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German Pages 176 Year 2003
ANTON RAUSCHER (Hrsg.)
Immigration und Integration
Soziale Orientierung Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Kommission bei der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle ~önchengladbach
In Verbindung mit
Karl Forster t
· Hans Maier
· Rudolf Morsey
herausgegeben von
Anton Rauscher
Band 15
Immigration und Integration Eine Herausforderung für Kirche, Gesellschaft und Politik in Deutschland und den USA
Herausgegeben von
Anton Rauscher
Duncker & Humblot · Berlin
Redaktion: Günter Baadte
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübemahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Gerrnany ISSN 0720-6917 ISBN 3-428-11051-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 8
Vorwort Der vorliegende Band geht auf ein Deutsch-Amerikanisches Kolloquium zurück, das die Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle und die School of Philosophy der Catholic University of America vom 12. bis 15. September 2000 im Mundelein Conference Center bei Chicago zum Thema "Immigration und Integration. Eine Herausforderung für Kirche, Gesellschaft und Politik" veranstalteten. Das Kolloquium in Chicago - es war das sechste seiner Art - stand in der Kontinuität eines deutsch-amerikanischen Gedankenaustauschs, der im Jahr 1990 begonnen und seither alternierend in Deutschland und den USA an verschiedenen Konferenzorten fortgesetzt worden ist. Die Initiative zu den Kolloquien ging von der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle (KSZ), Mönchengladbach, aus. Dem lag die Überlegung zugrunde, daß auf dem Hintergrund der weltgeschichtlichen Zäsur von 1989/90 das wissenschaftliche und orientierende Gespräch sowie die Erörterung der je eigenen Erfahrungen innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland und in den Vereinigten Staaten intensiviert werden sollten. Eine Vielzahl von politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Gestaltungsaufgaben stellen sich heute in einem globalen Maßstab. Zudem sollte der hier angestoßene Gedanken- und Erfahrungsaustausch, ungeachtet der bestehenden vielfältigen Kontakte, die gegenseitige Kenntnis und W ahrnehmung verbessern und vertiefen. Dabei war von unterschiedlichen Denktraditionen und historischen Voraussetzungen auszugehen. Die katholische Kirche und der Katholizismus in Deutschland besitzen in der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Problemen und ihrer Bewältigung eine lange Tradition, die bis auf Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler ( 1811-1877) und auf die christlich-soziale Bewegung im 19. Jahrhundert zurückreicht Die deutschen Katholiken haben einen beachtlichen Beitrag zur Überwindung der "sozialen Frage" und, nach dem Zweiten Weltkrieg, zum geistigen und materiellen Wiederaufbau der Bundesrepublik Deutschland geleistet. Dabei dienten das christliche Menschen- und Gesellschaftsbild und die davon geprägten Werte als maßgebliche Orientierung. Was die Katholiken in den USA betrifft, so waren sie ursprünglich in ihrem Land eine Minderheit, die von irischen und italienischen Einwanderern geprägt war. Der gesellschaftliche Aufstieg des amerikanischen Katho-
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Vorwort
lizismus spiegelt sich am deutlichsten im Bereich der Schulen und Universitäten wider. Hier ist seit Beginn des 20. Jahrhunderts ein exzellentes Bildungs- und Erziehungswesen entstanden. Inzwischen bilden die Katholiken mit rd. 60 Millionen die größte religiös-konfessionelle Gruppe in den USA. Durch die Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils ermutigt, hat sich die amerikanische Bischofskonferenz zunehmend politischen und gesellschaftlichen Themen zugewandt. Sie ist in den 1980er Jahren mit zwei weithin beachteten Hirtenbriefen hervorgetreten: "The Challenge of Peace: God's Promise and Our Response" (Mai 1983) und "Economic Justice for All: Social Teaching and the U.S. Economy" (November 1986). Ein Unternehmen wie die Deutsch-Amerikanischen Kolloquien kann nur verwirklicht werden, wenn es von einer entsprechenden Einrichtung in den USA mitgetragen wird. Der Direktor der KSZ fand in Jude P. Dougherty, dem Dean der angesehenen School of Philosophy der Catholic University of America, Washington, DC, einen kompetenten und engagierten Partner, der über vielfaltige Kontakte zu Vertretern verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen und zu Persönlichkeiten des kirchlichen und politischen Lebens verfügt. So verdankt sich die Thematik des Sechsten Deutsch-Amerikanischen Kolloquiums einer Anregung des Erzbischofs von Chicago, Francis Kardinal George. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, daß der Raum Chicago seit je ein Brennpunkt der Immigration gewesen ist. Die Bewältigung der sozialen und pastoral-religiösen Integrationsprobleme stellt eine vorrangige Herausforderung der Erzdiözese dar. In dem Einladungsschreiben, das Kardinal George an die deutschen und amerikanischen Teilnehmer richtete, heißt es: "Allow me to join Dean Jude P. Dougherty by extending my personal invitation to participate in the Sixth German-American Colloquium, ,Immigration and Integration: lts Effects on the Culture and on the Life of the Church' ( ... ). The topic is an important one on both sides of the Atlantic, and, given the issues to be considered and the credentials of the participants, the Conference promises to be fruitful." Migration, Zuwanderung und Integration sind auch in Deutschland zukunftsweisende Gestaltungsaufgaben, die Politik, Gesellschaft und Kirchen gleichermaßen betreffen. Zu erinnern ist hier an das Gemeinsame Wort " ... und der Fremdling, der in deinen Toren ist" aus dem Jahr 1997, mit dem die Kirchen in die öffentliche Debatte eingegriffen haben, "um Perspektiven für ein friedliches Miteinander von Einheimischen und Zuwanderern aufzuzeigen und Ausländerhaß und Fremdenfeindlichkeit zu begegnen". An dieser Stelle sei es erlaubt, zwei Vorträge, die zusätzlich zum Programm des Kolloquiums gehalten wurden, besonders hervorzuheben: Kardi-
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Vorwort
nal George nahm in einem Abendvortrag eine Ortsbestimmung der katholischen Kirche in den USA vor, wobei er sich in eindringlicher und kritischer Weise mit den vorherrschenden kulturellen Strömungen auseinandersetzte. Der Ministerpräsident des Freistaates Thüringen, Dr. Bemhard Vogel, der von Beginn an die Deutsch-Amerikanischen Kolloquien befürwortet und mehrere Male aktiv daran teilgenommen hat, sprach ebenfalls zu den Teilnehmern. In seinem Vortrag "10 Jahre deutsche Einheit. Rückblick und Ausblick" würdigte er die beeindruckenden Aufbauleistungen in den jungen Bundesländern seit 1989 und ging sodann auf die vordringlichen Aufgaben ein, die künftig im deutschen und europäischen Rahmen angegangen und gelöst werden müssen. Der überarbeitete Text des Vortrags wurde als Heft 274 der von der KSZ herausgegebenen Reihe "Kirche und Gesellschaft" (Köln 2000) publiziert. Das Gelingen internationaler Kolloquien hängt nicht zuletzt von der Qualität der sprachlichen Vennittlungsdienste ab. Der Konrad Adenauer-Stiftung gebührt Dank, daß sie die Deutsch-Amerikanischen Kolloquien nicht nur mit Interesse begleitet, sondern in dieser Hinsicht auch großzügig unterstützt hat. Ein besonderes Wort des Dankes gilt der Mitarbeiterin an der School of Philosophy der Catholic University of America in Washington, DC, Mrs. Mary Rakow, und den Mitarbeiterinnen Frau Wilma Cremerund Frau Monika Lennartz sowie dem Wissenschaftlichen Referenten, Herrn Günter Baadte, an der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle in Mönchengladbach, die bei der Planung und organisatorischen Vorbereitung des Kolloquiums und bei der Erstellung des Berichtsbandes mit großer Sorgfalt und ausdauerndem Engagement mitgewirkt haben. Mönchengladbach, im Juli 2002
Anton Rauscher
Inhaltsverzeichnis Zu diesem Band Von Günter Baadte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Globale Trends und ethische Aspekte Die globale Herausforderung der Migration. General Trends and Processes of International Migration Von Jürgen Schwarz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Moral Aspects of Immigration Policy By Jude P. Dougherty . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Migration, Flucht und Asyl aus kirchlicher Sicht Von Anton Rauscher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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11. Einwanderung als verfassungsrechtliches Problem Constitutional Principles in Immigration Law By Michael T. Dougherty . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einwanderung und Integration als verfassungspolitisches Problem Von Otto Depenheuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Migration, Integration und Arbeitswelt Ökonomische Determinanten der Migration Von Jörg Althammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die integrative Funktion der Arbeitswelt Von Joachim Genosko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis IV. Katholiken, amerikanische Gesellschaft und die Suche nach der kulturellen Identität
Seminarians, Immigration, and Integration By Raymond J. Webb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Integration as a Cultural and Religious Problem By Philip Gleason . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Americanization, Catholicism and the Future of Assimilation By Matthew Spalding . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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The Rise of the Unmeltable Ethnics By Michael Novak . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zu diesem Band Von Günter Baadte Deutschland und die USA sind seit dem Zweiten Weltkrieg weltweit zu den wichtigsten Aufnahmeländern von Einwanderern geworden. Dennoch ergibt sich im Hinblick auf die politische Wahrnehmung und kulturelle Akzeptanz hier und dort ein sehr unterschiedlicher Befund. Haben sich die Vereinigten Staaten seit ihrer Gründung als eine Einwanderungsgesellschaft und als eine Nation von Immigranten konstituiert und daraus einen wesentlichen Impuls ihres freiheitlichen Pathos und Selbstverständnisses bezogen, so hat die öffentliche Debatte in Deutschland erst in jüngster Zeit die in den zurückliegenden Jahrzehnten entstandene irreversible Einwanderungssituation gedanklich und politisch eingeholt. Von dieser ungleichen Ausgangslage gehen die in diesem Band vereinten Beiträge deutscher und amerikanischer Autoren aus. Die Intention des Bandes ist demnach primär nicht darin zu sehen, die historisch bedingten Differenzen und Diskrepanzen im transatlantischen Vergleich zum Gegenstand der Erörterung zu machen, vielmehr werden Migration, Einwanderung und Integration als Herausforderungen begriffen, denen sich Kirche, Gesellschaft und Politik in Deutschland und den USA wegen ihrer weitreichenden Konsequenzen für das inner- und zwischenstaatliche Zusammenleben heute und in Zukunft stellen müssen. Die Beiträge lassen sich vier thematischen Schwerpunkten zuordnen: I. Globale Trends und ethische Aspekte, II. Einwanderung als verfassungsrechtliches Problem, III. Migration, Integration und Arbeitswelt, IV. Katholiken, amerikanische Gesellschaft und die Suche nach der kulturellen Identität. Entsprechend dieser Themenstruktur werden im folgenden einige Perspektiven, Thesen und Argumentationslinien aus den einzelnen Beiträgen aufgenommen und akzentuiert. I. Globale Trends und ethische Aspekte So sehr die Migration zu einer augenscheinlichen, in vielem bedrängenden Signatur unserer Epoche geworden ist, so bedarf es differenzierter Methoden und Instrumentarien, um das breite Spektrum der Erscheinungsformen und Ursachen dieser grenzüberschreitenden "Bevölkerungswanderung"
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im einzelnen zu bestimmen. Auch die statistische Erfassung der Migranten weist definitorische Probleme und beachtliche Unsicherheiten auf; die Schwankungsbreite ist beträchtlich. Legt man die Berechnungen der UNO zugrunde, so beläuft sich die Zahl der Migranten gegenwärtig auf 120 Millionen, dagegen befinden sich nach Schätzungen des Internationalen Roten Kreuzes 500 Millionen Menschen im Status der Migration. Unbestreitbar ist jedoch, daß die Migration weltweit dramatisch zunimmt. Inwieweit können das Weltbevölkerungswachstum und die Globalisierung für die Migration verantwortlich gemacht werden? Der Politikwissenschaftler Jürgen Schwarz (München) ist in der Zuweisung von Ursachen eher zurückhaltend; er mißtraut monokausalen Erklärungen. Strukturelle Ursachen, die auf ökonomische und gesellschaftliche Verwerfungen, etwa infolge krisenhafter Entwicklungen der Weltwirtschaft, zurückzuführen seien, gelte es von akuten Schubfaktoren wie regionalen Konflikten, Bürgerkriegen, Naturkatastrophen, politischer, ethnischer und religiöser Verfolgung u. dergl. zu unterscheiden. Die Erforschung und Kenntnis der Ursachenbündel und deren zutreffende Gewichtung seien allerdings eine unabdingbare Voraussetzung, um angemessene Strategien zu konzipieren und konkrete Maßnahmen einzuleiten, damit Migration gesteuert, wenn möglich eingedämmt oder präventiv vermieden werden kann. Welche nationalen und internationalen Akteure sind dazu in der Lage? Schwarz sieht hier in erster Linie die Leistungskraft des modernen Staates herausgefordert, wobei dieser den Kriterien der Offenheit (Zuwanderung, Integration) sowie der internationalen Kooperationsbereitschaft und Kooperationsfähigkeit entsprechen müsse; ein Beharren auf nationalstaatlieh-egoistischen Positionen sei obsolet. In Anbetracht der globalen Dimension der Migration könnten deren Ursachen und Folgeprobleme nur auf der Basis nationübergreifender, regionaler Initiativen und im Rahmen internationaler Zusammenarbeit wirksam angegangen und gelöst werden.
Migration bedeutet in der Regel einen Bruch mit der tradierten Lebenswelt und eine existentielle Neuorientierung in einem fremden Umfeld. Der katholische Philosoph Jude P. Dougherty (Washington, DC) fragt in diesem und im weiteren Zusammenhang nach den ethischen Aspekten der US-amerikanischen Immigrationspolitik. Dougherty geht zunächst von dem Problemhorizont aus, den Papst Johannes Paul II. in seiner Botschaft zum Welttag der Migranten 2000 entwirft. Danach besitzt der Prozeß der Globalisierung eine innere Ambivalenz: Er kann dazu führen, daß die ungleiche Verteilung der Ressourcen in der Welt ein neues Bewußtsein der Solidarität hervorruft. Wenn sich jedoch die Ungleichheiten verschärfen, "werden die armen Bevölkerungsgruppen aus Verzweiflung zum Exil gezwungen, während die reichen Länder in der uner-
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sättlichen Sucht gefangen sind, die verfügbaren Ressourcen in den eigenen Händen zu konzentrieren". Was veranlaßt die Bürger eines Staates, Immigranten aufzunehmen? Dougherty sieht in der Nächstenliebe - sie scheine glücklicherweise ein Teil der menschlichen Natur zu sein - den entscheidenden Impuls: das Selbstinteresse allein könne den nationalen Altruismus nicht begründen. Die Kriterien, an denen sich die in den USA praktizierte Immigrationspolitik ausrichtet, hält der amerikanische Philosoph für insgesamt vernünftig. Sprachliche Fähigkeiten, berufliche Qualifikationen und ein Arbeitsplatz seien die besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration. Eine geregelte Steuerung der Einwanderung und eine großzügige Asylpolitik setzten allerdings eine klare Unterscheidung zwischen legaler und illegaler Immigration sowie die Bekämpfung des Asylmißbrauchs voraus. Nächstenliebe ist nicht urteilslos. Moralisches Handeln und Urteilen verdankt sich nicht nur hehren Prinzipien, sondern auch der Anwendung von Klugheitsregeln. Die Tore zur Einwanderung können nicht unterschiedslos offen stehen. Für Dougherty besitzt die Frage der Immigration eine wesentlich kulturelle Dimension: Sie könne nicht bloß von dem herkömmlichen Fähigkeitstest abhängig gemacht werden. Wenngleich der Immigrant nicht alle Facetten der Mehrheitskultur teilen müsse, so habe die Einwanderungspolitik darauf zu achten, daß das kulturelle und religiöse Erbe des Gastlandes respektiert werde. Dougherty beruft sich hierbei auf das von den Kirchenvätern Hieronymus und Augustinus vertretene Fundamentalrecht auf Selbsterhaltung. Daß dies zugleich ein Plädoyer für die Aufrechterhaltung der westlichen, christlich inspirierten Kultur bedeutet, daran läßt der katholische Philosoph keinen Zweifel. Vornehmlich aufgrund der deutschen und europäischen Erfahrungen seit 1945 formuliert der Professor für Christliche Soziallehre und Direktor der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle Anton Rauscher (Mönchengladbach) theologische und sozialethische Kriterien für den Umgang mit Migranten, wobei er sich ausdrücklich auf das "Gemeinsame Wort der Kirchen zu den Herausforderungen durch Migration und Flucht" (1997) bezieht. Menschenwürde, Migration und Gemeinwohl stünden in einem Verhältnis, das nicht frei von Spannungen sei. Als "Ebenbild Gottes" besitze jeder Mensch eine unantastbare personale Würde. Dem Einzelnen komme eine ursprüngliche Sozialnatur zu, worin seine Offenheit gegenüber dem Mitmenschen gründe. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Staat ändere nichts daran, daß der Mensch einer universalen Lebens- und Rechtsgemeinschaft angehöre. Der Staat habe die Aufgabe, die Grundrechte zu schützen. Da die Zuwanderung immer auch bestehende Strukturen des Zusammenlebens berühre, habe der aufnehmende Staat das Recht und die Pflicht, auch
