Ermessenspielräume belassen220 oder gemeinhin auf die Maßfigur eines „ordentlichen und gewissenhaften Überwachers“ (§§ 116, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG) verweisen, stellt sich die Frage, ob und inwieweit diese primärrechtlichen Maßstäbe mit Blick auf das rechtsstaatliche Gebot straftatbestandlicher Bestimmtheit nach Art. 103 Abs. 2 GG eine strafrechtliche Pflicht instituieren können. Denn die Implementierung dieser Normen im Untreuetatbestand birgt die Gefahr, dass mit den unbestimmten Konturen des Aktienrechts zugleich die Grenzen des Straftatbestandes (weiter) verschwimmen221. Aus diesem Grund hat Lüderssen222 jüngst die Sanktionierung außerstrafrechtlicher Verhaltensgebote, deren Anwendungsgehalt in Rechtsprechung 218 Zutreffend Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 89; ebenso Kindhäuser, in: NKStGB, § 266 / Rn. 62; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT I, § 45 / Rn. 36; Tiedemann, in: FS Tröndle 1989, S. 325. 219 Diese Unterscheidung treffen auch Seier, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, V 2 / Rn. 214; Tiedemann, in: FS Tröndle 1989, S. 327. Die von Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 114, vorgeschlagene Orientierung an Pflichten, „die typischerweise nur der Treunehmer verletzen kann“, ermöglicht hingegen keine präzise Abschichtung des primärrechtlichen Pflichtenkatalogs. 220 Siehe dazu oben, § 2, B., III., 3. 221 Das Reichsgericht ging sogar so weit, bei der Prüfung einer Vergütungsregelung im Hinblick auf eine genossenschaftsrechtliche Untreue auch das Sittengesetz zur Normausfüllung heranzuziehen; vgl. RGSt 69, 203 (207). 222 Lüderssen, in: FS Eser 2005, S. 177 ff.

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§ 4 Die strafrechtliche Verantwortung wegen Organuntreue gemäß § 266 StGB

und Literatur (noch) nicht „exakt“ geklärt ist, durch das Strafrecht entschieden abgelehnt und exemplarisch der durch den „Mannesmann“-Prozess zuletzt stark in die Diskussion geratenen Vergütungsregelung des § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG eine Untreuerelevanz abgesprochen, weil ihre Unrechtsgravur den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen nicht genüge. In diesem Zusammenhang muss jedoch sehr genau differenziert werden. Das Bundesverfassungsgericht begrenzt das Bestimmtheitsgebot grundsätzlich auf die Strafnorm selbst und dehnt es unmittelbar nur auf außerstrafrechtliche Begriffe und Rechtssätze aus, die zur Ausfüllung eines echten strafrechtlichen Blanketts bestimmt sind223. Gleichwohl betont es für die Verweisung des § 283 Abs. 1 Nr. 7 StGB auf das Handelsrecht aber auch, dass die primärrechtliche Norm durch die strafrechtliche Bezugnahme den „Charakter einer Strafnorm“ erlange und „unter strafrechtlichen Gesichtspunkten und nach den Maßstäben zu würdigen [sei], die für die Auslegung von Strafgesetzen gelten“224. Für die vorliegende Untersuchung schließt die Unbestimmtheit aktienrechtlicher Verhaltensregeln eine strafrechtliche Bezugnahme daher nicht von vorneherein aus. Zur Wahrung der verfassungsrechtlichen Garantiefunktion des Strafgesetzes sind im Umfang der Verweisung allerdings stets die Maximen einer im Verhältnis zum Zivilrecht engeren Auslegung des Strafrechts zu beachten. Denn die isolierte Auslegung primärrechtlicher Ausfüllungsnormen erfolgt oftmals unter Gesichtspunkten, die für die Schutzfunktion des Strafrechts irrelevant sind oder deren Missachtung sich noch nicht als strafwürdig darstellt225. Das gebietet im Folgenden daher insbesondere die Nichtübernahme zivilrechtlich zulässiger Analogien zu Ungunsten des Täters sowie die Restriktion unbestimmter Gesetzesbegriffe auf einen relativ bestimmten Kern, der das strafbare Verhalten für den Normadressaten erkennbar werden lässt, so dass sich dieser zumindest seines Strafbarkeitsrisikos bewusst werden kann226. Die wirtschaftsrechtlichen Normen können insofern je nach Anwendung auf primärrechtlicher oder sekundärrechtlicher Ebene durchaus einen unterschiedlich weiten Pflichtinhalt erlangen (sog. Normambivalenz oder Normspaltung227).

223 BVerfGE 78, S. 205 ff.; so u. a. auch Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, Komm. GG, Art. 103 II / Rn. 199 f.; zur Verfassungsrechtsprechung eingehend Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 101 ff. 224 BVerfGE 48, S. 60 f. 225 Siehe zu den Divergenzen zwischen zivilrechtlichem Pflichtbegriff und strafrechtlichen Prinzipien bereits oben § 3, C., III., 5., c), bb), (1). 226 Vgl. BVerfGE 92, S. 1 (12) zu § 240 StGB (Sitzstreik als Gewalt?); 87, 209 (224); Kubiciel, NStZ 2005, S. 354; Mosiek, wistra 2003, S. 373; Otto, in: Großkomm. AktG, Vor § 399 / Rn. 113; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 114 ff.; ders., in: FS Weber 2004, S. 322. 227 Siehe dazu Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 111.

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III. Extraktion der einzelnen Vermögensfürsorgepflichten der Aufsichtsratsmitglieder Ist die Subsumtion damit in ihren allgemeinen Voraussetzungen vorbereitet, gilt es nunmehr konkret zu untersuchen, welche tatbestandsmäßigen Vermögensfürsorgepflichten sich für die Mitglieder des Aufsichtsrats auf dieser Grundlage extrahieren lassen. Als Quellen einer untreuerelevanten Pflicht kommen neben dem Gesetz im Einzelfall auch die Satzung der Gesellschaft – vor allem im Hinblick auf den normierten Gesellschaftszweck (vgl. § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG) –, die Geschäftsordnung des Gremiums, individuelle Vereinbarungen im Anstellungsvertrag sowie ein einzelfallbezogenes Geschäftsbesorgungsverhältnis außerhalb der originären Organtätigkeit228 in Betracht229. Im Folgenden soll der Fokus jedoch auf die Vorschriften des Aktienrechts gerichtet werden, die das Organverhältnis mit Gültigkeit für alle Aktiengesellschaften regeln. Aus den Bestimmungen, die die Mitglieder des Aufsichtsrats bei der Wahrnehmung ihrer Organfunktion zu beachten haben, lassen sich zwei unterschiedliche Arten von Pflichten ableiten230: Vorschriften, die in erster Linie Verfahrens-, Kompetenz- und Organisationsregeln positivieren, begründen für den Aufsichtsrat auf der einen Seite formelle Pflichten. Rechtsnormen, die in ihrem Kern auf den Inhalt der Organtätigkeit im Allgemeinen oder auf eine vom Aufsichtsrat zu treffende Entscheidung oder Maßnahme im Speziellen Bezug nehmen, statuieren dahingegen materielle Pflichten für die Gremiumsmitglieder.

1. Formelle Pflichten des Aktienrechts Der Katalog formeller Pflichten im Aktiengesetz weist zwar uneingeschränkt den notwendigen funktionalen Zusammenhang zur Organfunktion des Aufsichtsrats auf, teilt sich im Hinblick auf die überdies erforderliche Vermögensschutzrichtung sodann aber in zwei Gruppen, nämlich in Pflichten ohne und in Pflichten mit vermögensspezifischer Schutzrichtung:

Siehe dazu die konkrete Fallkonstellation unten C., IV., 5. Vgl. Kühl, Komm. StGB, § 266 / Rn. 20b; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 / Rn. 25 ff.; Seier, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, V 2 / Rn. 117. 230 Siehe zu einer jeweils ähnlichen Differenzierung Laskos, Strafbarkeit, S. 69 f.; Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 114 f.; Waßmer, Untreue, S. 147 f. 228 229

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a) Pflichten ohne vermögensspezifische Schutzrichtung aa) § 105 AktG: Unvereinbarkeit der Zugehörigkeit zum Vorstand und zum Aufsichtsrat Die Bestimmung des § 105 Abs. 1 AktG regelt die Inkompatibilität von Vorstands- und Aufsichtsratsmandat und soll damit in erster Linie als Organisationsnorm die Funktionstrennung des dualistischen Systems personell absichern231. Die Regelung ist nach ihrem Sinngehalt im öffentlichen Interesse erlassen und unterliegt insoweit der Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG zum Schutz der Gläubiger und künftiger Aktionäre232. § 105 Abs. 2 AktG will zwar im Grunde eine kontinuierliche Vorstandsarbeit im Interesse der Gesellschaft ermöglichen. Die mit der Befristung einhergehende Organisationspflicht zur Neubesetzung eines Vorstandsamtes ist jedoch ebenfalls Ausdruck der im öffentlichen Interesse verbindlichen Unternehmensverfassung233. Die formellen Pflichten des § 105 AktG bestehen insofern jeweils nicht gezielt zum Schutz des Gesellschaftsvermögens und begründen für den Aufsichtsrat damit mangels der geforderten Schutzzweckkonnexität keine unmittelbar strafbewehrten Vermögensfürsorgepflichten.

bb) § 107 Abs. 3 AktG: Beschränkung der Aufgabendelegation an Ausschüsse Die Begrenzung der Delegationsbefugnis des Gesamtorgans wurde ursprünglich mit einer größeren Entscheidungsqualität sowie der höheren Richtigkeitsgewähr von Plenumsentscheidungen begründet234. Auf den ersten Blick scheint diese Befassungspflicht des Gesamtorgans damit auch das (Vermögens-)Interesse der Gesellschaft zu fördern. Nach dem aktuellen Stand der Corporate GovernanceDebatte ist an einer erhöhten Richtigkeitsgewähr durch eine Entscheidung des Plenums indes zu zweifeln235. So hat sich international im Gesellschaftsrecht die Ansicht durchgesetzt, dass kleinere Gremien besser arbeiten und deshalb umgekehrt gerade eine Ausschussbildung die Effektivität der Aufsichtsratsarbeit steigert236. Vor diesem Hintergrund kann der Bestimmung des § 107 Abs. 3 AktG kein genuin 231 Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 105 / Rn. 6, 8; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 105 / Rn. 2. 232 Vgl. RGZ 48, 40 (47); Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 105 / Rn. 12; Hüffer, Komm. AktG, § 23 / Rn. 34, 36. 233 Vgl. Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 105 / Rn. 9, 11. 234 Vgl. Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 107 / Rn. 4; Krieger, Personalentscheidungen, S. 65 ff. m. w. N. 235 So hat die „Biedenkopf“-Kommission festgestellt, dass in Ausschüssen häufig kontrovers diskutiert wird, während dies im Plenum nur selten vorkommt; vgl. Bericht der Mitbestimmungskommission, BT-Drucks. 6 / 334, S. 39. 236 Siehe Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 107 / Rn. 4, § 95 / Rn. 32 m. w. N.

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vermögensschützender Charakter zugeschrieben werden. Ihr Regelungsgehalt erschöpft sich vielmehr in der Sicherung gleicher Rechte und Pflichten aller Aufsichtsratsmitglieder als Ausdruck ihrer Gesamtverantwortung237 und konkretisiert daher nicht die untreuerelevante Pflicht der Vermögensfürsorge.

cc) § 108 Abs. 1 AktG: Gebot ausdrücklicher Beschlussfassung Die Pflicht zur Willensbildung in Form einer ausdrücklichen Beschlussfassung des Gremiums oder der Ausschüsse dient ausschließlich der Rechtsklarheit und Sicherheit im Rechtsverkehr238. Das formale Gebot hat auf den Inhalt der betreffenden Aufsichtsratsentscheidungen keinen Einfluss und vermag insofern keinen besonderen Vermögensschutz zu entfalten.

dd) § 110 Abs. 1 AktG: Einberufungspflicht des Aufsichtsratsvorsitzenden Die Pflicht des Vorsitzenden zur Einberufung des Aufsichtsrats auf Verlangen dient dem öffentlichen Interesse an der Sicherstellung der Kontrollrechte des einzelnen Organmitglieds sowie dem Minderheitenschutz, sowohl auf Anteilseignervertreter- als auch auf Arbeitnehmervertreterseite239. Sie lässt daher eine vermögensspezifische Schutzrichtung ebenfalls vermissen.

ee) § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG: Verbot der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat Das Verbot der Geschäftsführung grenzt die Organfunktion des Aufsichtsrats von der Leitungsfunktion des Vorstands ab. Auch diese Kompetenzregel ist wiederum ausschließlich im öffentlichen Interesse als Ausdruck der gesetzgeberischen Entscheidung für eine duale Verwaltungsstruktur in der Aktiengesellschaft erlassen240 und hat insofern keinen spezifisch vermögensschützenden Charakter.

237 Vgl. Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 107 / Rn. 4; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 22. 238 Siehe Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 151; BGHZ 10, 187 (194); Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 107 / Rn. 1, 6, 20; Hüffer, Komm. AktG, § 108 / Rn. 1. 239 Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 110 / Rn. 3 m. w. N. 240 Die Wahrnehmung von Geschäftsführungsangelegenheiten durch den Aufsichtsrat wurde allerdings erst durch den Gesetzgeber des § 95 Abs. 5 AktG 1937 als mit dem Führerprinzip unvereinbar gehalten und deshalb verboten; siehe dazu Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 / Rn. 79 ff., 556 ff.

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b) Pflichten mit vermögensrelevanter Schutzrichtung aa) Vermögensbezug der einzelnen Vorschriften (1) § 107 AktG: Innere Ordnung des Aufsichtsrats Die Vorschrift des § 107 AktG enthält für den Aufsichtsrat verschiedene, jeweils verbindlich zu beachtende Ordnungs- und Verfahrensregeln. Die zwingende Wahl eines Aufsichtsratsvorsitzenden nach Abs. 1 dient der Effektivitätssteigerung der Aufsichtsratsarbeit241 und kommt insofern faktisch auch dem (Vermögens-)Interesse der Gesellschaft zu Gute. Die Protokollpflicht nach Abs. 2, die den Aufsichtsrat zur Niederschrift des wesentlichen Verlaufs der Verhandlungen und Beschlüsse anhält, soll ausschließlich Beweiszwecken dienen, um auch noch nach längerer Zeit eine Nachprüfung zu ermöglichen242. Wenngleich dieser Bestimmung mangels konstitutiver Bedeutung für den Inhalt der Beschlüsse (§ 107 Abs. 2 Satz 3 AktG) daher keine echte Warnfunktion zukommt, erhöht sie doch daneben zumindest die Transparenz der Entscheidungsfindung im Gremium und sorgt auf diese Weise, (auch) im Interesse des Unternehmens, für einen positiven Rechtfertigungsund Begründungsdruck der Entscheidungsträger. Dem entspricht es, dass zuletzt auch die strafrechtliche Rechtsprechung einer fehlenden, unternehmensinternen Offenlegung von Entscheidungsvorgängen verstärkt Beachtung bei der Prüfung einer untreueerheblichen Pflichtwidrigkeit schenkt243. Die organinterne Berichtspflicht der Aufsichtsratsausschüsse gegenüber dem Plenum nach Abs. 3 Satz 3 soll schließlich gewährleisten, dass die Effizienz einer Arbeitsteilung durch Ausschussbildung244 nicht durch einen defizitären Informationsfluss wieder zunichte gemacht wird245, und besteht insoweit ebenfalls im (Vermögens-)Interesse der Gesellschaft. (2) § 108 Abs. 2 AktG: Voraussetzung der Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats Mit der Regelung der Beschlussfähigkeit sollten in erster Linie die früher bestehenden Unklarheiten zum mitbestimmten Aufsichtsrat ausgeräumt werden246. Gleichwohl stützt die Pflicht zur Beachtung eines Mindestquorums bei der Beschlussfassung zugleich das Kollegialprinzip, das die Gefahr einer EntscheidungsHopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 107 / Rn. 4. Vgl. Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 148; Hüffer, Komm. AktG, § 107 / Rn. 13. 243 So für die Spendenvergabe durch den Vorstand BGHSt 47, 187 (197,199); zustimmend Otto, in: FS Kohlmann 2003, S. 201. Entsprechend für Vergütungsentscheidungen des Aufsichtsrats LG Düsseldorf, ZIP 2004, S. 2044 (2051) „Mannesmann“. 244 Siehe oben a), bb). 245 Vgl. Begr. RegE. TransPuG, BT-Drucks. 14 / 8769, S. 16; Maser / / Bäumker, AG 2005, S. 910. 246 Näher dazu Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 108 / Rn. 3 m. w. N. 241 242

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findung nach dem Unternehmensinteresse widerstrebenden Partikularinteressen reduziert und auf diese Weise einen Beitrag zum Schutz des Gesellschaftsvermögens leisten kann. So hat jüngst zum Beispiel auch die Staatsanwaltschaft im Rahmen des Mannesmann-Verfahrens Verstößen gegen die Vorschriften zur Beschlussfähigkeit in Verbindung mit dem Stimmrechtsverbot analog § 34 BGB247 eine herausragende Bedeutung für die Verletzung der Vermögensfürsorgepflicht zugemessen248. (3) § 109 Abs. 1 AktG: Beschränkung der Teilnahmemöglichkeit organfremder Personen an Sitzungen des Aufsichtsrats Die Möglichkeit der Zulassung von Nichtorganmitgliedern zu Aufsichtsratssitzungen ist durch den Gesetzgeber aus mehreren Gründen begrenzt worden. Die Regelung sichert zunächst die Organisationsverfassung in der Aktiengesellschaft und will verhindern, dass entgegen dem Zweck der Höchstmitgliederzahl nach § 95 AktG Beiräte gebildet werden, die auf die Entscheidungsfindung sachlich Einfluss nehmen können, ohne eine entsprechende Verantwortung zu tragen249. Die verbindliche250 Beschränkung der Teilnahmebefugnis Dritter dient darüber hinaus aber ganz wesentlich auch der Arbeitsfähigkeit und Effektivität des Gremiums, sowie der Erhaltung der Vertraulichkeit seiner Beratungen251. In dieser Hinsicht kann diese Ordnungsvorschrift im Einzelfall auch eine vermögensspezifische Schutzrichtung zu Gunsten der Gesellschaft annehmen, insbesondere wenn vertrauliche Informationen durch unbefugte Sitzungsteilnehmer in vermögensschädigender Weise an die Öffentlichkeit gelangen könnten252. (4) § 110 Abs. 3 AktG: Obligatorische Aufsichtsratssitzungen Die Pflicht der Aufsichtsratsmitglieder, grundsätzlich zwei Sitzungen im Kalenderhalbjahr abzuhalten, sollte in erster Linie gewährleisten, dass die ArbeitnehmerSiehe dazu auch unten § 6, A., II., 2. Ausweislich des von Hüffer , BB 2003 / Beil.7, S. 2 ff., erstatteten Rechtsgutachtens mit Nachweisen auf S. 12 ff. 249 So die amtliche Begründung zu § 93 AktG 1937, in: Klausing, AktG 1937, S. 79, die weiterhin den Normzweck bildet; vgl. Hüffer, Komm. AktG, § 109 / Rn. 1; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 109 / Rn. 7; kritisch Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 109 / Rn. 2. 250 Die Bestimmung statuiert trotz ihrer Formulierung als Soll-Vorschrift eine Rechtspflicht, vgl. Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 109 / Rn. 4 m. w. N. 251 Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 109 / Rn. 5 f.; Lutter, Information, S. 182 f.; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 109 / Rn. 6; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 109 / Rn. 7. 252 Entsprechend sind die Aufsichtsratsmitglieder bei einer Vermögensschädigung gegenüber der Gesellschaft gemäß §§ 116, 93 AktG auch schadensersatzpflichtig; Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 109 / Rn. 8. 247 248

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vertreter in genügendem Umfang an der Arbeit des Aufsichtsrats beteiligt werden253. Im Rahmen der Diskussionen um eine Effektivierung der Aufsichtsratsarbeit hat sich diese Ansicht jedoch gewandelt. Die Begründung zur Neufassung der Vorschrift sieht den Hauptzweck der Mindestsitzungen nunmehr vor allem in einer verbesserten Überwachung des Vorstands254. Durch die Gewährleistung einer regelmäßigen Überwachung liegt diese Ordnungspflicht spezifisch im (Vermögens-)Interesse der Gesellschaft. (5) § 161 Satz 1 AktG: Erklärungspflicht zum Corporate Governance Kodex Die jährlich verbindliche Entsprechenserklärung von Vorstand und Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft über die Befolgung oder Nichtbefolgung der Verhaltensempfehlungen der „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“ zur Unternehmensleitung und -überwachung dient in erster Linie der Information der Kapitalmarktteilnehmer 255. Regelungszweck dieser Erklärungsverpflichtung ist aber auch, den Zielen des Kodex durch die Publizität zu grundsätzlicher Beachtung zu verhelfen256. Mit Blick auf die damit verfolgte Durchsetzung einer verbesserten Qualität der Verwaltung sowie einer nachhaltigen Wertschöpfung257 besteht die Erklärungspflicht letztlich auch im (Vermögens-)Interesse der Gesellschaft. (6) § 171 Abs. 2 AktG: Berichtspflichten des Aufsichtsrats Die einzelnen Pflichten des Aufsichtsrats zur Berichterstattung gegenüber der Hauptversammlung, insbesondere über Art und Umfang der Geschäftsführungsprüfung (Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1), verfolgen im Wesentlichen zwei Zwecke. Zunächst dienen sie vor allem der Information der Öffentlichkeit und der Aktionäre als Grundlage für die alljährliche Entlastung der Verwaltung nach § 120 AktG258. Darüber hinaus übernehmen sie jedoch zugleich eine wichtige Überwachungsfunktion, indem sie den Aufsichtsrat dezidiert zur Rechenschaft über seine Tätigkeit zwingen259. Sie sind damit für die Mitglieder auch Anreiz und Mahnung zu einer Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 110 / Rn. 4. Begr. RegE. KonTraG, BT-Drucks. 13 / 9712, S. 16. 255 Begr. RegE. TransPuG, BT-Drucks. 14 / 8769, S. 22; dazu Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 161 / Rn. 5 ff. 256 Begr. RegE. TransPuG, BT-Drucks. 14 / 8769, S. 21; siehe dazu Kiethe, NZG 2003, S. 559 f. 257 Hüffer, Komm. AktG, § 161 / Rn. 2. 258 Kropff, in: Münchener Komm. AktG, § 171 / Rn. 145; Maser / / Bäumker, AG 2005, S. 908. 259 Vgl. Portisch, Überwachung, S. 185; Maser / / Bäumker, AG 2005, S. 908; zu den vor diesem Hintergrund steigenden inhaltlichen Anforderungen in der Praxis, vgl. zuletzt LG München I, AG 2005, S. 408; LG Berlin v. 13. 12. 2004 – 101 O 124 / 04. 253 254

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sachgerechten, intensiven Überwachung und fördern insoweit zugleich das (Vermögens-)Interesse der Gesellschaft260. (7) §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG: Pflichten des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds zur sorgfältigen Wahrnehmung der Organfunktion Während die bisher genannten aktienrechtlichen Vorschriften formelle Organpflichten des Gesamtaufsichtrats normieren, enthält die allgemeine Pflicht zur sorgfältigen Wahrnehmung der Organfunktion gemäß §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG schließlich auch spezifische Formalgebote für das einzelne Aufsichtsratsmitglied261. Die individuellen Pflichten zur Mitwirkung im Kollegialorgan, zur persönlichen Urteilsbildung sowie vor allem zur Selbstorganisation und -information262 statuieren durchweg formale Verhaltensregeln, die eine effektive Erfüllung der Organfunktion durch den Gesamtaufsichtsrat und damit letztlich wiederum die Wahrung der (Vermögens-)Interessen der Gesellschaft sicherstellen sollen.

bb) Ausschließlich mittelbarer Schutz des Gesellschaftsvermögens durch formelle Pflichten Allein mit der Feststellung einer positiven Schutzrichtung zu Gunsten des Gesellschaftsvermögens ist allerdings noch keine Aussage über die tatsächliche Untreuerelevanz dieser formellen Pflichtenstellungen getroffen. So relativiert sich ihr vermögensschützender Charakter ganz wesentlich mit Blick auf den Vermögensund Nachteilsbegriff des § 266 StGB, dem wie im Rahmen des § 263 StGB letztlich eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde liegt263. Danach wird einerseits deutlich, dass die Einhaltung der formellen Pflichten für sich noch keinen Schutz der Gesellschaft vor wirtschaftlichen Vermögenseinbußen garantiert264. Die Implementierung einer effizienten Arbeitsorganisation (§§ 107 Abs. 1, Abs. 3 Satz 3, 109 Abs. 1, 110 Abs. 3 AktG) zur Überwachung der Geschäftsführung gewährleistet nicht, dass die Mitglieder auf dieser Basis sodann alle vermögensschädigenden Vorstandsgeschäfte kontrollieren und verhindern. Ähnlich kann die Beachtung von Transparenz- oder Publikationsgeboten (§§ 107 Abs. 2, 161 Satz 1, 171 Abs. 2 AktG) ins Leere laufen, wenn sie im Ergebnis nur zur Offenlegung von Vermögensverschwendungen führt. Aber auch das Kollegialprinzip (§ 108 Abs. 2 In diesem Sinne auch Kropff, in: Münchener Komm. AktG, § 171 / Rn. 146. Zur Unterscheidung und Interdependenz von Organ- und Individualpflichten siehe oben § 2, B., V., 1. 262 Siehe im Einzelnen oben § 2, B., V., 1. 263 Vgl. BGHSt 40, 287 (294 ff.); 43, 293 (297); Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 132 ff. m. w. N. 264 Ebenso Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 115; allgemein Waßmer, Untreue, S. 147. 260 261

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AktG) schützt die Gesellschaft nicht davor, dass ein beschlussfähiges Mindestquorum von Mitgliedern gleichwohl zu ihrem Nachteil entscheidet. Andererseits verursacht allein der Verstoß gegen diese formalen Verhaltensgebote wiederum noch keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Vermögensnachteil. Die formale Pflichtverletzung vermag im Einzelfall das Risiko einer materiellen Pflichtwidrigkeit im Vorfeld erhöhen265, wenn zum Beispiel kein ausreichendes Informationswesen und keine effizienten Organisations- und Kommunikationsstrukturen zur sachgerechten Erfüllung der Überwachungsaufgabe geschaffen werden, oder die Beteiligung einer Mindestzahl von (kritischen) Mitgliedern an der Entscheidung nicht gewahrt ist. Entscheidende Ursache der wirtschaftlichen Vermögensschädigung der Gesellschaft ist jedoch stets eine (gleichzeitige) materielle Pflichtwidrigkeit in Gestalt einer inhaltlichen Fehlentscheidung266. Nehmen etwa unbefugte Dritte entgegen der Verfahrensvorschrift des § 109 Abs. 1 AktG an einer Aufsichtsratssitzung teil und gelangen infolgedessen vertrauliche Informationen in vermögensschädigender Weise an die Öffentlichkeit, so ist diese Vermögensschädigung letztlich nicht auf die pflichtwidrige Zulassung zur Sitzungsteilnahme, sondern auf den Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht nach § 116 Satz 2 AktG zurückzuführen267. Leisten die formellen aktienrechtlichen Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder daher mittelbar oder flankierend ohne Zweifel einen nennenswerten Beitrag zum Vermögensschutz der Gesellschaft, so fehlt es im Falle ihrer Verletzung gleichwohl an dem für eine strafbare Untreue erforderlichen spezifischen Zusammenhang zwischen Pflicht(-widrigkeit) und Vermögensnachteil268. Auf welcher Stufe der Haftungsbegrenzung die Untreuestrafbarkeit insoweit ausscheidet, bleibt schlussendlich eine dogmatische Frage. Überzeugender erscheint es wiederum, von vorneherein nur unmittelbar vermögensschützende Normen in den tatbestandsrelevanten Pflichtenkreis aufzunehmen und den formellen Pflichten deshalb bereits generell die erforderliche Qualifikation als untreueerhebliche Vermögensfürsorgepflicht abzusprechen. Ansonsten scheitert eine Strafbarkeit jedenfalls im Rahmen der objektiven Zurechnung an dem überdies notwendigen Pflichtwidrigkeitszusammenhang.

c) Bedeutung formeller Pflichtverstöße für den Untreuetatbestand Die formellen aktienrechtlichen Pflichten der Mitglieder des Aufsichtsrats haben daher infolge des fehlenden Schutzzweckzusammenhanges mit der Aufgabe der Vermögensfürsorge keine Relevanz für den objektiven Tatbestand der Un265 Siehe auch Waßmer, Untreue, S. 147; entgegen Laskos, Strafbarkeit, S. 85, kann der Verstoß gegen formale Vorschriften deshalb durchaus kausal für einen Vermögensnachteil werden. 266 In diesem Sinne auch Laskos, Strafbarkeit, S. 85; Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 115; Waßmer, Untreue, S. 147 f. 267 Siehe zur Verschwiegenheitspflicht eingehend unten 2., c). 268 Siehe dazu oben II., 1., b), aa).

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treue269. Da die Missachtung formaler Vorschriften jedoch zugleich das Risiko einer untreueerheblichen materiellen Pflichtwidrigkeit erhöht, lassen sich derartige Formalverstöße gleichwohl als wertvolle Indizien dafür heranziehen, dass der tatbestandsmäßigen materiellen Vermögensfürsorgepflicht nicht ausreichend Genüge getan wurde. In diesem Sinne hat zuletzt auch der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes den Verstoß gegen das formale Gebot innerbetrieblicher Transparenz im Wege einer Gesamtschau als Anhaltspunkt für eine „Spendenuntreue“ herangezogen270. Einer formellen Pflichtwidrigkeit der Aufsichtsratsmitglieder kann somit im Rahmen der prozessualen Beweisführung durchaus eine tragende Rolle zukommen.

2. Materielle Pflichten des Aktienrechts Die Aufgabe der Vermögensfürsorge des Aufsichtsrats muss deshalb anhand der materiellen Vorgaben des Aktienrechts mit konkreten tatbestandsmäßigen Verhaltensgeboten ausgefüllt werden. Angesprochen sind Pflichten der Gremiumsmitglieder, die zum einen in funktionalem Zusammenhang zu ihrer Amtsführung stehen und die zum anderen einen unmittelbar vermögensschützenden Charakter dadurch besitzen, dass sie den Inhalt eines Aufsichtsratsbeschlusses unter dem Aspekt der Wahrung oder Vermehrung des Gesellschaftsvermögens maßgeblich determinieren. Im Unterschied zu dem relativ ausführlich normierten formellen Pflichtenkatalog finden sich materielle Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder allerdings nur in sehr wenigen Bestimmungen des Aktiengesetzes unmittelbar positiviert. Nach der Gesetzessystematik sind die Verhaltenspflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitglieds im Wesentlichen in der Generalklausel der §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG zusammengefasst, aus der sodann verschiedene Sorgfalts- und Treuepflichten deduziert werden, soweit sie nicht anderweitig für bestimmte Fälle oder Aufgaben tatbestandlich speziell umschrieben sind271. Eine besondere Ausprägung im Gesetz haben insoweit die Pflicht nach § 87 Abs. 1 AktG, für eine Angemessenheit der Vorstandsbezüge zu sorgen, die Überwachungspflicht gemäß § 111 Abs. 1 AktG sowie die Verschwiegenheitspflichten in den §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 3 AktG und § 116 Satz 2 AktG gefunden.

269 Im Ergebnis so auch Dittrich, Untreuestrafbarkeit, S. 196 f.; Hüffer, BB 2003, Beilage 7, S. 29; Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 115; Schramm, Untreue, S. 137; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 122; a. A. Fischer, Komm. StGB, § 266 / Rn. 45. 270 BGHSt 47, 187 (197); zustimmend Wessing, EWiR, § 266 1 / 02, S. 306. Zur Indizwirkung einer Informationspflichtverletzung nach § 18 KWG für eine „Bankuntreue“ siehe BGHSt 47, 148 (150, 152), dazu bereits oben II., 1., b), aa). 271 Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 19; Hüffer, Komm. AktG, § 116 / Rn. 2, § 93 / Rn. 3.

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a) § 87 Abs. 1 AktG: Gewährleistung angemessener Vorstandsbezüge Gemäß § 87 Abs. 1 AktG hat der Aufsichtsrat zunächst dafür zu sorgen, dass die Gesamtbezüge eines Vorstandsmitglieds in einem angemessenen Verhältnis zu seinen Aufgaben und zur Lage der Gesellschaft stehen. Die Vorschrift normiert damit im Grunde für die Personalkompetenz nur die allgemeine Sorgfaltspflicht eines Geschäftsführers, auf Kosten des Geschäftsherrn nicht mehr als die gebotenen Aufwendungen zu tätigen272. Diese Pflicht des Aufsichtsrats soll die Gesellschaft, darüber hinaus auch ihre Aktionäre, Arbeitnehmer und Gläubiger, vor einem „unwirtschaftlichen“ Geschäft in Gestalt einer Leistung schützen, der ganz oder teilweise keine äquivalente Gegenleistung entspricht273. Sie dient damit unmittelbar dem Vermögensschutz der Gesellschaft und konkretisiert auf diese Weise die Aufgabe der Vermögensfürsorge im Bereich der Personalkompetenz des Aufsichtsrats. Rechtlich beschreibt diese Vermögensfürsorgepflicht eine den allgemeinen Vorgaben der §§ 134, 138 BGB vorgelagerte Schranke für das grundsätzliche Ermessen des Aufsichtsrats bei der Festlegung der Anstellungskonditionen (§ 84 AktG)274. b) § 111 Abs. 1 AktG: Pflicht zur Überwachung der Geschäftsleitung § 111 Abs. 1 AktG statuiert für den Aufsichtsrat die abstrakte Pflicht zur Überwachung der Geschäftsführung. Der materielle Gehalt dieser Pflicht erschließt sich wie gezeigt erst durch eine systematische Auslegung der Norm275. Der Gegenstand der Aufgabe umfasst danach in persönlicher und sachlicher Hinsicht die sowohl vergangenheitsbezogene als auch präventive Überwachung der Leitungsfunktion des Vorstands. Der anzulegende Prüfungsmaßstab ist wiederum den Maximen einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG zu entnehmen, während die Prüfungsintensität sich im Lichte der §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG nach der Maßfigur des ordentlichen und gewissenhaften Überwachers und Beraters bestimmt. 272 Dahingehend bereits Ebbecke im Aktienrechtsausschuss, der eine § 87 Abs. 1 AktG entsprechende Normierung ablehnte: „Ich habe das Gefühl, dass diese Formulierung der Bestimmung [ . . . ] uns eigentlich gegenüber dem herrschenden Rechtszustand nicht einen einzigen Schritt weiterbringt. Auch heute schon ist der Aufsichtsrat verpflichtet, die Geschäfte der ihm anvertrauten Firma nach den Grundsätzen eines ordentlichen und ehrbaren Kaufmanns zu führen. Dazu gehört ohne weiteres, dass er auch keine überhöhten Gehälter oder wahnsinnige Tantiemen bewilligt.“; vgl. Schubert / Schmid / Regge, Protokolle, S. 335; ebenso Brauer, NZG 2004, S. 503; Fleischer, DStR 2005, S. 1279; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), S. 156. 273 Adams, in: FS v. Weizsäcker 2003, S. 336; Fleischer, DStR 2005, S. 1279; Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 87 / Rn. 3; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), S. 157; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 87 / Rn. 2; Thüsing, DB 2003, S. 1612; vgl. auch Schubert / Schmid / Regge, Protokolle, S. 223. 274 Vgl. Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 87 / Rn. 3; Hüffer, Komm. AktG, § 87 / Rn. 1. 275 Siehe ausführlich oben § 2, B.

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Der Aufsichtsrat soll im Rahmen seiner Überwachungsfunktion gemeinhin darauf achten, dass der Vorstand alles Erforderliche veranlasst, um das Vermögen der Gesellschaft zu mehren und Schaden von ihr abzuwenden. Am deutlichsten offenbaren dies die damit einhergehenden Pflichten zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit einzelner Geschäftsführungsmaßnahmen. Aber auch das Gebot zur Überwachung der Rechtmäßigkeit des Vorstandshandelns bezweckt gerade keine allgemeine Legalitätskontrolle zur objektiven Sicherstellung von Recht und Gesetz im Unternehmen, sondern dient zielgerichtet und unmittelbar der Vermeidung drohender wirtschaftlicher Nachteile für die Gesellschaft276. Diese spezifischen Überwachungspflichten der Aufsichtsratsmitglieder nach Maßgabe des § 111 Abs. 1 AktG konkretisieren die untreuerelevante Aufgabe der Vermögensfürsorge. Im Rahmen der Kontrolle der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsleitung haben die Aufsichtsratsmitglieder dahingegen über die Einhaltung formaler, kaufmännischer Organisationsregeln durch den Vorstand zu wachen, die dieser gemeinhin im Vorfeld konkret vermögenswirksamer Geschäftsführungsentscheidungen zu befolgen hat. Er trägt auf diese Weise insbesondere die Mitverantwortung277 für ein effektives Risikomanagement im Gesamtunternehmen, das nicht nur für eine Früherkennung bestandsgefährdender Risiken wie Überschuldung oder Illiquidität (§ 91 Abs. 2 AktG) im Sinne einer „Insolvenzprophylaxe“ sorgt278, sondern allgemein und unabhängig von dem jeweiligen Schadenspotential die Erkennung, Einschätzung und Bewältigung bestehender oder künftiger Verlustrisiken gewährleistet279. Obschon diese wichtige präventive Risikosteuerung wie auch andere organisatorische Vorkehrungen, die der Vorstand zu treffen hat, originär dem wirtschaftlichen Wohl der Gesellschaft dienen, bewahren sie das Unternehmen wiederum allein nicht vor einem Vermögensverlust. Die Verletzung dieser formalen Pflichten, insbesondere die unzureichende Implementierung eines Früherkennungssystems im Sinne des § 91 Abs. 2 AktG, vermag das Risiko einer Vermögensschädigung beträchtlich zu erhöhen. Entscheidende Ursache der wirtschaftlichen Vermögensschädigung der Gesellschaft ist jedoch, wie bereits ausgeführt280, stets eine (gleichzeitige) materielle Pflichtwidrigkeit in Gestalt einer inhaltlichen Fehlentscheidung. Vermittelt die formale Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsleitung dem Unternehmen mithin keinen unmittelbaren Schutz vor Vermögenseinbußen, gilt dies folgerichtig auch für die Überwachung ihrer EinSiehe im Einzelnen dazu oben § 2, B., II., 2., a). Auf diese wird er „in einem besonderen Teil des Prüfungsberichts“ durch den Abschlussprüfer (§ 321 Abs. 4 Satz 1 AktG unmissverständlich hingewiesen; vgl. zur Bedeutung dieser Aufgabe Kropff, NZG 2003, S. 346; Preussner, NZG 2004, S. 306 f.; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 3. 278 Drygala / Drygala, ZIP 2000, S. 299. 279 Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 / Rn. 222; Hüffer, Komm. AktG, § 91 / Rn. 9 m. w. N.; Mosiek, wistra 2003, S. 372. 280 Siehe oben 1., b), bb) und c). 276 277

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haltung durch den Aufsichtsrat. Aus diesem Grund begründet die Verantwortung für die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsleitung, auch soweit sie in § 91 Abs. 2 AktG ausdrücklich normiert ist, nach den hier entwickelten Kautelen weder für den Vorstand noch für den Aufsichtsrat eine tatbestandliche Vermögensfürsorgeverpflichtung im Sinne des § 266 StGB281. Die Pflichtwidrigkeit der Aufsichtsratsmitglieder hat insoweit lediglich eine Indizwirkung für die Erfüllung des Untreuetatbestandes 282. c) §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 3 AktG: Pflicht zur Verschwiegenheit Die seit der Änderung des Aktiengesetzes durch das TransPuG von 2002 nunmehr ausdrücklich positivierte Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder ist Ausdruck ihrer allgemeinen organschaftlichen Treueverpflichtung gegenüber den (Vermögens-)Interessen der Gesellschaft283. Sie bezweckt neben der Gewährleistung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit, sowohl zwischen Aufsichtsrat und Vorstand als auch innerhalb des Aufsichtsgremiums284, ganz maßgeblich die Sicherung der für die Gesellschaft wichtigen Informationen vor Dritten und damit nicht zuletzt den Schutz vor einem materiellen Vermögensschaden im Falle ihre Preisgabe oder der Verwertung durch Unbefugte285. Der neben dem Vermögensbezug erforderliche funktionale Zusammenhang mit der Organfunktion besteht insoweit, als die §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 3 AktG die Schweigepflicht ausdrücklich nur auf Angelegenheiten erstrecken, die den Mitgliedern sinngemäß „durch ihre Tätigkeit“ im Aufsichtsrat bekannt geworden sind286. Liegt dieser Zusammenhang vor, so ist es entgegen einer verbreiteten Ansicht im Schrifttum287 nicht zwingend erforderlich, dass die pflichtverletzende Handlung selbst unmittelbar im Rahmen der Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats erfolgt. Denn die 281 A. A. Eidam, Unternehmen und Strafe, S. 149; Mosiek, wistra 2003, S. 374 f.; Preussner / Pananis, BKR 2004, S. 351 f.; Windolph, NStZ 2000, S. 524. 282 Siehe oben 1., c). 283 Siehe oben § 2, B., V., 2. 284 Vgl. Begr. RegE. TransPuG, BT-Drucks. 14 / 8769, S. 18, 24 f.; BGHZ 64, 325 (332); Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 218; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 458. 285 Denn nach allgemeiner Definition ist unter einem „Geheimnis“ i. S. v. § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG nur eine relativ unbekannte Tatsache zu verstehen, deren Weitergabe zu einem Schaden der Gesellschaft führen würde; vgl. Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 6 / Rn. 253 f. 286 Die Kenntnis muss allerdings nicht auf eigenem Handeln beruhen. Es genügt vielmehr, wenn das Aufsichtsratsmitglied sie im Hinblick auf seine Tätigkeit erfahren hat; siehe Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 198; Hüffer, Komm. AktG, § 93 / Rn. 7; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 93 / Rn. 51. 287 So namentlich Dierlamm, StraFo 2005, S. 399; Nelles, Untreue, S. 554, 556; Seier, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, V 2 / Rn. 214; Zech, Untreue, S. 288; ähnlich auch Kühl, Komm. StGB, § 266 / Rn. 15, der die Untreue des Aufsichtrats auf eine „Verletzung gerade der Kontrollpflichten“ beschränken will.

B. Vermögensfürsorgepflichten gegenüber der Aktiengesellschaft

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Preisgabe von Informationen, die der Täter in seiner Eigenschaft als Organmitglied erlangt hat, stellt sich unabhängig von dem jeweiligen Handlungsrahmen als Einsetzung und Ausnutzung der die Tätereigenschaft konstituierenden, spezifischen tatsächlichen und rechtlichen Zugriffsmöglichkeiten dar, die den Mitgliedern aus ihrer Aufgabe und Stellung als Gesellschaftsorgan erwachsen und insofern ihr besonderes Gefährdungspotential als Treunehmer verkörpern288. Aus diesem Grund wirkt das Verschwiegenheitsgebot selbst nach dem Ausscheiden aus dem Amt noch fort und endet erst, wenn der Vorstand stellvertretend deutlich macht, dass ein Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft nicht mehr besteht289. Umstände, die dem Aufsichtsratsmitglied vor der Bestellung oder außerhalb seiner Organtätigkeit bekannt geworden sind, unterliegen dahingegen nach herrschender Lehre im Gesellschaftsrecht nicht dem gesetzlichen Schweigegebot290. Eine Verschwiegenheitspflicht über solche Angelegenheiten kann sich allenfalls aus der allgemeinen Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder ergeben291. Einer Sanktionierung im Rahmen des Untreuetatbestandes könnten gleichwohl systematische Erwägungen entgegen gehalten werden, nachdem der Gesetzgeber Verstöße gegen Verschwiegenheitspflichten in den speziellen Straftatbeständen der § 404 AktG, § 17 UWG, §§ 14 Abs. 1 Nr. 2, 38 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, §§ 203, 204 StGB jeweils ausdrücklich mit einem niedrigeren Strafrahmen belegt292. Eine Sperrwirkung gegenüber dem schärferen Straftatbestand des § 266 StGB lässt sich diesen Vorschriften dennoch nicht entnehmen. Dafür unterscheiden sich bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen zu wesentlich. Der strafrechtliche Schutz durch die besonderen Sanktionsnormen ist einmal insoweit enger, als diese materiell nur Geheimnisse erfassen, und nicht auch vertrauliche Informationen im Sinne der §§ 93 Abs. 1 Satz 3, 116 Satz 2 AktG einschließen293. Vor allem setzen die Sonderstraftatbestände aber nicht voraus, dass die Tathandlung zu einem Schaden der Gesellschaft, insbesondere zu einem Vermögensnachteil, geführt hat. Sie normieren im Gegensatz zur Untreue nur abstrakte Gefährdungsdelikte294. Bei einer durch die Pflichtwidrigkeit vorsätzlich herbeigeführten Vermögensschädigung der GeSiehe oben II., 1., b), bb). Vgl. OLG Koblenz 1987, S. 480 (481); Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 277; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 6 / Rn. 279 m. w. N.; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 204. Hier zeigt sich, dass die strafrechtliche Herrschaftsposition nicht von der formalen Organstellung abhängt. 290 Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 93 / Rn. 51; anders Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 229. 291 Siehe dazu unten d), bb). 292 Siehe die Kritik von Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 637; ähnlich auch die Überlegung von Mosiek, wistra 2003, S. 374, dort in Fn. 66. 293 Nach der herrschenden Lehre können Informationen auch dann vertraulich sein, wenn sie kein Geheimnis darstellen. Der Schutz der Vertraulichkeit geht daher weiter; siehe dazu Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 229; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 6 / Rn. 258; Otto, in: Großkomm. AktG, § 404 / Rn. 21. 294 Otto, in: Großkomm. AktG, § 404 / Rn. 21. 288 289

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§ 4 Die strafrechtliche Verantwortung wegen Organuntreue gemäß § 266 StGB

sellschaft stehen diese Sonderstraftatbestände deshalb vielmehr in Idealkonkurrenz zum Erfolgsdelikt der Untreue295. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der zuletzt durch das TransPuG den Strafrahmen des § 404 AktG für die Verletzung der Geheimhaltungspflicht bei börsennotierten Gesellschaften gezielt verschärfen wollte, um die Abschreckungswirkung speziell für Aufsichtsratsmitglieder zu erhöhen296. Bedenkt man, dass diese Intention im Rahmen des § 404 AktG auf Grund des verbleibenden Antragserfordernisses in Abs. 3 faktisch jedoch leer läuft297 – welcher Vorstand erstattet schon Strafanzeige gegen ein ihn überwachendes Aufsichtsratsmitglied –, so vermag letztlich nur die zusätzliche Strafandrohung durch § 266 StGB den kriminalpolitisch erwünschten Zweck zu erfüllen. Die gesetzlich positivierte Pflicht zur Verschwiegenheit ist deshalb im Ergebnis in den Rang einer untreueerheblichen Vermögensfürsorgepflicht der Aufsichtsratsmitglieder zu heben298. In ihrem sachlichen Umfang zwingt diese Vermögensfürsorgepflicht die Aufsichtsratsmitglieder zur Verschwiegenheit über alle vertraulichen Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft. Als vertrauliche Angaben werden gemeinhin Tatsachen bezeichnet, deren Weitergabe für die Gesellschaft nachteilig sein kann, wenngleich sie nicht (mehr) unbedingt ein Geheimnis sind299. Geheimnisse der Gesellschaft sind hingegen Tatsachen, die nicht allgemein bekannt sind und nach dem aus dem Unternehmensinteresse ableitbaren, mutmaßlichen Willen der Gesellschaft auch nicht offenkundig werden sollen, weil ihre Preisgabe zu einem Schaden führen würde300. Danach sind die Aufsichtsratsmitglieder insbesondere zur Geheimhaltung der betriebswirtschaftlichen Kenndaten, der Unternehmensplanung, der Absatzstrategie, der Kundendaten, der (Des-)Investitionsplanung sowie der Interna und Erfindungen aus Forschung und Produktentwicklung gehalten301.

295 Geilen, in: Kölner Komm. AktG, § 404 / Rn. 90; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 86; im Ergebnis wohl auch Ch. Jäger, JZ 2003, S. 1051 f. 296 Begr. RegE. TransPuG, BT-Drucks. 14 / 8769, S. 24 f.; dahingehend bereits die Forderung der Regierungskommission „Corporate Governance“, vgl. Baums, Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 67. 297 Siehe die berechtigte Kritik bei Hüffer, Komm. AktG, § 116 / Rn. 6a; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 459. 298 So im Ergebnis auch Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 85; andeutend Erker / Freund, GmbHR 2001, S. 466; ablehnend wie gezeigt Nelles, Untreue, S. 556; Seier, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, V 2 / Rn. 214; Tiedemann, in: FS Tröndle 1989, S. 334. 299 Hüffer, Komm. AktG, § 93 / Rn. 7; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 6 / Rn. 258. Die jüngste Hervorhebung „vertraulicher Berichte“ und „vertraulicher Beratungen“ in § 116 Satz 2 AktG hat insoweit lediglich einen beispielhaften Charakter und dient der Verdeutlichung für die Normadressaten, vgl. Begr. RegE. TransPuG, BT-Drucks. 14 / 8769, S. 18. 300 Hüffer, Komm. AktG, § 93 / Rn. 7; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 6 / Rn. 253 ff.; vgl. auch BGHZ 64, 325 (329). 301 Zu weiteren Beispielen siehe Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 248 ff.; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 6 / Rn. 263 ff.; v. Stebut, Geheimnisschutz, S. 39 ff., 53 ff.

B. Vermögensfürsorgepflichten gegenüber der Aktiengesellschaft

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d) §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG: Allgemeine Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitglieds Die Maßfigur eines ordentlichen und gewissenhaften Überwachers und Beraters statuiert für die Aufsichtsratsmitglieder, wie gezeigt, sowohl Sorgfalts- als auch Treuepflichten, die im Hinblick auf ihre Relevanz für den Untreuetatbestand getrennt zu behandeln sind.

aa) Pflicht zur sorgfältigen Wahrnehmung der organschaftlichen Pflichten Die sorgfältige Wahrnehmung der Organfunktion verpflichtet die Mitglieder des Aufsichtsrats (wie auch die des Vorstands) stets zur Befolgung der allgemeinen Verhaltensmaximen für unternehmerisches Handeln302: Danach haben sie als Verwaltungsorgan einmal den durch die Anteilseigner in der Satzung festgelegten Gegenstand des Unternehmens (vgl. § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG) und die sich hieraus ergebenden Grenzen für ihre Verwaltungstätigkeit zu beachten. Darüber hinaus unterliegen sie vor allem aber auch dem vermögensspezifischen Unternehmensziel und regelmäßigen Unternehmensinteresse der Gewinnerzielung, das eine langfristige Rentabilität zur Bestandserhaltung sicherstellen soll und damit als oberste handlungsleitende Maxime die Organtätigkeit unter dem untreueerheblichen Gesichtspunkt der Wahrung und Vermehrung des Gesellschaftsvermögens maßgeblich determiniert. Als messbare Größe bezeichnet die Erwirtschaftung eines angemessenen bilanzrechtlichen Gewinns, der nicht nur eine substantielle Kapitalerhaltung, sondern auch die Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals mit dem landesüblichen Zinssatz und einer sachgerechten Risikoprämie garantiert, den für diese grundlegende Vermögensfürsorgepflicht anzulegenden Sorgfaltsmaßstab. Soweit mit einem Aufsichtsratsmitglied ein separater Beratungsvertrag geschlossen wurde303, richtet sich die Verantwortlichkeit indessen nicht nach dieser organschaftlichen Sorgfaltspflicht, sondern grundsätzlich nach den vertraglichen Vereinbarungen, da der zulässige Beratungsgegenstand jenseits der organschaftlichen Aufgaben liegt304.

bb) Allgemeine Treuepflichten Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht normiert für die Gremiumsmitglieder ein umfassendes Loyalitätsgebot305 und ist folgerichtig in diesem Rahmen auch 302 303 304 305

Siehe oben § 2, B., II., 1. und III., 3. Siehe dazu oben § 2, B., IV., 2. a. E. Vgl. Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 68. Siehe dazu im Einzelnen oben § 2, B., V., 2.

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§ 4 Die strafrechtliche Verantwortung wegen Organuntreue gemäß § 266 StGB

Richtschnur für den Inhalt sowie ganz wesentlich für die Grenzen einer entsprechenden strafrechtlichen Vermögensfürsorgeverpflichtung. Da es sich bei dem Aufsichtsratsmandat nach dem gesetzlichen Leitbild regelmäßig „nur“ um eine Nebentätigkeit handelt und überdies durch die Zulassung von Mehrfachmandaten (§ 110 Abs. 2 AktG) Rollenkonflikte und Interessenkollisionen mit konkurrierenden Belangen vorgezeichnet sind, hat die Treuepflicht (und damit inzidenter auch die Vermögensfürsorgepflicht) der Aufsichtsratsmitglieder einen anderen Inhalt als die des Vorstands306. So sieht das Aktienrecht beispielsweise für Aufsichtsratsmitglieder kein Wettbewerbsverbot vor (vgl. §§ 88, 105 Abs. 2 Satz 4 AktG)307. Grundsätzlich unterscheidet sich der konkrete Pflichtinhalt je nachdem, ob es um ein Verhalten bei der Wahrnehmung des Mandats und das Gebrauchmachen von diesem Mandat geht, oder aber um das allgemeine Verhältnis zur Gesellschaft jenseits der Organfunktion. (1) Aktive Treuepflicht Eine aktive Treuepflicht308 trifft die Gremiumsmitglieder nur bei Ausübung ihrer Aufsichtsratsfunktion. Das damit verbundene Gebot zur unbedingten Wahrung und Förderung des Unternehmensinteresses impliziert indes keine über die bereits genannte Sorgfaltspflicht hinausgehende, materielle Vermögensfürsorgepflicht für den Untreuetatbestand. (2) Passive Treuepflicht: Ausnutzungsverbot und Willkürverbot Von Interesse sind deshalb vielmehr die passiven Treuepflichten der Aufsichtsratsmitglieder außerhalb der unmittelbaren organschaftlichen Tätigkeit. Für diesen Pflichtenkreis gilt es wiederum sehr genau zu begründen, inwieweit er in dem für die Untreue gebotenen funktionalen Zusammenhang zur eingeräumten Vermögensherrschaftsposition des Aufsichtsrats steht. Wie bereits gezeigt muss der Pflichteninhalt dafür aber nicht unmittelbar ein Handeln im Rahmen der Überwachungsfunktion normieren309. Außerhalb der Organtätigkeit sind die Gremiumsmitglieder grundsätzlich berechtigt, persönliche Interessen zu fördern sowie einer eigenen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Ihre passive Treuepflicht beschränkt sich in diesem Bereich zunächst auf das Verbot, vertrauliche oder geheime Unternehmensinformationen, die sie auf 306 Hüffer, Komm. AktG, § 116 / Rn. 4; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 170. 307 Vgl. Wirth, ZGR 2005, S. 343 ff., mit Blick auf das Urteil des OLG Schleswig, ZIP 2004, S. 1143 f. 308 In Anlehnung an die begriffliche Differenzierung von Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 170. 309 Siehe zur Verschwiegenheitspflicht als Sonderform der allgemeinen Treuepflicht oben c).

B. Vermögensfürsorgepflichten gegenüber der Aktiengesellschaft

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Grund ihrer organschaftlichen Informationsrechte erlangen konnten, außerhalb der Organtätigkeit zum (Vermögens-)Nachteil der Gesellschaft zu nutzen310. In diesem Umfang weist die Treuepflicht den identischen funktionalen Zusammenhang zur Herrschaftsposition der Aufsichtsratsmitglieder auf wie die gesetzliche Schweigepflicht311. Sie konkretisiert die Aufgabe der Vermögensfürsorge nur dahingehend weiter, dass sie nicht nur die Preisgabe des überlegenen Wissens, sondern darüber hinaus auch seine wirtschaftliche Verwertung untersagt312. Im Ausnahmefall kann sich die passive Treuepflicht indessen auch auf Angelegenheiten beziehen, die den Aufsichtsratsmitgliedern ohne jeden Zusammenhang mit der Amtstätigkeit zur Kenntnis gelangt sind. Diese außerdienstlich erlangten Informationen dürfen sie sodann ebenfalls nicht offenbaren oder verwerten, wenn das Wohl der Gesellschaft dies erfordern sollte313. In diesem Umfang fehlt es allerdings an dem für die Untreue notwendigen funktionalen Zusammenhang der Pflicht mit dem Aufgabenkreis der Vermögensfürsorge. Der Kenntniserwerb beruht hier nicht auf den besonderen tatsächlichen und rechtlichen Zugriffsmöglichkeiten, die den Mitgliedern gerade aus ihrer Herrschaftsposition als Gesellschaftsorgan erwachsen. Es handelt sich insoweit um eine bloße Organnebenpflicht, deren Verletzung sich nicht als spezifische Ausübung der eingeräumten Vermögensmacht darstellt und die insofern das Gesellschaftsvermögen nicht genuin vor dem untreuespezifischen Gefährdungspotential der Aufsichtsratsmitglieder als Treunehmer schützt. Die Vermögensfürsorgepflicht der Aufsichtsratsmitglieder besteht damit außerhalb ihrer unmittelbaren Organtätigkeit gemeinhin in einem Ausnutzungsverbot und einem Willkürverbot. Das Ausnutzungsverbot untersagt den einzelnen Mitgliedern, (vertrauliche) Kenntnisse, die sie auf Grund ihrer Organstellung erworben haben, auszunutzen, um sich oder Dritten zum Nachteil der Gesellschaft wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen314. Das Willkürverbot verbietet dem Aufsichtsratsmitglied eine (Vermögens-)Schädigung der Gesellschaft auch dann, wenn es weder einen eigenen noch einen fremden Vorteil bezweckt315. Im Einzelnen darf das Aufsichtsratsmitglied danach zum Beispiel privat keine Geschäftschancen wahrnehmen, an denen auch die Gesellschaft interessiert ist, wenn es von der Siehe oben § 2, B., V., 2. Siehe zur Begründung oben c). 312 Die unbefugte Verwertung von Geheimnissen ist nach § 404 Abs. 2 Satz 2 AktG ebenfalls gesondert unter Strafe gestellt. Zur insoweit bestehenden Idealkonkurrenz mit der Untreuestrafbarkeit gelten die zur Schweigepflicht angestellten Überlegungen entsprechend; vgl. oben c). 313 Marsch-Barner, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 12 / Rn. 2; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 93 / Rn. 76; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 202; v. Stebut, Geheimnisschutz, S. 63, Fn. 22. 314 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 10 / Rn. 753; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 183. 315 Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 183. 310 311

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Chance nur durch sein Mandat erfahren konnte und hat316. Bei Vertragsschlüssen mit der eigenen Gesellschaft (vgl. §§ 113 ff. AktG) ist es den Aufsichtsratsmitgliedern nicht verwehrt, ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen zu verfolgen und möglichst günstige, wenngleich nicht objektiv unvertretbare Vertragsbedingungen auszuhandeln317. Das Aufsichtsratsmitglied darf bei den Verhandlungen seine organspezifische Herrschaftsposition jedoch nicht ungebührlich zur Geltung bringen, indem es auf den Vorstand einwirkt und diesen zu einem Geschäft drängt, das es auf Grund seines Amtes sogleich rügen müsste (vgl. § 117 AktG)318. Diese Grenze ist dann erreicht, wenn es den Vorstand zu einem Geschäftsabschluss bewegt, der bei objektiver Betrachtung einen absehbar nicht mehr vom Unternehmensinteresse gedeckten wirtschaftlichen Nachteil für die Gesellschaft bedeutet319.

3. Zwischenergebnis Resümierend lässt sich festhalten, dass nicht alle gesellschaftsrechtlichen Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder im Rahmen des objektiven Untreuetatbestandes mit einer strafbewehrten Vermögensfürsorgepflicht korrespondieren. Ausschließlich die materiellen Ge- und Verbote des Aktienrechts vermögen zugleich eine strafrechtsrelevante Pflichtposition im Rahmen des § 266 StGB zu begründen. Die Verletzung rein formaler Bestimmungen kann hingegen im Rahmen der prozessualen Beweisführung als Indiz für die Feststellung der materiellen Pflichtwidrigkeit Bedeutung erlangen. Maßgebliche Vermögensfürsorgepflichten normieren der Grundsatz der Angemessenheit nach § 87 Abs. 1 AktG im Rahmen der Personalkompetenz, § 111 Abs. 1 AktG im Hinblick auf Inhalt und Umfang der Überwachung, die Verschwiegenheitspflicht nach §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 3, 116, Satz 2 AktG, die gemäß §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG zu beachtenden Verhaltensmaximen für unternehmerisches Handeln sowie das Ausnutzungs- und Willkürverbot als Ausdruck der allgemeinen Treuepflicht.

316 Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 184. Als Vermögensnachteil im Rahmen des § 266 StGB ist auch die pflichtwidrig unterlassene Vermögensmehrung anerkannt, vgl. Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 776 m. w. N. 317 Die Konditionen können „at arm’s length“, also innerhalb des Marktspreads vereinbart werden, vgl. Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 182; ähnlich Fleck, in: FS Heinsius 1991, S. 93: „im Rahmen des kaufmännisch Üblichen“. 318 BGH, NJW 1980, S. 1628 f.; Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 185; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 10 / Rn. 753 f.; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 185; Ulmer, NJW 1980, S. 1603 ff., 1607. 319 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 10 / Rn. 754.

C. Verletzung der Vermögensfürsorgepflicht durch die Aufsichtsratsmitglieder

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C. Verletzung der Vermögensfürsorgepflicht durch die Aufsichtsratsmitglieder Mindestens ebenso wichtig wie die Abschichtung der aktienrechtlichen Primärpflichten nach ihrer Relevanz für den Untreuetatbestand ist die nunmehr bestehende Aufgabe einer hinreichend bestimmten Konturierung der in § 266 StGB vorausgesetzten strafrechtlichen Pflichtwidrigkeit. Notwendige Bedingung einer Untreuestrafbarkeit ist stets ein entsprechender Rechts- bzw. Pflichtenverstoß auf der Ebene des Primärrechts. Was den Aufsichtsratsmitgliedern gesellschaftsrechtlich erlaubt ist, darf nicht als Vermögensfürsorgepflichtverletzung auf der Sekundärebene des Strafrechts inkriminiert werden320. Insofern ist es vorliegend unabdingbar, in einem ersten Schritt zunächst die aktienrechtlichen Voraussetzungen einer Pflichtverletzung präzise zu analysieren (I.). Erst auf dieser Grundlage lässt sich das strafrechtliche Handlungsunrecht für den Fall eines Verstoßes gegen das Aktienrecht allgemein konturieren (II. und III.) und in den praktisch relevanten Fallkonstellationen einer strafbewehrten Vermögensfürsorgepflichtverletzung durch den Aufsichtsrat inhaltlich präzisieren (IV.).

I. Präjudizielle Voraussetzungen der Pflichtwidrigkeit nach Maßgabe des Aktienrechts Die Frage eines Verstoßes gegen die aktienrechtlich konkretisierten Vermögensfürsorgepflichten beurteilt sich grundsätzlich individuell nach den im Pflichtentatbestand jeweils formulierten und bereits aufgezeigten materiellen Vorgaben. Mit Wirkung zum 01. 11. 2005 wurde allerdings im Rahmen der Aktienrechtsreform durch das UMAG321 erstmals ein allgemeiner Haftungsfreiraum für die Verwaltungsorganmitglieder in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG n. F. primärrechtlich kodifiziert. Danach liegt eine aktienrechtliche Pflichtverletzung nicht vor, wenn das Vorstands- bzw. sinngemäß das Aufsichtsratsmitglied „bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“. Mit Blick auf das Postulat von der Einheit der Rechtsordnung bedarf es nachfolgend der dringlichen Prüfung, inwieweit diese Gesetzesänderung (auch) für die materiellen Vermögensfürsorgepflichten Geltung beansprucht und den Aufsichtsratsmitgliedern damit nun ausdrücklich einen „sicheren Hafen“ im Rahmen des sekundären Untreuestraftatbestandes gewährt.