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in dieser Hinsicht das Gemeinwohl zu sichern; das heißt, er habe dafür Sorge zu tragen, daß durch die Aufnahme von Migranten die sozialen Strukturen nicht überfordert würden, oder anders gesagt, daß die Integration in das politische, gesellschaftliche und kulturelle Leben gefördert werde und möglichst gelinge. Wenn das Gemeinsame Wort der Kirchen feststellt, daß dem Recht auf Auswanderung kein Recht auf Einwanderung entspricht, so wird damit allerdings nicht einer Politik der Abwehr und Abschottung das Wort geredet, vielmehr wird eine positive Grundhaltung gegenüber der Grundgegebenheit von Migration und Zuwanderung gefordert. Migration und Zuwanderung so Rauscher - seien nicht nur als Probleme der Caritas und Sozialpolitik zu sehen, man könne umgekehrt auch fragen, in welchem Maß Migranten das Leben im Aufnahmeland durch ihre Ideen und Initiativen bereicherten. Es stehe der Kirche, die eine Weltkirche sei, gut an, diese positive Sicht der Zuwanderung in die öffentliche Diskussion miteinzubringen. II. Einwanderung als verfassungsrechtliches Problem Einwanderung vollzieht sich in einem bestimmten, verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmen. So enthält die Verfassung der Vereinigten Staaten mehrere Prinzipien, die sich auf die Immigration und den rechtlichen Umgang mit Ausländern beziehen. Der Jurist Michael T. Dougherty (Washington, DC) nennt deren vier. Das erste grundlegende Prinzip sei die Souveränität der Vereinigten Staaten, das heißt ihre internationale Unabhängigkeit wie auch ihr Recht und ihre Macht, die eigenen inneren Angelegenheiten ohne Einmischung von außen zu regeln. Eine souveräne Nation sei für das Wohlergehen ihrer Bürger verantwortlich. Ein zweites Verfassungsprinzip bestehe daher in der Unterscheidung von Staatsbürgern und Nicht-Staatsangehörigen. Nur Bürgern der USA sei das Recht auf freie Ein- und Ausreise gestattet. Die Einwanderung in Grenzen zu halten und in geregelte Bahnen zu lenken - ein drittes Verfassungsprinzip - komme den exekutiven und legislativen Organen der Regierung zu. Wenn sich das Oberste Bundesgericht ("Supreme Court") mit einem Einwanderungsfall zu befassen habe, dann gewöhnlich deshalb, weil dies im Zusammenhang mit dem "due process of law" geschehe. Damit ist das vierte Verfassungsprinzip genannt, wodurch das Einwanderungsrecht beeinflußt wird. Der "Supreme Court" habe anerkannt, daß alle Personen, die innerhalb der USA leben - seien es Staatsbürger, Personen mit dauerndem Aufenthaltsrecht, Besucher, oder selbst illegale Ausländer -, den Anspruch auf einen "due process" und damit auf ein faires rechtliches Verfahren
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durch die Rechtsprechungsinstanzen hätten. Daß diesem Verfassungsprinzip, das durch den Fünften und den Vierzehnten Zusatzartikel zur Verfassung ("Amendment") garantiert wird, in der gerichtlichen Alltagspraxis eine weitreichende Bedeutung im Sinne eines damit einhergehenden faktischen Verweilrechts zukommt, macht Dougherty an modellhaft durchgespielten Rechtsverfahren deutlich. Auch der deutsche Staatsrechder Otto Depenheuer (Köln) setzt bei der grundsätzlichen Erörterung der Einwanderungspolitik am Souveränitätsrecht des einzelnen Staates an. Gegenüber einem abstrakten menschenrechtliehen Ansatz argumentiert er, daß nur der Staat der einzig mögliche Gewährsträger der Menschenrechte sei. So sehr Solidarität zwischen den Menschen ethisch geboten sei, so werde sie praktisch-politisch durch Staatlichkeit vermittelt. Demzufolge obliege die Entscheidungskompetenz über die Einwanderung der staatlichen Gemeinschaft. Staatliche Souveränität ist jedoch nicht unbegrenzt. Wie Depenheuer in der Logik seiner Argumentation betont, müsse Staatlichkeit als globales Ordnungsprinzip aufs Ganze gesehen funktionsfahig sein. Entfalle die friedensstiftende Ordnung, werde jeder einzelne Mensch in einem existentiellen Sinn "staatenlos". In derartigen Fällen sei die Staatengemeinschaft verpflichtet, auch für die Menschen Verantwortung zu tragen, die nicht ihre Staatsangehörigen seien: "Bei fehlgeschlagener Staatlichkeit erwächst den Betreffenden also ein originärer menschenrechtlicher Anspruch auf Einreise und Aufenthalt." Dies treffe zu im Fall von politischer Verfolgung, planmäßiger Vertreibung ganzer Bevölkerungsgruppen und von Massenflucht, die durch drohende Massaker oder Völkermord verursacht seien. Völkermord und Vertreibung führten unter dem Rechtstitel Asyl nicht nur zu Einreiseund Bleiberechten, sie sollten - nach nicht unumstrittener Auffassung, wie Depenheuer bemerkt - unter bestimmten Voraussetzungen auch einen Rechtfertigungsgrund für humanitäre Interventionen bieten. Aus Zuwanderung folgt das Problem der Integration, das Depenheuer als "Wahrung eines zivilisatorischen Grundkonsenses" definiert. Zwei extreme Optionen seien zu vermeiden: Kein Ausländer sei gehalten, sich vorbehaltlos zu assimilieren; er könne aber auch nicht kompromißlos der bleiben, der er gewesen sei. Umgekehrt gelte aber auch: "Die Aufnahme von Ausländern unter der Bedingung, daß sie ihre Identität aufgeben, würde diese in ihrer Personalität und Menschenwürde mißachten und verletzen." 111. Migration, Integration und Arbeitswelt
Inwieweit sind Migration und Immigration wirtschaftlich verursacht? Sollen Arbeitswanderungen eher unterbunden als gefördert werden? Welche
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Einwanderungspolitik mehrt den gesellschaftlichen Wohlstand? Daß es auf diese Fragen keine eindeutigen Antworten gibt, macht der Bochumer Wirtschaftswissenschaftler Jörg Althammer in seinem Beitrag deutlich. Zuwanderung könne aus der Sicht des Gastlandes durchaus wohlfahrtssteigernd sein, wenn die Einwanderer Qualifikationen anböten, die sich zu den Qualifikationen der Inländer komplementär verhielten. Für Deutschland seien dies in der Vergangenheit vor allem niedrig qualifizierte Arbeitskräfte gewesen. Zur Zeit habe sich die Diskussion dahingehend verlagert, daß eher ein Mangel an hochqualifizierten Experten der Informations- und Kommunikationstechnologie konstatiert werde. Stellt sich die Frage, welche Migrationspolitik ökonomisch sinnvoll ist. Da eine vollständige Freizügigkeit einseitige Belastungen des Arbeitsmarktes und des Sozialstaats befürchten lasse, sei sie auf die Süd-Nord- wie auch auf die Ost-West-Wanderung nicht ohne weiteres anwendbar. Wenig zukunftsfähig erscheint Althammer jedoch die derzeit praktizierte restriktive Migrationspolitik. Vieles deute darauf hin, daß Deutschland in den kommenden Jahrzehnten wieder verstärkt auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen sei. Ein Perspektivwechsel der sozialethischen Diskussion sei in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen: Es stelle sich dann nicht mehr die Frage, ob die entwickelten Industriestaaten verpflichtet seien, Einwanderung zuzulassen, sondern es gehe darum, ob es legitim sein könne, den noch im Aufbau befindlichen Volkswirtschaften das vorzuenthalten, oder zu nehmen, was sie am dringendsten benötigten, nämlich gut ausgebildete Arbeitskräfte. Als Erfahrungsorten der Integration kommen Schule und Studium sowie Ausbildung und Arbeitswelt eine Schlüsselrolle zu. Der an der katholischen Universität Eichstätt lehrende Professor für Wirtschafts- und Sozialpolitik Joachim Genosko weist darauf hin, daß eine wesentliche Integrationskategorie, die die Arbeitswelt liefere, in der Teilhabe am sozialen Sicherungssystem bestehe, das seinerseits weitgehend mit dem Erwerbseinkommen verbunden sei. Die Teilhabe an der Arbeitswelt trage nicht nur zur materiellen Sicherheit, sondern auch zur persönlichen Unabhängigkeit bei; sie fördere die Kommunikations- und Dialogfähigkeit und damit die kulturelle Eingliederung. Durch den täglichen Umgang am Arbeitsplatz werde das "Fremde" gleichsam zum "Alltäglichen". Die Integration in die Arbeitswelt vollzieht sich jedoch nicht automatisch. Genosko nennt eine Reihe von Hinderungsgründen: Ein erster bestehe in der fehlenden Sprachkenntnis. Da - entgegen der ökonomischen Theorie - Zuwanderung nach Deutschland ohne eine Aussicht auf konkrete Arbeitsplätze erfolge, entsprächen die Qualifikationen der Immigranten trotz eines teilweise hohen formalen Ausbildungsstandes häufig nicht den Anforde-
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rungsprofilen deutscher Arbeitsplätze. Hinzu komme, daß die Arbeitsverwaltung die Arbeitserlaubnis in der Regel restriktiv handhabe. Mißlinge jedoch die Integration in die Arbeitswelt, so käme es zu einer "culture of poverty" und der damit einhergehenden gesellschaftlichen Ausgrenzung und Ghettoisierung. Um die integrativen Wirkungen, die von der Arbeitswelt ausgehen, zu verstärken, hält Genosko folgende Maßnahmen für unerläßlich: Di.e aktive Arbeitsmarktpolitik müsse verstärkt auf die Bedürfnisse der Zuwanderer zugeschnitten werden. Neben der obligatorischen Förderung der Sprachkenntnisse müßten die Grundqualifikationen der Ausländer und Aussiedler den Erfordernissen einer modernen Industriegesellschaft durch Umschulung und Weiterbildung angepaßt werden. Deutschland brauche ein Einwanderungsgesetz. Für die Vorteile einer derartigen Gesetzgebung würden gerade die USA ein anschauliches Beispiel bieten, sei doch deren führende wirtschaftliche und politische Rolle nicht zuletzt auf eine (gesteuerte) Einwanderung zurückzuführen. Um den wirtschaftlich bedingten Einwanderungsdruck, der von weniger qualifizierten Arbeitskräften auf die entwickelten Industrieländer ausgehe, abzumildern, sei es unabdingbar, daß die großen Industrienationen ihre Märkte für die Länder der Dritten und Vierten Welt (noch) weiter öffneten. IV. Katholiken, amerikaDisehe Gesellschaft und die Suche nach der kulturellen Identität Die katholische Kirche in den USA ist wie kaum eine andere Ortskirche von Einwanderern geprägt. Kamen die Katholiken im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts überwiegend aus den Ländern Mittel-, Westund Osteuropas, so bilden heute die Immigranten aus Mittelamerika, vor allem aus Mexiko, das jüngste und größte Einwanderungskontingent Die "Hispanics" sind zur stärksten ethnischen Minderheit im US-Katholizismus aufgestiegen. Zumeist in einer ethnisch und sozial homogenen Nachbarschaft lebend, ist ihr gesellschaftlicher und kultureller Status in einer englischsprachigen, städtischen und mittelständisch geprägten Umwelt eher prekär; dies macht den Aufbau eigener pastoraler Strukturen erforderlich und eine Seelsorge, die auf die Eigenart hispanischer Glaubens- und Frömmigkeitsformen Bedacht nimmt. Nahezu 25 Prozent der Diözesanpriester, die im Jahr 2000 in den Vereinigten Staaten geweiht wurden, sind nicht im Land selbst geboren. Auf dem Hintergrund dieses Befundes legt der Professor am Priesterseminar von Mundelein (Chicago), Raymond J. Webb, Ergebnisse einer Befragung von Seminaristen der Erzdiözese Chicago vor, deren Geburtsland außerhalb der USA liegt. 2 Rauscher (Hrsg.)
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Weshalb sind diese Seminaristen zum Priesterstudium in die USA gekommen? Welche Vorstellungen haben sie von ihrem künftigen priesterlichen Amt? Was bedeutet ihnen die eigene, was die amerikanische Kultur? Die Auswertung der Fragebogen läßt eine Tendenz erkennen, die sich von dem ethnisch dominierten Priesterbild der Vergangenheit zum Teil deutlich unterscheidet. Wenngleich die Seminaristen mehrheitlich ihre kulturelle Herkunft bejahen, sich zu ihr auch weiterhin bekennen wollen, so verstehen sie sich dennoch nicht primär als Exponenten ihrer ethnischen Gruppe; vielmehr nehmen sie eine offene, wenn auch nicht unkritische Haltung gegenüber ihrer amerikanisch sprachigen und kulturell gemischten Lebenswelt ein. Einige der befragten Studenten hätten den zweifachen Prozeß der Assimilation und Akkomodation bewußt in ihre Lebensperspektive aufgenommen. Sie wollten künftig Priester in einer "Ortskirche" sein und ihr Leben mit der Gemeinde teilen. Wie Webb einschränkend bemerkt, werde es sich jedoch erst zeigen müssen, ob diese Erfahrungen dazu beitragen können, daß die katholische Kirche in den USA künftig klarer zwischen dem, was "katholisch", was "amerikanisch" und was "amerikanisch katholisch" ist, zu unterscheiden vermag. Mit diesem Hinweis berührt Webb historische Ereignisse und Vorgänge, die als Auseinandersetzung über den "Amerikanismus", in einem weiteren Sinn über die "Amerikanisierung" bekannt geworden sind und als Ringen um die Selbstbehauptung der katholischen Kirche und des Katholizismus in der amerikanischen Kultur umschrieben werden können. Der Historiker Philip Gleason von der University of Notre Dame (Ind.) thematisiert diese Zusammenhänge in einer dichten und aspektreichen Vortragsskizze über "Integration als kulturelles und religiöses Problem". Er setzt bei der katholischen Immigration im 19. Jahrhundert ein. Die Katholiken seien damals mit einer Kultur konfrontiert worden, in der Protestantismus und Amerikanismus faktisch identisch gewesen seien, was sich vor allem auf das amerikanische Erziehungs- und Schulwesen ausgewirkt habe. Der Katholizismus habe im Grunde als unamerikanisch gegolten - mit der Folge, daß die katholischen Führungsgestalten es als ihre vorrangige Aufgabe angesehen hätten, die Kompatibilität zwischen Katholizismus und Amerikanismus zu beweisen. Dies habe nicht nur zu sprachlichen und kulturellen Assimilationstendenzen geführt, sondern auch doktrinäre und institutionelle Konflikte ausgelöst. Im 20. Jahrhundert habe sich die Religion als kulturelle Prägekraft abgeschwächt, wenngleich sie als sozialer Faktor wirksam geblieben sei und gelegentlich politische Entwicklungen, wie etwa die Bürgerrechtsbewegung, beeinflußt habe. Nach dem Zweiten Weltkrieg hätten säkulare Denkweisen die intellektuelle Szene bestimmt. Der Protestantismus habe seine Vorherrschaft verloren. Gewissermaßen gleichrangig mit ihm seien nunmehr Katho-
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lizismus und Judentum zu den "drei großen Glaubensrichtungen" aufgerückt, wobei sie gleichzeitig das geistig-religiöse Unterfutter des "American Way of Life" geliefert hätten. Die Säkularisierungstrends und die zunehmende Ausdifferenzierung der religiösen Glaubenswelten hätten dazu geführt, daß von der Religion als solcher keine große politikgestaltende Kraft hinsichtlich der Probleme von Immigration und Integration ausgehe - es sei denn, die kirchlichen Initiativen stimmten mit den vorherrschenden liberal-progressiven Auffassungen (der Clinton-Ära, der Veif.) im Hinblick auf die Aufnahme der Flüchtlinge, die Amnestie illegaler Einwanderer u. dgl. überein. Gleason plädiert für einen differenzierten Umgang mit den Begriffen "Integration" und "Kultur". "Integration" sei in den USA erst in Verbindung mit der Rassenfrage zu einem weithin gängigen und akzeptierten Begriff geworden. Das Konzept der "Kultur" habe einen mehrfachen Bedeutungswandel durchlaufen. Vor allem seit den 1960er Jahren sei die Bedeutung von "Kultur" außerordentlich diffus geworden. Sogenannte "Kulturwissenschaften" ("Cultural Studies") besäßen im akademischen Lehrbetrieb einen beachtlichen Stellenwert. Die auffallendste Entwicklung in den USA bestehe jedoch darin, "Kultur" und "Rasse" in einer merkwürdig verschwommenen Weise zu amalgamieren. Da der Begriff "Rasse" intellektuell nicht reputabel sei, würden bestimmte Minderheiten den schillernden Wortgebrauch von "Kultur" benutzen, um damit Gruppenansprüche zu begründen und durchzusetzen. Dahinter stehe die Behauptung, Opfer des Rassismus geworden zu sein. So sei erneut eine Vermischung von "Rasse" und "Kultur" entstanden, die an das erste Viertel des 20. Jahrhunderts erinnere, nun allerdings unter umgekehrtem Vorzeichen: Sei der Begriff "Rasse" damals im Sinn einer negativen Diskriminierung instrumentalisiert worden, so würden heute die Betroffenen selbst auf die (ethnisch basierte) "kulturelle Unterscheidung" pochen, wobei auch der Vorwurf einer "weißen Schuld" erhoben werde. Dagegen gibt Gleason zu bedenken: Die in Frage stehenden historisch-kulturellen Probleme seien komplex und könnten nicht angemessen verstanden werden, wenn man sie auf die einfache Dichotomie "Unterdrücker-Opfer" reduziere.
Befinden sich die USA auf dem Weg zu ihrer Ent-Europäisierung? Entfernt sich die amerikanische Kultur von ihren christlich geprägten Ursprüngen? Besitzt sie noch jene Ausstrahlung und Anziehungskraft, daß sie die neuen Immigranten aus anderen Kulturen für sich zu gewinnen vermag? Stehen ihr, ohne gemeinsame religiöse und kulturelle Basis, unversöhnliche Polarisierungen bevor? Der Beitrag "Amerikanisierung, Katholizismus und die Zukunft der Assimilation" von Matthew Spatding von der Heritage Foundation (Washington, 2*
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DC) kann in gewisser Hinsicht als Antwort auf diese Fragen verstanden werden. Spalding vertritt die Auffassung, daß die Immigration im Kern eine Frage der politischen Kultur sei. Unter dieser Voraussetzung plädiert er für eine zweite, gleichsam aktualisierte Amerikanisierung, die sich an den politisch-ethischen Prinzipien der Gründerväter der Vereinigten Staaten orientieren müsse. Dies bedeute die Abkehr von kulturrelativistischen Positionen sowie die Betonung der Einsprachigkeit, das heißt die eindeutige Bevorzugung des Englischen im öffentlichen Unterrichts- und Erziehungswesen. Inwieweit jedoch sind sich die Amerikaner ihrer nationalen und kulturellen Herkunft bewußt? Setzt die Forderung nach Assimilation nicht ein ungebrochenes Vertrauen in die eigene Kultur voraus? Spalding, der sich diese Fragen selbst stellt, geht in diesem Zusammenhang dezidiert auf die Rolle der amerikanischen Katholiken ein. Wie er betont, müßten sie die gegenwärtige Situation als Chance und Herausforderung begreifen. Ihre Aufgabe sieht er darin, einem von der älteren liberalen Traditon herkommenden und einem naturrechtlich begründeten Freiheits- und Bürgerverständnis - Spalding beruft sich hier auf Johannes Paul II. - in der amerikanischen Kultur erneut zum Durchbruch zu verhelfen. - Die Katholiken als Sachwalter und Verteidiger der vom christlichen und aufgeklärten Naturrechtsdenken geprägten amerikanischen Ursprungskultur? Dies wäre eine unerwartete Pointe der Geschichte. Unmittelbar in die kulturpolitische Auseinandersetzung führt auch der Beitrag von Michael Novak (Washington, DC). Bei dem hier wiedergegebenen Text des international renommierten Theologen und Templeton-Preisträgers handelt es sich um die Einleitung zu der 1996 erschienenen Neuausgabe seines Bandes "The Rise of the Unmeltable Ethnics" aus dem Jahr 1972. Dieses Buch markiert in der intellektuellen Biographie des Autors gleichsam einen Wendepunkt: der Beginn seiner Abkehr von der antikapitalistisch eingestellten Linken und die allmähliche Hinwendung zu der Einsicht, daß nicht so sehr die ökonomischen, sondern vielmehr die kulturellen Streitfragen als neuralgische Punkte des amerikanischen Lebens angesehen werden müßten. Novaks Überlegungen sprechen verschiedene Argumentations- und Sinnzusammenhänge an. Sie können einmal als Selbstverständigung und Selbstvergewisserung eines nachgeborenen Immigranten gelesen werden, der sich zum geistigen Erbe der Gründergeneration bekennt und ein unverbrüchliches Zutrauen in den amerikanischen Weg besitzt. Zudem geht er auf jene Gründe ein, die ihn zur Revision seiner früheren politischen Ansichten bewogen. Vor allem jedoch setzt sich Novak mit der Ideologie des neuen "Multikulturalismus" auseinander, die seit Mitte der 1980er Jahre die geistig-gesellschaftliche Situation in den USA veränderte und radikalisierte.