Siehe oben § 2, A., II. Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22. 09. 2005, BGBl. I, 2802. 320 321

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1. Kodifizierung der Business Judgment Rule in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG n.F. a) Dogmatische Grundlagen Mit der Rezeption eines haftungsrechtlichen Freiraums im Bereich qualifizierter unternehmerischer Entscheidungen ist der Gesetzgeber den Vorschlägen der Regierungskommission Corporate Governance322 sowie einem Beschluss des 63. Deutschen Juristentags323 gefolgt, die ihrerseits wiederum auf einen ersten Gesetzesvorschlag von Ulmer324 zurückgehen. Für die Kodifikation stand dabei ausdrücklich die im Gesellschaftsrecht des US-amerikanischen Bundesstaates Delaware sowie zahlreicher anderer US-Staaten als Richterrecht fest verankerte325, aber auch in anderen Gesellschaftsrechtsordnungen326 zunehmend an Akzeptanz gewinnende Doktrin der sog. Business Judgment Rule Pate327. Nach dem gleichen Vorbild hatte der Bundesgerichtshof in der ARAG / Garmenbeck-Entscheidung328 das unternehmerische Ermessen der Verwaltungsorgane bereits höchstrichterlich ausgeformt329. Gemäß dieser Judikatur sollte eine Schadensersatzpflicht „erst dann in Betracht kommen, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind“, bzw. „die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt Baums, Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 70. Vgl. DJT, Verhandlungen des 63. DJT, Band II / 2, S. O 226. 324 Ulmer, ZHR 163 (1999), S. 299. 325 Siehe die Nachweise aus der Rechtsprechung von 26 Staaten bei Block / Barton / Radin, The Business Judgment Rule, S. 20 ff.; aufschlussreich zu aktuellen Entwicklungen Kock / Dinkel, NZG 2004, S. 445. Eine abstrakt-generelle Ausformulierung dieser Rechtsfigur findet sich in American Law Institute, Principles of Corporate Governance, § 4.01: „A director or officer who makes a business judgment in good faith fulfills the duty under this Section [duty of care] if the Director or officer: (1) is not interested in the subject of the business judgment; (2) is informed with respect to the business judgment to the extent the director or officer reasonably believes to be appropriate under the circumstances; and (3) rationally believes that the business judgment is in the interests of the corporation.“; eine ähnliche Regelung enthält nun auch § 8.31 des Revised Model Business Corporation Act von 1998, abgedruckt bei Eisenberg, Corporations, S. 759 f. 326 Siehe Paefgen, AG 2004, S. 246, Fn. 3, mit Nachweisen zum österreichischen, schweizerischen, spanischen, australischen, kanadischen und japanischen Schrifttum; vgl. auch Fleischer, ZIP 2004, S. 686. Gleichwohl entspricht die Kodifizierung einer Business Judgment Rule international keineswegs der Regel, siehe dazu Schäfer, ZIP 2005, S. 1254, Fn. 5 m. w. N. 327 Vgl. die Entwurfsverfasser Seibert / Schütz, ZIP 2004, S. 254; Begr. RegE. UMAG, BTDrucks. 15 / 5092, S. 11. 328 BGHZ 135, 244 (253 f.). 329 Vgl. Henze, NJW 1998, S. 3310 f.; zu den geringfügigen Divergenzen zwischen Judikatur und Gesetzesfassung siehe Schäfer, ZIP 2005, S. 1255. 322 323

C. Verletzung der Vermögensfürsorgepflicht durch die Aufsichtsratsmitglieder

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worden ist“. Die gesetzliche Verankerung schafft gleichwohl einen gerade auch im Hinblick auf die untreuerechtliche Bezugnahme begrüßenswerten Zuwachs an Legitimation, Transparenz und Rechtssicherheit330. Sie stellt für die Organmitglieder und die Gerichte gleichermaßen klar, dass bloße Fehlschläge oder Irrtümer eine (Erfolgs-)Haftung gegenüber der Gesellschaft nicht zu begründen vermögen331. Die positivrechtliche Regelung steht anderseits einer Weiterentwicklung des noch nicht abgeschlossenen Dogmatisierungsprozesses im Bereich des unternehmerischen Ermessens durch Rechtsprechung und Rechtslehre nicht entgegen332. So wirft die Gesetzesfassung insbesondere in Bezug auf ihren sinngemäßen Regelungsgehalt für den Aufsichtsrat (§ 116 Satz 1 AktG) eine Reihe von Auslegungsproblemen auf, die nachfolgend im Lichte der Ratio legis zu lösen sind. b) Ratio legis Nach der Gesetzesbegründung sollte mit der Regelung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ausweislich ein Gegengewicht zu der zeitgleichen Verschärfung des aktienrechtlichen Verfolgungsrechts (§§ 147, 148 AktG) geschaffen werden333. Bei der Auslegung ihres Anwendungsbereiches führt aber nur die sachliche Rechtfertigung für die Sonderbehandlung unternehmerischer Entscheidungen weiter. Die gesetzliche Intention dieser Sonderbehandlung gilt es insbesondere auch für die Frage zu verstehen, ob der Gesetzgeber bei der Statuierung dieses primärrechtlichen Haftungsfreiraumes möglicherweise Gefahren für das geschützte Gesellschaftsvermögen übersehen oder nicht berücksichtigt hat, die den Ruf laut werden lassen könnten, der unternehmerischen Handlungsfreiheit durch das Strafrecht eine eigene äußerste Grenze zu setzen334. aa) Ökonomische Grundlage Die Business Judgment Rule ist einmal stark von ökonomischen Argumenten geprägt. Unternehmerische Entscheidungen tragen nicht nur Chancen, sondern regelmäßig auch Risiken in sich335. Wäre unternehmerisches Handeln dennoch 330 Vgl. Fleischer, ZIP 2004, S. 687; Holzborn / Bunnemann, BKR 2005, S. 51; Ulmer, ZHR 163 (1999), S. 299. Kritisch Semler, AG 2005, S. 324: „unnötig“; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 217 ff. 331 Begr. RegE. UMAG, BT-Drucks. 15 / 5092, S. 11; vgl. Fleischer, ZIP 2004, S. 687: „Signalcharakter“. 332 Begr. RegE. UMAG, BT-Drucks. 15 / 5092, S. 12; vgl. dazu auch Fleischer, ZIP 2004, S. 687 f. m. w. N. 333 Begr. RegE. UMAG, BT-Drucks. 15 / 5092, S. 11. 334 Siehe dazu bereits oben § 2, A., I. 335 Siehe oben § 2, B., III., 2.; treffend insoweit bereits RG, JW 1911, 223: „[ . . . ] im geschäftlichen Leben muss manches sogar mit dem Bewusstsein unternommen werden, dass es vielleicht auch nachteilig ausschlagen könnte“.

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stets mit der Gefahr einer uneingeschränkten Haftung für Misserfolge verbunden, würde dies zu einer erheblichen Risikoscheu oder gar zu einer Risikoaversion der Organmitglieder führen336, mit negativen Allokationswirkungen für die gesamte Volkswirtschaft337. Überdies stellt für die Aktionäre gerade das Eingehen (vernünftiger) unternehmerischer Risiken mit entsprechenden Gewinnchancen den entscheidenden Grund für ein Investment in das Eigenkapital der Aktiengesellschaft dar. Die Haftungsbegrenzung der Business Judgment Rule entspricht insofern letztlich auch den im Unternehmensinteresse gebündelten Belangen der Aktionäre338. bb) Divergenz zwischen Verhaltens- und Nachprüfungsstandard Die weitere Zurückhaltung bei der judiziellen Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen hat indessen weniger mit den mangelnden unternehmerischen Qualitäten der beurteilenden Richter zu tun, als dies teilweise vorgetragen wird339. Sie erklärt sich vielmehr aus der Divergenz, die bei Entscheidungen mit Prognosecharakter typischerweise zwischen dem Verhaltensstandard und dem gerichtlichen Nachprüfungsstandard besteht340. Die Gerichte sind zwar stets verpflichtet, das Verhalten der handelnden Entscheidungsträger aus deren ex ante-Sicht zu beurteilen341, doch den oft Jahre später angerufenen Richtern fällt es nicht immer leicht, nachträglich erlangtes Zusatzwissen dabei völlig auszublenden342. Vielmehr besteht die Gefahr, dass sie in Kenntnis der mittlerweile eingetretenen Tatsachen dazu neigen, von dem verursachten Schaden ex post auf ein vorheriges Fehlverhalten zurück zu schließen. Die psychologische Entscheidungsforschung bezeichnet diesen allgemeinen Wahrnehmungsdefekt als „hindsight bias“ (Rückschaufehler)343. Durch die Absenkung der gerichtlichen Kontrolldichte und die Anerkennung eines unternehmerischen Ermessens vermag die Business Judgment Rule die336 Davon abgesehen ließen sich im Falle einer Erfolgshaftung für unternehmerische Fehlentscheidungen nur schwerlich qualifizierte Unternehmensleiter finden, vgl. Paefgen, AG 2004, S. 247. 337 Siehe dazu BGHZ 134, 392 (398); Fleischer, ZIP 2004, S. 685 f.; Paefgen, AG 2004, S. 247. Diesen Aspekt hatte bereits der Aktiengesetzgeber 1937 betont, nach dessen Begründung (zu § 84) eine allzu strenge Haftung dem Leiter „jeden Mut zur Tat nehmen“ würde, vgl. in: Klausing, AktG 1937, S. 71. 338 Fleischer, ZIP 2004, S. 686; Paefgen, AG 2004, S. 247. 339 So etwa Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 69 m. w. N.; Paefgen, AG 2004, S. 247. 340 In begrifflicher Anlehnung an die amerikanische Diktion, die hier von einer Entkoppelung der „standards of conduct“ und der „standards of review“ spricht; siehe dazu Fleischer, ZIP 2004, S. 686, 689 f. m. w. N.; Schäfer, ZIP 2005, S. 1253. 341 Das sieht selbstverständlich auch die Rechtsprechung so, vgl. BGHZ 75, 96 (113); 126, 181 (193). 342 Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 81. 343 Vgl. etwa Kohnert, Grenzen des Rückschaufehlers.

C. Verletzung der Vermögensfürsorgepflicht durch die Aufsichtsratsmitglieder

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sem Problem zu begegnen und das Haftungsrisiko zu kanalisieren, ohne alternativ die Sorgfaltsanforderungen für die Organmitglieder herunterzuschrauben344.

c) Regelungstechnik des „sicheren Hafens“ Um den Bedeutungsgehalt des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG für das Strafrecht herausschälen zu können, bedarf es schließlich einer genauen rechtsdogmatischen Einordnung der Vorschrift. In dieser Hinsicht ist es von besonderer Wichtigkeit, dass die Haftungseinschränkung nicht erst auf der Ebene des Verschuldens, oder wie im angloamerikanischen Recht im Rahmen der zivilprozessualen Beweislastverteilung345 erfolgt, sondern bereits im objektiven Tatbestand das untreuerelevante Merkmal der Pflichtverletzung ausschließt346. Mit der Rezeption der hierzulande noch wenig verwendeten Regelungstechnik des „safe harbour“ hat der Gesetzgeber in Gestalt eines Tatbestandsausschlussgrundes von vorneherein verbindlich festgelegt, unter welchen Voraussetzungen keinesfalls eine Pflichtverletzung vorliegt, selbst wenn sich ein eingegangenes Risiko zu einem Schaden für die Gesellschaft realisiert hat347. Der Gesetzgeber hat damit bewusst in Kauf genommen, dass bestimmte unternehmerische Entscheidungen zu Lasten des Gesellschaftsvermögens ohne Haftungskonsequenzen für die Entscheidungsträger bleiben. Insofern besteht zudem kein primärrechtliches Regelungsdefizit, das es rechtfertigen würde, die unternehmerische Handlungsfreiheit strafrechtlich zum Zwecke eines wirksamen Rechtsgüterschutzes enger zu beschneiden. Vielmehr schützt sozusagen das Hafenbecken des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG die Organmitglieder gemäß dem Postulat von der Einheit der Rechtsordnung zugleich vor einer sekundären Strafandrohung durch den Untreuetatbestand.

344 Fleischer, in: FS Immenga 2004, S. 577, 579 f.; ders., ZIP 2004, S. 686, 689 f.; Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 76 / Rn. 25; Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 69; S. Schneider, DB 2005, S. 708 f. Entsprechend wird beispielsweise im Arzthaftungsrecht bei Operationsfehlern gelegentlich vom „medical judgment“ des Arztes gesprochen, vgl. Schäfer, ZIP 2005, S. 1253 f. m. w. N. 345 Dort funktioniert sie als prozedurale Beweisregel zu Lasten des Klägers, vgl. Ulmer, ZHR 163 (1999), S. 298. Dahingegen verbleibt die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG bei den Organmitgliedern; so ausdrücklich Begr. RegE. UMAG, BT-Drucks. 15 / 5092, S. 12. 346 Begr. RegE. UMAG, BT-Drucks. 15 / 5092, S. 11; Fleischer, ZIP 2004, S. 688; Schäfer, ZIP 2005, S. 1255. 347 Fleischer, ZIP 2004, S. 689; Ihrig, WM 2004, S. 2103.

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2. „Unternehmerische Entscheidung“ des Aufsichtsrats als zentrale Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule Nun schließt sich die schwierige Frage nach der Reichweite dieser präjudizierenden Wirkung für die Untreuestrafbarkeit speziell der Aufsichtsratsmitglieder an. Dazu gilt es, den bisher noch ungeklärten Anwendungsbereich der Haftungsregel für das Kontrollorgan abzustecken. Der Gesetzgeber geht mit keinem Wort darauf ein, ob und inwieweit die Kodifikation des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG auch auf die Haftung des Aufsichtsrats Auswirkungen hat. Er verweist lediglich auf die oben gezeigten Parallelen zur ARAG / Garmenbeck-Entscheidung des Bundesgerichtshofes348, die allerdings gerade dem Aufsichtsrat unter bestimmten Umständen einen nur eingeschränkt überprüfbaren Entscheidungsspielraum zugesteht349. Hinzu kommt, dass die Doktrin der Business Judgment Rule aus einer Gesellschaftsrechtsordnung stammt, die ein dualistisches Verwaltungssystem mit einem Überwachungsorgan nicht kennt. Ihre Rezeption ist daher auf den Vorstand zugeschnitten350 und wird entsprechend für den Bereich der Aufsichtsratstätigkeit teilweise bereits von vorneherein gänzlich abgelehnt351. Die gesetzliche Systematik belässt gleichwohl keine Zweifel, dass die Neuregelung in § 93 AktG grundsätzlich auch für den Aufsichtsrat Geltung beansprucht (§ 116 Satz 1 AktG). Maßgebliche Voraussetzung dafür ist jedoch das Vorliegen einer „unternehmerischen Entscheidung“ des Aufsichtsrats. Nachdem das Gesetz von einer Legaldefinition insoweit absieht, wirft dieser Terminus gerade im Hinblick auf den Aufsichtsrat praktisch hochbedeutsame Abgrenzungsfragen auf, die sich endlich nur im Wege der Gesetzesauslegung lösen lassen. Hierzu sollen die Merkmale „Entscheidung“ und „unternehmerisch“ getrennt auf ihren Bedeutungsgehalt hin untersucht werden. a) „Entscheidung“ Zunächst stellt sich die Frage, wie der gesetzliche Begriff der „Entscheidung“ zu verstehen ist. So wurden bereits erste Stimmen laut, die eine wörtliche Übernahme des angloamerikanischen Merkmals der „business decision“ in das deutsche Recht ablehnen352. Denn nur durch eine extensive Gesetzesauslegung könne mitunter auch die Aufsichtsratstätigkeit in hinreichendem Maße in den Regelungsbereich einbezogen werden353. Die Einschätzungsprärogative des § 93 Abs. 1 Satz Begr. RegE. UMAG, BT-Drucks. 15 / 5092, S. 11. So bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Vorstand, siehe dazu eingehend bereits oben § 2, B., IV., 9. 350 Vgl. Kropff, in: FS Raiser 2005, S. 228. 351 Grotheer, WM 2005, S. 2074. 352 Siehe dazu Langenbucher, GesRZ-Sonderheft 2005, S. 6 f. 353 So Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 87 ff. 348 349

C. Verletzung der Vermögensfürsorgepflicht durch die Aufsichtsratsmitglieder

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2 AktG müsse deshalb bei jedem gezielten Handeln für die Gesellschaft bestehen354. Eine Entscheidung der Aufsichtratsmitglieder liegt dahingegen nach § 108 Abs. 1 AktG nur im Falle einer ausdrücklichen Beschlussfassung vor355. Von praktischer Bedeutung ist die Differenzierung damit vor allem für den Tätigkeitsbereich der präventiven Vorstandsberatung356. In der Entgegennahme und Beratung der Vorstandsberichte über geplante Maßnahmen liegt regelmäßig noch kein Beschluss357. Erteilt der Aufsichtsrat einen Rat, so kann er sich überdies mit einer Abwägung der Vor- und Nachteile eines Vorhabens begnügen und die Grenzen seiner Erkenntnisse darlegen, ohne in der typischen psychologischen Zwangslage einer definitiven Entscheidung zu stehen358. Beratung ist deshalb keine Entscheidung359. Schließt man die Beratung folgerichtig aus dem Anwendungsbereich der Haftungsprivilegierung aus, so hat dies keine Inkongruenz der Verantwortlichkeit von Vorstand und Aufsichtsrat oder eine strengere Haftung der Aufsichtsratsmitglieder für ihre Beratung zur Folge, wie dies bisweilen eingewendet wird360. Denn sofern sich der Vorstand bei einem Vorhaben auf die Business Judgment Rule berufen kann und entsprechend keine objektiv pflichtwidrige Geschäftsleitung vorliegt, kann auch der Aufsichtsrat nicht wegen fehlerhafter Beratung bzw. Überwachung in Anspruch genommen werden, wenn er den Vorstand insoweit gewähren lässt361. Nachdem mithin keine Rechtfertigung besteht, § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG über seinen Wortlaut hinaus auszudehnen, ist der Anwendungsbereich strikt auf Entscheidungen der Aufsichtsratsmitglieder durch Beschluss zu begrenzen362. 354 Gehb / Heckelmann, ZRP 2005, S. 146; Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 89; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 77 ff.; ders., BB 2004, S. 1068 f. In diesem Sinne hatte der DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2004, S. 556, in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf die alternative Formulierung „unternehmerisches Handeln“ vorgeschlagen, um das „Missverständnis“ zu vermeiden, dass die Business Judgment Rule nur bei ausdrücklichen Beschlüssen Anwendung findet. 355 Siehe dazu auch unten § 6, A., II., 2. 356 Siehe dazu oben § 2, B., IV., 2. 357 Kropff, in: FS Raiser 2005, S. 231, der indes darauf hinweist, dass häufig nur bei genauer Protokollierung erkennbar sein wird, ob ein Rat oder eine Entscheidung vorliegt. 358 Vgl. auch Kropff, in: FS Raiser 2005, S. 230; eingehend zu diesem Wesensmerkmal einer Entscheidung, S. Schneider, DB 2005, S. 709. 359 Im Ergebnis so auch Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 89; Ihrig, WM 2004, S. 2107; Schäfer, ZIP 2005, S. 1258. 360 So DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2004, S. 556; Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 89. 361 Zutreffend Ihrig, WM 2004, S. 2107; Schäfer, ZIP 2005, S. 1258. 362 Dahingehend wohl auch der Gesetzgeber, der in Begr. RegE. UMAG, BT-Drucks. 15 / 5092, S. 11, die „Entscheidung als Grundlage von Ausführungshandlungen“ besonders qualifiziert. Sinngemäß zum amerikanischen Recht American Law Institute, Principles of Corporate Governance, § 4.01, Comment c.

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Die Umsetzung der Entscheidung kann indessen sowohl in einem rechtsgeschäftlichen oder tatsächlichen Handeln als auch in dem bewussten363 Unterlassen einer Handlung erfolgen364. Einschränkend ist aber weiterhin zu beachten, dass es sich bei dem Tatbestandsmerkmal der „Entscheidung“ um keinen naturalistischen Begriff, sondern um einen wesentlich durch die Ratio der Business Judgment Rule geprägten Rechtsbegriff handelt365. Eine Entscheidungssituation verdient danach zum einen nur dann besonderen Schutz, wenn den Organmitgliedern mehrere Handlungsmöglichkeiten offen stehen366. Rechtlich gebundene Entscheidungen, die sich in der Erfüllung einer Rechtspflicht erschöpfen, begründen keine psychologische Zwangslage für die Entscheidungsträger und bleiben aus diesem Grund voll justiziabel367. Darüber hinaus gewährt die Business Judgment Rule keinen „sicheren Hafen“ für (kalkuliertes) illegales Verhalten368. Voraussetzung ist daher immer, dass den Organmitgliedern bei ihrer Entscheidung zumindest zwei rechtmäßige Handlungsalternativen zur Verfügung stehen369. Vor diesem Hintergrund müssen die Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder nach ihrem tatbestandlichen Handlungsspielraum abgeschichtet und strikt definierte Pflichtbindungen von dem Haftungsprivileg des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ausgenommen werden. Soweit der Aufsichtsrat selbst Geschäftsführungsentscheidungen trifft, mit denen er die Lage und Entwicklung der Gesellschaft aktiv mitgestaltet, stehen den Mitgliedern in unterschiedlichem Umfang auch Entscheidungsspielräume offen370, die für die Anwendung der Business Judgment Rule in Frage kommen371. Bei reinen Überwachungsentscheidungen verfügen die Aufsichtsratsmitglieder hingegen im Allgemeinen über keinen eigenen Entscheidungsspielraum372. Im Rahmen der originären Überwachung haben sie vielmehr die 363 Bloße Untätigkeit ist hingegen keine Entscheidung. Die Frage einer Pflichtversäumung durch Inaktivität bleibt daher immer uneingeschränkt justiziabel; vgl. Hauschka, GmbHR 2007, S. 14; S. Schneider, DB 2005, S. 709. 364 Vgl. Begr. RegE. UMAG, BT-Drucks. 15 / 5092, S. 11; Fleischer, ZIP 2004, S. 690; Paefgen, AG 2004, S. 251; Schäfer, ZIP 2005, S. 1256; S. Schneider, DB 2005, S. 709. 365 Dies betont auch Schäfer, ZIP 2005, S. 1256. 366 Siehe dazu S. Schneider, DB 2005, S. 709; Semler, in: FS Ulmer 2003, S. 627; sowie aus der Rechtsprechung BGHZ 135, 244 (254) „ARAG / Garmenbeck“: „Die Frage eines Handlungsermessens kann sich nur dort stellen, wo eine Entscheidung zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten zu treffen ist.“ 367 Vgl. Begr. RegE. UMAG, BT-Drucks. 15 / 5092, S. 11; Ihrig, WM 2004, S. 2103; Schäfer, ZIP 2005, S. 1256; S. Schneider, DB 2005, S. 710. 368 Begr. RegE. UMAG, BT-Drucks. 15 / 5092, S. 11. Sie bietet deshalb nicht einmal Schutz, wenn die Rechtslage bei einer Entscheidung fahrlässig verkannt wird, vgl. Schäfer, ZIP 2005, S. 1256. Zur Reichweite der Legalitätspflicht siehe oben § 2, B., II., 2., a). 369 S. Schneider, DB 2005, S. 710. 370 Siehe im Einzelnen dazu bereits oben § 2, B., III., 3., b). 371 In diesem Sinne auch Spindler, in: Spindler / Stilz, Komm. AktG, § 116 / Rn. 37; Gehb / Heckelmann, ZRP 2005, S. 149; Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 105; Ihrig, WM 2004, S. 2106; Kropff, in: FS Raiser 2005, S. 230; Schäfer, ZIP 2005, S. 1258. 372 Siehe bereits oben § 2, B., III., 3., a).

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sachgerechte Ausnutzung von unternehmerischen Entscheidungsspielräumen durch den Vorstand zu überprüfen. Eine zusätzliche Handlungsfreiheit des Aufsichtsrats in diesem Zusammenhang würde letztlich keine Überwachung, sondern nur eine Verlagerung der Geschäftsführung bewirken373. Ein vorliegend relevantes „Überwachungsermessen“ kann danach nur ausnahmsweise bei der Auswahl gleichermaßen geeigneter Einwirkungsmittel sowie in engen Grenzen bei der Geltendmachung von (durchsetzbaren) Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Vorstand374 in Betracht kommen375. b) „unternehmerisch“ „Unternehmerische“ Entscheidungen sind nach den Motiven des UMAG „infolge ihrer Zukunftsbezogenheit durch Prognosen und nicht justiziable Einschätzungen geprägt“376. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass im ex ante-Zeitpunkt der Entscheidung in tatsächlicher Hinsicht (noch) ungewiss ist, wie sich das Geschehen weiter entwickeln wird. Denn nur unter dieser Voraussetzung wird die richterliche ex post-Beurteilung des Verhaltens durch den kognitiven Rückschaufehler beeinträchtigt, dessen unerwünschte Auswirkungen zu begrenzen gerade Sinn und Zweck der Business Judgment Rule ist377. Einen solchen prognostischen und damit unternehmerischen Charakter können zunächst vor allem die genannten Geschäftsführungsentscheidungen des Aufsichtsrats annehmen, soweit sie sich auf die Zukunft beziehen und deshalb unter Unsicherheit zu treffen sind378. Mit Blick auf die untreuerelevanten Vermögensfürsorgepflichten lassen sich danach folgende, sekundär auch von den Strafgerichten zu beachtende Entscheidungsspielräume der Aufsichtsratsmitglieder kategorisieren: Im Rahmen der Überwachungspflicht (§ 111 Abs. 1 Satz 1 AktG) entscheidet der Aufsichtsrat bei seinen Zustimmungsbeschlüssen gemäß §§ 59 Abs. 3, 89, 111 Abs. 4 Satz 2, 204 Abs. 1 Satz 2 AktG jeweils unternehmerisch, soweit auch dem Vorstand für das zustimmungspflichtige Geschäft ein Ermessensspielraum zusteht. Für die Beurteilung einer allgemeinen Sorgfaltspflichtverletzung (§§ 116, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG) gilt es eine unternehmerische Einschätzungsprärogative des Kindler, ZHR 162 (1998), S. 111; Kling, DZWIR 2005, S. 46. Siehe dazu oben § 2, B., IV., 9. 375 Dies verkennen Gehb / Heckelmann, ZRP 2005, S. 149, die uneingeschränkt alle Kontrollentscheidungen des Aufsichtsrats in den Anwendungsbereich der Business Judgment Rule einbeziehen wollen. 376 Begr. RegE. UMAG, BT-Drucks. 15 / 5092, S. 11; siehe dazu bereits oben § 2, B., III., 2. 377 Siehe Schäfer, ZIP 2005, S. 1256. 378 Für die Anwendung der Business Judgment Rule insoweit auch Ihrig, WM 2004, S. 2106; Kropff, in: FS Raiser 2005, S. 233 ff.; Schäfer, ZIP 2005, S. 1258; vgl. auch Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 228 ff. 373 374

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Aufsichtsrats entsprechend bei seiner Mitwirkung an der Feststellung des Jahresabschlusses (§ 172 AktG), bei der Einstellung eines Teils des Jahresüberschusses in die Gewinnrücklagen (§ 58 Abs. 2 AktG), beim Vertragsschluss mit den Abschlussprüfern (§ 318 Abs. 1 Satz 4 AktG) sowie bei der Ausübung von Beteiligungsrechten nach § 32 MitbestG, § 15 MitbestErgG zu berücksichtigen. Im Bereich seiner Personalkompetenz (§ 84 AktG) sind schließlich die Aufsichtsratsentscheidungen über die Bestellung bzw. Abberufung eines Vorstandsmitglieds stets mit Unsicherheits- und Risikofaktoren belegt, die nur eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle erlauben. Darüber hinaus trifft der Aufsichtsrat auch bei der Festsetzung der Gesamtbezüge des Vorstandsmitglieds regelmäßig eine unternehmerische Entscheidung379. Denn die Gesamthöhe der Vergütung steht in dem für die Angemessenheitsbeurteilung nach § 87 Abs. 1 AktG relevanten Zeitpunkt ihrer Vereinbarung nicht fest, soweit sie (teilweise) variabel von zukünftigen Ereignissen, wie etwa der Entwicklung des Unternehmenserfolges oder des Aktienkurses abhängig gemacht wird380. Dass § 87 Abs. 1 AktG den Aufsichtsratsmitgliedern auch materiellrechtlich einen Beurteilungsspielraum gewährt, der unterschiedliche Vergütungsentscheidungen rechtfertigt, hat daher nur bei (nachträglichen) Vergütungsentscheidungen eine eigenständige Bedeutung, denen das für die Business Judgment Rule maßgebliche prognostische Element fehlt. Die rechtlichen Grenzen des Handlungsspielraumes werden jedoch auch in diesen Fällen zumindest in Anlehnung an § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zu entwickeln sein381. Zu begründen bleibt endlich, ob und inwiefern den im Rahmen der vergangenheitsorientierten Überwachungspflicht ausnahmsweise anzunehmenden Entscheidungsspielräumen gleichwohl ein (zukunftsorientierter) unternehmerischer Charakter zu Grunde liegt. Das Prozessrisiko bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist hierbei wie gezeigt nicht dem Handlungs-, sondern dem Erkenntnisbereich der Entscheidenden zuzuordnen und vermag daher eine unternehmerische Einschätzungsprärogative nicht zu rechtfertigen. Dessen ungeachtet müssen die Aufsichtsratmitglieder in beiden in Betracht kommenden Konstellationen – sowohl bei der Entscheidung zwischen verschiedenen Einwirkungsmitteln als auch bei der Frage einer (durchsetzbaren) Schadensersatzklage gegen den Vorstand bei widerstreitenden Interessen von annähernd gleichem Ge379 So die h. M., vgl. BGH, ZIP 2006, S. 72 (73) „Mannesmann“; Baums, Anerkennungsprämien, S. 8; ders., in: FS Huber 2006, S. 664; Brauer, NZG 2004, S. 504; Fleischer, DStR 2005, S. 1319; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), S. 157 f.; Peltzer, in: FS Lutter 2000, S. 577; Schwark, in: FS Raiser 2005, S. 389 f.; Spindler, in: Spindler / Stilz, Komm. AktG, § 116 / Rn. 37; Thümmel, AG 2004, S. 88. A. A. Kropff, in: FS Raiser 2005, S. 234; Schäfer, ZIP 2005, S. 1258. 380 Schwark, in: FS Raiser 2005, S. 380. 381 Ähnlich Kort, NZG 2006, S. 132 f. Ein Teil des Schrifttums will deshalb auf das Erfordernis einer zukunftsbezogenen Entscheidung gänzlich verzichten und folgerichtig Entscheidungen mit Beurteilungsspielraum unmittelbar in den Anwendungsbereich des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG einbeziehen; vgl. Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 nF / Rn. 18 ff. m. w. N. Siehe dazu im Einzelnen unten IV., 1., b), aa) a. E. und bb).

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wicht382 – gerade die Wirkungen gegeneinander abwägen, die der Einsatz des Überwachungsmittels in der Zukunft haben wird. Sie sind insoweit mit der eine unternehmerische Entscheidung kennzeichnenden Unsicherheit belastet und deshalb folgerichtig gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG auch nur nach Maßgabe der Business Judgment Rule justiziabel383.

3. Voraussetzungen der Haftungsbefreiung nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG Erfüllt ein Beschluss der Aufsichtsratsmitglieder die Wesensmerkmale unternehmerischen Handelns, so kann eine (Vermögensfürsorge-)Pflichtverletzung regelmäßig nur noch auf zweierlei Weise begründet werden, nämlich zum einen damit, dass die der Entscheidung zu Grunde gelegten Informationen unzureichend waren, und zum anderen mit einem Verstoß gegen das Wohl der Gesellschaft384. Der gesetzliche Terminus „annehmen durfte“ führt diesbezüglich nicht zu einer Subjektivierung des im Zivilrecht sonst üblichen objektiven Sorgfaltsmaßstabs, sondern zwingt das Gericht einzig zu einem Perspektivwechsel in seiner Beurteilung. Die haftungsbefreienden Voraussetzungen der Entscheidungsfindung sind danach auch nachträglich aus der ex-ante-Sicht der handelnden Person zu bewerten, jedoch unverändert nach dem objektiven Maßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitglieds385. In diesem Zusammenhang gilt es sogleich einem Missverständnis vorzubeugen386. Die Tatsache, dass die Business Judgment Rule im Aktienrecht nach fast Vgl. oben § 2, B., IV., 9. In diesem Sinne auch Kropff, in: FS Raiser 2005, S. 233; Raiser, NJW 1996, S. 554: „Unternehmerisches Ermessen kann es nur bei der Wahl der Mittel [ . . . ] geben.“; zum Entscheidungsspielraum bei der Schadensersatzklage, „dem eigentlich das Attribut unternehmerisch hätte hinzugefügt werden können“, Heermann, AG 1998, S. 203; Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 112. 384 Umstritten ist, ob die Ermessensfehler nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG unmittelbar haftungsbegründend wirken, sofern ein Schaden der Gesellschaft eingetreten ist (so Schäfer, ZIP 2005, S. 1257), oder ob sodann eine Pflichtverletzung noch nach den allgemeinen Maßstäben des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG zu prüfen bleibt (so Fleischer, ZIP 2004, S. 689; Ihrig, WM 2004, S. 2103). Im praktischen Ergebnis werden sich regelmäßig keine Unterschiede ergeben. Bei Fehlen der Gutgläubigkeit der Entscheidungsträger, die ebenfalls Voraussetzung des Haftungsfreiraumes ist (vgl. Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 nF / Rn. 42 f.), bleibt hingegen die Prüfung eines objektiven Pflichtverstoßes nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG weiterhin erforderlich. 385 Vgl. Begr. RegE. UMAG, BT-Drucks. 15 / 5092, S. 11. 386 Anlass ist die jüngste Ungenauigkeit des BGH, ZIP 2006, S. 72 (73) „Mannesmann“, der die untreuerelevante Organpflicht zum sorgsamen Umgang mit dem anvertrauten Gesellschaftsvermögen der aktienrechtlichen Treuepflicht zuordnete (vgl. aber oben B., III., 2., d)); siehe die umgehende Kritik der Gesellschaftsrechtler Fleischer, DB 2006, S. 542; Spindler, ZIP 2006, S. 350. 382 383

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einhelliger Meinung bei „Treuepflichten“ keine Anwendung findet387, steht ihrer Beachtung im Rahmen der strafrechtlichen „Treuepflicht“ der Aufsichtsratsmitglieder im Sinne des § 266 StGB nicht entgegen. Denn der strafrechtlich allgemein verwendete Begriff der Treuepflicht (hier: Vermögensfürsorgepflicht) ist weiter gefasst und schließt wie gezeigt auch die aktienrechtlichen Sorgfaltspflichten ein, für die diese Haftungsbegrenzung Geltung beansprucht. a) Handeln zum Wohle der Gesellschaft Zunächst, so formuliert § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG, müssen die Mitglieder des Aufsichtsrats vernünftigerweise annehmen dürfen, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Der Begriff des Gesellschaftswohls entspricht inhaltlich der Verhaltensmaxime des Unternehmensinteresses, an dem die Verwaltungsorgane ihre Organfunktion grundsätzlich auszurichten haben388. Danach erfolgt eine unternehmerische Entscheidung jedenfalls dann zum Wohle der Gesellschaft, wenn sie der langfristigen Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens dient und ferner unbeeinflusst von Interessenkonflikten, Fremdeinflüssen und ohne unmittelbaren Eigennutz ist389. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung entscheidend ist derweil die Frage, unter welchen Umständen die Organmitglieder „vernünftigerweise“ nicht mehr annehmen durften, pflichtgemäß zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, und damit sekundär auch die Möglichkeit einer Untreuestrafbarkeit weiter zu verfolgen ist. Die Motive des UMAG rekurrieren insoweit auf die höchstrichterlichen Maßstäbe des ARAG / Garmenbeck-Urteils und verneinen das haftungsbegrenzende Tatbestandsmerkmal etwa dann, „wenn das mit der unternehmerischen Entscheidung verbundene Risiko in völlig unverantwortlicher Weise falsch beurteilt worden ist“390. Dem stellte der Bundesgerichtshof eine „deutliche“ Überschreitung des 387 Begr. RegE. UMAG, BT-Drucks. 15 / 5092, S. 11; Fleischer, ZIP 2004, S. 690. Gleichwohl können auch im Aktienrecht Treupflichtverstöße bei unternehmerischen Entscheidungen vorkommen; vgl. Schäfer, ZIP 2005, S. 1256. 388 Fleischer, ZIP 2004, S. 690; Schäfer, ZIP 2005, S. 1257. Auch die Motive verwenden den Begriff des Unternehmensinteresses als Synonym zum Gesellschaftswohl; vgl. Begr. RegE. UMAG, BT-Drucks. 15 / 5092, S. 11. 389 Begr. RegE. UMAG, BT-Drucks. 15 / 5092, S. 11; Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 nF / Rn. 38; siehe dazu eingehend oben § 2, B., II., 1., c). Entgegen der Gesetzesbegründung vermag die bloße Offenlegung eines Konflikts die Pflichtverletzung jedoch noch nicht auszuschließen, da bereits der Anschein der Voreingenommenheit zu vermeiden ist. Das betroffene Mitglied muss deshalb im Konfliktfall eine Entscheidung des Gesamtorgans herbeiführen; so zu Recht Schäfer, ZIP 2005, S. 1257; ähnlich Gehb / Heckelmann, ZRP 2005, S. 147 f. 390 Begr. RegE. UMAG, BT-Drucks. 15 / 5092, S. 11; entsprechend im Schrifttum etwa Lutter, ZIP 2003, S. 419: „Plausibilität und Verantwortlichkeit“; ders., ZIP 2007, S. 841 (845): „Hazard-Entscheidungen“; Paefgen, AG 2004, S. 255; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 97 ff.; Krieger / Sailer, in: Schmidt / Lutter, Komm. AktG, § 93 / Rn. 13.

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Pflichtenrahmens gleich391. Die Höhenmarke der Unverantwortlichkeit als materielle Grenze unternehmerischen Ermessens findet sich überdies in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes392 sowie einiger Oberlandesgerichte393, während an anderen Stellen in der Judikatur394 und vorwiegend im Schrifttum395 alternativ auf das Kriterium der (wirtschaftlichen) Vertretbarkeit abgestellt wird. Auch diese Schranken bedürfen jedoch jeweils einer weitergehenden Konkretisierung. Zu kurz greift hier zunächst der von Teilen der Literatur postulierte Standpunkt, die vorliegende Verhaltensmaxime konkretisiere sich ausschließlich im Falle einer Gefährdung von Bestand und Rentabilität des Unternehmens zu einem bestimmten Handlungsver- oder -gebot für die Organmitglieder396. Denn legt man diesen Maßstab tatsächlich zu Grunde, könnten die Verwaltungsorgane das Gesellschaftsvermögen solange unbeschwert „zum Fenster hinauswerfen“, bis der Bestand und die langfristige Rentabilität gefährdet werden397. In großen Aktiengesellschaften wäre den Organmitgliedern danach eine Zweckentfremdung selbst beträchtlicher Geldsummen ohne haftungsrechtliche Folgen möglich. Mit dem gesetzlichen Leitbild einer treuhänderischen Bindung und Verpflichtung der Verwaltungsorgane ist dies nicht in Einklang zu bringen398. Umgekehrt kann den Organmitgliedern im Rahmen ihrer unternehmerischen Verantwortung aber auch nicht jedes Eingehen von Risiken untersagt werden, die im Falle ihrer Verwirklichung die Existenz der Gesellschaft bedrohen399. Denn in die Beurteilung einer fehlerhaften unternehmerischen Leistung muss immer auch die Lage des Unternehmens einbezogen werden400. So wird in einer wirtschaftlichen Unternehmenskrise regelmäßig nur die Wahl zwischen Maßnahmen bestehen, die jeweils mit Risiken behaftet sind, die der Gesellschaft auch die Existenz kosten können401. Bei Gesellschaften BGHZ 135, 244 (253 f.) „ARAG / Garmenbeck“. Vgl. BFH, GmbHR 1977, S. 69 (zu § 43 GmbHG). 393 Vgl. etwa OLG Naumburg, NZG 2000, S. 380 (382); OLG München, DStR 1993, S. 1189 (1191); OLG Frankfurt, WM 1977, S. 59 (62). 394 So in Bezug auf eine Kreditvergabe an Vorstandsmitglieder (§ 89) BGH, WM 1991, S. 1258 (1260); BGHZ 126, 181 (200); BGH, WM 2002, S. 1128 (1129 f.); OLG Köln, NZG 1999, S. 1228 (1230 f.). 395 Vgl. u. a. Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 93 / Rn. 24; Holzborn / Bunnemann, BKR 2005, S. 52; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 174; Kling, DZWIR 2005, S. 49; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 263. 396 Dahingehend in Bezug auf Vergütungsentscheidungen des Aufsichtsrats Baums, Anerkennungsprämien, S. 12; Hüffer, BB 2003, Beilage 7, S. 20 ff. 397 So die berechtigte Kritik von Fastrich, in: FS Heldrich 2005, S. 159. 398 Ebenso BGH, ZIP 2006, S. 72 (74) „Mannesmann“; Fastrich, in: FS Heldrich 2005, S. 159. 399 Kritisch auch Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 247 f.; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 245; a. A. Lutter, in: FG BGH II 2000, S. 333 f.; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 93 / Rn. 47 f. 400 Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 93 / Rn. 24. 401 Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 84. 391 392

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mit Liquiditätsengpässen kann ein Handeln gegen langfristige Ziele vorübergehend sogar geboten sein402. Die Linie des Bundesgerichtshofes dürfte dem US-amerikanischen Recht, das die Grenze im Falle einer Verschwendung von Gesellschaftsvermögen ohne jede relevante Gegenleistung zieht („waste of corporate assets“), zumindest in ihrem Mindestmaß entsprechen403. Danach sind etwa die Zeichnung eines Wechsels ohne erkennbares Eigeninteresse der Gesellschaft404, die Zahlung auf nicht bestehende Verbindlichkeiten405 oder der unnötige Verkauf von „Tafelsilber“ der Gesellschaft unter Wert406 nicht mehr vom unternehmerischen Ermessen gedeckt. Darüber hinaus sind die Marktbedingungen und Unternehmenssituationen jedoch zu mannigfaltig, um die Voraussetzungen einer Ermessensüberschreitung in einer abstrakten Definition inhaltlich abschließend formulieren zu können. In Abgrenzung zu bloßen Fehlschlägen und Irrtümern wird ein schlechthin unverantwortliches bzw. unvertretbares unternehmerisches Handeln jedenfalls erst dann anzunehmen sein, wenn die fehlende kaufmännische Rechtfertigung der Entscheidung derart evident war, dass sie sich für die Organmitglieder förmlich aufgedrängt hat und ein verantwortungsbewusst denkender und handelnder Kaufmann zu ihrer Durchführung auf Grund der völligen Unverhältnismäßigkeit der Risiken zu keiner Zeit bereit gewesen wäre407.

b) Handeln auf der Grundlage angemessener Information Die Aufsichtsratsmitglieder können bei einer unternehmerischen Entscheidung ferner ihre Pflicht verletzen, wenn sie „vernünftigerweise“ nicht annehmen durfDies betonen auch Gehb / Heckelmann, ZRP 2005, S. 147. Dahingehend auch Henze, BB 2000, S. 215; Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 81, 166; Ulmer, ZHR 163 (1999), S. 298 f. So hat der 3. Strafsenat diesen Gedanken einer „treupflichtwidrigen Verschwendung“ jüngst auch explizit ausgesprochen, vgl. BGH, Urt. v. 21. 12. 2005 – 3 StR 470 / 04, ZIP 2006, S. 72 (74) „Mannesmann“. 404 BGH, NJW 1980, S. 1629 f. (im Fall hatte der Aufsichtsratsvorsitzende den Vorstand zur Zeichnung gedrängt). 405 Vgl. BGH, WM 1985, S. 717 f.; BGH, WM 1980, S. 593. 406 Vgl. Kubiciel, NStZ 2005, S. 360. 407 In diesem Sinne Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 93 / Rn. 24; Henze, NJW 1998, S. 3311; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 99 f.; Witte / Hrubesch, BB 2004, S. 728; BGHZ 119, 305 (331); im Ergebnis auch Langenbucher, DStR 2005, S. 2087: „Rationalitätskontrolle“; Ulmer, DB 2004, S. 863, Fn. 37. Der Gesetzgeber hatte das im Referentenentwurf noch ausdrücklich enthaltene Erfordernis einer zumindest „groben Fahrlässigkeit“ nur deshalb nicht übernommen, weil er nach dogmatischer Kritik aus dem Schrifttum (Fleischer, ZIP 2004, S. 689) keine Verschuldenselemente in die tatbestandliche Pflichtendefinition hineintragen wollte; siehe Begr. RegE. UMAG, BT-Drucks. 15 / 5092, S. 11; Schütz, NZG 2005, S. 6. Die Vermengung von Pflichten- und Sorgfaltsmaßstab ist nach der herrschenden Interpretation des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG jedoch nicht ungewöhnlich und letztlich unschädlich; siehe dazu oben § 2, B., V., 3. 402 403

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ten, über eine angemessene Informationsgrundlage zu verfügen. Leitbild der Business Judgment Rule ist insofern eine reflektierte, keine intuitive Entscheidung408. Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Angemessenheit“ räumt den Organmitgliedern dabei einen erheblichen Abwägungsspielraum bei der Informationsbeschaffung ein, der von ihnen zwar nicht verlangt, generell alle zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen auszuschöpfen, sie sehr wohl aber zu einer gründlichen Entscheidungsvorbereitung und sachgerechten Risikoabschätzung anhält409. Einzuholen ist danach die mit verhältnismäßigem Zeit- und Kostenaufwand beizubringende Information410. Je erheblicher die Auswirkungen und Risiken sind, desto höher sind die Anforderungen an die Informationsbeschaffung411. Die Aufsichtsratsmitglieder haben dabei insbesondere zu prüfen, ob ihnen die Vorstandsberichte ausreichen, und gegebenenfalls aktiv weitere Auskünfte zu verlangen412. Eine bloß formale Absicherung durch das routinemäßige Einholen von Sachverständigengutachten, Beratervoten oder externen Marktanalysen vermag den Anforderungen einer informierten Entscheidung nicht zu genügen, zumal die Auskünfte von Beratungsgesellschaften nicht selten interessengeleitet sind413. Bei der Frage, ob und in welchem Umfang unternehmensexterne Informationen eingefordert werden, müssen vielmehr stets die betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten sowie die eigenen Möglichkeiten des Unternehmens im Auge behalten werden414. Mit Blick auf eine mögliche Untreuestrafbarkeit ist wiederum von Interesse, unter welchen Voraussetzungen die Aufsichtsratsmitglieder der aktienrechtlichen Maßgabe einer informierten Entscheidung nicht gerecht werden und entsprechend nicht mehr vom Verdikt der Pflichtverletzung suspendiert sind. Der Gesetzgeber behandelt den Prozess der Information und Sachprüfung bereits als Teil des unternehmerischen Ermessens der Organmitglieder415. Denn der zu vermeidende „Hindsight Bias“ droht anderenfalls durch einen sog. „Outcome Bias“ der Richter ersetzt zu werden, da die Kenntnis des Ergebnisses auch eine unvoreingenommene Bewertung der Qualität der Entscheidungsvorbereitung beeinträchtigt 416. Von einer Brömmelmeyer, WM 2005, S. 2067. Fleischer, NJW 2005, S. 3528; Kock / Dinkel, NZG 2004, S. 444; Spindler, NZG 2005, S. 872. 410 Vgl. Begr. RegE. UMAG, BT-Drucks. 15 / 5092, S. 11; Grundei / v. Werder, AG 2005, S. 826 ff.; Holzborn / Bunnemann, BKR 2005, S. 52; Spindler, NZG 2005, S. 872. 411 Kock / Dinkel, NZG 2004, S. 444; Langenbucher, DStR 2005, S. 2087 f.; Spindler, NZG 2005, S. 872. 412 Kropff, in: FS Raiser 2005, S. 232 mit Verweis auf Parallelen im US-amerikanischen Recht. 413 Vgl. Fleischer, DB 2006, S. 543 m. w. N. 414 Begr. RegE. UMAG, BT-Drucks. 15 / 5092, S. 12. 415 Begr. RegE. UMAG, BT-Drucks. 15 / 5092, S. 12; Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 nF / Rn. 44 f.; Spindler, NZG 2005, S. 872; kritisch Kinzl, DB 2004, S. 1654; Semler, AG 2005, S. 325; Thümmel, DB 2004, S. 472; Ulmer, DB 2004, S. 862 f. 416 Siehe dazu Fleischer, ZIP 2004, S. 691; ders., in: Spindler / Stilz, Komm. AktG, § 93 / Rn. 70; Paefgen, AG 2004, S. 254. 408 409

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angemessenen Informationsbasis dürfen die Aufsichtsratsmitglieder bei ihrem Beschluss deshalb erst dann „vernünftigerweise“ nicht mehr ausgehen, wenn der Mangel der Entscheidungsgrundlagen sich wiederum aufdrängt, mithin handgreiflich und evident ist, so zum Beispiel wenn ein größeres Fusionsvorhaben ohne vorherige Versendung von Unterlagen an die Miglieder nach zehnminütiger Diskussion gebilligt wird417, oder wenn bereits im Ansatz jede Entscheidungsvorbereitung und Beratung gänzlich unterblieben ist418, etwa wenn der Aufsichtsrat erhebliche Investitionen ohne jeden Kenntnis über den Verwendungszweck und die damit verfolgten Ziele genehmigt419.

II. Handlungsunrecht der Untreue bei aktienrechtlichen Pflichtverletzungen Die Verletzung aktienrechtlicher Vorgaben bedarf in einem zweiten Schritt stets der Überführung in ein strafrechtlich relevantes Untreueunrecht420. Der „Sinnbezug“ zwischen der außerstrafrechtlichen Pflichtwidrigkeit und einer Untreuestrafbarkeit muss dabei nach strafrechtlichen Maximen hergestellt werden. Zu untersuchen gilt es danach einmal, ob sich aus den im Strafrecht verfolgten Ansätzen zur Restriktion der Pflichtwidrigkeit bei sog. Risikogeschäften weitere Voraussetzungen für die tatbestandsmäßige Verletzung der Vermögensfürsorgepflicht ergeben (1.). Darüber hinaus bedarf es der dringenden und dogmatisch reizvollen Aufklärung, inwieweit der jüngst von der höchstrichterlichen Rechtsprechung statuierte Vorbehalt einer „gravierenden“ gesellschaftsrechtlichen Pflichtwidrigkeit in diesem Zusammenhang eine zusätzlich zu beachtende Höhenmarke für die Untreuestrafbarkeit aufstellt (2.).

1. Strafrechtsspezifische Kautelen der Pflichtwidrigkeit bei Risikogeschäften Auf strafrechtlicher Ebene herrscht ebenfalls die einhellige Erkenntnis, dass ein mit einem Risiko behaftetes Geschäft nicht schon wegen des Risikos als solchem oder wegen des Eintritts eines Vermögensverlustes im Falle der RisikoverwirkVgl. Drygala, in: Schmidt / Lutter, Komm. AktG, § 116 / Rn. 10. Begr. RegE. UMAG, BT-Drucks. 15 / 5092, S. 12; Fleischer, ZIP 2004, S. 689; Paefgen, AG 2004, S. 254; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 85 f.; im Ergebnis auch BGHZ 135, 244 (253 f.) „ARAG / Garmenbeck“: deutliche Überschreitung der Grenzen eines auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhenden unternehmerischen Handelns; a. A. Holzborn / Bunnemann, BKR 2005, S. 52. 419 Vgl. BGH v. 11. 12. 2006 – II ZR 243 / 05, ZIP 2007, S. 224 ff. 420 Siehe oben § 2, C., II. Dierlamm, StraFo 2005, S. 397, bezeichnet die strafrechtliche Pflichtwidrigkeit im Rahmen des § 266 StGB daher anschaulich als „Steigerungsbegriff“. 417 418

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lichung den Tatbestand der Untreue erfüllt421. Die entsprechenden Bemühungen um eine Begrenzung der Strafbarkeit solcher sog. Risikogeschäfte erfolgen dabei – wie bereits die Haftungsbegrenzung der Business Judgment Rule – im Lichte der ökonomischen Notwendigkeit und der Sozialadäquanz (vernünftiger) wirtschaftlicher Wagnisse422. Unbesehen der verschiedenen Deskriptionen eines danach zu privilegierenden „Risikogeschäfts“423 betreffen diese Tatbestandseinschränkungen im Kern auch die hier herausgearbeiteten unternehmerischen Entscheidungen und Maßnahmen des Aufsichtsrats424. Im vorliegenden Kontext erlangen sie angesichts der bereits primärrechtlich bestehenden Haftungsfreistellung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG allerdings nur dann eine kriminalpolitische Bedeutung für die Aufsichtsratsmitglieder, wenn sie die Untreuestrafbarkeit im Vergleich zur Business Judgment Rule weitergehend eingrenzen.

a) Maßstab der Rechtsprechung Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs stuft nach seiner jüngsten Rechtsprechung ein riskantes Handeln erst dann als pflichtwidrig im Sinne des § 266 StGB ein, wenn der Vermögensfürsorgepflichtige den ihm gezogenen Rahmen nicht einhält, insbesondere „die Grenzen des verkehrsüblichen Risikos“ überschritten hat425. Fehlt es wie im Rahmen der Organbeziehung an einer ausdrücklichen risikopolitischen Anweisung des Treugebers im Innenverhältnis – denn die Anteilseigner haben im Wege der Hauptversammlung keine Möglichkeit der direkten Einflussnahme oder Weisung gegenüber dem Aufsichtsrat426 –, so bestimmt sich der mutmaßlich konsentierte Risikokorridor folglich nach den Kriterien der Verkehrsoder Branchenüblichkeit427. Der Senat sieht die Grenze der Straffreiheit hiernach wiederum erreicht, wenn der unternehmerische Entscheidungsträger „bewusst und entgegen den Regeln kaufmännischer Sorgfalt eine äußerst gesteigerte Verlustgefahr auf sich nimmt, nur um eine höchst zweifelhafte Gewinnaussicht zu erhalten“428. Er rekurriert damit 421 Vgl. etwa BGH, StV 2004, S. 424 f.; Fischer, Komm. StGB, § 266 / Rn. 42 ff.; Hillenkamp, NStZ 1981, S. 161 ff.; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 73 ff.; Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 20; Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 671 ff.; Rose, wistra 2005, S. 282 ff.; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 95 ff.; Waßmer, Untreue, S. 5 ff., 72 ff. 422 Siehe oben, I., 1., b), aa). 423 Vgl. dazu Hillenkamp, NStZ 1981, S. 162 ff.; Rose, wistra 2005, S. 282; Waßmer, Untreue, S. 5 ff. 424 Siehe oben, I., 2. 425 BGH, Urteil vom 4. 2. 2004 – 2 StR 355 / 03, StV 2004, S. 424 f. 426 Kort, in: Großkomm. AktG, Vor § 76 / Rn. 14. 427 Hillenkamp, NStZ 1981, S. 167; Rose, wistra 2005, S. 285 ff. 428 BGH, StV 2004, S. 425.

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auf die in der Judikatur und Teilen des Schrifttums bereits bisher zu Grunde gelegte „Spieler- bzw. 50%-Formel“, nach der eine untreuerelevante Pflichtwidrigkeit vorliegen soll, wenn der Täter nach der Art eines (Glücks-)Spielers entgegen den Regeln kaufmännischer Sorgfalt eine Verlustgefahr auf sich nimmt429 bzw. nach einer Gesamtbetrachtung die Gefahr eines defizitären Geschäftes wahrscheinlicher ist als die Aussicht auf Gewinnzuwachs430. Diese komparativ-saldierende Bestimmung der Strafbarkeitsschwelle sieht sich jedoch berechtigter Kritik ausgesetzt. Zunächst wird sich die von ihr verlangte Wahrscheinlichkeitsbetrachtung ex ante angesichts der zahlreichen Unsicherheitsfaktoren im Einzelfall häufig schwerlich überhaupt durchführen lassen431. Darüber hinaus bleibt bei dieser Abgrenzung außer Acht, dass es Branchen im Allgemeinen wie auch wirtschaftliche Situationen im Speziellen geben kann, in denen die Kalkulation eines hohen Risikos noch vernünftig oder aber das Eingehen eines geringen Risikos bereits unvernünftig erscheint432. Schließlich schweigt sich der Bundesgerichtshof auch zur Kalkulationsmethode aus. Ob ein Verlustrisiko mit 49,9% oder 50,1% zu veranschlagen ist, vermag auch er offenbar nicht allgemein zu bestimmen433. Der abstrakte Maßstab der Formel vernachlässigt daher nicht nur das Gebot einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalls, sondern genügt vor allem dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG in keiner Weise434.

b) Beschränkung der tatbestandlichen Pflichtwidrigkeit nach Maßgabe des Bestimmtheitsgebots in Art. 103 Abs. 2 GG Die Grenzen des verkehrsüblichen Risikos müssen im Strafrecht deshalb nach Maßgabe des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots entwickelt werden. Der zu Grunde zu legende geschäftsübliche Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitglieds (§§ 116, 93 AktG) ist als unbestimmter Rechtsbegriff im Wege der engen strafrechtlichen Auslegung auf seinen relativ be429 RGSt 61, 211 (213); 66, 255 (262); zustimmend Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 75. 430 BGH, NJW 1975, S. 1234 (1236); BGH, wistra 1982, S. 148 (150). Neben dieser umfassenden Formel finden sich in Rechtsprechung und Literatur zahlreiche Abwandlungen. So werden etwa sorgfältig kalkulierte wirtschaftliche Wagnisse von unzulässigen, rein spekulativen Geschäften abgegrenzt (BGH, wistra 1991, S. 219 (220)). Eine weitere Variante lässt das Eingehen eines Risikos wiederum nur dann als pflichtgemäß gelten, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Gewinn besteht (RGSt 71, 333 (334)); siehe dazu Waßmer, Untreue, S. 76 f. m. w. N. 431 Fischer, Komm. StGB, § 266 / Rn. 44; Rose, wistra 2005, S. 287. 432 Arzt, in: FS Bruns 1978, S. 377, Fn. 33; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 96; Waßmer, Untreue, S. 76. 433 Siehe die Kritik von Aldenhoff / Kuhn, ZIP 2004, S. 105. 434 Ähnlich Aldenhoff / Kuhn, ZIP 2004, S. 109; Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 20; Waßmer, Untreue, S. 76 f.

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stimmten Kern zurückzuführen435. Unter diesem strafrechtsspezifischen Vorbehalt kann bei unternehmerischen Entscheidungen des Aufsichtsrats eine tatbestandliche Pflichtverletzung gemeinhin nur bei einem Verstoß gegen den unzweifelhaften Kerngehalt seiner Vermögensfürsorgeverpflichtung angenommen werden436. In diesem Sinne hat namentlich Tiedemann in der Literatur die Ansicht geprägt, der Strafrichter habe „jedes wirtschaftlich irgendwie sinnvolle oder vertretbare Ziel einer Geldzahlung oder einer anderen vermögensmindernden Maßnahme als legitim (nicht pflichtwidrig)“ hinzunehmen437. Auf diese Weise werden vor allem „ungesicherte Rechtsentwicklungen“ und „vorläufige Übergangszonen des Zivil- und Wirtschaftsrechts“ (noch) aus dem Bereich des strafbewehrten Unrechts ausgenommen438. Dem Täter kommt ein quasi-rechtliches „in dubio pro reo“ zu Gute439. Die Untreuestrafbarkeit beschränkt sich danach auf den eindeutigen und damit für den Normadressaten erkennbaren Bereich des wirtschaftlich Unvertretbaren. Offen bleibt lediglich, unter welchen Voraussetzungen diese Schwelle einer evident unvertretbaren Entscheidung erreicht ist. Zech stellte diesbezüglich jüngst die Forderung auf, wer in einer rechtlich unklaren Situation einer im Schrifttum – und sei es auch nur von einer Person – vertretenen Meinung folge, verdiene keine Strafe440. Dieser Maßstab geht sicherlich zu weit, da er den Untreuetatbestand letztlich völlig ins Leere laufen lässt. Denn nimmt man diese Vorgabe tatsächlich ernst, so hätte es jedes Organmitglied problemlos selbst in der Hand, sich bereits im Vorfeld kritischer Entscheidungen eines strafrechtlichen Verfolgungsrisikos zu entledigen, indem es schlicht einen Aufsatz oder Artikel publiziert bzw. publizieren lässt. Auch soweit Otto die Unvertretbarkeit an einem „einheitlichen Konsens der einschlägigen Fachleute“ festmachen will441, bedeutet dies regelmäßig einen Ausschluss des Tatbestandes, da sich – wie er selbst konzediert – bei „unternehmerischen Entscheidungen, die strittig beurteilt werden können“, eine einmütige Bewertung kaum jemals finden wird. Aus diesem Grund wird man letztlich einen überwiegenden Konsens unter Sachkundigen dahingehend, dass die Entscheidung unvertretbar ist, fordern, aber auch genügen lassen müssen, um den Anwendungsbereich des Untreuetatbestandes zu eröffnen442. Siehe oben B., II., 2. Dahingehend auch Dierlamm, StraFo 2005, S. 400; Fischer, Komm. StGB, § 266 / Rn. 44a; Günther, in: FS Weber 2004, S. 316; Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 20; Otto, in: FS Kohlmann 2003, S. 202; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 88 f.; Thomas, in: FS Riess 2002, S. 806; Tiedemann, in: FS Dünnebier 1982, S. 533; ders., in: FS Tröndle 1989, S. 328; Waßmer, Untreue, S. 74. 437 Tiedemann, in: FS Tröndle 1989, S. 328; Wessing, EWiR, § 266 1 / 02, S. 306. 438 Tiedemann, in: FS Tröndle 1989, S. 328. 439 Grundsätzlich betrifft der „in dubio pro reo“-Grundsatz nur Sachverhaltsfragen; siehe aber zu dieser Erweiterung Geilen, in: Kölner Komm. AktG, § 399 / Rn. 51 u. § 404 / Rn. 27; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 117 mit Verweis auf BGHSt 30, 285. 440 Zech, Untreue, S. 216, 218. 441 Otto, in: FS Kohlmann 2003, S. 202; im Ergebnis wohl auch Waßmer, Untreue, S. 74. 435 436

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Für die Strafbarkeit der Aufsichtsratsmitglieder ergeben sich aus diesen strafrechtlichen Kautelen letzten Endes aber keine weitergehenden Restriktionen. Die straftatbestandliche Einschränkung korrespondiert vielmehr in diesem Fall mit der bereits primärrechtlich erfolgenden Haftungsbegrenzung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG auf evidente Pflichtwidrigkeiten.

2. Beschränkung des strafbewehrten Unrechts auf „gravierende“ aktienrechtliche Pflichtwidrigkeiten Die strafrechtliche Begrenzung auf eindeutig unvertretbares Verhalten lässt indessen die Frage unbeantwortet, nach welchen Maximen – ob aus dem Strafrecht oder dem Gesellschaftsrecht – die (Un-)Vertretbarkeit letztlich bemessen werden soll. Will man sich dem Interessenkonglomerat einer unternehmerischen Entscheidung wertend annähern, so bedarf es präzisierender Kriterien, mit deren Hilfe sich diese qualifizierte Schwelle der Strafbarkeit im Einzelfall bestimmen lässt443. Entsprechend hat zuletzt die höchstrichterliche Rechtsprechung versucht, Grenzbereiche gesellschaftsrechtlichen Organhandelns nach objektiv-inhaltlichen Kriterien aus der Untreuestrafbarkeit auszusondern und das Handlungsunrecht auf „gravierende“ gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzungen zu beschränken444. Dieser Vorbehalt hat die bis dahin kaum beachtete Frage aufgeworfen, ob die strafrechtliche Pflichtwidrigkeit mehr verlangt als eine gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung. Er hat sowohl Teile der Rechtsprechung445 als auch die überwiegende Zahl der Autoren im Schrifttum446 zu dem kriminalpolitisch folgenreichen Schluss bewogen, zu jeder gesellschaftsrechtlichen Pflichtverletzung müssten noch einmal gravierende Umstände hinzukommen, bevor auch die Höhenmarke des strafbewehrten Unrechts erreicht werde. Vorliegend besteht deshalb dringender Bedarf, diese Judikatur in die Binnendogmatik und Tatbestandsstruktur der Untreue richtig einzuordnen und zu klären, ob und inwieweit sie neben der Überschreitung gesellschaftsrechtlicher Pflichtenkreise nunmehr tatsächlich eine originär strafrechtliche Annäherung an das Handlungsunrecht voraussetzt. 442 In diese Richtung tendieren auch Dittrich, Untreuestrafbarkeit, S. 186, 212; Schramm, Untreue, S. 140; J. Vogel / Hocke, JZ 2006, S. 569. 443 Vgl. Kubiciel, NStZ 2005, S. 356 f. 444 Vergleichbar hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs bereits für die sog. Haushaltsuntreue eine „Erheblichkeitsschwelle“ statuiert, indem er eine „schwerwiegende“ Beeinträchtigung der Dispositionsfähigkeit des Haushaltgebers für eine Untreuestrafbarkeit verlangt; vgl. BGHSt 43, 293 (299). 445 LG Düsseldorf, NJW 2004, S. 3275 (3277, 3280 f.) „Mannesmann“; zum Amtshaftungsprozess in diesem Verfahren bereits LG Düsseldorf, NJW 2003, S. 2536 (2537). 446 Vgl. u. a. Braum, KritV 2004, S. 74 ff.; Dierlamm, StraFo 2005, S. 402 ff.; Gehrlein, NZG 2002, S. 463 f.; Kiethe, WM 2005, S. 2129; Kühl, Komm. StGB, § 266 / Rn. 20b; Mosiek, wistra 2003, S. 374; Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 118; Spindler, ZIP 2006, S. 353; Wollburg, ZIP 2004, S. 656 f.

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a) Rechtsprechung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs Ausgangspunkt der Diskussion sind zwei grundlegende Entscheidungen des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofes, deren inhaltliche Kernaussagen kurz skizziert werden sollen: Nach dem Leitsatz seiner Entscheidung vom 15. 11. 2001 zur sog. Bankuntreue ist für die Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB bei einer Kreditvergabe maßgebend, ob die Entscheidungsträger bei der Kreditvergabe ihre bankübliche Informations- und Prüfungspflicht gravierend verletzt haben447. Die strafbewehrte Pflichtwidrigkeit könne aber entfallen, wenn eine fehlende Information durch andere gleichwertige Informationen ersetzt werde. Nur wenige Tage später hat der Senat in seinem Urteil vom 6. 12. 2001 dieses Erfordernis einer „gravierenden gesellschaftsrechtlichen Pflichtverletzung“ für den Fall der Spendenuntreue weiter ausgebaut448. Ob eine Pflichtverletzung gravierend sei, bestimme sich aufgrund einer Gesamtschau insbesondere der gesellschaftsrechtlichen Kriterien, wobei die fehlende Nähe zum Unternehmensgegenstand, die Unangemessenheit im Hinblick auf die Ertrags- und Vermögenslage, fehlende innerbetriebliche Transparenz sowie das Vorliegen sachwidriger Motive, namentlich das Verfolgen rein persönlicher Präferenzen, bedeutsam seien und jedenfalls dann, wenn sämtliche dieser Kriterien erfüllt seien, eine untreuerelevante Pflichtverletzung vorliege.

b) Analyse der höchstrichterlichen Tatbestandseinschränkung Der 1. Strafsenat verweist mit dem Tatbestandsmerkmal einer „gravierenden Pflichtverletzung“ in diesen zwei Entscheidungen auf eine dogmatisch jeweils unterschiedlich zu behandelnde Begrenzung des Untreuetatbestandes. Generalisierend lässt sich jedoch voranstellen, dass diese Restriktion auf „gravierende Fälle“ keine Geltung beanspruchen kann, wenn die Pflichtwidrigkeit ausnahmsweise449 einmal nicht aus den selbstständigen Pflichtenregeln, sondern aus der reinen Schädigung der Gesellschaft hergeleitet wird450. Denn in der Konsequenz würde dies bedeuten, dass eine strafbare Untreue erst ab einem größeren Schaden in Betracht käme und der Untreuetäter damit im Vergleich zu den „Außenschädigungsdelikten“ Betrug und Diebstahl in ungerechtfertigter Weise privilegiert wäre. Die Verweisung des § 266 Abs. 2 StGB auf § 248a StGB macht deutlich, dass die Geringfügigkeit des Schadens nur ein Strafantragserfordernis auslöst.

447 BGH, Urt. vom 15. 11. 2001 – 1 StR 185 / 01, BGHSt 47, 148 (150, 152) „Sparkasse Mannheim“, in Fortführung von BGHSt 46, 30. 448 BGH, Urt. vom 6. 12. 2001 – 1 StR 215 / 01, BGHSt 47, 187 (188) „SSV Reutlingen“. 449 Zur grundsätzlich gebotenen Trennung von Pflichtwidrigkeit und Schaden siehe oben B., II., 1., b), aa). 450 Schünemann, NStZ 2005, S. 475; im Ergebnis auch Lange, DStR 2002, S. 1103.