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"Verschiedenartigkeit" ("diversity") werde hier nicht, wie noch zu Beginn der 1970er Jahre, vornehmlich ethnisch verstanden, sondern einzig unter rassischen, sexuellen und geschlechtsspezifischen Kriterien begriffen. Kennzeichnend für dieses neue multikulturell agierende Establishment seien ein elitäres Bewußtsein, Intoleranz und ein taktischer moralischer Relativismus. Novak sieht darin die Juden und Christen gemeinsame Auffassung von der Kreatürlichkeit aller Völker und Menschen sowie die universale, transkulturelle Orientierungsfähigkeit, die aus der in personalen und familiären Strukturen gründenden condition humaine erwächst, herausgefordert und in Frage gestellt. Er bejaht die neue Immigration in ihren legalen Formen, er tritt für einen sozial verwurzelten ethnischen Pluralismus ein, der sich an der Vorstellung der ideellen Einheit des amerikanischen Volkes ("E pluribus unum") und am Gemeinwohl orientiert. Ihm widerstrebt die Metapher des "Schmelztiegels" ("melting pot"), die zu statisch und materiell sei, um der Lebenswirklichkeit gerecht zu werden. Novaks Ideal des ethnischen und kulturellen Zusammenlebens entspricht vielmehr dem Klanggefüge der "Symphonie" mit ihren dynamischen und variationsreichen kompositorischen Elementen: Sie erlaube es jedem, sich seine eigene Identität zu bewahren und dennoch einer einzigartigen Grundmelodie zu folgen, wobei das Ganze eine Einheit bilde, die zu erreichen dem Einzelnen und einer Bevölkerungsgruppe allein nicht möglich sei. Summary Germany and the USA have become since the Second World War the most important host countries of immigrants in the world. However, there arises here and there very significant differences in the political perception and cultural acceptance of immigration. The USA has constituted itself since its founding as a society and a nation of immigrants. In contrast, only quite recently the public debate in Germany realized that the flow of immigration during the past decades has become an irreversible political and social problem. On this background the collected essays by German and American authors in this volume reflect different experiences. Common to all is the conviction, that migration, immigration, and integration are challenges, which church, society, and politics in Germany and the USA must meet today and in the future. These challenges have far-reaching consequences with regard to our Christian inspired culture, based on freedom and mutual respect. The essays focus on themes in four areas, as follows: I. Global trends and ethical aspects, II. Immigration as a problern of constitutional law, III. Migration, integration, and their implications with the working world, IV. Catholics, American society, and the pursuit of cultural identity. Corresponding to the sequence of these themes, some basic perspectives, elements, and lines of arguments from the essays are taken up and accentuated in this introduction.
I. Globale Trends und ethische Aspekte
Die globale Herausforderung der Migration General Trends and Processes of International Migration Von Jürgen Schwarz Migration, verstanden als Wanderungsbewegungen von Menschen und Völkern, ist ein uraltes Phänomen der Menschheitsgeschichte. Sie hat immer wieder internationale Strukturen verändert, Staaten und Reiche unterwandert und zusammenbrechen lassen, Kulturen verdrängt und überlagert. Grenzen und Hindernisse (Chinesische Mauer, Römischer Limes, befestigte Städte u. a.) waren gegenüber diesen Wanderungsströmen - trotz gewaltiger Anstrengungen - kaum aufrechtzuerhalten. Solche Veränderungen aber bewirkten nicht einzelne Menschen und Gruppen: diese ließen sich in der Regel in die aufgesuchten Gesellschaften integrieren oder durch Grenzkontrollen fernhalten; Einfluß großen Ausmaßes hatten nur wandernde Völkerschaften, die planvoll unter starker Führung die Grenzen überwinden konnten. Am bekanntesten sind hier die grundlegenden Veränderungen in der Zeit der Völkerwanderung mit dem Höhepunkt im 4. bis 6. Jahrhundert, als geschlossene Volksstämme in anderen Herrschaftsbereichen (Römisches Reich) nach neuen Lebensmöglichkeiten suchten und durch höhere Kultur und bessere Lebensbedingungen angelockt wurden. Deshalb gibt es aus heutiger Rückschau zwar einige Parallelen, aufs Ganze gesehen aber ist das, was heute als internationale oder globale Migration bezeichnet wird, ein zeitgenössisches Phänomen und neu, sowohl für die Wissenschaft als auch für die politische Praxis. Wesentlich neu sind zum einen die weitaus entwickelteren Sicherungsmöglichkeiten der staatlichen Grenzen bei gleichzeitig zunehmender internationaler Interdependenz und die staatlichen Regelungsmöglichkeiten zur Ein- und Zuwanderung, zum anderen die im Rahmen der Globalisierung zunehmende Kommunikation über alle Grenzen hinweg, die wachsenden Erwartungen hinsichtlich der Verteilung von Ressourcen und gesicherter Lebensbedingungen und die internationalen Bewegungsmöglichkeiten. Nunmehr sind es nur noch selten ganze Völkerschaften, die sich zur Migration entschließen, es sind vielmehr Einzelne, Familien, kleinere Gruppen, die sich auf die Wanderung über die Grenzen hin begeben. Ihr Ziel ist in der Regel die Integration in die neuen Gesellschaften, weniger der Aufenthalt für einen limitierten Zeitraum. Nach wie vor gibt es auch in globaler Hinsicht das Phänomen der "Gastarbeiter";
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Rückwanderung nimmt bei dieser Art der Migration allerdings sukzessiv ab. Ein letzter Aspekt vorweg: In den aufgesuchten Gesellschaften "verbinden" sich die einzeln zugewanderten Menschen nicht selten zu kulturund landeszugehörigen Gemeinschaften (Türken, Italiener, Chinesen u. a.) und erschweren dabei die Integration in die kulturellen und gesellschaftlichen Zusammenhänge des neuen Landes.
I. Zum Begriff der Migration Der Begriff "Migration", im Sinne von intraregionaler, inter-regionaler und interkontinentaler, also generell grenzüberschreitender "Bevölkerungswanderung" - auf dieses Kriterium der Grenzüberschreitung hat man sich international als Ausgangskriterium einer Definition geeinigt - umfaßt ein breites Spektrum von weiteren Definitionen, die oft bereits auch auf die Ursachen der Migration hindeuten: Flucht, Vertreibung, Wirtschaftsflüchtling, Aus- und Einwanderung, Asylsuche, (illegale) Arbeitsmigration, "irreguläre Migration" (UN) etc. Aus dieser Definition wird die "Binnenwanderung", das heißt die Wanderungsbewegung innerhalb eines Landes (Landflucht, Arbeitssuche, Katastrophenflucht, ethnische Konflikte, Bürgerkrieg etc.) zunächst ausgeschlossen, wenngleich Binnenwanderung natürlich auch in grenzüberschreitende Migration übergehen kann. Deshalb wird sie auch häufiger und zurecht in Migrations-Statistiken berücksichtigt, ohne daß allerdings eindeutige Unterscheidungen vorgenommen werden können, wenngleich das wiederum im Hinblick auf die Steuerungsmaßnahmen oder zur Prävention internationaler Migration angebracht wäre. Naheliegender erscheint die Nichtberücksichtigung von Touristen, Studenten, Pilgern im Phänomen der Migration, weil sie in der Regel nach relativ kurzer Zeit in ihre Heimatländer zurückkehren. Aber auch hier gibt es eine verdeckte Migration, die jedoch allenfalls bei Studentenzahlen ins Gewicht fallt. So gab es etwa in den USA im Jahre 1999 480.000 und 2001 bereits 800.000 Auslandsstudenten, von denen ein unbekannt hoher Prozentsatz im Lande verblieb. Oft sind die Tatbestände und Arten der Migration nur sehr schwer voneinander abgrenzbar, obwohl von dieser Abgrenzung die Behandlung der Problematik abhängen kann. So wird etwa die grenzüberschreitende Flucht (das Verlassen des Heimatlandes unter dem Druck aktueller Ereignisse) in den Statistiken häufig präziser berücksichtigt als die weniger zu kontrollierende Rückwanderung, die deshalb aber gleichwohl auf erstaunlich hohe Prozentzahlen geschätzt wird. Insgesamt unterscheiden mit der internationalen Migration befaßte Organisationen (UN, lOM [International Organization for Migration] etc.) nach: freiwilliger und angestrebter Migration (voluntary migrants) und erzwunge-
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ner Migration (forced migrants), wobei aber oftmals auch diese beiden Gruppierungen kaum voneinander zu unterscheiden sind. Gerade bei Asylsuchenden bringt dies besonders große Beurteilungsprobleme mit sich. Zur ersteren Gruppe zählt man neben den Studenten auch die Familienzusammenführung, andere persönlich motivierte Migration und Arbeitsuchende, wenngleich gerade diese durch die innerstaatlichen Verhältnisse zum Verlassen des Landes gezwungen sein können. Zur zweiten Gruppe zählen die Menschen, die aufgrund von Verfolgung, Konflikten, Unterdrükkung, Katastrophen, ökologischen Entwicklungen und anderer Gefahren offensichtlich gezwungen sind, ihre Länder zu verlassen. Aber auch hier können die Ursachen, wie wir aus der Asylantenproblematik wissen, kaum überprüft werden. Es bleibt schon in diesem Bereich der Begriffe und Definitionen eine Menge zu tun. Hat man Lösungen in einem Land gefunden, ist es notwendig, sie in einem weiteren Schritt regional oder weltweit (UNO-Ebene) abzustimmen. Gegenwärtig haben etwa die verschiedenen Regionalinitiativen (Regionalregime, die sich mit Migrationsfragen beschäftigen) in (Ost-)Europa, Südostasien, Lateinamerika und Afrika neben den zentralen Koordinierungs- und Konsultationsaufgaben zur Migration auch damit zu tun, eine gemeinsame Sprache, abgestimmte Begriffe und Definitionen zu den Erscheinungen der Migration zu finden. Die zahlreichen ON-Konventionen mit ihrer Begrifflichkeit reichen offensichtlich für die jeweils regional auftretenden Erscheinungsformen der Migration nicht aus. Diskrepanzen gibt es auch in den Regionen, die nicht selten durch die Politiken in der Region und durch die politischen, materiellen und kulturellen Interessen der an den regionalen Initiativen teilnehmenden Länder bedingt sind. In bestimmten Konstellationen können so etwa einzelne Länder oder ganze Regionen den in den ON-Konventionen festgelegten Begriff des "Flüchtlings" für wenig opportun und geeignet halten. Unmöglich aber erscheinen präzisere internationale Übereinkommen hinsichtlich der Begriffe zur Migration nicht, wie schwierige Entscheidungen der UNO zu einem grundlegenden Begriffsapparat immer wieder gezeigt haben (Konventionen der UN; Begriff "Angriff' u.a.). Ob die übereinstinunend festgelegten Definitionen dann auch wirksam angewandt oder befolgt werden, ist ungewiß und gehört gewissermaßen auf eine zweite Entwicklungsstufe. II. Zahlen, Fakten, internationale Trends Eine ähnliche Unsicherheit herrscht bei den Zahlen, Statistiken und Trenduntersuchungen. Die Migrantenzahlen stehen wie die daraus resultierenden Probleme in einem bestimmten Verhältnis zur demographischen Weltentwicklung. Deshalb soll auf diese kurz hingewiesen werden.
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Nach den Berechnungen der Vereinten Nationen (World Population Prospects: The 1996 Revision; UN Population Division 1998 u. a.) lebten im Jahre 1996 etwa 5,77 Milliarden Menschen auf der Erde, im Jahre 1998 nahezu 6 Milliarden und nach den jährlichen Wachstumsraten im Jahre 2001 etwa 6,2 Milliarden. Im Jahre 2015 sollen es 7,3 Milliarden Menschen sein; im Jahre 2050 erwartet man eine Weltbevölkerung von etwa 9 Milliarden (7,7 bis 11,2 Milliarden), wobei die Weltbevölkerung insgesamt weiterhin zunimmt; allerdings nicht mehr im bisherigen Wachstumstempo. Die Population Division der UNO führt diese Verlangsamung des Bevölkerungswachstums wesentlich auf die sinkenden Fruchtbarkeitsraten (Kinderzahl pro Frau) zurück: in Asien sank die Kinderzahl in den letzten 25 Jahren von 5,1 auf 2,6; in Lateinamerika von 5,0 auf 2,7; Afrika bildet allerdings eine Ausnahme mit Abnahme der Kinderzahl von 6,6 auf immer noch 5,1; für die Gesamtberechnung ist die drastisch sinkende Kinderzahl im Bereich Europa-Nordamerika bedeutsam. Die Verlangsamung des Bevölkerungswachstums ist zum einen auf steigende Sterberaten, verursacht durch Krankheiten (AIDS) und Katastrophen, schwerste andauernde Versorgungskrisen, Kriege, ethnische Konflikte zurückzuführen, zum andern aber auch auf gesellschaftliche und kulturelle Fortentwicklung: generell auf die Mehrung des Wohlstandes, die damit einhergehende Bildung und Ausbildung der Menschen und eine veränderte Sicht des menschlichen Daseins. Jedenfalls dürfte die lange Zeit befürchtete "Bevölkerungsexplosion" nicht mehr im Vordergrund von Weltanalysen stehen. Eher die zunehmende Alterung und die Schrumpfung der Gesellschaften, was zu erheblichen Versorgungsschwierigkeiten und anderen Spannungen und Verwerfungen in den Gesellschaften führen dürfte. Eher also als aus exorbitanten Wachstumsraten der Bevölkerung werden aus den Diskrepanzen im Gesamtbereich der Versorgung Ursachen für Migration entstehen. Und diese Migrationszahlen wachsen bislang noch weiter an. Die Zahl der Langzeit-Migranten (die länger als ein Jahr im Ausland verbleiben - so die unzulängliche Definition) hat beständig zugenommen. Auch wenn der Bevölkerungsdruck (im Sinne der genannten Wachstumsraten und Geburtenzahlen) abgenommen hat. Nach einer Berechnung der United Nations Population Division entsprachen der zitierten Migrantendefinition im Jahre 1965: 75 Mill. Personen, 1975: 84 Mill., 1985 bereits 105 Mill. und 1990, dem letzten Jahr, in dem präzisere Statistiken vorliegen, 120 Millionen. Hochrechnungen ergaben, daß die Wachstumsraten in den 90er Jahren anhielten, so daß im Jahre 2000 von 150 Mill. internationalen Migranten ausgegangen wird. Zwischen 1965 und 1975 betrug die Migranten-Wachstumsrate 1,16% im Jahr, die der Bevölkerungszunahme 2,04%; in den Jahren 1985 bis 1990 drehte sich
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das Verhältnis um: die Bevölkerungswachstumsrate sank auf 1,7% im Jahr; das Migrantenwachstum stieg hingegen auf 2,59% im Jahr an. Wenn es keine direkte Wechselwirkung (Automatismus) zwischen Bevölkerungswachstum und Migration gibt, wird man umso intensiver die tatsächlich relevanten Ursachen der Migration untersuchen müssen. Unsicherheiten gibt es auch hinsichtlich der Flüchtlingszahlen (Migrationszahlen), die von verschiedenen Organisationen und Forschungsinstitutionen in die Diskussion gebracht werden. So führt z. B. die UNO im Bereich des UNHCR (UN-Hochkommissar für Flüchtlinge) nur Statistiken über die nach dem Genfer Übereinkommen definierten Flüchtinge (Refugees). Da werden - natürlich nach Ländern und Regionen differenziert - für Ende 1998 21 ,5 Millionen und für Ende 1999 22,3 Millionen Migranten aufgeführt. Zählt man aber die bislang nur geschätzten Zahlen der anderen Migrantengruppen hinzu, dann kommt man nach Berechnungen der UNO gegenwärtig auf die eben schon angeführte Summe von etwa 120 Millionen Migranten, nach Schätzungen des Internationalen Roten Kreuzes allerdings sogar auf 500 Millionen. Vergleicht man die bekannten Zahlen einschließlich der Schätzungen über die Jahre hin, dann könnte man pauschal von einer - hinsichtlich ihrer befürchteten Folgen - erschreckend wachsenden Zahl der Migranten sprechen. Sieht man sich die Gruppen der Migranten und auch die Trendanalysen genauer an, dann kommt man allerdings zu signifikanten Relativierungen: etwa was die intraregionalen oder interkontinentalen Wanderungsströme oder die oben angedeutete Zahl der Rückkehrer in ihre Heimatländer anbelangt, wenngleich die Probleme auch der Rückwanderer geradezu unerträglich bleiben und mit dem Hinweis auf eben diese Rückkehr nicht vermindert werden können. Das Phänomen der Migration insgesamt aber verliert dabei zumindest ein wenig den Anschein seiner Nichtbeherrschbarkeit, und es werden sogar gewisse Lösungsmöglichkeiten erkennbar. In diesem Zusammenhang darf auf die sehr viel präziseren Regionaluntersuchungen verwiesen werden, ohne sie in diesem generellen Überblick im einzelnen aufführen zu können. Hinsichtlich der wichtigsten Weltregionen zeigen sich nämlich interessante Spezifika, die nicht so ohne weiteres auf die globalen Migrationsprobleme übertragen werden können. 1 1 Als politische Antwort auf die wachsende Komplexität der internationalen Migration wurden in den letzten zehn Jahren eine Reihe regionaler Beratungsprozesse initiiert, die nicht nur der gegenseitigen Information, sondern auch kooperativen Absprachen bis hin zu gemeinsamen Aktionsprogrammen dienen. Einen ausgezeichneten Überblick über diese im internationalen und interkontinentalen Rahmen durchgeführten Aktivitäten gibt Amanda Klekowski von Koppenfels in ihrem für die Internationale Organisation für Migration (lOM) verfaßten Bericht: The RoJe of Regional Consultative Process in Managing International Migration, IOM Migration Research Series, No. 3, Geneva, May 2001.