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§ 4 Die strafrechtliche Verantwortung wegen Organuntreue gemäß § 266 StGB

aa) Verweis auf das Erfordernis eines Schutzzweckund Pflichtwidrigkeitszusammenhangs Die Entscheidung zur Bankuntreue verweist mit ihrer Tatbestandseinschränkung – wie bereits oben im Einzelnen aufgezeigt451 – letztlich auf die haftungsbegrenzenden Regeln des Schutzzweck- und Pflichtwidrigkeitszusammenhanges, nach deren Maßgaben im Einzelfall zu prüfen ist, ob eine primärrechtliche Pflicht(-widrigkeit) für das Strafrecht gravierend ist452. Nachdem das Kriterium des Schutzzweckzusammenhanges aber vorliegend bereits in die Bestimmung des tatbestandlichen Pflichtenkreises einschränkend eingeflossen ist453, bestätigt das Erfordernis einer „gravierenden Pflichtverletzung“ letztendlich nur die hier anhand der Tatbestandsstruktur begründete Notwendigkeit, im Rahmen der objektiven Zurechnung noch die Fälle eines fehlenden Pflichtwidrigkeitszusammenhangs auszusondern, in denen es auch ohne die aktienrechtliche Pflichtwidrigkeit der Aufsichtsratsmitglieder zu der betreffenden Vermögensminderung gekommen wäre454. bb) Konturierung des unternehmerischen Entscheidungsspielraums Was der 1. Strafsenat in seinem anschließenden Urteil zur Spendenuntreue als spezifisch strafrechtliche Konturierung der Strafbarkeitsgrenze ausgibt, ist in Wahrheit zunächst nichts anderes als die Anerkennung des unternehmerischen Entscheidungsspielraums, der den Organmitgliedern primärrechtlich durch die Business Judgment Rule zugebilligt wird, und den der Senat in den Entscheidungsgründen seiner strafrechtlichen Wertung übrigens auch vorangestellt und umfangreich gewürdigt hat455. Für die strafrechtliche Ausdeutung des Prädikats „gravierend“ macht er mit den Kriterien „Unternehmensgegenstand“, „Unangemessenheit im Hinblick auf die Ertrags- und Vermögenslage (Unternehmensziel)“ und „Verfolgung persönlicher Präferenzen (Unternehmensinteresse)“ gleichwohl wieder die Grenzdaten fruchtbar, mit deren Hilfe bereits die gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung, auf die sich dieses Prädikat in einer zweiten Wertungsstufe erst beziehen soll, im Wesentlichen ermittelt wird456. Die bezeichneten Gravamina als solche Siehe oben B. II., 1., b., aa). In diesem Sinne auch Kubiciel, NStZ 2005, S. 357; Schünemann, NStZ 2005, S. 475; sowie jüngst auch der 3. Strafsenat in BGH, Urt. v. 21. 12. 2005 – 3 StR 470 / 04, ZIP 2006, S. 72 (76) „Mannesmann“. 453 Siehe oben B., II., 1., b), aa). 454 Siehe zum Ausschluss formaler Pflichtverletzungen aus diesem Grund oben B., III., 1., b), bb). 455 Vgl. BGHSt 47, 187 (192 ff.). 456 Vgl. dazu oben I., 3. mit Ausnahme des – gleichwohl nur als prozessuale Beweisregel brauchbaren – Aspekts innerbetrieblicher Transparenz; treffend daher Beckemper, NStZ 2002, S. 325 f.; Dittrich, Untreuestrafbarkeit, S. 213 ff.; Henze, WuB 2002, II. A § 93 AktG 1.02; Sauer, wistra 2002, S. 465 f.; Schünemann, NStZ 2005, S. 476. 451 452

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statuieren deshalb materiell keine weitere strafrechtsspezifische Höhenmarke, wie dies verbreitet suggeriert wird457. Gesteigerte Anforderungen für die strafrechtliche Bewertung lassen sich indessen der abschließend durch den Strafsenat aufgestellten Regel entnehmen, nach der „jedenfalls dann, wenn [ . . . ] sämtliche dieser [gesellschaftsrechtlichen] Kriterien“ vorliegen, die Schwelle der Untreuestrafbarkeit erreicht ist. Diese „jedenfalls-conclusio“ ist mit den speziell die Fallgruppe der Unternehmensspenden prägenden Unwägbarkeiten auf der einen Seite und dem verfassungsrechtlichen Gebot einer für den Normadressaten voraussehbaren Konturierung des Straftatbestandes auf der anderen Seite zu erklären458. Denn nachdem eine mögliche Werbewirkung unentgeltlicher Zuwendungen an Dritte naturgemäß nicht genau gemessen und bilanziell als Vermögenszuwachs abgebildet werden kann, lassen sich auch die damit korrespondierenden Fragen, inwieweit ein (wirtschaftlicher) Nutzen für das spendende Unternehmen durch eine Image- und Akzeptanzsteigerung459 besteht oder ob die Ausgabe sachwidrig von rein persönlichen Präferenzen der Organmitglieder beeinflusst war („pet charities“), häufig ebenfalls nicht eindeutig beantworten. Auf der Ebene des Gesellschaftsrechts wird die Zulässigkeit einer Unternehmensspende deshalb – abgesehen von zweifelsfrei feststellbaren Ermessensüberschreitungen460 – letztlich im Rahmen einer Zusammenschau und Abwägung zwischen der Nähe zum Unternehmensgegenstand, dem möglichen Imagegewinn, der Höhe des aufgewendeten Betrags sowie der Ertragslage des Unternehmens beurteilt461. Im Strafrecht sind hingegen klare Aussagen darüber erforderlich, welchen Gesichtspunkten unter welchen Voraussetzungen welche strafbegründende Bedeutung zukommt462. Vor diesem Hintergrund sind die Bemühungen des Strafsenats zu begreifen und gleichzeitig zu begrüßen, den relativ bestimmten Kernbereich gesellschaftsrechtlicher Pflichtwidrigkeit in den Grenzbereichen der Spendenfälle durch die Voraussetzung sämtlicher Haftungskriterien463 für die strafrechtliche Anwendung hinreichend greifbar zu machen464. Siehe die Nachweise in Fn. 446; mit Einschränkung auch Sauer, wistra 2002, S. 466. Zu dieser Einschätzung gelangt auch der 3. Strafsenat in BGH, ZIP 2006, S. 72 (76) „Mannesmann“. 459 Zur Gesellschaft als „good-corporate-citizen“ siehe oben § 2, B., II., 1., b). 460 Eine Zuwendung, die überhaupt nicht mehr vom Unternehmensgegenstand gedeckt ist, verstößt bereits ohne weiteres gegen den Pflichtenmaßstab der §§ 93, 116 AktG; so mit Recht Lange, DStR 2002, S. 1103. 461 BGHSt 47, 187 (195 ff.) „SSV Reutlingen“; Fleischer, AG 2001, S. 178; Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 120; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 / Rn. 66 f. 462 Dies betont in diesem Zusammenhang auch Sauer, wistra 2002, S. 466 in Fn. 8. 463 Einschränkend sei jedoch angemerkt, dass die angeführte fehlende innerbetriebliche Transparenz als rein formaler Aspekt lediglich eine Art Beweisregel für die untreuerelevante materielle Pflichtwidrigkeit im Rahmen der prozessualen Beweisführung sein kann; siehe dazu oben B., III., c). Die „jedenfalls“-Formel belässt methodisch überdies die Möglichkeit, nach den allgemeinen Regeln der typologischen Rechtsfindung die schwache oder fehlende Ausprägung eines Merkmals im Einzelfall durch besonders starke Ausprägungen der anderen 457 458

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c) Allgemeine Beschränkung des Handlungsunrechts auf „gravierende“ aktienrechtliche Pflichtwidrigkeiten? Soweit das Merkmal einer für das Strafrecht „gravierenden“ Pflichtverletzung terminologisch unvollkommen auf die Regeln des Schutzzweck- und Pflichtwidrigkeitszusammenhanges verweist, wurde seine Allgemeingültigkeit für den Untreuetatbestand bereits dogmatisch fundiert465. Virulent bleibt vorliegend deshalb die Frage, inwieweit sich auch der höchstrichterlichen Strafbarkeitsbegrenzung im Bereich der Spendenuntreue generell gebotene Einschränkungen des Handlungsunrechts entnehmen lassen. Als eine auf die besondere Problematik der Unternehmensspenden zugeschnittene Lösung darf diese Richtlinie des 1. Strafsenats jedenfalls nicht unbesehen auf alle unternehmerischen Entscheidungen oder gar alle aktienrechtlichen Pflichtverletzungen der Organmitglieder übertragen werden, wie dies im Schrifttum bisweilen erfolgt466. So darf insbesondere durch eine – in der „jedenfalls“-Formel methodisch zumindest angelegte – typologisch geprägte Begründung der Strafbarkeitsgrenze nicht der Beliebigkeit Tür und Tor geöffnet werden467. Diese Gefahr offenbart der jüngste Ansatz einiger Autoren, der das strafbewehrte Unrecht auf diese Weise letzten Endes quantitativ bestimmt, indem er für den Regelfall die Erfüllung von mindestens drei der vom Strafsenat genannten vier aktienrechtlichen Kriterien verlangt und ihre Gewichtung im Einzelfall aber an den betreffenden Sachverhalt knüpfen will468. Den Ausgangspunkt der Annäherung an das Handlungsunrecht muss vielmehr die Prämisse bilden, dass die Vorgaben zur Bestimmung des strafbewehrten Verhaltens in erster Linie dem Untreuetatbestand selbst zu entnehmen sind469. So versteht sich auch die Erkenntnis des 1. Strafsenats, es sei mittels einer „Gesamtschau“ zu ermitteln, ob die Pflichtverletzung gravierend ist, wobei („insbesondeMerkmale zu kompensieren; vgl. Dierlamm, StraFo 2005, S. 403; Schünemann, Organuntreue, S. 26 f. 464 Samson, in: Non Profit Law Yearbook 2004, S. 241, will die Problematik der Unternehmensspenden hingegen alternativ dadurch lösen, dass die Annahme eines Vermögensschadens nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ ausscheiden soll, solange ein die Spende kompensierender Nutzen für die Gesellschaft ernsthaft möglich erscheint. 465 Siehe oben B., I., 1., b), aa). 466 Vgl. etwa Braum, KritV 2004, S. 74 ff.; Dierlamm, StraFo 2005, S. 403; Kiethe, WM 2005, S. 2129; ders., NStZ 2005, S. 531; Reiner / Geuter, EWiR § 266 StGB 1 / 06, S. 188; Salditt, NStZ 2005, S. 270; Wollburg, ZIP 2004, S. 657 f.; sowie Henze, WuB 2002, II. A § 93 AktG 1.02, der zumindest die Kriterien auch an der Art der Pflichtverletzung ausrichten will. Feddersen, in: FS Laufs 2006, S. 1190 f., spricht sich de lege ferenda sogar für eine gesetzliche Ergänzung des § 266 StGB um das Tatbestandsmerkmal einer „gravierenden Verletzung von Geschäftsleiterpflichten“ aus. 467 Dass sich der Bundesgerichtshof die endgültige Konkretisierung der Richtlinie im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit für die Zukunft offen halten wollte, sei ihm nachzusehen. 468 Vgl. Dierlamm, StraFo 2005, S. 403; ders., in: MK-StGB, § 266 / Rn. 160; Kiethe, NStZ 2005, S. 531. 469 Treffend Kubiciel, NStZ 2005, S. 357.

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re“) den gesellschaftsrechtlichen Kriterien in diesem Rahmen nur eine Seite der Medaille zukommt. Aus strafrechtlicher Sicht gewähren indessen weder die Tatbestandsstruktur noch der Strafgrund der Untreue ein Argument für eine – abgesehen von der durch den Vermögensschutzzweck bedingten Einschränkung des Pflichtenkreises – weitere materielle Restriktion des strafrechtlichen Pflichtwidrigkeitsbegriffs470. Als allgemein strafrechtsspezifische Maßgabe für eine im Verhältnis zum Gesellschaftsrecht engere Auslegung der Pflichtwidrigkeit verbleibt insofern vor allem das Verfassungsgebot straftatbestandlicher Bestimmtheit sowie der ultima ratio-Charakter des Strafrechts. Für die Untreueerheblichkeit aktienrechtlicher Pflichtverletzungen ergibt sich danach nunmehr im Einzelnen: Überschreiten die Aufsichtsratsmitglieder bei einer unternehmerischen Entscheidung die äußersten Grenzen ihres Ermessenspielraums und erfüllen damit eindeutig eine der drei durch den Bundesgerichtshof genannten materiellen Gravamina471, so ist nicht nur zweifellos die gesellschaftsrechtliche Sorgfaltspflicht, sondern zugleich auch die strafrechtliche Höhenmarke einer Vermögensfürsorgepflichtverletzung erreicht472. Unter diesem Vorbehalt werden insbesondere Maßnahmen, die nicht mehr durch den Unternehmensgegenstand gedeckt sind oder sachwidrig ausschließlich im Interesse des Organmitglieds oder des von ihm repräsentierten (Dritt-)Unternehmens erfolgen, ebenso vom Untreuetatbestand erfasst wie die Verschwendung des anvertrauten Gesellschaftsvermögens ohne jede relevante Gegenleistung („waste of corporate assets“)473 oder die Gefährdung von Bestand und Rentabilität des Unternehmens ohne zwingenden Grund, beispielsweise durch den Entzug von dringend benötigtem Kapital in einer wirtschaftlichen Krise474. Jede Missachtung dieser vermögensschützenden Regeln, die zu einem Vermögensschaden führt, stellt einen zweckwidrigen Gebrauch der eingeräumten Entscheidungsmacht über das Gesellschaftsvermögen dar und begründet damit bereits jeweils für sich auch eine strafbare Untreue. Eine generelle Verengung des Handlungsunrechts auf „gravierende“ aktienrechtliche Sorgfaltspflichtwidrigkeiten in Gestalt der Erfüllung mehrerer oder aller der vom 1. Strafsenat für die Spendenuntreue vorausgesetzten Haftungskriterien findet im Strafgrund der Untreue deshalb weder eine Veranlassung noch eine Legitimation. Dass für eine solche TatSo auch Ransiek, NJW 2006, S. 814; Schünemann, NStZ 2005, S. 475. Das überdies genannte formale Kriterium der innerbetrieblichen Transparenz vermag wie gezeigt für sich keine untreuerelevante Pflichtwidrigkeit zu begründen. 472 Dies stellte jüngst auch der 1. Strafsenat sinngemäß klar, vgl. BGH, Urt. v. 22. 11. 2005 – 1 StR 571 / 04, ZIP 2005, S. 2317 (2319) „Kinowelt“; ebenso Schünemann, Organuntreue, S. 28 f.; ders., NStZ 2005, S. 476; zustimmend J. Vogel / Hocke, JZ 2006, S. 570. 473 Siehe oben I., 3., a) mit einzelnen Beispielen. 474 So der 1. Strafsenat im Fall BGH, ZIP 2005, S. 2317 (2319) „Kinowelt“; ähnlich der 5. Strafsenat in BGH, Urt. v. 13. 5. 2004 – 5 StR 73 / 03, NJW 2004, S. 2248 „Bremer Vulkan“. 470 471

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bestandsrestriktion selbst im Bereich der Spendenuntreue bei einem evidenten Fehlverhalten eines Organmitglieds keine Rechtfertigung besteht, veranschaulicht treffend das von Schünemann gewählte Beispiel: „Soll der mit dem Ausschenken von Champagner bei einer Feier beauftragte Aushilfskellner wegen eines unerlaubten Ausschanks an seine Freundin ausnahmslos wegen Unterschlagung oder gar Diebstahls bestraft werden, während der Vorstand, der im Wege des Sponsoring für eine ihm eng befreundete Künstlerin eine Champagnerparty veranstaltet und dadurch seine gesellschaftsrechtlichen Pflichten verletzt, nur bei hinzukommenden weiteren „gravierenden Pflichtverletzungen“ wegen Untreue strafbar sein soll?“475. Folgerichtig beschränkt sich die Untreuestrafbarkeit auch im Übrigen nicht nur auf solche Verletzungen des aktienrechtlichen Pflichtenkreises, die sich auf Grund einer Gesamtschau der Umstände des jeweiligen Einzelfalls als entsprechend „gravierend“ erweisen. Verkennen bzw. missachten etwa die Aufsichtsratsmitglieder ihre Überwachungs- und Einwirkungspflicht (§ 111 Abs. 1 AktG) oder offenbaren und verwerten sie Geheimnisse oder vertrauliche Informationen zum wirtschaftlichen Nachteil der Gesellschaft (§§ 116, 93 Abs. 1 Satz 3 AktG), so begründet dieses zweifelsfrei gesellschaftsrechtswidrige Verhalten eo ipso jeweils auch eine Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 266 StGB. Eine qualifizierte strafrechtliche Hürde durch Akkumulation mehrerer materieller Gravamina (wie mitunter im Bereich der Spendenuntreue), etwa dergestalt, dass nur die pflichtwidrige Überwachung von Vorstandsgeschäften, die gegen die Gebote der Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit nicht alternativ, sondern kumulativ verstoßen, eine strafrechtliche Sanktion legitimiert, oder dass Verletzungen des Schweige- und Treuegebots nur bei größeren Schäden auch für die Untreue „gravierend“ sind, lässt sich in keiner Weise rechtsdogmatisch instituieren. Dieses Ergebnis bestärkt nicht zuletzt auch der kriminalpolitische Vergleich mit den „Außenschädigungsdelikten“ und deren unnachsichtige Sanktionierung eines Diebstahls oder einer Unterschlagung von Gegenständen des Betriebsvermögens. Die schadensersatzpflichtwidrige Vermögensschädigung der Gesellschaft durch ein Organmitglied kann strafrechtlich nicht anders behandelt werden als die Unterschlagung von beweglichen Sachen aus dem Vermögensbestand der Gesellschaft durch einen einfachen Angestellten, der nicht mit Geschäftsbesorgungsmaßnahmen, sondern mit dem Umgang mit Sachen betraut ist und insofern als Untreuetäter nicht in Frage kommt476. Dieser grundsätzliche Gleichlauf von aktienrechtlicher Pflichtwidrigkeit und strafrechtlichem Handlungsunrecht widerspricht schließlich auch nicht dem Ultima Ratio-Charakter des Strafrechts477. Neben der bereits durch den Vermögensschutz475 Schünemann, Organuntreue, S. 29; zu einem weiteren Fall eindeutiger Spendenuntreue Samson, in: Non Profit Law Yearbook 2004, S. 238 f. 476 So mit Recht Schünemann, Organuntreue, S. 28 f.; ders., NStZ 2005, S. 476, der ansonsten die Gefahr einer „Klassenjustiz“ sieht; vgl. dazu bereits das Beispiel oben. 477 Siehe dazu allgemein oben § 2, A., I.; kritisch äußert sich hierzu Kutzner, NJW 2006, S. 3543.

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zweck bedingten Einschränkung des relevanten Pflichtenkreises beschränkt sich die Untreuestrafbarkeit ferner im subjektiven Tatbestand ausschließlich auf vorsätzliche Pflichtverletzungen. Darüber hinaus ist auf prozessualer Ebene die Beweislast im Strafrecht unterschiedlich verteilt. Im Aktienrecht haben die Organmitglieder gemäß §§ 116, 93 Abs. 2 Satz 2 AktG im Zweifel zu beweisen, dass ihr Verhalten den Sorgfaltsanforderungen entspricht. Während die Sanktionen des Primärrechts mithin bereits dann greifen, wenn die Betroffenen den damit verbundenen Begründungs- und Darlegungsobliegenheiten nicht genügen, gilt strafrechtlich uneingeschränkt die Unschuldsvermutung nach dem „in dubio pro reo“-Grundsatz. Diese Kautelen können im Ergebnis jeweils dazu führen, dass eine Pflichtverletzung, die aktienrechtlich zum Schadensersatz verpflichtet, keine sekundäre Bestrafung wegen Untreue nach sich zieht. Sie verleihen damit der subsidiären Zuständigkeit des Strafrechts im Rahmen des Untreuetatbestandes hinreichend Ausdruck, ohne dass es einer zusätzlichen materiellen Höhenmarke innerhalb des objektiven Straftatbestandes bedarf, und unterstreichen letztlich die Funktion des § 266 StGB als strafrechtliche Business Judgment Rule.

3. Zwischenergebnis Die Überführung aktienrechtlicher Pflichtverstöße in das strafrechtlich relevante Untreueunrecht muss nach Maßgabe des Verfassungsgebots straftatbestandlicher Bestimmtheit erfolgen. Besondere Anforderungen sind in dieser Hinsicht an die Pflichtwidrigkeit unternehmerischer Entscheidungen der Organmitglieder zu stellen, denen typischerweise das Risiko anhaftet, dass die investierten Vermögenswerte (teilweise) verloren gehen und die deshalb einen Ermessensspielraum bedingen. Die im Strafrecht spezifisch für die Fallgruppe der sog. „Risikogeschäfte“ hierzu entwickelten Vorschläge zur verfassungskonformen Einschränkung des Tatbestandes entsprechen der bereits primärrechtlich verankerten Haftungsbegrenzung nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG auf evidente Verstöße gegen die unternehmerische Sorgfalt. Eine darüber hinausgehende spezifische Verengung des strafrechtlichen Handlungsunrechts auf „gravierende“ gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzungen ist weder gerechtfertigt noch geboten. Die durch den 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes unter diesem Gesichtspunkt neuerdings angestrengte Restriktion der Spendenuntreue trägt ausschließlich den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG in dieser besonders gelagerten Konstellation Rechnung. Sie lässt sich deshalb nicht für sonstige, eindeutig feststellbare Verstöße gegen das Aktienrecht – sowohl bei unternehmerischen als auch bei gebundenen Entscheidungen – als zusätzliche strafrechtliche Höhenmarke in den Untreuetatbestand implementieren. In der problematischen Frage einer Untreuestrafbarkeit im Rahmen unternehmerischer Entscheidungen spurt daher die gesellschaftsrechtlich verankerte Business Judgment Rule den strafrechtlichen Weg vor und leistet damit die wesentliche Selektionsfunktion im objektiven Tatbestand. Strafrechtlicher Maßstab und gesell-

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schaftsrechtliche Wertung werden so aufeinander abgestimmt, ohne dass die teleologische Eigenständigkeit des Strafrechts verloren geht. Für die gesellschafts- wie auch die strafrechtliche Bewertung unternehmerischer Maßnahmen ist danach zunächst nicht das inhaltliche Ergebnis und der Grad der Abweichung der tatsächlich getroffenen von der idealen Entscheidung von Bedeutung, sondern das prozedurale Zustandekommen einer informierten, rational nachvollziehbaren Entscheidung. Halten sich die Organmitglieder insoweit an die rechtlichen Verfahrensregeln, insbesondere ihre Pflicht zur ausreichenden Informationsbeschaffung, so beschränkt sich der Strafanspruch auf die Ahndung eines evidenten materiellen Missbrauchs in Gestalt inhaltlich eindeutig unvertretbarer Geschäfte. Erforderlich ist dafür ein überwiegender Konsens unter Sachkundigen dahingehend, dass die Entscheidung unvertretbar ist. Dieses qualifizierte und zugleich trennscharfe Kriterium erlaubt in der praktischen Rechtsanwendung einen strafrechtlichen Untreuetest unternehmerischer (Aufsichtsrats-)Entscheidungen, der jedenfalls zweierlei sicherstellt: Es kann keine Rede davon sein, § 266 StGB passe immer, noch besteht ernsthaft die Sorge, dass kein Gericht und keine Anklagebehörde weiß, ob § 266 StGB vorliegt oder nicht478.

III. Ausschluss der Pflichtwidrigkeit durch Einverständnis des Vermögensinhabers Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des Untreueunrechts bei aktienrechtlichen Pflichtverletzungen der Aufsichtsratsmitglieder allgemein konturiert, bleibt nachfolgend zu erörtern, ob und inwieweit ein strafrechtlicher Vorwurf im Einzelfall auf Grund eines tatbestandsausschließenden 479 Einverständnisses entfallen kann. Da der Untreuetatbestand den Zweck hat, das dem Treupflichtigen anvertraute Vermögen zu schützen, scheidet eine strafbewehrte Vermögensfürsorgepflichtverletzung gemeinhin aus, wenn der Vermögensinhaber sein Einverständnis mit der Vermögensschädigung erklärt hat480. Im Vergleich zu der entsprechenden Problemstellung bei der GmbH hat die Frage einer Einverständniserteilung innerhalb von Aktiengesellschaften bislang wenig Aufmerksamkeit erfahren481. Vorliegend gilt es daher aufzuarbeiten, wer innerhalb der Aktiengesellschaft in welchem Umfang zur Erteilung eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses mit Vermögensschädigungen der Aufsichtsratsmitglieder befugt ist. 478 Siehe zu dieser allgemeinen und wiederholt formulierten Kritik am Untreuetatbestand oben A., II. 479 H. M., vgl. etwa Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 66; Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 21; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 758. 480 Vgl. BGHSt 3, 23 (25); BGH, ZIP 2006, S. 72 (75) „Mannesmann“. 481 Vgl. D. Busch, Konzernuntreue, S. 151 ff.; J. Kaufmann, Organuntreue, S. 58 ff., 140 ff.

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1. Zuständigkeit Sofern eine Auseinandersetzung mit der Einverständnisproblematik bei Aktiengesellschaften stattfindet, bleibt die Frage, welches der Organe der Gesellschaft zurechenbar den Willen zur Einverständniserteilung überhaupt vermitteln darf, weitgehend ausgeblendet. Das bei der GmbH überwiegend anerkannte Ergebnis, dass die Gesellschafter als Anteilseigner, verbunden in ihrer Gesamtheit oder mittels der Gesellschafterversammlung, im Rahmen des § 266 StGB zur Disposition über das Gesellschaftsvermögen befugt sind482, lässt sich angesichts der unterschiedlichen Organstrukturen jedenfalls nicht unbesehen auf die Aktiengesellschaft übertragen483. Während die Gesellschafterversammlung in der GmbH oberstes Organ und Entscheidungszentrum des Unternehmens484 ist, bleibt der Einfluss der Aktionäre auf die eigenverantwortliche Verwaltung der Aktiengesellschaft stark beschränkt485. Die Vermögenshoheit der Anteilseigner innerhalb der Aktiengesellschaft kann deshalb nicht in einer allgemein beherrschenden Stellung der sie repräsentierenden Hauptversammlung gründen486. Hier befindet regelmäßig der Vorstand über die Interessen der Gesellschaft (§§ 76, 77 AktG). Gleichwohl sind den Aktionären auch innerhalb der Aktiengesellschaft herausragende vermögensbezogene Sonderkompetenzen zugewiesen. So werden der Hauptversammlung namentlich die Verwendung des Bilanzgewinnes (§§ 58 Abs. 3, 119 Abs. 1 Nr. 2, 174 AktG) sowie Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und der Kapitalherabsetzung (§ 119 Abs. 1 Nr. 6 AktG) überantwortet. Ferner verfügt sie über eine Entscheidungskompetenz hinsichtlich vermögensrelevanter Geschäftsführungsfragen, die entweder vom Vorstand vorgelegt werden (§ 119 Abs. 2 AktG) oder nach der „Holzmüller-Doktrin“ auf die Entwicklung des Unternehmens einen so wesentlichen Einfluss haben, dass die Verwaltungsorgane diese Entscheidungen ohne eine Anhörung der Aktionäre nicht treffen dürfen487. Zuletzt unterwirft § 179a AktG auch einen Vertrag, durch den sich die Gesellschaft zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens verpflichtet, der Zustimmung durch die Hauptversammlung. In dieser exzeptionellen Stellung der Aktionäre in Vermögensfragen manifestiert sich letztlich die Erkenntnis, dass das durch § 266 StGB geschützte Vermögen der juristischen Person jedenfalls wertmäßig das der Gesamtheit der Aktionäre ist488. Wenngleich ihnen das Gesellschaftsvermögen rechtlich nicht zugewiesen 482 Streit herrscht insoweit lediglich über die Grenzen der Dispositionsbefugnis; eingehend dazu Fischer, Komm. StGB, § 266 / Rn. 52 ff.; Schramm, Untreue, S. 107 ff. 483 So aber Fischer, Komm. StGB, § 266 / Rn. 54; Kühl, Komm. StGB, § 266 / Rn. 20b; Nelles, Untreue, S. 552. 484 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 13 / Rn. 914. 485 Näher dazu Hüffer, Komm. AktG, § 119 / Rn. 1; Kort, in: Großkomm. AktG, Vor § 76 / Rn. 10. 486 Treffend D. Busch, Konzernuntreue, S. 153 ff.; Zech, Untreue, S. 108. 487 Siehe die Nachweise oben § 2, B., IV., 6. 488 Ähnlich Seier, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, V 2 / Rn. 211.

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ist, beanspruchen die Anteilseigner daher im Ergebnis (auch) innerhalb der Aktiengesellschaft die ausschließliche Zuständigkeit für eine untreuerelevante Einwilligung in schädigende Verwaltungsmaßnahmen489.

2. Reichweite der Dispositionsbefugnis Ist die Zuständigkeit geklärt, so schließt sich die äußerst umstrittene Frage an, in welchem Umfang die Aktionäre strafrechtlich zur Disposition über das Gesellschaftsvermögen befugt sind. Sowohl der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes490 als auch die Literatur491 verweisen hier streng akzessorisch auf die soeben dargestellten gesellschaftsrechtlichen Beschlusskompetenzen der Hauptversammlung. Da jedoch ein erteiltes Einverständnis grundsätzlich nur wirksam ist, sofern es nicht selbst gegen gesetzliche Vorschriften verstößt492, wird die Vermögenshoheit der Aktionäre zugleich unter den Vorbehalt der gesetzlich strengen Vermögensbindung gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG gestellt. Danach ist das gesamte Gesellschaftsvermögen gegen Entnahmen durch die Aktionäre, auch gegen Entnahmen zugunsten Dritter, gesetzlich geschützt493. Im Ergebnis würde sich die strafrechtliche Entscheidungshoheit der Anteilseigner nach dieser bislang vorherrschenden Ansicht auf die Verwendung des Bilanzgewinnes gemäß §§ 58 Abs. 3, 119 Abs. 1 Nr. 2, 174 Abs. 1 Satz 1 AktG beschränken. Im Hinblick auf ein vermögensschädigendes Verhalten der Aufsichtsratsmitglieder hätte sie gar zur Folge, dass die Möglichkeit eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses praktisch nicht bestünde. Denn in den relevanten Fällen, in denen der Aufsichtsrat über Zuwendungen der Gesellschaft an Dritte entscheidet, insbesondere Vergütungen oder Kredite an Vorstandsmitglieder ausreicht494, handelt es sich entgegen der Prämisse des 489 So auch der 3. Strafsenat des BGH, ZIP 2006, S. 72 (75) „Mannesmann“; D. Busch, Konzernuntreue, S. 155 f.; Seier, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, V 2 / Rn. 211; ablehnend LG Düsseldorf, ZIP 2004, S. 2044 (2055) „Mannesmann“; Zech, Untreue, S. 107 ff. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 217, hält hingegen auch den Aufsichtsrat für befugt, in vermögensschädigende Verwaltungsmaßnahmen des Vorstands einzuwilligen. Dies vermag insofern nicht zu überzeugen, als der Aufsichtsrat in gleicher Weise wie der Vorstand als Verwaltungsorgan treuhänderisch gebunden ist und deshalb gerade nicht frei über das Gesellschaftsvermögen verfügen darf. 490 BGH, ZIP 2006, S. 72 (75 f.) „Mannesmann“. 491 D. Busch, Konzernuntreue, S. 156 f.; Fischer, Komm. StGB, § 266 / Rn. 54; J. Kaufmann, Organuntreue, S. 151; Ransiek, NJW 2006, S. 815; Schramm, Untreue, S. 144; Seier, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, V 2 / Rn. 211. 492 Vgl. Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 67; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 761. 493 Obwohl § 57 Abs. 1 AktG nur von einer unzulässigen Rückgewähr von „Einlagen“ spricht, ist nach herrschender Meinung – abgesehen vom Bilanzgewinn – das gesamte Gesellschaftsvermögen der Disposition durch die Aktionäre entzogen. Ergänzt wird diese Norm durch die §§ 59, 62, 66 Abs. 2 und 71 ff. AktG; näher dazu Henze, in: Großkomm. AktG, § 57 / Rn. 8 ff. 494 Ausführlich dazu unten IV., 1. bzw. 4., a).

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3. Strafsenats des Bundesgerichtshofes495 gerade nicht um die einwilligungsfähige Verwendung von Bilanzgewinn im Sinne von § 58 Abs. 3 Satz 2 AktG, sondern um ertragsmindernden (Personal-)Aufwand im Rahmen der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 158 AktG, § 275 HGB)496. Durch einen Gewinnverwendungsbeschluss können die Aktionäre daher, selbst wenn sie wollten, auf die Zulässigkeit der Aufsichtsratsentscheidungen aktienrechtlich keinen Einfluss nehmen497. Die strenge Zivilrechtsakzessorietät der vorherrschenden Meinung vermag in diesem Zusammenhang jedoch nicht zu überzeugen. Es ist vielmehr eine Frage, ob die Hauptversammlung den Aufsichtsratsmitgliedern gesellschaftsrechtlich durch Beschluss ein Einverständnis erteilen kann. Eine andere Frage ist es hingegen, ob die Aufsichtsratsmitglieder eine gesellschaftsrechtlich unverbindliche Einwilligung durch die Aktionäre befolgen dürfen, ohne sich einem strafrechtlichen Untreuevorwurf wegen Schädigung der Gesellschaft auszusetzen. Die Sekundarität des Strafrechts impliziert jedenfalls keine strenge Akzessorietät zur Primärmaterie des Aktienrechts, sondern gebietet stets eine eigenständige Selektion und Begründung strafwürdiger und strafbedürftiger Verhaltensweisen498. Die Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 57 ff. AktG, die aktienrechtlich die Vermögenshoheit der Anteilseigner einschränken, bezwecken den Schutz der Gesellschaftsgläubiger sowie der an einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht partizipierenden (Minderheits-)Aktionäre499. Sie schützen jedenfalls kein eigenständiges (Vermögens-)Bestandsinteresse der Gesellschaft500. Der Straftatbestand der Untreue dient dahingegen ausschließlich dem Schutz des Gesellschaftsvermögens501. Geht es § 266 StGB bei der Erhaltung des Vermögensbestandes der Gesellschaft materiell um die Interessen der Anteilseigner als den „wirtschaftlichen Vermögensinhabern“, so entscheidet über den strafrechtlichen Vorwurf einer Vermögensschädigung allein deren Wille. Der strafrechtliche Schutz der Gläubigerinteressen erfolgt einzig durch die Insolvenzstraftatbestände der §§ 283 ff. StGB502 und darf auf die Frage einer Un495 BGH, ZIP 2006, S. 72 (75 f.) „Mannesmann“; dem Senat folgend Ransiek, NJW 2006, S. 815; im Ergebnis auch Schramm, Untreue, S. 144. 496 Vgl. Henze, in: Großkomm. AktG, § 57 / Rn. 81; Hoffmann-Becking, NZG 2006, S. 130 f.; Lutter, in: Kölner Komm. AktG, § 58 / Rn. 76. 497 Kropff, in: Münchener Komm. AktG, § 174 / Rn. 32, bemerkt zwar richtig, dass grundsätzlich auch die Hauptversammlung den Verwaltungsmitgliedern im Rahmen einer „anderen Verwendung des Bilanzgewinns“ etwa eine Sondertantieme bewilligen kann. Hierbei handelt es sich jedoch um einen völlig anderen Vorgang, in den jedenfalls der Aufsichtsrat überhaupt nicht involviert ist. Eine Zustimmungskompetenz der Aktionäre bei vermögensrelevanten Aufsichtsratsentscheidungen lässt sich deshalb aus dieser Befugnis – erst Recht in Jahren, in denen die Gesellschaft gar keinen Bilanzgewinn ausweist – nicht ableiten. 498 Grundlegend dazu oben § 2, A., II. 499 Bayer, in: Münchener Komm. AktG, § 57 / Rn. 1; Henze, in: Großkomm. AktG, § 57 / Rn. 7; Hüffer, Komm. AktG, § 57 / Rn. 1; Lutter, in: Kölner Komm. AktG, § 57 / Rn. 2. 500 Vgl. BGH, ZIP 1995, S. 819 (824); a. A. J. Kaufmann, Organuntreue, S. 149 ff. sowie wortgleich Wellkamp, NStZ 2001, S. 119. 501 Siehe oben A., III.

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treuestrafbarkeit keinen Einfluss haben503. Ein Einverständnis der Aktionäre, das gesellschaftsrechtlich aus Gründen des Gläubigerschutzes unverbindlich ist, schließt deshalb ein strafrechtliches Untreueunrecht der Aufsichtsratsmitglieder gleichwohl aus504. Somit bleibt zu klären, ob es für ein wirksames strafrechtliches Einverständnis der Zustimmung aller Anteilseigner bedarf, oder ob in Anlehnung an aktiengesetzliche Beschlussfähigkeiten bereits ein geringeres Quorum den Tatbestand auszuschließen vermag. Ransiek505 verweist in dieser Frage auf die Regelungen der §§ 133, 179 Abs. 2 AktG, die sich für einen die Gesamtheit der Anteilseigner repräsentierenden Beschluss bereits mit einer einfachen Mehrheit bzw. mit einer Mehrheit von 75 Prozent des vertretenen Grundkapitals begnügen, sowie auf die Vorschrift des § 327a AktG, wonach auf Verlangen eines Aktionärs, dem Aktien in Höhe von 95 Prozent des Grundkapitals gehören, die übrigen Minderheitsaktionäre zur Übertragung ihrer Aktien gezwungen werden können. Er zieht aus der Gesamtschau dieser Bestimmungen den Schluss, dass für ein strafrechtliches Einverständnis jedenfalls die Zustimmung aller Aktionäre ebenfalls nicht erforderlich sein könne, ohne die strafrechtliche Höhenmarke aber (letztlich beliebig) selbst zu bestimmen506. Für die Notwendigkeit der Einverständniserteilung durch alle Anteilseigner streitet jedoch nicht nur das verfassungsrechtliche Gebot straftatbestandlicher Bestimmtheit aus Art. 103 Abs. 2 GG, sondern insbesondere auch die Tatsache, dass der Untreuetatbestand das gesamte Vermögen der Gesellschaft und nicht nur einen „Großteil“ des Grundkapitals schützt. Folgerichtig kann der strafrechtliche Vorwurf einer Vermögensschädigung nur entfallen, wenn die Gesamtheit der betroffenen Anteilseigner ihre Zustimmung erteilt hat507. Im Rahmen einer bevorstehenden Unternehmensübernahme gilt es schließlich zu beachten, dass die Einverständniserteilung eines zukünftigen Alleinaktionärs Siehe oben A., IV. Wie hier im Ergebnis D. Busch, Konzernuntreue, S. 156 f.; Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 21; Nelles, Untreue, S. 552. 504 A. A. ausdrücklich Ewald, Untreue, S. 238; J. Kaufmann, Organuntreue, S. 149 ff.; Kühl, Komm. StGB, § 266 / Rn. 20b; E. Schneider, Untreue, S. 87 f.; Spindler / Kasten, WuB 2006, IX. § 266 StGB 1.06; Wellkamp, NStZ 2001, S. 119. 505 Ransiek, NJW 2006, S. 815. 506 Ähnlich Wollburg, ZIP 2004, S. 656, der die Einwilligung eines „Großaktionärs“ ausreichen lässt. 507 Wie hier BGH, ZIP 2006, S. 72 (76) „Mannesmann“; Dittrich, Untreuestrafbarkeit, S. 231 ff.; Praxisrelevanz besitzt das tatbestandsausschließende Einverständnis daher vornehmlich in kleinen oder mittelständischen Aktiengesellschaften, wohingegen in börsennotierten Publikums-Aktiengesellschaften diese Möglichkeit faktisch kaum in Betracht kommen wird. Dort kann sich jedoch das für § 266 Abs. 2 StGB maßgebliche quantitative Ausmaß des Unrechts um die Höhe des Aktienanteils der Einwilligenden vermindern; vgl. Hanft, Jura 2007, S. 60 f.; Lenckner, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, Vor §§ 32 ff. / Rn. 22; Tiedemann, in: FS Weber 2004, S. 321. 502 503

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eine Untreue der Aufsichtsratsmitglieder der Zielgesellschaft nicht ausschließt508. Das Unrecht einer Tat muss anerkanntermaßen nach dem Zeitpunkt ihrer Begehung bestimmt werden, so dass ein wirksames Einverständnis nur vor der Tat509 von den rechtlichen „Noch-Anteilseignern“ erteilt werden kann510. Denn § 266 StGB schützt, wie gezeigt, nur die Interessen der „wirtschaftlichen Vermögensinhaber“, nicht aber die Belange zukünftiger Anleger.

IV. Praktisch relevante Fallkonstellationen einer Untreuestrafbarkeit der Aufsichtsratsmitglieder Ist das Untreueunrecht der Aufsichtsratsmitglieder im Falle eines aktienrechtlichen Pflichtverstoßes allgemein konturiert, so gilt es nunmehr, diese Voraussetzungen einer strafbewehrten Verletzung der Vermögensfürsorgepflicht für die in der Praxis relevanten Fallkonstellationen materiell jeweils näher zu spezifizieren.

1. Missbrauchsuntreue durch Verletzung der Vermögensfürsorgepflicht gemäß § 87 Abs. 1 AktG Der „Mannesmann“-Prozess hat zuletzt vor allem die vermögenswirksamen Vergütungsentscheidungen des Aufsichtsrats in das Blickfeld der Strafrichter gerückt. In diesem Kompetenzbereich wird die Aufgabe der Vermögensfürsorge im Besonderen durch die Vorschrift des § 87 AktG ausgestaltet. In Bezug auf das untreuerelevante Handlungsunrecht sind dabei im Folgenden zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden: Die Festsetzung der Vorstandsbezüge durch den Aufsichtsrat bzw. den Personalausschuss511 kann sich entweder dem Grunde nach oder der Höhe nach als treupflichtwidrig im Sinne des § 266 StGB erweisen. Da ein Pflichtverstoß in beiden Fällen jedenfalls nicht zur Nichtigkeit des Anstellungsvertrages führt512, bleibt die Vergütungszusage des Aufsichtsrats für die Gesellschaft im Au508 A. A. Ransiek, NJW 2006, S. 816; Steiner, Kreditwesen 2006, S. 1264; Wollburg, ZIP 2004, S. 656. 509 Beachte jedoch zum Problem der tauglichen Tathandlung als notwendiger Anknüpfungspunkt die Fallstudie unten IV., 1., d), bb), (1). 510 Zutreffend BGH, ZIP 2006, S. 72 (76) „Mannesmann“, wonach das Einverständnis des zukünftigen Alleinaktionärs allein im Rahmen der Strafzumessung Berücksichtigung finden kann. 511 Siehe dazu unten § 6, A., III., 2. 512 So auch die h. M., vgl. Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 87 / Rn. 25; Hüffer, Komm. AktG, § 87 / Rn. 8; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 87 / Rn. 3; Schwark, in: FS Raiser 2005, S. 394 f.; Thüsing, ZGR 2003, S. 505; a. A. Martens, ZHR 169 (2005), S. 135; Peltzer, in: FS Lutter 2000, S. 579 f.; Säcker / Stenzel, JZ 2006, S. 1151 ff. Eine Unwirksamkeit der Vereinbarung kommt nur unter bei einem weitergehenden Verstoß gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB in Betracht.

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ßenverhältnis verbindlich (vgl. § 112 AktG). Das nachfolgende Handlungsunrecht bezeichnet damit jeweils einen typischen Fall der Missbrauchsuntreue gemäß § 266 Abs. 1, 1. Alt. StGB513.

a) Pflichtwidrige Festsetzung von Vorstandsbezügen dem Grunde nach Gemäß § 87 Abs. 1 AktG hat der Aufsichtsrat bei der Festlegung der Anstellungskonditionen dafür zu sorgen, „dass die Gesamtbezüge in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen“. Dem Aufsichtsrat wird danach ein verbindlicher Maßstab für die Festsetzung der Höhe der Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds an die Hand gegeben514. In der Wahl möglicher Vergütungsformen (Festgehalt, Gewinnbeteiligung, Aufwandsentschädigung, Versicherungsentgelt, Provision, Aktienoption, Sonderzahlung, Ruhegehalt, Hinterbliebenenbezüge515) sowie in der Entscheidung über die Zusammensetzung der Gesamtbezüge werden die Aufsichtsratsmitglieder zunächst nicht besonders eingeschränkt516. Der Fall „Mannesmann“ hat gleichwohl in der Literatur zahlreiche Rufe nach Restriktionen (auch) des Gestaltungsermessens heraufbeschworen und insbesondere die Rechtsprechung517 dazu veranlasst, die Mitglieder des Aufsichtsrats bereits auf dieser ersten Stufe der Vergütungsentscheidung in die (Vermögensfürsorge-)Pflicht zu nehmen. Gegenstand der fachjuristischen Auseinandersetzung ist die Frage, ob und inwieweit der Aufsichtrat überhaupt dem Grunde nach einzelnen Vorstandsmitgliedern nachträglich freiwillige Sonderzahlungen und damit eine Erhöhung ihrer Gesamtbezüge gewähren darf.

Siehe dazu oben A., V., 1., a). Baums, Anerkennungsprämien, S. 3 ff.; ders., in: FS Huber 2006, S. 659; Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 87 / Rn. 2; Wollburg, ZIP 2004, S. 650. Vgl. auch Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 111: „Denn kommt der Aufsichtsrat nachträglich zu der Ansicht, dass die Gesamtbezüge unangebracht hoch [Hervorhebung durch den Verfasser] seien, so hat er – abgesehen von Absatz 2 – praktisch keine Möglichkeit, die Bezüge des Vorstands herabzusetzen [Hervorhebung durch den Verfasser]“. 515 Siehe zu den unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten Schüller, Vorstandsvergütung, S. 60 ff. 516 Für eine (entsprechende) Anwendung des Angemessenheitsgebots auf die inhaltliche Ausgestaltung der Vergütung Lange, AuR, 2004, S. 84 f., 87. 517 BGH, ZIP 2006, S. 72 (73 ff.) „Mannesmann“. 513 514

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aa) Freiwillige Anerkennungsprämien für aktive Vorstandsmitglieder („Appreciation awards“) (1) Stand der Rechtsprechung Das Reichsgericht518 hatte dem Aufsichtsrat zunächst ausdrücklich die Möglichkeit zugestanden, jederzeit nach Abschluss des Anstellungsvertrages die Vorstandsvergütungen durch Beschluss heraufzusetzen, insbesondere auch in Gestalt einer nachträglichen freiwilligen Erhöhung der Bezüge für bereits erbrachte Vorstandsleistungen und ohne vorherige vertragliche Bindung. Das Landgericht Düsseldorf 519 vertrat im „Mannesmann“-Prozess dahingegen zuletzt die Auffassung, dass der Begriff „Aufgaben des Vorstandsmitglieds“ in § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG zwingend ein prospektives Element im Sinne zukünftiger Aufgaben enthalte und deshalb rein retrospektive Vergütungen für erbrachte Leistungen generell nicht erlaube. Die Richter unterstrichen dieses Ergebnis mit dem Einwand, dass sich eine solche nachträglich gewährte Annerkennungsprämie letztlich als doppelte Vergütung für die gleiche dienstvertraglich geschuldete Aufgabe darstelle520. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs521 hat in der nächsten Instanz des „Mannesmann“-Verfahrens sodann einen Mittelweg eingeschlagen und eine „DreiStufen-Theorie“522 zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit nachträglicher Sonderzahlungen entwickelt: 1. Sofern im Dienstvertrag eine einmalige oder jährlich wiederkehrende Prämie als variabler Vergütungsbestandteil vereinbart sei, dürfe sie auch nach Ablauf des Geschäftsjahres – unter dem Vorbehalt der Angemessenheit – zuerkannt werden. 2. Fehle eine Rechtsgrundlage im Dienstvertrag, so sei die Bewilligung einer nachträglichen Anerkennungsprämie zulässig, wenn und soweit dem Unternehmen gleichzeitig Vorteile zuflössen, die in einem angemessenen Verhältnis zu der mit der freiwilligen Zusatzvergütung verbundenen Minderung des Gesellschaftsvermögens stünden. Dies komme insbesondere dann in Betracht, wenn die freiwillige Sonderzahlung entweder dem begünstigten Vorstandsmitglied selbst oder zumindest anderen aktiven oder potentiellen Führungskräften signalisiere, dass sich außergewöhnliche Leistungen lohnen. Vor dem Hintergrund einer Anreizwirkung für Dritte erscheine danach eine nachträgliche Zuwendung selbst an Vorstandsmitglieder denkbar, die demnächst aus der Gesellschaft ausscheiden. RG, DR 1944, S. 488 (490). LG Düsseldorf, Urt. v. 22. 7. 2004 – XIV 5 / 03, ZIP 2004, S. 2044 (2046 ff.) „Mannesmann“. 520 In diesem Sinne auch Brauer, NZG 2004, S. 507 ff.; Martens, ZHR 169 (2005), S. 134; Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 120. 521 BGH, ZIP 2006, S. 72 (73 ff.) „Mannesmann“. 522 Fleischer, DB 2006, S. 543. 518 519

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3. Eine im Dienstvertrag nicht vereinbarte Sonderzahlung für eine geschuldete Leistung, die ausschließlich belohnenden Charakter habe und der Gesellschaft keinen zukunftsbezogenen Nutzen bringen könne (sog. kompensationslose Anerkennungsprämie), sei hingegen als treupflichtwidrige Verschwendung des anvertrauten Gesellschaftsvermögens zu bewerten und deshalb bereits dem Grunde nach unzulässig. Die Pflichtwidrigkeit gründe in diesem Fall in der nachträglichen Änderung des Dienstvertrages, da selbst besondere Leistungen der Vorstandsmitglieder durch die ursprüngliche Vergütungsvereinbarung abgegolten seien. (2) Dogmatische Einordnung der Rechtsprechung in das Aktienrecht Die durch den 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs aufgestellten Kautelen der Rechtmäßigkeit nachträglicher freiwilliger Sonderzahlungen haben in juristischen Fachkreisen ebenso für Aufsehen und Meinungsverschiedenheiten gesorgt523 wie bereits die gänzliche Ablehnung retrospektiver Zusatzleistungen durch die Vorinstanz des Landgerichts Düsseldorf524. Die jüngsten Urteile fordern deshalb zu einer dogmatischen Analyse ihrer Entscheidungsgründe heraus. (a) Keine präjudizierende Wirkung des Aufgabenbegriffs in § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG Die rein prospektive Auslegung des Aufgabenbegriffs in § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG durch das Landgericht Düsseldorf widerspricht der heute vorherrschenden Rechtsüberzeugung, dass die im Gesetz genannten Bezugspunkte des Angemessenheitsgebots nicht abschließend zu verstehen sind. Danach darf und soll insbesondere auch die Leistung des Vorstandsmitglieds als zentraler retrospektiver Beurteilungsmaßstab in die Vergütungsentscheidung einfließen525. In diesem Sinne hält nicht nur der Deutsche Corporate Governance Kodex in Ziff. 4.2.2 Abs. 2 Satz 1 und 2 den Aufsichtsrat dazu an, die Vorstandsvergütung auf der Grundlage einer Beurteilung der Leistung sowohl des einzelnen Mitglieds als auch des Gesamtgremiums festzulegen. Auch die Regierungsbegründung zum VorstOG führte jüngst aus, die individuelle Offenlegung der Vorstandsbezüge diene der Feststellung, ob der Aufsichtsrat die Vergütung „entsprechend den individuellen Leistungen der Vorstandsmitglieder“ festgesetzt habe526. Dass die Vorstandsbezüge gleichwohl nicht nach Erbringung der Tätigkeit, sondern regelmäßig ex ante festgesetzt wer523 Vgl. etwa Fleischer, DB 2006, S. 543 f.; Hoffmann-Becking, NZG 2006, S. 127 ff.; Kort, NZG 2006, S. 131 ff.; Peltzer, ZIP 2006, S. 206 ff. 524 Vgl. Fleischer, DStR 2005, S. 1329 ff.; Kort, NJW 2005, S. 333 ff. 525 Vgl. Baums, Anerkennungsprämien, S. 5 f.; ders., in: FS Huber 2006, S. 661 f.; Fleischer, DStR 2005, S. 1280, 1320; Fonk, NZG 2005, S. 249 f.; Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 87 / Rn. 13; Hüffer, Komm. AktG, § 87 / Rn. 4; Kort, NJW 2005, S. 333, 335; Semler, in: FS Budde 1995, S. 606. 526 Begr. RegE. VorstOG, BT-Drucks. 15 / 5577, S. 6.

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den, ist eine Selbstverständlichkeit des Dienstvertragsrechts und kein besonderes Indiz für eine rein prospektive Ausrichtung der Vergütungsentscheidung527. Der Aufsichtsrat ist nur insofern zu einer zukunftsorientierten Betrachtung gehalten, als er jedenfalls bei der erstmaligen Festsetzung der Bezüge die Leistungsbeurteilung des Vorstandsmitglieds nur anhand dessen künftig zu erfüllenden Aufgaben vornehmen kann528. Vor diesem Hintergrund kann der Vorschrift des § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG keine generelle Sperrwirkung gegenüber einer nachträglichen Erhöhung der Vorstandsvergütung beigemessen werden529. (b) Zulässigkeit der Abänderung der dienstvertraglichen Vergütungsvereinbarung Der weitere Einwand, eine nachträglich gewährte Anerkennungsprämie bedeute letztlich eine doppelte Vergütung für die identische Aufgabe und erfolge somit donandi causa, lässt sich in dieser Absolutheit ebenfalls nicht aufrechterhalten 530. Die Vorgabe des § 87 Abs. 1 AktG hindert den Aufsichtsrat nicht, eine bereits getroffene Vergütungsentscheidung später zu ergänzen und einem Vorstandsmitglied für herausragende und überobligationsmäßige Leistungen nachträglich eine zusätzliche Sonderzahlung zu gewähren531. Hiergegen bestehen ebenso wenig Bedenken wie gegen die nachträgliche Zusage von Aufwendungsersatz532. Ein „Ermessensverbrauch“ nach einer einmal getroffenen Festsetzung lässt sich hier genauso wenig begründen wie bei vergleichbaren freiwilligen Sonderzahlungen an Arbeitnehmer oder nachträglichen Kulanzleistungen gegenüber Kunden oder Zulieferern des Unternehmens533. Die nachträgliche Anpassung der Vergütungsvereinbarung ist für die Gesellschaft eine aus rechtsökonomischer Sicht sachgerechte Möglichkeit, die auf Grund der unvollkommenen Voraussicht der Beteiligten zunächst prognostische Leistungseinschätzung bei der anfänglichen Vertragsgestaltung ex post nuanciert zu korrigieren534. Entsprechend ist es dem Vorstand nach allgemeiner An-

Kort, NJW 2005, S. 335. Hoffmann-Becking, NZG 2006, S. 128; Kort, NJW 2005, S. 335. 529 So nun auch BGH, ZIP 2006, S. 72 (74) „Mannesmann“. 530 Rechtsvergleichend hat sich die frühere Einordnung nachträglicher Bonuszahlungen als Schenkung ebenfalls nicht durchgesetzt, siehe dazu eingehend Fleischer, DStR 2005, S. 1321; ablehnend bereits RG, DR 1944, S. 488 (490). 531 Fleischer, DStR 2005, S. 1320; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), S. 162; Hüffer, Komm. AktG, § 87 / Rn. 4; Marsch-Barner, in: FS Röhricht 2005, S. 405; Semler, in: FS Budde 1995, S. 606; Wollburg, ZIP 2004, S. 650; Zech, Untreue, S. 213, 215. 532 Baums, Anerkennungsprämien, S. 6; ders., in: FS Huber 2006, S. 661; vgl. auch BGH, NZG 2003, S. 535 (537). 533 Vgl. Fleischer, DB 2006, S. 543; Ransiek, NJW 2006, S. 815. 534 Eingehend Baums, Anerkennungsprämien, S. 14 ff.; ders., in: FS Huber 2006, S. 669 ff.; Fleischer, DStR 2005, S. 1320; Hoffmann-Becking, NZG 2006, S. 129; Spindler, ZIP 2006, S. 351 f.; Wollburg, ZIP 2004, S. 652 f. Peltzer, ZIP 2006, S. 207, zufolge entspricht 527 528

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sicht als Verwaltungsorgan gestattet, nachgeordneten Führungskräften über das zunächst dienstvertraglich Vereinbarte hinaus Sonderzahlungen und Gratifikationen für besondere Leistungen zu gewähren535. Für den Aufsichtsrat kann letztlich nichts anderes gelten536. Dass Vorstandsverträge im Gegensatz zu den Dienstverträgen von Führungskräften nach § 84 Abs. 1 Satz 5 AktG nur längstens für fünf Jahre abgeschlossen werden können, impliziert nicht, dass sie während dieser Laufzeit nicht einvernehmlich abgeändert werden dürfen537. Die gesetzliche Höchstdauer soll die Gesellschaft lediglich vor einer überlangen Bindung an ein Vorstandsmitglied schützen538. Die Rechtsprechung unterstellt dahingegen, dass auch besondere Leistungen und Erfolge von Vorstandsmitgliedern bereits in die ursprüngliche Vergütungsvereinbarung „eingepreist“ seien. Sie greift damit die bereits in der Literatur539 ausgesprochene These auf, dass es unter dem Gesichtspunkt der Vertragsgerechtigkeit keinen rechtfertigenden Grund gebe, das von den Parteien als angemessen bewertete Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nachträglich zu Ungunsten der Gesellschaft abzuändern, die umgekehrt auch das Risiko zu tragen habe, dass der Vorstand hinter der von ihm erwarteten Leistung zurückbleibt. Sowohl die gemeinhin für zulässig erachteten variablen Vergütungsbestandteile als insbesondere auch die vom Bundesgerichtshof540 selbst anerkannte Ermessenstantieme541 zeigen indessen, dass eine angemessene Entlohnung nicht in jedem Fall von Vertragsschluss an gegeben und „zementiert“ sein muss542. Allein die dienstvertragliche Anspruchsgrundlage der Ermessenstantieme vermag angesichts ihrer Unbestimmtheit und dem verbleibenden Gestaltungsspielraum – über die Auszahlung und die Höhe der Ermessenstantieme entscheidet das Präsidium oder der Personalausschuss des Aufsichtsrats nach pflichtgemäßem Ermessen erst am Ende des Geschäftsjahres – nicht den Ausschlag für die Frage zu geben, ob in der Gewährung einer nachträglichen Leistungsprämie eine strafbewehrte Untreue liegt543. Dieser für den 3. Strafdies einer allgemeinen Intention der Rechtsordnung, Äquivalenzstörungen in Leistungsbeziehungen wieder zu beheben. 535 Vgl. Preis, in: Erfurter Komm. ArbR, § 611 BGB / Rn. 663 ff. m. w. N.; BAG, NZA 2003, S. 576. 536 Darauf verweist auch Hoffmann-Becking, NZG 2006, S. 129. 537 So aber Martens, ZHR 169 (2005), S. 129 ff. 538 Hoffmann-Becking, NZG 2006, S. 129. 539 Brauer, NZG 2004, S. 507 f.; Martens, ZHR 169 (2005), S. 128 ff.; zustimmend zuletzt Hanft, Jura 2007, S. 59. 540 Vgl. BGH, ZIP 2006, S. 72 (75) „Mannesmann“. 541 Die Ermessenstantieme wird entsprechend einer dienstvertraglichen Regelung nach Ablauf des Geschäftsjahres festgesetzt, wenn die zu vergütende Aufgabe bereits erledigt ist. Ob und Höhe einer Tantieme stehen dabei im Ermessen des Aufsichtsrats; vgl. dazu Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), S. 160 f.; Lücke, Vorstand der AG, § 2 / Rn. 138 ff. 542 Kort, NZG 2006, S. 133. 543 Kritisch auch Hoffmann-Becking, NZG 2006, S. 130; Fonk, NZG 2005, S. 250. A. A. Martens, ZHR 169 (2005), S. 133.

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senat maßgebliche Unterschied ist zu formal und greift mit Blick auf den letztlich entscheidenden materiellen Gehalt der Vermögensfürsorgepflicht zu kurz. (c) Keine Notwendigkeit einer Anreizwirkung der Vergütung Schließlich weist auch der dritte Begründungsstrang, der eine für das Unternehmen vorteilhafte Anreizwirkung der Sonderzahlung als einschränkendes Konstituens ihrer Zulässigkeit herausstellt, bedeutende Bruchstellen auf. So ist im Ausgangspunkt zwar zu konzedieren, dass eine Vergütung als Anreiz für eine zukünftige erfolgreiche Vorstandsarbeit eingesetzt werden kann, um in Publikums-Aktiengesellschaften das principal-agent-Problem544 zu überwinden545. Ungeachtet der betriebswirtschaftlich nach wie vor streitigen Frage, ob ein Anreizcharakter der Vergütung die zukünftige Vorstandstätigkeit überhaupt positiv beeinflusst546, lässt sich die Anreizwirkung jedenfalls nicht in den Rang einer conditio-sine-qua-non für die Zulässigkeit der Vergütungsform heben. Dem steht nicht nur das faktische und vor allem für den Strafrichter bei der sekundären Untreueprüfung relevante Problem der Feststellung eines verhaltenswirksamen Anreizeffekts entgegen547. Vielmehr belegt die Aufzählung in § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG, dass auch der Gesetzgeber von einem „Mix“ von Vergütungsformen mit jeweils unterschiedlichen Funktionen ausgeht548. Die Vergütung ist danach, wie gezeigt549, dienstvertraglich immer auch und im Besonderen eine Gegenleistung der Gesellschaft für die erbrachte Tätigkeit der Vorstandsmitglieder550. Infolge dieser synallagmatischen Verknüpfung muss bei der Frage, ob eine nachträgliche Sonderzahlung für die Gesellschaft von „Nutzen“ ist oder aber ihr Vermögen „ohne Kompensation“ mindert, stets auch die Leistung des Vorstandsmitglieds Berücksichtigung finden. Nur wenn sich auf dieser Grundlage im Wege einer Gesamtschau mit der übrigen vertraglichen Vergütung insgesamt ein negativer Saldo für die Gesellschaft ergibt, mindert die Sonderzuwendung ihr Vermögen tatsächlich ohne Kompensation und entspricht 544 Die wirtschaftlichen Interessen der Vorstandsmitglieder einerseits (agents) und der Anteilseigner andererseits (principal) sind nicht notwendig deckungsgleich. Da eine danach erforderliche Kontrolle der Geschäftsführung in Publikums-Aktiengesellschaften nicht zu leisten ist, versucht man, durch ein erfolgsorientiertes Vergütungssystem eine (theoretische) Kongruenz der Interessen von „principal“ und „agent“ herzustellen; vgl. dazu Brauer, NZG 2004, S. 503; Schüller, Vorstandsvergütung, S. 46 ff. 545 Vgl. Fleischer, DStR 2005, S. 1321. 546 Siehe Kort, NJW 2005, S. 335, mit Verweis auf empirische Untersuchungen und zahlreiche Unternehmenskrisen und -zusammenbrüche in jüngster Vergangenheit; kritisch auch Brauer, NZG 2004, S. 503; Fonk, NZG 2005, S. 252; Thüsing, ZGR 2003, S. 475 ff. 547 Vgl. auch Peltzer, ZIP 2006, S. 208. 548 Baums, Anerkennungsprämien, S. 6; ders., in: FS Huber 2006, S. 662. 549 Siehe oben (a). 550 Fleischer, DStR 2005, S. 1321; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), S. 163; Hüffer, BB 2003, Beilage 7, S. 22; Kort, NJW 2005, S. 335; ders., NZG 2006, S. 132; Marsch-Barner, in: FS Röhricht 2005, S. 405 f.

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sodann nicht mehr dem Unternehmensinteresse551. Die Berechnung dieses Saldos richtet sich jedoch nach dem Angemessenheitsgebot des § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG und ist damit erst eine Frage der Zulässigkeit der Vergütung der Höhe nach. An Überzeugungskraft mangelt es der Argumentationskette des 3. Strafsenats schließlich insoweit, als sie gezwungen ist, die kompensierende Anreizwirkung für Dritte in die Betrachtung mit einzubeziehen: Gibt die Gesellschaft die Zahlung einer nachträglichen Anerkennungsprämie an ein ausscheidendes Vorstandsmitglied nicht bekannt, so fehlt eine „legitimierende“ Signalwirkung gegenüber anderen aktiven oder potentiellen Führungskräften. In dieser Konstellation würde demnach einzig die werbende Publikation der Sonderleistung als formaler Akt über die Frage der Rechtmäßigkeit der Vergütungsentscheidung und damit über die Einhaltung einer materiellen552 Vermögensfürsorgepflicht des Aufsichtsrats entscheiden553. (3) Zwischenergebnis Entgegen der Auffassung des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs darf der Aufsichtsrat eine herausragende überobligationsmäßige Leistung eines Vorstandsmitglieds, deren Wert für die Gesellschaft sich im Wert der vertraglich festgesetzten Regelbezüge nicht widerspiegelt, selbst dann durch eine besondere Anerkennungsprämie nach pflichtgemäßem Ermessen vergüten, wenn der Anstellungsvertrag keinen ausdrücklichen Vorbehalt für nachträgliche Leistungsprämien enthält und die Sonderzuwendung mangels Anreizwirkung dem Unternehmen keinerlei „zukunftsbezogenen Nutzen“ bringt. Der Strafsenat statuiert ein aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht abgeleitetes Verbot einer kompensationslosen Vergütung, von dem er offenbar annimmt, dass es dem konkretisierenden § 87 Abs. 1 AktG vorgelagert ist. Dies vermag insofern nicht zu überzeugen, als die Frage, ob eine Vergütung das Vermögen der Gesellschaft „kompensationslos“ mindert und damit im Sinne des Untreuetatbestandes pflichtwidrig schädigt, ausschließlich nach Maßgabe des Angemessenheitsgebots in § 87 Abs. 1 AktG zu beurteilen ist. Es handelt sich dabei vor allem um eine (unternehmerische) Einschätzung des Aufsichtsrats, für die den Gremiumsmitgliedern ausweislich eine Einschätzungsprärogative eingeräumt ist554. Eine Vergütungsentscheidung, die den dort gesetzlich festgeschriebenen, das Unternehmensinteresse konkretisierenden Anforderungen genügt, kann systematisch nicht deshalb unzulässig sein, weil sie abstrakt einem vorgelagerten Unternehmensinteresse (angeblich) zuwiderläuft555. 551 So zutreffend Baums, Anerkennungsprämien, S. 19 f.; ders., in: FS Huber 2006, S. 673 f.; Kort, NZG 2006, S. 133; Ransiek, NJW 2006, S. 815; im Ergebnis auch Schwark, in: FS Raiser 2005, S. 393 f. 552 Siehe dazu oben B., 2. 553 Kritisch insoweit zu Recht Fleischer, DB 2006, S. 543 f. 554 Siehe oben I., 2., b). 555 Ebenso Dittrich, Untreuestrafbarkeit, S. 97 ff.; Kort, NZG 2006, S. 132; Wollburg, ZIP 2004, S. 651.

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Bis ein Strafsenat oder der gesellschaftsrechtliche Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Gelegenheit erhält und wahrnimmt, diese durch den 3. Strafsenat instituierte Unzulässigkeit nachträglicher Anerkennungsprämien bereits dem Grunde nach zurückzuweisen, wird sich die Vertragspraxis schlicht auf den Lehrsatz einstellen, den ihr das „Mannesmann“-Urteil ins Stammbuch geschrieben hat, und in die Vorstandsdienstverträge zukünftig formularmäßig einen entsprechenden Vorbehalt für nachträgliche Leistungsprämien aufnehmen556. Die heute bereits anzutreffenden „Sprechklauseln“, wonach die Angemessenheit der Bezüge in gewissen Zeitabständen überprüft werden soll, dürften den höchstrichterlichen Anforderungen indessen nicht genügen, da sie dem Vorstandsmitglied keinen durchsetzbaren Anspruch auf eine Erhöhung einräumen557. Nach dem Prinzip, dass der Aufsichtsrat nicht gewähren darf, was er nicht gewähren muss, wird die Grundlage zumindest als ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Gesellschaft auszugestalten sein, das gemäß § 315 BGB einer einklagbaren gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegt558. Die Aufsichtsräte sind jedenfalls nun gehalten, bereits von vornherein Gehaltserhöhungen in Aussicht zu stellen, obwohl es insoweit gerade den Geboten der Vernunft und der Vorsicht, mithin dem (Vermögens-)Interesse des Unternehmens entsprechen würde, den Erfolg der Arbeit des Vorstandsmitglieds abzuwarten. So kann sich ein vertraglich eingeräumter Anspruch auf eine Sonderprämie im Nachhinein als finanzielles „Eigentor“ für die Gesellschaft erweisen, wenn die Vorstandsmitglieder die Klausel zum Anlass für eine Klage auf gerichtliche Festsetzung einer „angemessenen“ Sondervergütung nehmen559. Eine in diesen Fällen drohende, öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzung um vertraglich bereits abgegoltene bzw. noch nicht abgegoltene Leistungen des Vorstands vor Gericht wird nicht im Interesse des Unternehmens liegen560, dessen Beachtung die eigentliche ursprüngliche Maßgabe war. Schließlich bleibt zu beachten, dass auch eine formelle dienstvertragliche Vereinbarung den Aufsichtsratsmitgliedern strafrechtlich keinen „Freibrief“ ausstellt und die für eine Strafbarkeit gemäß § 266 StGB letztlich entscheidende materielle Bewertung nicht entbehrlich macht. Denn unbesehen der vertraglichen Grundlage verwirklicht eine nachträgliche unangemessene und damit gegen § 87 Abs. 1 AktG verstoßende Anerkennungsprämie den Untreuetatbestand. Vor diesem Hintergrund besteht (auch) in Bezug auf die Gewährung von Anerkennungsprämien unverändert die dringliche Aufgabe, strafrechtliche Grenzen561 einer angemessenen Vorstandsvergütung zu entwickeln562. 556 Vgl. J.-H. Bauer / Arnold, DB 2006, S. 547 ff.; Peltzer, ZIP 2006, S. 207, bereits mit einem Formulierungsvorschlag in Fn. 16. 557 J.-H. Bauer / Arnold, DB 2006, S. 547; Hoffmann-Becking, NZG 2006, S. 130. 558 J.-H. Bauer / Arnold, DB 2006, S. 547; Hoffmann-Becking, NZG 2006, S. 130. 559 So der treffende Hinweis von J.-H. Bauer / Arnold, DB 2006, S. 547. 560 Säcker / Boesche, BB 2006, S. 902, raten deshalb von der Aufnahme solcher Klauseln in die Vorstandsverträge zu Recht ab. 561 Siehe dazu unten b).

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bb) Abfindungszahlungen (1) Abgeltung der vertraglichen Vergütungsansprüche Abfindungsvereinbarungen verfolgen primär den Zweck, bei einer vorzeitigen Beendigung der Vorstandstätigkeit die für die Restlaufzeit des Dienstvertrages bestehenden Vergütungsansprüche abzugelten563. In der Regel beruht die vorzeitige Aufhebung des Anstellungsvertrages auf dem Wunsch der Gesellschaft, so dass bei Fehlen eines wichtigen Grundes zur außerordentlichen Vertragskündigung einer Auszahlung der im Beendigungszeitpunkt noch ausstehenden, vertraglich geschuldeten Vergütung nichts entgegensteht564. Erfolgt der Amtsverzicht ausschließlich auf Wunsch des Vorstandsmitglieds, so bedarf es mit Blick auf das zu verfolgende Unternehmensinteresse hingegen einer besonderen Begründung, wenn der Aufsichtsrat dem Vorstandsmitglied trotzdem eine Abfindung für die Restlaufzeit des Vertrages gewährt565. In diesem Fall mag es allenfalls aus sozialen Erwägungen gerechtfertigt sein, zur Wahrung des Ansehens der Gesellschaft die Restvergütung in einem angemessenen Umfang auszuzahlen566. (2) Besondere Abfindungsprämien Um eine andere Qualität von Zahlungen handelt es sich indessen, wenn der Aufsichtsrat in einem Aufhebungsvertrag nicht nur die restliche Vorstandsvergütung für die Zeit der Bestellung auslöst, sondern dem Vorstandsmitglied darüber hinaus eine besondere Abfindungsprämie gewährt. Denn in der Sache handelt es sich bei einer solchen „Abfindung“ um eine nachträgliche Erhöhung der Gesamtbezüge des Vorstandsmitglieds567. Die Rechtmäßigkeit einer solchen Sonderzuwendung ist deshalb nicht nach ihrer begrifflichen oder rechtstechnischen Einkleidung als Abfindung, sondern vielmehr nach ihrem jeweiligen Zweck zu bewerten568. 562 So konzedierte auch der Vorsitzende Richter des 3. Strafsenats Tolksdorf, dass der Mannesmann-Prozess keine grundsätzlich neuen Antworten darauf geben wird, ob das Strafrecht Managergehältern Grenzen setzt; vgl. Handelsblatt vom 21. / 22. / 23. 10. 2005, S. 12. 563 Fastrich, in: FS Heldrich 2005, S. 152; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), S. 168 f.; Schwark, in: FS Raiser 2005, S. 392. 564 H. M., vgl. etwa J.-H. Bauer / Arnold, DB 2006, S. 548; Fastrich, in: FS Heldrich 2005, S. 152 ff.; Käpplinger, NZG 2003, S. 574; Martens, ZHR 169 (2005), S. 136. 565 So auch Fastrich, in: FS Heldrich 2005, S. 155, der jedoch eine Regelung im Anstellungsvertrag bereits für ausreichend erachtet. Eine solche Vereinbarung bedarf indessen unabhängig davon, ob sie bereits im Dienst- oder erst im Aufhebungsvertrag erfolgt, der Legitimation. 566 Zur Gesellschaft als „good corporate citizen“ siehe oben § 2, B., II., 1., b) sowie Fastrich, in: FS Heldrich 2005, S. 155. 567 Fonk, NZG 2005, S. 251; Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 87 / Rn. 15; Thüsing, ZGR 2003, S. 503. 568 Liebers / Hoefs, ZIP 2004, S. 101; Martens, ZHR 169 (2005), S. 136. Bisweilen findet sich in der Literatur jedoch die Auffassung, dass jegliche Abfindungsregelung, die über die

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Soweit in die Abfindung besondere Verdienste des Ausscheidenden für das Unternehmen einfließen sollen569, handelt es sich materiell um eine nachträgliche freiwillige Anerkennungsprämie, die unter den oben entwickelten Kautelen dem Grunde nach zulässig ist, sofern die Leistungen nicht bereits mit der Regelvergütung vollständig abgegolten sind570. Im Interesse des Unternehmens kann für erhöhte Abfindungszahlungen ferner dann ein Anlass bestehen, wenn mit dem Vorstandsmitglied ein Rechtsstreit um die Wirksamkeit einer Abberufung bzw. Kündigung droht. Das unkalkulierbare Prozessrisiko sowie die negative Publizität einer gerichtlichen Auseinandersetzung erlauben es dem Aufsichtsrat in diesem Fall, das ausscheidende Vorstandsmitglied mit einer über die vertraglichen Bezüge hinausgehenden Sonderprämie zu bedenken571. Im Rahmen der Aufhebungsvereinbarungen stellt sich für die Aufsichtsratsmitglieder zugleich häufig die Frage einer sog. „Stillhalteprämie“, um das scheidende Vorstandsmitglied zur Verschwiegenheit über Unternehmensinterna anzuhalten, deren Bekanntwerden zu einem wirtschaftlichen Schaden der Gesellschaft führen könnte572. Bei der Rechtfertigung eines solchen Loyalitätshonorars gilt es sich indes vor Augen zu führen, dass die Vorstandsmitglieder bereits kraft Gesetz gemäß § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG über ihre Amtszeit hinaus573 zum Schweigen über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft verpflichtet sind. In diesem Umfang würde der Aufsichtsrat daher eine Leistung, die das Vorstandsmitglied ohnehin erbringen muss und die insofern bereits in die vertraglichen Bezüge eingepreist ist, durch eine Abfindung doppelt vergüten und so auf pflichtwidrige Weise Gesellschaftsvermögen verschwenden574. Andererseits genügen im geschäftlichen Verkehr oftmals nur vage Andeutungen und Randinformationen über sensible Projekte zu Ungunsten des Unternehmens, um der Gesellschaft einen wirtschaftlich bereits spürbaren Schaden zuzufügen. Aus diesem Grund mag eine zusätzliche Abfindungsprämie (noch) dem Interesse der Gesellschaft entsprechen, wenn sie nach plausibler Einschätzung des Aufsichtsrats geeignet und erforderlich ist, die Loyalität und Sensibilität des scheidenden Vorstandsmitglieds im Umgang mit unternehmensrelevanten Informationen besonders zu schärfen575. Abgeltung der noch ausstehenden Vertragsvergütung hinausgeht, durch keinen sachlichen Grund zu rechtfertigen sei und deshalb durch den Aufsichtsrat nicht vereinbart werden dürfe, so Käpplinger, NZG 2003, S. 574; Martens, ZHR 169 (2005), S. 136 ff., 141. 569 Thüsing, ZGR 2003, S. 503 f.; Zöllner, in: FS Koppensteiner 2001, S. 304. 570 Siehe oben aa). 571 Fastrich, in: FS Heldrich 2005, S. 153; Fonk, NZG 2005, S. 251; Liebers / Hoefs, ZIP 2004, S. 101; Schwark, in: FS Raiser 2005, S. 392; Zöllner, in: FS Koppensteiner 2001, S. 304. 572 Vgl. das Beispiel bei Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 120. 573 Siehe Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 216 m. w. N. 574 Zutreffend Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 120 f.; siehe zur Pflichtwidrigkeit oben I., 3., a).

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Als Bestandteil einer Abfindung gänzlich auszuschließen sind hingegen Zahlungen, die für den Verlust des Vorstandspostens gewährt werden. Allein die Chance der Wiederbestellung rebus sic stantibus verdient in diesem Zusammenhang keine geldwerte Kompensation576. (3) „Change-of-Control“-Klauseln Schließlich finden sich in der Praxis angesichts der steigenden Zahl von Unternehmensübernahmen zunehmend sog. „Change-of-Control“-Klauseln in Vorstandsverträgen577. Zweck derartiger Vertragsklauseln ist eine ex-ante Absicherung des Vorstandsmitglieds, indem sie ihm für den Fall eines durch den Kontrollwechsel oder die Kontrollbegründung bedingten Ausscheidens die Abgeltung der Bezüge für die restliche Vertragslaufzeit sowie eine besondere Abfindungsleistung versprechen578. Diese zusätzliche Sicherung soll gewährleisten, dass die Vorstandsmitglieder in Übernahmesituationen ausschließlich die Interessen des Unternehmens und seiner Aktionäre verfolgen, ohne sich Sorge um die persönlichen wirtschaftlichen Nachteile machen zu müssen, die infolge des Kontrollwechsels drohen579. Einer „Change-of-Control“-Klausel, die dazu führt, dass die Gesellschaft gesetzlich nicht geschuldete Leistungen auf vertraglicher Grundlage erbringen muss, darf der Aufsichtsrat gleichwohl nur im Interesse des Unternehmens zustimmen. Zweifel an der Zulässigkeit des Leistungsversprechens bestehen danach insoweit, als aus der Sicht der Gesellschaft zu befürchten ist, dass die Vorstandsmitglieder einen derart begünstigten Kontrollwechsel zum Erhalt der Abfindung selbst dann fördern, wenn er dem Unternehmensinteresse widerspricht580. Diese Gefahr eines Missbrauchs der Vergütungsregelung und der persönlichen Interessenwahrnehmung durch die Organmitglieder besteht jedoch immer und wird durch die – wenn575 Wie hier Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 121. Hier gilt es jedoch zu beachten, dass bestimmte Informationen ohnehin kraft Gesetz (z. B. § 15 WpHG) veröffentlichungspflichtig sind. 576 So auch Schüller, Vorstandsvergütung, S. 143; Schwark, in: FS Raiser 2005, S. 393; a. A. Zöllner, in: FS Koppensteiner 2001, S. 304. 577 Teilweise werden diese Klauseln auch „Change-in-Control“-Klauseln genannt, um klarzustellen, dass sie nicht nur den Fall des Kontrollwechsels, sondern auch den erstmaligen Kontrollerwerb erfassen; siehe dazu Dreher, AG 2002, S. 214 ff.; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), S. 170 ff. 578 J.-H. Bauer / Arnold, DB 2006, S. 264 f.; Dreher, AG 2002, S. 215 ff.; Kort, AG 2006, S. 106. 579 Dreher, AG 2002, S. 216 f.; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), S. 170; Kort, AG 2006, S. 106. 580 Kritisch Dreher, AG 2002, S. 216; Martens, ZHR 169 (2005), S. 141. Dieser Einwand lässt sich nicht bereits dadurch entkräften, dass die Zahlungen letztlich zulasten der Bietergesellschaft gehen; denn das Unternehmensinteresse erschöpft sich nicht allein im Interesse der aktuellen Aktionäre; vgl. Fastrich, in: FS Heldrich 2005, S. 156.

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gleich schwer nachweisbare – Schadensersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft (§ 93 Abs. 2 AktG) aufgefangen. Sie spricht deshalb nicht für ein generelles Verbot von „Change-of-Control“-Klauseln581. Ein Interesse des (übernahmegefährdeten) Unternehmens an der erhöhten Abfindungszusage kann einmal dann bestehen, wenn ein fähiges Vorstandsmitglied ohne eine solche Regelung bereits nicht zu gewinnen gewesen wäre582. Erfolgt die Abfindungsvereinbarung hingegen erst später, so handelt es sich jedenfalls bei einem Leistungsversprechen, das über die Abgeltung der vertraglichen Restbezüge hinausgeht, materiell wiederum um eine (partielle) nachträgliche Erhöhung der Gesamtbezüge. Hier wird es maßgeblich auf den Zeitpunkt der Vereinbarung ankommen. Zeichnet sich ein Kontrollwechsel noch nicht ab, so liegt selbst eine nachträgliche Zustimmung des Aufsichtsrats zu einer „Change-of-Control“-Klausel insofern im Unternehmensinteresse, als sie ein fähiges Vorstandsmitglied jedenfalls bis zum Vollzug des Kontrollwechsels loyal an die Gesellschaft bindet583. Allein Unsicherheiten in der Eigentümerentwicklung oder in den Hauptversammlungsmehrheiten können fähige Vorstandmitglieder nämlich lange im Vorfeld bereits veranlassen, sich nach alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten umzuschauen. Wird die Klausel aber erst zu einem Zeitpunkt vereinbart, zu dem der Kontrollwechsel entweder konkret bevorsteht oder sogar schon erfolgt ist, kann sie diesen zukunftsbezogenen Nutzen für die Gesellschaft nicht mehr erbringen584. Fehlt dadurch – sofern die Sondervergütung nicht ausnahmsweise eine überobligationsmäßige Leistung des Vorstandsmitglieds bei dem Übernahmeversuch entlohnt585– die erforderliche Vermögenskompensation für die Gesellschaft, so stellt sich die nachträgliche Heraufsetzung der Gesamtbezüge im Wege einer „Change-of-Control“-Regelung bereits dem Grunde nach als vermögenspflichtwidrige Verschwendung des Gesellschaftsvermögens durch den Aufsichtsrat dar586. Mit dem Argument der fehlenden Vermögenskompensation kommt dabei bereits im Rahmen der 581 So auch Dreher, AG 2002, S. 216; Kort, AG 2006, S. 108; Ziemons, in: FS Huber 2006, S. 1038 ff.; .a. A. Martens, ZHR 169 (2005), S. 141. 582 Dreher, AG 2002, S. 214; Fastrich, in: FS Heldrich 2005, S. 156. 583 Dreher, AG 2002, S. 216 f.; Hohn, wistra 2006, S. 163; Kort, AG 2006, S. 108; a. A. Fastrich, in: FS Heldrich 2005, S. 157. 584 Kort, AG 2006, S. 108; a. A. Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), S. 171. 585 Diesbezüglich gilt es jedoch zu beachten, dass es mit Einführung des § 33 Abs. 1 Satz 1 WpÜG im Jahre 2002 nunmehr auch zu den generellen, obligatorischen Pflichten eines Vorstandsmitglieds gehört, im Rahmen eines Übernahmekampfes unter größten Anstrengungen den bestmöglichen Preis für die Aktionäre auszuhandeln. Die Frage der besonderen Honorierung einer „überobligationsmäßigen“ Leistung des Vorstands stellt sich daher – anders als noch zur Rechtslage im Fall Mannesmann – regelmäßig nicht mehr; in diesem Sinne wohl auch Ziemons, in: FS Huber 2006, S. 1041. 586 Dies entspricht der neuen Rechtssprechung des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofes, dessen Kernaussagen sich auf „Change-of-Control“-Klauseln entsprechend übertragen lassen. Danach sind „Change-of-Control“-Regelungen der zuletzt bezeichneten Art als unzulässige Vergütungsentscheidung der „dritten Stufe“ einzuordnen; vgl. aa), (1).

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Pflichtwidrigkeit ein Gesichtspunkt zum Tragen, der im Rahmen der Untreueprüfung gewöhnlich erst beim Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“ berücksichtigt wird587. (4) „Golden Parachutes“ Nach US-amerikanischer Praxis werden den Geschäftsleitern für den Fall der Unternehmensübernahme derweil auch astronomische Abfindungszahlungen in Gestalt sog. „Golden Parachutes“ zugesprochen588. Im Gegensatz zu Abfindungszahlungen auf der Grundlage von „Change-of-Control“-Klauseln bezwecken diese goldenen Fallschirme nicht die persönliche Absicherung der Vorstandsmitglieder. Sie sollen vielmehr definitionsgemäß als Abwehrmaßnahme gegen feindliche Übernahmen dienen, indem sie die Kündigung der Anstellungsverträge durch den Übernehmer wegen der dann fälligen, exorbitant hohen Abfindung erschweren589. Nachdem es somit gerade zur Eigenart und zur Wirksamkeitsvoraussetzung der „Golden Parachutes“ gehört, dass ihre Höhe völlig außer Verhältnis zur der (im Normalfall abzugeltenden) Regelvergütung des Vorstandsmitglieds steht, tragen sie die Verletzung des Angemessenheitsgebots nach § 87 Abs. 1 AktG naturgemäß bereits auf der Stirn590. Hinzu kommt, dass ihre Eignung zur Abwehr feindlicher Übernahmen äußerst fraglich ist, da mit steigender Abfindungshöhe die Gefahr und Vermutung steigt, dass die Maßnahme eher die Bereitschaft des Vorstands für eine Kontrollübernahme stärkt. Abfindungszahlungen mit dem Zweck der „Golden Parachutes“ verstoßen daher (bereits dem Grunde nach) evident gegen das (Vermögens-)Interesse der Gesellschaft591. Die Zustimmung des Aufsichtsrats zu solchen Abschreckungsvereinbarungen erfüllt nach nationalem Recht folgerichtig den objektiven Tatbestand der Missbrauchsuntreue.

587 Vgl. dazu aber auch Hillenkamp, NStZ 1981, S. 166, der bei sog. Risikogeschäften im Falle einer Pflichtwidrigkeit die Prüfung des Vermögensnachteils grundsätzlich für überflüssig hält. 588 Vgl. dazu die jüngste Aufstellung von Praxisbeispielen bei Liebers / Hoefs, ZIP 2004, S. 101 f. 589 Fastrich, in: FS Heldrich 2005, S. 143 ff.; Hirte, in: Kölner Komm. WpÜG, § 33 / Rn. 59. 590 Fastrich, in: FS Heldrich 2005, S. 152; Steinmeyer / Häger, Komm. WpÜG, § 33 / Rn. 63. Daran ändert wiederum die Tatsache nichts, dass die Zahlungen letztlich zulasten der Bietergesellschaft gehen; denn das Unternehmensinteresse erschöpft sich nicht allein im Interesse der aktuellen Aktionäre. Zum Verstoß auch gegen § 33 Abs. 1 WpÜG vgl. Hirte, in: Kölner Komm. WpÜG, § 33 / Rn. 59. 591 Wie hier Fastrich, in: FS Heldrich 2005, S. 150 f.; Schwark, in: FS Raiser 2005, S. 393.

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cc) Freiwillige Sondervergütungen für ehemalige Vorstandsmitglieder Bisher nur wenig Beachtung hat die Rechtsfrage gefunden, ob und inwieweit der Aufsichtsrat auch die Vergütung bereits ausgeschiedener Vorstandsmitglieder oder deren Hinterbliebenen im Nachhinein noch heraufsetzen darf592. Der Einwand des LG Düsseldorf, ein ehemaliges Vorstandsmitglied erfülle keine Aufgaben mehr im Sinne des § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG593 und könne folgerichtig nach seiner aktiven Tätigkeit auch nicht mehr vergütet werden, verkennt in diesem Zusammenhang zunächst den aufgezeigten retrospektiven Leistungsbezug der Vorstandsvergütung594. Gleichwohl wird man die Befugnis des Aufsichtsrats, Vergütungen zu gewähren bzw. Vergütungsentscheidungen abzuändern, grundsätzlich auf die Amtszeit des betreffenden Vorstandsmitglieds begrenzen müssen595. In diese Richtung deuten nicht nur die in § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG aufgezählten Vergütungsformen, die – insbesondere das Gehalt und die Aufwandsentschädigung – regelmäßig von einer aktiven Vorstandstätigkeit ausgehen. Auch § 87 Abs. 2 AktG spricht in Satz 1 von einer „Weitergewährung“ (laufender) Bezüge und sieht in Satz 3 im Falle einer Abänderung der Vergütung ein Kündigungsrecht vor, das somit naturgemäß einen noch bestehenden Anstellungsvertrag voraussetzt596. Eine Ausnahme bedarf deshalb eines besonderen Grundes und lässt sich in seltenen Fällen etwa dann rechtfertigen, wenn Ruhegeldzahlungen einer Geldwertänderung angepasst werden sollen597, besondere Leistungen des Vorstandsmitglieds während seiner aktiven Amtszeit die Lage der Gesellschaft erst im Nachhinein (mit-)ursächlich verbessert haben598 oder in einer zunächst volatilen Situation während der Amtszeit abgewartet werden sollte, ob die verbesserte Position des Unternehmens von Dauer ist599. Im Übrigen verstößt die Gewährung von Sonderzahlungen an ehemalige Vorstandsmitglieder gegen die Pflicht der Vermögensfürsorge gemäß §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG und erfüllt entsprechend den objektiven Straftatbestand der Missbrauchsuntreue.

592 Die Zuständigkeit des Aufsichtsrats für die Auslegung der mit ehemaligen Vorstandsmitgliedern geschlossenen Verträge wird jedenfalls ganz überwiegend bejaht, vgl. Fonk, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 9 / Rn. 279. 593 LG Düsseldorf, ZIP 2004, S. 2044 (2054) „Mannesmann“. 594 Siehe oben aa), (2), (a). 595 Ebenso Fonk, NZG 2005, S. 253; Kort, NJW 2005, S. 336; Liebers / Hoefs, ZIP 2004, S. 99; für eine generelle Beschränkung Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 324. 596 Vgl. LG Düsseldorf, ZIP 2004, S. 2044 (2054) „Mannesmann“; Kort, NJW 2005, S. 336. 597 Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 325. 598 Insbesondere wenn amtierende Vorstandsmitglieder für den gleichen Sachverhalt eine Sonderprämie erhalten, vgl. mit Verweis auf das Gleichbehandlungsgebot Wollburg, ZIP 2004, S. 654. 599 Liebers / Hoefs, ZIP 2004, S. 99.

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b) Pflichtwidrige Festsetzung von Vorstandsbezügen der Höhe nach aa) Aktienrechtliche Parameter einer angemessenen Gesamtvergütung gemäß § 87 AktG § 87 Abs. 1 AktG bestimmt die Aufgaben des Vorstandsmitglieds sowie die Lage der Gesellschaft als maßgebliche Parameter für die Festsetzung der Höhe der Gesamtbezüge. Danach muss sich die Vergütungsentscheidung zunächst an dem individuellen Tätigkeitsbereich des Vorstandsmitglieds orientieren, insbesondere an Art, Umfang und Schwierigkeitsgrad der jeweiligen Aufgaben sowie dem damit verbundenen Maß an Verantwortung600. Ungeachtet der Gleichberechtigung seiner Mitglieder können so Zuschnitt und Bedeutung eines Vorstandsressorts oder das Amt des Vorsitzenden Abstufungen innerhalb des Gesamtgremiums rechtfertigen601. Sodann haben die Aufsichtsratsmitglieder nicht nur die gegenwärtige Vermögenslage der Gesellschaft, sondern nach neuerer Lehrmeinung auch die zukünftige Ertragsentwicklung und die wirtschaftliche Gesamtsituation des Unternehmens in die Bemessung der Bezüge einzubeziehen 602. Da der Aufsichtsrat das Kriterium der Aufgabe des Vorstandsmitglieds stets kumulativ mit dem der Lage der Gesellschaft zu beachten hat, kann etwa in Sanierungsfällen trotz schlechter wirtschaftlicher Situation die Zahlung höherer Bezüge für einen Turnaround-Manager im Hinblick auf die Schwere der Aufgabe angemessen sein603. Auf der anderen Seite ist der Aufsichtsrat gemäß § 87 Abs. 2 Satz 1 AktG berechtigt und, sofern die Voraussetzungen vorliegen, regelmäßig sogar verpflichtet, die Vorstandsbezüge im Nachhinein angemessen herabzusetzen, wenn eine so wesentliche Verschlechterung in den Verhältnissen der Gesellschaft eintritt, dass die Weitergewährung der Bezüge eine schwere Unbilligkeit für die Gesellschaft sein würde604. Neben diesen im Gesetz ausdrücklich genannten Bezugspunkten bildet anerkanntermaßen auch die Leistung des Vorstandsmitglieds einen zentralen Beurteilungsmaßstab der Angemessenheit605. Im Schrifttum werden darüber hinaus in un600 Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 87 / Rn. 13; Schwark, in: FS Raiser 2005, S. 383 f. 601 Fleischer, DStR 2005, S. 1280; Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 87 / Rn. 13. 602 Adams, in: FS v. Weizsäcker 2003, S. 337; Fleischer, DStR 2005, S. 1280; Schüller, Vorstandsvergütung, S. 124; Schwark, in: FS Raiser 2005, S. 384; vgl. auch LG Düsseldorf, ZIP 2004, S. 2044 (2048) „Mannesmann“. 603 Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 87 / Rn. 13; Hüffer, Komm. AktG, § 87 / Rn. 2; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 87 / Rn. 6; Peltzer, in: FS Lutter 2000, S. 575. 604 Herabsetzungsrecht und -pflicht beschränken sich insoweit auf die in § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG genannten Bezüge; vgl. Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 87 / Rn. 41 ff.; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 87 / Rn. 15; Weisner / Kölling, NZG 2003, S. 466. 605 Siehe dazu bereits oben a), aa), (2), (a).

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terschiedlichem Maße besondere Qualifikationen des Vorstandsmitglieds, die Dauer der Zugehörigkeit zur Gesellschaft, die Familienverhältnisse606, die Größe des Unternehmens sowie die Übernahme besonderer haftungsrechtlicher Risiken durch das Vorstandsmitglied ebenfalls für berücksichtigungsfähig erachtet607. Die Statthaftigkeit dieser einzelnen Vergütungskriterien soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden608. Von entscheidendem Interesse ist vorliegend vielmehr die Frage, wann die Gesamtbezüge eines Vorstandsmitglieds die Schwelle der Unangemessenheit überschreiten und die entsprechende Vergütungsentscheidung des Aufsichtsrats damit das Gebot der Vermögensfürsorge im Sinne des § 266 StGB verletzt. Zur inhaltlichen Konkretisierung des Angemessenheitsgebots finden sich weder in den Gesetzesmaterialien brauchbare Hinweise noch hat die Rechtsprechung dazu bislang beitragen können. Zuletzt hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs im Fall Mannesmann die Gelegenheit verstreichen lassen, dem Rechtsanwender Fingerzeige in dieser Auslegungsfrage an die Hand zu geben. In der gesellschaftsrechtlichen Literatur hat sich die Auffassung breit gemacht, dass eine weitergehende inhaltliche Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs allgemein kaum möglich sei und nur auf den Einzelfall bezogen erfolgen könne609. Um mit dem aktienrechtlichen Angemessenheitsgebot eine strafrechtliche Verhaltenspflicht im Rahmen des Untreuetatbestandes instituieren zu können, ist die Rechtslehre mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG jedoch aufgerufen, der Vermögensfürsorgepflicht für den Normadressaten erkennbare Korsettstangen einzuziehen610. Wenngleich sich eine tatbestandliche Bestimmtheit am einfachsten durch absolute Grenzwerte schaffen ließe, sind bezifferte Höchstgrenzen als Konkretisierung eines verpflichtenden gesetzlichen Maßstabs methodisch und sachlich nicht haltbar611. Dafür sind die Verhältnisse in den Aktiengesellschaften zu vielgestaltig. Kritisch Fleischer, DStR 2005, S. 1280 f. Fleischer, DStR 2005, S. 1280; Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 87 / Rn. 13; Hüffer, Komm. AktG, § 87 / Rn. 2; Kort, NJW 2005, S. 333; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 87 / Rn. 6. Diese Kriterien lehnen sich zum Teil an höchstrichterliche Leitlinien zur Angemessenheit von Geschäftsführerbezügen im GmbH-Recht an; vgl. BGHZ 111, 224 (228); BGH, NJW 1992, S. 2894 (2896). 608 Eine fundierte Erörterung findet sich hierzu bei Thüsing, ZGR 2003, S. 469 ff. 609 Hüffer, Komm. AktG, § 87 / Rn. 3; Kort, NJW 2005, S. 333. 610 Siehe oben B., II., 2. 611 Vgl. etwa jüngst die Vorschläge von Lücke, NZG 2005, S. 696 f. Die Statuten der CarlZeiss-Stiftung sehen eine Beschränkung des Vorstandsgehalts auf ein Zehnfaches des durchschnittlichen Arbeitnehmerlohns vor; vgl. Schwark, in: FS Raiser 2005, S. 388 f. Adams, ZIP 2002, S. 1343 f., schlägt wiederum vor, das 150-fache eines durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens als Vergütungsobergrenze festzulegen. Nach Säcker / Boesche, BB 2006, S. 904, sollen die Gesamtbezüge eines Vorstandsmitglieds nicht mehr als 100% über den höchsten Jahresgehältern der obersten Arbeitsebene unterhalb des Vorstands liegen, und die des Vorstandsvorsitzenden nicht mehr als 100% über dem höchsten Gehalt eines einfachen 606 607

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Das (Straf-)Recht kann deshalb wie auch in sonstigen Vertragsbeziehungen kein „iustum pretium“ der Vorstandstätigkeit allgemein verbindlich festlegen612. Schon eher bietet sich dahingegen ein komparativer Seitenblick auf die steuerrechtlichen Grundsätze an, die sich im GmbH-Recht für das nahe stehende Problem der Abgrenzung zwischen Geschäftsführergehalt und verdeckter Gewinnausschüttung im Sinne des § 8 Abs. 3 KStG zur Bestimmung einer angemessenen Vergütung finden613. In diesem Zusammenhang wird regelmäßig ein Fremdvergleich mit Vergütungen praktiziert, die entweder im selben Betrieb oder in anderen Betrieben der jeweiligen Branche und Größenklasse für entsprechende Leistungen gezahlt werden614. Ähnlich ordnet nun der im Jahre 2002 durch den Gesetzgeber geschaffene § 32 Abs. 2 UrhG an, dass die „angemessene Vergütung“ eines Werkautors dem entsprechen muss, „was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit [ . . . ] üblicher- und redlicherweise zu leisten ist“. In diesem Sinne erhebt eine verbreitete Auffassung auch im Aktienrecht die Üblichkeit615 der Vergütung und den Marktwert616 der von der Gesellschaft nachgefragten Managementleistung des Vorstandsmitglieds zum Maßstab einer angemessenen Vergütungshöhe. Obschon sich Marktpreise in der Praxis regelmäßig als geeignete Wertmesser erweisen, ginge es bereits aktienrechtlich zu kurz, eine marktübliche Vorstandsvergütung automatisch als angemessen zu betrachten617. Die Bestimmung der Angemessenheit kann dem Markt für Führungskräfte nur dann allein überlassen werden, wenn er so funktionieren würde, dass sich die Knappheit des Gutes „Managementleistung“ im Preis auch annähernd richtig widerspiegelt. Wirtschaftswissenschaftlich wurden jedoch bereits gewichtige Nachweise dafür angeführt, dass der Arbeitsmarkt für Spitzenmanager Marktunvollkommenheiten aufweist618. Zudem sind bei der Bestimmung der richtigen BezugsVorstandsmitglieds. Allein diese völlig verschiedenen Vorschläge unterstreichen die (verfassungswidrige) Willkür einer solchen Annäherung. 612 Ablehnend auch Dittrich, Untreuestrafbarkeit, S. 122 ff.; Fleischer, DStR 2005, S. 1282; Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 87 / Rn. 12; Hüffer, Komm. AktG, § 87 / Rn. 3; Jahn, ZRP 2004, S. 181 und Körner, NJW 2004, S. 2700 mit Verweis auch auf die verfassungsrechtlichen Hindernisse; Marsch-Barner, in: FS Röhricht 2005, S. 403 f.; Schwark, in: FS Raiser 2005, S. 389; Thüsing, ZGR 2003, S. 487. 613 Vgl. Erhart / Lücke, BB 2007, S. 184 ff.; Fleischer, DStR 2005, S. 1283; Fonk, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 9 / Rn. 111, Fn. 302; Thüsing, ZGR 2003, S. 460 in Fn. 14, 468. 614 Vgl. BFH, DStR 1995, S. 718; BFH, GmbHR 2002, S. 1143, sowie das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen an die Obersten Finanzbehörden der Länder vom 14. 10. 2002 – IV A 2 – S 2742 – 62 / 02, abgedruckt in NZG 2002, S. 1102. 615 Körner, NJW 2004, S. 2698; Kort, NJW 2005, S. 333; Liebers / Hoefs, ZIP 2004, S. 100; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 87 / Rn. 5; Peltzer, in: FS Lutter 2000, S. 575; Thüsing, ZGR 2003, S. 465, 469 f. 616 Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 87 / Rn. 13 f.; Hüffer, Komm. AktG, § 87 / Rn. 3; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 87 / Rn. 6; Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 116 ff. 617 Ebenso Adams, ZIP 2002, S. 1338 f.; Fleischer, DStR 2005, S. 1282; Schwark, in: FS Raiser 2005, S. 384 f.; Thüsing, ZGR 2003, S. 465.

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gruppe weitere Differenzierungen geboten. Ein international höheres Vergütungsniveau lässt sich nur dann national als Vergleichsmaßstab heranziehen, wenn das betreffende Vorstandsmitglied auf dem jeweiligen ausländischen Markt auch gleichwertige berufliche Alternativen hätte, so dass tatsächlich eine Konkurrenzsituation besteht619. Vor dem Hintergrund dieser Unwägbarkeiten sind die Kriterien der „Üblichkeit“ und des „Marktwerts“ jedenfalls nicht derart greifbar, dass sie die für eine strafrechtliche Anwendung notwendige tatbestandliche Trennschärfe und Rechtssicherheit allein zu leisten im Stande sind620. Liegen die Gesamtbezüge des Vorstandsmitglieds im Einzelfall nachweislich innerhalb der Spannbreite am relevanten Vergleichsmarkt, ist dies lediglich – aber immerhin – als starkes Indiz für eine pflichtgemäße Vergütungsentscheidung des Aufsichtsrats zu werten621. In der Erkenntnis, eine subsumtionsfähige materielle Definition der Angemessenheit von Vorstandsbezügen nicht entwickeln zu können, versucht ein Teil des Schrifttums nunmehr, das Angemessenheitserfordernis mittels differenzierter Darlegungs- und Begründungslasten für den Aufsichtsrat prozessual auszufüllen622. Danach bezwecke das Angemessenheitsgebot für den Aufsichtsrat eine Begründungspflicht zur Überprüfbarkeit seiner Entscheidung, wenn er sich auf sein Ermessen bei der Bestimmung der Vergütungshöhe berufen wolle. Er müsse im Einzelnen darlegen, welche Gründe für ihn bei der Festlegung der Vorstandsvergütung ausschlaggebend gewesen seien und welchem Interesse der Gesellschaft sie dienen sollten623. Die Begründungsobliegenheit wiege dabei umso schwerer, je weiter sich die Vergütungshöhe von der Marktüblichkeit entferne624. Diese prozessuale Annäherung findet jedenfalls im Aktienrecht systematischen Rückhalt in den §§ 116, 93 Abs. 2 Satz 2 AktG, die den Aufsichtsratsmitgliedern im Zivilprozess allgemein die Darlegungs- und Begründungslast für ihr pflichtgemäßes Verhalten auferlegen. Sie mag auf aktienrechtlicher Ebene deshalb ein gangbarer Weg sein. Strafrechtlich lässt sich über Begründungsobliegenheiten eine Vermögensfürsorgepflicht hingegen nicht statuieren. Denn im Strafprozess streitet stets der Grund618 Für Deutschland Adams, ZIP 2002, S. 1330 f., 1338 f.; vgl. auch Fleischer, DStR 2005, S. 1282; Thüsing, ZGR 2003, S. 465 mit Nachweisen auch zu internationalen Studien. 619 Adams, ZIP 2002, S. 1339; Schwark, in: FS Raiser 2005, S. 385; Thüsing, ZGR 2003, S. 471; weitergehend Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 87 / Rn. 14; Liebers / Hoefs, ZIP 2004, S. 100. Fleischer, DStR 2005, S. 1282, weist zudem richtig darauf hin, dass etwa auch die kürzeren Vertragslaufzeiten und das höhere Haftungsrisiko US-amerikanischer Führungskräfte bei einem Vergleich Berücksichtigung finden müssten. 620 A. A. offenbar Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 116 ff., die sich mit dem vor allem im Strafrecht erheblichen Problem der Bestimmbarkeit des Marktpreises als Verhaltensmaßstab jedoch nicht näher auseinandersetzen. 621 Dahingehend auch Dittrich, Untreuestrafbarkeit, S. 102 f.; Fleischer, DStR 2005, S. 1282; Schwark, in: FS Raiser 2005, S. 386; Thüsing, ZGR 2003, S. 471. 622 Vgl. Brauer, NZG 2004, S. 504 f.; Fleischer, DStR 2005, S. 1319; Thüsing, ZGR 2003, S. 485 ff. 623 Brauer, NZG 2004, S. 505; Thüsing, ZGR 2003, S. 486. 624 Fleischer, DStR 2005, S. 1319; Thüsing, ZGR 2003, S. 485, 487.

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satz „in dubio pro reo“ zu Gunsten der Aufsichtsratsmitglieder und befreit sie von den vorgeschlagenen Darlegungs- und Beweislasten. Gelingt es nach alledem nur höchst unvollkommen, die Angemessenheit von Vorstandsbezügen positiv genauer einzugrenzen, besteht für die strafrechtliche Bewertung die Aufgabe, die gebotene Normkonkretisierung in das allgemeine Koordinatensystem der Business Judgment Rule gemäß §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 2 AktG einzupassen, das eine für den Normadressaten berechenbare Selektion untreueerheblicher Vergütungsentscheidungen zu leisten vermag625. Denn rechtssystematisch handelt es sich bei dem Angemessenheitserfordernis, wie bereits dargelegt, um eine bereichsspezifische Ausprägung der allgemeinen Pflicht zur sorgfältigen Wahrnehmung der Organfunktion, kraft derer die Aufsichtsratsmitglieder auch ohne klarstellende Normierung für eine angemessene Vorstandsvergütung Sorge tragen müssten626. Transponiert man die Kautelen der Business Judgment Rule in das Angemessenheitsgebot des § 87 Abs. 1 AktG, so sind negativ lediglich evident unangemessene Vorstandsbezüge auszugrenzen, wenn die Aufsichtsratsmitglieder bei der Festsetzung der Gesamtbezüge vernünftigerweise nicht mehr annehmen durften, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln627. Im Umkehrschluss verbleibt somit eine Bandbreite angemessener Vorstandsbezüge, innerhalb derer ein bestimmter Vergütungsbetrag nicht bereits deshalb unangemessen ist, weil eine andere Bemessung sich ebenso gut oder besser vertreten ließe628. Dieser Entscheidungsspielraum des Aufsichtsrats entspricht dem Ausnahmecharakter des § 87 Abs. 1 AktG, der den im Gesellschaftsrecht besonders hoch gehaltenen Grundsatz der Privatautonomie in Gestalt der Vertragsfreiheit durchbricht629. Nachfolgend bleibt nunmehr darzulegen, unter welchen Voraussetzungen der Aufsichtsrat bei der Festsetzung der Gesamtbezüge des Vorstands diesen „sicheren Hafen“ verlässt und damit die Schwelle zum strafbewehrten Untreueunrecht überschreitet.

625 Siehe oben I., zur Relevanz der Business Judgment Rule bei Vergütungsentscheidungen insbesondere I., 2., b). 626 Vgl. Dreher, AG 2002, S. 216; Fonk, NZG 2005, S. 252; sowie bereits oben B., III., 2., a). 627 Ähnlich fordert der Bundesfinanzhof im GmbH-Recht bei der Abgrenzung zwischen angemessenem Geschäftsführergehalt und verdeckter Gewinnausschüttung ein „krasses Missverhältnis“ der Gesamtvergütung; vgl. BFH vom 28. 6. 1989, I R 89 / 85, BStBl II 1989, 854 (856). 628 In diesem Sinne schon BGH vom 14. 5. 1990, II ZR 126 / 89, BGHZ 111, 224 (227) für die Vergütung eines GmbH-Geschäftsführers; vgl. auch Fleischer, DStR 2005, S. 1318; Liebers / Hoefs, ZIP 2004, S. 100; Peltzer, in: FS Lutter 2000, S. 577. Bei nachträglich bewilligten Sonderzahlungen gründet dieser Bemessungsspielraum materiellrechtlich auf den Eigenarten des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit und nicht in Sinn und Zweck der Business Judgment Rule; siehe dazu bereits oben I., 2., b). 629 Vgl. Fleischer, DStR 2005, S. 1318; Wiesner, in: Münchener Hdb. AG, § 21 / Rn. 29.

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bb) Strafrechtliche Grenzen der Vergütungsentscheidung Angesichts der mannigfaltigen Gestaltungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats bei der Fest- und Zusammensetzung der Gesamtvergütung eines Vorstandsmitglieds kann vorliegend nicht der Anspruch darin bestehen, jede einzelne denkbare Vergütungsvariante zu erfassen. Vielmehr sollen grundlegende und im Einzelfall subsumierbare Leitlinien und Grenzen einer angemessenen Vergütung entwickelt werden. Das Angemessenheitsgebot bezieht sich jedenfalls stets auf die Gesamtbezüge eines Vorstandsmitglieds, so dass Defizite bei einem Vergütungsteil im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung kompensiert werden können630. Gleichwohl hängt die Begründung der Unangemessenheit letztlich doch wesentlich von der einzelnen Vergütungsart ab. Die kaufmännische Unvertretbarkeit wird sich bei festen Vergütungskomponenten, einschließlich der nachträglich durch eine Abänderung des Dienstvertrags gewährten Anerkennungsprämie, nahezu ausschließlich aus der vereinbarten Höhe ergeben, wohingegen bei variablen Vergütungsbestandteilen die besondere Schwere der Unangemessenheit auch in dem Mechanismus gründen kann, der über die Höhe entscheidet, ohne dass es zu einer überhöhten Auszahlung tatsächlich gekommen sein muss631. Steht die Unangemessenheit der Vergütungsverpflichtung der Gesellschaft im Ergebnis fest, so bedingt die tatbestandliche Pflichtverletzung der Aufsichtsratsmitglieder zugleich einen Vermögensnachteil der Gesellschaft im Sinne von § 266 StGB632. (1) Angemessenheitsgrenze fester Vergütungsbestandteile Für feste Vergütungsbestandteile gilt zunächst, dass der Aufsichtsrat nicht allein deswegen treupflichtwidrig handelt, weil er dem Vorstandsmitglied die gesamte Vergütung als Festgehalt zusichert und die Vergütungshöhe damit – jedenfalls bei erstmaliger Festsetzung – nicht an eine tatsächliche Leistung bzw. an einen Erfolg gekoppelt ist633. Die Unabänderlichkeit der Vergütung ist als solche nicht bereits wirtschaftlich unverantwortlich. Das verdeutlicht auch § 87 Abs. 2 AktG, demzufolge die nachträgliche Veränderung der Umstände überhaupt nur ausnahmsweise eine Rolle spielt und jedenfalls die Angemessenheit der Vergütung unberührt lässt. Legt man sodann den Maßstab der §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 2 AktG für unternehmerisches Handeln zu Grunde, so kommt eine Vermögensfürsorgepflichtverletzung des Aufsichtsrats nur unter der Voraussetzung in Betracht, dass entweder die der Vergütungsentscheidung zu Grunde gelegten Informationen unzureichend waren oder die Vergütung als solche nicht zum Wohl der Gesellschaft erfolg630 631 632 633

Vgl. Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 87 / Rn. 12. Siehe Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 118 f. Vgl. Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 121 f. Wie hier Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 119.

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te634. Im Hinblick auf eine angemessene Entscheidungsvorbereitung muss von den Gremiumsmitgliedern verlangt werden, dass sie für eine breite Informationsbasis sorgen, zumal die Beschlussfassung über Vergütungsfragen ihnen regelmäßig eine längere Vorbereitungszeit gestattet635. Dabei sind sie nach der jüngsten Stärkung der Markttransparenz durch das VorstOG insbesondere gehalten, vergleichende Vergütungsstudien für Vorstandsmitglieder im relevanten Marktumfeld zu bemühen. Ist eine solche sorgfältige Entscheidungsvorbereitung und Beratung bei der Festsetzung der Gesamtbezüge im Einzelfall unterblieben, lässt sich aktienrechtlich wie auch strafrechtlich der Vorwurf einer unangemessenen, pflichtwidrigen Vergütungsentscheidung erheben636. Von einem Verstoß gegen das Wohl der Gesellschaft und damit letztlich gegen das Primat einer nachhaltigen Rentabilität637 muss folgerichtig einmal dann ausgegangen werden, wenn die finanziellen Vergütungsverpflichtungen der Gesellschaft ein solches Übermaß annehmen, dass sie die Erzielung eines angemessenen Gewinns im Unternehmen unmöglich machen638. Abgesehen von diesem wohl eher theoretischen Fall wird jedoch ähnlich zu entscheiden und von einer untreueerheblichen Verschwendung von Gesellschaftsvermögen auszugehen sein, wenn sich die Gesamtbezüge des Vorstandsmitglieds augenfällig vom Vergleichsmarkt abheben, ohne dass sich diese Abweichung durch besondere Gründe in der Person des Vorstandsmitglieds oder durch Eigenheiten des Unternehmens rechtfertigen lässt639. Daneben verstößt die Festsetzung der Bezüge ebenfalls evident gegen das Unternehmensinteresse, wenn aus den Sitzungsprotokollen hervorgehen sollte, dass die Vergütungsentscheidung nicht ausschließlich anhand der gesetzlich gebotenen Kriterien vorgenommen wurde, sondern ein Vorstandsmitglied zum Beispiel allein deshalb mehr als seine Kollegen erhält, weil es zugleich Aktionär der Gesellschaft ist640. Für die Angemessenheit einer nachträglichen Sondervergütung sind daneben im Wesentlichen zwei Faktoren entscheidend: Maßgeblich ist zum einen die Frage, ob Siehe dazu im Einzelnen oben I., 3. Vgl. Fleischer, DStR 2005, S. 1319; ders., DB 2006, S. 543. 636 Eine sehr ähnliche Argumentation erfolgte zuletzt in den USA in dem prominenten „Ovitz-Disney“-Fall. Dort hatten Aktionäre den Verwaltungsrat verklagt, weil er dem DisneyPräsidenten Michael Ovitz für dessen einjährige (erfolglose) Amtszeit eine Vergütung von über 140 Mio. US $ gewährt hatte. Der Vorwurf der Kläger richtete sich hier weniger gegen die Höhe der Zahlung als vielmehr dagegen, dass die Verantwortlichen ihre Vergütungsentscheidung ohne hinreichende Information und Beratung getroffen hätten und sich deshalb nicht auf die business judgment rule berufen könnten (In re The Walt Disney Company Derivative Litigation, 825 A.2d 275, 289, Del. Ch. 2003); siehe zu diesem Rechtsvergleich auch Fleischer, DStR 2005, S. 1319. 637 Siehe dazu im Einzelnen oben § 2, B., II., b) und c). 638 Dittrich, Untreuestrafbarkeit, S. 142 f.; Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 119. 639 In diesem Sinne auch Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 119. 640 Siehe zur Unzulässigkeit von Fremdeinflüssen oben I., 3., a) sowie Fastrich, in: FS Heldrich 2005, S. 154; Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 119; Semler, in: FS Budde 1995, S. 602. 634 635

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die Zahlung zum Nutzen der Gesellschaft positive Leistungsanreize für aktive oder zukünftige Vorstandsmitglieder schafft. Zum anderen kommt es darauf an, inwieweit die in Rede stehende „Sonderleistung“ des Vorstandsmitglieds bereits durch die geltende dienstvertragliche Vergütungsregelung angemessen abgegolten wird641. Denn die doppelte Vergütung ein und desselben Erfolges stellt eine untreueerhebliche Verschwendung von Gesellschaftsvermögen dar642. Eine überobligationsmäßige Leistung wird daher in erster Linie dann in Betracht kommen, wenn der Vertrag überhaupt keinen am Unternehmenserfolg oder vergleichbaren Zielgrößen ausgerichteten variablen Vergütungsbestandteil vorsieht643. Ist dahingegen ein Vorstandsmitglied beispielsweise vertraglich schon an einem Aktienoptionsplan644 beteiligt, so wird ihm der Aufsichtsrat keine weitere nachträgliche Anerkennungsprämie für die „Steigerung des Börsen- bzw. Unternehmenswertes“ gewähren dürfen, wie sie etwa die Vorstandsmitglieder im Fall Mannesmann erhalten haben645. Denn eine überobligationsmäßige Steigerung des Unternehmenswertes lässt sich hier aus der vertraglich vergüteten Tätigkeit nicht mehr extrahieren. (2) Angemessenheitsgrenze variabler Vergütungsbestandteile Für die Festsetzung variabler Vergütungsbestandteile impliziert das Gebot der Vermögensfürsorge weitere eindeutige Grenzen der Aufsichtsratsentscheidung. Zunächst verbindet sich mit der Anknüpfung der Vergütung an bestimmte Parameter die Aussage, dass der Wert der Vorstandstätigkeit ohne die Erreichung der formulierten Zielvorgaben bereits durch den festen Vergütungsanteil abgegolten wird. Honoriert die variable Vergütung demnach stets einen besonderen Erfolg, muss sie sich folgerichtig daran messen lassen, inwieweit sie die Erreichung eines bestimmten Unternehmenszieles durch das Vorstandsmitglied in geeigneter Weise zu fördern und abzubilden vermag646. Die Formulierung der Zielgröße – ob Beschäftigungssicherung, Gewinnsteigerung, Zuwachs von Marktanteilen oder Maximie641 Vgl. oben a), aa), (2), (b). So war es beispielsweise angemessen, dass die Bertelsmann AG ihrem (ehemaligen) Vorstandsvorsitzenden für seine außerordentlichen Verdienste nachträglich eine zusätzliche Anerkennungsprämie gewährte. Im Wege des Joint Venture mit AOL stieg der Umsatz des Unternehmens um 24, 6% in einer Zeit, in der vergleichbare Engagements in vielen Fällen von Verlusten begleitet war; vgl. zu diesem rechtmäßigen Beispiel Säcker / Boesche, BB 2006, S. 902. 642 Ähnlich Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 323. 643 Säcker / Boesche, BB 2006, S. 903, beschränken die Möglichkeit gar ausschließlich auf diese Konstellation. 644 Siehe dazu unten (2). 645 Näher dazu unten d). Hinzu kommt, dass bei außerordentlichen Kursentwicklungen äußerst fraglich ist, ob sie überhaupt ausschließlich auf eine Leistung des Vorstands zurückgehen. Jedenfalls die aus diesem Grund bei Aktienoptionen gebotene Deckelung der Vorstandsvergütung darf durch eine nachträgliche Sonderzahlung deshalb nicht umgangen werden; ähnlich Brauer, NZG 2004, S. 506; siehe dazu auch unten (2). 646 Vgl. Thüsing, ZGR 2003, S. 489.

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rung des Unternehmenswerts – steht dabei im Ermessen des Aufsichtsrats, soweit die Zielerreichung jedenfalls dem Unternehmensinteresse entspricht647. Aus § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG ergibt sich, dass auch Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und damit eine Koppelung der Vergütung an die Entwicklung des Börsenkurses grundsätzlich erlaubt sind648. Die Tatsache, dass reale Aktienoptionen steuerlich nicht abzugsfähig sind und damit das Vermögen der Gesellschaft stärker belasten als die Alternativen der Stock Appreciation Rights oder Phantom Stocks649, die als Personalaufwand ergebnismindernd bilanziert werden können, macht Aktienoptionspläne zwar zu einer teuren, wenngleich nicht zwangsläufig unangemessenen Vergütungsform650. Ein Verstoß gegen das Unternehmensinteresse liegt in diesem Zusammenhang gleichwohl dann nahe, wenn die Vergütungshöhe in keinerlei Zusammenhang zur erbrachten Führungsleistung des Vorstandsmitglieds steht, sondern im Wesentlichen auf allgemeine Marktentwicklungen oder Sondereinflüsse zurückzuführen ist (sog. „windfall profits“)651. Eine Vergütung, die das Vorstandsmitglied nur für das Glück günstiger Fremdeinflüsse und nicht für einen individuellen Verdienst belohnt, lässt sich nicht durch eine positive Anreizfunktion zu Gunsten der Gesellschaft legitimieren und stellt eine Verschwendung von Gesellschaftsvermögen dar652. Gleichwohl wird man eine Pflichtverletzung des Aufsichtsrats nicht bereits dann annehmen können, wenn sich eine verhaltenssteuernde Wirkung der variablen Vergütungskomponenten im Einzelfall nicht konkret feststellen lässt653. Denn obschon die Frage einer positiven Anreizwirkung variabler Vergütungsstrukturen wirtschaftswissenschaftlich allgemein umstritten ist, lässt sich ein Ebenso Thüsing, ZGR 2003, S. 489. Vgl. Thüsing, ZGR 2003, S. 492 f. 649 Bei Phantom Stocks (virtuelle Optionen) oder Stock Appreciation Right werden die Vorstandsmitglieder nur schuldrechtlich so gestellt, als ob ein Aktienoptionsplan vereinbart worden wäre. Die Vergütung erfolgt hier jeweils durch Barauszahlung und nicht durch Ausgabe realer Aktien; näher dazu Frey, in: Großkomm. AktG, § 192 / Rn. 178, 181; Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 87 / Rn. 28, 36. 650 A. A. Binz / Sorg, BB 2002, S. 1276. Aktienoptionen sind indessen für das Vorstandsmitglied steuerlich günstiger als Stock appreciation rights; vgl. Feddersen, ZHR 161 (1997), S. 285 f. Dieser Steuervorteil kann zusätzlich Teil einer insgesamt angemessenen Vergütung sein. 651 Wird ein Vorstandsmitglied beispielsweise über eine Tantieme am Jahresgewinn des Unternehmens beteiligt, können sich solche außerordentlichen Vergütungszuwächse auch aus dem einmaligen Verkauf von Unternehmensbeteiligungen oder aus der bilanztechnischen Auflösung stiller Reserven ergeben; näher dazu Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, S. 1046 ff. Bei Aktienoptionsprogrammen können die erzielten Kurssteigerungen auch durch eine Hausse am gesamten Aktienmarkt und weniger durch einen besonderen Unternehmenserfolg veranlasst sein; vgl. Peltzer, in: FS Lutter 2000, S. 571 f.; Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 119; Schwark, in: FS Raiser 2005, S. 383. 652 In diesem Sinne auch Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 119; Schwark, in: FS Raiser 2005, S. 390; Thüsing, ZGR 2003, S. 477 f., 490, 493. 653 Wie hier Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 119. 647 648

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strafrechtlicher Pflichtverstoß mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz nicht begründen, solange diesbezüglich kein überwiegender Konsens unter den Sachkundigen herrscht654. Der Aufsichtsrat ist im Interesse der Gesellschaft kraft seiner Vermögensfürsorgepflicht dennoch gehalten, den Einfluss solcher windfall profits auf die Vergütungshöhe etwa durch eine Indexierung oder eine Deckelung mittels sog. „Caps“ zu vermeiden655. Offensichtlich unangemessen sind aus diesem Grund jedenfalls variable Vergütungsbestandteile, die nicht zugleich in irgendeiner Weise einen geeigneten Mechanismus enthalten, der außerordentliche Vergütungszuwächse durch windfall profits zumindest begrenzt656. Trifft der Aufsichtsrat solche Vergütungszusagen, erfüllt er den objektiven Tatbestand der Missbrauchsuntreue. Entsprechendes muss für die Herabsetzung des Erfolgsmaßstabes nach Erbringung der Führungsleistung gelten, wenn damit umgekehrt ein „windfall loss“, etwa infolge einer negativen Entwicklung des Gesamtmarktes, zu Gunsten des Vorstandsmitglieds ausgeglichen werden soll (sog. „repricing“)657. Im Zusammenhang mit der Auflage von Aktienoptionsplänen bleibt jeweils zu beachten, dass die Entscheidungskompetenz zur Ausgabe realer Optionen an den Vorstand bei der Hauptversammlung liegt und der Aufsichtsrat nur über die weitere Ausgestaltung und Zuteilung der Aktienoptionspläne im vorgegebenen Rahmen entscheiden kann (§§ 123 Abs. 2 Nr. 3, 193 Abs. 2 Nr. 3 und 4 AktG)658. Betrachtet man das Aktienoptionsprogramm daher isoliert, so kann das Einverständnis der Aktionäre eine untreuerelevante Pflichtverletzung der Aufsichtsratsmitglieder insoweit ausschließen659. Ungeachtet dessen bleibt der Aufsichtsrat allein dafür verantwortlich, dass sich der Aktienoptionsplan in eine angemessene Gesamtvergütung des Vorstandsmitglieds Siehe dazu oben II., 2. Dies sieht auch Ziffer 4.2.3 Abs. 2 DCGK vor. Zu den verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten siehe im Einzelnen Baums, in: FS Claussen 1997, S. 10 ff.; Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 87 / Rn. 30; Thüsing, ZGR 2003, S. 493 ff. 656 Ebenso Brauer, NZG 2004, S. 503; Lutter, ZIP 2003, S. 739; Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 119; Schwark, in: FS Raiser 2005, S. 390; wohl auch Peltzer, ZIP 2006, S. 208; zurückhaltend in Bezug auf eine Begrenzungspflicht des Aufsichtsrats hingegen Thüsing, ZGR 2003, S. 495 f. 657 Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 119; Schwark, in: FS Raiser 2005, S. 390; näher dazu Adams, in: FS v. Weizsäcker 2003, S. 308 ff.; Thüsing, ZGR 2003, S. 498 f. Der fehlende Leistungsbezug unterscheidet dieses sog. repricing jedenfalls maßgeblich von der nachträglichen Erhöhung der Bezüge durch die Gewährung einer Anerkennungsprämie. 658 Dies gilt allerdings nicht für vergleichbare Vergütungsgestaltungen in Form von sog. Phantom Stocks (virtuelle Optionen) oder sog. Stock Appreciation Rights, bei denen die Vorstandsmitglieder nur schuldrechtlich so gestellt werden, als ob ein Aktienoptionsplan vereinbart worden wäre. Da die Vergütung hier jeweils durch Barauszahlung und nicht durch Ausgabe realer Aktien erfolgt, bedarf es insoweit auch keiner (tatbestandsausschließenden) Billigung durch die Hauptversammlung; siehe dazu Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 87 / Rn. 28, 36. 659 Siehe zu den allerdings strengen Voraussetzungen oben III.; ähnlich Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 119. 654 655

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einpasst660. Unter diesem Gesichtspunkt sind die Pläne vertraglich so auszugestalten, dass die Schranke der Angemessenheit insgesamt gewahrt wird661. (3) Angemessenheitsgrenze von Abfindungsvereinbarungen Im Falle einer vorzeitigen Vertragsbeendigung ist der Aufsichtsrat regelmäßig gehalten, die vereinbarten Bezüge des Vorstandsmitglieds inklusive der Nebenund Sonderleistungen für die volle Vertragslaufzeit auszuzahlen662. Bei der Bemessung der angemessenen Abfindungshöhe sind häufig schwierige Prognosen künftiger Entwicklungen erforderlich, wenn der Bezugspunkt des (variablen) Entgelts ein noch unbestimmter, zukünftiger Berechnungsfaktor ist663. Erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile werden deshalb nicht selten unter Zugrundelegung des maximalen Zielerreichungswertes ausgelöst664. Im Schrifttum wird eine solche „freigebige“ Antizipation des Aufsichtsrats bisweilen für treupflichtwidrig gehalten665. Bei noch ungewissen Vergütungsansprüchen habe der Aufsichtsrat die Berechnung grundsätzlich auf den entsprechenden Stichtag zu verschieben. Dieser Einwand lässt indessen unberücksichtigt, dass dem betreffenden Vorstandsmitglied durch das vorzeitige Ausscheiden aus der Gesellschaft die Möglichkeit genommen wird, in Zukunft persönlich auf die Zielerreichung Einfluss zu nehmen666. Jedenfalls wenn die Ziele in der Vergangenheit vollständig erreicht wurden und sich in den jüngsten Quartalsergebnissen fortschreiben, wird der Aufsichtsrat im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens auch für die Restlaufzeit des Vertrages von einer höchstmöglichen Zielerfüllung berechtigterweise ausgehen können667. Auf Grund der vorzeitigen Auszahlung hat er aber in jedem Falle eine Abzinsung des Betrages auf den Zeitpunkt der Vertragsauflösung vorzunehmen668. 660 Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 87 / Rn. 28; Hüffer, Komm. AktG, § 87 / Rn. 6; OLG Braunschweig, AG 1999, S. 84 f.; OLG München, AG 2003, S. 165; OLG Stuttgart, AG 1998, S. 530. 661 Hüffer, Komm. AktG, § 87 / Rn. 6. 662 Bei der Abgeltung von Vertragsansprüchen geht es in der Sache nicht um die Festsetzung von Vorstandsbezügen im Sinne von § 87 Abs. 1 AktG, weshalb die Sorgfaltspflichten der Aufsichtsratsmitglieder diesbezüglich unmittelbar der allgemeinen Sorgfaltsnorm der §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG zu entnehmen sind; vgl. Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), S. 169; a. A. Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 87 / Rn. 15; Körner, NJW 2004, S. 2699. Der Unterschied ist gleichwohl rein dogmatischer Natur, siehe oben aa) a. E. 663 Vgl. Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), S. 169. 664 Liebers / Hoefs, ZIP 2004, S. 101; Martens, ZHR 169 (2005), S. 137. 665 Martens, ZHR 169 (2005), S. 137 f. 666 Liebers / Hoefs, ZIP 2004, S. 101. 667 Ebenso J.-H. Bauer / Arnold, DB 2006, S. 548; Liebers / Hoefs, ZIP 2004, S. 101; a. A. Martens, ZHR 169 (2005), S. 138. 668 Wie hier Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), S. 169.