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111. Das Beispiel Westeuropa Wenigstens auf die Region Westeuropa sei in diesem Zusammenhang hingewiesen. Westeuropa ist nach wie vor ein bedeutendes Zentrum für intraund inter-regionale Migration. Charakteristisch ist in dieser Region: Es gibt keinen einzelnen Typus von Bevölkerungswanderung, es gibt kein Land oder keinen Kontinent als dominierenden Ausgangspunkt für Migration nach Europa. Ein breites Spektrum von wirtschaftlichen, sozialen und politischen Prozessen und Geschehnissen verursacht eine Fülle von Bevölkerungsbewegungen in die europäische Region hinein, aber auch wieder heraus. Es gibt ein Hin und Her über das Mittelmeer, Wanderungen von Mittelost- und Osteuropa in die westlichen Länder (Deutschland) und von Afrika südlich der Sahara, von Asien, Lateinamerika und aus den Bereichen der früheren Sowjetunion nach Westeuropa. Etwa 18 Mill. Ausländer (non-nationals) leben in den 15 Mitgliedstaaten der EU, die etwa 375 Mill. Einwohner hat. Das sind etwa 4,86 % der europäischen Bevölkerung. Auf die einzelnen Länder Europas verteilen sich die non-nationals unterschiedlich. Deutschland und Belgien gehören zu den Ländern mit den höchsten Ausländeranteilen (etwa 9%), was aber - wiederum Unsicherheiten in den Statistiken - auch damit zu tun hat, daß etwa Bürger, die in Großbritannien oder Frankreich oder den Niederlanden aus den ehemaligen Kolonien (mit oder ohne entsprechende Pässe) zugewandert sind, nicht als non-nationals gezählt werden. Bedingt sind eben die Migrationsströme nach Europa oftmals durch frühere Kolonialbindungen und andere historische und kulturelle Verknüpfungen; die Menschen kommen aber genauso durch die vielen modernen Verbindungen über Wirtschaft, Technik und Handel, angeregt durch internationale Kommunikation, Info-Netze und mit Hilfe der internationalen Verkehrsmöglichkeiten. Kennzeichnend für die Migration nach Europa ist die Vielfalt der Motive und die Vielzahl der Herkunftsländer. Migranten in Europa kommen praktisch aus jedem Land und aus jedem Kontinent der Erde. IV. Ursachen der Migration Die Präzisierung der empirischen Untersuchungen (von der Definition des Begriffs der Migration über die Aufnahme relevanter Zahlen zu den jeweiligen Wanderungsgruppen bis zu den Trendanalysen) ist eine entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung von Strategien zur Steuerung und Eindämmung der internationalen Migration. Eine Koordinierung dieser empirischen Untersuchungen bis hin zur Organisation präventiver Maßnahmen könnte von Migrations-Regimen in den Regionen und im Rahmen der UNO geleistet werden. An den Untersuchungen und ihrer
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Auswertung im Hinblick auf adäquate Maßnahmen müßten möglichst viele der betroffenen Länder und der hinsichtlich der Forschungsexpertise erfahrensten Länder ad hoc oder dauerhaft beteiligt werden. Bisherige internationale Einrichtungen erwiesen sich bei der Wahmehmung dieser Aufgaben allerdings deshalb oftmals als unzulänglich, weil etwa die Methoden zur Feststellung von Wanderungsbewegungen nach wie vor wenig adäquat sind und Feldforschung in akuten Migrationsschüben (Kriegssituationen) aus finanziellen und politischen Gründen kaum genauer durchgeführt werden kann; Hochrechnungen und Sampie-Methoden führen hier selbst im Hinblick auf Trenduntersuchungen häufig zu unbrauchbaren oder irreführenden Ergebnissen. Auch hinsichtlich der Ursachenforschung zur internationalen Migration, die mit den statistischen Untersuchungen in engem wechselseitigen Zusammenhang steht, gibt es mehr vorschnelle Annahmen als gut belegte Begründungen. So ist man - wie oben ausgeführt wurde - lange Zeit davon ausgegangen, das Bevölkerungswachstum sei ein wesentlicher Grund für wachsende Migrationszahlen. Inzwischen weiß man, daß andere Gründe weitaus wichtiger sind. Das Phänomen der freiwilligen Rückkehr von Flüchtlingen auch in die zerstörten oder riskanten Herkunftsländer blieb lange Zeit zu wenig beachtet. So werden in Afrika bei 3,27 Millionen Flüchtlingen im Jahre 1998 1,3 Mill. Rückkehrer registriert. Von der Gesamtzahl der Flüchtlinge wiederum sind 1,6 Mill. Menschen intraregional bzw. in den Ländern Afrikas oder in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft auf der Flucht. Für 1999 wurden insgesamt 3,5 Mill. Flüchtlinge durch den UNHCR registriert, davon wurden 933.890 als Rückkehrer festgestellt und 640.600 Menschen wurden als "interne Flüchtlinge" (intemally displaced persons) gezählt. Ähnliches läßt sich in den Jahren 1999/2000 für das Kosovo sagen bzw. für die gesamte Konfliktregion Balkan. Eine Folgerung aus diesen Tatbeständen ist, die inter-kontinentale Migration wird durch diese Wanderungsprozesse bislang nur in geringem Maße belastet. Das heißt Europa (mit der Ausnahme von Frankreich) und Amerika sind durch die afrikanischen Migrationsprozesse bislang noch weniger berührt. Dafür aber durch andere Migrantenbewegungen (USA: Mexiko, Cuba, Lateinamerika, Asien). Das kann sich längerfristig natürlich ändern, wenn etwa die Flüchtlinge Afrikas in größerem Maße als bisher über die Mittel verfügen sollten, Zugang nach Europa oder Amerika zu suchen. Alles dies sind nur unzureichend skizzierte Beispiele für das, was sich weltweit entwickelt. Deshalb ist allgemein noch einmal auf die wichtigen Ursachen hinzuweisen, um später adäquate Ansätze für Lösungsstrategien der globalen Migration zu gewinnen. Wesentliche Ursache für lineare wie auch zirkuläre Migration sowohl im nationalen und intraregionalen als auch im inter-kontinentalen Bereich sind
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zum einen Bürgerkrieg, Krieg zwischen Nachbarländern, ethnische und kulturelle Konflikte, Grenz- und Ressourcenstreitigkeiten, zum anderen - und mit den gerade genannten Ursachen oftmals zusammenhängend - die Minimierung der Lebensgrundlagen durch Naturkatastrophen (Klima, Versteppung, Umweltzerstörung, Erdbeben, Epidemien etc.), Destruktion der Wirtschaftsstrukturen, zirkulär bedingte (absolute) Armut (Ernährung, Gesundheit, Ausbildung, Arbeit). Bei der Bestimmung der Ursachen von Migration sind strukturelle Schubfaktoren aus krisenhaften Entwicklungen in den Ländern und Herkunftsregionen und aus ökonomischen und sozialen Verwerfungen oder Entwicklungen der Weltwirtschaft und Weltgesellschaft (Globalisierung) von akuten Schubfaktoren wie Kriegen, Konflikten und Bürgerkriegen, Naturkatastrophen und politischer Verfolgung zu unterscheiden. Bei diesen Phänomenen, die weitaus größere Verbreitung haben, als es selbst die täglichen Schrekkensmeldungen vermitteln, handelt es sich durchgehend um die Zerstörung und andauernde schwerste Gefährdung von Lebensmöglichkeiten (Existenzgrundlagen), die nationale oder transnationale Migration erzwingen. Es handelt sich um katastrophale und psychologisch oftmals irreversible Einschnitte in die Lebensführung. Die Menschen werden zeitweilig oder dauerhaft aus ihren angestammten Wohngebieten vertrieben. Als Sogfaktoren bezeichnet man hingegen ein entsprechend höheres Wohlstandsniveau, stabilere politische Verhältnisse, relativen Frieden, günstigere Lebensbedingungen bis hin zu Arbeitsangeboten etc. in den angestrebten Zufluchtsländern. Oftmals sind die Grenzen zwischen Schub- und Sogfaktoren, zwischen mehr oder weniger freiwilliger Migration und erzwungener Flucht schwer auszumachen. In der Regel migrieren oder flüchten Menschen nicht nur aus einem Grund, sondern haben Bündel von Motiven. Und unterschätzt wird meist auch die Bindung in Ethnien, in Heimatregionen und originären Lebensverhältnissen; es muß sich - vor allem auch bei großen Migrationsbewegungen - schon um die gravierende Bedrohung der Lebensmöglichkeiten handeln, um Familien und größere Bevölkerungsgruppen auf Migrationswege vor allem über die Grenzen hinweg zu bringen. Sowohl die lineare (also in der Regel nicht umkehrbare) als auch die zirkuläre Migration findet sich bei Wanderungsprozessen im Binnen- wie im grenzüberschreitenden Bereich. Über Gesundheit, Ausbildung und Lebensmotive (totale Armut, Teufelskreis der Armut, Suche nach der letzten Überlebenschance, pursuit of happiness, Nutzenkalkül etc.) der Migranten liegen bislang nur pauschale Erkenntnisse vor, wenngleich diese aus der Entwicklungsländerforschung auch im einzelnen hinreichend bekannt sind. Man vermutet, daß es in Afrika meist um das schiere Überleben geht, und man weiß, daß die Abwanderung aus der DDR 1989 - völlig legitim - als Lebenschance gesehen und ihre Wahrnehmung kalkuliert wurde.
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Nur eine präzise Definition und eine nach bestimmten Kriterien (strukturelle und akute Migration) vorgenommene Gewichtung der Ursachen für Migration erlaubt die Entwicklung von Strategien und konkreten Maßnahmen zur Steuerung, Eindämmung und präventiven Vermeidung von Migration. In den gefährdeten Gesellschaften und Regionen sollten durch die Vereinten Nationen durchaus unter voller Beachtung der Souveränität der betroffenen Staaten, den Seismographen gleich, Institutionen zur ständigen Beobachtung der Gesellschaften eingerichtet werden. V. Strukturelle Veränderungen im internationalen System
Neben anderen und auf den ersten Blick wichtigeren, weil determinierenden Prozessen im internationalen System, wie der globalen Wirtschaftsentwicklung (Globalisierung) oder der weltweiten Entwicklung von Religionen und Kulturen, ist die Migration ein typisches Phänomen transnationaler Beziehungen in einer zunehmend interdependenten Welt. Die Migration gehört zu den Prozessen, auf die die einzelnen Staaten und ihre Regierungen, in denen Migration entsteht, nur noch in abnehmendem Maße Einfluß nehmen können. Und zwar deshalb, weil das Phänomen Migration hinsichtlich Entstehung und Abläufen außerordentlich komplex geworden ist und bisher wirksame Methoden zu seiner Steuerung nicht mehr ausreichen oder obsolet geworden sind. Paradox erscheint zudem, daß Migration zum einen vermieden werden soll und zum andern meist nach dem Nutzenkalkül und weniger unter humanitären Gesichtspunkten zugelassen wird - zumindest was die Industrieländer anbelangt. Auf der einen Seite ergeben sich die Ursachen der Migration aus der komplexen Gesamtbefindlichkeit von Staat und Gesellschaft; sie rühren dabei häufig an die menschlichen Existenzgrundlagen und werden nicht zuletzt durch internationale Kommunikation, fortschreitende Aufklärung der Bevölkerung, auch ihrer weniger privilegierten Gruppen, sichtbar und spürbar. Die in erstaunlichem Ausmaß perzipierten Ursachen münden schließlich ein in verzweifelte oder kalkulierte Existenzentscheidungen einer zunehmend größer werden Gruppe von Menschen. Wir finden solche Entscheidungsprozesse zur Migration keineswegs nur in den sogenannten hochentwickelten Gesellschaften (z. B. DDR im Jahre 1989), wo die psychologischen Implikationen der Entscheidung zur Migration intellektuell kompensiert werden können, sondern auch in den weniger entwickelten Staaten (z. B. Ruanda, Burundi), wo eine Loslösung aus dem Lebensverband unter Umständen weitaus schmerzlichere Folgen haben kann und emotional verkraftet werden muß. In solchen Fällen ist die Bereitschaft zur Rückkehr in das Herkunftsland allerdings ebenfalls höher entwickelt, auch 3 Rauscher (Hrsg.)
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unter Hinnahme unveränderter und defizitärer Lebensverhältnisse bis hin zum Risiko der Lebensbedrohung. Auf der anderen Seite reichen gegenwärtig die herkömmlichen Steuerungsmittel des Staates nicht mehr aus, um eine Migration zu unterbinden. Vor allem die Kontrollmöglichkeiten der Ausreise sind unter den modernen Bedingungen der internationalen Transparenz und Unterstützung weithin weggefallen oder werden vom Staat, weil er an einer Ausreise bestimmter Bevölkerungsgruppen interessiert ist, nicht mehr angewandt. Zu den eingeschränkten Steuerungsmöglichkeiten des Staates zählt darüber hinaus die Unterbindung der Migration durch Beseitigung ihrer Ursachen in Staat und Gesellschaft. Rigide politische und ideologische Systeme korrespondieren hier mit wirtschaftlich und sozial nicht leistungsfähigen Staaten. Häufig sind es - faßt man die Kriterien zusammen - Staaten, die den Bedingungen eines modernen Staates (Transparenz, internationale Kooperationsfähigkeit und Kooperationswilligkeit, Demokratie, Rechtsstaatssystem, soziale Marktwirtschaft) nicht entsprechen (können), die aber gleichwohl an den klassischen Kriterien des Staates wie Souveränität und Nicht-Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Staates festzuhalten suchen. Auf den Punkt gebracht: Die globale Migration erscheint im gegenwärtigen internationalen System als gegenläufige Kraft zur nationalstaatliehen Souveränität; sie scheint die Souveränität des Staates (vornehmlich des Herkunftslandes) und damit ein nach wie vor zentrales internationales Ordnungsinstitut in Frage zu stellen. Zumal auf ähnliche Weise und korrespondierend mit der Frage der Souveränität auch die souveränen Handlungsmöglichkeiten der Zufluchtsländer herausgefordert werden. Auch sie werden nämlich durch eine entsprechende Politik und mit gesetzlichen Regelungen (Einwanderung, Zuwanderung, Asylrecht, Integration etc.) auf Migration als einem der typischen Phänomene der interdependenten und globalisierten Welt antworten müssen. VI. Die Rolle des modernen Staates Trotz aller internationaler Veränderungen und bei Eingrenzung dessen, was als Souveränität des Staates bezeichnet werden kann, wird und muß der souveräne Staat aber auch weiterhin eine herausgehobene Rolle bei den Problemen der Migration spielen; wie hinsichtlich anderer internationaler Ordnungsprobleme gibt es hier zu den dominierenden Funktionen des Staates keine Alternative. Bei der Lösung der Probleme wird vor allem die Leistungskraft des modernen Staates herausgefordert werden; dabei sind vor allem die Kriterien der Offenheit gegenüber den globalen Prozessen der Migration (d. h. Auf-
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nahme, Zuwanderung, Integration) und der internationalen Kooperationsbereitschaft unumkehrbar. Ein Rückzug auf nationalstaatlich-egoistische Positionen kann für den modernen Staat keine Option sein. Offenheit und Kooperationsbereitschaft aber setzen voraus, daß auch die anderen Konstitutiva des modernen Staates (Demokratie, freiheitliches Rechtssystem, soziale Marktwirtschaft) gesichert sind; sie erst machen den modernen Staat international kooperationsfähig. Daß hier ambivalente Entscheidungssituationen (hier: die Steuerung von Migration und Zuwanderung, die kontrollierte "Abschließung" des Staates, und dort: Einwanderung und Integration, die kontrollierte "Öffnung" des Staates) entstehen können, liegt auf der Hand. Ganz unübersehbar wichtig aber bleibt, daß die Entwicklungspolitik der Industrieländer auch unter den Aspekten der modernen Herausforderungen der Migration erneut einen angemessenen politischen, materiellen und kulturellen Stellenwert erhält.
VII. Im Zeichen der Globalisierung Auch in makroanalytischer Sicht stellt die Migration ein sich verstärkendes Grundproblem der Weltpolitik dar. Sie bewirkt eine Reihe von Implikationen für Struktur und Stabilität des internationalen Systems. So zeigt sie nicht nur die - eben angedeuteten - Schwächen des Nationalstaates an, auf die Herausforderungen der Migration adäquat zu reagieren; sie destabilisiert in gewisser Hinsicht auch durch innenpolitische und interkulturelle Konflikte sowohl die Herkunftsländer als auch die Transit- und Zufluchts(Empfangs)länder. Zwischen Nord und Süd sind neue Interessenkonflikte und Instabilitäten absehbar, wenn sich die Trends der Migration in stärkerem Maße auch im inter-kontinentalen Bereich fortsetzen würden. Ohnehin gibt es bereits ein beträchtliches, oftmals noch latentes Eskalationspotential regionaler Konflikte. Auf längere Sicht kann es zudem zu direkter oder indirekter Gefahrdung westlicher Interessen in den für die Industriestaaten geostrategisch und ökonomisch wichtigen Räumen (Asien, Naher Osten u. a.) kommen. Jedoch muß festgehalten werden, daß sich die inter-kontinentale Migration (mit der signifikanten Ausnahme Nordafrika-Südeuropa) in Grenzen hält; noch reichen die europäischen gesetzlichen und politisch-technischen Kontrollmöglichkeiten aus oder werden gerade fortentwickelt, um die Zuwanderung in Grenzen zu halten und Integration zu ermöglichen. Zudem fehlt es der Mehrzahl der Migranten bislang an den notwendigen Mitteln, inter-kontinentale Wanderungen durchzuführen. Das Schwergewicht liegt also augenblicklich eher auf der Süd-Süd-Migration, das heißt sie erstreckt sich dort von den Herkunftsländern auf die Nachbarstaaten und die Region. In der (wirtschaftlichen) Globalisierung kann - entgegen einer immer wieder erhobenen Behauptung - keine dominante Verursachung der Migra3*
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tion gesehen werden. Sie erhöht mit steigenden Wohlfahrtsniveaus in möglichen Zufluchtsländern aber sicherlich die Sogwirkung. Diese aber wäre auch ohne weltweite Entwicklung einer "freien Marktwirtschaft" (Globalisierung), einem so gesehen partiellen Prozeß, vorhanden. Allein deshalb schon, weil die Attraktion durch wohlhabende Nachbargesellschaften immer schon wirksam war und die Kenntnis über bessere Lebensverhältnisse in anderen Ländern und Kontinenten durch Bildungsprozesse und Kommunikationstechniken (Rundfunk, Fernsehen, Printmedien) weit und in zunehmendem Maße in die (darbenden und weniger begünstigten) Gesellschaften hineingetragen wird. Globalisierung könnte im Sinne einer sogenannten Wohlstandsflut durchaus auch das Wohlstandsniveau in Entwicklungsländern erhöhen und damit - um im Bilde zu bleiben - die "gestrandeten Boote" flott machen. Damit würden natürlich auch die Ursachen für Flucht und Migration abgebaut werden. Allerdings bleibt solch eine Erwartung Spekulation, solange die "Boote" (Entwicklungsländer) leck sind und wirtschaftliche, politische und strukturelle Defizite in Staat und Gesellschaft nicht beseitigen können. Um noch einmal das Bild zu bemühen: solche "Staatsschiffe" werden kaum "flott" werden; sie gehen mit der globalen "Wirtschaftsflut" eher vollends unter. In solchen Ländern erhöht sich der Migrationsdruck aus schieren Überlebensgründen und aufgrund der sichtbaren und perzipierten Diskrepanzen bei den Wohlstandsgefällen. Es muß in diesem Zusammenhang allerdings darauf hingewiesen werden, daß dieses Dilemma keineswegs vornehmlich oder direkt auf die Globalisierungsprozesse zurückgeführt werden kann; ganz abgesehen davon, daß die wirtschaftlichen Globalisierungsprozesse durch die Staaten nicht gestoppt, sondern allenfalls - und das in nur sehr eingeschränkter Weise - gesteuert werden können. Zudem liegen die Ursachen für Migration nach wie vor eher in den höchst unterschiedlich strukturierten und problembelasteten Gesellschaften (Katastrophen, Krankheiten, Nahrungsmangel, Kriege, ethnische und religiöse Konflikte etc.). Makroanalytisch- so steht zu befürchten - kann man an die Beseitigung solcher Ursachen nur begrenzt herangehen. Die angezeigten Folgeprobleme der globalen Migration sind nur durch internationale Kooperation der Staaten vor allem in und mit internationalen Organisationen, mit den NGO's (Non-Governmental Organizations), vornehmlich aber mit den IGO's (International Governmental Organizations) zu beherrschen. Die Steuerung von globaler Migration erscheint möglich und ist notwendig entgegen einem allzu großzügigen Laissez-faire und entgegen einer sozialwissenschaftliehen Theorie von den sich selbst steuernden (autopoietischen) Systemen auch im internationalen Bereich. Auf der anderen Seite aber wird es auch keine Weltregierung, nicht einmal ein zentrales Weltregime geben. So wie es in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Ver-
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einten Nationen (sie!) heißt, werden die Nationen (als Staaten) nicht verschwinden und von ihren entsprechenden Funktionen auch durch international enger werdende Kooperation und durch Weltregime in wichtigen Fragen (WTO [World Trade Organization], IMF [International Monetary Fund], Weltbank u. a.) nicht entbunden werden.