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Eine Abfindungszahlung, die in der Höhe über die Kapitalisierung der vertraglichen Regelvergütung hinausgeht, ist als zusätzliche Sonderprämie für das Vorstandsmitglied, wie gezeigt, nur unter besonderen Umständen gerechtfertigt. Es kann allerdings nicht jede überschießende Abfindung ohne weiteres in eine zulässige Stillhalte- oder Kontrollwechselzahlung669 umgedeutet werden, etwa mit der Begründung, dass bei jeder (alternativen) Kündigung ein Rechtsstreit um ihre Wirksamkeit drohe, dass jedes Vorstandsmitglied über potentiell schädliche Unternehmensinformationen verfüge oder nur durch eine „Change-of-Control“-Klausel an die Gesellschaft gebunden werden konnte670. Die Gründe der genannten Art müssen vielmehr nach rational nachvollziehbarer Einschätzung des Aufsichtsrats die Zusage einer besonderen Abfindungsprämie im konkreten Einzelfall erforderlich machen671. Hat diese besondere Erwägung in die Entscheidung der Aufsichtsratsmitglieder über die Abfindung in keiner Weise Eingang gefunden, genießen sie den Schutz der Business Judgment Rule dann nicht, wenn sich insbesondere bei der Stillhalteprämie das für unternehmerisches Handeln typische wirtschaftliche Risiko verwirklicht, dass die Abfindung ihren Zweck nicht erfüllt und das Vorstandsmitglied schädliches Insiderwissen gleichwohl preisgibt. In diesem Fall stellt sich die zusätzliche Abfindungszahlung unabhängig von ihrer absoluten Höhe als pflichtwidrige Verschwendung von Gesellschaftsvermögen dar672. Wird die Abfindungszahlung nicht erst im Zusammenhang mit dem vorzeitigen Ausscheiden des Vorstandsmitglieds, sondern bereits vorab im Anstellungsvertrag vereinbart, so ergibt sich aus § 84 Abs. 1 AktG eine wichtige Schranke auch für die angemessene Abfindungshöhe. Die danach vorgeschriebene Befristung der Amtszeit gebietet im Interesse der Gesellschaft, dass sie grundsätzlich nicht länger als fünf Jahre an ein Vorstandsmitglied gebunden ist673. Entstehen daher bei nicht erfolgender Wiederbestellung durch eine Abfindungszusage – bzw. durch eine vergleichbare Ruhegehaltsvereinbarung oder die Gewährung lebenslanger Nutzungsrechte674 – so hohe geldwerte Verpflichtungen für die Gesellschaft, dass der Aufsichtsrat in seiner Entschließungsfreiheit über eine Vertragsverlängerung eingeschränkt wird, verstößt sie gegen das Wohl der Gesellschaft675. Ein evidenter Pflichtverstoß wird unter diesem Gesichtspunkt jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn sich der Aufsichtsrat in einem auf die maximal zulässigen fünf Jahre befristeten Anstellungsvertrag von vorneherein zu einer zusätzlichen AbfindungszahSiehe oben a), bb), (2) und (3). Vgl. auch Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 121. 671 Siehe dazu allgemein oben I., 3., a). 672 Ähnlich Rönnau / Hohn, NStZ 2004, S. 121. 673 Siehe im Einzelnen oben 1. Teil, B., IV., 3., a). 674 Vgl. J.-H. Bauer / Arnold, DB 2006, S. 548. 675 Vgl. BGHZ 8, 348 (359 f.); J.-H. Bauer, DB 1992, S. 1414; Fonk, NZG 2005, S. 254; Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 84 / Rn. 59 ff.; Schwark, in: FS Raiser 2005, S. 381 f.; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 318; ders., in: FS Budde 1995, S. 602. 669 670

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lung in der Höhe von drei weiteren Jahresgehältern verpflichtet und zugleich auf eine Anrechnung anderweitiger Einkünfte im Sinne von § 615 Satz 2 BGB verzichtet676. c) Ausschluss der Pflichtwidrigkeit durch rechtfertigende Pflichtenkollision? Haben die Mitglieder des Aufsichtsrats über Zuwendungen an Vorstandsmitglieder der Gesellschaft zu entscheiden, so können sie nach einer neuerdings in der Literatur vertretenen Ansicht677 unter Umständen in eine (scheinbar) unauflösbare Konfliktlage geraten. Denn die Gesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat, habe nach gefestigter Rechtsprechung678 auch den Vorstandsmitgliedern gegenüber Fürsorge- und Treuepflichten, die je nach Lage durch eine (im Interesse der Gesellschaft erfolgende) Verweigerung jedweder Zahlung ebenfalls verletzt würden. In der Konsequenz müsse der Aufsichtsrat deshalb straflos bleiben, wenn er sich im Sinne einer rechtfertigenden Pflichtenkollision für die Befolgung der zumindest gleichwertigen Pflicht gegenüber den Vorstandsmitgliedern und damit für eine Zahlung zum Nachteil der Gesellschaft entscheide. Ungeachtet der tatsächlichen Voraussetzungen dieser behaupteten Pflichtenkollision ist dieser Ansatz bereits auf Grund seiner rechtsdogmatischen Prämisse allgemein verfehlt. Eine strafrechtlich rechtfertigende Pflichtenkollision setzt voraus, dass der Normadressat zwei rechtlich gleichwertigen Handlungsgeboten unterliegt, von denen er eines verletzten muss, um das andere erfüllen zu können679. Die Treuepflichten der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft einerseits sowie gegenüber dem Vorstand andererseits lassen sich jedoch rechtlich nicht auf eine Stufe stellen. Die Treu- und Fürsorgepflicht gegenüber den Vorstandsmitgliedern obliegt der Gesellschaft nur als Nebenpflicht des Anstellungsvertrages und kann den Organmitgliedern in diesem Rahmen etwa einen Anspruch auf Gleichbehandlung gewähren680. Bei der Konkretisierung dieser Fürsorgepflicht ist generell zu beachten, dass das Vorstandsmitglied weitgehend selbst in der Lage ist, seine persönlichen Belange und Vermögensinteressen zu wahren681. Der Aufsichtsrat hat damit jedenfalls keine Vermögensfürsorgeverpflichtung gegenüber dem Vorstand, wie sie ihm gegenüber der Gesellschaft als Hauptpflicht obliegt. Fehlt es mithin an gleichwertigen Treuepflichten des Aufsichtsrats, kann eine rechtfertigende Pflich676 Entsprechendes gilt nach Ansicht des BGH, wenn Pensionszahlungen in Höhe der Gesamtbezüge zugesagt werden, vgl. BGHZ 8, 348 (359 f.). 677 Peltzer, ZIP 2006, S. 208. 678 Vgl. BGHZ 12, 327 (345); 15, 71 (77); 50, 378 (383); ebenso Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 84 / Rn. 37. 679 Hirsch, in: LK-StGB, Vor § 32 / Rn. 76 m. w. N. 680 Näher dazu Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 84 / Rn. 37. 681 Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 84 / Rn. 37.

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tenkollision im Rahmen einer Organtätigkeit bereits rechtlich nicht entstehen und folgerichtig eine Untreuestrafbarkeit nicht ausschließen.

d) Fallstudie: Die Vergütungsentscheidungen im Fall Mannesmann / Vodafone Mit dem Fall „Mannesmann / Vodafone“ hat die Frage einer strafrechtswidrigen Vergütungsentscheidung des Aufsichtsrats ein berühmtes Aktenzeichen erhalten. Dieses Strafverfahren hat das Problem der Angemessenheit von Vorstandsvergütungen im juristischen (vornehmlich aktienrechtlichen) Schrifttum aus einem lange währenden „Mauerblümchen-Dasein“682 geweckt und schließlich auch eine Reaktion des Gesetzgebers in Form des VorstOG683 hervorgerufen. Die erste Instanz des LG Düsseldorf684 hatte die Angeklagten vom Vorwurf der Untreue freigesprochen. Diese Freisprüche wurden durch das Revisionsurteil des Bundesgerichtshofs nach den hier bereits erörterten Kautelen des 3. Strafsenats685 in weiten Teilen wieder aufgehoben686. Nach der Rückverweisung an das LG Düsseldorf wurde das Verfahren letzten Endes durch Beschluss gemäß § 153a Abs. 1 und 2 StPO gegen Geldauflagen (vorläufig) eingestellt687. Ungeachtet dieses für komplexe Wirtschaftsstrafsachen nicht ungewöhnlichen Prozessverlaufes688 ist jedenfalls der den Ermittlungen zugrunde liegende Sachverhalt ohne Zweifel ein Lehrstück für die (zukünftige) strafrechtliche Subsumtion unternehmerischer (Vergütungs-)Entscheidungen unter den Tatbestand des § 266 StGB. Er soll deshalb zum Anlass genommen werden, um die hier entwickelten Kautelen eines Untreueverstoßes einer praktischen Prüfung zu unterziehen und zugleich Alternativen zum Lösungsweg der Rechtsprechung aufzuzeigen689.

682 In den Worten von Spindler, ZIP 2006, S. 349; Thüsing, ZGR 2003, S. 505, bezeichnete das Angemessenheitskriterium in § 87 Abs. 1 AktG bis dahin als „dead letter law“. 683 BGBl. I, 2005, S. 2267. 684 Urt. v. 22. 7. 2004 – XIV 5 / 03, ZIP 2004, S. 2044 ff. 685 Zum Maßstab der höchstrichterlichen Rechtssprechung siehe ausführlich oben a), aa), (1). 686 Urt. v. 21. 12. 2005 – 3 StR 470 / 04, ZIP 2006, S. 72 ff. 687 Beschluss vom 29. 11. 2006, vgl. http: / / www.lg-duesseldorf.nrw.de / presse / dokument / 09 – 06.pdf. 688 Siehe bereits oben § 1, A. 689 Die spezifischen Fragen der Individualverantwortlichkeit der beteiligten Aufsichtsratsmitglieder im Rahmen der Gremienentscheidungen bleiben an dieser Stelle ausgeblendet; siehe dazu eingehend unten § 6. Gleiches gilt für das Problem der Rechtmäßigkeit der ebenfalls erfolgten Abfindung von Alternativpensionsansprüchen, da es sich hierbei um eine außergewöhnliche Regelung der Mannesmann AG handelte, der über den Einzelfall hinaus keine Bedeutung zukommen dürfte.

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aa) Sachverhalt Den Anknüpfungspunkt für die rechtliche Subsumtion soll der Sachverhalt bilden, den die Strafgerichte in ihren publizierten Entscheidungen skizziert haben, ergänzt durch einige Details, die Hüffer690 in einem Rechtsgutachten veröffentlicht hat: Ab November 1999 versuchten der Vorstandsvorsitzende der Mannesmann AG Esser und seine Mitarbeiter eine Übernahme durch das britische Unternehmen Vodafone abzuwehren und die wirtschaftliche Selbstständigkeit des Unternehmens zu erhalten. Nach einem harten Übernahmekampf kam es am 2. Februar 2000 zu einer Einigung der Vertreter beider Unternehmen über die Bedingungen einer freundlichen Übernahme. Vodafone hielt am 3. Februar 2000 9,8% des Grundkapitals der Mannesmann AG. Bis zum 4. Februar 2000 wurden von den Aktionären 21%, bis zum 28. Februar 2000 90,2% und bis zum 29. März 2000 98,66% des Grundkapitals der Mannesmann AG in Aktien von Vodafone umgetauscht. Alleininhaberin aller Aktien der Mannesmann AG wurde Vodafone im Jahr 2002 nach einer Abfindung der Minderheitsaktionäre im Wege des „Squeeze-Out“. Der Kurs der Mannesmann-Aktien hatte bis zur Übernahme durch Vodafone haussiert, geriet später jedoch in eine starke Baisse. Kurz nach der Entscheidung über die einvernehmliche Übernahme beschäftigte sich das Aufsichtsratspräsidium der Mannesmann AG, dem nach der Geschäftsordnung „die Behandlung von Anstellungsverträgen des Vorstands übertragen“ worden war, mit der Zuerkennung freiwilliger Anerkennungsprämien an den Vorstandsvorsitzenden Esser, vier weitere Vorstandsmitglieder sowie den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Funk, der dem befassten Aufsichtsratsgremium selbst angehörte. Dasselbe Gremium hatte bereits am 10. Dezember 1999 beschlossen, dass der Vorstandsvorsitzende Esser für den Fall einer vorzeitigen Beendigung seines Anstellungsverhältnisses wegen der Übernahmesituation Gehalt und Bonus für die Restlaufzeit seiner Bestellungsperiode als Abfindung in Höhe von knapp 15 Mio. Euro erhalten solle. Am 16. Januar 2000 wurde für den Fall der Abwehr des Übernahmeangebotes eine weitere Bonusregelung getroffen. Die Anerkennungsprämie für Esser in Höhe von ca. 16 Mio. Euro (10 Mio. GBP), die er neben weiteren 2 Mio. Euro zur Abgeltung verschiedener Sachansprüche erhielt, wurde am 4. Februar 2000 vom Aufsichtsratspräsidium vereinbart. Das Aufsichtsratsgremium wollte damit insbesondere dessen Verdienste als Finanzvorstand im Zeitraum von 1994 bis Ende Mai 1999 und als Vorstandsvorsitzender seit Ende Mai 1998 im Hinblick auf die gute Ertragslage des Unternehmens, die Steigerung des Aktien- und Unternehmenswertes sowie die Leistungen 690 Hüffer, BB 2003, Beilage 7, S. 2 ff. Dieses Gutachten erfolgte im Auftrag der Deutsche Bank AG, deren Vorstandsvorsitzender Ackermann zu den Angeklagten gehörte, und steht daher jedenfalls nicht in dem Verdacht, den Sachverhalt zum Nachteil der Angeklagten dargestellt zu haben.

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im Übernahmekampf würdigen und angemessen entlohnen. In der etwa 30-minütigen Präsidiumssitzung waren von dem 4-köpfigen Gremium nur der Aufsichtratsvorsitzende Funk und das Mitglied Ackermann persönlich anwesend. Es lag eine von Esser formulierte Beschlussvorlage vor, derzufolge „Herr Dr. Esser auf Initiative des Großaktionärs Hutchinson Whampoa und nach einer zwischen Hutchinson und Vodafone getroffenen Abstimmung eine Anerkennungsprämie in Höhe von 10 Mio. GBP erhalten sollte. Der Ausschuss für Vorstandsangelegenheiten stimmt diesem zu. Die Prämie wird bezahlt, wenn Vodafone die Aktienmehrheit erworben hat.“ Darüber hinaus sollten vier weitere Vorstandsmitglieder, von denen zwei erst seit wenigen Tagen dem Vorstand angehörten, wegen ihrer Beiträge zum Erfolg des Telekommunikationsbereichs der Mannesmann AG und zur Steigerung des Unternehmenswertes mit Sonderzahlungen in insgesamt der gleichen Höhe bedacht werden. Die Dauer ihrer zukünftigen Tätigkeit für die Mannesmann AG blieb dafür ohne Bedeutung. Daraufhin äußerte der Aufsichtsratsvorsitzende Funk den Wunsch, als früherer Vorstandsvorsitzender ebenfalls beteiligt zu werden. Er einigte sich mit Ackermann auf einen Betrag von 3 Mio. GBP. Die nach Auffassung Ackermanns hierfür erforderliche Zustimmung des Großaktionärs Hutchinson Whampoa als Initiator der Prämien wurde umgehend eingeholt. Nachdem das dritte, telefonisch konsultierte Aufsichtsratsmitglied Zwickel erklärte, mit dem vorgesehenen Beschluss keine Probleme zu haben, wurde dieser sogleich schriftlich niedergelegt und unterschrieben. Nach formalrechtlichen Bedenken wegen der Stimmabgabe Funks in eigener Sache wurde der Beschluss jedoch anschließend insoweit wieder aufgehoben. In der Sitzung vom 17. Februar 2000 hielt das Aufsichtsratspräsidium die Frage der Anerkennungsprämien daher erneut in seinen Beschlüssen u. a. mit dem Wortlaut fest: „Die Entscheidung des Vodafone Boards über die Zuerkennung eines Appreciation Awards von GBP 10,0 Mio. an Herrn Dr. Esser wird zur Kenntnis genommen.“ Am 28. Februar 2000 erfolgte schließlich folgende Beschlussvorlage im Umlaufverfahren: „Es wird festgestellt, dass die Zahlung des Betrages von GBP 10 Mio. durch die Mannesmann AG an Herrn Dr. Esser von dem Großaktionär Hutchinson Whampoa mit Herrn Chris Gent (Vodafone-Airtouch) abgestimmt worden und dem Ausschuss für Vorstandsangelegenheiten vorgeschlagen worden ist. Dieser hat sich am 4. 2. 2000 und am 17. 2. 2000 mit der Angelegenheit befasst. (Er) beschließt hiermit, dass der genannte Betrag Herrn Dr. Esser zugewendet werden soll.“ Nach dem Ausscheiden des Vorsitzenden Funk aus dem Aufsichtsrat der Mannesmann AG beschloss das Präsidium am 17. April 2000 durch den neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Gent nochmals, diesem eine freiwillige Sonderzahlung in Höhe von ca. 3 Mio. Euro zuzuwenden. Laut dem Inhalt des Beschlussprotokolls geschah dies, um dessen maßgebliche Beiträge zum wirtschaftlichen Erfolg der Mannesmann AG und zur Steigerung des Unternehmenswertes zu honorieren. Unmittelbar vor dieser Beschlussfassung hatte das Aufsichtsratsmitglied Ackermann von den rechtlichen Bedenken der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

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KPMG gegen die Prämien für Esser und die vier weiteren Vorstandsmitglieder erfahren. In der Folgezeit wurden die Prämien an die Begünstigten ausbezahlt, der Betrag an Esser am 28. März 2000, der Betrag an Funk Ende April 2000. Die an den Aufsichtsratsbeschlüssen beteiligten Mitglieder gingen bei ihren Entscheidungen davon aus, sich im Rahmen eines ihnen insoweit eingeräumten unternehmerischen Ermessensspielraumes zu bewegen, und hielten daher ihr Handeln für erlaubt.

bb) Rechtliche Einordnung in den Untreuetatbestand (1) Pflichtwidrigkeit der nachträglichen Vergütungen Nach den hier aufgestellten Konstituentia eines strafbewehrten Untreueunrechts muss die Ausgangsfrage der rechtlichen Würdigung lauten: Waren die nachträglichen Sonderzahlungen unangemessen, weil entweder die Vergütung als solche nicht im Interesse der Gesellschaft erfolgte oder bereits die Informationsbasis und Vorbereitung der Vergütungsentscheidung unzureichend war? Die zunächst mit Esser vereinbarte Abgeltung der vertraglichen Vergütungsansprüche im Falle seines vorzeitigen Ausscheidens aus dem Vorstandsamt ist danach ebenso wenig bedenklich wie die Zusage einer Erfolgsprämie für die Abwehr des Übernahmeangebots. Als problematisch erweisen sich vielmehr die freiwillig gewährten Anerkennungsprämien. Die Frage, ob eine nachträgliche Sonderzahlung für die Gesellschaft von Nutzen ist oder aber ihr Vermögen ohne Kompensation mindert und deshalb gegen das Unternehmensinteresse verstößt, bestimmt sich einmal nach der prospektiven Anreizwirkung der Vergütung für aktive oder potenzielle Führungskräfte. Die Strafgerichte691 hatten den Anerkennungsprämien im vorliegenden Fall einen solchen positiven Leistungsanreiz zugunsten der Mannesmann AG gänzlich abgesprochen. Wiewohl dies in Bezug auf den ausscheidenden Vorstandsvorsitzenden Esser und erst Recht in Bezug auf den längst ausgeschiedenen Vorstandsvorsitzenden Funk mangels weiterer zu erbringender besonderer Leistungen richtig gewesen sein mag, lässt sich die Frage einer vorteilhaften Signal- und Werbewirkung gegenüber den vier begünstigten aktiven Vorstandsmitgliedern wie auch gegenüber potenziellen künftigen Führungskräften der Mannesmann AG nicht mit der gleichen Stringenz negieren692. Das LG Düsseldorf, dessen Feststellungen der 3. Strafsenat folgt, verweist insoweit auf die fortgeschrittene Übernahmesituation und den bevorstehenden Verlust der Eigenständigkeit der Mannesmann AG. Angesichts der bevorstehenden Übernahme durch Vodafone solle es weder notwendig693 noch möglich gewesen sein, aktiven oder potenzielBGH, ZIP 2006, S. 72 (75); LG Düsseldorf, ZIP 2004, S. 2045 (2050). Ebenfalls kritisch Hohn, wistra 2006, S. 163; Reiner / Geuter, EWiR § 266 StGB 1 / 06, S. 188; Spindler / Kasten, WuB 2006, IX. § 266 StGB 1.06. 691 692

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len Vorstandsmitgliedern die Attraktivität einer Tätigkeit bei der Mannesmann AG zu demonstrieren694. Abstrakt würde dieser Standpunkt der Rechtsprechung bedeuten, dass die Verwaltungsorgane im Zeitpunkt einer absehbaren Übernahme keine (Investitions-)Maßnahmen zur künftigen Vermögensmehrung mehr vornehmen dürften und nur noch gehalten wären, den Vermögensbestand der Gesellschaft zu bewahren695. Deshalb ist bereits nachhaltig in Frage zu stellen, dass vorhersehbare Änderungen in der Zusammensetzung des Gesellschafterkreises das gegenwärtige Unternehmensinteresse zu beeinflussen vermögen696. Ungeachtet dessen besteht sowohl im Vertragskonzern697 (§§ 291 ff. AktG) als auch bei einer Eingliederung in die Muttergesellschaft698 (§§ 319 ff. AktG) und erst Recht im faktischen Konzern699 weiterhin (auch) ein „eigenes“ Unternehmensinteresse der abhängigen Tochtergesellschaft. Vor diesem Hintergrund erlischt mit einer Konzernierung auch nicht zwangsläufig das Interesse der Tochtergesellschaft an einem guten Ruf auf dem Personalmarkt700. Deshalb darf selbst in Übernahmesituationen nicht apodiktisch ausgeschlossen werden, dass publizierte Prämienzahlungen eine prospektive Anreizwirkung „zum Wohl der Gesellschaft“ entfalten. In der Praxis lässt sich damit – bei publizierten Vergütungsvereinbarungen – das Kriterium einer fehlenden Anreizwirkung, jedenfalls nach dem strafrechtlichen Grundsatz „in dubio pro reo“, zur Begründung eines Untreueunrechts regelmäßig nicht heranziehen. Diese Erkenntnis unterstreicht die hier theoretisch bereits entwickelte Prämisse, dass eine fehlende Anreizwirkung die Rechtswidrigkeit einer freiwilligen Anerkennungsprämie allein nicht zu begründen vermag701. Aus diesem Grund spielt es in besonderem Maße eine Rolle, inwieweit die in Rede stehende Sonderleistung des Vorstandsmitglieds jeweils durch die geltende dienstvertragliche Vergütungsregelung bereits angemessen abgegolten wurde702. 693 Nicht nachvollziehbar ist die Prämisse der Strafrichter, warum der Bedarf an neuen, anzuwerbenden Vorstandsmitgliedern mit der Konzernverbindung „kontinuierlich abnehmen“ soll. 694 Zustimmend Schünemann, Organuntreue, S. 51 mit Fn. 114. 695 Treffend Hohn, wistra 2006, S. 163. 696 Wie hier Reiner / Geuter, EWiR § 266 StGB 1 / 06, S. 188. 697 Altmeppen, in: Münchener Komm. AktG, § 308 / Rn. 153 ff.; Hüffer, Komm. AktG, § 308 / Rn. 20; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 / Rn. 142. 698 Grunewald, in: Münchener Komm. AktG, § 323 / Rn. 10. 699 Näher dazu Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 / Rn. 145 ff. 700 Ebenso Reiner / Geuter, EWiR § 266 StGB 1 / 06, S. 188, die zudem mit Recht darauf hinweisen, dass es selbst im (mittelbaren) Interesse der Tochtergesellschaft sein kann, wenn die Werbewirkung jedenfalls für die Muttergesellschaft und damit für den Konzern von Nutzen ist. 701 Siehe oben a), aa), (2), (c). 702 Inwieweit sich die Beiträge der vier einfachen Vorstandsmitglieder zum Erfolg des Telekommunikationsbereichs und zur Steigerung des Unternehmenswertes als überobligationsmäßige Leistungen darstellten, lässt sich aufgrund fehlender tatsächlicher Hinweise vorlie-

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Unter diesem Gesichtspunkt erscheinen zumindest die Anstrengungen Essers im Übernahmekampf geeignet, als herausragende überobligationsmäßige Leistung die entsprechende nachträgliche Erhöhung der Vergütung zu rechtfertigen703. Insoweit ist aber zu beachten, dass es mit der Einführung des § 33 Abs. 1 Satz 1 WpÜG seit 2002 nunmehr ausweislich zu den generellen, obligatorischen Pflichten eines Vorstandsmitglieds gehört, im Rahmen eines Übernahmekampfes unter größten Anstrengungen den bestmöglichen Preis für die Aktionäre auszuhandeln. Die besondere Honorierung einer „überobligationsmäßigen“ Leistung des Vorstands in Übernahmesituationen wird sich daher in Zukunft – anders als noch zur alten Rechtslage im Fall Mannesmann – in der Regel nicht mehr begründen lassen. Die nachträgliche Vergütung „besonderer“ Verdienste Funks in seiner Funktion als ehemaliger Vorstandsvorsitzender wird man dahingegen – losgelöst von der mangels Anhaltspunkten schwerlich zu beurteilenden Frage, ob die Leistungen nicht schon durch dessen vertragliche Vergütung angemessen abgegolten waren – insoweit als pflichtwidrig einstufen können, als die relevante Amtszeit bereits ein knappes Jahr zurück lag, das Präsidium zum Zeitpunkt seines Ausscheidens für eine Erhöhung keine Veranlassung sah und keine plausible Rechtfertigung für eine verspätete, nur ausnahmsweise überhaupt zulässige Nachjustierung der Bezüge ersichtlich ist. Die Verpflichtung der Aufsichtsratsmitglieder auf das Unternehmensinteresse impliziert schließlich, dass Vergütungsentscheidungen unbeeinflusst von Fremdeinflüssen und ohne ausschließlichen Eigennutz erfolgen. Unter diesem Gesichtspunkt wird ein Pflichtverstoß des Aufsichtsratspräsidiums der Mannesmann AG in verschiedener Hinsicht offenkundig. So ließen sich die Präsidiumsmitglieder bei der Zusage der Anerkennungsprämien ausschließlich von dem Vorschlag des Großaktionärs Hutchinson Whampoa sowie von der Zustimmung des Vodafone Boards leiten. Dies lässt sich nicht nur der ersten Beschlussvorlage entnehmen, wonach Esser seine Prämie „auf Initiative“ bzw. „nach Abstimmung“ mit den beiden Großaktionären erhalten sollte. Vielmehr machte Ackermann auch für die nachträgliche Einbeziehung Funks in den Kreis der Begünstigten ein erneutes Einverständnis der Großaktionäre zur maßgeblichen Voraussetzung. Das Missverständnis des Aufsichtsratsgremiums kulminiert schließlich in dem Auszug des Sitzungsprotokolls, demzufolge „die Entscheidung des Vodafone Boards“ über die Zuerkennung der Prämien „zur Kenntnis genommen“ werde. Die Gremiumsmitglieder haben die Vergütungsentscheidung damit nachweislich nicht dem Interesse der Mannesmann AG, sondern „lediglich“ dem Interesse der Großaktionäre untergeordnet. Die Prägend nicht zuverlässig bewerten. Die Tatsache, dass zwei dieser Mitglieder erst seit wenigen Tagen dem Vorstand angehörten, wird gleichwohl eher dafür sprechen, dass die Leistungen durch die früheren (Angestellten-)Dienstverträge noch nicht angemessen abgedeckt wurden. 703 Schünemann, Organuntreue, S. 54, stellt dies mit Recht insofern in Frage, als die Zerschlagung des Mannesmann-Konzerns für zahlreiche Arbeitnehmer absehbar den Verlust ihrer Arbeitsplätze bedeutete, der die „besondere“ Steigerung des Unternehmenswertes im Ergebnis relativiere. Die „besondere“ Leistung Essers lässt sich deshalb auch nur damit begründen, dass er sich der Situation einer faktisch nicht mehr abzuwendenden Übernahme nicht vorschnell fügte, sondern den bestmöglichen Preis für die Aktionäre aushandelte.

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mie für Funk war sogar ausschließlich durch den persönlichen Wunsch des Begünstigten motiviert. Handelte der Aufsichtsrat mithin nicht nach Maßgabe des Gesellschaftswohles, so begründet dies einen objektiven704 Verstoß gegen die Vermögensfürsorgepflicht705. Das neben der Beachtung des Unternehmensinteresses zweite zentrale Kriterium einer rechtmäßigen unternehmerischen Ermessensentscheidung lässt sich anhand des Mannesmann-Sachverhaltes ebenfalls exemplarisch illustrieren. Nach der Maßgabe des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG verletzten die Aufsichtsratsmitglieder bei einer Vergütungsentscheidung ihre Sorgfaltspflicht ebenso, wenn sie vernünftigerweise nicht annehmen durften, über eine angemessene Informationsgrundlage zu verfügen, der Mangel der Entscheidungsgrundlagen folglich handgreiflich war oder eine Entscheidungsvorbereitung und Beratung gänzlich unterblieben ist. Dass die Beteiligten diesen Anforderungen nicht nachgekommen sind, lässt sich an mehreren Punkten festmachen. So wurden die Beschlüsse bereits innerhalb kürzester Zeit nach der beschlossenen Übernahme getroffen, obwohl kein Grund für eine besondere Eile bestand. Über die Beschlussvorlage wurde im Präsidium sodann weder diskutiert, noch wurden Rückfragen getätigt, geschweige denn eigene Informationen (über die Begünstigten, deren Leistungen sowie deren Dienstverträge) eingeholt oder Vergleichsstudien bemüht706. Vielmehr erfolgte innerhalb einer 30-minütigen Sitzung eine Zusage von Sonderprämien, die nicht nur von den bisherigen Vergütungsgepflogenheiten im Unternehmen völlig abwich, sondern in ihrer Höhe für den gesamten Wirtschaftsstandort Deutschland vollkommen außergewöhnlich war und deshalb offenkundig nach einer eingehende(re)n Entscheidungsvorbereitung verlangte707. Der objektive Untreuetatbestand wird letzen Endes auch nicht durch das Einverständnis von Vodafone ausgeschlossen. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Prämien für Esser und die vier einfachen Vorstandsmitglieder hielt Vodafone lediglich 9,8% des Grundkapitals der Mannesmann AG, bei der Entscheidung über die Prämie für Funk sowie zum Zeitpunkt der Auszahlungen 98,66%. Vodafone wurde damit jedenfalls erst nach Vollendung der Untreue708 Alleinaktionärin und konnte folgerichtig kein tatbestandsausschließendes Einverständnis erteilen. 704 Der 3. Strafsenat kommt auf dieses Problem der sachwidrigen Motivation erst im Rahmen des subjektiven Untreuetatbestandes zu sprechen, vgl. ZIP 2006, S. 72 (77, 79). 705 Wie hier Schünemann, Organuntreue, S. 54 ff., der die Pflichtwidrigkeit in Anlehnung an die verwaltungsrechtliche Ermessenslehre als Fall der sog. Ermessensunterschreitung qualifiziert. 706 Schünemann, Organuntreue, S. 55, verweist mit Recht darauf, dass der Inhalt der Beschlussvorlage nicht zugleich die erforderlichen Informationen zur Bewertung ihrer Richtigkeit enthalten kann. 707 In der Sache gleich Schünemann, Organuntreue, S. 54 f., allerdings ohne den Bezug zur maßgeblichen Doktrin der Business Judgment Rule herzustellen. 708 Für die Beurteilung eines wirksamen Einverständnisses waren die Beteiligungsverhältnisse im Zahlungszeitpunkt ausschlaggebend, da durch die Beschlussfassung im Aufsichts-

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(2) Vorsatz und Unrechtsbewusstsein Um zuverlässig bewerten zu können, ob die aktienrechtliche Unkenntnis der Aufsichtsratsmitglieder im Fall Mannesmann dem kognitiven Bereich zugeordnet werden muss und folgerichtig bereits geeignet war, gemäß § 16 StGB den Untreuevorsatz auszuschließen, fehlt es an wirklich tragfähigen Sachverhaltsausführungen709. Geht man davon aus, die „Rechtsblindheit“ der Beteiligten äußerte sich als eine den Vorsatz unberührt lassende, irrige Annahme, aufgrund oder trotz der ihnen bekannten (Rechts-)Tatsachen zu ihrem Handeln befugt gewesen zu sein, so lässt sich anhand der Umstände zumindest die Frage der Vermeidbarkeit eines solchen Verbotsirrtums abschließend exemplifizieren. Nachdem das Präsidium keinen kundigen Rechtsrat zur Beurteilung der Zulässigkeit der Sonderprämien einholte, ist für die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums entscheidend, ob Erkundigungen in diesem Fall angezeigt waren und von sachkundiger Seite zumindest rechtliche Zweifel geäußert worden wären, die Anlass zu weiteren Nachforschungen gegeben hätten. In dieser Hinsicht dürfte ein Verbotsirrtum jedenfalls bei der Zuerkennung der Sonderzahlung für den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Funk vermeidbar gewesen sein710. Denn unmittelbar vor der Beschlussfassung hatte Ackermann von rechtlichen Bedenken der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG gegen die Prämien für Esser und die vier weiteren Vorstandsmitglieder erfahren. Selbst wenn man die erforderliche Sachkunde der Wirtschaftsprüfer für einen kompetenten Rechtsrat leugnet, so waren diese Äußerungen zumindest Anlass genug, um echten Rechtsrat zu bemühen. Es ist zwar nicht davon auszugehen, dass zum damaligen Zeitpunkt – insbesondere vor dem Hintergrund der im Jahr 2000 einzig fruchtbaren RG-Rechtsprechung, die freiwillige Anerkennungsprämien grundsätzlich gestattete – Hinweise auf eine generelle Unzulässigkeit nachträglicher Anerkennungsprämien erfolgt wären. Mit Sicherheit wären aber zumindest erhebliche Bedenken gegen eine Vergütungszusage erhoben worden, die auf Wunsch des Begünstigten knapp ein Jahr nach Ende der Amtstätigkeit getroffen werden sollte und sich damit nach allgemein anerkannten Kautelen offenkundig nicht am Unternehmensinteresse orientierte.

ratspräsidium noch keine schadensgleiche Gefährdung des Vermögens der Mannesmann AG eingetreten war und damit noch keine vollendete Untreuetat vorlag; näher dazu unten § 6, E. 709 Aus diesem Grund wäre in dem erneuten Verfahren vor dem Landgericht Düsseldorf insbesondere zur subjektiven Tatseite eine aufwendige Beweisaufnahme erforderlich geworden, die sich die Wirtschaftsstrafkammer durch die Einstellung des Verfahrens ersparte. Jedenfalls in zukünftigen Strafverfahren werden sich angeklagte Aufsichtsratsmitglieder angesichts der Öffentlichkeitswirkung des Mannesmann-Prozesses schwerlich noch auf ein vorsatzausschließendes aktienrechtliches Unwissen berufen können. 710 Dahingehend auch BGH, ZIP 2006, S. 72 (79 f.); a. A. LG Düsseldorf, ZIP 2004, S. 2045 (2055).

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2. Treubruchsuntreue durch Verletzung der Überwachungspflicht gemäß § 111 Abs. 1 AktG Im Rahmen der Überwachungsaufgabe nach § 111 Abs. 1 AktG kann das straftatbestandliche Untreueunrecht sowohl in einem positiven Tun als auch in einem Unterlassen der Aufsichtsratsmitglieder gründen711. Da sich die Kontrollkompetenzen des Aufsichtsrats auf den gesellschaftsinternen Bereich beschränken und keine rechtliche Außenwirkung für die Gesellschaft entfalten, handelt es sich hierbei um typische Konstellationen einer Treubruchsuntreue. Notwendige Voraussetzung ist jeweils eine nach Maßgabe des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG pflichtwidrige, vermögensschädigende Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands712, die den Aufsichtsrat bei entsprechender Kenntnis sowohl aktienrechtlich als auch strafrechtlich zwingend zu einem Eingreifen verpflichtet713. Unter diesen Umständen verstoßen die Aufsichtsratsmitglieder zunächst aktiv gegen ihre Vermögensfürsorgepflicht nach § 111 Abs. 1 AktG, wenn sie einem solchen Vorhaben des Vorstands gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG durch Beschluss ihre Zustimmung erteilen714. Ein Treubruch durch Unterlassen ist dahingegen anzunehmen, sofern der Aufsichtsrat in Kenntnis des vermögensschädigenden Charakters von einer Verhinderung der Maßnahme absieht. Droht eine gesetzeswidrige Vermögensschädigung durch den Vorstand, so haben die Aufsichtsratmitglieder das Recht wie auch die strafrechtliche Pflicht, entweder durch die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts und eine entsprechende Zustimmungsverweigerung715 oder mittels einer rechtsverbindlichen Einzelanweisung716 die Geschäftsführungsmaßnahme abzuwenden. Ein Ermessensspielraum steht dem Aufsichtsrat insoweit nur bei der Auswahl des Einwirkungsmittels zu, jedoch nicht in der Frage des Tätigwerdens an sich717. Daneben verletzen die Aufsichtsratsmitglieder ihre Vermögensfürsorgeverpflichtung regelmäßig auch dann, wenn sie es unterlassen, einen durchsetzbaren Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gemäß §§ 112, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG gegen die Mitglieder des Vorstands geltend zu machen718. Die Schadensersatzklage ist ein wichtiger Bestandteil der Vermögensfürsorge durch den Aufsichtsrat, 711 Vgl. dazu auch Otto, in: Großkomm. AktG, Vor § 399 / Rn. 25; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 83 f. 712 Siehe zu den Voraussetzungen im Einzelnen oben I., 2. und 3. 713 Siehe dazu oben § 2, B., II. 714 Vgl. jüngst auch Zech, Untreue, S. 254 ff. 715 Siehe dazu bereits oben im Rahmen der allgemeinen Unterlassungsverantwortung § 3, C., III., 3., b), aa), (4). 716 Nachdem die pflichtwidrige Vermögensschädigung durch den Vorstand regelmäßig zugleich den Straftatbestand der Untreue erfüllt, sind auch die Voraussetzungen für eine Sonderweisungsbefugnis des Aufsichtsrats gegeben, siehe dazu oben § 3, C., III., 3., b), bb). 717 Siehe dazu oben I., 2. 718 Vgl. dazu jüngst auch Zech, Untreue, S. 272 ff.

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da der Ersatzanspruch der Gesellschaft häufig sehr hohe Vermögensverluste kompensieren kann719. Entsprechend steht den Gremiumsmitgliedern in der Frage der Schadensersatznahme eines Vorstandsmitglieds – abgesehen von den Fällen, in denen der Aufsichtsrat die Rechtsverfolgung ohnehin auf Verlangen der Aktionäre gemäß § 147 Abs. 1 AktG anzustrengen hat – ein Ermessensspielraum nur zu, soweit sich ausnahmsweise widerstreitende Interessen von annähernd gleichem Gewicht gegenüber stehen720. Ansonsten wird die Schadenskompensation im Regelfall eine Inanspruchnahme des Vorstandsmitglieds zu Gunsten der Gesellschaft gebieten, so dass sich die Aufsichtsratsmitglieder im Falle eines Unterlassens der Treubruchsuntreue721 schuldig machen722. Der tatbestandliche Vermögensnachteil kann insoweit in einer schadensgleichen Gefährdung des Gesellschaftsvermögens bestehen, wenn die Realisierbarkeit des begründeten Anspruchs durch die Nichtgeltendmachung – bei drohender Verjährung – vereitelt oder eingeschränkt wird723. 3. Treubruchsuntreue durch Verletzung der Verschwiegenheitspflicht gemäß §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 3 AktG Die Geheimhaltung von vertraulichen Unternehmensinformationen stellt gemeinhin eine Rechtspflicht der Aufsichtsratsmitglieder dar, für die sie keinen unternehmerischen Haftungsfreiraum nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG beanspruchen können724. Eine untreuerelevante Verletzung der Verschwiegenheitspflicht gemäß §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 3 AktG kommt vornehmlich in Betracht, wenn die Mitglieder des Aufsichtsrats etwa die Absatzstrategie des Unternehmens, exklusive Kundendaten, die Entdeckung eines Rohstoffvorkommens oder Interna aus Forschung und Produktentwicklung unmittelbar gegenüber Marktkonkurrenten preisgeben. In diesen Fällen liegt eine wirtschaftliche Vermögensschädigung der Gesellschaft oder zumindest eine schadensgleiche Vermögensgefährdung gemeinhin nahe725, mit der Konsequenz, dass regelmäßig der Treubruchstatbestand gemäß § 266 Abs. 1, 2. Alt. StGB erfüllt sein wird726. 719 In der diesbezüglichen Leitentscheidung „ARAG / Garmenbeck“ wurde der Klägerschaden beispielsweise mit weit mehr als 80 Mio. DM beziffert, vgl. BGHZ 135, 244 (246). 720 Siehe zur eingeschränkten Justiziabilität in dieser Situation oben I., 2. 721 Obgleich der Aufsichtrat in diesem Zusammenhang kraft § 112 AktG über eine Rechtsmacht im Außenverhältnis verfügt, entfaltet das bloße Nichtgeltendmachen eines Schadensersatzanspruchs keine Rechtswirkung und stellt daher keinen Missbrauch von Rechtsmacht im Sinne des § 266 Abs. 1, 1. Alt. StGB dar. Als tatsächliches, schädigendes Verhalten erfüllt es vielmehr einen Treubruch durch Unterlassen; vgl. oben A., V., 1.; a. A. Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 70 ff. 722 Wie hier Otto, in: Großkomm. AktG, Vor § 399 / Rn. 27. 723 Vgl. Fischer, Komm. StGB, § 266 / Rn. 63; Kühl, Komm. StGB, § 263 / Rn. 42.; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 73 f. 724 Siehe oben I., 2., a). 725 Ähnlich Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 86.

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Besondere Bedeutung für die Praxis erlangt vor diesem Hintergrund die Reichweite der Schweigepflicht im Rahmen sog. Due Diligence-Prüfungen, die häufig im Vorfeld von Unternehmenskäufen und -fusionen durchgeführt werden. Eine Due Diligence soll Erwerbsinteressenten, bei denen es sich nicht selten um strategische Wettbewerber der Gesellschaft handelt, dazu verhelfen, durch einen Einblick in die rechtlichen, steuerlichen, wirtschaftlichen und technischen Unternehmensdaten fundierte Informationen über den Wert und die Zukunftsperspektiven des Akquisitionsobjektes zu erhalten727. Diesem berechtigten Informationsinteresse potentieller Erwerber steht gleichwohl die gesetzliche Geheimhaltungspflicht der Verwaltungsmitglieder der Zielgesellschaft in Bezug auf vertrauliche Unternehmensdaten gegenüber, die eine Due Diligence für sie zu einem (auch) strafrechtlich gefährlichen Instrument werden lässt728. Dieser Problematik wurde im strafrechtlichen Schrifttum bislang nur vereinzelt überhaupt Beachtung geschenkt729. Eine restriktive Ansicht in der gesellschaftsrechtlichen Literatur versagt den Verwaltungsmitgliedern grundsätzlich die unmittelbare Weitergabe der gesamten strategischen Unternehmensinformationen an einen Erwerbsinteressenten und gesteht ihnen allenfalls die Einschaltung eines neutralen, einer beruflichen Schweigepflicht unterliegenden, sachverständigen Dritten zu730. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Verschwiegenheitspflicht durch das Unternehmensinteresse nicht nur begründet, sondern zugleich immanent begrenzt wird. Die Zielgesellschaft kann ihrerseits aber ein Interesse daran haben, dass Unternehmensanteile zu angemessenen Konditionen veräußert werden. In diesem Fall wird eine Due Diligence regelmäßig im Interesse der Zielgesellschaft liegen, da der Erwerber ohne ihre Durchführung stets ein nicht kalkulierbares Risiko eingeht und daher als Ausgleich nur einen wesentlich geringeren Erwerbspreis zahlen wird731. Aus diesem Grund müssen die Vor- und Nachteile einer Due Diligence im Einzelfall sorgfältig abgewogen werden. Es gilt das Gebot der möglichst schonenden Offenbarung sensibler Informationen732. Sofern die Verhandlungen fortgeschrittener Natur sind und der Interessent seine Erwerbsabsichten in einem Letter of Intent bekräftigt hat, eine Due Diligence für das Zustandekommen des Geschäfts zudem unabdingbar ist und 726 Die Ausnutzung von Insiderinformationen zum privaten Wertpapierhandel oder die Empfehlung von Insidergeschäften begründet dahingegen kein Untreueunrecht, da hier nicht die eigene Gesellschaft, sondern nur die übrigen Anleger sowie das Vertrauen in den Kapitalmarkt geschädigt werden; vgl. Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 97; Tiedemann, in: FS Tröndle 1989, S. 330 f. 727 Näher dazu Körber, NZG 2002, S. 263 f. m. w. N. 728 Vgl. auch Ch. Jäger, JZ 2003, S. 1049. 729 Vgl. Ch. Jäger, JZ 2003, S. 1048 ff.; Roschmann / Frey, AG 1996, S. 449 ff. 730 Lutter, ZIP 1997, S. 617, der eine direkte Weitergabe nur erlauben will, wenn eine Verschmelzung vorbereitet wird oder wenn es um die Existenz der Gesellschaft geht. 731 Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 93 / Rn. 63. 732 Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 253.

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schließlich auch eine mit ausreichenden Sanktionen versehene Verschwiegenheitserklärung mit dem potentiellen Erwerber getroffen wurde, ist den Verwaltungsmitgliedern der Zielgesellschaft eine direkte Preisgabe von Unternehmensgeheimnissen jedenfalls zu gestatten733. Für die Konkretisierung einer möglichen untreueerheblichen Pflichtverletzung der Aufsichtsratsmitglieder in diesem Zusammenhang spielt die Kompetenzverteilung innerhalb der Verwaltung der Zielgesellschaft eine maßgebliche Rolle. Es hat sich zu Recht die Auffassung durchgesetzt, dass in der Aktiengesellschaft die Ermessensentscheidung über die Zulassung oder Verweigerung einer Due Diligence grundsätzlich dem Gesamtvorstand im Rahmen seiner Geschäftsleitungsfunktion obliegt734. Dem entspricht es, dass der Vorstand generell durch ausdrückliche oder konkludente Erklärung eines Offenbarungswillens der Gesellschaft den Geheimnischarakter bestimmter Tatsachen aufheben kann735. Der Aufsichtsrat ist dahingegen grundsätzlich nicht befugt, über den Geheimhaltungswillen der Gesellschaft zu verfügen736, sofern er diese Frage nicht ausnahmsweise einem Zustimmungsvorbehalt im Sinne von § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG unterworfen hat737. Er kann allenfalls den Vorstand zur Prüfung und Erklärung auffordern, ob (noch) ein Geheimnis besteht oder nicht738. Auf die (strafrechtliche) Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder hat dies folgende Auswirkungen: Lässt der Gesamtvorstand die Durchführung einer Due Diligence zu, so beseitigt er dadurch zwar nicht den Geheimnischarakter der von der Prüfung betroffenen Unternehmensinformationen, da der Kreis der eingeweihten Personen unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen eng begrenzt bleiben soll739. Er bringt auf diese Weise jedoch sein Einverständnis mit der Offenbarung zum Ausdruck und schließt in diesem Umfang eine strafbewehrte Schweigepflicht(-verletzung) der Aufsichtsratsmitglieder im Falle einer Preisgabe von Geschäftsdaten tatbestandlich aus740. Allerdings vermag nur eine sorgfaltspflichtgemäße Genehmigung der Due Diligence durch den Vorstand die Verschwiegen733 So die überwiegende Meinung, vgl. u. a. Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 93 / Rn. 63; Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 213; Ch. Jäger, JZ 2003, S. 1050; Körber, NZG 2002, S. 271; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 / Rn. 128. 734 Fleischer, ZIP 2002, S. 651; Körber, NZG 2002, S. 268; Roschmann / Frey, AG 1996, S. 451. 735 Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 238; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 116 / Rn. 43; Otto, in: Großkomm. AktG, § 404 / Rn. 18; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 392. 736 Abweichend nur Ziemons, AG 1999, S. 500 (Aufsichtsratsbeschluss erforderlich). 737 In diesem Fall ergibt sich die strafrechtliche Verantwortung allerdings aus der Überwachungspflicht; siehe dazu oben 2. 738 Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 395. 739 Zutreffend Ch. Jäger, JZ 2003, S. 1049; Roschmann / Frey, AG 1996, S. 450. 740 In diesem Sinne Ch. Jäger, JZ 2003, S. 1051 ff.; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 6 / Rn. 256; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 116 / Rn. 43; Otto, in: Großkomm. AktG, § 404 / Rn. 18 f., 38; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 393.

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heitsverpflichtung tatsächlich aufzuheben741. Widerspricht die Unternehmensprüfung dem Gesellschaftsinteresse, so bleibt es regelmäßig bei dem gesetzlichen Schweigegebot des Aufsichtsrats. Soweit kein Anlass für konkrete Zweifel besteht, darf das Überwachungsgremium indessen von der Richtigkeit der Vorstandsentscheidung ausgehen, da der Geschäftsleitung gemeinhin zugestanden wird, dass sie die richtige Unternehmenspolitik in diesem Zusammenhang am besten bestimmen kann742. Demnach wird in diesen Fällen häufig ein Tatbestandsirrtum (§ 16 StGB) der Aufsichtsratsmitglieder wegen Unkenntnis der weiterhin bestehenden Geheimhaltungspflicht begründet sein und eine Untreuestrafbarkeit bei einer Offenbarung geheimer Unternehmensinformationen ausscheiden743.

4. Untreue durch Verstoß gegen die allgemeinen Sorgfalts- und Treuepflichten gemäß §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG a) Missbrauchsuntreue durch pflichtwidrige Vergabe von Organkrediten Gemäß §§ 89, 115 AktG dürfen Kredite744 der Aktiengesellschaft an ihre Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder – sowie an weitere im Gesetz zur Verhinderung von Umgehungen aufgeführte Personen745 – nur auf Grund eines einwilligenden Aufsichtsratsbeschlusses ausgereicht werden. Die Gewährung solcher Organkredite verdient mit Blick auf eine mögliche Untreuestrafbarkeit der bewilligenden Aufsichtsratsmitglieder insofern eine gesteigerte Aufmerksamkeit, als sie ein Musterbeispiel für die Gefahr organschaftlicher Interessenkonflikte darstellt und deshalb häufig den Verdacht einer verdeckten Selbstbegünstigung der Verwaltungsorgane zum Nachteil der Gesellschaft nährt746. In den Vereinigten Staaten hat eine Datenerhebung folgende Verwendungszwecke von Organkrediten ergeben: Finanzierung von Hauserwerbs- und Umzugskosten, Vorschüsse für unternehmensbedingte Aufwendungen, Finanzierung von Aktienerwerbs- und Aktienoptionsprogrammen sowie Vorfinanzierung einer Lebensversicherung747. Hierzulande muss Vgl. Otto, in: Großkomm. AktG, § 404 / Rn. 20; v. Stebut, Geheimnisschutz, S. 101 ff. Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 237; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 116 / Rn. 43; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 393; siehe auch oben § 2, B., III., 2., a). 743 Vgl. Otto, in: Großkomm. AktG, § 404 / Rn. 20, 48. 744 Der Begriff ist in diesem Zusammenhang weit auszulegen und erfasst daher jede zeitweilige Überlassung von Geld- und Sachmitteln, Bürgschaften, Garantien, Schuldmitübernahmen sowie sonstige Personalsicherheiten; vgl. Fleischer, WM 2004, S. 1064; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 89 / Rn. 11. 745 Vgl. Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 114. 746 Vgl. Hopt, ZGR 2004, S. 10; Kropff, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 8 / Rn. 99. Aus diesem Grund statuiert sec. 402 des US-amerikanischen Sarbanes-Oxley-Act sogar ein absolutes Verbot von „insider loans“; siehe dazu Fleischer, WM 2004, S. 1057, 1060 f. 747 Siehe Fleischer, WM 2004, S. 1062 und die dort angegebenen Quellen. 741 742

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sich die Verfolgung solcher oder ähnlicher Ziele bei der Kreditgewährung durch den Aufsichtsrat – abgesehen von der bereits nach § 71a AktG unzulässigen Anteilsfinanzierung748 – aktien- wie auch strafrechtlich am Maßstab der Vermögensfürsorgeverpflichtung gegenüber der Gesellschaft gemäß §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG messen lassen749. Erfolgt das Kreditgeschäft „at arm’s length“ zu marktüblichen Bedingungen, wäre also mit einem Dritten in dieser Form ebenfalls abgeschlossen worden, so kommt es für seine Rechtmäßigkeit im Wesentlichen darauf an, dass der Rahmen des wirtschaftlich Vertretbaren sowie die allgemeinen Regeln ordentlicher Kreditvergabe beachtet werden750. Gegen diese Maßgaben verstößt der Aufsichtsrat einmal, sofern er seine unternehmerische Entscheidung nicht auf eine angemessene Informationsgrundlage stellt, insbesondere die Kreditwürdigkeit des Organmitglieds nicht prüft. Sodann widerspricht es regelmäßig den Geboten kaufmännischer Sorgfalt, wenn die Aufsichtsratsmitglieder das wirtschaftliche (Ausfall-)Risiko des Geschäfts nicht zumindest soweit wie möglich zu minimieren versuchen, indem sie den Kredit grundsätzlich nur gegen Stellung von Sicherheiten gewähren751. Eine schadensgleiche Gefährdung des Gesellschaftsvermögens im Sinne von § 266 StGB tritt in diesen Fällen bereits mit der Valutierung des Kredits ein752. Besondere Bedeutung erlangt die Vermögensfürsorgepflicht gegenüber der Gesellschaft bei einer Kreditvergabe, die zu marktunüblichen Vorzugskonditionen – entweder unverzinslich oder ohne eine entsprechende Absicherung – vereinbart wird und einem Drittvergleich nicht standhält. In diesem Fall gereichen die mit dem Kredit verbundene Kapitalbindung, die hinzukommende Unverzinslichkeit sowie die fehlenden Sicherheiten der Gesellschaft jedenfalls zu keinem Vorteil. Das Gebot der Vermögensfürsorge gestattet den Aufsichtsratsmitgliedern indessen nur Kreditgeschäfte mit Verwaltungsorganmitgliedern, die (auch) für die Gesellschaft einen Nutzen haben und damit dem Unternehmenswohl dienen. Gleichwohl kann es durchaus einmal im Interesse der Gesellschaft liegen, ein Vorstandsmitglied durch besonders günstige Darlehenskonditionen zu rekrutieren oder an sich zu bin748 Eingehend dazu sowie zum Verbot der Finanzierung von Aktienoptionsprogrammen durch die Gesellschaft Oechsler, in: Münchener Komm. AktG, § 71a / Rn. 12. 749 Sofern das Vorstandsmitglied zugleich Aktionär der Gesellschaft ist, stellt sich grundsätzlich die Frage, ob die Aufsichtsratsmitglieder bei der Kreditgewährung auch die Eigenkapitalschutzvorschrift des § 57 AktG sowie die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Schranken der Gewährung von Gesellschafterdarlehen (BGHZ 157, 72 ff.) zu beachten haben. Die Tatsache, dass die Vergabe von Vorstandskrediten in § 89 AktG eine spezialgesetzliche Regelung gefunden hat, spricht indessen dafür, dass diese Schranken auf Kreditvergaben an Vorstands-Aktionäre keine Anwendung finden; näher dazu Deilmann, AG 2006, S. 62 ff. 750 Vgl. Graef, GmbHR 2004, S. 330 f.; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 89 / Rn. 3; zu den allgemeinen Grenzen unternehmerischen Handelns siehe oben I., 3. 751 Vgl. Deilmann, AG 2006, S. 65; Graef, GmbHR 2004, S. 330 m. w. N. 752 Vgl. Fischer, Komm. StGB, § 266 / Rn. 61a; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 110; Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 45.

C. Verletzung der Vermögensfürsorgepflicht durch die Aufsichtsratsmitglieder

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den753. Unter diesem Gesichtspunkt kann es im Unternehmensinteresse auch angezeigt sein, einem neu bestellten Vorstandsmitglied durch finanzielle Hilfestellung den Umzug und den Erwerb von Wohnungseigentum zu erleichtern754. Werden Organkredite auf diese Weise als eine Form der Vergütung („fringe benefit“) eingesetzt755, unterliegen sie hinsichtlich ihres Umfanges den zusätzlichen Schranken des Angemessenheitsgebots aus § 87 Abs. 1 AktG756. Darüber hinaus mag die Gesellschaft ein berechtigtes Interesse daran haben, einen angemessenen Kreditbedarf ihrer Verwaltungsorganmitglieder selbst zu decken, um zu verhindern, dass diese durch anderweitige Kreditaufnahmen in die Abhängigkeit gesellschaftsfremder Dritter geraten, ihre Vermögenslage für die Gesellschaft undurchsichtig wird oder gar ein Schaden für das Ansehen der Gesellschaft entsteht757. Durch das Unternehmensinteresse nicht mehr gedeckt sind dahingegen Kredite, die ausschließlich zur Finanzierung des Vermögensaufbaus eines Verwaltungsorganmitglieds, insbesondere zur Finanzierung von privaten Spekulationsgeschäften verwendet werden sollen758. Mit der Vergabe solcher Kredite verletzen die Aufsichtsratsmitglieder ihre Vermögensfürsorgepflicht gegenüber der Gesellschaft aus §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG und missbrauchen entsprechend ihre rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis759. Der für den Missbrauchstatbestand gemäß § 266 Abs. 1, Alt. 1 StGB erforderliche Vermögensnachteil für die Gesellschaft ist hier regelmäßig bereits mit Abschluss des wirtschaftlich unausgewogenen Kreditvertrages begründet760. b) Missbrauchsuntreue durch vorzeitige Wiederbestellung eines Vorstandsmitglieds Für die vorzeitige Wiederbestellung eines Vorstandsmitglieds stehen dem Aufsichtsrat grundsätzlich zwei verschiedene rechtliche Konstruktionen zur Verfü753 Fleischer, WM 2004, S. 1067; Kropff, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 8 / Rn. 107; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 89 / Rn. 21. 754 Fleischer, WM 2004, S. 1067; Fonk, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 9 / Rn. 265; Kropff, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 8 / Rn. 107; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 330. 755 Fleischer, WM 2004, S. 1067. 756 Zur strafrechtlichen Angemessenheitsgrenze siehe oben 1., b). 757 Fleischer, WM 2004, S. 1061, 1067; Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 89 / Rn. 1; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 89 / Rn. 21. 758 Vgl. Fleischer, WM 2004, S. 1061, 1067; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 330; ähnlich Zech, Untreue, S. 269, mit dem Beispiel der Finanzierung privater Spielsucht des Vorstands. 759 Sache des Vorstands ist allein die tatsächliche Durchführung des Kreditgeschäfts, vgl. Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 89 / Rn. 42; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 89 / Rn. 14. 760 Vgl. dazu Seier, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, V 2 / Rn. 173. Eine rechtfertigende Pflichtenkollision kommt auch in diesem Zusammenhang nicht in Betracht; siehe dazu oben 1., c).

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gung761. Während eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit gemäß § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG erst ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtsperiode zulässig ist, kann eine Neufestsetzung der Amtszeit durch Aufhebung der laufenden Bestellung unter gleichzeitiger Neubestellung bereits früher erfolgen. Ungeachtet dieser rechtlichen Befugnis gebietet jedoch die Sorgfaltspflicht der Aufsichtsratsmitglieder, dass sie die Gesellschaft jeweils nicht ohne einen sachlichen Grund vorzeitig an das Vorstandsmitglied binden und sich damit ihrer personalpolitischen Flexibilität berauben. Eine solche Rechtfertigung für die vorzeitige Wiederbestellung kann etwa in Situationen bestehen, in denen ein kompetentes Vorstandsmitglied bei Vorliegen eines Angebots von dritter Seite an die Gesellschaft gebunden werden soll oder in denen der Vorstand im Interesse des Unternehmens die Möglichkeit erhalten soll, begonnene Sanierungsmaßnahmen, laufende Fusionsverhandlungen oder eine geplante Börseneinführung zu Ende zu führen762. Ob die Veränderung der Ressortzuständigkeit oder die Berufung zum Vorstandsvorsitzenden eine vorzeitige Verlängerung der Amtszeit gleichfalls legitimieren, erscheint hingegen zweifelhaft, kann an dieser Stelle gleichwohl dahinstehen763. Da die Aufsichtsratsmitglieder bei der (Wieder-)Bestellung eine unternehmerische Entscheidung treffen, kommt gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG bekanntermaßen nur im Falle einer evidenten Vermögensfürsorgepflichtverletzung eine Untreuestrafbarkeit in Frage764. Nach dieser Maßgabe verstößt eine frühzeitige Wiederbestellung eindeutig gegen das Unternehmensinteresse, sofern sie ausschließlich den Zweck verfolgt, zum Wohl des Vorstandsmitglieds dessen Anstellungsvertrag auf die maximal möglichen fünf Jahre neu festzuschreiben, um etwa im Rahmen einer bevorstehenden feindlichen Übernahme die höchst mögliche Abfindung zu erreichen765. In dieser Situation besteht kein Nutzen für die Gesellschaft – etwa in Gestalt einer zukunftsbezogenen Personalbindung –, der die zusätzlichen finanziellen Verpflichtungen aus dem verlängerten Dienstvertrag zu kompensieren vermag. Die vorzeitige Wiederbestellung eines Vorstandsmitglieds zum Zwecke der individuellen Abfindungsmaximierung stellt im Innenverhältnis eine sorgfaltspflichtwidrige Verschwendung von Gesellschaftsvermögen dar766. Siehe oben § 2, B., IV., 3., a). J.-H. Bauer / Arnold, DB 2006, S. 261; Hölters / Weber, AG 2005, S. 629, 634 f.; Leuchten, NZG 2005, S. 911. 763 Befürwortend J.-H. Bauer / Arnold, DB 2006, S. 261; ablehnend Leuchten, NZG 2005, S. 911. 764 Siehe oben I., 2. und 3. 765 Wie hier Hölters / Weber, AG 2005, S. 634; Leuchten, NZG 2005, S. 909, 911. Unter diesen Umständen ist auch die in der Sache vergleichbare Vereinbarung einer nachträglichen „Change-of-Control“-Klausel im ursprünglichen Anstellungsvertrag dem Grunde nach pflichtwidrig; siehe zur Argumentation oben 1., a), bb), (3). 766 Unter diesem Gesichtspunkt wäre beispielsweise in jüngerer Vergangenheit die vorzeitige Vertragsverlängerung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Daimler-Chrysler AG Schrempp näher zu betrachten gewesen, dessen Vertrag vom Aufsichtsrat frühzeitig und ohne Dringlichkeit noch um drei Jahre verlängert wurde, bevor wenig später dessen bereits heftig 761 762

C. Verletzung der Vermögensfürsorgepflicht durch die Aufsichtsratsmitglieder

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Die Aufsichtsratsmitglieder missbrauchen insoweit ihre Personalkompetenz im Außenverhältnis und erfüllen auf diese Weise folgerichtig den Straftatbestand der Missbrauchsuntreue gemäß § 266 Abs. 1, Alt. 1 StGB. c) Missbrauchsuntreue durch pflichtwidrige Freistellung des Vorstands Entstehen für einzelne Vorstandsmitglieder in funktionalem Zusammenhang mit der Geschäftsführung finanzielle Verpflichtungen im Außenverhältnis, etwa durch zivilrechtliche Regressansprüche Dritter, so kann die Frage aufkommen, ob die Gesellschaft dem Organwalter eine Freistellung hiervon gewähren will und vor allem darf. Nachdem es sich in der Sache hierbei um eine tätigkeitsbezogene Zuwendung für das Vorstandsmitglied handeln würde, ist für die Entscheidung der Aufsichtsrat aufgrund seiner Personalkompetenz gemäß §§ 84, 112 AktG zuständig767. Im Unterschied zu seinen sonstigen Entscheidungen im Rahmen der Personalkompetenz verfügt das Gremium in dieser Situation jedoch nur über einen sehr begrenzten Ermessensspielraum. Denn das Verhalten des Vorstands, das zu einer Außenhaftung gegenüber dem geschädigten Dritten geführt hat, wird mit Blick auf das Gebot der Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung768 grundsätzlich auch im Innenverhältnis eine Pflichtverletzung darstellen. Es wird daher zugleich einen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gemäß § 93 Abs. 2 AktG begründen, sofern die Gesellschaft mit dem Anspruch des Dritten belastet ist (§ 31 BGB)769. Besteht aber ein durchsetzbarer Innenhaftungsanspruch der Gesellschaft, so dürfen die Aufsichtsratsmitglieder nur unter engen Voraussetzungen auf eine Inanspruchnahme des Vorstandsmitglieds verzichten770. Für eine Freistellung des Vorstands kann kein anderer Sorgfaltsmaßstab gelten771. Gewähren die Aufsichtsratsmitglieder einem Vorstandsmitglied daher in der genannten Konstellation die Freistellung von bestehenden Ansprüchen, werden sie in der Regel ihre Sorgfaltspflicht zum Nachteil der Gesellschaft verletzen und sich dadurch einer Missbrauchsuntreue gemäß § 266 Abs. 1, 1. Alt. StGB schuldig machen772. Nur in Ausnahmesituationen kann auch eine Freistellung des Vorstandsmitglieds einmal im Interesse der Gesellschaft liegen. Leiten beispielsweise die Strafverfolgungsbehörden Ermittlungen gegen Vorstandsmitglieder wegen Beteiligung an einer Straftat im Rahmen ihrer Geschäftsführung ein und unterstellen einen „unterkriselnde Unternehmensstrategie in Sachen Mitsubishi Motors (absehbar) scheiterte; vgl. dazu F.A.Z. vom 26. 4. 2004, S. 11. 767 Ignor / Rixen, wistra 2000, S. 448; Thümmel, AG 2004, S. 88. 768 Siehe dazu oben § 2, B., II., 2., a). 769 Vgl. Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 515 f.; Thümmel, AG 2004, S. 88. 770 Siehe oben 2. 771 So auch Thümmel, AG 2004, S. 88 f. 772 Zu den fehlenden Voraussetzungen einer rechtfertigenden Pflichtenkollision, siehe oben 1., c).

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nehmerischen Plan“, so ist nicht nur der einzelne Organwalter, sondern das ganze Unternehmen betroffen. In der Praxis wird die Gesellschaft deshalb bemüht sein, ein solches (öffentliches) Strafverfahren als Quelle für eine Rufschädigung und Schwächung der Marktstellung diskret im Wege einer verfahrensbeendenden Absprache zu einem Ende zu führen773. Im Rahmen dieser Vereinbarung besteht je nach Vorwurf die Möglichkeit, dass sich die betroffenen Vorstandsmitglieder bereit erklären, gegen die Zusage der Einstellung des Strafverfahrens eine Geldauflage gemäß § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO zu bezahlen774. Allerdings werden sie dieses Zugeständnis häufig nur unter der Bedingung machen, dass die Gesellschaft ihnen gegenüber für die Zahlung der Geldauflagen einsteht775. Für den Aufsichtsrat stellt sich dann wiederum die Frage einer Freistellung des Vorstands von dieser finanziellen Verpflichtung. Die Übernahme der Geldauflage wird dabei im Interesse der Gesellschaft liegen, wenn durch die informelle Beilegung des Strafverfahrens nicht nur drohende Prozesskosten, sondern insbesondere eine negative Publizität gegen die Vorstandsmitglieder und das Unternehmen vermieden werden können776. Denn eine Rufschädigung birgt für das Unternehmen stets die Gefahr eines schwerwiegenden Vertrauensverlustes der Marktteilnehmer mit langfristigen wirtschaftlichen Folgeschäden. Vor diesem Hintergrund können die Aufsichtsratsmitglieder den Vorstand in engen Ausnahmefällen von Geldauflagen freistellen, ohne dem Vorwurf einer Untreue gegenüber der Gesellschaft ausgesetzt zu sein777.

d) Treubruchsuntreue durch Abgabe einer fehlerhaften Stellungnahme gemäß § 27 Abs. 1 WpÜG Angesichts des europa- und weltweiten Zusammenwachsens der Märkte nehmen Unternehmensübernahmen und damit die insoweit bestehenden Pflichten der Verwaltungsorgane in der Praxis inzwischen eine feste Rolle ein. Bahnt sich eine Unternehmensübernahme an, so muss der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft mitunter gemäß § 27 Abs. 1 WpÜG neben dem Vorstand eine begründete Stellungnahme zu dem Erwerbsangebot des Bieters abgeben. Mit diesen Stellungnahmen soll in erster Linie für die Aktionäre die informatorische Grundlage geschaffen werden, um über die Annahme oder Ablehnung des Übernahmeangebots zu entscheiden778. Näher dazu Ignor / Rixen, wistra 2000, S. 448. Ignor / Rixen, wistra 2000, S. 448. 775 Ignor / Rixen, wistra 2000, S. 448. 776 So auch Ignor / Rixen, wistra 2000, S. 450. 777 Ebenso Zech, Untreue, S. 247 ff. Eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung gemäß § 258 Abs. 2 StGB kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Geldauflage keine „Strafe“ im Rechtsinne ist; vgl. BGHSt 28, 174 (176 f.). Davon abgesehen stellt die Bezahlung einer Geldstrafe durch Dritte keine Vollstreckungsvereitelung dar; siehe dazu BGHSt 37, 226 ff. 778 Hirte, in: Kölner Komm. WpÜG, § 27 / Rn. 2; Röh, in: Frankfurter Komm. WpÜG, § 27 / Rn. 1. 773 774

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Schon vor Inkrafttreten des WpÜG im Jahre 2002 bestand jedoch Einigkeit darüber, dass jedenfalls der Vorstand mit dieser Stellungnahme zugleich seiner gesellschaftsrechtlichen Verpflichtung zur sachgerechten Wahrnehmung des Gesellschaftsinteresses nachkomme779. Für den Aufsichtsrat ist hingegen bis heute umstritten, ob seine Pflicht zur Stellungnahme rein kapitalmarktrechtlicher Natur ist oder überdies aus seiner aktienrechtlichen Pflicht zur sorgfältigen Wahrnehmung der organschaftlichen Pflichten folgt780. Nach der Gesetzesexegese sollte durch die zusätzliche Inpflichtnahme des Aufsichtsrats bewusst die „Gesamtverantwortung“ der beiden Gesellschaftsorgane für die Zielgesellschaft betont werden781. Folgerichtig muss davon ausgegangen werden, dass die Pflicht zur Stellungnahme zugleich Ausdruck der allgemeinen Sorgfaltspflicht der Aufsichtsratsmitglieder zur Wahrung der Unternehmensinteressen und damit Teil ihrer untreuerelevanten Vermögensfürsorgepflicht ist782. Die Bedeutung dieser Verpflichtung zeigt sich, wenn im Rahmen eines Management Buy Out der Vorstand selbst ein Übernahmeangebot abgibt und damit nur der Aufsichtsrat zu einer unabhängigen Stellungnahme und zur Wahrung der Unternehmensinteressen in der Lage ist783. Die Kernkompetenz des Aufsichtsrats besteht dabei in der Kontrolle des Preises sowie in der Prüfung einer Nachbesserungspflicht784. Die Aufsichtsratsmitglieder verletzen insoweit ihre Sorgfaltspflicht, wenn sie ihm Rahmen der Stellungnahme unrichtige oder unvollständige Angaben machen, die für die Beurteilung des Angebots von wesentlicher Bedeutung sind785. In der Praxis wird sich allerdings schwerlich ein durch die fehlerhafte Stellungnahme verursachter Vermögensnachteil der Gesellschaft nachweisen lassen. Der Vermögensschaden liegt vielmehr bei den Aktionären, die entweder das Angebot annehmen, das sie ansonsten nicht angenommen hätten oder umgekehrt, und lässt die Vermögenssphäre der Gesellschaft damit in der Regel unberührt786. Gleichwohl kann vorliegend nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass eine fehlerhafte Stellungnahme des Aufsichtsrats auch zu einem unmittelbaren Vermögensnachteil787 oder zu einer schadensgleichen Vermögensgefährdung der Gesellschaft führt, wenn etwa eine erfolgreiche Inanspruchnahme 779 Vgl. Hirte, in: Kölner Komm. WpÜG, § 27 / Rn. 6; Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 129; bestätigt durch Begr. RegE. WpÜG, BT-Drucks. 14 / 7034, S. 52. 780 Näher dazu Friedl, NZG 2004, S. 449 m. w. N. 781 Vgl. Bericht und Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drucks. 14 / 7477, S. 53. 782 Wie hier Friedl, NZG 2004, S. 451; Hirte, in: Kölner Komm. WpÜG, § 27 / Rn. 18; Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 138; Röh, in: Frankfurter Komm. WpÜG, § 27 / Rn. 61 f., Steinmeyer / Häger, Komm. WpÜG, § 27 / Rn. 2. 783 Hirte, in: Kölner Komm. WpÜG, § 27 / Rn. 18; Steinmeyer / Häger, Komm. WpÜG, § 27 / Rn. 4. 784 Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 138. 785 Friedl, NZG 2004, S. 448; Hirte, in: Kölner Komm. WpÜG, § 27 / Rn. 28. 786 Friedl, NZG 2004, S. 449; Röh, in: Frankfurter Komm. WpÜG, § 27 / Rn. 83. 787 Vgl. Friedl, NZG 2004, S. 451; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Komm., § 27 WpÜG / Rn. 33.

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auf Schadensersatz durch die Aktionäre zu befürchten ist788. In diesem Rahmen bleibt entsprechend die Möglichkeit einer Treubruchsuntreue gemäß § 266 Abs. 1, 2. Alt. StGB.

e) Treubruchsuntreue bei Verstoß gegen die Erklärungspflicht gemäß § 161 AktG Nach den hier aufgestellten Kautelen vermag der Verstoß des Aufsichtsrats gegen die formale Erklärungspflicht gemäß § 161 AktG allein noch kein strafbewehrtes Untreueunrecht zu begründen789. Es sind jedoch Fälle denkbar, in denen die Aufsichtsratsmitglieder zugleich ihre untreueerhebliche Vermögensfürsorgepflicht gegenüber der Gesellschaft gemäß §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG verletzen, wenn sie entweder eine falsche Entsprechenserklärung abgeben oder es unterlassen, die gebotene Entsprechenserklärung abzugeben bzw. eine unrichtig gewordene Entsprechenserklärung zu berichtigen790. Die Pflichtverletzung kann zunächst häufig Imageverluste für die Gesellschaft bewirken, die für sich allerdings noch keine unmittelbare Vermögensschädigung im Sinne des Untreuetatbestandes bedeuten791. In der Praxis wird deshalb regelmäßig der Nachweis einer kausalen Schädigung des Gesellschaftsvermögens Schwierigkeiten bereiten. Es haben zwar einzelne empirische Studien gezeigt, dass die Einhaltung bestimmter Corporate Governance-Regeln Einfluss auf die Unternehmensbewertung börsennotierten Gesellschaften hat792. Selbst der Rückzug bedeutender Investoren sowie ein Einbruch des Börsenkurses stellen indes keine unmittelbare Vermögensschädigung dar793. Ein untreuerelevanter Verstoß nach § 266 Abs. 1, 2. Alt. StGB wird daher nur vorliegen, sofern die Pflichtwidrigkeit unmittelbar einen negativen Einfluss auf die Fremdkapitalkosten des Unternehmens hat794. Darüber hinaus sind Konstellationen vorstellbar, in denen die Gesellschaft kurz vor einer Neuemission steht oder andere Kapitalbeschaffungsmaßnahmen plant und somit existentiell von fremden Kapitalgebern abhängig ist. Wird der Gesellschaft in dieser Situation infolge der unterlassenen, nicht korrigierten oder falschen Entsprechenserklärung bereits zugesichertes Kapital nicht oder nur noch zu ungünstigeren Konditionen zu Verfügung gestellt, vernichtet die Pflichtverletzung eine vermögenswerte Exspektanz795 und begründet damit tatbestandlich einen Vermögensnachteil für die Gesellschaft796. Vgl. Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 266 / Rn. 45. Siehe oben B., III., 1., b), aa), (5) und bb). 790 Vgl. Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 161 / Rn. 187 ff. 791 Vgl. Bertrams, Die Haftung des Aufsichtsrats, S. 226; Ettinger / Grützediek, AG 2003, S. 362; Kiethe, NZG 2003, S. 564. 792 Vgl. Seibt, AG 2002, S. 255. 793 Bertrams, Die Haftung des Aufsichtsrats, S. 226; Ettinger / Grützediek, AG 2003, S. 362; Kiethe, NZG 2003, S. 564; Seibt, AG 2002, S. 255. 794 Bertrams, Die Haftung des Aufsichtsrats, S. 226. 788 789

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5. Treubruchsuntreue durch Verstoß gegen eine einzelfallbezogene Vermögensfürsorgepflicht im Rahmen einer Geschäftsbesorgung für die Gesellschaft Der Vorwurf einer strafbaren Untreue gegenüber der Gesellschaft kann – wie bereits angedeutet797 – nicht nur in einem Verstoß gegen die extrahierten gesetzlichen Vermögensfürsorgepflichten gründen. Angesichts ihrer besonderen Praxisrelevanz soll abschließend eine Fallkonstellation herausgestellt werden, in der die Aufsichtsratsmitglieder auch außerhalb ihres gesetzlichen Pflichtenkreises dem strafbewehrten Gebot der Vermögensfürsorge unterliegen.

a) Grundlage der Vermögensfürsorgepflicht Grundsätzlich dürfen Aufsichtsratsmitglieder der Gesellschaft keine Verträge mit Dritten vermitteln und auch keine vorbereitenden Vertragsverhandlungen führen. Dies wäre gemäß § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG ein unzulässiger Eingriff in die Geschäftsführungskompetenz des Vorstands798. Trotz dieses generellen Geschäftsführungsverbots ist es hingegen möglich, dass der Vorstand einzelne Aufsichtsratsmitglieder mit der Ausführung eines Geschäfts einschließlich der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen betraut und sie hierfür mit den notwendigen Vollmachten ausstattet799. Da das Aufsichtsratsmitglied in diesem Fall außerhalb seiner originären Organfunktion tätig wird, lässt sich eine untreuerelevante Vermögensfürsorgepflicht gegenüber der Gesellschaft jedenfalls nicht auf seine organschaftliche Sorgfalts- und Treuepflicht stützen800. Grundlage kann insoweit nur das konkrete Geschäftsbesorgungsverhältnis sein. In diesem Rahmen wird regelmäßig der dem Aufsichtsratsmitglied eingeräumte Entscheidungsspielraum darüber entscheiden, inwieweit eine eigenständige Vermögensfürsorgepflicht gegenüber der Gesell795 Näher dazu Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 135; Seier, in: Achenbach / Ransiek, HWSt, V 2 / Rn. 165. 796 In diesem Sinne Bertrams, Die Haftung des Aufsichtsrats, S. 226 f.; Ettinger / Grützediek, AG 2003, S. 362; Kiethe, NZG 2003, S. 564; Seibt, AG 2002, S. 255; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 161 / Rn. 190. 797 Siehe oben B., III. 798 Siehe dazu oben § 2, B., III., 2. 799 Fleck, in: FS Heinsius 1991, S. 103; Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 / Rn. 560; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 10 / Rn. 755; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111 / Rn. 60; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 111 / Rn. 370. 800 Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 190, stützt das Verbot der Annahme von Provisionen außerhalb der Organtätigkeit auf die passive organschaftliche Treuepflicht. Dabei handelt es sich jedoch um eine aktienrechtliche Organnebenpflicht, deren Verletzung sich nicht als spezifische Ausübung der eingeräumten Vermögensmacht darstellt und die insofern keine straftatbestandliche Vermögensfürsorgepflicht abzubilden vermag; siehe dazu oben B., III., 2., d) bb), (2).

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schaft besteht801. Denn wie jeder Beauftragte sind die Aufsichtsratsmitglieder bei der Ausführung des Geschäfts stets an den Auftrag und die Weisungen des Vorstands gebunden802. In der Praxis wird der Vorstand ein Aufsichtsratsmitglied gleichwohl nur dann in die Geschäftsführung einbinden, wenn dieses über besondere Kenntnisse oder Beziehungen verfügt, die für das Zustandekommen des Geschäfts erforderlich oder nützlich sind. Unter diesen Gegebenheiten wird für den Geschäftsabschluss eine gewisse Selbständigkeit und Handlungsfreiheit des Aufsichtsrats unabdingbar sein, so dass in der Regel eine Vermögensfürsorgepflicht aus der übernommenen Geschäftsbesorgung nach allgemeinen Grundsätzen begründet sein wird803. Eine solche Vermögensfürsorgepflicht außerhalb der originären Organfunktion wird ferner in Fällen anzunehmen sein, in denen das Aufsichtsratsmitglied nicht in konkretem Auftrag des Vorstands handelt, sondern sich im Sinne von § 114 AktG außerhalb seiner Organtätigkeit gegenüber der Gesellschaft durch Dienst- oder Werkvertrag zu einer Tätigkeit höherer Art verpflichtet804.

b) Verletzung der Vermögensfürsorgepflicht durch unzulässige Annahme verdeckter Provisionen („kick-backs“) Als besondere Erscheinungsform der Korruption sind bei Geschäftsabschlüssen in der Wirtschaftspraxis nicht selten verdeckt gezahlte Provisionen oder „Schmiergelder“ im Spiel805. Die sittenwidrige Zahlung einer Bestechungssumme wird – soweit sie nicht im Einzelfall sogar vom Dürfen im Innenverhältnis gedeckt ist – bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise jedenfalls zu keinem untreuerelevanten Schaden der Gesellschaft führen, wenn durch die Tathandlung zugleich ein Vermögenszuwachs in Form eines lukrativen Auftrags erzielt wurde806. Insofern ergibt sich die untreuerelevante Unrechtskonstellation gemeinhin aus dem Empfang solcher sog. „kick-backs“, wenn der Vermögensfürsorgepflichtige beim Abschluss eines Vertrages im Namen des Geschäftsherrn mit dem Vertragspartner vereinbart, dass dieser ihm einen Teil des vom Geschäftsherrn zu bezahlenden Ent801 Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen einer untreuerelevanten Pflichtenstellung siehe oben B., I., 1. 802 Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 / Rn. 560. 803 Wie hier Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 97 f. 804 Vgl. dazu oben § 2, B., IV., 2. a.E. 805 Unschöne Berühmtheit haben in jüngster Vergangenheit die Schmiergeldaffären im „System Schreiber“ (BGHSt 49, 317 ff.) sowie im „Kölner Müllskandal“ (BGH, NStZ 2006, S. 210 ff.) erlangt. Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 125, macht hierin „geradezu ein Krebsübel der heutigen Volkswirtschaft“ aus. 806 Vgl. Fischer, Komm. StGB, § 266 / Rn. 60a; Schünemann, in: LK-StGB, § 266 / Rn. 98; im Ergebnis auch BGH, wistra 1984, S. 226; BGH, wistra 2001, S. 295 (296); zum fehlenden Vorsatz zuletzt LG Frankfurt, NStZ-RR 2004, S. 244; kritisch Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 / Rn. 113.

C. Verletzung der Vermögensfürsorgepflicht durch die Aufsichtsratsmitglieder

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gelts verdeckt und für private Zwecke zurückreicht807. Nimmt danach ein Aufsichtsratsmitglied im Rahmen seiner Geschäftsbesorgung hinter dem Rücken der Gesellschaft eine solche „kick-back“-Zahlung entgegen, so stellt sich vorliegend ebenfalls die Frage einer Untreuestrafbarkeit808. Die bloße Nichterfüllung des der Gesellschaft gemäß §§ 687 Abs. 2, 681 Satz 2, 667 BGB zustehenden Anspruchs auf Herausgabe persönlicher Zuwendungen dieser Art verletzt in diesem Zusammenhang nur eine einfache Schuldnerpflicht und vermag daher nach allgemeinen Kautelen noch keine Untreuestrafbarkeit zu begründen809. Vereinbart das Aufsichtsratsmitglied hingegen einen Preis, der infolge der Provision den marktüblichen Wert der Gegenleistung übersteigt, so liegt eine treupflichtwidrige Schädigung des Gesellschaftsvermögens auf der Hand810. In der Praxis besteht jedoch häufig die Schwierigkeit, dass sich für die synallagmatischen Leistungen kein exakter Marktwert, sondern lediglich eine angemessene Preisspanne bestimmen lässt, die nach Einrechnung des „kick-back“ noch nicht zum Nachteil der Gesellschaft überschritten sein wird. Eine Treubruchsuntreue811 kommt in diesen Fällen deshalb nur in Betracht, sofern das Aufsichtsratsmitglied durch die „kickback“-Abrede eine vermögenswerte Exspektanz der Gesellschaft auf einen günstigeren, um das Schmiergeld verminderten Geschäftsabschluss zu Nichte gemacht hat812. Diese Frage hängt letztlich ganz von den Gründen ab, die den Geldgeber im Einzelfall zu der Schmiergeldzahlung bewogen haben813. War es dem Vertragspartner beispielsweise gleichgültig, ob er an das Aufsichtsratsmitglied eine Provision zahlt oder der Gesellschaft in Höhe des entsprechenden Betrages einen Preisnachlass gewährt, muss von einer untreueerheblichen Exspektanz der Gesellschaft auf ein günstigeres Geschäft ausgegangen werden814. War die „kick-back“-Zahlung hingegen gerade und nur persönlich für das Aufsichtsratsmitglied bestimmt, um etwa dessen Einfluss in der Gesellschaft für weitere Geschäfte geneigt zu machen, 807 Vgl. zuletzt Rönnau, in: FS Kohlmann 2003, S. 240 ff.; Schünemann, NStZ 2006, S. 199 f. 808 Daneben besteht die Möglichkeit einer Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit gemäß §§ 299 f. StGB sowie wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, da die Empfänger das Schmiergeld als zusätzliches Einkommen kaum jemals in ihren Steuererklärungen angeben werden. Auf diese Delikte soll hier nicht näher eingegangen werden; siehe dazu Rönnau, in: FS Kohlmann 2003, S. 239 m. w. N. 809 Ständige Rechtsprechung, vgl. BGHSt 47, 295 (298); 49, 317 (331); siehe dazu oben B., II., 1., a). 810 Vgl. Rönnau, in: FS Kohlmann 2003, S. 257; Schünemann, NStZ 2006, S. 200. 811 Für den Missbrauchstatbestand fehlt es auf Grund der Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts an der rechtlichen Wirksamkeit des Aufsichtsratshandelns; siehe dazu oben A., V., a). 812 Vgl. auch Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 98 f.; entsprechend die ständige Rechtsprechung seit BGHSt 31, 332 ff.; ausführlich dazu Rönnau, in: FS Kohlmann 2003, S. 242 ff.; Schünemann, NStZ 2006, S. 199 ff., mit überzeugender Erwiderung der jüngsten Einwände von Bernsmann, StV 2005, S. 576 ff. 813 Rönnau, in: FS Kohlmann 2003, S. 258 ff. 814 Vgl. BGH, wistra 1983, S. 118.

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§ 4 Die strafrechtliche Verantwortung wegen Organuntreue gemäß § 266 StGB

so bestand für die Gesellschaft selbst niemals eine konkrete Chance auf günstigere Konditionen. In diesem Fall scheidet eine Untreuestrafbarkeit aus, da der Geldgeber die verdeckte Provision vielmehr aus seinem eigenen Gewinn bestritten hat815.

815

Siehe dazu BGH, NJW 2002, S. 2801 (2802); Rönnau, in: FS Kohlmann 2003, S. 258 f.

§ 5 Die strafrechtlichen Konsequenzen faktischer Unternehmensleitung durch die Mitglieder des Aufsichtsrats Den bisherigen Ausführungen lag im Ausgangspunkt die Frage zu Grunde, wie sich die Mitglieder des Aufsichtsrats im Rahmen ihrer gesetzlichen Organfunktion strafbar machen können. Im folgenden Abschnitt gilt es nunmehr zu prüfen, welche strafrechtlichen Konsequenzen für den Aufsichtsrat entstehen, sollte er seine gesellschaftsrechtlichen Kompetenzen überschreiten, indem er entgegen der obligatorischen Funktionentrennung in der Aktiengesellschaft auch Aufgaben des Vorstands an sich zieht und damit überdies als „faktisches“ Geschäftsführungsorgan in Erscheinung tritt. Ob und inwieweit faktische Organe strafrechtlich überhaupt zur Verantwortung gezogen werden können, ist gemeinhin umstritten. Mit Blick auf den spezifischen Grund und die Grenzen der strafrechtlichen Verantwortung soll deshalb nach einer Einführung in die weitgehend unbestrittenen, für die materielle Konturierung gleichwohl essentiellen kriminalpolitischen Beweggründe einer faktischen Organhaftung (A.) zwischen der Erweiterung des Normadressatenkreises bei den für den Vorstand geltenden Sonderdelikten einerseits (B.), und der Möglichkeit einer allgemeinen Garantenhaftung andererseits (C.) differenziert werden.

A. Kriminalpolitischer Hintergrund der strafrechtlichen Haftung faktischer Geschäftsführungsorgane Zahlreiche Straftatbestände des Wirtschaftsstrafrechts sind als echte Sonderdelikte ausgestaltet, bei denen grundsätzlich nur der in ihnen bezeichnete Personenkreis als Täter in Frage kommt. In diesem Zusammenhang fungiert häufig die Geschäftsführerstellung bzw. bei Aktiengesellschaften die Vorstandsposition als strafbarkeitsbegründendes, besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB. Darüber hinaus knüpft das Gesetz die Strafbarkeit in bestimmten Vorschriften an Pflichten der juristischen Person, die gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB lediglich auf das vertretungsberechtigte bzw. gemäß § 14 Abs. 3 StGB auf das fehlerhaft bestellte Geschäftsführungsorgan übertragen werden können. Extranei scheiden auf Grund dieser strukturellen Besonderheiten selbst dann als Täter aus, wenn sie das Tatgeschehen eigentlich als Zentralgestalten beherrscht haben. Insofern droht die begründete Gefahr, dass die tatsächlichen Entscheidungsträger im Unterneh-

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§ 5 Die strafrechtlichen Konsequenzen faktischer Unternehmensleitung

men von der intendierten Steuerungsfunktion dieser strafrechtlichen Sondernormen allenfalls im Rahmen einer gemilderten Teilnahmestrafbarkeit erfasst werden1. In Fällen, in denen die als Täter qualifizierten Organe gezielt nur als verlängerter Arm der die Geschicke der Gesellschaft im Hintergrund Lenkenden eingesetzt werden2, oder in Konstellationen, in denen einflussreiche Interessengruppen, wie etwa einzelne Mehrheitsgesellschafter, Großaktionäre, Großgläubiger oder auch der Aufsichtsrat3, ihre Machtposition dazu nutzen, um das bestellte Geschäftsführungsorgan zu bestimmten Maßnahmen zu zwingen oder selbst Geschäftsführungsangelegenheiten wahrzunehmen, besteht deshalb ein konkretes kriminalpolitisches Bedürfnis, den Normadressatenkreis über die Vorschrift des § 14 Abs. 3 StGB hinaus auf den oder die „faktischen Geschäftsführer“ auszudehnen4.

B. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit kraft faktischer Unternehmensleitung im Rahmen der gesetzlich positivierten Sonderdelikte I. Gegenwärtiger Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur 1. Der extensive Standpunkt der Rechtsprechung Die höchstrichterliche Judikatur der Strafgerichte hat die aufgezeigten Strafbarkeitslücken schon sehr früh zu schließen versucht und sich entsprechend von einer rein formalen Betrachtungsweise bei der Bestimmung der maßgeblichen Täterkreise gelöst5. Sie lässt sich vielmehr in den beiden oben dargestellten Fallgruppen jeweils von einem funktionalen Verständnis der Normadressaten leiten und erstreckt die Anwendung der betreffenden Sonderdelikte deshalb nicht nur auf die formal wirksam bestellten Geschäftsführungsmitglieder, sondern – speziell im Rahmen der Aktiengesellschaft – auf jeden, der „die Stellung des Vorstands der AG tatsächlich einnimmt“6. Zunächst wurden in diesen erweiterten Täterkreis fehVgl. BGHSt 21, 101 (105); Kratzsch, ZGR 1985, S. 507. Sog. Strohmannfälle oder Fälle, in denen der faktische Geschäftsführer wegen zwingenden Ausschlussgründen nicht formal bestellt oder vorzeitig abberufen wurde; siehe Lindemann, Jura 2005, S. 306; Stein, Das faktische Organ, S. 152 ff., 186; Weyand, Insolvenzdelikte, Rn. 24. 3 Große Vorholt, Management, Rn. 147. 4 Vgl. Dierlamm, NStZ 1996, S. 153; Kratzsch, ZGR 1985, S. 507 f.; Raum, in: Wabnitz / Janovsky, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 4. Kap. / Rn. 14. 5 Siehe die entsprechenden Analysen bei Kratzsch, ZGR 1985, S. 508 f.; K. Schmidt, in: FS Rebmann 1989, S. 423 ff. 6 BGHSt 21, 101 (103); ähnlich bereits RGSt 16, 269 (271); 43, 406 (413 ff.); vgl. überdies BGHSt 3, 32 (37 f.); 31, 118 (122); 46, 62 (65); BGH, wistra 1990, S. 60; BGH, NStZ 1 2

B. Strafrechtliche Verantwortlichkeit im Rahmen der Sonderdelikte

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lerhaft bestellte Organmitglieder einbezogen7, später auch Personen, die ohne eine förmliche Bestellung im Einverständnis oder mit Duldung des Bestellungsorgans die Position eines Geschäftsführungsmitglieds ausfüllten8. Der Bundesgerichtshof rechtfertigt seine extensive Gesetzesauslegung gemeinhin mit der Notwendigkeit, die Allgemeinheit vor einer unredlichen Handhabung der Geschäftsführung durch den Missbrauch von Rechtsfiguren der juristischen Person zu schützen9 und negiert einen möglichen Verstoß gegen die Garantiefunktion der Strafgesetze nach Art. 103 Abs. 2 GG10. 2. Das polarisierte Meinungsbild in der Rechtslehre Im Schrifttum wurde diese Judikatur zunächst positiv als Beleg für eine „faktische Betrachtungsweise“ im Strafrecht und die „Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen Denken“ aufgenommen11. Der Hinweis auf eine „faktische Betrachtungsweise“ allein vermag indessen nur die Eigenständigkeit strafrechtlicher Begriffsbildung zu unterstreichen, ermöglicht aber darüber hinaus keine Aussage über den konkreten Norminhalt12. Der Großteil der Autoren sieht sich deshalb durch den Normzweck der Sonderdelikte und die Systematik des Gesetzes veranlasst, die täterschaftsbegründende Geschäftsführerstellung mit der Rechtsprechung jeweils funktional zu bestimmen13. Dieser Argumentation sind zahlreiche Stimmen in der Literatur entgegengetreten, wenngleich sie den kriminalpolitischen Handlungsbedarf durchaus anerkennen14. Nach ihrer Ansicht ist die vorgenommene Erweiterung des Täterkreises zu2000, S. 34; BGH, wistra 2001, S. 338. Der Begriff der „faktischen Geschäftsführung“ findet sich auch in der ständigen zivilrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wieder, vgl. u. a. BGHZ 41, 282 (287); BGH, ZIP 2002, S. 851. In der Spruchpraxis der Strafgerichte steht indes die faktische Geschäftsführung bei einer GmbH im Vordergrund. 7 Vgl. RGSt 16, 269 (271); 43 406 (413 ff.); 64, 81 (84). 8 Vgl. BGHSt 3, 32 (38); 21, 101 (107 f.). 9 Siehe BGHSt 31, 118 (122). 10 Vgl. BGHSt 21, 101 (104 f.). 11 Vgl. vor allem Bruns, JR 1984, S. 133 ff.; ders., Befreiung des Strafrechts, S. 22 ff.; 275 ff.; Wiesener, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 28 ff., 146 ff. 12 So mit Recht K. Schmidt, in: FS Rebmann 1989, S. 441. 13 Dierlamm, NStZ 1996, S. 155; Fischer, Komm. StGB, § 14 / Rn. 18; Fuhrmann, in: FS Tröndle 1989, S. 148 f.; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 30 / Rn. 36 ff.; K. Schmidt, in: FS Rebmann 1989, S. 439 ff.; ders., in: Scholz, Komm. GmbHG, § 64 / Rn. 7; Schünemann, in: LK-StGB, § 14 / Rn. 67 ff.; ders. in: FG BGH IV 2000, S. 643 ff.; differenzierend Otto, StV 1984, S. 462 f.; ders., in: Großkomm. AktG, § 399 / Rn. 20 ff. 14 Vgl. im Einzelnen u. a. Joerden, JZ 2001, S. 310 ff.; Kaligin, BB 1983, S. 790; Lindemann, Jura 2005, S. 311 ff.; Lutter / Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 84 / Rn. 5; Ransiek, ZGR 1992, S. 209 in Fn. 31; Stein, Das faktische Organ, S. 132 ff.; dies., ZHR 148 (1984), S. 222 ff.; Weimar, GmbHR 1997, S. 538.

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§ 5 Die strafrechtlichen Konsequenzen faktischer Unternehmensleitung

mindest bei jeglichem Verzicht auf einen förmlichen Bestellungsakt nicht mehr durch den Wortlaut des jeweiligen Tatbestandes bzw. der Regelung des § 14 Abs. 3 StGB gedeckt und verstößt deshalb gegen das strafrechtliche Analogieverbot. Überdies werde die Verwendung nur wenig konturscharfer Merkmale zur Präzisierung der Voraussetzungen einer „faktischen“ Geschäftsführung den Anforderungen des ebenfalls zu beachtenden Bestimmtheitsgrundsatzes nicht gerecht. Die strafrechtliche Haftung faktischer Geschäftsführungsorgane wird daher von der Gegenmeinung mit Verweis auf Art. 103 Abs. 2 GG für schlechthin verfassungswidrig erklärt15.

II. Die Vereinbarkeit der Normadressatenerweiterung mit den strafrechtlichen Auslegungsprinzipien Vor dem Hintergrund dieser verfassungsrechtlichen Bedenken im Schrifttum muss zunächst allgemein geklärt werden, inwieweit sich die von der Rechtsprechung erzielten Resultate mit den im Grundgesetz verankerten strafrechtlichen Auslegungsprinzipien in Einklang bringen lassen. Wenngleich der Bundesgerichtshof die entwickelte Rechtsfigur des „faktischen Geschäftsführers“ bei allen Sonderdelikten gleichermaßen zur Anwendung bringt16, gebietet ihre unterschiedliche rechtliche Einbettung in den verschiedenen Deliktsbereichen, insbesondere mit Blick auf den Vorwurf einer unzulässigen Analogie, doch eine differenzierte Erörterung der Problematik.

1. Strafbegründung im Anwendungsbereich des § 14 StGB Sind die Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder nicht unmittelbare Adressaten des Normbefehls, so können sie nur im Anwendungsbereich des § 14 StGB durch eine Überleitung der im Delikt bezeichneten, besonderen persönlichen Merkmale der juristischen Person an deren „vertretungsberechtigte Organe“ in eine strafrechtliche Pflichtenstellung rücken. Für diese Konstellationen findet eine „faktische Betrachtungsweise“ durch die „Überleitungsnorm“ in § 14 Abs. 3 StGB insoweit bereits ausdrückliche Anerkennung, als die Haftung auf formell unwirksam bestellte Geschäftsführer ausgedehnt wird. Entscheidende Bedeutung gewinnt daher die Frage, ob der natürliche Wortsinn dieser Sonderregelung als äußerste Grenze17 einer teleologischen Erweiterung des Täterkreises auch auf faktische Ge15 Zum Meinungsstand im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum siehe Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 49 m. w. N. 16 Siehe das Urteil des BGH m. Anm. Otto, StV 1984, S. 461 f., in dem die Strafbarkeit des faktischen Geschäftsführers gemäß § 283 StGB ohne Rückgriff auf die an sich erforderliche Pflichtenzuweisung nach § 14 StGB begründet wird. 17 Vgl. BVerfGE 92, 1; BGHSt 22, 235; 29, 129 (133).

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schäftsführer, die ohne eine förmliche Bestellung die Herrschaft usurpatorisch an sich gerissen haben, entgegensteht. Die Formulierung „begründen sollte“ bezeichnet in diesem Zusammenhang unmissverständlich eine finale Struktur und macht insofern deutlich, dass eine objektiv rechtswirksame Bestellung des Täters zumindest beabsichtigt, mithin „subjektiv rechtswirksam“ gewesen sein muss18. Das von der Rechtsprechung geforderte Einverständnis des Bestellungsorgans ist derweil lediglich auf die faktische Wahrnehmung der Geschäftsführerfunktion, jedoch nicht auf die Begründung eines Rechtsstatus gerichtet, und kann daher dem notwendigen rechtsförmlichen Bestellungsakt nicht gleichgestellt werden19. Dies unterstreicht nicht zuletzt der Blick auf den hier interessierenden Fall einer tatsächlichen Übernahme der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat als Bestellungsorgan, in dem ein „Einverständnis“ desselben zum bloßen theoretischen Konstrukt ohne äußerliche Manifestation verkommt. Im Anwendungsbereich des § 14 StGB ist die faktische Organhaftung somit von vorneherein auf fehlerhaft bestellte Geschäftsführer beschränkt. Eine weitergehende Ausdehnung des Täterkreises auf Personen wie die Mitglieder des Aufsichtsrats, die sich die Geschäftsführungstätigkeit lediglich anmaßen, ist vom Wortlaut des § 14 Abs. 3 StGB nicht mehr erfasst und verbietet sich daher mit Blick auf das strafrechtliche Analogieverbot20. Für die Aufsichtsratsmitglieder scheidet insofern die Gefahr einer Strafbarkeit gemäß §§ 266a, 283 ff. i.V.m. § 14 StGB kraft faktischer Geschäftsführung aus.

2. Faktisch-funktionale Bestimmung des Geschäftsführers bzw. Vorstands als primärer Normadressat Bei Sonderdelikten, die den Geschäftsführer oder das Vorstandsmitglied ausdrücklich als Täter bezeichnen, ist die Erweiterung des Normadressatenkreises methodisch durch eine Auslegung des Tatbestandsmerkmals nach den Maximen der faktisch-funktionalen Betrachtungsweise zu realisieren. Die äußerste Grenze beschreibt auch hier wieder der „mögliche Wortsinn“, der auf den ersten Blick die Bestrafung eines Extraneus, insbesondere eines Aufsichtsratsmitglieds, nicht abzudecken scheint. Die Strafvorschriften sehen jedoch von einer ausdrücklichen Anknüpfung an die aktienrechtlichen Begriffsfestlegungen und -unterscheidungen 18 Vgl. Kühl, Komm. StGB, § 14 / Rn. 6; Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 14 / Rn. 42 / 43; Lindemann, Jura 2005, S. 310, 312; Radtke, NStZ 2003, S. 156; Schünemann, in: LK-StGB, § 14 / Rn. 69, will diese Formulierung hingegen als „Redaktionsversehen“ des Gesetzgebers nicht zur Wortlautgrenze „aufbauschen“. An der behaupteten Eindeutigkeit der Gesetzesbegründung lässt sich indes zweifeln, so dass diese Schlussfolgerung in ihrer Konsequenz nicht geteilt werden kann. 19 Hoyer, NStZ 1988, S. 369; Lindemann, Jura 2005, S. 310, 312; K. Schmidt, in: FS Rebmann 1989, S. 425; ähnlich Stein, Das faktische Organ, S. 194 ff. 20 So auch Marxen, in: NK-StGB1, § 14 / Rn. 42 ff., 66; Otto, in: Großkomm. AktG, § 399 / Rn. 22 ff.; Hoyer, in: SK-StGB, § 14 / Rn. 86; Tiedemann, Insolvenz-Strafrecht, Vor § 283 / Rn. 68; vgl. ferner die Nachweise in Fn. 14.

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durchweg ab, so dass nicht jede von den Zivilgesetzen abweichende Bestimmung des täterschaftsbegründenden Organbegriffs bereits eine unzulässige Analogie darstellt21. Im gemeinen Gebrauch ist ein formeller Bestellungsakt im Sinne des § 84 AktG hingegen keineswegs konstitutiv für die Begriffsverwendung „Vorstand“22. Die Bezeichnung steht vielmehr auch unspezifisch für ein „leitendes Organ einer Aktiengesellschaft“23 und erlaubt deshalb durchaus eine Einbeziehung auch faktischer Geschäftsleitungsorgane in den Kreis der strafrechtlichen Normadressaten. Ob und inwieweit dieser mögliche Wortsinn über den formalen Vorstandsbegriff des Aktienrechts hinaus im Einzelfall auszuschöpfen ist, entscheiden wiederum Telos und Systematik des Gesetzes24. Für die Mitglieder des Aufsichtsrats sind konkret die Sonderdelikte der §§ 399 Abs. 1 Nr. 6, 401 AktG sowie § 331 Nr. 3 und 4 HGB von Relevanz25: Für die Vorschrift des § 399 Abs. 1 Nr. 6 AktG besteht angesichts der Verweisung auf die §§ 37 Abs. 2 Satz 1, 81 Abs. 3 Satz 1 AktG kein Zweifel, dass sich der Normbefehl nur an ein bestelltes Vorstandsmitglied richtet26. Bei den Strafbestimmungen des § 401 AktG sowie des § 331 Nr. 3 und 4 HGB, mit denen der geschäftsführenden Tätigkeit des Vorstands Grenzen gesetzt werden sollen, erscheint es dahingegen angemessen und im Sinne der gesetzlichen Steuerungswirkung, die strafrechtliche Verantwortlichkeit – im Einklang mit der aktienrechtlichen Pflichtenstellung27 – funktional an die Übernahme der Tätigkeit, und nicht an den Rechtsstatus zu knüpfen28. Im Rahmen des § 401 AktG muss gleichwohl aus einem anderen Grund differenziert werden. Denn bei einer Ausdehnung der Strafsanktion des § 401 Abs. 1 Nr. 2 AktG müssen die faktischen Geschäftsführer konsequenterweise auch die Berechtigung erhalten, den Antrag auf Eröff21 Siehe dazu Bruns, JR 1984, S. 134 ff.; K. Schmidt, in: FS Rebmann 1989, S. 436 ff.; vgl. zur grundsätzlichen „Autonomie“ strafrechtlicher Begriffsbildung überdies bereits oben § 2, A., II. 22 A. A. Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 95, der jedoch den Beleg seiner Behauptung schuldig bleibt. 23 Wahrig, Deutsches Wörterbuch, S. 1399. 24 Zum Gebot teleologischer und systematischer Auslegung vgl. etwa Kühl, Komm. StGB, § 1 / Rn. 5 ff.; Otto, AT, § 2 / Rn. 47 ff. 25 Ansonsten sind sie neben dem Vorstand jeweils bereits ausdrücklich als Täter bezeichnet. 26 Zu § 84 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG entsprechend Tiedemann, in: Scholz, Komm. GmbHG, § 82 / Rn. 42; zustimmend Schünemann, in: LK-StGB, § 14 / Rn. 72. 27 Im Zivilrecht entspricht dies der h. M., da hier die verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die (strafrechtliche) Garantiefunktion des Gesetzes nicht zum Tragen kommen; vgl. Fleischer, AG 2004, S. 524; Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 49 m. w. N. 28 So auch Dannecker, in: Großkomm. HGB, § 331 / Rn. 27; Otto, in: Großkomm. AktG, § 399 / Rn. 23; sowie zu den entsprechenden Bestimmungen des GmbHG u. a. auch Otto, StV 1984, S. 463; K. Schmidt, in: FS Rebmann 1989, S. 438; Schünemann, in: LK-StGB, § 14 / Rn. 72.

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nung des Insolvenzverfahrens zu stellen29. Der Verzicht auf die förmliche Stellung als Vertretungsorgan im Sinne des § 15 Abs. 1 InsO würde jedoch zu einem Verlust an Rechtssicherheit bei der Feststellung der Antragsbefugnis im Einzelfall führen, der mit dem Sinn und Zweck des Insolvenzeröffnungsverfahrens nicht zu vereinbaren und deshalb abzulehnen ist30. Infolgedessen muss die Möglichkeit einer faktischen Organhaftung der Aufsichtsratsmitglieder auf den Tatbestand des § 401 Abs. 1 Nr. 1 AktG beschränkt werden.

III. Materielle Voraussetzungen einer „faktischen“ Geschäftsführung So sehr eine möglichst umfassende Haftungserweiterung unter kriminalpolitischen Gesichtspunkten wünschenswert sein mag, so sehr muss zugleich bedacht werden, dass im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz in Art. 103 Abs. 2 GG die Grenzen des strafwürdigen Verhaltens hinreichend präzisiert und für den Normadressaten vorhersehbar sein müssen. Insbesondere dürfen engagierte „lautere“ Prokuristen, Gesellschafter und Aufsichtsräte nicht durch ein latentes, unberechenbares Strafbarkeitsrisiko in ihrer unternehmerischen Aktivität zugunsten der Gesellschaft gelähmt werden31. Darüber hinaus können die Betroffenen den Normbefehlen im Sinne der Gesetzesintention nur Rechnung tragen, wenn der Adressatenkreis verständlich bestimmt ist. Die strafrechtliche Pflichtstellung des „faktischen“ Geschäftsführers bzw. Vorstands kann deshalb nur mit klaren Konturen überhaupt begründet werden.

1. Die Kriterien der Rechtsprechung Der Bundesgerichtshof fordert vor diesem Hintergrund zunächst einschränkend, dass die Unternehmensführung nicht einseitig durch den faktischen Geschäftsführer angemaßt sein darf, sondern vielmehr im Einverständnis mit dem Bestellungsorgan erfolgen muss32. Sodann setzt er für eine strafrechtliche Verantwort29 Vgl. dazu Habersack, in: Großkomm. AktG, § 92 / Rn. 64; BGHSt 31, 118 (122); Ulmer, in: Hachenburg / Ulmer, Großkomm. GmbHG, § 64 / Rn. 12; a. A. K. Schmidt, in: FS Rebmann 1989, S. 434. 30 Siehe dazu U. Haas, DStR 1998, S. 1360; Habersack, in: Großkomm. AktG, § 92 / Rn. 33; Stein, ZHR 148 (1984), S. 220 f. 31 Darauf zu Recht hinweisend Dierlamm, NStZ 1996, S. 155, 157. 32 Während frühere Entscheidungen diesen Gesichtspunkt dahinstehen ließen, hat das Gericht in seinem jüngsten Urteil klargestellt, dass eine solche Zustimmung als konkludente Bestellung unverzichtbar ist; siehe BGHSt 46, 62 (65). Zur Fragwürdigkeit dieser Voraussetzung allgemein Gübel, Auswirkungen, S. 109 ff.; sowie zur mangelnden Tauglichkeit als „bestellungsersetzender“ Akt oben II., 1.

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lichkeit voraus, dass der Betreffende sich nicht nur intensiv mit Gesellschaftsangelegenheiten befasst, sondern auch die Position eines Geschäftsführers tatsächlich eingenommen hat, indem er sowohl betriebsintern als auch nach außen alle relevanten Entscheidungen getroffen und auf sämtliche Geschäftsvorgänge im Unternehmen einen bestimmenden Einfluss genommen hat33. Die Feststellung dieser Kriterien soll eine Gesamtschau aller ausgeübten Tätigkeiten anhand verschiedener Indizien ermöglichen34. Dass andere Personen für das Amt rechtswirksam bestellt sind und dieses Amt auch ausüben, steht nach der Judikatur einer faktischen (Mit-)Geschäftsführung schließlich nicht entgegen, solange das faktische Organ entweder „alleine bestimmt“35 oder zumindest eine „überragende Stellung“36 bzw. ein „Übergewicht“37 gegenüber dem formellen Organ besitzt.

2. Die „faktische“ Unternehmensleitung durch die Mitglieder des Aufsichtsrats An diese ständige Spruchpraxis zur GmbH-Geschäftsführung kann die Konturierung der „faktischen“ Geschäftsleitung in der Aktiengesellschaft grundsätzlich anknüpfen. Aus dem Zustimmungserfordernis ergeben sich für den Aufsichtsrat zunächst keine Einschränkungen, wenn er als Bestellungsorgan selbst die Aufgaben des Vorstands usurpatorisch an sich zieht. Sodann wird es allerdings auf Grund der Verschränkung der Verwaltungsorgankompetenzen von Vorstand und Aufsichtsrat38 äußerst problematisch, eine scharfe Trennlinie zwischen einer zulässigen Wahrnehmung der präventiven Überwachungsfunktion und einer unzulässigen Anmaßung der Geschäftsleitungsfunktion zu finden. Denn seine originäre Pflicht, den Vorstand in übergeordneten Fragen der Unternehmensführung fortlaufend zu beraten, fordert vom Aufsichtsrat gerade eine „Einmischung“, beispielsweise in die Unternehmenspolitik und -planung, im Rahmen einer vorausschauenden Überwachung39. Ebenso verdichtet sich seine Kontrollpflicht in Krisensituationen zu einer „gestaltenden“ Überwachung, die im Falle einer Existenzbedrohung so weit führen kann, dass der Aufsichtsrat kurzzeitig zwingend erforderliche Geschäftsführungsmaßnahmen selbst veranlassen muss und situationsbedingt die Primärverantwortung trägt40. Vor diesem Hintergrund sind die Indizien einer „faktischen“ Geschäftsleitung durch den Aufsichtsrat im Interesse der AnwendungsBGHSt 31, 118 (121 f.). Vgl. dazu im Einzelnen Dierlamm, NStZ 1996, S. 156 f. 35 BGHSt 3, 32 (37 f.); 21, 101 (104). 36 BGHSt 31, 118 (122); BGH, NJW 1998, S. 767. 37 BGH, StV 1984, S. 461. 38 Siehe dazu Kort, in: Großkomm. AktG, Vor § 76 / Rn. 14 f., § 76 / Rn. 9; A. Jäger, DStR 1996, S. 676. 39 Siehe § 2, B., IV., 2. 40 Siehe § 2, B., III., 4. 33 34

B. Strafrechtliche Verantwortlichkeit im Rahmen der Sonderdelikte

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sicherheit und prozessualen Beweisklarheit durch eine „ins materielle Recht transponierte Beweissicherung“41 besonders restriktiv zu fassen. Die „Geschäftsleitung“ umfasst in ihrem für den Aufsichtsrat unantastbaren Kernbereich die originären unternehmerischen Führungsfunktionen Unternehmensplanung, Unternehmenskoordinierung, Unternehmenskontrolle sowie die Besetzung von Führungsstellen. Voraussetzung einer „faktischen“ Geschäftsleitung durch die Aufsichtsratsmitglieder ist daher zunächst, dass sie in diesem Kernbereich der Vorstandsfunktion nicht nur beratend, sondern durchweg initiativ gestaltend tätig werden. Weiteres Anzeichen einer Kompetenzüberschreitung ist die Einmischung des Aufsichtsrats in dem Vorstand vorbehaltene Entscheidungen des operativen Tagesgeschäfts. Soweit ordentlich bestellte Vorstandsmitglieder vorhanden und partiell tätig sind, vermag die Übernahme einzelner Leitungsmaßnahmen durch den Aufsichtsrat noch keine Strafbarkeit als Geschäftsführungsorgan zu begründen42. Andernfalls würde die Strafbarkeit letztlich nicht mehr an eine Sonderpflichtenstellung des Täters, sondern vielmehr an die Vornahme bestimmter einzelner Handlungen anknüpfen43. Die Konsequenz wäre eine Strafbarkeitskumulation von formellem und faktischem Vorstand, die ohne sachliche Veranlassung über die ursprüngliche kriminalpolitische Intention und den Sinngehalt der Rechtsfigur hinausgeht44. Aus diesem Grund verdient die jüngste Rechtsprechung insoweit sinngemäß Zustimmung, als eine strafrechtliche Sonderpflicht erst dann anzunehmen ist, wenn die Aufsichtsratsmitglieder einen gegenüber dem eingetragenen Vorstand „überragenden Einfluss“ auf die Geschäftsleitung nehmen45. Der bisweilen ebenfalls verwendete Maßstab eines „Übergewichts“ vermag noch keine hinreichende Beweisklarheit zu bieten, da die verschiedenen Tätigkeits- und Geschäftsfelder ex post beinahe beliebig gewichtet werden können46. Insofern rücken die Mitglieder des Aufsichtsrats im Ergebnis erst dann in die strafrechtliche Verantwortungsposition des Vorstands, wenn sie die zentralen unternehmerischen Führungsentscheidungen derart beherrschen, bestimmen und initiieren, dass die Mitwirkung der ordentlichen Vorstandsmitglieder für den äußeren Betrachter erkennbar nur von untergeordneter, formeller Bedeutung ist47. Ein Auftreten als Geschäftsleitungsorgan nach außen ist Vgl. Schünemann, in: FG BGH IV 2000, S. 646. Dahingehend auch Dannecker, in: Großkomm. HGB, § 331 / Rn. 28; Kratzsch, ZGR 1985, S. 524 f.; Otto, in: Großkomm. AktG, § 399 / Rn. 25; a. A. Cramer, in: KK-OWiG1, § 9 / Rn. 25; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 30 / Rn. 42. 43 Otto, in: Großkomm. AktG, § 399 / Rn. 25. 44 Mit Recht Dierlamm, NStZ 1996, S. 156; OLG Düsseldorf, NStZ 1988, S. 369. 45 So auch OLG Düsseldorf, NStZ 1988, S. 369; Achenbach, NStZ 1998, S. 560; Dierlamm, NStZ 1996, S. 156; Otto, in: Großkomm. AktG, § 399 / Rn. 25; Schünemann, in: FG BGH IV 2000, S. 646; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 136. 46 Dahingehend auch Dierlamm, NStZ 1996, S. 156. 47 Ähnlich Dierlamm, NStZ 1996, S. 156. 41 42

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§ 5 Die strafrechtlichen Konsequenzen faktischer Unternehmensleitung

hingegen für diese Herrschaftsposition selbst nicht konstitutiv48. Im Hinblick auf die in der Praxis weitgehend übliche Ressortaufteilung der Geschäftsleitung reicht es nicht aus, dass die Aufsichtsratsmitglieder nur in einem Unternehmensbereich eine solche Vorrangstellung bekleiden, mit der Konsequenz, dass sich ihre Verantwortlichkeit auf den Bereich tatsächlicher Einmischung beschränken ließe49. Der maßgeblich zu übernehmende Kernbereich der Geschäftsleitung ist stets Aufgabe des Gesamtvorstands50, so dass sich der überragende Einfluss des Aufsichtsrats folgerichtig immer auf die gesamte Unternehmensleitung erstrecken muss51. Um eine klare Abgrenzung zur der im Einzelfall „gestaltenden“ Überwachungstätigkeit in Krisensituationen zu gewährleisten, ist schließlich für eine Haftungsbegründung zu verlangen, dass der Aufsichtsrat die Unternehmensleitung nicht nur kurzzeitig und vorübergehend, quasi „stellvertretend“ an sich zieht, sondern diese Funktion für eine weitergehende, nicht unerhebliche Dauer wahrnimmt52.

IV. Zwischenergebnis Sofern der Aufsichtsrat einen überragenden, auf Dauer angelegten Einfluss auf den Kernbereich der Unternehmensleitung ausübt, rechtfertigen diese restriktiven Wesensmerkmale der Faktizität gleichzeitig ihren strafbegründenden Charakter. Denn unter diesen Voraussetzungen sind die teilweise „fließenden“ Grenzen der dualistischen Verwaltungsstruktur offenkundig überschritten, so dass die Mitglieder des Aufsichtsrats nicht mehr berechtigt auf die grundsätzliche Haftungs- und Risikobegrenzung53 durch die formellen Bestellungsvorschriften des Aktienrechts vertrauen können. Maßen sie sich die gesetzliche Zuständigkeit des Vorstands an, so können sie sich nicht zugleich auf ihr Fehlen berufen54. Im Rahmen der §§ 401 Abs. 1 Nr. 1 AktG, 331 Nr. 3 und 4 HGB, die nach ihrem Strafzweck spezifisch an die Leitungsfunktion des „Vorstands“ anknüpfen, sind sie deshalb als Täter55 straf48 Zutreffend Fleischer, AG 2004, S. 525; Montag, Anwendung, S. 123; Schünemann, in: LK-StGB, § 14 / Rn. 70; Tiedemann, in: Scholz, Komm. GmbHG, § 84 / Rn. 33; a. A. Dierlamm, NStZ 1996, S. 156 f.; Kohlmann, in: Hachenburg / Ulmer, Großkomm. GmbHG, § 84 / Rn. 25. 49 So etwa Forstmoser, Aktienrechtliche Verantwortlichkeit, Rn. 687; vgl. auch Schünemann, in: LK-StGB, § 14 / Rn. 71; der BGH, wistra 1990, S. 97 (98), verweist indes auch bei faktischer Geschäftsführung auf den Grundsatz der Allzuständigkeit. 50 Siehe u. a. Hüffer, Komm. AktG, § 77 / Rn. 17 f. 51 A. A. Löffler, wistra 1989, S. 124; differenzierend Dierlamm, NStZ 1996, S. 156; Rogall, in: KK-OWiG2, § 9 / Rn. 49. 52 In diesem Sinne auch Dannecker, in: Großkomm. HGB, § 331 / Rn. 27; Dierlamm, NStZ 1996, S. 157, der „einige Wochen“ jedenfalls nicht für ausreichend erachtet; Fleischer, AG 2004, S. 525; Kratzsch, ZGR 1985, S. 524. 53 Kratzsch, ZGR 1985, S. 526 f. 54 In diesem Sinne auch Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 35, Fn. 132.

C. Strafrechtliche Verantwortlichkeit im Rahmen der allgemeinen Garantenhaftung 359

rechtlich zur Verantwortung zu ziehen, soweit sie diese Funktion nach materiellen Gesichtspunkten „faktisch“ ausfüllen. Mit den entwickelten Abgrenzungskriterien ist diese Pflichtenstellung des Aufsichtsrats klar und restriktiv konturiert. Auf dieser dogmatischen Grundlage entzieht die faktische Organhaftung der Aufsichtsratsmitglieder nicht nur den allgemeinen verfassungsrechtlichen Bedenken den Boden, sondern begegnet zugleich der begründeten Gefahr, dass durch eine zu extensive Auslegung das vom Gesetzgeber ausdrücklich jeweils als Sonderpflichtverletzung normierte Unrecht in ein lediglich an ein bestimmtes Täterverhalten anknüpfendes Allgemeinunrecht verkehrt wird56.

C. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit kraft faktischer Unternehmensleitung im Rahmen der allgemeinen Garantenhaftung Auf der Grundlage des normativen Herrschaftsprinzips wurden in § 3 sowohl Sicherungs- als auch Obhutsgarantenpflichten der Aufsichtsratsmitglieder entwickelt, die ihnen kraft und im Rahmen ihrer gesetzlichen Organstellung jeweils obliegen. Vorliegend stellt sich nun die Frage, ob der Aufsichtsrat durch eine „faktische“ Anmaßung der Unternehmensleitungsfunktion unter den soeben herausgearbeiteten Voraussetzungen überdies auch in die allgemeine Verantwortungsposition des Vorstands als Überwachungs- und Beschützergarant nach den Grundsätzen der „Geschäftsherrenhaftung“57 hineinwächst. Praktische Relevanz erlangt diese Frage bei unternehmensbezogenen Straftaten durch Mitarbeiter unterhalb der Vorstandsebene, die dem unmittelbaren rechtlichen Einfluss und damit auch der strafrechtlichen Aufsichtspflicht des Aufsichtsrats grundsätzlich entzogen sind58. So liegt es gerade im Wesen der amtlichen Garantenpflichten von Vorstand und Aufsichtsrat begründet, dass sie ihren Mitgliedern durch die tatsächliche Übernahme der Organ- und Herrschaftsstellung erwachsen59. Die formale Bestellung allein vermag eine strafrechtliche Verantwortung hingegen noch nicht zu begründen60. Verdrängt der Aufsichtsrat demnach den Vorstand „faktisch“ aus dessen 55 Zur mittelbaren Täterschaft in den „Strohmann“- Fällen BGH, NStZ 1998, S. 568 ff. mit krit. Anm. Dierlamm; siehe zur mittelbaren Täterschaft im Unternehmensbereich allgemein bereits oben § 3, E., I., 1., b). 56 Vgl. zu diesen berechtigten Bedenken Otto, in: Großkomm. AktG, § 399 / Rn. 21. 57 Siehe dazu eingehend oben § 3, C., III., 2. 58 Siehe oben § 3, C., III., 4. 59 Otto, AT, § 9 / Rn. 67; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 30a. Die Übernahme von Garantenpflichten ist bisher ausdrücklich zwar nur bei Obhutspflichten thematisiert worden, kommt aber bei Sicherungspflichten ebenso in Betracht; siehe Kühl, AT, § 18 / Rn. 119 f.

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§ 5 Die strafrechtlichen Konsequenzen faktischer Unternehmensleitung

Unternehmensleitungsfunktion, so kann jedenfalls den ordentlichen Vorstandsmitgliedern ohne eine entsprechende Entscheidungsmacht auch die strafrechtliche Verantwortung für diesen Herrschaftsbereich nicht (mehr) zugewiesen werden. Eine „alternative“ Unterlassungsverantwortung des Aufsichtsrats für diesen Bereich erscheint indes nach den – jedenfalls bisher aufgezeigten – Kautelen des hier vertretenen normativen Herrschaftskriteriums als materieller Legitimationsgrundlage jeder Garantenstellung61 ebenfalls schwerlich begründbar. Denn bei einer rein „faktischen“ Herrschaftsposition fehlt es an der grundsätzlich erforderlichen rechtlichen Befugnis zur Herrschaftsausübung und damit an der Rechtsmacht zur Einwirkung auf den Schadensverlauf. In der vorliegenden Sonderkonstellation lässt sich die entscheidende „normative Brücke“ zwischen realer Herrschaftsmacht der Aufsichtsratsmitglieder und einer strafrechtlichen (Garanten-)Verantwortung gleichwohl durch andere Erwägungen herstellen. Wer sich, wie der Aufsichtsrat, die rechtlich fundierte Herrschaftsposition eines anderen gerade widerrechtlich anmaßt, ihn damit von der Wahrnehmung der mit diesem Amt korrespondierenden Schutz- und Sicherungsfunktionen generell ausschließt und das Opfer insoweit schutzlos macht, darf sich sodann nicht auf eine fehlende rechtliche Zuständigkeit berufen können, wenn es um die Sonderverantwortung für die Gefahrabwendung geht62. Ähnlich wie bei der Garantenstellung aus Ingerenz63 ist dem „faktischen“ Organ vielmehr die Rechtspflicht zu überantworten, dafür Sorge zu tragen, dass auf Grund des mit der rechtswidrigen Übernahme verbundenen Gefahrmoments keine schädigenden Folgen entstehen64. Insofern konstituiert im vorliegenden Fall der Rechtsbruch die „normative Brücke“ zwischen faktischer Herrschaft und Garantenpflicht und gewährleistet damit letztlich die notwendige Kongruenz von Entscheidungsmacht und strafrechtlicher Verantwortung im Unternehmen65.

60 Selbst wenn man mit dem BGH, StV 1998, S. 126 (127), grundsätzlich von einer allein durch den rechtlichen Status begründeten Garantenstellung ausgeht, mangelt es ohne tatsächliche Amtsübernahme jedenfalls an der Erfolgsabwendungsmöglichkeit im Einzelfall. 61 Siehe oben § 3, B., II. 62 In diesem Sinne auch Ransiek, ZGR 1999, S. 615 in Fn. 6, 627 f. 63 Diesen Vergleich zieht auch Kratzsch, ZGR 1985, S. 519 f., der zudem die allgemein vertrauensbildende Wirkung der tatsächlichen Übernahme von Schutz- und Sicherungsfunktionen als Grundlage „faktischer“ Organverantwortung betont. 64 Im Ergebnis auch Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 54; Spitz, Strafrechtliche Produkthaftung, S. 330; Weimar, GmbHR 1997, S. 539 f. Siehe dazu auch Stein, Das faktische Organ, S. 184 ff., deren Verdrängungsprinzip als Grundlage „faktischer“ Organhaftung insoweit auch für das Strafrecht Bedeutung gewinnt; ihr folgend Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 93 / Rn. 12; Wiesner, in: Münchener Hdb. AG, § 26 / Rn. 3. 65 Dazu insbesondere Heine, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 138 f.; Spitz, Strafrechtliche Produkthaftung, S. 330.

D. Zusammenfassung

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D. Zusammenfassung Die nachhaltige Einmischung in die Geschäftsleitungsaufgaben des Vorstands kann für die Aufsichtsratsmitglieder strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Denn die kriminalpolitische Steuerungsfunktion der (Wirtschafts-)Strafgesetze erfüllt nur ihren Zweck, wenn sie im Einzelfall auch auf „faktische“ Organe ausgedehnt wird. Auf Grund der verfassungsrechtlichen Maßgaben und der aktienrechtlichen Verschränkung der Organkompetenzen sind die Voraussetzungen einer Strafbarkeit des Aufsichtsrats indessen sehr restriktiv zu fassen. Sollten die Aufsichtsratsmitglieder einen auf Dauer angelegten, überragenden Einfluss auf die Kernfunktionen der Unternehmensleitung ausüben, rechtfertigen sie gleichwohl eine zusätzliche strafrechtliche Inanspruchnahme als „faktischer“ Vorstand gemäß §§ 401 Abs. 1 Nr. 1 AktG, 331 Nr. 3 und 4 HGB, sowie als Überwachungs- und Beschützergaranten im Unternehmen nach den Grundsätzen der „Geschäftsherrenhaftung“.

§ 6 Die Verantwortlichkeit des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds im Rahmen strafrechtlich relevanter Kollegialentscheidungen Die vorstehenden Kapitel haben die Frage eines Strafrechtsverstoßes aus Gründen der Übersichtlichkeit bislang hauptsächlich für das Aufsichtratsgremium im Allgemeinen untersucht und insoweit das strafrechtlich relevante Kollektivverhalten des Aufsichtsrats als Organ herausgeschält1. In diesen Fallkonstellationen bedarf es zur Begründung einer Strafbarkeit des einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes gleichwohl eines weiteren Schrittes, da eine Kollektivstrafe dem geltenden deutschen Strafrecht fremd ist2. Die strafrechtliche Verantwortung setzt vielmehr stets die Feststellung einer persönlichen Schuld des Täters voraus3. Folgerichtig ist die vorliegende Untersuchung mit der Frage abzurunden, welches Verhalten dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied im Rahmen des aufgezeigten deliktischen Organverhaltens jeweils persönlich zum Vorwurf gemacht werden kann und damit letzten Endes eine individuelle Zurechnung der Straftat erlaubt. Die Begründung dieser individuellen Verantwortlichkeit der Gremiumsmitglieder verlangt eine dezidierte Vorstellung von den organinternen Arbeitsabläufen und der Entscheidungsfindung im Aufsichtsrat. Aus diesem Grund soll den strafrechtlichen Überlegungen zunächst ein Einblick in die Organisationsstruktur und die Willensbildung im Aufsichtsratskollegium vorangestellt werden (A.). Sodann gilt es auf dieser Grundlage, die strafrechtsrelevante Pflichtverletzung des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds herauszustellen (B.), bevor sich das Augenmerk auf das Kardinalproblem der Kausalität (C.) und objektiven Zurechnung (D.) der individuellen Pflichtwidrigkeit richtet. Den Abschluss bilden Überlegungen zur Form der Tatbeteiligung bei Ausführungsbedürftigkeit der Kollegialentscheidung (E.)

1 Einzig die untreuerelevante Verletzung der Verschwiegenheitspflicht bezeichnet regelmäßig bereits ein individuell vorwerfbares Handlungsunrecht; siehe oben § 4, C., IV., 3. 2 Zu Vorschlägen für ein „modernes Kollektivstrafrecht“ de lege ferenda vgl. aber beispielsweise Schünemann, in: Bausteine des europäischen Strafrechts, S. 295. 3 Siehe bereits oben § 3, C., III., 5., c), cc), (2) m. w. N.

A. Innere Organisation und Willensbildung des Aufsichtsrats

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A. Innere Organisation und Willensbildung des Aufsichtsrats Der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft besteht als Kollegialorgan aus mindestens drei gesetzlich vorgeschriebenen Mitgliedern. Durch die Satzung kann in Abhängigkeit vom Grundkapital der Gesellschaft ein größeres Gremium mit bis zu maximal einundzwanzig Aufsichtsratsmitgliedern begründet werden (vgl. § 95 AktG). Die innere Ordnung des Aufsichtsrats wird vom Gesetz bewusst nur unvollständig geregelt4. Darüber hinaus besteht ein erheblicher Spielraum für ergänzende Regelungen durch die Satzung sowie durch die Geschäftsordnung5. Der Aufsichtsrat muss durch entsprechende Regelungen selbst seine Arbeitsfähigkeit sicherstellen. Dazu bedarf es der Verteilung der Aufgaben auf Ausschüsse und einzelne Aufsichtsratsmitglieder unter Berücksichtigung ihrer besonderen fachlichen Qualifikationen, der Koordination dieser Ressorttätigkeiten und ihrer Überwachung durch die Implementierung eines funktionsfähigen Informations- und Kontrollsystems innerhalb des Gesamtaufsichtsrats sowie zwischen ihm und seinen Untereinheiten6. Normiert sind gesetzliche Bestimmungen über die Bestellung eines Aufsichtsratsvorsitzenden mit Stellvertreter (§ 107 Abs. 1 AktG), sowie über den Verfahrensablauf (§§ 107 Abs. 2, 108 – 110 AktG) und die Bildung von Ausschüssen (§ 107 Abs. 3 AktG).