VIII. Überlegungen zur Steuerung von Migration Für die präventive Vermeidung, die Eindämmung, Steuerung und Auflösung der Ursachen wie der Folgeproblerne von Migration könnten die folgenden Aspekte zweckdienlich sein: 1. Eine Migrations-Politik muß in den Herkunftsländern der Migranten ansetzen. In idealtypischer Perspektive müßte den potentiellen Herkunftsländern in der ganzen Breite von Entwicklungspolitik und mit den jeweils adäquaten Mitteln und Methoden geholfen werden, sich zu modernen Staaten zu entwickeln. Das ist natürlich unrealistisch, weil die für eine solche Politik notwendigen Potentiale das Leistungsvermögen eines jeden GeberLandes und das aller internationaler Organisationen übersteigen würden. Deshalb muß für alle akut gefährdeten Länder eine mittelfristige Notstandsplanung im Hinblick auf die wesentlichen Konfliktpunkte des jeweiligen Landes entwickelt werden (präventives Krisen- und Konfliktmanagement). Dazu müßten bei den relevanten internationalen Organisationen (UNO, Weltbank, IMF, EU etc.) die für den akuten "Eingriff'' notwendigen diplomatischen Methoden entwickelt und die erforderlichen Mittel bereitgestellt werden. Das fügt sich etwa in die Diskussionen bei der UNO über die Fragen eines verbesserten internationalen Krisenmanagements, der Prozesse des Peacekeeping, des Peacemaking und des Peace enforcement. Mittelund langfristig schließlich muß diesen Ländern entsprechender Zugang zu gezielt eingesetzter Entwicklungshilfe ermöglicht werden. Prinzip ist auch in diesem Bereich "Hilfe zur Selbsthilfe", das heißt die "gefährdeten" Länder müssen instand gesetzt werden, sich wesentlich aus eigenem Vermögen heraus zu freien und modernen Gesellschaften und Staaten zu entwickeln.
2. In diesem Zusammenhang müssen auch die Maßnahmen der Nationalstaaten im Hinblick auf die nationalen wie globalen oder generellen Problerne der Migration diskutiert werden. Das kann im Rahmen dieses Überblicks nicht geschehen. Es sei nur der Hinweis erlaubt, daß diese staatlichen Maßnahmen und Regelungen, die meist im Bereich der Innenpolitik ressortieren, auch als Beitrag zu den Aktivitäten auf internationaler Ebene, also als Teil der Außen- und der modernen Sicherheitspolitik verstanden werden können. Die Staaten leisten dabei einen geradezu unverzichtbaren Beitrag zur Arbeit der EU, der UNO, der Weltbank, des IMF und anderer internationaler Organisationen, die sich mit der Migration befassen. Auch
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Deutschland als der Welt drittgrößter Beitragszahler der UNO und ihrer Sonderorganisationen, insbesondere der Weltbank und des IWF (Internationaler Währungsfonds), verfügt über außerordentliche Verantwortung und über Mitwirkungsmöglichkeiten im bedeutsamer werdenden Bereich der internationalen Migration. Allerdings kann nicht übersehen werden, daß sich Deutschland im Bereich der Finanzierung von Entwicklungspolitik, die wesentlich ist für die Auflösung von Ursachen der Migration, sukzessiv "zurückgezogen" hat. Es werden von deutscher Seite zwar viele Programme über die Europäische Union und über die genannten Organisationen direkt und indirekt finanziert, das kann allerdings nicht verdecken, daß das von der UNO einst vorgegebene Ziel von Zahlungen in Höhe von 0,75 % des nationalen Bruttosozialproduktes (BSP) zu keinem Zeitpunkt erreicht, sondern bei weitem unterschritten worden ist. Das Volumen der deutschen Entwicklungshilfe berechnet auf das BSP und als Etatposten im Bundeshaushalt nimmt weiterhin ab. 3. Damit ist die Kooperation im internationalen Bereich angesprochen. Nur hier können im günstigsten Falle die Potentiale bereitgestellt werden, die notwendig sind, um internationale Migration zumindest in zentralen Punkten und in ihren extremsten Ausmaßen zu lenken und vor allem, die Ursachen zu beseitigen. Es besteht bei differenzierter Analyse der Migrationsproblematik und einer ebenso entwickelten Steuerungsstrategie durchaus die Hoffnung, die globale Herausforderung durch Migration zumindest in zentralen und kritischen Punkten meistem zu können. Allerdings - und das ist die eigentliche Herausforderung - müssen die dazu erforderlichen Anstrengungen weit über Wirtschaftsmechanismen und krudes utilitaristisches Denken, das die Welt zu beherrschen scheint, hinausgehen. Auch im internationalen Bereich müssen in dieser Hinsicht weitaus stärker als bisher ethische Maßstäbe (Justitia, Sapientia und Caritas) eingebracht werden. Aber darüber, was Grundwerte im internationalen System, was eine ethische Grundlegung internationaler Politik sein könnte, herrschen gegenwärtig in der Welt noch größere Unterschiede der Sichtweisen und Begründungen als bei der Durchsetzung universal anerkannter Menschenrechte. Hier stehen die Diskussionen zur Migration noch am Anfang einer für die gesamte internationale Politik unverzichtbaren Entwicklung. Summary This general introduction on the international scenario of rnigration tries to point out sorne crucial issues which rnight have sorne irnpact on the discussion within this book. (1) There should be rnore ernphasis on the ernpirical analyses of data, facts and trends of international rnigration. (2) The research work on the roots of and the
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motivation for international migration is still insufficient. Robust politics to counter international migration or to steer these processes severely depend on precise and systematic scientific studies. (3) To find ways and means to control and to balance international areas is far smaller than analysts figured out and in the long run numbers are even declining. (4) Over the last years and in close connection with the development of underdeveloped countries, the problems of international migration have already changed structurally, politically and psychologically. Further solutions depend on the study of these changes. (5) The nation-state is still the main actor also respect to any solutions for international migration. There should be international or regional regimes of nations (under the auspices of the United Nations) to coordinate, to analyze and to manage international migration preventively in the long run and effectiveley in acute conflict situations.
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Moral Aspects of Immigration Policy By Jude P. Dougherty While the "global village" is bringing the world closer togetber, John Paul II has warned tbat it may also work against people, especially those from countries that Iack economic advantages. On tbe occasion of the publication of bis message for World Immigration Day 2000, the Holy Father made a special appeal for solidarity in favor of thousands of "desperate men and women, many of whom are young", wbo "every day face sometimes dramatic risks to escape from life without a future" (ZENIT, Dec. 6, 1999). Tbe pope acknowledges that many countries make great efforts to welcome and integrate immigrants into their societies. But, he says, "the misunderstandings tbat foreigners often experience reflect the need to urgently transform structures and change mentalities". He continues, "On the one band, globalization accelerates the movement of capital and tbe exchange of goods and services among men, inevitably influencing human movements". But he recognizes that, on the other band, globalization causes new cleavages. In the context of unbridled freedom without adequate brakes, the difference between rieb nations and poor nations becomes more profound. "The former have capital and technology that enables them to enjoy the planet's resources, a faculty they do not always employ with a spirit of solidarity by learning to sbare". Poorer nations bave a difficult time acquiring tbe necessary resources for development. Crushed by debt and lacerated by political divisions, they sometimes dissipate what little they do have. John Paul II denounces those countries, which, despite having relative abundance, tend to close their borders under pressure of public opinion. "The process of globalization", John Paul continues, "could be an opportunity if cultural differences are accepted as a reason to meet and dialogue and if the unequal distribution of the world' s resources stirs a new awareness of the unity of the human family. If, on the contrary, the inequalities become worse, countries will be prisoners of the insatiable frenzy to concentrate the available resources in their own hands". Because tbe United States is a nation of imrnigrants, it migbt be expected to maintain those policies which led to its present character. Yet, its immigration policy seems from one perspective to be anything but friendly and does not seem to be driven by a desire for immigrants. In discussions
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of immigration policy, Congress, state legislatures, and community forums stress job skills, language proficiency, and economic self-sufficiency of the prospective immigrants. In Califomia, for example, voters in 1994 passed Proposition 187, which denied welfare, health care, and some benefits to undocumented aliens and their children. Border patrol operations are periodically intensified to stem the tide of illegal immigrants to the United States. Available data disclose that what many Americans regard as an "immigration problem" is more accurately a problern of illegal immigration. The image many have of secret border crossings under cover of night is only partly true. The INS (Immigration and Naturalization Service) estimates that 60 percent of the annual increase in the illegal immigration population is attributable to temporary visitors such as students, temporary workers and trainees who overstay their visas. The criteria used to determine present immigration Ievels into the United States may indeed be reasonable, i. e., family members, refugee and asylum seekers, and workers needed for the U.S. economy, yet appropriate numerical Ievels for these immigrants have not been determined. Consequently, many seek to enter the United States illegally rather than be put on interminable waiting lists with no assurance of ultimate success. The U.S. has a work force of 139 million (Sources: Citizenship and Immigration Canada, U.S. Immigration & Naturalization Service, as reported in WallStreet Journal, December 9, 1999). Of the 660,000 foreigners in the United States accepted as permanent residents in 1998, 476,000 had family ties; 77,000 others came as employees or were spouses and children of employees. Among working immigrants, half were academics, executives, or celebrities. Canada accepts proportionally more immigrants than any other country, about 280,000 a year, roughly 13 percent refugees, 30 percent relatives, and 55 percent workers. Its policy is admittedly govemed by self-interest, and its processing of applicants is quick and easy. The applicant has only to fill out a scorecard on the Web and add up the points awarded for age, education, language, occupation, experience, and a few other items. A tally of 70 points passes. If you are under 40 years of age, speak English or French, and have some kind of degree, you are in. No visa lottery. But jobs are not necessarily available. Real jobs and the vocations Iist may not coincide. Coming into Canada is one thing, but after that, the immigrant may face hardship in securing a suitable position. Immigration profits the West if it is made fruitful through integration. Otherwise it Ieads to isolation and produces tension. Language skills, vocational training, and jobs are the obvious keys to successful integration. Ille-
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gal immigration and abuse of the right of asylum are different matters and are rightly resisted. Regulated immigration policy and liberal asylum policies are contingent upon a clear distinction being made between legal and illegal immigration and a clearly formulated asylum policy. Combating abuse of asylum is a prerequisite for fostering a favorable consensus, one which is not only tolerated but supported by the majority of the population in the host country. Globalization of the world economy and intemationally organized crime, including illegal immigration, are presenting North America and Europe with problems. There is evidence that international gangs that smuggle people into countries are often better organized and equipped than the state authorities responsible for border controls. The need for coordinated policy is illustrated by the June 2000 tragedy of 58 Chinese suffocating to death trying to cross the Channel into England, where the laws are more liberal than those of any other European Union nation and where the Chinese would likely have been granted asylum. The European Union has undertaken to guarantee unrestricted freedom of the movement of persons, goods, and capital within the Union. But it has not put into place adequate safeguards to protect extemal frontiers from illegal immigrants. Without border control, the political aim of making Union citizenship tangible is likely to be jeopardized as member nations institute their own restrictions. John Paul II has often remarked that the causes of immigration need to be addressed. Economic causes are only one source; political conflicts and the collapse of state authority in many nations are equal sources. It is obvious that immigration is a one-way street, with the coveted terminus for most being either North America or Europe. The reasons are not difficult to discem. A recent report by Elizabeth Rosenthai from Fuzhou in the seaside area of southem China (New York Times, June 23, 2000) tells of a small Chinese village which has lost 80 percent of its men between the ages of 20 and 40, who, despite risks, have immigrated illegally to the West to work and to prosper. The rewards are great. Working as waiters or construction workers, the illegal immigrant can easily earn $ 2,000 a month in Califomia, whereas in the Fuijan Province his Iabor would eam a mere $ 40. In spite of the dangers associated with the illegal travel, which sometimes takes the illegal immigrant with forged travel documents through a series of countries, crossing borders on foot or packed in airless trucks, most Chinese do get through and are very successful, both in terms of sending money home and in bringing more relatives over. Can the so-called rich nations alleviate poverty in underdeveloped countries? Available data do not present an optimistic picture. As a result of
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initiatives taken within the United Nations, since 1995, 75 nations have adopted plans to reduce poverty and 38 have established concrete objectives. An additional 40 are still working on strategies to address the problern. Yet Theoben Guvinab, president of the U.N. General Assembly estimates that there are more people living in poverty today than there were five years ago (ZENIT, June 25, 2000). Will assistance to the poorer nations of the world lessen the desire to immigrate? We know that the wealth of a nation has less to do with its natural resources than with its political stability within a framework of laws that respect an individual's right to life, liberty, and property. Some of the poorest nations of the world are rich in natural resources; some of the riebest are without significant natural resources. The culture of a populace, its form of government, its work habits, indeed its philosophy determine a nation's achievement. Why then should a successful country allocate its resources to a failed society? We may speak of "human solidarity", the "brotherhood of man under the fatherhood of God", or "socialist internationalism", but welcoming immigrants into one's country comes down to the charitable impulse which fortunately seems to be a part of human nature itself. Seif-interest alone cannot account for national altruism. Global peace is only a secondary objective and does not play a determining role in the aid proffered by the West to some of the weakest nations of the world. Apart from motivation, is charity - call it international aid - up to the task? Does charity ever help the inveterate poor or poor individuals? Does not the quest for self-sufficiency have to come from the self, and is this not true of nations as weil as individuals? Education may be the only key to the acquisition of those skills which lead to long-range economic and moral success, but more than technical skill is required. Successful government depends upon the presence of intellectual and moral virtue in the populace. The Western culture we take for granted, even as it is attacked and undermined in the academy, has its roots in antiquity and represents an intellectual perspective which is symbolized by Jerusalem, Athens, Rome, and medieval Paris. That culture finds expression in the law, science, and technology as weil as theology and religious practice. lt is a culture not universally shared, and therein lies the problern of assimilation. Can Moslems en masse be assimilated into Western culture? lndividually they may be enamored with the fruit of Western technology and contribute to its advancement, but Islamic tenants are hostile to much of Western culture. Islamic adherence to its own tradition is far more tenacious than the Western mind is to its own. Christians may make concessions, but these are not always reciprocated.
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We cannot ignore the fact that Christians and Moslems have been at war with each other whenever immigration has brought them into the same territory. This was true in medieval times and remains true today in lndonesia as weil as the Philippines, the Sudan, and Bosnia. The perpetual conflict between India and Pakistan is another example of a conflict grounded in the intellectual order which peace efforts do not seem to bridge. With reference to the United States, Michael Novak has spoken of the unmeltable ethnics. He has observed that even after generations, groups retain at least some of the customs reflective of their national origins. Poles and Czechs retain many of their folk customs; Germans, Italians, and Mexicans, their cuisine. But these are superficial differences and may even enrich the popular culture. Until the last half of the 20th century, most immigrants to the United States were European. They were eager to assimilate, often at the expense of forfeiting their native language and national customs. Today that does not seem to be the case. Many immigrants never seek citizenship, and in the case of Latin Americans, they demand that the schools in the United States provide instruction in their native Spanish. Almost 30 percent of the immigrants now living in the United States are of Mexican origin. Present in such great numbers they are able to maintain their identity, culture, and language, pushing assimilation into the distant future. In the United States, minority demands tend to be accommodated at the expense of the majority, which is to say the common good. Before the law, minority rights usually trump those of the majority. How much can a culture - indeed, a civilization - yield and still remain viable? In the United States we have seen the migration of rural blacks from the South and immigrants from abroad change the face of our cities. Washington, DC, is approximately 70 percent black; its schools, 97 percent black.. True integration remains to be accomplished. The crime-ridden, graffiti-covered "housing projects" on the periphery of Paris provide a European example of failed integration. Respect for the rule of law, Iet alone the work ethic, is not shared by all. Immigration policy has to respect these differences in spite of demagogic or political pressure that asks us to overlook such disparities. The common good demands it. Authorities should not allow vague appeals to a common brotherhood engender destructive policy or undermine the very culture that attracts the immigrant to the host country. Care must be taken in the employment of metaphors expressing obligation. Charity is not mindless. I am not sure that there are exact parallels between personal charity and the obligations attributed to a nation. Yet there may be lessons to be learned from the Fathers of the Church. Both Jerome and Augustine, following the biblical mandate, recommended charity, but both made a distinction between the deserving
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and undeserving poor. For Augustirre the obligation to the undeserving may not be alms but instruction or admonition. Both recognized that the obligation for charity rightly followed surplus but did not entail the introduction of hardship into one's own area of responsibility. Of course, Augustirre cautioned, we should not be too fastidious in discriminating between the deserving and undeserving lest we never give to anyone. Analogically, does this have a bearing on immigration policy? Clearly both Jerome and Augustirre recognized that the first law of human nature is self-preservation, which for us means also maintaining our Christian-inspired culture and also the obligation to maintain and to foster a young and growing population. Although some may say, "Give until it hurts", the common teaching seems to be, "Give out of your surplus". Similarly, calls for the remission of debt should acknowledge what is being asked. Debt remission entails further taxation by a govemment or the dilution of the equity that workers through their pension funds hold in corporate entities. Govemments remitting debts having no eamings of their own must extract eamings from a productive population. Corporations taking writeoffs of bad debts dilute earnings and consequently the value of pension funds which are the source of much corporate investment. The obligation of a dock band in Baltimore or a farmer in Illinois to relieve a corrupt regime in Zimbabwe or Anglo is not clear. Relieving third world debt often accomplishes nothing more than making life easier for the next corrupt regime. International aid rarely alleviates the Iot of the populace as a whole. Although well-intentioned, the morality of debt relief is indeed questionable. Obviously that which creates surplus needs to be perpetuated. The doors to immigration cannot be opened indiscriminately. The contribution of the immigrant and prospects for assimilation must be taken into account. All aspects of the culture need not be shared by the immigrant, but a respect for the traditions of the host country and a capacity for self-reliance are fundamental. Still the immigrant cannot be valued only for what he can contribute. A means test may be necessary, but it cannot be the sole criterion. In the years to come the United States, for example, will want more "citizens" to sustain its aging population (Social Security payees) and more workers to sustain its industrial and technological economy. lt is not unlikely that some will seek a policy that admits only the very skilled and technologically adept immigrants, a policy, which unmitigated, would result in a stringent "means test". The current U.S. policy, which favors families, seems reasonably humanitarian and one would hope would be maintained even as policy toward illegal immigrants rightly becomes more stringent.
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I think it is plausible to say that heretofore peoples have looked upon the state as a defender of their national culture. Undeniably a nation offers the natural framework for moral and spiritual discernment and for those and other reasons is essential for the flourishing of its members. No man is an island. Only within a community can the individual acquire the ideas and moral habits which are a prerequisite for self-development, indeed for scientific and commercial achievement, not to mention self-defense. An individual's choices necessarily reflect the cultural milieu in which he is educated and comes to maturity, a culture or ethos which he has not chosen but which for good reasons he is likely to make his own. A government, indeed civility itself, is based upon the voluntary acceptance of certain mies and laws, accepted in principle and observed in action. Disturbing is the secular source of calls for cosmopolitanism, which downplays the roJe of national custom. Often such calls are a barely disguised attack on Christianity if not Western culture and its classical and biblical heritage. It is my observation that the strongest attacks on nationalism have come from the socialist left. The liberal socialist, by his own account, is committed to socialist internationalism and international solidarity. Recent history will supply the details? One need not defend the concept of "untrammeled sovereignty" to recognize the value of the ethno-national state and its right to defend the culture of the people who reside within its boundaries. Human solidarity is a metaphor which should not be allowed to obscure palpable differences and the subversive effect they can have on a community, indeed upon the life of a nation. Accommodation is not boundless. Reasonable immigration policy, wherever formulated, will respect the cultural and religious heritage of the host country. It will reflect the perceptions of the people as a whole and not be driven by a socialist ideology, fundamentally at war with Christianity. To acquiesce to those who seek socialist internationalism is to turn one's back on the sources of the culture which makes the West attractive to immigrants. We titled this paper "Moral Aspects". Often morality does not have so much to do with abstract principle, where there is little disagreement, as with prudential application. Prudence itself feeds on the wisdom which takes into account the !arger issues and recognizes their import for the distant future. The wellsprings of science and technology are to be found in the philosophical order; so, too the source of law. The English historian and sociologist Christopher Dawson stands to remind us that the great cultures of the world find their roots in a religious Weltanschauung.
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Zusammenfassung Eine vernünftige Einwanderungspolitik wird von den verantwortlichen Politikern Respekt für das kulturelle und religiöse Erbe des Landes verlangen, dem sie zu dienen behaupten. Sie wird den kulturellen Vorstellungen der Bevölkerung Rechnung tragen müssen. Sich einzig von Gefühlen menschlicher Brüderlichkeit leiten und jeden, selbst jene ins Land zu lassen, die nicht einmal die Sprache des Gastlandes erlernen oder sich nicht anpassen wollen, würde bedeuten, sich von den kulturellen Quellen abzuwenden, die den Westen für Einwanderer so anziehend gemacht haben. Die USA ebenso wie West-Europa können zweifellos eine Einwanderungspolitik formulieren, die sowohl großzügig angelegt ist - dadurch würde die illegale Einwanderung zurückgedrängt - als auch junge Arbeitskräfte und deren Familien ermutigt, während sie jedoch gleichzeitig denen gegenüber fest und entschieden bleibt, die sich über Grenzübertrittsregelungen und moralische Konventionen hinwegsetzen. Dies ist die Art von Nächstenliebe, die Hieronymus und Augustinus gebilligt hätten. Sie bietet auch die besten Aussichten für die "verzweifelten Männer und Frauen", von denen Papst Johannes Paul li. spricht, also jenen, die in großer Zahl ihre Heimat verlassen, um ihrer drückenden, unverschuldeten Armut zu entfliehen.
Migration, Flucht und Asyl aus kirchlicher Sicht Von Anton Rauscher Woher kommt es, daß die Mehrheit der Bevölkerung in Europa und in den Vereinigten Staaten so unterschiedlich auf die Phänomene der Migration, der Flucht und der Vertreibung, auch der Verfolgung aus politischen oder religiös-weltanschaulichen Gründen reagiert? Man hat den Eindruck, daß in den USA ein sehr viel offeneres Klima diesen Tatbeständen gegenüber herrscht - auch wenn es bei näherem Zusehen gar nicht so einfach ist, die Grenzbarrieren zu überwinden, während es in Europa leicht zu verhärteten Positionen den Migranten, Flüchtlingen und Asylsuchenden gegenüber kommt. Natürlich spielen hierbei die verschiedenen geschichtlich-politischreligiösen Traditionen und Entwicklungen in der Neuzeit eine Rolle, auch wenn man diese nicht überbewerten darf, da auch Europa bis zur Entstehung der Nationalstaaten und der modernen Gesellschaften durchaus eine lange Geschichte der offenen Grenzen und der Völker-Wanderungen kennt. Die Kirche war im ganzen Mittelalter auch in der Praxis vor Ort vom Bewußtsein um ihre Übernationalität und universale Sendung erfüllt. Dies strahlte auf den ganzen Kontinent aus, dessen christliche Wurzeln bis heute wirken. Die folgenden Überlegungen konzentrieren sich auf die Situation in Deutschland seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Ausbrüche von Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhaß, die bald nach der geglückten Wiedervereinigung von 1989/90 vor allem in den neuen Bundesländern erfolgten - die schrecklichen Bilder von Hoyerswerda, Rostock und Lübeck gingen damals um die Welt -, verlangten nach Ursachenforschung und nach Wegen, wie diesen schlimmen Fehlentwicklungen entgegengetreten werden kann. Die Deutsche Bischofskonferenz und der Rat der Evangelischen Kirche beriefen eine kleine ökumenisch besetzte Arbeitsgruppe von Experten, die im Januar 1993 die Arbeit aufnahm und den Auftrag hatte, die vielfältigen Aspekte und Zusammenhänge von Migration, Flucht und Vertreibung zu reflektieren und zugleich Grundlagen und Perspektiven für einen Beitrag zum gesellschaftlichen Dialog in diesen Fragen, ihrer politischen Gestaltung und für die kirchliche Arbeit mit Migranten und Flüchtlingen aufzuzeigen. Der erarbeitete Text wurde im Juni 1997 unter dem Titel: " . . . und der 4 Rauscher (Hrsg.)
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Fremdling, der in deinen Toren ist." -ein Zitat aus dem Alten Testamentder Öffentlichkeit übergeben. 1
I. Die Migrationswellen seit dem Zweiten Weltkrieg Werfen wir einen Blick zurück auf die Lage nach 1945. Die erste große Massenbewegung bildeten die 15 Millionen Flüchtlinge und Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten (Schlesien, Ostpreußen, die Gebiete östlich der Oder-Neiße-Grenze) sowie die Aussiedler aus Ost- und Südosteuropa (Nr. 26, 29-31 2 ). Sie kamen nach Westdeutschland, mußten zunächst eine Bleibe finden und konnten in den fünfziger und sechziger Jahren in die wieder erstarkende Wirtschaft und in die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland integriert werden. Nach dem Mauerbau in Berlin (1961) kamen mehrere Millionen Flüchtlinge aus der damaligen DDR in den Westen. Im übrigen bedeutete diese Migration auch eine religiös-kirchliche Durchmischung der Bevölkerung, so daß die im Grunde seit der Reformation bestehende regionale Verteilung von Katholiken und Protestanten aufgelöst wurde, ohne daß die Christen auf diese neue Lebenssituation vorbereitet gewesen wären. 3 Die zweite Migrationswelle setzte zu Beginn der 1960er Jahre ein (Nr. 31 ff.). Das sogenannte Wirtschaftswunder bewirkte eine große Nachfrage nach Arbeitskräften, so daß nicht nur die Millionen Flüchtlinge eine neue berufliche und gesellschaftliche Existenz fanden, sondern in zunehmendem Maße Ausländer angeworben und nach Westdeutschland geholt wurden, zunächst aus Italien, Spanien, auch aus Jugoslawien, dann besonders aus der Türkei. Bis zur Ölkrise im Jahre 1973, die zugleich eine nachlassende Konjunktur bewirkte, stieg die Zahl der ausländischen Arbeitnehmer (Gastarbeiter) auf 14 Millionen, von denen etwa 11 Millionen wieder in ihre Heimatländer zurückkehrten. Zusammen mit ihren Familienangehörigen lebten 1989 rund 4,8 Millionen Ausländer in Westdeutschland und Westberlin. In den Jahren der steigenden Arbeitslosigkeit (seit 1976; sie erreichte 1982 die Zwei-Millionen-Grenze) schwankte die Ausländerpolitik 1 " • • • und der Fremdling, der in deinen Toren ist." Gemeinsames Wort der Kirchen zu den Herausforderungen durch Migration und Flucht, hrsg. vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland und dem Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland. Bann/Frankfurt am Main/Hannover 1997, 104 Seiten. 2 Die in Klammern angegebenen Nummern beziehen sich auf das Gemeinsame Wort der Kirchen. 3 Ganz anders hat sich die Situation in den USA von Anfang an entwickelt. Der kirchliche und religiöse Pluralismus erforderte hier ein sehr viel stärkeres Bewußtsein um die eigene Identität und eine missionarische Einstellung gegenüber den verschiedenen Bekenntnissen und Religionen.
Migration, Flucht und Asyl aus kirchlicher Sicht
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zwischen der Förderung der Rückkehr der ausländischen Arbeitnehmer in ihre Heimatländer und sozialen Integrationsmaßnahmen für diejenigen Familien, die schon lange hier waren und bleiben wollten. In der früheren DDR lebten nur ca. 190.000 Ausländer, darunter 59.000 Vietnamesen und 18.000 Mosambikaner. Die dritte Migrationswelle umfaßte die Flüchtlinge und Asylanten (Nr. 41 ff.). Die im Ausland begrenzte Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen aus dem nationalsozialistischen Deutschland in den Jahren 1933 bis 1939 veranlaßte die Väter des Grundgesetzes, das Asylrecht in Art. 16 GG festzuschreiben: "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht". Es verbürgt dem vor politischer Verfolgung Schutz Suchenden, daß er weder an der Grenze zurückgewiesen, noch in einen möglichen Verfolgerstaat abgeschoben oder ausgeliefert werden darf. Deutschland ist das einzige Land, welches das Asylrecht für politisch Verfolgte in seiner Verfassung als Individualanspruch verankert hat. Von 1953 bis 1976 kamen verhältnismäßig wenige Asylanten, vor allem aus dem kommunistischen Machtbereich. Ihre Zahl nahm zu, als mehr und mehr Flüchtlinge aus der "Dritten Welt" nach Westdeutschland strömten (hauptsächlich Wirtschaftsflüchtlinge). 1980 wurde ein erster Höchststand von fast 93.000 Asylsuchenden für 108.000 Personen erreicht. Nach einer vorübergehenden Abflachung schwoll die Zahl der Asylsuchenden im Jahre 1992 auf 438.000 an. Die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland und dieser Anstieg der Asylanten schuf eine explosive Stimmung in der Bevölkerung. Es kam zu der mit großer parlamentarischer Mehrheit 1993 beschlossenen Änderung des Grundgesetzes, wodurch das Grundrecht auf Asyl in seinem persönlichen Geltungsbereich beschränkt wurde und das Schengener Abkommen ("sichere Drittstaaten") angewandt werden konnte - aufschlußreich ist folgende Übersicht4 (s. Seite 52). Stark angewachsen ist auch die Zuwanderung von Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen seit dem Zerfall des ehemaligen Vielvölkerstaates Jugoslawien. Deutschland nahm 350.000 Kriegsflüchtlinge (vorübergehend) auf - mehr als doppelt so viele wie alle anderen Staaten der Europäischen Union zusammen. Hinzu kommen 55.000 sogenannte Kontingentflüchtlinge, nämlich Juden aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion. Eine weitere große Gruppe sind die Aussiedler und die Spätaussiedler, nämlich Deutsche aus den mittel-, ost- und südosteuropäischen Ländern (Nr. 49). Sie waren vor langer Zeit aus Deutschland ausgewandert, mußten als Minderheit während der Kriegs- und Nachkriegsjahre viel Ungerechtig-
4 Veröffentlicht in: Ausländer in Deutschland. Daten und Fakten von A-Z, hrsg. vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln, 2000, 9. 4*
52
Anton Rauscher Asylsuchende: Die Fluchtburgen
in 1.000
1991
1992
1994
1997
1998
Australien
17,0
4,1
4,2
9,3
7,8
256,1
438,2
127,2
104,4
98,7
Frankreich
47,4
28,9
26,0
21,4
21,8
Kanada
32,3
37,7
21 ,7
22,6
22,6
Niederlande
21,6
20,3
52,6
34,4
45,2
Schweiz
41,6
18,0
16,1
24,0
41,2
USA
56,3
104,0
146,5
79,8
50,8
Vereinigtes Königreich
73,4
32,3
42,2
41,5
57,7
Deutschland
Quelle: OECD.
keit erdulden und wollten jetzt in die alte Heimat zurück. Seit 1989 kehrten über 2 Millionen nach Deutschland zurück.
II. Normen für den Umgang mit Migranten In dem Gemeinsamen Wort der Kirchen wird festgestellt, daß die Zuwanderungsprozesse in Deutschland in einem größeren Zusammenhang stehen. In diesem Zusammenhang sei auf die soeben erschienene folgende Übersicht hingewiesen5 (s. Seite 53). In vielen Weltregionen haben wirtschaftliche, soziale und politische Veränderungen eine bereits vorhandene konfliktgeladene Atmosphäre verschärft. Eine Hauptursache für Migrationen großen Stils sind die ungeheuren Wohlstandsunterschiede zwischen den fortgeschrittenen Industrienationen und den Entwicklungsländern. Der Anteil der reichsten 20 Prozent der Weltbevölkerung am globalen Einkommen erhöhte sich zwischen 1960 und 1991 von 70 auf 85 Prozent, während der Anteil der ärmsten 20 Prozent nur von 2,3 auf 1,4 Prozent zurückging (Nr. 78). Die weltweite Kommunikation zeigt den armen Familien in Asien, Lateinamerika und Afrika, wie die Menschen in den Industrieländern leben. Kein Wunder, daß viele den Wunsch haben, in diese "Paradiese" zu ziehen, zumal die modernen Trausportmöglichkeiten die Migration erheblich erleichtern. 5 Veröffentlicht in: Ebd., 29. Die zahlenmäßig größte ausländische Bevölkerung hat mit 7,2 Millionen Deutschland, gefolgt von Frankreich mit 3,6 Millionen, Großbritannien mit 1,9 Millionen und der Schweiz mit 1,4 Millionen. - Hinzukommen fünf Millionen Menschen, die sich illegal in der Europäischen Union aufhalten (Schätzung Europol).
Migration, Flucht und Asyl aus kirchlicher Sicht
53
Ausländer in Europa in Prozent der Bevölkerung
davon größter Anteil
Luxemburg Schweiz
35,6 19,3
Portugiesen
Norwegen
9,1
Belgien
9,0
Italiener
Deutschland
8,8
Türken
Österreich Frankreich
6,6 6,3
Mittel- und Osteuropäer Portugiesen, Algerier, Marokkaner
Italiener, Jugoslawen Dänen, Schweden
Schweden
6,0
Finnen, Jugoslawen
Niederlande
4,7
Türken, Marokkaner
Dänemark
4,2
Mittel- und Osteuropäer
Vereinigtes Königreich Irland
3,4 3,2
Iren, Asiaten Briten
Portugal
1,7
Afrikaner
Island
1,9
Polen
Griechenland Finnland
1,5 1,3
Russen
Spanien Italien
1,2 1,2
Afrikaner Mittel- und Osteuropäer
Russen
Stand: 1996; Ursprungsdaten: Eurostat; neuere Angaben nicht verfügbar.
Wie aber werden die Menschen und Staaten mit den Migranten umgehen? Werden sie sich gegen die Zuwanderungen abschotten und diese, so gut sie können, erschweren? Oder gibt es Wege, die Ursachen der Migrationen zu erkennen und diese so zu steuern, daß für die Einheimischen und für die Fremden ein gedeihliches Miteinander möglich wird? Die Kirchen in Deutschland versuchen, in ihrem Gemeinsamen Wort Orientierungen aufzuzeigen, die in den Traditionen des Alten Testaments und in der Verkündigung der Frohen Botschaft sichtbar werden. Die Aussagen sind auf dem Hintergrund der damaligen ethnischen Strukturen zu sehen. Alle, die zur Großfamilie und zur Sippe gehören, sind zu unterscheiden von den "Fremden", die auf Besuch weilen, die Handel treiben oder die zugewandert sind und sich niedergelassen haben. Die Gebote, die Gott seinem Volk Israel gegeben hat, erstrecken sich auch auf Fremde und Flüchtlinge (Nr. 98 ff.). Sie stehen unter dem Schutz
54
Anton Rauscher
Gottes: "Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. Der Fremde, der sich bei euch autbält, soll euch wie ein Einheimischer gelten, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott" (3. Mosel Lev 19,33 f.). Das Gebot erinnert daran, daß die Väter des Volkes Israel in der Hungersnot nach Ägypten in die "Fremde" gezogen sind und hier Sklavenarbeit leisten mußten und unterdrückt wurden. So sollen die Israeliten an den "Fremden" nicht handeln. Das Gebot der Nächstenliebe erstreckt sich auch auf den "Fremden" - ohne zu fragen, aus welchen Gründen er sich in Israel autbält. Das Schutzgebot für Fremde durchzieht wie ein roter Faden die Sammlung der Gebote des Alten Testaments. Schutz der Fremden, Liebe zu den Fremden und Gastrechte gehören zum Kern der Lebenswirklichkeit des Volkes Israel. Das Neue Testament erhebt die Gottes- und die Nächstenliebe zum zentralen Gebot (Nr. 104 ff.). Auf die Frage: Wer ist meine Nächster? antwortet Jesus mit dem Gleichnis vom guten Samariter (Lk 10,25-27). Nicht nur die familiären und ethnischen Bindungen sind der Bezugsrahmen, vielmehr ist der der Nächste, der unter die Räuber gefallen ist und am meisten der Zuwendung und Hilfe, der Nächstenliebe bedarf. In der Szene des eschatologischen Gerichts (Mt 25,31-36) wird die Behandlung des Fremden und notleidenden Menschen zum entscheidenden Kriterium für das Heil oder Unheil des Menschen. Parallel zu diesen Aussagen der Heiligen Schrift steht die schöpfungstheologische Einsicht, wonach der Mensch "Bild Gottes" ist ( 1. MoselGen 1,26 f.) (Nr. 113 ff.). Dies gilt für alle, die Menschenantlitz tragen, in gleicher Weise - nicht nur für die eigenen Familien - oder Sippenangehörigen. In der Geistesgeschichte des Christentums und der menschlichen Kulturwelt ist die Gottebenbildlichkeit die wichtigste Triebkraft für die Anerkennung der Würde des Menschen geworden. Der Mensch kann weder auf einen Teil der Natur noch auf ein Element der Gesellschaft reduziert werden. Dafür gibt es keine einleuchtendere Begründung als den Bezug zur unantastbaren Würde jedes Menschen. Die transzendente Verankerung der Würde des Menschen und seiner Grundrechte kann auch durch Mehrheitsbeschlüsse des Parlaments nicht verändert oder gar aufgehoben werden. Die Aussage über den Menschen als "Bild Gottes" gilt für alle und jeden einzelnen Menschen, unabhängig davon, ob er Mann oder Frau, arm oder reich, gesund oder krank, intelligent oder weniger begabt ist, unabhängig davon, welcher ethnischen Gruppe er angehört, unabhängig auch davon, ob er "einheimisch" oder "fremd" ist. Dies wird noch unterstrichen durch die Aussage Jesu, daß alle Menschen Kinder des einen Vaters im Himmel und deshalb Brüder und Schwestern sind, zusammengehören und füreinander Verantwortung tragen.