I. Der Vorsitz im Aufsichtsrat Der Aufsichtsratsvorsitzende wird gemäß § 107 Abs. 1 Satz 1 AktG durch Wahl aus der Mitte des Aufsichtsrats für die Dauer seiner Mitgliedschaft im Gremium bestellt, sofern anderes nicht ausdrücklich bestimmt ist7. Zudem ist nach § 107 Abs. 1 Satz 2 AktG mindestens ein Stellvertreter für den Fall zu ernennen, dass der Vorsitzende zur rechtzeitigen Ausübung seiner Dienstgeschäfte nicht in der Lage ist. Kraft Gewohnheitsrecht obliegen dem Aufsichtsratsvorsitzenden alle Aufgaben, die dem Vorsitzenden eines Kollegiums üblicherweise obliegen, ohne dass ihm damit eine eigenständige Organstellung innerhalb der Gesellschaft zukommt8. Er hat insbesondere die Sitzungen des Aufsichtsrats einzuberufen, vorzubereiten Begr. RegE., in: Kropff, AktG, S. 147. Satzungsregelungen gehen dabei der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats als höherrangige Verhaltensnormen vor, BGHZ 64, 325 (328). 6 Hommelhoff, ZHR 143 (1979), S. 298 ff.; Semler, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 1 / Rn. 33 ff. 7 Hüffer, Komm. AktG, § 107 / Rn. 4. 8 So die überwiegende Meinung, vgl. Semler, in: Semler J. / v. Schenck K., AR Hdb., § 4 / Rn. 40; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 9 / Rn. 553 m. w. N.; abweichend Peus, Der AR-Vorsitzende, S. 214. 4 5

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§ 6 Die Verantwortlichkeit des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds

und zu leiten9, sowie anschließend die Gremiumsbeschlüsse auch auszuführen10. Ferner obliegt es ihm, die Tätigkeit der Ausschüsse zu koordinieren und anschließend deren Arbeitsergebnisse in das Plenum des Gesamtaufsichtsrats einzubringen11. Letztendlich hat der Aufsichtsratsvorsitzende für die Ordnungs- und Rechtmäßigkeit des gesamten Verfahrens Sorge zu tragen. Insbesondere in Rechtsfragen und bei der Auslegung gesetzlicher Vorschriften entscheidet er dabei allein, ohne einer Kontrolle durch das Plenum unterworfen zu sein12. Darüber hinaus ist der Vorsitzende als Repräsentant des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand und der Hauptversammlung für den Informationsfluss mit den anderen Organen zuständig13. In dieser Eigenschaft steht der Aufsichtsratsvorsitzende als ständiger Ansprechpartner dem Vorstand beratend zur Seite14. Im Berichtswesen nimmt der Aufsichtsratsvorsitzende ebenfalls eine Sonderstellung ein, indem er die Vorstandsberichte empfängt (vgl. § 90 Abs. 1 Satz 2 AktG) und an die übrigen Aufsichtsratsmitglieder weiterleitet (vgl. § 90 Abs. 5 Satz 3 AktG)15. Schließlich obliegen ihm die Vertretung der Gesellschaft bei der Abgabe bestimmter Handelsregistererklärungen (vgl. §§ 184 Abs. 1, 188 Abs. 1, 195 Abs. 1, 207 Abs. 2, 223, 229 Abs. 3 und 237 Abs. 2 AktG) sowie die Erläuterung des Aufsichtsratsberichts über den Jahresabschluss, den Lagebericht und den Gewinnverwendungsvorschlag auf der Hauptversammlung (vgl. §§ 171, 176 Abs. 1 Satz 2 AktG).

II. Der Verfahrensablauf im Aufsichtsrat 1. Die Aufsichtsratsitzung Der Aufsichtsrat muss gemäß § 110 Abs. 3 AktG in Abhängigkeit von einer Börsennotierung der Gesellschaft ein bis zwei Sitzungen im Kalenderhalbjahr abhalten. Mitgliedern des Vorstands steht zwar kein eigenes Recht zur Teilnahme an den Sitzungen zu16. Eine Teilnahmebefugnis kann ihnen jedoch durch die Satzung eingeräumt werden und ist in der Unternehmenspraxis unverzichtbare Voraussetzung für eine effektive Zusammenarbeit der Organe17. Die Einberufung der AufVgl. auch Ziff. 5.2 DCGK. Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. AG, § 31 / Rn. 95. 11 Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. AG, § 31 / Rn. 22; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 107 / Rn. 35; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 107 / Rn. 101 ff. 12 Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 107 / Rn. 138 f. 13 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 9 / Rn. 556; Schlitt, DB 2005, S. 2008. 14 Hoffmann / Preu, Der AR, Rn. 437; Krieger, ZGR 1985, S. 342 f.; Peus, Der AR-Vorsitzende, S. 161 ff. 15 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 6 / Rn. 222; zur Mitteilspflicht siehe Schlitt, DB 2005, S. 2011 f. m. w. N. 16 Hüffer, Komm. AktG, § 109 / Rn. 3; Potthoff / Trescher / Theisen, Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1969. 17 U. Schneider, ZIP 2002, S. 875 f. 9

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sichtsratssitzungen erfolgt gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 AktG regelmäßig durch den Vorsitzenden unter Bekanntgabe der Tagesordnung18. Neben den vom Gesetz verlangten Sitzungen hat der Vorsitzende den Aufsichtsrat stets dann einzuberufen, wenn nach seinem pflichtgemäßen Urteil ein Zusammentreten im Interesse des Unternehmens erforderlich ist19. Unter diesen Voraussetzungen kann und muss20 auch jedes einfache Mitglied des Aufsichtsrats, verbunden mit Darlegung des Zwecks und der Gründe, eine Einberufung des Gremiums verlangen (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 1 AktG) und im Fall einer Ablehnung selbst übernehmen (§ 110 Abs. 2 AktG). Über die Sitzung des Aufsichtsrats ist gemäß § 107 Abs. 2 AktG eine Niederschrift anzufertigen, die Angaben zu Ort und Tag der Sitzung, den Teilnehmern, den Gegenständen der Tagesordnung, dem wesentlichen Inhalt der Verhandlungen sowie den Beschlüssen des Aufsichtsrats zu enthalten hat.

2. Die Willensbildung und Beschlussfassung im Aufsichtsrat Das Aufsichtsratsgremium kann als Gesellschaftsorgan seinen Willen nur durch Beschlussfassung bilden (§ 108 Abs. 1 AktG). Diese wird erforderlich sowohl bei der Abgabe von Willens21- und sonstigen22 Erklärungen für die Gesellschaft als auch insbesondere dann, wenn ein Aufsichtsratsmitglied dem Kollegium einen Beschlussantrag unterbreitet und eine Abstimmung darüber verlangt23. Die Entscheidung kann nicht stillschweigend gefasst werden, sondern erfordert im Interesse der Rechtsklarheit eine ausdrückliche Beschlussfassung, der jedoch im Wege der Auslegung gegebenenfalls eine weitergehende Erklärungsbedeutung beigemessen werden kann24. Das Beschlussverfahren selbst ist im AktG und MitbestG nicht abschließend geregelt. Ergänzend können daher die vereinsrechtlichen Vorschriften25 des BGB herangezogen, sowie durch Satzung und Geschäftsordnung in den Schranken verbindlicher gesetzlicher Vorschriften nähere Bestimmungen getroffen werden26. Ein Beschluss kann im Aufsichtsrat nur gefasst werden, wenn ein hinreichend großes Beteiligungsquorum nicht nur in der Sitzung anwesend ist, sondern durch Zustimmung, Ablehnung oder Stimmenthaltung auch an der Beschlussfas18 Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 110 / Rn. 4; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 110 / Rn. 26. 19 Hüffer, Komm. AktG, § 110 / Rn. 10; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 9 / Rn. 572. 20 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 9 / Rn. 573. 21 Vgl. z. B. § 112 AktG. 22 Vgl. z. B. §§ 59 Abs. 3, 88 Abs. 1, 89 Abs. 2 und 5 AktG. 23 Hüffer, Komm. AktG, § 108 / Rn. 2.; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 108 / Rn. 17. 24 BGHZ 41,282 (286); BGH NJW 1989, S. 1928 (1929); Begr. RegE, in: Kropff, AktG, S. 151 f.; Baums, ZGR 1983, S. 334 ff. 25 §§ 28 Abs. 1, 32 Abs. 1 Satz 2, 34 BGB. 26 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 9 / Rn. 591; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 108 / Rn. 88.

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§ 6 Die Verantwortlichkeit des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds

sung teilnimmt27. Die Festlegung der Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats überlässt das AktG grundsätzlich der Satzung (§ 108 Abs. 2 Satz 1 AktG). Nur für mitbestimmte Gesellschaften schreibt das Gesetz in § 10 MontanMitbestG, § 11 MitbestErgG und § 28 MitbestG regelmäßig die Teilnahme von mindestens der Hälfte der Mitglieder vor, aus denen der Aufsichtsrat zu bestehen hat (sog. Sollstärke). Ansonsten ist der Aufsichtsrat gemäß § 108 Abs. 2 Satz 2 – 4 AktG bei Teilnahme der Hälfte seiner Mitglieder beschlussfähig, wenn die Untergrenze von mindestens drei Mitgliedern eingehalten wird28. Gegenstand eines Beschlusses können alle Punkte der Tagesordnung sein, zu denen ein Beschlussantrag gestellt und eine Abstimmung verlangt wird. Über in der Tagesordnung nicht angekündigte Themen kann das Gremium nur dann beschließen, wenn keines der anwesenden Aufsichtsratsmitglieder widerspricht und den abwesenden Mitgliedern die Möglichkeit einer nachträglichen Stimmabgabe29 eingeräumt wird30. Ohne Abhaltung einer Sitzung kann der Aufsichtsrat schriftlich, fernmündlich oder in anderer vergleichbarer Form ebenfalls Beschluss fassen, sofern keines seiner Mitglieder dem Verfahren widerspricht (§ 108 Abs. 4 AktG). Grundsätzlich ist jedes Aufsichtsratsmitglied auch zur Abstimmung berechtigt. In entsprechender Anwendung von § 34 BGB besteht allerdings ein Stimmverbot, wenn über den Abschluss eines Rechtsgeschäfts entschieden werden soll, an dem das Mitglied persönlich beteiligt ist, desgleichen wenn die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft und dem betreffenden Aufsichtsratsmitglied zu beschließen ist31. Zur Fassung der Beschlüsse im Aufsichtsrat ist schließlich die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (sog. einfache Stimmenmehrheit) regelmäßig ausreichend. Einzelne gesetzliche Abweichungen hiervon stehen sämtlich im Zusammenhang mit mitbestimmungsrechtlichen Regeln32, die dem Aufsichtsratsvorsitzenden in bestimmten Entscheidungssituationen bei Stimmengleichheit überdies ein Zweitstimmrecht gewähren33.

27 Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. AG, § 31 / Rn. 57; Hüffer, Komm. AktG, § 108 / Rn. 11. 28 Umstritten ist, ob in diesem Fall alle drei Beteiligten auch zur Abstimmung berechtigt sein müssen (so jüngst BayObLG, BB 2003, S. 2140 ff.; zustimmend Hüffer, Komm. AktG, § 108 / Rn. 11) oder nur an der vorbereitenden Beratung beteiligt sein müssen (so Stadler / Berner, NZG 2003, S. 51). 29 Es handelt sich dann um ein sog. gemischtes Abstimmungsverfahren, vgl. Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 108 / Rn. 205 ff. 30 Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 110 / Rn. 5; Säcker, NJW 1979, S. 1522. 31 Hüffer, Komm. AktG, § 108 / Rn. 9; Potthoff / Trescher / Theisen, Aufsichtsratsmitglied, Rn. 2011; kritisch Stadler / Berner, NZG 2003, S. 50. 32 Vgl. § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG, §§ 27 Abs. 1 – 3, 31 Abs. 2 – 4, 32 MitbestG, §§ 8 Abs. 1, 13 Abs. 1 MontanMitbestG, § 5 Abs. 3, 15 MontanMitbestErgG. 33 Vgl. §§ 27 Abs. 4, 29 Abs. 2 MitbestG.

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III. Ausschüsse des Aufsichtsrats 1. Ausschussbildung als Organisationsinstrument Um die Fülle seiner Aufgaben effizient bewältigen zu können, eröffnet § 107 Abs. 3 AktG dem Gesamtaufsichtsratsgremium die Möglichkeit, aus seiner Mitte im Rahmen der autonomen Selbstorganisation einzelne Ausschüsse als spezielle Aufgabenträger zu errichten und die Erledigung bestimmter Angelegenheiten an diese zu delegieren34. Für börsennotierte Gesellschaften empfiehlt auch der Deutsche Corporate Governance Kodex gemäß Ziff. 5.3 Abs. 1 in Abhängigkeit von den spezifischen Gegebenheiten und der Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder die Einsetzung fachlich qualifizierter Ausschüsse. Jedenfalls bei größeren Gesellschaften wird die Pflicht zur sachgerechten Organisation den Aufsichtsrat sogar zwingen, von der Möglichkeit der Ausschussbildung Gebrauch zu machen35. Die Auswahl der Ausschussmitglieder hat sich bei grundsätzlicher Gestaltungsfreiheit des Aufsichtsrats in erster Linie am Eignungsprinzip zu orientieren36. Der Ausschuss muss in der Lage sein, die ihm obliegenden Aufgaben zielführend zu erfüllen. Dafür trägt der gesamte Aufsichtsrat die Verantwortung37. Allerdings ist es unzulässig, eine der Gruppen im Aufsichtsrat in diskriminierender Weise von der Mitwirkung an der Ausschussarbeit auszuschließen38. Unabhängig von der personellen Besetzung ist jedenfalls die Teilnahme an den Ausschusssitzungen regelmäßig allen Aufsichtsratsmitgliedern gestattet (§ 109 Abs. 2 AktG), allerdings ohne dass ihnen ein Stimmrecht zusteht39. Im Übrigen beanspruchen die für die innere Ordnung des Gesamtaufsichtsrats geltenden Bestimmungen auch für die Ausschüsse entsprechende Geltung40. 2. Ausschussformen und ihre Implementierung in der Unternehmenspraxis Entsprechend der delegierten Kompetenzen lässt sich eine Einteilung in vorbereitende, überwachende, beratende und beschließende (bzw. erledigende) Aus34 Die Ausschüsse sind ihrerseits wiederum befugt, Unterausschüsse zu bilden. Allerdings haben sie im Gegensatz zum Plenum nicht das Recht, Beschlusskompetenzen zu übertragen. Vgl. Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 107 / Rn. 392 m. w. N. 35 Krieger, ZGR 1985, S. 361 f.; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 107 / Rn. 100; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 14 f. 36 Vgl. Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 332 f. m. w. N. 37 Potthoff / Trescher / Theisen, Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1123. 38 Vgl. BGHZ 122, 322; Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. AG, § 32 / Rn. 21; Raiser, Komm. MitbestG, § 25 / Rn. 52 f. 39 Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 107 / Rn. 379. 40 Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 107 / Rn. 164; Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 355 ff.

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schüsse vornehmen, die entweder auf Dauer oder ad hoc zur Behandlung eines akut aufgetretenen Problems eingerichtet werden können41. Vorbereitende Ausschüsse sollen die Verhandlungen oder Beschlüsse des Aufsichtsrats vorbereiten (§ 107 Abs. 3 Satz 1 AktG), indem sie in der Regel einen fundierten Verhandlungsoder Beschlussvorschlag zur Entscheidung unterbreiten42. Der Übertragung von Vorbereitungsaufgaben werden vom Gesetzgeber zwar keine Schranken gesetzt. Gleichwohl kann ein Spannungsverhältnis zum Zweck des § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG entstehen, sofern in Aufgabenbereichen, die nach dieser Vorschrift zwingend dem Plenum vorbehalten sind, der Entscheidungseinfluss des Gesamtaufsichtsrats durch eine selbständige Vorabwertung und -aussonderung der Informationsbasis im Rahmen vorbereitender Tätigkeiten reduziert und damit die Gefahr einer Präjudizierung der Meinungsbildung begründet wird43. Will man deshalb vorbereitende Ausschüsse nicht auf eine reine Informationssammlung reduzieren44, so ist ein reger Informationsfluss zwischen Ausschuss und Plenum dringend erforderlich, um dem Aufsichtsrat weiterhin eine eigene Meinungsbildung und eigenverantwortliche Entscheidungsfindung zu ermöglichen45. Den überwachenden Ausschüssen kann der Gesamtaufsichtsrat zwar nicht seine gesamte, allgemeine Überwachungsaufgabe überantworten. Einzelne abgeleitete und spezielle Tätigkeiten wie beispielsweise die Überwachung einzelner konkreter Geschäftsführungsmaßnahmen oder die Überwachung der Durchführung von Plenarbeschlüssen können derartige Ausschüsse aber durchaus wahrnehmen46. Beratende Ausschüsse erhalten den Auftrag, den Vorstand in bestimmten Fragen oder umfassend in allen Geschäftsführungsfragen zu beraten. Ihre Tätigkeit nimmt dem Plenum nicht das Recht, selbst beratend gegenüber dem Vorstand aufzutreten47. Zuletzt ist es auch in weitem Umfang gestattet, Aufsichtsratsaufgaben zur endgültigen Erledigung und damit Entscheidungskompetenzen vom Gesamtaufsichtsratgremium an einen beschließenden Ausschuss zu delegieren48. Um zu verhindern, dass die vom Gesetz zugewiesenen Kompetenzen des Aufsichtsrats nicht weitgehend verlagert werden, müssen jedoch alle zentralen Aufgaben in der Zuständigkeit des Plenums verbleiben. Diese dem Plenum vorbehaltenen Entscheidungen ergeben sich in erster Linie aus dem in § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG enthaltenen Vorbehaltskatalog von Aufgaben. Vgl. Siebel, in: Semler J. / v. Schenck K., AR Hdb., § 6 / Rn. 18. Potthoff / Trescher / Theisen, Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1110. 43 Vgl. Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 9 / Rn. 626; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 46 ff. 44 Dafür spricht sich Prühs, DB 1970, S. 1528, aus. 45 Vgl. Hoffmann / Preu, Der AR, Rn. 151; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 48 f. u. 54 f. 46 Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. AG, § 32 / Rn. 3; Hommelhoff, in: FS Werner 1984, S. 324; Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 107 / Rn. 371; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 32 ff. 47 Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 107 / Rn. 283. 48 Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG, vgl. nur Hüffer, Komm. AktG, § 107 / Rn. 18. 41 42

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Darüber hinaus besteht auch für alle wichtigen Fragen der Selbstorganisation ein ungeschriebenes Delegationsverbot49. Im Rahmen der zahlenmäßigen Besetzung der beschließenden Ausschüsse darf die Beschlussfähigkeitsvorschrift des § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG nicht unterlaufen werden, so dass ein an der Beschlussfassung teilnehmendes Mindestquorum von drei Mitgliedern Voraussetzung für eine eigenständige Entscheidungskompetenz des Ausschusses ist50. In der Unternehmenspraxis finden sich neben einem mitbestimmungsrechtlich zwingend vorgeschriebenen Vermittlungsausschuss51 vor allem Personalausschüsse zur Regelung der Vertragsangelegenheiten der Vorstandsmitglieder, Aufsichtsratspräsidien sowie Ausschüsse für besondere Sachgebiete wie insbesondere Investitionen, Finanzen, Bilanzen und Kredite52. Das Aufsichtsratspräsidium ist ein Ausschuss besonderer Art, der oft auch als Personalausschuss tätig und mit der Behandlung von Finanzierungs- und Investitionsfragen betraut wird. Seine wesentliche Funktion besteht jedoch darin, den Aufsichtsratsvorsitzenden bei der Sitzungsvorbereitung und der Koordination der Arbeit im Aufsichtsrat beratend zu unterstützen sowie mit dem Vorstand ständig Kontakt zu halten53. Zunehmend werden auch besondere Prüfungsausschüsse eingerichtet, die dem angloamerikanischen Audit Committee54 nachempfunden sind und die der Deutsche Corporate Governance Kodex zur Befassung mit Fragen der Rechnungslegung, des Risikomanagements und der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers sowie zur Erteilung des Prüfungsauftrags, der Bestimmung von Prüfungsschwerpunkten und des Abschlusses der Honorarvereinbarung empfiehlt (Ziff. 5.3 Abs. 2)55.

3. Verhältnis der Ausschüsse zum Gesamtaufsichtsrat Wenngleich die Ausschüsse zur Entlastung des Aufsichtsrats eingesetzt werden, so kommt ihnen dennoch keine eigenständige Organstellung im Gesellschafts49 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 9 / Rn. 626; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 107 / Rn. 279. 50 BGHZ 65, 190 (191 f.); Hüffer, Komm. AktG, § 107 / Rn. 17; Lehmann, DB 1979, S. 2121; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 / Rn. 103. Teilweise wird dies auch für vorbereitende Ausschüsse gefordert, vgl. Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 107 / Rn. 297 m. w. N. 51 Vgl. § 27 Abs. 3 MitbestG, § 8 Abs. 2 MontanMitbestG. 52 Vgl. zu der praktischen Bedeutung von Aufsichtsratsausschüssen Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 2 ff.; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 107 / Rn. 249 ff.; C.W. Vogel, Aktienrecht und Aktienwirklichkeit, S. 183 ff. 53 BGHZ 83, 106 (114); Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. AG, § 32 / Rn. 8; Krieger, ZGR 1985, S. 340 ff. 54 Siehe dazu Siebel, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 6 / Rn. 161. 55 Zur Erforderlichkeit eines Audit Committees in Aktiengesellschaften, die aufgrund der Inanspruchnahme des US-amerikanischen Kapitalmarktes an den „Sarbanes-Oxley-Act of 2002“ gebunden sind, vgl. Arbeitskreis EIÜ, BB 2004, S. 2402 f.

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gefüge zu56. Sie sind vielmehr als organisationsrechtliche Untergliederungen des Gesamtaufsichtsrats einzuordnen, der letztendlich Herr des Verfahrens bleibt57. Daher haben die Ausschüsse bei ihrer Arbeit stets Rücksicht auf den Willen des Gesamtaufsichtsrats zu nehmen und diesem auch die Möglichkeit zur Entscheidung einzuräumen, soweit Meinungsverschiedenheiten mit dem Plenum bestehen58. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass mit der Aufgabendelegation an die Ausschüsse für den Gesamtaufsichtsrat kein Kompetenzverlust verbunden ist. Vielmehr kann er die an einen Ausschuss überantworteten Themen jederzeit wieder an sich ziehen59, oder von dem Ausschuss bereits getroffene Entscheidungen abändern oder aufheben60.

B. Strafrechtsrelevante Pflichtverletzung des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds Die kollektive Entscheidungsfindung im Gesamtaufsichtsrat wie auch in den Ausschüssen hat nach dem gesellschaftsrechtlichen Leitbild im Wege einer formellen ausdrücklichen Beschlussfassung zu erfolgen. Für die strafrechtliche Bewertung kommt es indessen auf die Form sowie die aktienrechtliche Wirksamkeit der Willensbildung nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass ein gemeinsamer Entschluss gefasst und sodann in die Tat umgesetzt worden ist. Sollten die Aufsichtsratsmitglieder deshalb im Einzelfall ausschließlich in einer verbalen Auseinandersetzung ohne formelle Abstimmung einen Konsens entwickelt haben, etwa eine bestimmte Frage nicht weiter zu verfolgen oder eine konkrete Maßnahme zu unterlassen, so kann selbst eine solche informelle Kollegialentscheidung bereits ein strafrechtlich relevantes Unrecht begründen61. Jede Form der Gremienentscheidung bereitet in strafrechtlicher Hinsicht gleichwohl besondere Schwierigkeiten bei der Feststellung der persönlichen Verantwortung. Denn verfolgt man den Weg von der eingetretenen Rechtsgutsverletzung zurück, so verstellt die Kollektiventscheidung des Organs, in deren Ausführung die Straftat letztlich erfolgt, zunächst den Blick auf eine individuelle Pflichtverletzung der Organmitglieder62. Insofern 56 Siebel, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 6 / Rn. 10; anders Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 71. 57 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 9 / Rn. 627; Semler, AG 1988, S. 61. 58 Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 107 / Rn. 127; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 43 f. 59 OLG Hamburg, AG 1996, S. 84 (85); Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. AG, § 32 / Rn. 4. 60 BGHZ 89, 48 (55 f.); Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 107 / Rn. 320. 61 In diesem Sinne Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 193 f.; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 145; vgl. auch Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 220. 62 Vgl. Franke, in: FS Blau 1985, S. 240; für die aktienrechtliche Haftung Fleischer, BB 2004, S. 2645.

B. Strafrechtsrelevante Pflichtverletzung des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds

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besteht die erste Aufgabe nun darin, das strafrechtlich relevante Individualverhalten der Aufsichtsratsmitglieder im Rahmen der Kollegialdelinquenz genau zu identifizieren.

I. Pflichtverletzung durch rechtswidriges Stimmverhalten Den Aufsichtsratsmitgliedern obliegen im Rahmen ihrer Organfunktion strafrechtliche Garantenpflichten zur Überwachung der Vorstandstätigkeit63, Beschützergarantenpflichten zu Gunsten der Rechtsgüter der Gesellschaft64, insbesondere eine Vermögensfürsorgepflicht nach § 266 StGB65, sowie erweiterte Einstandspflichten bei faktischer Geschäftsleitung66. Diese spezifischen Verhaltensgebote verlangen von ihnen jeweils, für den Schutz des gefährdeten Rechtsguts einzutreten. Ein Mitglied, das im Rahmen der kollektiven Entscheidungsfindung gegen eine Erfolgsverhinderung votiert oder umgekehrt sogar für eine schadensträchtige Maßnahme stimmt, verstößt unmittelbar gegen diese strafrechtlichen Pflichten67. In besonders gelagerten Fällen vermag selbst die sichere Kenntnis des Aufsichtsratsmitglieds, dass es vom Kollegium ohnehin überstimmt werden wird, nichts an der Geltungskraft seiner Pflicht zur rechtstreuen Stimmabgabe zu ändern68. Soweit Samson69 hingegen sinngemäß den Standpunkt vertritt, dass eine identifizierbare Mehrheit allein haften würde, soweit sie unter den Gremiumsmitgliedern im Vorfeld den Eindruck der Uneinsichtigkeit erweckt habe, und er unter diesen Umständen der Minderheit damit ein „Recht zur Resignation“ zugesteht, verkennt er die Gleichrangigkeit der strafrechtlichen Verhaltenspflichten. Ansonsten könnte sich in diesem Rahmen letztlich jeder Garant allein durch den Hinweis auf die gleichartige und ebenso pflichtwidrige Untätigkeit gleichgeordneter Garanten von jeder strafrechtlichen Verantwortung freizeichnen70. Aus dem gleichen Grund schränkt auch ein dominierender Einfluss des Aufsichtsratsvorsitzenden die Rechtspflicht der einzelnen Mitglieder regelmäßig nicht ein71. Obschon sich die Siehe oben § 3, C., III. Siehe oben § 3, D. II. 65 Siehe oben § 4, B. 66 Siehe oben § 5, C. 67 Vgl. allgemein Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 206; für den Aufsichtsrat Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 149; entsprechend zum Aktienrecht Fleischer, BB 2004, S. 2646. 68 Ebenso Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 206 f. 69 Samson, StV 1991, S. 185. 70 Treffend zuletzt BGHSt 48, 77 (95) „Politbüro“; BGHSt 37, 106 (131) „Lederspray“. 71 Der ausgeübte Druck wird die Grenze des § 35 StGB zur Exkulpation regelmäßig nicht erreichen, da insoweit allein finanzielle Interessen und die Sorge um das Mandat nicht genügen; vgl. sinngemäß BGHSt 37, 106 (125) „Lederspray“; Fleischer, BB 2004, S. 2648; Knauer, Die Kollegialentscheidung, S. 208 ff. 63 64

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Mitgliedschaft in einem Kollegialorgan durchaus mit Gruppenkohäsionen, Solidarisierungen und Anpassungszwängen konfrontiert sieht72, hat bei einem Stimmrecht nach Köpfen jedes Votum grundsätzlich die gleiche Möglichkeit und deshalb auch die Pflicht, die Kollektiventscheidung positiv im Sinne des (Straf-)Rechts zu beeinflussen73.

II. Pflichtverletzung durch Stimmenthaltung Ein Mehrheitsbeschluss des Aufsichtsratsgremiums liegt vor, wenn die Zahl der gültigen Ja-Stimmen die Zahl der Nein-Stimmen übertrifft. Eine Stimmenthaltung wird bei dieser Berechnung nicht als Stimmabgabe gewertet74. Ob sich die Stimmenthaltung auf diese Weise – bei knapper Mehrheit – gleichwohl zu Lasten einer rechtmäßigen Kollektiventscheidung auswirkt, offenbart erst das Abstimmungsergebnis. Da die strafrechtlichen Verhaltensgebote ex ante feststehen müssen, kann nicht bis zur Auszählung der Stimmen offen bleiben, ob eine Stimmenthaltung pflichtwidrig war75. Das LG Berlin hat unlängst entschieden, dass es ausreichend und rechtlich nicht zu beanstanden sei, wenn ein Aufsichtsratsmitglied seine Bedenken gegenüber einem seiner Ansicht nach schadensträchtigen Beschluss zum Ausdruck bringe, sich bei der Abstimmung sodann aber der Stimme enthalte76. Durch eine Stimmenthaltung vermittelt das Aufsichtsratsmitglied indessen einen gespaltenen Eindruck. Es distanziert sich zwar einerseits inhaltlich von der Mehrheitsentscheidung, indem es nicht ausdrücklich mit „Ja“ stimmt. Auf der anderen Seite manifestiert sich in der Enthaltung eine Indifferenz gegenüber der Entscheidung. Indem das Aufsichtsratsmitglied bewusst nicht mit „Nein“ stimmt, macht es jedenfalls deutlich, dass es eine Rechtsgutsverletzung auch nicht mit besonderem Nachdruck verhindern will77. Genau hierin besteht aber die Pflichtwidrigkeit des förmlich neutralen Verhaltens. Denn im Rahmen der aufgezeigten Erfolgsabwendungspflichten haben die Aufsichtsratsmitglieder als Garanten alles Mögliche und Zumutbare zu unternehmen, um 72 Eingehend zu den kriminogenen Faktoren einer Gremiumsmitgliedschaft jüngst Knauer, Die Kollegialentscheidung, S. 19 ff. 73 Vgl. Kraatz, Die fahrlässige Mittäterschaft, S. 348 f.; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 206 f.; Weißer, Kollegialentscheidungen, S. 223. 74 Vgl. Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 108 / Rn. 32 m. w. N. 75 Zutreffend Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 208. 76 LG Berlin, Urteil vom 8. 10. 2003 – 101 O 80 / 02, ZIP 2004, S. 73 (76). 77 Vgl. Vetter, DB 2004, S. 2625. Dies veranschaulicht das im Mannesmann-Prozess zu Tage getretene Verhalten der damaligen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsratspräsidium, die zu Protokoll gaben, dass sie die streitgegenständlichen Anerkennungsprämien für den Vorstand „aus grundsätzlichen Erwägungen“ nicht mittragen könnten, vgl. Hüffer, BB 2003, Beilage 7, S. 5 f. Gleichwohl reichten ihre Motive doch nicht soweit, dass sie – anstelle sich lediglich der Stimme zu enthalten und die (strafrechtswidrige) Kollegialentscheidung „zur Kenntnis zu nehmen“ – den Beschlussvorschlag durch ein Veto zu verhindern suchten.

B. Strafrechtsrelevante Pflichtverletzung des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds

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den tatbestandlichen Erfolg zu vermeiden78. Dieser Verantwortung werden sie nur gerecht, wenn sie die ihnen eingeräumten Möglichkeiten ausschöpfen und ihre Stimme ausdrücklich gegen eine strafrechtswidrige Gremienentscheidung in die Waagschale werfen. Die bloße Stimmenthaltung kann mithin ebenfalls als Pflichtverletzung durch Unterlassen tatbestandsmäßig sein79.

III. Pflichtverletzung bei rechtmäßigem Stimmverhalten Stimmt ein Aufsichtsratsmitglied gegen einen strafrechtswidrigen Gremiumsbeschluss, so kann sich der strafrechtliche Vorwurf jedenfalls nicht auf das Stimmverhalten als solches beziehen. Selbst über die Konstruktion einer Mittäterschaft kann einem rechtstreu votierenden Aufsichtsratsmitglied das pflichtwidrige Abstimmungsverhalten seiner Kollegen nicht ohne weiteres zugerechnet werden. Denn eine Mittäterschaft setzt nicht nur einen eigenen pflichtwidrigen Tatbeitrag voraus, sondern verlangt überdies eine Einigkeit über die Tatbestandsverwirklichung80, die sich in einer Gegenstimme gerade nicht manifestiert81. Diese Straflosigkeit des rechtmäßigen Stimmverhaltens mag die betroffenen Aufsichtsratsmitglieder in der Praxis zu der Schutzbehauptung verleiten, sie hätten bei der Willensbildung selbst rechtstreu votiert. In Fällen, in denen die Kollegiumsentscheidung nicht einstimmig getroffen wird und das individuelle Stimmverhalten nicht namentlich in der Sitzungsniederschrift protokolliert ist82, können hieraus prozessuale Beweisschwierigkeiten erwachsen, die die materiell-rechtliche Würdigung gleichwohl nicht beeinflussen dürfen83. Darüber hinaus bedeutet die Sanktionslosigkeit des Stimmverhaltens noch keineswegs, dass der rechtmäßig Votierende seinen strafrechtlichen Pflichten umfassend nachgekommen ist. Vor dem Hintergrund, dass die Aufsichtsratsmitglieder im Rahmen ihrer Garantenpflichten „alles Mögliche und Zumutbare“ unternehmen müssen, um den tatbestandlichen Erfolg zu vermeiden, muss das Augenmerk auch strafbewehrten Verhaltenspflichten vor Siehe stellvertretend oben § 3, C., III., 5. Wie hier LG Düsseldorf, ZIP 2004, S. 2044 (2045) „Mannesmann“; Hohn, wistra 2006, S. 164; Knauer, Die Kollegialentscheidung, S. 207; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 208; Tiedemann, ZIP 2004, S. 2057 f.; J. Vogel / Hocke, JZ 2006, S. 569; entsprechend zur aktienrechtlichen Haftung Fleischer, BB 2004, S. 2651; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 11 / Rn. 835; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 58; Vetter, DB 2004, S. 2625. 80 Dazu eingehend Roxin, Täterschaft, S. 285. 81 Vgl. Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 245; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 159; zur entsprechenden aktienrechtlichen Bewertung siehe Fleischer, BB 2004, S. 2648. 82 Die Protokollpflicht gemäß § 107 Abs. 2 AktG fordert keine Personalisierung des Abstimmungsergebnisses; vgl. Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 107 / Rn. 182 m. w. N. 83 Vgl. Beulke / Bachmann, JuS 1992, S. 742 in Fn. 73; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 245. 78 79

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und nach der reinen Abstimmung gelten. Im Hinblick auf das Gebot straftatbestandlicher Bestimmtheit kann diese formelhafte „Bemühenspflicht“ der Aufsichtsratmitglieder derweil nur in ganz konkreten Verhaltensanforderungen Ausdruck finden84.

1. Keine Strafbarkeit der bloßen Teilnahme an der Abstimmung im Aufsichtsrat Die Aufsichtsratsmitglieder unterwerfen sich mit ihrer Mitgliedschaft im Aufsichtsratsgremium den jeweiligen Kollegialentscheidungen des Organs. Sie haben sich demnach im Zweifel auch gegen ihre persönliche Überzeugung dem Willen der Mehrheit zu fügen. Dies hat in der Vergangenheit vor allem die instanzgerichtliche Rechtsprechung dazu veranlasst, die strafrechtliche (Mit-)Verantwortung von Gremiumsangehörigen bereits an die Teilnahme an der kollektiven Willensbildung zu knüpfen85. Danach würde uneingeschränkt jedes Aufsichtsratsmitglied für das strafrechtswidrige Organverhalten haften, selbst für den Fall, dass es rechtstreu dagegen gestimmt hat. Dieser Haftungsbegründung ist zuzugeben, dass sie in der Praxis Schutzbehauptungen der Mitglieder unterbindet, soweit sich das individuelle Stimmverhalten nicht mehr nachweisen lässt. Zudem vermeidet sie die schwierigen Kausalitäts- und Zurechnungsfragen, wenn der rechtswidrig Votierende einwendet, er hätte angesichts einer soliden Mehrheit den Erfolg durch seine rechtmäßige Gegenstimme ohnehin nicht verhindern können86. Trotz alledem lässt sich der strafrechtliche Vorwurf nicht auf die bloße Teilnahme an der strafrechtswidrigen Beschlussfassung stützen87. Dies liegt nicht (erst) daran, dass dem rechtstreu stimmenden Aufsichtsratsmitglied auf subjektiver Ebene jedenfalls der Wille zur Tatbestandsverwirklichung fehlt88. In diesem Fall verbliebe nämlich die Möglichkeit einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit. Die Teilnahme an der Abstimmung im Aufsichtsrat begründet vielmehr bereits objektiv kein strafbewehrtes Handlungsunrecht89. Ein Aufsichtsratsmitglied kann nicht verpflichtet werden, einer Beschluss84 Vgl. hierzu die Kritik von Hassemer, Produktverantwortung, S. 69: „Dies ist verbal kräftig, aber in den Verhaltensanforderungen – bezogen auf die Rettung der bedrohten Rechtsgüter – wolkig. Die Betroffenen werden im konkreten Einzelfall mit diesen Imperativen wenig anfangen können.“ 85 Vgl. OLG Stuttgart, JR 1981, S. 339 (340); OLG Düsseldorf, NJW 1980, S. 71; LG Göttingen, NJW 1979, S. 1558 (1561). 86 Vgl. OLG Stuttgart, JR 1981, S. 339 (341); näher zu dieser Problematik unten C. 87 Franke, JZ 1982, S. 582; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 203 ff.; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 144 f.; vgl. auch Fleischer, BB 2004, S. 2648. 88 So namentlich Franke, JZ 1982, S. 582. 89 Ebenso LG Düsseldorf, ZIP 2004, S. 2044 (2045) „Mannesmann“; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 145; Tiedemann, ZIP 2004, S. 2057; vgl. auch OLG Frankfurt, DB 1988, S. 345; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 204; aus aktienrechtlicher Sicht Fleischer, BB 2004, S. 2648.

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fassung gegebenenfalls fern zu bleiben oder im Hinblick auf das erforderliche Mindestquorum durch das Verlassen der Aufsichtsratssitzung die Beschlussunfähigkeit des Gremiums herbeizuführen90. Es ist umgekehrt kraft seiner aktienrechtlichen Sorgfaltspflicht sogar gehalten, an den Aufsichtsratssitzungen teilzunehmen und seine rechtlichen Bedenken dort vorzutragen und mit einer Gegenstimme ausdrücklich zu bekunden91. Somit verbietet es der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, an die sozialadäquate berufstypische Sitzungs- und Abstimmungsteilnahme strafrechtliche Folgen zu knüpfen92. Eine Nichtteilnahme an der Abstimmung kann von den Aufsichtsratsmitgliedern selbst dann nicht verlangt werden, wenn die Strafbarkeit des avisierten Beschlusses klar zu Tage liegt93. Denn erst das Abstimmungsergebnis offenbart letztlich einen wirklich stichhaltigen Anhaltspunkt für eine Rechtsgutgefährdung. Zuvor besteht immer noch die Möglichkeit, dass sich das Gremium zu einer rechtmäßigen Entscheidung durchringen wird94. Die Aufsichtsratsmitglieder sind in dieser Situation deshalb erst Recht gehalten, durch ihre Stimme das Abstimmungsergebnis positiv zu beeinflussen95.

2. Pflicht zum Einschreiten gegen die strafrechtswidrige Gremiumsentscheidung Es bleibt somit zu erörtern, inwieweit ein rechtmäßig votierendes Aufsichtsratsmitglied gleichwohl auf andere Weise zur Vermeidung einer eigenen strafrechtlichen Verantwortung verpflichtet ist, gegen eine strafrechtswidrige Entscheidung des Gremiums vorzugehen. Wiewohl die einzelnen Mitglieder gesellschaftsrechtlich bereits im Vorfeld der Abstimmung gehalten sind, auf rechtliche Bedenken gegenüber dem Vorhaben hinzuweisen, so ist dies strafrechtlich jedenfalls noch nicht von tatbestandlicher Relevanz. Denn die (neue) maßgebende Ursache für den Erfolgseintritt wird erst durch den nachfolgenden verbindlichen Kollegialbeschluss geschaffen96. Weitergehende Erfolgsabwendungspflichten des überstimmten Mitglieds können sich daher nur an die Gremiumsentscheidung zeitlich anschließen. Insoweit gilt es 90 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 11 / Rn. 835; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 58; Vetter, DB 2004, S. 2625; vgl. auch Fleischer, BB 2004, S. 2648. 91 Siehe oben II. sowie § 2, B., V., 1.; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 58; Vetter, DB 2004, S. 2625; zu der gleichlaufenden Pflicht des Vorstands Fleischer, BB 2004, S. 2648. 92 Zum Verbot widersprüchlicher Handlungsanweisungen siehe oben § 2, A., II. 93 So aber offenbar Tiedemann, ZIP 2004, S. 2057. 94 Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 205. 95 Vgl. Fleischer, BB 2004, S. 2648; Franke, JZ 1982, S. 584; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 205. 96 Darüber hinaus fehlt es auch am Tatbestandsvorsatz, vgl. Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 160 f.

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§ 6 Die Verantwortlichkeit des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds

zunächst noch einmal klarzustellen, dass diese Straftatverhinderungspflichten ihren Rechtsgrund nur in der Pflicht zur Überwachung des Vorstands sowie der Schutzpflicht gegenüber der Gesellschaft finden. Die Mitglieder des Aufsichtsrats trifft keine allgemeine Verantwortung für Straftaten der Kollegen. Denn zur Begründung einer solchen Überwachungsgarantenstellung fehlt es an einer normativen Herrschaftsgewalt des Aufsichtsratsmitglieds gegenüber seinen gleichberechtigten Gremiumskollegen97. Eine Straftatverhinderungspflicht im Nachgang der Entscheidung setzt ferner die Möglichkeit voraus, dass der Schadenseintritt noch verhindert werden kann, was vor allem bei Aufsichtsratsbeschlüssen der Fall sein wird, die der weiteren Ausführung bedürfen98. Die Statuierung einer strafbewehrten Pflicht des überstimmten Aufsichtsratsmitglieds, gegen den Willen der Mehrheit die drohende Rechtsgutsverletzung zu verhindern, kollidiert jedenfalls nicht mit dem aktienrechtlichen Gebot der Organmitglieder, eine einmal getroffene Mehrheitsentscheidung loyal mitzutragen99. Denn bei gesetzeswidrigen Beschlüssen beansprucht die Legalitätspflicht uneingeschränkt Vorrang vor der Amtspflicht zu kollegialer Zusammenarbeit100. Um zu verhindern, dass ein strafrechtswidriges Stimmverhalten gänzlich ohne Folgen bleibt, dürfen die Erfolgsabwendungspflichten des rechtstreu Votierenden jedoch nicht so weit reichen wie die Verhaltensanforderungen, die nach einem rechtswidrigen Stimmverhalten an eine Strafbefreiung wegen Rücktritts oder wegen tätiger Reue zu stellen sind101. Hinsichtlich geeigneter und zumutbarer Einzelmaßnahmen zur Erfolgsabwendung muss zwischen gesellschaftsinternen und gesellschaftsexternen Instrumenten unterschieden werden. Kraft ihrer organschaftlichen Sorgfaltspflicht gegenüber der Gesellschaft haben die Aufsichtsratsmitglieder von den ihnen zur Verfügung stehenden Einwirkungsmitteln stets das für die Gesellschaft schonendste auszuwählen und entsprechend vor der Einschaltung externer Instanzen alle gesellschaftsinternen Kompetenzen auszuschöpfen102. Denn jede Auseinandersetzung, die nach außen getragen wird, belastet nicht nur die weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit im Aufsichtsrat, sondern kann überdies durch eine negative Publizität der Gesellschaft selbst schaden103. 97 Zur personalen Herrschaft als Entstehungsrund der Überwachungsgarantenstellung siehe oben § 3, C., III., 2., b); ebenfalls ablehnend mit Verweis auf das Eigenverantwortlichkeitsprinzip Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 73 ff. 98 So müssen etwa Entscheidungen über die Vorstandsvergütung oder die Gewährung von Vorstandskrediten jeweils noch im Außenverhältnis individualvertraglich fixiert werden. 99 Vgl. Fleischer, BB 2004, S. 2648; Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 53. 100 Fleischer, BB 2004, S. 2649; Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 53. 101 Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 249; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 162. 102 Vgl. Fleischer, BB 2004, S. 2650; Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 / Rn. 53. 103 Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 11 / Rn. 837; siehe zu denselben Erwägungen bei einer Inanspruchnahme von Vorstandsmitgliedern oben § 2, B., IV., 9.

B. Strafrechtsrelevante Pflichtverletzung des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds

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Der Vorschlag einer „Mobilisierung“ des Vorstands104 mag zwar sinnvoll erscheinen, wenn der Geschäftsleitung die Ausführung des Aufsichtsratsbeschlusses obliegt. Mangels rechtlicher Einflussmöglichkeiten des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat verspricht dieser Weg indessen in aller Regel keinen hinreichenden Erfolg105. Eine Niederlegung des Aufsichtsratsmandats ist ebenfalls kein gangbarer Weg, um sich der Strafbarkeit zu entziehen. Die Amtsaufgabe ist in keiner Weise geeignet, die Ausführung des strafbaren Beschlusses zu verhindern. Der Verzicht auf die Ausübung von Herrschaftsmacht stellt vielmehr eine Form der (unzureichenden) Herrschaftsausübung dar106. Die Niederlegung aller Aufgaben, die das bedrohte Rechtsgut schutzlos in einer Gefahrenlage belässt, befreit das Aufsichtsratsmitglied daher nicht ohne weiteres von der bestehenden strafrechtlichen Verantwortung107. Schlussendlich stellt sich die Frage, inwieweit das dissentierende Aufsichtsratsmitglied notfalls angehalten ist, zur Straftatverhinderung auch außenstehende Dritte einzuschalten. Der Statuierung einer individuellen Anzeigepflicht gegenüber den Strafverfolgungsbehörden sind wiederum Grenzen durch die organschaftliche Schweigepflicht der Aufsichtsratsmitglieder gesetzt108. Aus diesem Grund ist dem überstimmten Aufsichtsratsmitglied nur dann eine Strafanzeige als äußerstes Mittel aufzutragen, wenn der Vollzug des Gremiumsbeschlusses einen ganz erheblichen (Vermögens-)Schaden für die Gesellschaft – möglicherweise auch durch hohe Geldbußen oder Verfallsanordnungen (§ 73 Abs. 1 StGB) – zu verursachen droht und das kollidierende Verschwiegenheitsgebot entsprechend zurücktritt109. Unter den gleichen Voraussetzungen wird im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum eine Pflicht des überstimmten Aufsichtsratsmitglieds erwogen, durch Erhebung einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Aufsichtsratsbeschlusses gemäß § 256 ZPO dessen Durchführung zu unterbinden110. Droht der Gesellschaft aber im Einzelfall tatsächlich ein erheblicher Schaden, so wird die Einschaltung der zuständigen Behörden regelmäßig das effektivere Mittel zur Straftatverhinderung sein.

Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 116 / Rn. 58. Wie hier Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 163; kritisch auch Vetter, DB 2004, S. 2626. 106 Schünemann, Unterlassungsdelikte, S. 299; ders., Unternehmenskriminalität, S. 99. 107 Vgl. Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 197; Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 / Rn. 63; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 29. 108 Siehe dazu oben § 3, C., III., 5., b). 109 Ähnlich für ein überstimmtes Vorstandsmitglied Fleischer, BB 2004, S. 2650. 110 Fleischer, BB 2004, S. 2650; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 11 / Rn. 837; Vetter, DB 2004, S. 2626; für eine korrespondierende strafrechtliche Pflicht Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 162. 104 105

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§ 6 Die Verantwortlichkeit des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds

IV. Verletzung einer Initiativpflicht Sind die Aufsichtsratsmitglieder nach Maßgabe ihrer Garantenpflichten zu einem Einschreiten aufgefordert, so bildet die Initiative zu einer Willensbildung und Entscheidungsfindung des Organs den notwendigen Anfang auf dem Weg zur Ergreifung der gebotenen Maßnahme. Die Pflicht, bei Handlungsbedarf ein Tätigwerden des Aufsichtsrats zu veranlassen, ist mithin ebenfalls ein wichtiger (erster) Teil der strafrechtlich gebotenen Erfolgsabwendung111. Jedes Mitglied ist danach gehalten, eine Einberufung des Gremiums zu verlangen (§ 110 Abs. 1 Satz 1 AktG) oder selbst vorzunehmen (§ 110 Abs. 2 AktG) und eine Entscheidung über das weitere Vorgehen anzuregen112. Der Einwand, dass die Erfüllung dieser Pflicht allein keine Gewähr für einen rechtmäßigen Mehrheitsbeschluss und eine entsprechende Schadensverhinderung bietet, vermag die Geltungskraft des Initiierungsgebots nicht in Frage zu stellen113. Denn zur Legitimation einer Verhaltensnorm genügt gemeinhin bereits die Möglichkeit eines Nutzens dieser Norm, anderenfalls wäre dem Rechtsgut seine normative Garantie genommen114. Somit kann auch die individuelle Passivität eines Aufsichtsratsmitglieds Anknüpfungspunkt einer strafrechtlichen Unterlassungsverantwortlichkeit sein.

V. Pflichtverletzung des verhinderten Aufsichtsratsmitglieds Ein Aufsichtsratsmitglied, das an der Sitzung nicht teilgenommen und somit an der Kollegialentscheidung nicht mitgewirkt hat, ist allein aufgrund seiner Abwesenheit ebenfalls nicht von jeglicher Verantwortung befreit. Sollte es der Aufsichtsratssitzung sogar bewusst ferngeblieben sein, um zu den behandelten Fragen keine Stellung beziehen zu müssen, so gründet das strafbewehrte Verhaltensunrecht bereits in der nicht wahrgenommenen Möglichkeit, die Entscheidungsfindung im Organ positiv zu beeinflussen115. War ein Mitglied hingegen verhindert, ist es gleichwohl aufgefordert, den in seiner Abwesenheit gefassten Gremiumsbeschluss eigen111 Wie hier Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 255; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 163 f. 112 So auch BGHSt 37, 106 (126) „Lederspray“ zur Handlungspflicht eines Mitglieds der Geschäftsführung. 113 Dies gilt selbst dann, wenn im Vorfeld wenig oder keine Aussicht auf einen rechtmäßigen Mehrheitsentscheid besteht; siehe zu entsprechenden Begründung der Stimmpflicht oben I.; a. A. Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 164. 114 Vgl. Cramer / Sternberg-Lieben, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 15 / Rn. 176; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 541, 563; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 255; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 164. 115 Dahingehend auch Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 250; aus aktienrechtlicher Sicht Fleischer, BB 2004, S. 2650; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 58.

B. Strafrechtsrelevante Pflichtverletzung des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds

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ständig zu prüfen und – notfalls durch Einberufung einer erneuten Sitzung – die befassten Kollegen auf rechtliche Bedenken hinzuweisen116. Dringt das betreffende Aufsichtsratsmitglied mit seinen Einwänden auf diese Weise nicht durch, so treffen es im Anschluss jedenfalls die gleichen Pflichten wie das bei der Abstimmung überstimmte Gremiumsmitglied117.

VI. Pflichtverletzung im Tätigkeitsbereich eines Ausschusses Kommt es im Tätigkeitsbereich eines Ausschusses zu einer Rechtsgutsverletzung, so steht die Frage im Raum, wie sich Ausschussbildung und Aufgabendelegation auf die jeweilige Pflichtenstellung der Ausschuss- bzw. der übrigen Plenumsmitglieder auswirkt. War der eingesetzte Ausschuss nur vorbereitend tätig und wurde damit die Entscheidung letztlich durch Abstimmung im Gesamtorgan getroffen, so lässt die bloße Ausschussvorbereitung den strafrechtlichen Verhaltensmaßstab unverändert. Die Arbeitsteilung wird für die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit vielmehr nur bei überwachenden oder entscheidenden Ausschüssen virulent, die mit der teilweisen oder endgültigen Erledigung von Aufsichtsratsaufgaben an Stelle des Gesamtorgans betraut sind.

1. Pflichten der Ausschussmitglieder Für die unmittelbar zuständigen Ausschussmitglieder bestehen hinsichtlich der Vorbereitung und Herbeiführung von Beschlüssen sowie der Verhinderung von strafrechtswidrigen Kollegialentscheidungen im Grundsatz die gleichen strafbewehrten Verhaltenspflichten, wie sie für die Aufsichtsratsmitglieder im Gesamtorgan gelten118. Hat der Aufsichtsratsausschuss indessen eine strafrechtswidrige Entscheidung einmal getroffen, so sind die überstimmten Ausschussmitglieder zu weitergehenden Maßnahmen aufgerufen als nach einem Plenumsbeschluss. Denn dem dissentierenden Ausschussmitglied steht als zusätzliches gesellschaftsinternes Mittel noch die Möglichkeit offen, das Aufsichtsratsplenum einzuschalten und mit der Sache zu befassen. Hält das Ausschussmitglied daher eine Ausschussentscheidung für strafrechtswidrig, so ist es vor der Inanspruchnahme externer Hilfe nach den allgemeine Kautelen grundsätzlich gehalten, zunächst über den Aufsichtsratsvorsitzenden eine Plenumssitzung einzuberufen, um dort eine Revision der delegierten Ausschussentscheidung zu erreichen119. 116 Ähnlich für den Vorstand aus aktienrechtlicher Sicht Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 93 / Rn. 78. 117 Siehe dazu oben III., 2.; in diesem Sinne für das Aktienrecht Fleischer, BB 2004, S. 2651. 118 Ebenso aus aktienrechtlicher Sicht Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 11 / Rn. 839; Vetter, DB 2004, S. 2627.

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§ 6 Die Verantwortlichkeit des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds

2. Pflichten der Plenumsmitglieder Die Delegation bestimmter Funktionen an den Ausschuss hat naturgemäß zur Folge, dass die übrigen Plenumsmitglieder zur Erfüllung der betreffenden Aufgaben nicht (mehr) unmittelbar berufen sind, wenngleich ihnen die Teilnahme an den Sitzungen des Ausschusses weiterhin gestattet ist. Entsprechend trifft die Ausschussmitglieder in dem übertragenen Tätigkeitsbereich eine gegenüber dem Plenum gesteigerte Verantwortlichkeit für die Erfüllung der dem Gesamtorgan obliegenden Pflichten, einschließlich der strafrechtlichen Garantenpflichten 120. Diese Intensivierung der Pflichtenstellung der Ausschussmitglieder vermag jedoch die übrigen Plenumsmitglieder nicht von der Erfüllung ihrer eigenen Pflichten zu „entlasten“, wie dies im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum teilweise missverständlich formuliert wird121. Durch die Übertragung eigener Garantenpflichten auf die Ausschussmitglieder, wie dies insbesondere bei Einsetzung eines „überwachenden“ Ausschusses122 erfolgt, vermögen sich die übertragenden Plenumsmitglieder ihrer Pflichtenstellung nicht zu entledigen123. Die Plenumsmitglieder setzen mit der Ausschussbildung vielmehr nur ein Mittel ein, um ihrer eigenen Garantenverantwortung nachzukommen. Versagen die beauftragten Ausschussmitglieder bei der Wahrnehmung der ihnen überantworteten Funktion, bleibt demnach auch ein strafbewehrtes Unrecht der Plenumsmitglieder zu untersuchen. Die Pflicht zur Überwachung der Vorstandstätigkeit sowie die Schutzpflicht gegenüber der Gesellschaft wandeln sich für die Plenumsmitglieder im Umfang der Aufgabendelegation inhaltlich jeweils in eine Pflicht zu sachgerechter Organisation und Kontrolle des Aufsichtsratsausschusses124. Die Plenumsmitglieder sind danach kraft ihrer unveräußerlichen Straftatverhinderungspflicht weiterhin dafür zu sorgen verpflichtet, dass die Aufgabenverteilung im Aufsichtsrat zweckentsprechend organisiert ist und sie ihnen selbst jederzeit die Möglichkeit bietet, an der Überwachung des Vorstands teilzunehmen. Sie haben sich vor allem fortlaufend davon zu überzeugen, dass sie sich mit dem Ausschuss des richtigen und richtig organisierten Mittels zur Erfolgsabwendung bedienen125. Zu diesem Zweck hat 119 Vgl. Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 268; Siebel, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 6 / Rn. 129; Vetter, DB 2004, S. 2627. 120 Vgl. auf aktienrechtlicher Ebene Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 / Rn. 448; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 401. 121 Vgl. etwa Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 397. 122 Siehe oben A., III., 2. 123 Siehe zum Fortbestand einer Garantenpflicht des Übertragenden allgemein BGHSt 19, 288; BGH, NStZ 2002, S. 421 „Wuppertaler Schwebebahn“; Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 26. 124 Allgemein Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 26; wie hier aus aktienrechtlicher Sicht Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 107 / Rn. 449 f.; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 11 / Rn. 841; Semler, in: Münchener Komm. AktG, § 116 / Rn. 400. 125 Vgl. Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 107 / Rn. 449; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 9 / Rn. 628; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 107 / Rn. 161. Potthoff /

C. Kausalität der individuellen Pflichtwidrigkeit

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sich der Gesamtaufsichtsrat regelmäßig über die Arbeit der Ausschüsse berichten zu lassen126. Durch das TransPuG wurde in § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG ausdrücklich eine Pflicht des Ausschusses zur Berichterstattung festgeschrieben, die sicherstellt, dass in jeder Aufsichtsratssitzung in Form eines Ergebnisberichts über die geleistete Ausschussarbeit informiert wird127. Gleichwohl entbindet diese Informationspflicht des Ausschusses weder das einzelne Aufsichtsratsmitglied noch das Plenum von der Verantwortung, bei verbleibenden Zweifeln zusätzliche Auskünfte von den Ausschüssen einzufordern (sog. Anforderungsberichte, § 90 Abs. 3 AktG)128 und insbesondere die personelle wie auch die fachliche Angemessenheit der Ausschussbesetzung sowie Art und Umfang der delegierten Kompetenzen regelmäßig zu überprüfen129. Im Übrigen sind die Plenumsmitglieder nur bei konkreten Anzeichen der Unzulänglichkeit der Ausschusstätigkeit aufgefordert, weitere Kontrollmaßnahmen zu ergreifen und notfalls wieder den Gesamtaufsichtsrat mit der Pflichterfüllung zu befassen130. Eine fahrlässige Verletzung der Garantenpflicht liegt bei einer Rechtsgutverletzung im Tätigkeitsbereich des Ausschusses grundsätzlich auch dann vor, wenn die Plenumsmitglieder keine Kenntnis hatten, bei pflichtgemäßer Überwachung aber hätten informiert sein müssen.

C. Kausalität der individuellen Pflichtwidrigkeit Ist die strafbewehrte Pflichtverletzung bejaht, so bereitet die Feststellung der Kausalität zwischen dem individuellen Abstimmungsverhalten und der Rechtsgutsverletzung im Rahmen von Kollegialentscheidungen häufig Schwierigkeiten. Da das Stimmverhalten des Einzelnen erst im Wege der kollektiven Entscheidungsfindung zum tatbestandlichen Erfolg führt, besteht vorliegend die Besonderheit darin, dass zunächst eine Beziehung zwischen individuellem und kollektiven Verhalten hergestellt werden muss, bevor sodann nach den bewährten Grundsätzen die Kausalität des Kollektivverhaltens für die Rechtsgutsverletzung dargelegt werden kann. Als unproblematisch erweisen sich insoweit ausschließlich die strafrechtswidrigen Entscheidungen des Aufsichtsrats, bei denen nur eine Stimme den Ausschlag für die Mehrheit gab. In diesen Fällen ist auf der Grundlage der Äquivalenztheorie jede positiv abgegebene Stimme für den strafrechtswidrigen Beschluss ursächlich, Trescher / Theisen, Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1159; Siebel, in: Semler / v. Schenck, AR Hdb., § 6 / Rn. 121. 126 Vgl. OLG Hamburg, ZIP 1995, S. 1673 (1676); Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 107 / Rn. 449; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 11 / Rn. 841. 127 Vgl. Begr. RegE. TransPuG, BR-Drucks. 109 / 02, S. 36; Potthoff / Trescher / Theisen, Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1160. 128 Hüffer, Komm. AktG, § 90 / Rn. 11; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 107 / Rn. 128. 129 Vgl. Potthoff / Trescher / Theisen, Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1162. 130 Dahingehend allgemein auch Stree, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 13 / Rn. 26; aktienrechtlich Hopt / Roth, in: Großkomm. AktG, § 107 / Rn. 450; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 11 / Rn. 841.

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§ 6 Die Verantwortlichkeit des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds

da sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Beschluss und der durch die Mehrheitsumsetzung vermittelte deliktische Erfolg entfiele131. Die Kausalitätsbestimmung anhand der conditio-sine-qua-non-Formel stößt indessen bereits an ihre Grenzen, will man hier die Ursächlichkeit einer rechtswidrigen Stimmenthaltung begründen. An dem Mehrheitsverhältnis von beispielsweise 4:3 Stimmen ändert nämlich auch die gedankliche Eliminierung der Enthaltung des achten Aufsichtsratsmitgliedes nichts132. Noch deutlicher treten die Mängel der Äquivalenztheorie zu Tage, sobald die Gremiumsentscheidung mit einer deutlichen Mehrheit – etwa mit 6:2 Stimmen – getroffen wurde. Hier offenbart sich das Problem des überbedingten oder überbestimmten Erfolges133: Jedes rechtswidrig stimmende oder sich enthaltende Aufsichtsratsmitglied könnte einwenden, dass die strafrechtswidrige Entscheidung auch ohne seine Stimme oder Enthaltung zustandegekommen wäre, mit der Konsequenz, dass die tatbestandsmäßigen Schadensfolgen letztlich keinem der Beteiligten zugerechnet werden könnten. Dass dieses absurde Ergebnis „dem Rechtsgefühl eklatant widerspricht“134, darüber herrscht heute weitestgehend Einigkeit135. Entsprechend hat der Bundesgerichtshof zur Kausalitätsfrage bei Aufsichtsratsentscheidungen bereits ausdrücklich festgestellt, dass jedes Aufsichtsratsmitglied strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen sei, das für einen strafrechtswidrigen Beschluss gestimmt habe136, wenngleich er eine näheren Begründung dieser Erkenntnis schuldig geblieben ist. Eine Lösung der Kausalitätsproblematik durch einen pragmatischen Verweis auf das „Wesen der Kollektiventscheidung“137 oder durch eine „Zurechnung kraft Kollektiventscheidung“138, wie sie bisweilen im Schrifttum vorgetragen wird, findet im geltenden Strafrechtssystem jedenfalls keine Grundlage und kann nicht einfach contra legem neu implementiert werden139. Vordringliche Aufgabe muss es deshalb sein, die Verantwortung der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder in die überkommene Kausalitätsdogmatik strafrechtstheoretisch einzubetten.

131 Vgl. u. a. Th. Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 148; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 149; Röckrath, NStZ 2003, S. 646; Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 20, 23, 96; Weißer, Kollegialentscheidungen, S. 171. 132 Ebenfalls kritisch hierzu Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 216. 133 Vgl. Jakobs, in: FS Miyazawa 1995, S. 419 ff.; Kraatz, Die fahrlässige Mittäterschaft, S. 320 ff. 134 Hilgendorf, NStZ 1994, S. 562; ähnlich BGHSt 37, 106 (132) „Lederspray“. 135 Eine Straflosigkeit der Mitstimmenden mangels Kausalität vertreten nur LG Berlin, Urteil vom 8. 10. 2003 – 101 O 80 / 02, ZIP 2004, S. 73 (76); Nettesheim, BayVBl 1989, S. 165. 136 So zu § 81a GmbHG a. F. BGHSt 9, 203 (215 f.). 137 Vgl. OLG Stuttgart, JR 1981, S. 339 (341); Eidam, Unternehmen und Strafe, S. 174. 138 So Nappert, Die strafrechtliche Haftung, S. 48 ff., 53 f. 139 Siehe die eingehende Kritik von Knauer, Die Kollegialentscheidung, S. 126 ff.; ablehnend auch Th. Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 152.

C. Kausalität der individuellen Pflichtwidrigkeit

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I. Kausalität kraft Mittäterschaft Mit der Figur der Mittäterschaft in § 25 Abs. 2 StGB eröffnet das Gesetz zunächst einen Weg, den einzelnen Mitgliedern eine Berufung auf die fehlende Individualkausalität ihres strafrechtswidrigen Stimmverhaltens gänzlich abzuschneiden, da eine Mittäterschaft den dezidierten Nachweis der tatsächlichen Auswirkung des Einzelvotums entbehrlich macht. Im Rahmen des § 25 Abs. 2 StGB ist eine Kausalität des einzelnen Mittäters für den Erfolg nicht unbedingt erforderlich140. Sofern das zurechenbare gemeinsame Verhalten den tatbestandlichen Erfolg verursacht hat, genügt es vielmehr, dass es auf den Beitrag jedes einzelnen Mittäters bei einer Beurteilung ex-ante hätte ankommen können141. In diesem Sinne hat der Bundesgerichtshof in seiner „Lederspray-Entscheidung“ innerhalb eines Geschäftsleitungsgremiums – jedenfalls soweit ein vorsätzliches Unterlassen des Organs in Frage stand142 – jedem rechtswidrig stimmenden Geschäftsführer das gleichgerichtete Abstimmungsverhalten seiner Kollegen nach den Grundsätzen der Mittäterschaft zugerechnet143. Das Vorliegen einer Mittäterschaft macht der 2. Strafsenat insbesondere daran fest, dass den Gremiumsmitgliedern jeweils eine Garantenpflicht oblag, die sie nur gemeinsam erfüllen konnten144. Wenngleich auch die Mitglieder des Aufsichtsrats ihre Garanten- und Vermögensfürsorgepflichten in aller Regel nur durch gemeinsame Maßnahmen des Gesamtorgans gegenüber dem Vorstand wahrnehmen können, vermag dies ihre Mittäterschaft allein nicht zu indizieren. Eine Subsumtion unter die hergebrachten Grundsätze setzt für eine Mittäterschaft vielmehr voraus, dass jedes Aufsichtsratsmitglied auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatplanes einen aus ex ante-Sicht wesentlichen Tatbeitrag geleistet hat145. Jedenfalls diese letztgenannte funktionelle Tatherrschaft bei der Begehung der Gesamttat lässt sich im Rahmen von Kollektiventscheidungen jedem Abstimmenden ohne weiteres zuschreiben, da es ex ante ge140 A. A. insbesondere Puppe, JR 1992, S. 32 ff., mit dem Vorwurf des Zirkelschlusses; dies., in: NK-StGB, Vor § 13 / Rn. 109; näher zum Streitstand Knauer, Die Kollegialentscheidung, S. 130 ff., 167 f. 141 Grundlegend zu dieser „funktionellen“ Tatherrschaft des Mittäters Roxin, AT II, § 25 / Rn. 211 ff. u. 241; ders., AT I, § 11 / Rn. 19; ders., in: LK-StGB, § 25 / Rn. 154; ebenso Beulke / Bachmann, JuS 1992, S. 743; Hilgendorf, NStZ 1994, S. 562 f.; Kamm, Die fahrlässige Mittäterschaft, S. 68 f.; Kuhlen, NStZ 1990, S. 569 f.; Schünemann, in: FG BGH IV 2000, S. 633. Eine fundierte Herleitung aus Wortlaut und Funktion des § 25 Abs. 2 StGB findet sich zuletzt bei Knauer, Die Kollegialentscheidung, S. 142 ff. 142 Eine ähnliche Argumentation für vorsätzliche Begehungsdelikte wäre jedenfalls mit Blick auf die Entsprechensklausel des § 13 StGB nur konsequent. 143 BGHSt 37, 106 (129). 144 BGHSt 37, 106 (129); siehe dazu allgemein auch Roxin, AT II, § 31 / Rn. 172 f. 145 Roxin, AT II, § 25 / Rn. 188 ff.; zur „normativen Kombinationstheorie“ der Rechtsprechung, die den subjektiv erforderlichen Täterwillen im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung auch anhand des Umfanges der objektiven Tatbeteiligung und Tatherrschaft festmacht, vgl. u. a. BGH, StV 1981, 275 f.; BGHSt 6, 248; 34, 125.