Migration, Flucht und Asyl aus kirchlicher Sicht
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111. Die Zuständigkeit und Verantwortung der Gesellschaft und des Staates Ergibt sich aus der jüdisch-christlichen Sicht ein ursprüngliches Recht jedes Menschen, seinen Platz und seine Heimat auf der Erde zu wählen und zu bestimmen, aus- und einwandern zu können? Dies wäre ein Kurzschluß. Wenn in der christlichen Sicht der Mensch als "Bild Gottes" erkannt wird, dann darf dies nicht so verstanden werden, als ob der Mensch von Gott als "Individuum" erschaffen wäre und die Sozialität sozusagen bei Bedarf erst hinzuträte. Der Mensch ist nicht ein abstraktes Individuum, der sich die Familie, in die er hineingeboren wird, aussuchen könnte, der auch den Ort, das Land und die Zeit auswählen könnte, wo und wann er leben möchte. Der Mensch besitzt eine ursprüngliche soziale Dimension, ist offen für den Mitmenschen und für soziale Kooperation (Nr. 137 ff.). Er kann sich nur inmitten der Gemeinschaft entfalten, wobei für ihn die wichtigste Gemeinschaft, in die er hineingeboren wird, die Familie ist: Die Gemeinschaft der Eltern mit ihren Kindern. Über das Miteinander in Ehe und Familie hinaus gibt es das gesellschaftliche Zusammenwirken, wo immer es um die Verwirklichung gemeinsamer Ziele und Zwecke geht, wobei soziale Strukturen den notwendigen Zusammenhalt gewährleisten. Die Gemeinschaft ist auch nicht eine Summe von Individuen, sondern strukturiert, ein Gefüge. Bei der Migration, bei Flucht und Vertreibung, beim Asyl geht es nicht darum, daß ein oder mehrere Menschen zu einer Gemeinschaft einfach noch hinzukommen, vielmehr treten sie in eine Gemeinschaft ein, die eine bestimmte wirtschaftliche, soziale, kulturelle und politische Gestalt und Ordnung hat. Dies ist der Grund, warum Migration, Flucht, Vertreibung und Asyl die Gesellschaft und auch den Staat etwas angehen. Der Staat ist in besonderer Weise für das Gemeinwohl, für die Lebens- und Rechtsordnung verantwortlich, woraus sich auch Konsequenzen für die Migration einzelner, von Familien oder ganzer Gruppen ergeben. Obwohl das Recht auf Freizügigkeit und freie Wahl des Wohnorts in den Rechtsbereich gehört, der sich mit den Grundrechten der menschlichen Person berührt, gilt die Freizügigkeit nicht unbedingt. Sicherlich hat der Staat die Grundrechte aller Menschen, die auf seinem Gebiet sich befinden, zu schützen und zu gewährleisten. Er muß auch das Recht seiner Bürger auf Freizügigkeit achten und gewährleisten, also das Recht, sich frei zu bewegen, im Inland zu reisen und den Aufenthaltsort zu wechseln, ins Ausland zu fahren oder auszuwandern. Die Risiken, die mit der Auswanderung verbunden sind, muß der Auswanderer selbst auf sich nehmen, ebenso die damit verbundenen finanziellen Kosten sowie die sozialen und kulturellen Belastungen. Wenn Menschen aus fremden Ländern zuwandern wollen, müssen sie sich den Regelungen des Aufnahmestaates fügen. Der Staat hat in
56
Anton Rauscher
Erfüllung seiner Gemeinwohlverantwortung die Pflicht, die Zuwanderung so zu regeln, daß die bestehende Ordnung nicht gefährdet wird. Auch im Zeitalter der Nationalstaaten hat es immer Aus- und Einwanderung gegeben, wobei der Staat darauf achten muß, daß Ehe und Familie nicht durch die Gesetzgebung auseinandergerissen werden. Der Staat muß dafür Sorge tragen, daß die bestehenden sozialen Strukturen einerseits die Aufnahme von Migranten ermöglichen und daß ihr Hineinwachsen in den Arbeitsmarkt, in den Wohnungsmarkt und in das kulturelle und politische Gefüge gelingt, daß andererseits diese sozialen Strukturen nicht überfordert werden.
IV. Sozialethische Orientierungen für die Einwanderung Das Anliegen, das die Kirche im Hinblick auf Migration, Flucht und Asyl bewegt, führt zu einer Reihe von sozialethisch bedeutsamen Gesichtspunkten. In dem Gemeinsamen Wort wird festgestellt, es gebe zwar ein Recht auf Auswanderung, aber nicht ein Recht auf Einwanderung (Nr. 139). Das heißt: Jeder Mensch hat das Recht, die angestammte Heimat oder einen gewählten Aufenthaltsort zu verlassen und auszuwandern. Diesem Recht steht aber kein Recht auf Einwanderung gegenüber, so daß der Staat, in den jemand einwandern möchte, ein Recht auf Einwanderung gewährleisten müßte. In der Antike stoßen wir auf die Institution des Gast-Status. Die politische Gemeinschaft, die einen Einwanderer aufnimmt, gewährt ihm, ohne rechtlich dazu verpflichtet zu sein, das Gast-Recht, das "heilig" war und bis heute in vielen Ländern mit alter Tradition lebendig ist. Es konnte an bestimmte Bedingungen geknüpft sein. Auch heute kann der Staat die Voraussetzungen und Bedingungen für eine Zuwanderung festlegen. Zu den Bedingungen, die ein Staat bei der Frage, ob er Ein- und Zuwanderer aufnimmt, zu beachten hat, gehören verschiedene Faktoren wie die Dichte der Bevölkerung und der Besiedelung, die Lage auf dem Arbeitsund Wohnungsmarkt, ob bereits große soziale Spannungen herrschen, die durch weitere Zuwanderung noch verschärft würden. Die Zuwanderung nach Deutschland hatte im Jahre 1992 eine Höhe erreicht, die von der Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr hingenommen wurde, weil bereits eine Massenarbeitslosigkeit von über 10 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung herrschte6 . Die Menschen fragten sich auch, warum Deutschland einen so viel größeren Anteil an Flüchtlingen und Asylanten aufnehmen 6 In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß auch die Arbeitslosigkeit bei Ausländern zu beachten ist. In Deutschland erhöhte sie sich von 5,0 Prozent im Jahr 1980 auf 19,2 Prozent im Jahr 1999. Sie liegt damit erheblich über der allgemeinen Arbeitslosenquote von 11,7 Prozent im Jahr 1999: Ebd., 7.
Migration, Flucht und Asyl aus kirchlicher Sicht
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sollte, wohingegen reiche Länder wie die skandinavischen oder ein klassisches Asylland wie Frankreich sehr viel weniger Bereitschaft zeigte. Natürlich dürfen die Bedingungen für die Zuwanderung nicht derart sein, daß sie zu einer Politik der Abschottung führen. Zu Recht wird in dem Gemeinsamen Wort angemahnt: "Jede Gemeinschaft braucht eine positive Grundhaltung gegenüber der Grundgegebenheit von Migration und damit verbundener Zuwanderung" (Nr. 139). Der Grund hierfür liegt ohne Zweifel in der Einheit des Menschengeschlechtes, die einer Politik, die auf Abkapselung ausgerichtet ist, entgegensteht.7 Die daraus erwachsende Verpflichtung muß wirksam werden in erster Linie in all den Fällen, wo Menschen aus politischen oder weltanschaulichen Gründen gezwungen sind, auszuwandern und eine neue Bleibe zu finden. Hier haben die Staaten eine schwere Verantwortung, diese Menschen aufzunehmen und ihnen zu helfen. Allerdings muß hier berücksichtigt werden, daß große Unterschiede bestehen, je nachdem die Flüchtlinge und Asylanten aus europäischen Ländern oder aus asiatischen und afrikanischen Ländern stammen. Was die "Wirtschaftsflüchtlinge" betrifft, die in der Zukunft wohl die größte Gruppe bilden werden, so wäre die beste Maßnahme, die Industrieländer würden die Entwicklung der Herkunftsländer sehr viel stärker vorantreiben, als dies bisher geschehen ist. Dabei muß die Entwicklungshilfe in verstärktem Maße darauf gerichtet sein, die Denk- und Verhaltensweisen dieser Menschen zu ändern, so daß sie in der Lage sind, eine leistungsfähige Wirtschaft und ein gerechtes, nicht korruptes Sozialsystem aufzubauen. Die Zuwanderung kann auch aus bevölkerungspolitischen Rücksichten erwünscht sein. In den hochindustrialisierten Ländern Europas ist die Geburtenrate in den letzten Jahrzehnten so stark abgesunken, daß - trotz des erheblichen Anstiegs der durchschnittlichen Lebenserwartung - in den kommenden Jahren ein Rückgang der Bevölkerung eintreten wird. Dies wird voraussichtlich nicht nur zu einem Arbeitskräftemangel führen, sondern auch die Funktionsfähigkeit des Sozialstaats gefährden. Allerdings würde eine massive Zuwanderung große soziale Probleme mit sich bringen. Im übrigen darf die Frage der Migration nicht allein aus sozialpolitischer und karitativer Perspektive angegangen werden. Sehr viel mehr müssen wir 7 Neuere Untersuchungen befassen sich sehr eingehend mit den Fragen der Migration, auch der Integration: Franz Nuscheler, Internationale Migration. Flucht und Asyl. Opladen 1995; Bemhard Sante/, Migration in und nach Europa. Opladen 1995; Albert-Peter Rethmann, Asyl und Migration. Ethik für eine neue Politik in Deutschland, Münster 1996; Ludger Pries (Hrsg.), Transnationale Migration. BadenBaden 1997; Trends in International Migration, OECD 1999.
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Anton Rauscher
alle uns der Frage stellen, in welchem Maße Migranten das Leben im Aufnahmeland, in Wirtschaft und Gesellschaft, in Kultur und Politik durch ihr Denken und ihre Ideen, durch ihre Tatkraft und ihren Mut, durch ihre Initiativen bereichern. Die Besinnung darauf, in welcher Weise Einwanderer die eigenen Lebensverhältnisse bereichern, kann der Fremdenfeindlichkeit entgegenwirken, vielleicht sogar besser als dies Appelle an das Pflichtbewußtsein vermögen. Auch kann auf diese Weise die Integration der Ausländer und Fremden in die soziale und kulturelle Lebenswelt erleichtert werden (Nr. 72 ff.). Diese positive Sicht sollte die Kirche, die selbst Weltkirche ist, bei allen Christen aktivieren. In ihrer Seelsorge müssen die Migranten einen Schwerpunkt bilden.
Summary After the unification of Germany there were a series of ugly actions against foreigners in Eastem Germany. The Catholic and Protestant Churches prepared a paper about the Christian attitude towards migration. After 1945 there were many waves of migration into West Germany: the fugitives from the former Eastem provinces; then millions of foreign workers, especially from Turkey; a great number of fugitives, asylants and "Aussiedler" from the communist countries came in the nineties. The churches argued with the Old Testament: Aliens should be treated as if they are home-people and guests. According to the Christian doctrine all people have the same dignity of man and the basic rights, because they are created individually in the likeness of God. Therefore every society has to care for sound economic, social and cultural structures: how many immigrants can be accepted without endangering the living conditions of the native population.
II. Einwanderung als verfassungsrechtliches Problem
Constitutional Principles in Immigration Law By Michael T. Dougherty 1 The Constitution of the United States is the origin of several principles that bear on the subject of immigration and the treatment of foreigners in the United States. Perhaps the most fundamental of these principles is that the United States is entitled to its sovereignty, and by that word I mean its international independence, its right and power to regulate its own intemal affairs without foreign interference2 . The framing of a constitution is itself a declaration of sovereignty: in presuming to work toward the goal of forming "a more perfect union" 3, and in describing the structures and roles of the different branches of govemment, the Constitution is properly regarded as a second declaration of this country's free and independent status, a nation separate and apart from all others. In the nineteenth century, the Supreme Court commented on the principle of sovereignty as it related to immigration. The Court wrote: "That the govemment of the United States ... can exclude aliens from its territory, is a proposition which we do not think open to controversy. Jurisdiction over its own territory to that extent is an incident of every independent nation. lt is a part of its independence. If it could not exclude aliens, it would be to that extent subject to the control of another power." 4
The Court also commented: "lt is an accepted maxim of international law that every sovereign nation has the power, as inherent in sovereignty, and essential to self-preservation, to forbid the entrance of foreigners within its dorninions, or to admit them only in such cases and upon such conditions as it may see fit to prescribe." 5
1 The author's opinions or viewpoints are his own and may not be credited to his employer. 2 Black's Law Dictionary 1396 (6th ed. 1990). 3 U.S. Const. pmbl., art. I, § 8. 4 Fong Yue Ting v. U.S., 149 U.S. 698, 705 (1893), citing Chae Chan Ping v. U.S., 130 U.S. 581, 603, 604 (1889). 5 Id. at 705, citing Nishimura Ekiu v. U.S., 142 U.S. 651, 659 (1892).
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Michael T. Dougherty
The Court also asserted that the sovereignty of the United States might be compromised by uncontrolled immigration. The Court wrote: "To preserve its independence, and give security against foreign aggression and encroachment, is the highest duty of every nation; and to attain these ends nearly all other considerations are to be subordinated. It matters not in what form such aggression and encroachment come, whether from the foreign nation acting in its national character, or from vast hordes of its people crowding in upon us." A sovereign nation exists for the benefit of its citizens, and a second constitutional principle is that there is a distinction to made between those who are citizens of the United States and those who are not. This is evident in the Constitution's mandate that the office of the President cannot be held by anyone other than a "natural bom Citizen", and that legislators in the House of Representatives must have been citizens for a period of seven years, those in the Senate a period of nine years. 7 As for the population at large, the Constitution provides that "[a]ll persans bom or naturalized in the United States .. . are citizens of the United States . .." 8 A foreigner may live out his life in this country as a lawful permanent resident, without ever having to "naturalize", meaning, to become a United States citizen. Those who are eligible and willing to naturalize must take an oath affirming their allegiance to the United States. Once a naturalized citizen, the foreign-bom person is, absent some extremity, immune from being retumed or deported to the country from which he came. The Supreme Court has held, When legally admitted, [aliens] have come at the Nation's invitation, as visitors or permanent residents, to share with us the opportunities and satisfactions of our land. As such visitors and foreign nationals they are entitled in their persans and effects to the protection of our laws. So long, however, as aliens fail to obtain and maintain citizenship by naturalization, they remain subject to the plenary power of Congress to expel them under the sovereign right to determine what noncitizens shall be permitted to remain within our borders.9 The United States citizen is permitted free entry and exit from this country, a privilege that does not exist for noncitizens: [A]n alien who seeks admission to [the United States] may not do so under any claim of right. Admission of aliens to the United States is a privilege granted by the sovereign United States Govemment. Such privilege is granted to an alien only upon such terms as the United States shall prescribe. 10 Id. at 706, citing Chae Chan Ping, at 606, 607. U.S. Const. art. I, § 2, cl.2, § 3, cl. 3, art. II, § 5; Mathews v. Diaz, 426 U.S. 67, 78 n.I2 (1976). 8 U.S. Const. amend. XIV § I. 9 Carlson v. Landon, 342 U.S. 524, 534 (1952). 10 United States ex rel. Knauff v. Shaughnessy v., 338 U.S. 537, 542 (1950). 6
7
Constitutional Principles in Immigration Law
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A third principle derived from the Constitution is that the executive and legislative branches of government are the authorities responsible for controlling immigration. While the Constitution specifically empowers the legislature to establish a "uniform Rule of Naturalization", and "[t]o regulate Commerce with foreign Nations", 11 there is no specific clause in the Constitution that allows Congress to effect legislation in order to deport or remove resident aliens from the United States. The Supreme Court has held that the Iack of such a clause does not bar Congress from doing so. 12 The Supreme Court has held that: [A]ny policy toward aliens is vitally and intricately interwoven with contemporaneous policies in regard to the conduct of foreign relations, the war power, and the maintenance of a republican form of govemment. Such matters are so exclusively entrusted to the political branches as to be largely immune from judicial inquiry or interference. 13
The Supreme Court therefore views the power to exclude aliens from the United States as a "fundamental sovereign attribute exercised by the Government's political departments largely immune from judicial control". 14 This deference to congressional will has led the Supreme Court to make such statements as, "[w]hatever our individual estimate of [congressional] policy and the fears on which it rests, [an alien's] right to enter the United States depends on the congressional will, and courts cannot substitute their judgment for the legislative mandate". 15 While recognizing that the "political departments of the government" exert primary control of immigration "by treaty or by act of congress ... executed by the executive authority according to the regulations so established", the Supreme Court has found that it has authority to intervene in immigration matters when "required by the paramount law of the constitution" to do so. 16 When the Supreme Court hears an immigration case, it is usually because the case presents a question of due process. Due process is the fourth constitutional principal that impacts immigration law. The Supreme Court 11 U.S. Const. art. I, § 8, cl. 3. 4. See also Palma v. Verdeyen, 676 F.2d 100, 104 (4th Cir. 1982). 12 Supra note 9 at 537. 13 Harisiades v. Shaughnessy, 342 U.S. 580, 588- 89 (1952). 14 Shaughnessy v. United States ex rel. Mezei, 345 U.S. 206, 210 (1953). See also Mathews v. Diaz, 426 U.S. 67, 81 (1976) ("For reasons long recognized as valid, the responsibility for regulating the relationship between the United States and our alien visitors has been committed to the political branches of the Federal Government".). 15 Shaughnessy v. United States ex rel. Mezei, 345 U.S. 206, 216 (1953). 16 Supranote 4 at 713.