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sehen grundsätzlich auf jede Stimme zum Erreichen der Mehrheit hätte ankommen können146. Schwieriger gestaltet sich dagegen die Beantwortung der Frage, worin sich bei der Gremienentscheidung der gemeinsame deliktische Tatplan manifestiert147. Während sich die Votierenden bei einer offenen Abstimmung im Wege einer verbalisierten Planung und Diskussion über ihr gemeinsames Vorgehen absprechen können, so dass im Verlauf des Abstimmungsvorgangs bei wechselseitiger Zustimmung der Beteiligten zumindest eine sukzessive Mittäterschaft148 möglich ist, erweisen sich die Fälle einer geheimen Abstimmung149, in denen eine gesonderte Verständigung der Mitglieder nicht stattfindet, als problematisch. Selbst bei einer offenen gleichzeitigen Abstimmung ließe sich einwenden, dass sich jedenfalls die Beschlussfassung nicht als ein Zusammenwirken in subjektiver Übereinstimmung darstelle, da für jeden strafrechtswidrig Votierenden erst nach der Abstimmung erkennbar werde, welche Kollegen in Übereinstimmung mit ihm gestimmt hätten150. Auf das Erfordernis des gemeinsamen Tatentschlusses kann aber nicht gänzlich verzichtet werden151, da es gegen den Wortlaut des § 25 Abs. 2 StGB und somit gegen das Analogieverbot verstieße, wenn man ein zufälliges oder nur einseitig getragenes Zusammenwirken als „gemeinschaftliches Begehen“ im Sinne einer vorsätzlichen Mittäterschaft einstufen würde152. Die Mittäter müssen sich der gemeinschaftlichen Tatausführung jeweils bewusst sein. Nur diese Form einer bewussten Solidarisierung konstituiert die erhöhte Gefährlichkeit der vorsätzlichen Mittäterschaft, die den Verzicht auf den Nachweis der Individualkausalität rechtfertigt153. Hierfür bedarf es nicht unbedingt einer verbalen Kommunikation. Vielmehr genügt auch eine stillschweigende Übereinkunft der Beteiligten154, wie sie sich letztlich auch in der konkreten Entscheidungssituation im Aufsichtsratsgremium widerspiegelt155. So weiß jedes Mitglied, dass bei Erreichen der erforderli146 Wie hier Knauer, Die Kollegialentscheidung, S. 144 f.; Roxin, AT I, § 11 / Rn. 19; a. A. Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 153 f., der allerdings die Anforderungen an die Tatherrschaft der Aufsichtsratsmitglieder überdehnt. 147 Weißer, Kollegialentscheidungen, S. 90, 170, hält diese Frage hingegen für „unproblematisch“. 148 Siehe allgemein Roxin, in: LK-StGB, § 25 / Rn. 192; in der Konstellation einer Kollegialentscheidung auch Knauer, Die Kollegialentscheidung, S. 162; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 214. 149 Zur Zulässigkeit im Aufsichtsrat vgl. Hüffer, Komm. AktG, § 108 / Rn. 5 f.; Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten, § 6 / Rn. 243. 150 Vgl. Knauer, Die Kollegialentscheidung, S. 159. 151 So aber u. a. Jakobs, AT, 21 / 43; Lesch, ZStW 105 (1993), S. 281 ff.; ders., JA 2000, S. 73 ff. 152 Eingehend dazu Knauer, Die Kollegialentscheidung, S. 147 ff., 160; Küpper, ZStW 105 (1993), S. 301 f.; Roxin, Täterschaft, S. 686. 153 Vgl. Kamm, Die fahrlässige Mittäterschaft, S. 37 f.; Knauer, Die Kollegialentscheidung, S. 156 f. 154 Treffend Knauer, Die Kollegialentscheidung, S. 161. 155 So im Ergebnis nun auch BGH, ZIP 2006, S. 72 (78) „Mannesmann“.

C. Kausalität der individuellen Pflichtwidrigkeit

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chen Stimmzahl der (deliktische) Mehrheitswille Verbindlichkeit besitzt und gegebenenfalls umgesetzt wird156. Maßgebliche Grundlage ihres gemeinsamen Tatplanes ist somit das bei der Abstimmung herrschende, wechselseitige Bewusstsein der votierenden Aufsichtsratsmitglieder, im Falle einer ausreichenden Stimmenmehrheit eine strafrechtswidrige Entscheidung zu fällen und die dadurch vermittelten Folgen mit zu tragen157. Dieser Begründung steht weder im Wege, dass der gemeinsame Tatplan und der einzelne objektive Tatbeitrag im Abstimmungsvorgang zeitlich zusammenfallen158, noch spielt es eine Rolle, dass erst durch das Abstimmungsergebnis erkennbar wird, wer infolge seines Tatbeitrags tatsächlich Mittäter ist und wer nicht159. Für die Annahme einer Mittäterschaft der sich enthaltenden oder rechtswidrig votierenden Aufsichtsratsmitglieder macht es ferner keinen Unterschied, ob die Beschlussfassung des Gremiums positiv auf die Herbeiführung eines strafrechtswidrigen Erfolges gerichtet ist oder die Entscheidung beinhaltet, einen drohenden Erfolg nicht abzuwenden, und damit Gegenstand eines Unterlassungsvorwurfes ist160. Weil es im Fahrlässigkeitsbereich kein „Wissen“ und „Wollen“ der Tatbestandsverwirklichung gibt, kann es auch keine deliktische Übereinkunft der Tatbeteiligten und damit jedenfalls keinen gemeinsamen Tatplan als subjektive Grundlage einer Mittäterschaft geben161. Gleichwohl finden sich in der jüngeren Literatur immer mehr Stimmen, die mit freilich divergierender Begründung auch die Möglichkeit der hier Abhilfe versprechenden fahrlässigen Mittäterschaft befürworten, wenn sich eine durch mehrere gemeinschaftlich geschaffene unerlaubte Gefahr im Vgl. Hoyer, in: SK-StGB, § 25 / Rn. 129; Knauer, Die Kollegialentscheidung, S. 161. In diesem Sinne allgemein Th. Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 170; Hoyer, in: SK-StGB, § 25 / Rn. 129; Knauer, Die Kollegialentscheidung, S. 161 f.; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 214.; Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 192 ff., 228; eine Mittäterschaft bei Gremienentscheidungen allgemein ablehnend dagegen Nettesheim, BayVBl 1989, S. 165; Weber, BayVBl 1989, S. 169. 158 Bedenken wegen des fehlenden zeitlichen Vorangehens des Tatplanes (jedenfalls bei nicht ausführungsbedürftigen Beschlüssen) äußern Beulke / Bachmann, JuS 1992, S. 743, Fn. 81; dagegen überzeugend Cramer / Heine, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, § 25 / Rn. 76b; Knauer, Die Kollegialentscheidung, S. 161; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 214. 159 Kritisch dazu Scholl, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 219 f.; trefflich erwidernd Knauer, Die Kollegialentscheidung, S. 162. 160 Beschließt das Gremium, nichts zu tun, so liegt trotz der körperlich aktiven Stimmabgabe der Mitglieder bei wertender Betrachtung nach dem Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit gleichwohl ein strafbares Unterlassen vor, treffend Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 158; vgl. auch Th. Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 158; Knauer, Die Kollegialentscheidung, S. 201 ff.; Roxin, AT II, § 31 / Rn. 65 ff. Eine Mittäterschaft bei Unterlassungsdelikten generell ablehnend dagegen Ar. Kaufmann, Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte, S. 189 f. 161 Vgl. Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 22 / Rn. 74; Cramer / Heine, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, Vor § 25 ff. / Rn. 112; Kühl, Komm. StGB, § 25 / Rn. 13; Roxin, AT II, § 25 / Rn. 239. 156 157

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§ 6 Die Verantwortlichkeit des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds

Erfolg realisiert hat162. Da die Figur der fahrlässigen Mittäterschaft aber insbesondere in der Rechtsprechung163 bisher noch keine Anerkennung gefunden hat und, selbst wenn man ihre Möglichkeit bejaht, ihre Voraussetzungen oft nicht vorliegen werden – wenn zum Beispiel das Unterlassen nicht auf einen Beschluss im Kollegium zurückgeht, sondern auf der völligen Untätigkeit und Nachlässigkeit jedes einzelnen beruht164 –, bedarf die Frage der individuellen Kausalität und Zurechnung im Folgenden dennoch einer Entscheidung.

II. Modifizierte Äquivalenztheorie Angesichts der unbefriedigenden Ergebnisse der Äquivalenztheorie beim Zusammenwirken mehrerer Personen erfährt die conditio-sine-qua-non-Formel in der Strafrechtswissenschaft verschiedene Modifikationen, die sich auch für das Problem der überbedingten Kausalität bei Kollegialentscheidungen fruchtbar machen lassen. 1. Lehre vom Erfolg in seiner konkreten Gestalt Eine nur auf den ersten Blick brauchbare Problemlösung bietet eine Variante der Äquivalenztheorie, die den Kausalzusammenhang auf Bedingungen begrenzt, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele165. Danach ließe sich in der Tat darauf abstellen, dass jede pflichtwidrige Stimme „für den konkret eingetretenen Erfolg, den mit dieser Mehrheit gefassten Beschluss, ursächlich“ sei, da beim Wegdenken bereits einer Stimme die deliktische Mehrheit eine andere wäre166. Diese „Lehre vom Erfolg in seiner konkreten Gestalt“ setzt sich indessen darüber hinweg, dass für die Rechtsgutsverletzung nicht das spezifische Stimmenverhältnis, sondern nur das Zustandekommen einer erforderlichen Mehrheit ausschlaggebend ist167. Solange keine verlässlichen 162 Vgl. etwa Th. Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 177 ff.; Kamm, Die fahrlässige Mittäterschaft, S. 188 ff., 202 ff.; Knauer, Die Kollegialentscheidung, S. 181 ff.; Lesch, JA 2000, S. 78; Otto, AT, § 21 / Rn. 114 ff.; Ransiek, ZGR 1999, S. 644 ff.; Roxin, AT II, § 25 / Rn. 242; van Weezel, Beteiligung, S. 275 ff.; Weißer, JZ 1998, S. 230 ff.; dies., Kollegialentscheidungen, S. 143 ff. 163 Eine explizite Ablehnung erfolgt durch BGH, VRS 18, S. 416 ff.; OLG Karlsruhe, MDR 1986, S. 431 ff.; häufig wird die fahrlässige Mittäterschaft in Fällen, in denen sie in der Literatur diskutiert wird, einfach nicht zur Entscheidung herangezogen; vgl. BGHSt 7, S. 112 ff.; BGHSt 37, 106 ff. „Lederspray“. 164 BGHSt 48, 77 (95) „Politbüro“; Roxin, AT II, § 31 / Rn. 66. 165 Vgl. dazu Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 14 / Rn. 10 ff.; Rodríguez Montañés, in: FS Roxin 2001, S. 312. 166 So Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 14 / Rn. 37; Schumann, StV 1994, S. 110; Weber, BayVBl 1989, S. 169. 167 Vgl. Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 151.

C. Kausalität der individuellen Pflichtwidrigkeit

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Abgrenzungskriterien bestehen, was ein die konkrete Gestalt konstituierender Aspekt und was nur ein unbeachtlicher Begleitumstand ist, bleibt der Beliebigkeit bei der Konkretisierung des Erfolges Tür und Tor geöffnet168. Die Individualkausalität der Aufsichtsratsmitglieder lässt sich daher mit dieser Lehre auf keine gesicherte Argumentationsgrundlage stellen.

2. Kombination von kumulativer und alternativer Kausalität Eine weiterführende Präzisierung erhält die Äquivalenztheorie durch die Grundsätze der sog. kumulativen und der sog. alternativen Kausalität. Nach Maßgabe der kumulativen Kausalität ist von mehreren Ursachen, die erst durch ihr Zusammenwirken den Erfolg herbeiführen konnten, jede für den Erfolg kausal169. Im Rahmen der alternativen Kausalität – auch Doppelkausalität oder Mehrfachkausalität genannt – ist dahingegen von mehreren Bedingungen, von denen auch jede für sich alleine den Erfolg hätte herbeiführen können, jede erfolgsursächlich, wenn sie zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der eingetretene Erfolg entfiele170. Entgegen verschiedener Stimmen in der Literatur lässt sich der Kausalnachweis bei Kollegialentscheidungen alleine weder mit der Formel der kumulativen Kausalität171 noch mit der Formel der alternativen Kausalität172 führen. Die Schwäche einer Lösung über die kumulative Kausalität besteht darin, dass bei einer deutlichen Mehrheitsentscheidung von beispielsweise 6:2 Stimmen die Entscheidung nur durch das Zusammenwirken der ersten fünf, für die Mehrheit erforderlichen Stimmen bestimmt wird, während die weitere (sechste) Stimme für den Erfolgseintritt überflüssig ist. Insofern könnte jedes einzelne Mitglied geltend machen, gerade sein Votum sei das überschüssige, nicht von der kumulativen Kausalität erfasste173. Die Schwierigkeit einer Lösung nach dem Maßstab der alternativen Kausalität erweist sich hingegen darin, dass die einzelnen Stimmen nur zusammen und 168 Pointiert liese sich so nämlich auch die Farbe des Zimmers, in dem die Abstimmung erfolgte, zu einem erfolgsrelevanten Aspekt erheben, mit der Folge, dass auch der Maler eine kausale Ursache gesetzt hätte, da bei Elimination seines Anstrichs der deliktische Beschluss in anderer Umgebung erfolgt wäre; siehe die berechtigte Kritik von Hilgendorf, NStZ 1994, S. 566; Kraatz, Die fahrlässige Mittäterschaft, S. 323 ff.; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 151. 169 Vgl. BGHSt 37, 106 (130 f.) „Lederspray“; Kühl, AT, § 4 / Rn. 21; Lenckner / Eisele, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, Vor § 13 ff. / Rn. 83; Wessels / Beulke, AT, Rn. 158. 170 Vgl. BGHSt 39, 195 (198); Kühl, AT, § 4 / Rn. 19; Lenckner / Eisele, in: Schönke / Schröder, Komm. StGB, Vor § 13 ff. / Rn. 82; Otto, AT, § 6 / Rn. 19; Wessels / Beulke, AT, Rn. 158. 171 So u. a. Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 14 / Rn. 37; Roxin, AT I, § 11 / Rn. 19. 172 Vgl. Kühl, AT, § 4 / Rn. 20b; ders., Komm. StGB, Vor § 13 / Rn. 11 m. w. N. 173 Vgl. Kraatz, Die fahrlässige Mittäterschaft, S. 328 f.; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 223.

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§ 6 Die Verantwortlichkeit des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds

nicht jeweils für sich alleine zu einer Beschlussfassung führen und damit erfolgswirksam werden können174. Kombiniert man indessen die beiden Ansätze, so lässt sich die Individualkausalität jeder einzelnen Stimme darstellen175: Bei einer 6:2 Stimmenmehrheit etwa können verschiedene Beschlussmehrheiten von jeweils fünf (notwendigen) Stimmen gebildet werden, die jede für sich erfolgswirksam gewesen wäre und die zwar alternativ, nicht aber mit den anderen möglichen Fünf-Stimmen-Mehrheiten kumulativ hinweggedacht werden können, ohne das der durch die Kollektiventscheidung vermittelte Erfolg gänzlich entfiele. Jede der Fünf-Stimmen-Mehrheiten ist daher kausal (alternative Kausalität). Bestandteil dieser Mehrheiten sind die einzelnen pflichtwidrigen Stimmen176, die zwar nicht alleine, wohl aber kumulativ mit den anderen erfolgsursächlich werden, so dass jede Einzelstimme der Beschlussmehrheiten gedanklich nicht eliminiert werden kann, ohne dass die Beschlussmehrheit als Erfolgsursache entfiele. Folgerichtig ist auch jede einzelne Stimme für den Beschluss und dessen Folgen kausal (kumulative Kausalität).

III. Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung Die auf Engisch177 zurückgehende Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung muss durch den generellen Verzicht auf hypothetische Erwägungen keine modifizierenden Anwendungsregeln formulieren, um auch bei überdeterminierten Erfolgen der vorliegenden Art einen kausalen Schadensverlauf darzutun. Nach ihrer bündigsten Fassung ist ein Verhalten dann Ursache eines Erfolges, wenn der konkrete Erfolg mit dem Verhalten durch eine Reihe von Veränderungen gesetzmäßig verbunden ist178. Unter dieser sehr weiten Prämisse lässt sich im Rahmen von Kollegialentscheidungen für jede Ja-Stimme eine gesetzmäßige Beziehung zur deliktischen Beschlussmehrheit feststellen179, freilich ohne eine plausible Erklärung für die Erfolgsursächlichkeit der überschießenden Stimmen180. 174 Th. Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 153 f.; Knauer, Die Kollegialentscheidung, S. 95; Kraatz, Die fahrlässige Mittäterschaft, S. 329; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 223; Weißer, Kollegialentscheidungen, S. 112. 175 Wie hier Th. Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 154; Fleischer, BB 2004, S. 2647; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 225; Röckrath, NStZ 2003, S. 644; Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 32 f.; kritisch Kraatz, Die fahrlässige Mittäterschaft, S. 329 f. 176 Im Falle einer Abstimmung mit 5:2 Stimmen bei einer (pflichtwidrigen) Enthaltung können entsprechend Beschlussmehrheiten von jeweils 4 Stimmen gebildet werden, die jede für sich im Zusammenwirken mit der Stimmenhaltung – ohne Enthaltung wäre eine Mehrheit von 5 Stimmen erforderlich – erfolgswirksam gewesen wären. 177 Engisch, Kausalität, S. 21, 25 f. 178 Vgl. Jescheck, in: LK-StGB, Vor § 13 / Rn. 56; Kühl, AT, § 4 / Rn. 22; Roxin, AT I, § 11 / Rn. 15; Rudolphi, in: SK-StGB, Vor § 1 / Rn. 41.

D. Pflichtwidrigkeitszusammenhang

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IV. Lehre von der Inus-Bedingung Diese Schwäche der Formel von der gesetzmäßigen Bedingung veranlasst insbesondere Puppe181, zur Lösung der Kausalitätsfrage die Theorie von der sog. „Inus-Bedingung“182 zu bemühen. Nach ihrem Verständnis, mit dem inzwischen zahlreiche Autoren sympathisieren183, ist ein Verhalten dann kausal, „wenn es ein notwendiger Bestandteil einer von möglicherweise mehreren erfüllten nach allgemeinen Regeln hinreichenden Erfolgsbedingung ist“. Mit Blick auf die konkrete Situation der Kollegialentscheidung ergibt sich danach, dass jede strafrechtswidrige Stimmabgabe kausal für den Erfolg ist, weil sie – zusammen mit den anderen (alternativ) zur Bildung einer Mehrheit notwendigen Stimmen – einen notwendigen Bestandteil der hinreichenden Erfolgsbedingung „Abstimmungsmehrheit für das Unrecht“ darstellt184. Dieses Begründungsmuster kommt der bereits entwickelten Kombination von kumulativer und alternativer Kausalität185 sehr nahe.

D. Pflichtwidrigkeitszusammenhang Soweit – im Fahrlässigkeitsbereich sowie in Fällen völliger Untätigkeit – keine Mittäterschaft der Aufsichtsratsmitglieder besteht, wird im Rahmen der Erfolgszurechnung der Stimmabgabe bzw. der Untätigkeit jedes Einzelnen die bereits angesprochene186 Schutzbehauptung des pflichtgemäßen Alternativverhaltens erneut virulent. Denn die Rechtsgutsverletzung ist nur dann das „Werk“ des Täters, wenn sich im tatbestandsmäßigen Erfolg gerade die vom Täter gesetzte, rechtlich missbilligte Gefahr verwirklicht hat187. Danach ist dem Täter der Deliktserfolg 179 Freund, in: MK-StGB, Vor § 13 ff. / Rn. 319; Hilgendorf, NStZ 1994, S. 565 f.; Kühl, AT, § 4 / Rn. 27a; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 156 f.; Schünemann, in: FG BGH IV 2000, S. 633; Weißer, Kollegialentscheidungen, S. 113 ff. 180 Siehe die berechtigte Kritik von Th. Alexander, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 154 f.; Knauer, Die Kollegialentscheidung, S. 120; Kraatz, Die fahrlässige Mittäterschaft, S. 331 ff.; Puppe, in: NK-StGB, Vor § 13 / Rn. 103. 181 Puppe, in: NK-StGB, Vor § 13 / Rn. 102 ff.; Dies., JR 1992, S. 32 ff. 182 Der Begriff der „Inus-Bedingung“ stammt von Mackie, The Cement of the Universe, S. 62 ff.; alternativ wird auch von einem sog. NESS-Test (Akronym für „Necessary Element of a Sufficient Set“) gesprochen; vgl. Röckrath, NStZ 2003, S. 642 f. 183 So u. a. Kraatz, Die fahrlässige Mittäterschaft, S. 334 ff.; Kuhlen, JZ 1994, S. 1146; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 224 f.; Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 157; Rodríguez Montañés, in: FS Roxin 2001, S. 313, 317; Roxin, AT I, § 11 / Rn. 19. 184 Kraatz, Die fahrlässige Mittäterschaft, S. 340; Puppe, in: NK-StGB, Vor § 13 / Rn. 107; Dies., GA 2004, S. 138 f.; Rodríguez Montañés, in: FS Roxin 2001, S. 314; kritisch Knauer, Die Kollegialentscheidung, S. 121, 197. 185 Siehe oben II., 2. 186 Siehe oben B., I. 187 Vgl. jeweils m. w. N. Kühl, AT, § 4 / Rn. 43; Roxin, AT I, § 11 / Rn. 44 ff.; Wessels / Beulke, AT, Rn. 176 ff.

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§ 6 Die Verantwortlichkeit des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds

nicht zuzurechnen, sofern dieser auch bei einem normgemäßen Verhalten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit188 eingetreten wäre189. Bei einer Anwendung dieser Formel auf die hier in Rede stehenden Fälle ließe sich auf den ersten Blick an der objektiven Zurechenbarkeit des Erfolges zweifeln: So könnte das rechtswidrig votierende bzw. passiv gebliebene Aufsichtsratsmitglied jeweils einwenden, es wäre bei pflichtgemäßer Stimmabgabe überstimmt worden bzw. bei Ergreifen der gebotenen Initiative an der passiven Mehrheit gescheitert. Wenn die zur Schadensabwendung erforderliche Maßnahme aber nur durch das Zusammenwirken mehrerer Beteiligter hätte zustande kommen können, ist es für die normative Beurteilung der Zurechnung bzw. Quasi-Kausalität nicht ausschlaggebend, welche Wirkung das individuelle Alternativverhalten gehabt hätte. In diesen Fällen kommt es vielmehr auf das gemeinsame Verhalten der parallel Verpflichteten an190. Der Einzelne ist für den Schaden insoweit verantwortlich, als er ihn durch sein pflichtgemäßes Verhalten hätte verhindern können, vorausgesetzt die anderen verhalten sich pflichtgemäß191. Denn die nebeneinander bestehenden Handlungspflichten behalten ihren Sinn zur Gewährleistung eines umfassenden Rechtsgüterschutzes jeweils nur, solange man von einem pflichtgemäßen Verhalten der parallel Verpflichteten ausgeht192. Ist den Aufsichtsratsmitgliedern unter dieser Prämisse deshalb der Verweis auf ein gleichartiges pflichtwidriges Verhalten der Kollegen verwehrt, so lässt sich der erforderliche Pflichtwidrigkeitszusammenhang für jedes pflichtwidrig votierende bzw. untätig gebliebene Aufsichtsratsmitglied darlegen193.

E. Form der Tatbeteiligung bei Ausführungsbedürftigkeit der Kollegialentscheidung Sofern die Entscheidung des Aufsichtsratgremiums eine Delinquenz durch positives Tun impliziert, bedarf es zur Verwirklichung des Straftatbestandes regelmäßig einer weiteren Umsetzung des Beschlussergebnisses. Klassisches Beispiel hierfür sind die Vergütungsentscheidungen des Aufsichtsrats im Rahmen seiner Personalkompetenz, die eine verbindliche Außenwirkung erst durch den anschließenden 188 Die Risikoerhöhungslehre, nach der es bereits ausreicht, dass der Täter das Risiko des Erfolgseintritts gegenüber dem erlaubten Risiko erhöht hat, hat mit einer Zurechnung vorliegend keine Probleme, da jede positive Stimme das Risiko des Zustandekommens einer deliktischen Mehrheit erhöht; vgl. Kraatz, Die fahrlässige Mittäterschaft, S. 345. Dieser Ansatz ist jedoch aus den bereits erwähnten Gründen abzulehnen, siehe dazu oben § 3, C., III., 5., a). 189 Kühl, AT, § 4 / Rn. 58 f.; Roxin, AT I, § 11 / Rn. 88 ff.; Wessels / Beulke, AT, Rn. 197. 190 BGHSt 48, 77 (94) „Politbüro“; Kraatz, Die fahrlässige Mittäterschaft, S. 347 f.; Röckrath, NStZ 2003, S. 645 f. 191 Röckrath, NStZ 2003, S. 645. 192 BGHSt 48, 77 (95) „Politbüro“; Kraatz, Die fahrlässige Mittäterschaft, S. 347 f.; Röckrath, NStZ 2003, S. 645 f.; Sofos, Mehrfachkausalität, S. 263. 193 Vgl. dazu auch Jakobs, in: FS Miyazawa 1995, S. 421 ff.

E. Form der Tatbeteiligung bei Ausführungsbedürftigkeit der Kollegialentscheidung 391

Vertragsabschluss mit dem Vorstandsmitglied erlangen. Hier bewirkt erst der Anstellungsvertrag die untreueerhebliche Vermögensschädigung bzw. schadensgleiche Vermögensgefährdung, weshalb die vorhergehende Abstimmung im Kollegium über das Stadium einer typischen Vorbereitungshandlung nicht hinausgeht194. Ist ein Aufsichtsratsmitglied unabhängig von der Rechtmäßigkeit seiner Stimmabgabe jedenfalls an der Ausführung des Beschlusses, etwa der Unterzeichnung des Vertrages mit dem Vorstandsmitglied, beteiligt, so bestehen an seiner (unmittelbaren) Täterschaft keine Zweifel. Da die Umsetzung der Beschlüsse jedoch häufig nur dem Aufsichtsratsvorsitzenden oder einem einfachen Mitglied überantwortet wird195, erschöpft sich das deliktische Verhalten der übrigen Mitglieder nicht selten in der bloßen Beteiligung an der Kollegialentscheidung. Diesen Aufsichtsratsmitgliedern muss deshalb die tatbestandliche Ausführungshandlung täterschaftlich zugerechnet werden können, will man sie nicht nur als Anstifter oder Gehilfen des Tatnächsten bestrafen. Da die Beschlussumsetzung jedenfalls bei einer organinternen Delegation weiterhin Ausdruck des horizontal koordinierten Verhaltens der Gremiumsmitglieder ist, liegt auch in dieser Konstellation eine (sukzessive196) Mittäterschaft zwischen den Abstimmenden und dem oder den Beschlussausführenden nahe197. Als problematisch erweist sich insoweit einzig die Frage, ob das rechtswidrige Votum des Gremiumsmitgliedes als bloße Vorbereitungshandlung den Anforderungen an einen objektiven Tatbeitrag im Rahmen der Mittäterschaft genügt, da ein Teil des Schrifttums eine wesentliche Mitwirkung des Mittäters im Ausführungsstadium verlangt198. Bei wertender Betrachtung muss aber eine Tatvorbereitung wie die kollektive Beschlussfassung, welche die Ausführung durch das beauftragte Aufsichtsratsmitglied inhaltlich bindet199 und die damit von so erheblicher Bedeutung für die Tat ist, dass sie in ihr weiterwirkt, einem Tatbeitrag im Ausführungsstadium gleichgestellt werden200. Deshalb sind auch die nicht an der Umsetzung beteiligten Aufsichtsratsmitglieder als Mittäter für den Deliktserfolg strafrechtlich verantwortlich. 194 So auch die herrschende rechtliche Bewertung der Beschlussfassung in Kollegialentscheidungsfällen, vgl. Jakobs, in: FS Miyazawa 1995, S. 419; Kraatz, Die fahrlässige Mittäterschaft, S. 301; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 239; Rodríguez Montañés, in: FS Roxin 2001, S. 314 ff. 195 Vgl. Hefermehl / Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 84 / Rn. 50. 196 Eine sukzessive Mittäterschaft kommt in Betracht, sofern der Ausführende bei der Abstimmung zunächst rechtmäßig gestimmt hat und erst durch die Ausführungshandlung als Mittäter hinzutritt; vgl. allgemein zu dieser Rechtsfigur BGH, NStZ 1985, S. 70; Roxin, AT II, § 25 / Rn. 219 ff. 197 A. A. Poseck, Strafrechtliche Haftung, S. 148, der offenbar von einer mittelbaren Täterschaft der nur am Beschluss beteiligten Aufsichtsratsmitglieder ausgeht, ohne sie jedoch in die herkömmlichen Fallgruppen näher einzuordnen. 198 So etwa Roxin, in: LK-StGB, § 25 / Rn. 181 ff.; ders., AT II, § 25 / Rn. 198 ff. m. w. N. 199 Vgl. BGHZ 47, 341 (350); 41, 282 (285). 200 In diesem Sinne auch BGHSt 14, 128 f.; 16, 12; Kühl, AT, § 20 / Rn. 111; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 241 ff.; Wessels / Beulke, AT, Rn. 529 m. w. N.

§ 7 Wesentliche Ergebnisse der Untersuchung I. Die Tätigkeit des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft wird maßgeblich durch den gesetzlichen Auftrag des § 111 Abs. 1 AktG geprägt, der den Gremiumsmitgliedern die Überwachung der Geschäftsführung überantwortet. In diesem Rahmen hat der Aufsichtsrat die Leitung des Unternehmens durch den Vorstand sowohl nachträglich als auch prohibitiv auf ihre Rechtmäßigkeit, ihre Ordnungs- und Zweckmäßigkeit sowie ihre Wirtschaftlichkeit hin zu kontrollieren. Sachlicher Gegenstand der laufenden Überwachung sind dabei vornehmlich die originären unternehmerischen Führungsfunktionen – Unternehmensplanung, Unternehmenskoordinierung, Unternehmenskontrolle sowie die Besetzung von Führungsstellen – durch den Vorstand. Reine Ausführungsentscheidungen oder die Erledigung des laufenden Tagesgeschäfts im Unternehmen unterliegen dahingegen im Regelfall weder der Kontrollpflicht noch der Einflussmöglichkeit durch den Aufsichtsrat. Vorgänge, die außerhalb der Führungstätigkeiten des Vorstands lediglich unregelmäßig auftreten, muss der Aufsichtsrat vielmehr nur dann aufgreifen und näher prüfen, wenn sie ihm im Wege einer besonderen Berichterstattung durch den Vorstand bekannt werden oder im Rahmen der gebotenen Sorgfalt auf Grund von konkreten Besorgnisgründen oder Unregelmäßigkeiten bekannt werden müssen. Zur Erfüllung der Überwachungsaufgabe stehen den Aufsichtratsmitgliedern verschiedene Mittel zur Einwirkung auf den Vorstand zur Verfügung, die sich in ihrer Verbindlichkeit und Effektivität gleichwohl erheblich unterscheiden. Angesichts seiner Einwirkungsintensität kommt deshalb dem Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG aus dem Kreis der gesetzlich ausdrücklich normierten Kompetenzen eine herausragende Stellung zu. Für den besonderen Fall der Straftatverhinderung begründet die Personalkompetenz des Aufsichtsrats gemäß § 84 Abs. 3 AktG darüber hinaus eine Sonderweisungsbefugnis gegenüber dem Vorstand. Die Mitglieder des Aufsichtsrats treffen überdies in vielfältigem Umfang auch selbst Geschäftsführungsentscheidungen, mit denen sie die Lage und Entwicklung der Gesellschaft aktiv mitgestalten. Eine tragende Rolle nehmen in dieser Hinsicht die Personalkompetenzen des Aufsichtsrats gemäß § 84 AktG ein. Diese unternehmerischen Entscheidungen unterscheiden sich von den sonstigen im Rahmen der Vorstandskontrolle zu treffenden Entscheidungen ganz entscheidend in der Einschätzungsprärogative, die den Gremiumsmitgliedern im Hinblick auf eine rechtliche und gerichtliche Nachprüfung eingeräumt wird. So steht den Aufsichtsratsmitgliedern bei Überwachungsentscheidungen ein Handlungsermessen allenfalls

§ 7 Wesentliche Ergebnisse der Untersuchung

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dann zu, wenn es um die Auswahl der Mittel geht, die sie zur Einwirkung auf den Vorstand einzusetzen beabsichtigen. Bei Geschäftsführungsentscheidungen verfügen die Aufsichtsräte dahingegen wie der Vorstand über einen autonomen unternehmerischen Beurteilungs- und Ermessensspielraum. Gänzlich unabhängig von Gegenstand und Inhalt ihrer Entscheidung sind die Aufsichtsratsmitglieder im Rahmen ihrer Organtätigkeit stets dem Unternehmensgegenstand, dem Unternehmensziel einer angemessenen Gewinnerzielung sowie dem Unternehmensinteresse verpflichtet. Sie sind danach insbesondere angehalten, persönliche Interessen und Fremdeinflüsse bei der Wahrnehmung ihres Mandats zurückzustellen.

II. Die Frage einer strafrechtlichen Verantwortung stellt sich gemeinhin erst dann, wenn sie nach dem Gedanken der Subsidiarität und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zum Zwecke eines wirksamen Rechtsgüterschutzes geboten erscheint. Als „Ultima Ratio der Sozialpolitik“ sind Strafnormen grundsätzlich nur sekundär für den Rechtsgüterschutz zuständig. Aus dieser Sekundarität und dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung ergibt sich für die strafrechtliche Rechtsfindung eine asymmetrische Akzessorietät zu den Bestimmungen im Aktiengesetz: Was den Aufsichtsratsmitgliedern im Gesellschaftsrecht erlaubt ist, darf nicht zu einem strafrechtlichen Verbot führen. Was ihnen im Gesellschaftsrecht hingegen verboten ist, kann gleichwohl unbestraft bleiben oder im Hinblick auf die Schwere der Sanktion nur unter weiteren strafrechtsspezifischen Voraussetzungen mit Strafe zu versehen sein.

III. Die strafrechtliche Haftung korreliert aus materiell-rechtlicher Sicht jeweils mit einer Herrschaftsposition und ist die normative Konsequenz rechtlicher Gestaltungsfreiheit. Denn mit dem (grund-)gesetzlich gewährten Freiheitsrecht der Selbstbestimmung korrespondiert als Kehrseite stets die Verantwortung für das entsprechende (gefährliche) Handeln und seine (Schadens-)Folgen. Neben der jeweils notwendigen faktischen Macht, auf einen gefährlichen Prozess einwirken und die drohende Schadensfolge abwenden zu können, setzt eine strafrechtliche Überwachungsgarantenstellung danach maßgeblich die rechtliche Befugnis des Garanten zur Herrschaftsausübung im Sinne einer qualifizierten Rechtsmacht zur Einwirkung auf den Gefahrenherd voraus. Die strafbewehrte Schutzpflicht eines Beschützergaranten konstituiert sich dahingegen durch eine spezifische Abhängigkeits- oder Obhutsbeziehung, auf Grund derer dem Garanten bei wertender Betrachtung eine besonders starke Verantwortung für die bedrohten Rechtsgüter zu-

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§ 7 Wesentliche Ergebnisse der Untersuchung

kommt, die ihn angesichts seiner faktischen Macht entsprechend verpflichtet, das schutzunfähige Opfer vor drohenden Gefahren zu schützen.

IV. Den Aufsichtsratsmitgliedern obliegt als Beschützergaranten im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB eine besondere Verantwortung für die Rechtsgüter der eigenen Aktiengesellschaft, in die sie jeweils mit der tatsächlichen Übernahme der Organstellung hineinwachsen, die sich andererseits aber auch auf den organspezifischen Aufgabenbereich des Gremiums beschränkt. Die primärrechtliche Grundlage für diese strafbewehrte Schutzpflicht findet sich in der Sorgfaltspflicht der Aufsichtsratsmitglieder gemäß §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, die sie verpflichtet, ihre Organtätigkeit im Interesse des Unternehmens wahrzunehmen und Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Die aus dieser Garantenposition erwachsenden Pflichten, Schaden vor allem an Eigentum und Vermögen der Gesellschaft abzuwenden, beziehen sich im Hinblick auf die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats im Wesentlichen auf die Verhinderung von Vorstandsstraftaten. Eine weitergehende Beschützergarantenstellung mit Obhutspflichten auch gegenüber den Rechtsgütern gesellschaftsexterner Dritter besteht dahingegen nicht.

V. Im Bereich der Überwachungsgarantenstellungen ergibt sich eine strafbewehrte Erfolgsabwendungspflicht der Aufsichtsratsmitglieder zunächst unter dem Gesichtpunkt der Ingerenz, sofern das Gremium seine Zustimmung zu einer Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands erteilt hat (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG), die im Falle ihrer Umsetzung einen gesetzlichen Straftatbestand erfüllen würde. Eine solche Ingerenzpflicht besteht auch in Fällen, in denen die Zustimmungserteilung zunächst pflichtgemäß erfolgte und die Rechts- oder Sachlage sich erst nachträglich erkennbar änderte. Denn durch die ursprünglich rechtmäßige Zustimmung hat der Aufsichtsrat angesichts ihrer legitimierenden Wirkung für den Vorstand einen Dauerzustand geschaffen, dessen Beseitigung ihm obliegt, sobald dieser Zustand in eine unrechtmäßige Gefahr umschlägt, weil er den rechtlichen Schutz des betroffenen Rechtsguts mit seiner Genehmigung reduziert hat. Die Aufsichtsratsmitglieder sind im Rahmen dieser Ingerenzverantwortung jeweils angehalten, ein zunächst genehmigtes strafrechtswidriges Vorhaben des Vorstands ad hoc durch erneute Beschlussfassung zum Gegenstand eines Vetos zu machen, das die ursprüngliche Legitimation wieder aufhebt und damit die herbeigeführte Schadensgefahr abwendet.

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VI. Von herausragender Bedeutung ist die Aufsichtsgarantenstellung des Aufsichtsrats, die ihn im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB zu einer umfassenden Verhinderung von Straftaten durch Mitglieder des Vorstands verpflichtet. Sowohl das gesetzlich positivierte, einzelfallbezogene Zustimmungsverweigerungsrecht gemäß § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG als auch die aus der Personalkompetenz des § 84 Abs. 3 AktG abgeleitete Sonderweisungsbefugnis verleihen den Aufsichtsratsmitgliedern im Sinne der Garantendogmatik eine normative Herrschaftsgewalt gegenüber dem Vorstand und vermitteln ihnen auf diese Weise strafrechtlich den Rang einer personalen Überwachungsgarantenstellung. Auf der Grundlage des Vetorechts ist es allerdings nur möglich, eine herrschaftsgetragene Überwachungsgarantenstellung mit der Pflicht zur Verhinderung von Begehungsstraftaten des Vorstands herzuleiten. Die für eine umfassende Straftatverhinderungspflicht maßgebliche Herrschaftsposition stützt sich daher letzten Endes auf die deduzierte Weisungskompetenz der Aufsichtsratsmitglieder, die sie bereits im Vorfeld der Deliktsbegehung in die Lage versetzt, sowohl bei Begehungs- als auch bei Unterlassungsstraftaten des Vorstands ihren auf Schadensabwendung gerichteten Willen rechtlich durchzusetzen. In diesem engen, rechtlichen Rahmen begründet diese im Ausnahmefall bestehende Weisungsbindung des Vorstands keinen Widerspruch zu der aktienrechtlichen Maßgabe einer grundsätzlich weisungsfreien Geschäftsführung. Denn die gesellschaftsrechtlich garantierte Autonomie soll die Vorstandsmitglieder nach dem Willen des Gesetzgebers in die Lage versetzen, ihrem Auftrag aus § 76 Abs. 1 AktG zur Leitung des Unternehmens nach der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG) ungehindert nachkommen zu können. Eine unternehmerische Gestaltungsfreiheit und Unabhängigkeit in seinen Entscheidungen wird dem Vorstand daher nur für rechtmäßige Geschäftsführungsmaßnahmen eingeräumt. Ein Weisungsrecht des Aufsichtsrats zur Straftatverhinderung knüpft dahingegen an eine (geplante) Tätigkeit des Vorstands an, die keinen Schutz durch die §§ 76 Abs. 1, 111 Abs. 4 Satz 1 AktG genießt und daher nicht dem unantastbaren Kernbereich der Leitungsfunktion des Vorstands angehört. Die vom Aufsichtsrat zu verhindernden Straftaten bestimmen sich danach, ob der Vorstand die Tat gegenüber Dritten unter Einsetzung und Ausnutzung der spezifischen tatsächlichen und rechtlichen Wirkungsmöglichkeiten ausführt, die ihm aus seiner Aufgabe und Stellung als Geschäftsführungsorgan in der Gesellschaft erwachsen und die insofern das besondere, einzudämmende Gefahrenpotential verkörpern. Weil die Mitglieder des Aufsichtsrats auch gemäß §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG zur sorgfältigen Überwachung des Vorstands verpflichtet sind, stellt der im Gesellschaftsrecht diesbezüglich erarbeitete Pflichtenkatalog einen geeigneten und überdies erforderlichen Orientierungspunkt für die inhaltliche Bestim-

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mung der sekundär-strafrechtlichen Handlungsgebote dar. Die allgemeinen Divergenzen zwischen dem zivilrechtlichen Pflichtbegriff und strafrechtlichen Prinzipien verbieten gleichwohl eine unreflektierte Anknüpfung des Strafrechts an die zivilrechtlichen Sorgfaltsmaßstäbe. Als schärfstes Mittel der Rechtsordnung geht der strafrechtliche Pflichtbegriff in seiner Pflichtintensität jedenfalls nicht weiter als der aktienrechtlich ausdifferenzierte Handlungsleitfaden.

VII. Die unechten Unterlassungsdelikte sind sog. Pflichtdelikte, bei denen ausschließlich die sich aus der Garantenstellung ergebende Erfolgsabwendungspflicht täterschaftskonstituierendes Kriterium ist. Die Mitglieder des Aufsichtsrats haben demzufolge für ein garantenpflichtwidriges Unterlassen regelmäßig als Täter gemäß § 25 StGB einzustehen. Eine Teilnahmestrafbarkeit kommt nur in bestimmten Ausnahmekonstellationen in Frage. Dies ist zum einen bei den höchstpersönlichen Aussagedelikten der §§ 153 ff. StGB sowie auf Grund der besonderen Unrechtsstruktur bei den Zueignungsdelikten der Fall. Zum anderen scheidet eine Täterschaft der Aufsichtsratsmitglieder bei den Insolvenzstraftaten der §§ 283 – 283c StGB aus, bei denen die Vorstandsmitglieder Pflichten der Aktiengesellschaft verletzen, die auf den Aufsichtsrat nicht in gleicher Weise durchschlagen.

VIII. Die Aufsichtsratsmitglieder stehen im Rahmen ihrer Organbeziehung zur Aktiengesellschaft in einem täterschaftskonstituierenden Vermögensfürsorgeverhältnis im Sinne des 266 StGB. Die untreuerelevante Aufgabe der Vermögensfürsorge durchzieht dabei sämtliche Tätigkeitsbereiche des Aufsichtsrats. Gleichwohl korrespondieren nicht alle gesellschaftsrechtlichen Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder mit einer strafbewehrten Vermögensfürsorgepflicht im Rahmen des objektiven Untreuetatbestandes. Die konkreten untreuerelevanten Vermögensfürsorgepflichten beschränken sich vielmehr auf die aktienrechtlichen Verhaltensgebote, die zum einen in funktionalem Zusammenhang zur Amtsführung stehen und die zum anderen einen unmittelbar vermögensschützenden Charakter dadurch besitzen, dass sie den Inhalt eines Aufsichtsratsbeschlusses unter dem Aspekt der Wahrung oder Vermehrung des Gesellschaftsvermögens maßgeblich determinieren. Die formellen aktienrechtlichen Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder haben infolge des fehlenden Schutzzweckzusammenhanges mit der Aufgabe der Vermögensfürsorge keine Relevanz für den objektiven Tatbestand der Untreue. Da die Missachtung formaler Vorschriften jedoch zugleich das Risiko einer untreueerheblichen materiellen Pflichtwidrigkeit erhöht, sind derartige Formalverstöße gleichwohl wertvolle Indizien dafür, dass der tatbestandsmäßigen materiellen Vermö-

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gensfürsorgepflicht nicht ausreichend Genüge getan wurde. Einer formellen Pflichtwidrigkeit der Aufsichtsratsmitglieder kann somit im Rahmen der prozessualen Beweisführung durchaus eine tragende Rolle zukommen. Ausschließlich die materiellen Ge- und Verbote des Aktienrechts vermögen zugleich eine strafrechtsrelevante Pflichtposition im Rahmen des § 266 StGB zu begründen. Maßgebliche Vermögensfürsorgepflichten normieren der Grundsatz der Angemessenheit der Vorstandsbezüge nach § 87 Abs. 1 AktG im Rahmen der Personalkompetenz, § 111 Abs. 1 AktG im Hinblick auf Inhalt und Umfang der Überwachung, die Verschwiegenheitspflicht nach §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 3, 116, Satz 2 AktG, die gemäß §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG zu beachtenden Verhaltensmaximen für unternehmerisches Handeln sowie das Ausnutzungs- und Willkürverbot als Ausdruck der allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht. Notwendige Bedingung einer Untreuestrafbarkeit ist stets ein entsprechender Rechts- bzw. Pflichtenverstoß auf der Ebene des Gesellschaftsrechts. Der neuerdings in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG n. F. primärrechtlich ausdrücklich kodifizierte Haftungsfreiraum der Business Judgment Rule gewährt den Aufsichtsratsmitgliedern im Rahmen ihrer unternehmerischen Entscheidungen sowie im Rahmen ihres begrenzten Überwachungsermessens nunmehr auch im Rahmen des sekundären Untreuestraftatbestandes einen „sicheren Hafen“. Die rechtlich gebundenen (Überwachungs-)Entscheidungen des Aufsichtsrats, die sich in der Erfüllung der gesetzlichen (Überwachungs-)Pflicht erschöpfen, bleiben jedoch weiterhin uneingeschränkt justiziabel. Die im Strafrecht spezifisch für die Fallgruppe der sog. „Risikogeschäfte“ entwickelten Vorschläge zur verfassungskonformen Einschränkung des Untreuetatbestandes entsprechen der nun primärrechtlich verankerten Haftungsbegrenzung nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG auf evidente Verstöße gegen die unternehmerische Sorgfalt. Eine darüber hinausgehende spezifische Verengung des strafrechtlichen Handlungsunrechts auf „gravierende“ gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzungen ist weder gerechtfertigt noch geboten. Die durch den 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes unter diesem Gesichtspunkt zuletzt angestrengte Restriktion der Spendenuntreue trägt ausschließlich den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG in dieser besonders gelagerten Konstellation Rechnung. Sie lässt sich deshalb nicht für sonstige, eindeutig feststellbare Verstöße gegen das Aktienrecht – sowohl bei unternehmerischen als auch bei gebundenen Entscheidungen – als zusätzliche strafrechtliche Höhenmarke in den Untreuetatbestand implementieren. In der problematischen Frage einer Untreuestrafbarkeit im Rahmen unternehmerischer Entscheidungen leistet daher im Ergebnis die gesellschaftsrechtlich verankerte Business Judgment Rule die wesentliche Selektionsfunktion im objektiven Tatbestand. Für die gesellschafts- wie auch die strafrechtliche Bewertung unternehmerischer Maßnahmen ist danach zunächst nicht das inhaltliche Ergebnis und der Grad der Abweichung der tatsächlich getroffenen von der idealen Entscheidung von Bedeutung, sondern das prozedurale Zustandekommen einer informierten, ra-

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tional nachvollziehbaren Entscheidung. Halten sich die Organmitglieder insoweit an die rechtlichen Verfahrensregeln, insbesondere ihre Pflicht zur ausreichenden Informationsbeschaffung, so beschränkt sich der Strafanspruch auf die Ahndung eines evidenten materiellen Missbrauchs in Gestalt inhaltlich eindeutig unvertretbarer Geschäfte. Erforderlich ist dafür ein überwiegender Konsens unter Sachkundigen dahingehend, dass die Entscheidung unvertretbar ist. Unter dem Gesichtspunkt eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses kann der strafrechtliche Vorwurf einer Vermögensschädigung durch den Aufsichtsrat nur entfallen, wenn die Gesamtheit der betroffenen Anteilseigner ihre Zustimmung erteilt hat. Unter dieser Voraussetzung vermag auch ein Einverständnis der Aktionäre, das gesellschaftsrechtlich aus Gründen des Gläubigerschutzes unverbindlich ist, ein Untreueunrecht der Aufsichtsratsmitglieder auszuschließen. Im Rahmen seiner untreuerelevanten Festsetzung der Vorstandsbezüge darf der Aufsichtsrat eine herausragende überobligationsmäßige Leistung eines Vorstandsmitglieds, deren Wert für die Gesellschaft sich im Wert der vertraglich festgesetzten Regelbezüge nicht widerspiegelt, selbst dann durch eine besondere Anerkennungsprämie nach pflichtgemäßem Ermessen vergüten, wenn der Anstellungsvertrag keinen ausdrücklichen Vorbehalt für nachträgliche Leistungsprämien enthält und die Sonderzuwendung mangels Anreizwirkung dem Unternehmen keinerlei zukunftsbezogenen Nutzen bringt. Auch die Abfindung vertraglicher Vergütungsansprüche, die Gewährung besonderer Abfindungsprämien sowie die Vereinbarung von sog. Change-of-control-Klauseln sind dem Aufsichtsrat dem Grunde nach in bestimmten Grenzen nicht verwehrt. Der Zusage sog. Golden Parachutes ist dahingegen ein Verstoß gegen das Untreueverbot immanent. Die wesentlichen strafrechtlichen Grenzen der Vergütungsentscheidung ergeben sich aus dem Angemessenheitsgebot des § 87 AktG. In der Rechtspraxis kann das Untreueverbot des § 266 StGB darüber hinaus insbesondere bei einer Verletzung der Überwachungspflicht, bei Verstößen gegen das Verschwiegenheitsgebot, bei der Vergabe von Organkrediten, bei der vorzeitigen Wiederbestellung eines Vorstandsmitglieds, bei einer Freistellung des Vorstands von finanziellen Verpflichtungen, bei der Abgabe einer fehlerhaften Stellungnahme gemäß § 27 Abs. 1 WpÜG, bei Verstößen gegen die Erklärungspflicht des § 161 AktG sowie bei der Annahme verdeckter Provisionen eine Rolle spielen.

IX. Die nachhaltige gesetzeswidrige Einmischung in die Geschäftsleitungsaufgaben des Vorstands kann für die Aufsichtsratsmitglieder auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Denn die kriminalpolitische Steuerungsfunktion der (Wirtschafts-)Strafgesetze erfüllt nur ihren Zweck, wenn sie im Einzelfall auch auf „faktische“ Organe ausgedehnt wird. Auf Grund der verfassungsrechtlichen Maß-

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gaben und der aktienrechtlichen Verschränkung der Organkompetenzen sind die Voraussetzungen einer Strafbarkeit des Aufsichtsrats indessen sehr restriktiv zu fassen. Sollten die Aufsichtsratsmitglieder einen auf Dauer angelegten, überragenden Einfluss auf die Kernfunktionen der Unternehmensleitung ausüben, rechtfertigen sie gleichwohl eine zusätzliche strafrechtliche Inanspruchnahme als „faktischer“ Vorstand gemäß §§ 401 Abs. 1 Nr. 1 AktG, 331 Nr. 3 und 4 HGB, sowie als Überwachungs- und Beschützergaranten im Unternehmen nach den Grundsätzen der Geschäftsherrenhaftung. Im Anwendungsbereich des § 14 StGB ist die faktische Organhaftung indessen von vorneherein auf fehlerhaft bestellte Geschäftsführer beschränkt. Eine weitergehende Ausdehnung des Täterkreises auf Personen, die sich die Geschäftsführungstätigkeit lediglich anmaßen, ist vom Wortlaut des § 14 Abs. 3 StGB nicht mehr erfasst und verbietet sich daher mit Blick auf das strafrechtliche Analogieverbot. Die Gefahr einer Strafbarkeit gemäß §§ 266a, 283 ff. i.V.m. § 14 StGB kraft faktischer Geschäftsführung scheidet für die Aufsichtsratsmitglieder insofern aus.

X. Zur Begründung einer strafrechtlichen Verantwortung der Aufsichtsratsmitglieder bedarf es stets der Feststellung einer persönlichen Schuld. Im Rahmen der deliktischen Kollegialentscheidung muss deshalb jeweils auch das Verhalten identifiziert werden, das den einzelnen Gremiumsmitgliedern persönlich zum Vorwurf gemacht werden kann und eine individuelle Zurechnung der Straftat erlaubt. Danach verstößt zunächst jedes Mitglied, das im Rahmen der kollektiven Entscheidungsfindung gegen eine Erfolgsverhinderung votiert oder umgekehrt sogar für eine schadensträchtige Maßnahme stimmt, unmittelbar gegen die strafrechtlichen Individualpflichten eines Aufsichtsrats. Weil die Aufsichtsratsmitglieder als Garanten alles Mögliche und Zumutbare unternehmen müssen, um den tatbestandlichen Erfolg zu vermeiden, stellt auch die Stimmenthaltung eine Pflichtverletzung durch Unterlassen dar. Ein zunächst rechtmäßig votierendes Aufsichtsratsmitglied können im Nachgang der Entscheidung weitere Straftatverhinderungspflichten treffen, sofern der Schadenseintritt tatsächlich noch verhindert werden kann, was vor allem bei ausführungsbedürftigen Aufsichtsratsbeschlüssen der Fall ist. Unter diesem Gesichtspunkt kann dem überstimmten Aufsichtsratsmitglied als äußerstes Mittel auch eine Strafanzeige obliegen, wenn der Vollzug des Gremiumsbeschlusses einen ganz erheblichen (Vermögens-)Schaden für die Gesellschaft zu verursachen droht. Die Pflicht, bei Handlungsbedarf ein Tätigwerden des Gesamtaufsichtsrats zu veranlassen, ist mithin ebenfalls ein wichtiger (erster) Teil der strafrechtlich gebotenen Erfolgsabwendung, so dass auch die individuelle Passivität eines Aufsichtsratsmitglieds Anknüpfungspunkt der strafrechtlichen Unterlassungsverantwortlichkeit sein kann. Sollte ein Mitglied der Aufsichtsratssitzung bewusst ferngeblieben sein, um zu den behandelten Fragen keine Stellung beziehen zu müssen, so gründet das strafbe-

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wehrte Verhaltensunrecht bereits in der nicht wahrgenommenen Möglichkeit, die Entscheidungsfindung im Organ positiv zu beeinflussen. War ein Mitglied hingegen verhindert, ist es verpflichtet, den in seiner Abwesenheit gefassten Gremiumsbeschluss eigenständig zu prüfen und notfalls die gleichen Maßnahmen in die Wege zu leiten wie das überstimmte Gremiumsmitglied. Im Fall einer Ausschussbildung wandeln sich die Erfolgsabwendungspflichten für die Plenumsmitglieder im Umfang der Aufgabendelegation inhaltlich jeweils in eine Pflicht zu sachgerechter Organisation und Kontrolle des Aufsichtsratsausschusses. Im Übrigen sind sie nur bei konkreten Anzeichen der Unzulänglichkeit der Ausschusstätigkeit aufgefordert, weitere Kontrollmaßnahmen zu ergreifen und notfalls wieder den Gesamtaufsichtsrat mit der Pflichterfüllung zu befassen. Eine Berufung auf die fehlende Individualkausalität ihres strafrechtswidrigen Stimmverhaltens ist den Aufsichtsratsmitgliedern im Großteil der Fälle bereits deswegen abgeschnitten, weil ihre Mittäterschaft den dezidierten Nachweis der tatsächlichen Auswirkung des Einzelvotums entbehrlich macht. Bedarf es im Übrigen gleichwohl einmal der Feststellung der individuellen Kausalität, so lässt sich diese sowohl durch eine Kombination der überkommenen Kriterien der kumulativen und der alternativen Kausalität als auch durch die Lehre von der sog. Inus-Bedingung überzeugend darlegen. Der Verweis auf ein gleichartiges pflichtwidriges Verhalten der Kollegen ist dem einzelnen Mitglied ebenfalls verwehrt, so dass auch der erforderliche Pflichtwidrigkeitszusammenhang jeweils gegeben ist. Bei ausführungsbedürftigen Beschlüssen bezeichnet die Abstimmung im Kollegium lediglich eine typische Vorbereitungshandlung, die für sich noch nicht unter Strafe steht. Den an der deliktischen Umsetzung selbst unbeteiligten Aufsichtsratmitgliedern ist der tatbestandliche Erfolg deshalb in diesen Fällen im Wege der Mittäterschaft zuzurechnen.

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Sachwortverzeichnis Abfindung 306 ff., 326 ff., 340 – Angemessenheit 322 ff. Äquivalenztheorie 386 ff. Aktienoptionen 320 ff. Akzessorietät – asymetrische ~ 42 – des Strafrechts 37 ff. – des Untreuetatbestandes 245 f., 295 Anerkennungsprämien 299 ff. – ~ für ehemalige Vorstandsmitglieder 311 – Angemessenheit 317 ff. – Dogmatische Einordnung der Rechtsprechung 300 ff. – Rechtsprechung 299 f. Angemessenheit der Vorstandsvergütung 297 ff. – Abfindungsvereinbarungen 322 ff. – Aktienrechtliche Parameter 312 ff. – Feste Vergütungsbestandteile 317 ff. – Strafrechtliche Grenzen 317 ff. – Variable Vergütungsbestandteile 319 ff. Angestellte 45 f. Anreizwirkung 299, 303 f. Appreciation Awards siehe Annerkennungsprämien Aufsichtsgarantenpflicht 149 ff. – Entstehungsvoraussetzungen 154 ff. – Garantenpflicht des Aufsichtsrats 168 ff. – Personale und sachliche Reichweite 182 ff. – Pflichteninhalt 186 ff. Aufsichtsrat – Aufgaben 42 ff. – Ausschüsse 367 ff. – Beschlussfassung 365 f. – Innere Ordnung 363 ff. – Kompetenzen 73 ff. – Sitzung 364 f. – Vorsitz 363 f. – Weisungsbefugnis siehe dort

Beratung des Vorstands – Business Judgment Rule 271 – Gesellschaftsrechtliche Grundlagen 75 ff. – Ingerenz 145 Beschützergarantenstellung des Aufsichtsrats 125 ff., 199 ff. – Rechtsgüter der Aktionäre 131 f. – Rechtsgüter der Allgemeinheit 126 ff. – Rechtsgüter der Gesellschaft 199 ff. – Rechtsgüter der Gläubiger 129 ff. – Rechtsgüter der Mitarbeiter 131 f. – Rechtsgüter der „Normalbürger“ 129 Bestimmtheitsgebot 245 ff., 282 ff. Business Judgment Rule 266 ff., 281, 286, 291, 316, 323 Cap 321 Change-of-Control-Klausel 308 ff., 323 Einheit der Rechtsordnung 41 f., 96, 175, 177, 180, 191, 195, 265, 269, 375 Europäische Gesellschaft 34 f. Faktische Unternehmensleitung 349 ff. – ~ durch den Aufsichtsrat 356 ff. – Garantenhaftung 359 f. – Rechtslehre 351 f. – Rechtsprechung 350 f. – Strafgrund 349 f., 352 f. – Voraussetzungen faktischer Geschäftsführung 355 f. Garantenlehre – Funktionenlehre 111, 112 f. – Herrschaftsprinzip 117 ff., 122 ff. – Prinzip der Gefahrschaffung 113 f. – Rechtsquellenlehre 109 ff. – Soziale Verhaltenserwartung 115 f. – Vertrauensprinzip 114 f. Genossenschaft 34 Geschäftsherrenhaftung 161 ff., 359

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Sachwortverzeichnis

Gesetzmäßige Bedingung 388 Gewinnerzielung 51 ff., 70, 261 GmbH 34 Golden Parachute 310 Good corporate citizen 53 Gremiumsentscheidung siehe Kollegialentscheidung Hauptversammlung – Einberufung 88 ff. – Gegenstand der Überwachung 46 f. Individuelle Verantwortung siehe Kollegialentscheidung Ingerenz 132 ff. – Beratung des Vorstands 145 – Bestellung eines Vorstandsmitglieds 146 f. – Dogmatische Grundlagen 132 ff. – Entstehungsvoraussetzungen 135 ff. – Funktionsnachfolge 148 f. – Pflichteninhalt 147 f. – Sonstiges Verhalten 147 – Zustimmung zu Vorstandsgeschäften 141 ff. Inus-Bedingung 389 Kausalität 209, 381 ff. – Alternative ~ 387 f. – Kumulative ~ 387 f. – „Quasi-Kausalität“ 187 Kollegialentscheidung 362 ff. – Entscheidungen des Ausschusses 379 ff. – Individuelle Kausalität 381 ff. – Initiativpflicht 378 – Pflichtverletzung bei rechtmäßigem Stimmverhalten 373 ff. – Pflichtwidrigkeitszusammenhang 389 – Rechtswidriges Stimmverhalten 371 f. – Stimmenthaltung 372 f. – Tatbeteiligung bei Ausführungsbedürftigkeit 390 f. – Verhindertes Aufsichtsratsmitglied 378 f. Mannesmann / Vodafone 31, 215, 246, 251, 297 ff., 299 ff., 305, 313, 319, 325 ff. Plenumsentscheidung siehe Kollegialentscheidung Rechtfertigende Pflichtenkollision 324 f. Repricing 321

Risikogeschäft 280 ff. – Bestimmtheitsgebot 282 ff. – Rechtsprechung 281 f. Sekundarität des Strafrechts 39 f., 40 f. Shareholder Value 52 f., 54 f. Sorgfaltspflicht – Aktienrechtliche Sorgfaltspflicht 100 f., 102 ff. – Strafrechtliche Sorgfaltspflicht 190 ff., 196 ff. – Verhältnis gesellschaftsrechtlicher und strafrechtlicher Sorgfaltspflichten 191 ff., 280 ff., 284 ff. – Vermögensfürsorgepflicht siehe dort Täterschaft – Fahrlässige Mittäterschaft 209, 385 f. – Mittäterschaft 383 ff., 390 f. – ~ kraft faktischer Unternehmensleitung 356, 359 – Unmittelbare ~ 370 ff. – Unterlassungsstrafbarkeit 202 ff., 206 f., 208, 209 Teilnahme – Unterlassungsstrafbarkeit 202 ff., 207 f. Treuepflicht – Aktienrechtliche Treuepflicht 101 f., 102 ff. – Untreuespezifische Treuepflicht 261 ff., 337 ff. Überwachungsgarantenstellung 132 ff., 149 ff., 199 – Aufsichtsgarantenpflicht siehe dort – Entstehungsvoraussetzungen 122 ff. – Geschäftsherrenhaftung siehe dort – Ingerenz siehe dort – Personale und sachliche Reichweite 182 ff. – Pflichteninhalt 186 ff. Überwachungspflicht des Aufsichtsrats – Entscheidungen des Aufsichtsrats 70 ff. – Gegenstand 42 ff. – Gesellschaftsrechtliche Grundlagen 42 ff. – Intensität 72 f. – Kompetenzen 73 ff. – Maßstäbe 50 ff., 56 ff.

Sachwortverzeichnis – Reichweite und Grenzen 64 ff. – Straftaten des Vorstands 60 – Verfahren 63 f. Unternehmensgegenstand 51, 70, 285, 286, 287, 289 Unternehmensinteresse 54 ff., 58 f., 67, 70, 78, 81, 99, 102, 130 f., 146, 180, 184, 200, 251, 260, 261 f., 264, 268, 276, 286, 304, 306, 308 f., 318, 320, 328 ff., 335, 339 f., 343 Unternehmerische Entscheidung 64 – Business Judgment Rule siehe dort – Ermessen des Vorstands 67 ff. – ~ des Aufsichtsrats 71 f., 270 ff. Untreuestrafbarkeit 212 ff. – Abgrenzung zu Insolvenzstraftaten 218 ff. – Einverständnis 292 ff. – Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG 344 – Festsetzung von Vorstandsbezügen 297, 298 ff., 312 ff., 325 ff., 328 ff. – Freistellung des Vortands 341 f. – Geschäftsbesorgung für die Gesellschaft 345 ff. – Geschütztes Rechtsgut 217 f. – Mannesmann / Vodafone siehe dort – Missbrauchsuntreue 222 f., 297 ff., 337 f., 339 f., 341 – Organuntreue 212 ff., 215 ff. – Stellungnahme gemäß § 27 Abs. 1 WpÜG 342 ff. – Treubruchsuntreue 223 f., 333, 334 ff., 342 f., 344, 345 ff. – Unrechtsbewusstsein 229 ff. – Unrechtskern 224 ff. – Verdeckte Provisionen 346 ff. – Vergabe von Organkrediten 337 ff. – Verletzung der Überwachungspflicht 333 f.

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– Verletzung der Verschwiegenheitspflicht 334 ff. – Vermögensfürsorgepflicht siehe dort – Vermögensfürsorgepflichtverletzung siehe dort – Vermögensfürsorgeverhältnis 232 ff. – Vorsatz 229 ff., 332 – Wiederbestellung eines Vorstandsmitglieds 339 ff. Vermögensfürsorgepflicht 226 ff., 231 ff. – Allgemeine Voraussetzungen 235 ff. – Formelle Pflichten des Aufsichtrats 247 ff. – Materielle Pflichten des Aufsichtsrats 255 ff. Vermögensfürsorgepflichtverletzung 265 ff., 280 ff. – Einverständnis des Vermögensinhabers 292 ff. – „Gravierende“ aktienrechtliche Pflichtwidrigkeiten 284 ff. – Risikogeschäft siehe dort Verschwiegenheitspflicht – Aktienrechtliche Verschwiegenheitspflicht 101 f., 126, 377 – Untreuespezifische Verschwiegenheitspflicht 254, 258 ff., 334 ff. Weisungsbefugnis des Aufsichtsrats 177 ff. Windfall loss 321 Windfall profit 320 Zustimmungsvorbehalt – Gesellschaftsrechtliche Grundlagen 84 ff. – Ingerenz 141 ff. – Untreue 333 f. – Vermögensfürsorgepflicht 256 ff.