Michael T. Dougherty
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has recognized that all persons within the United States, regardless of their status, whether they be citizens, lawful permanent residents, visitors, or even illegal aliens, are entitled to due process. 17 "Due process" of law is defined as "[l]aw in its regular course of administration through courts of justice". 18 It is the Fifth and Fourteenth Amendments to the Constitution which guarantee due process. The Supreme Court has explained: There are literally millions of aliens within the jurisdiction of the United States. The Fifth Amendment, as well as the Fourteenth Amendment, protects every one of these persons from deprivation of life, liberty, or property without due process of law. Even one whose presence in this country is unlawful, involuntary, or transitory is entitled to that constitutional protection. The fact that all persons, aliens and citizens alike, are protected by the Due Process Clause does not Iead to the further conclusion that all aliens are entitled to enjoy all the advantages of citizenship . . . a host of constitutional and statutory provisions rest on the premise that a legitimate distinction between citizens and aliens may justify attributes and benefits for one dass not accorded to the other ... "
The Supreme Court has also made these useful observations: Deportation is not a criminal proceeding and has never been held to be punishment. No Jury sits. No judicial review is guaranteed by the Constitution. Since deportation is a particularly drastic remedy where aliens have become absorbed into our community life, congress has been careful to provide for full hearing by the Immigration and Naturalization Service before deportation. Such legislative provision requires that those charged with that responsibility exercise it in a manner consistent with due process. 19
Further: This Court has long held that an alien seeking initial admission to the United States requests a privilege and has no constitutional rights regarding his application, for the power to admit or exclude aliens is a sovereign prerogative .. . once an alien gains admission to our country and begins to develop the ties that go with permanent residence his constitutional status changes accordingly. Our cases have frequently suggested that a continuously present resident alien is entitled to a fair hearing when threatened with deportation, and, although we have only rarely held that the procedures provided by the executive were inadequate, we developed the rule that a continuously present permanent resident alien has a right to due process in such a situation?0
Plyler v. Doe, 457 U.S. 202, 210 (1982). Black's Law Dictionary 500 (6th ed. 1990); U.S. Const. amends. V, XIV, § 1. The Constitution also guarantees that all persons are entitled to "the equal protection of the laws", meaning that all persons who are similarly situated will receive the same treatment under the law "without regard to any differences of race, of color, or of nationality", U.S. Const. amend. XIV, § 1; supra note 17 at 212. 19 Supra note 9 at 537- 38. 20 Landon v. Plasencia, 459 U.S. 21, 32-33 (1982). 17
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Constitutional Principles in Immigration Law
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Finally: The role of the judiciary is limited to determining whether the procedures meet the essential standard of faimess under the Due Process Clause and does not extend to imposing procedures that merely displace congressional choices of policy ... courts must evaluate the particular circumstances and determine what procedures would satisfy the minimum requirements of due process ... 21
We have examined four constitutional principles: sovereignty, citizenship, the preeminence of the executive and legislative bodies in controlling immigration law, and due process, which is a point of inquiry and concem for the courts. Our analysis to this point has been essentially academic, and it might be profitable to understand how these principles are expressed or experienced in the everyday operation of the immigration system in the United States. To that end, we should Iook over some typical cases in the context of recent immigration trends. The first case involves an individual from India who we can refer to as Mr. Singh. Singh arrived in the United States on a commercial airline flight, but he did not have a visa permitting him to enter the country. As a matter of course, the Immigration and Naturalization Service ("INS") interviewed Singh at the airport to determine his reasons for coming here, and took a statement from him. INS immediately placed Singh in proceedings, charging that he must be excluded from the United States for lacking a visa. By law, Singh was entitled to a hearing before an Immigration Judge. Immigration Judges are administrative officials who operate in a semi-independent status and are given broad discretion in adjudicating cases: they take testimony from witnesses, examine evidence, and make binding legal determinations under the Immigration and Nationality Act and its supporting regulations. Immigration hearings are relatively formal affairs. The Immigration Judges wear rohes in their courtrooms, witnesses are placed under oath, hearings are recorded and later transcribed if necessary, and interpreters are provided. The INS is ordinarily represented by a trial attomey, and aliens frequently have attomeys of their own. Immigration courts are located throughout the United States, usually near a "port of entry" such as an airport or official border-crossing. Immigration courts are notoriously overburdened, so by the time Singh had his hearing before the Immigration Judge, two years and three months had passed. Singh admitted to the Immigration Judge that he had no visa to enter the United States, but that he should not be forced to retum to India because he had been persecuted by the police for his religious beliefs and political opinion. The Immigration Judge found that Singh's story was not 21
ld. at 34-35.
5 Rauscher (llrsg.)
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credible because he had previously informed INS officials in his statement at the airport that he had never been persecuted by the Indian police, his testimony contained other significant contradictions, and he failed to supply any documentary evidence in support of his claims. Singh was entitled to appeal the Immigration Judge's decision to an administrative body known as the Board of Immigration Appeals ("Board"). The Board has direct authority to review the decisions made by Immigration Judges. It is composed of approximately 20 board members supported by approximately 90 highly-trained attomeys, and reviews tens of thousands of appeals each year. On reviewing Singh's appeal, the Board issued a substantive written decision in which it agreed with the Immigration Judge that Singh was not credible, and was not entitled to asylum. Because the Board is as overburdened with cases as the immigration courts, it did not rule on Singh's appeal for a period of four years and two months after it was filed, a full seven and a half years after Singh entered the country. Singh was entitled to appeal the Board's decision to the United States Court of Appeals for the Ninth Circuit, and did so. There are twelve courts of appeal that hear immigration cases spread throughout the United States, and in terms of their prominence, they rank just below the Supreme Court. Singh argued in a legal brief before the Ninth Circuit that inconsistencies in his asylum claim could be attributed to officials at the airport, who maliciously failed to include information in the statement he supplied them, and to the first attomey he had hired, who negligently failed to include important information in the asylum application he presented to the Immigration Judge. In order to answer Singh's claims, the Office of Immigration Litigation ("OlL"), an office in the United States Department of Justice, assigned an attomey to write a counter brief. OlL is staffed with approximately 80 attomeys who specialize in litigating immigration cases in the federal courts. Singh's case is currently pending before the Ninth Circuit. If the court decides that it wishes to hear oral argument on the case, the OlL attomey will fly out to Califomia or Washington State to defend the govemment' s interests. If the Ninth Circuit decides against Singh, he may seek appeal in the Supreme Court. lt is not uncommon for individuals who lose their asylum claims to attempt to elude INS by moving from their place of residence and disappearing into the general population. They will then join the estimated three to six million illegal aliens in the United States. 22 As an aside, it is interesting to note that many illegal aliens do not cross the borderunder cover of darkness, as is commonly perceived: about 40 percent of the illegal alien popu-
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Supranote 17 at 218 n.17.
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lation enter the country legally, but then fail to leave in conforrnity with their visas.Z 3 There is nothing unique about Singh's case. There are many thousands of other foreigners who wish to live in the United States, and who file asylum claims that are not considered credible by officials in the immigration system. Singh is also common in that he is the beneficiary of a significant amount of administrative and judicial due process, expensively maintained by the taxpayers of the United States. It should be remarked that Singh's case was initiated before 1996, when Congress passed a number of reforrns to the imrnigration process in an effort to make it easier to remove aliens from the United States. Among other things, Congress was concemed about the ability of aliens to prolong their stay here by a period of years by filing appeals, which Congress considered an abuse of process. If Singh were to land at an airport today without a visa, and did not express a credible fear of persecution in India, he would be subject to "expedited removal proceedings" and summarily retumed to bis homeland. Another case that is worth a brief description involves a Cambodian national who I will refer to as Mr. Vang. Vang was a child when he was admitted to the United States as a refugee after the conflict in Vietnam ended. While a lawful permanent resident, Vang never attempted to become a United States citizen. In bis early 20s, Vang associated with a criminal Asian gang. One day he and some of bis gang mates accosted a 16 year old girl and repeatedly raped her at knife point. Vang was convicted in Califomia of aggravated sexual assault and sentenced to prison for a period of 12 years. When the INS leamed of Vang's criminal conviction, it placed him in proceedings, charging that he must be removed from the United States because he bad committed an aggravated felony. Vang was entitled to a hearing before an Immigration Judge. He did not contest the immigration charge and did not seek asylum, and the Immigration Judge deterrnined that Vang should be removed. The prison authorities holding Vang released him to the INS before bis criminal sentence was fully served, so that INS could effect bis removaL The INS requested travel documents for Vang from Cambodian diplomatic officials in Washington, DC, a necessary step before placing him on an airplane. Those officials did not respond to INS' request. The United States has difficulty in securing travel documents for criminal aliens from a number of countries, and Cambodia is one of them, even 23 See U.S. Department of Justice, Office of Justice Programs, National Institute of Justice Journal, June 1997, Crime and Illegal Immigration, Ernerging Local, State, and Federal Partnerships, at 2. 5*
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though countries are expected to accept their nationals back as a matter of international law. With Vang's repatriation posing a problem, INS engaged in a formal review of his case to determine whether he should be released on parole. It determined that Vang posed a danger to the comrnunity and was a flight risk, and so continued his detention. Vang filed a petition for writ of habeas corpus with a federal district court, in which he argued that his continued detention violated his right to due process because there was no foreseeable end to his incarceration, as Cambodia and the United States did not have a repatriation agreement in place. The district court judge found that the INS was empowered by statute to hold Vang until he could be retumed to Cambodia, and that his detention was not unconstitutional. Vang appealed this decision to the Ninth Circuit. While his appeal was pending, the Ninth Circuit determined in another similar case that if INS was not able to retum a criminal alien to his country within a reasonable period of time, that the alien must be released until travel documents could be obtained, and that INS' practice of continuing to hold criminal aliens was a violation of due process. Vang's attomeys recognized the importance of the Ninth Circuit decision to Vang's case, and their motion to reopen the case with the district court was granted and Vang was released into the comrnunity. There are hundreds of criminal aliens in Vang' s situation, but Vang is part of an even larger concem about the number of aliens involved in criminal activity. A senate subcommittee conservatively estimated in 1995 that there were 450,000 criminal aliens in the United States.24 According to one senator, "[a]n estimated 20 to 25 percent of all Federal prison inmates are noncitizens; in Califomia, almost one-half of the prison populations are noncitizens".25 Even if the United States and Cambodia eventually reach some agreement for the repatriation of criminals, that is no guarantee that the INS will be able to locate Vang and remove him. Historically, a significant percentage of criminal aliens have ignored or eluded immigration authorities,26 and it has been estimated by "one Justice Department report .. . that 90 percent of aliens released from custody abscond". 27 These challenges aside, the INS will continue its work of removing tens of thousands of criminal aliens from the United States each year, 28 with the criminal processing of S. Rep. No. 48, 104th Cong., 1st Sess. 1 (1995). 142 Cong. Rec. S4592-01, *S4600 (dai1y ed. May 2, 1996). (remarks of Sen. Roth). 26 Supra note 25 at 2. 27 Ngo v. INS, 192 F.3d 390, 395 (3d Cir. 1999). 28 See H. R. Rep No. 104-469(1), avai1able at 1996 WL 168955 at *385-85. 24
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those aliens estimated to cost the taxpayers of the United States multiple billions of dollars.Z 9 Zusammenfassung Die Verfassung der Vereinigten Staaten enthält mehrere wichtige Grundsätze, die die Einwanderung und den Umgang mit Fremden in den USA betreffen. Der "Supreme Court" hat sich über Jahre hinweg auf diese Grundsätze gestützt. Ein erster Grundsatz lautet, daß die USA eine souveräne Nation sind, die dazu berechtigt ist, ihre Grenzen zu kontrollieren. Ein zweiter Grundsatz besagt, daß zwischen Staatsangehörigen und Nicht-Staatsangehörigen unterschieden werden muß. Ein dritter Grundsatz legt fest, daß die Befugnis zur Steuerung der Einwanderung und zur Leitung der auswärtigen Beziehungen den politischen Organen der Regierung übertragen ist, und nicht den Gerichten. Ein vierter Grundsatz bestimmt, daß alle Personen in den Vereinigten Staaten, unabhängig von ihrem Rang und Ansehen, das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren haben; letzteres hat die Gerichte häufig beschäftigt und zu entsprechenden Untersuchungen geführt. Das Studium zweier Fälle zeigt exemplarisch, wie diese Prinzipien, insbesondere das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, in der Praxis gehandhabt werden. Die Fälle machen deutlich, wie Ausländer, die aus den USA ausgewiesen oder abgeschoben werden sollen, Nutzen aus dem komplizierten und kostenintensiven Verwaltungs- und Gerichtssystem ziehen, das die Anhörung ihrer Ansprüche vorsieht. Der Prozeß der Abschiebung unerwünschter Personen aus dem Land ist ein langes und schwieriges Verfahren.
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Supra note 25 at 7.
Einwanderung und Integration als verfassungspolitisches Problem Von Otto Depenheuer
I. Einführung Neben den Vereinigten Staaten ist Deutschland das bedeutendste Einwanderungsland der Welt. Gleichzeitig befinden sich beide Staaten in einer Phase historisch singulär hoher Einwanderung. 1 Zugleich betreiben beide Länder Einwanderungspolitik mit im Kern durchaus vergleichbaren Regelungen und Instrumenten. Dieser Befund erstaunt vor allem vor dem Hintergrund, daß sich Deutschland im Unterschied zu den USA bis heute nicht als Einwanderungsland versteht. Bis heute hat die Diskussion um ein Einwanderungsgesetz noch nicht zu konkreten Gesetzesinitiativen geführt, obwohl der signifikante Arbeitskräftemangel im Bereich der Informatik kürzlich zu rechtlichen Regelungen zur befristeten Ausgabe von green cards Veranlassung gab. Die jahrzehntelange Denk-, Diskussions- und Entscheidungsblockade ist dadurch aufgebrochen. Die Diskussion in Deutschland vermeidet die prinzipielle Standortbestimmung und begnügt sich damit, konkret erkannte Probleme zu bewältigen - bei dem bekannten Hang der Deutschen, Grundsatzfragen erst einmal prinzipiell zu diskutieren, vielleicht gar ein kultureller Fortschritt. Was für die Politik eine Tugend sein kann, wäre für die Wissenschaft eine Not: sie sucht nach konsistenten Leitlinien, um der augenblickorientierten praktischen Politik Orientierungshilfe bei der Bewältigung der Immigrationsfragen zu geben, die sich - ob sie will oder nicht - in Zukunft zu existentiellen Fragen der inneren Stabilität des Gemeinwesens auswachsen können. Der Verzicht auf prinzipielle Auseinandersetzung in Deutschland ist kein Zufall: das Thema ist nicht nur emotional besetzt (was nicht besonders auffällig ist). Vor allem aber errichtet der düstere Schatten des Nationalsozialismus Tabuzonen der öffentlichen Diskussion. Jede Bevorzugung deutscher Staatsangehörigen kann sich dem Vorwurf subtiler Fremdenfeindlichkeit ausgesetzt sehen. Alles, was nach aktiver Bevölkerungspolitik aussieht, kann in die Nähe rassischer Säuberung gerückt werden; von neuen Staats1 B. Sante[, Auf dem Weg zur Konvergenz? Einwanderungspolitik in Deutschland und den Vereinigten Staaten im Vergleich, ZAR 1998, 14 ff.
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angehörigen hinreichende Deutschkenntnisse zu verlangen, steht im Verdacht eines erneuten Germanisierungsversuchs. Der Versuch, die Schatten der Vergangenheit zu überwinden und die Germanisierungsträume eines Österreichischen Obergefreiten zu sühnen, führte zuweilen zu den abstrusen Bemühungen, das Deutsche Volk sozusagen in der Weltbevölkerung, jedenfalls in Europa aufgehen zu lassen, durch die Einwanderung möglichst vieler Ausländer Deutschland gegen jeden Revanchismus zu immunisieren. Daher die Parolen: Einwanderungsrecht für jeden, Bleiberecht für alle, doppelte Staatsangehörigkeit für jeden Ausländer, der will. Das Asylrecht wurde dergestalt zur magna charta der Einwanderungspolitik, obwohl die einwanderungswilligen Ausländer dadurch kaum etwas zu gewinnen, die wirklich aus politischen Gründen Verfolgten aber eine Menge zu verlieren haben. Die folgenden Überlegungen versuchen, die Gesamtproblematik in einen systematischen Zusammenhang zu stellen. Dazu behandle ich zentral die Frage nach materiellen Einwanderungskriterien; das Problem der Integration, das sich erst stellt, wenn ein Zuwanderer auf Dauer im Staat bleiben will, wird hingegen nur kurz angesprochen. Folgende Thesen möchte ich näher entfalten und zur Diskussion stellen: - Es gibt kein Menschenrecht auf globale Freizügigkeit. Wohl aber gibt es ein universales Recht eines jeden Menschen, einen Heimatstaat zu haben, in irgendeinem Staat Bürger zu sein; das ist in aller Regel sein Geburtsland oder das Heimatland seiner Eltern. - Das Recht auf Einreise und zeitweiligen Aufenthalt kann auf menschenrechtlicher Grundlage aus staatstheoretischen Gründen für politisch Verfolgte, von Völkermord oder Verteibung bedrohte Personenkreise erwachsen. - Eine lange Verweildauer im Inland läßt aus dem geduldeten Aufenthalt ein Recht auf unbeschränktes Bleiberecht oder Einbürgerung werden. - Darüberhinaus ist es Ausdruck der Selbstbestimmung eines jeden Volkes, sich der Einwanderung eher zu öffnen oder eher zu verschließen. Die Orientierung an eigenen Interessen - Arbeitskräftemangel, sinkende Bevölkerungszahlen - ist ethisch legitim. - Integration ist eine Aufgabe in Ansehung aller, die auf Dauer im Land leben wollen. Integration ist nicht kulturelle, wohl aber zivilisatorische Assimilation. Der Idee des säkularen, nicht einer Wahrheit verpflichteten Staates ist unaufgebbares apriori.
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II. Einwanderung als Verteilungsproblem
Einwanderung spiegelt ein Verteilungsproblem. Den Rahmen der Verteilung bildet die Welt. Zu verteilen sind die Güter dieser Welt: Land, Rohstoffe, Infrastruktur, Arbeit, Wohlstand. Verteilt werden muß zwischen ca. sechs Milliarden Menschen. Aber die Menschen dieser Welt stehen nicht unmittelbar einander gegenüber: zwischen den Menschen und der Welt befinden sich die derzeit ca. 190 Staaten. Sie markieren das politische, ethische und juristische Problem der Frage nach der globalen Verteilungsgerechtigkeit. Denn Staaten unterscheiden - ebenso wie alle anderen Gemeinschaften - zwischen Menschen: zwischen Staatsangehörigen und Ausländern, zwischen denjenigen, die dazugehören und deshalb am innerstaatlichen Verteilungsverfahren teilhaben und denjenigen, die außen vor bleiben. 2 Staatsangehörigkeit und Einwanderung präjudizieren den Zugang der Einzelnen zu den Ressourcen des jeweiligen Staates. Die Staatlichkeit der Welt ist also eine - erste - faktische Antwort auf das globale Verteilungsproblem: solange kein Weltenstaat existiert, der das Ende von Staatlichkeit in jeder heute bekannten Form bedeutete, solange vollzieht sich globale Verteilung in erster Linie innerhalb und zwischen Staaten. Die für eine Einwanderungspolitik systematisch grundlegende Frage lautet deshalb: steht den Staaten eine Entscheidungskompetenz in Ansehung von Einreise- und Bleiberechten sowie zur Regelung der Staatsangehörigkeit prinzipiell zu oder nicht? Dürfen die Staaten über Zugehörigkeit oder Ausgeschlossenheit, über Inklusion oder Exklusion entscheiden? Die Frage kann theoretisch und praktisch von zwei grundlegend unterschiedlichen Standpunkten aus beantwortet werden: einem national-utilitaristischen und einem menschenrechtlich-universalistischen. Für das tradierte Völkerrecht steht die entsprechende Entscheidungskompetenz als Souveränitätsrecht eines jeden Staates im Prinzip außer Frage. 3 Seine Grenzen findet sie nur im entsprechenden Recht der anderen Staaten. 4 Das menschenrechtliche Postulat der allgemeinen Menschengleichheit hingegen bestreitet gerade dies und billigt umgekehrt jedem Menschen das Recht zu, über seinen Aufenthalt in dieser Welt zu entscheiden, dem Staat seiner Wahl angehören zu dürfen. 5 Die Frage nach der Kompetenz, über das Recht auf Einwanderung zu ent2 Dies schließt nicht-staatlich organisierte Verteilungsmechanismen nicht aus, die aber nur vom Territorium eines oder mehrerer Staaten aus und nur mit Zustimmung der Empfängerstaaten wirksam werden können, also ihrerseits notwendig staatsfixiert handeln. 3 Repräsentativ etwa: K. Hailbronner, in: W. Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 1997, S. 209 ff. mwN. 4 Zu den völkerrechtlichen Grenzen der Einbürgerung vgl. K. Hailbronner, in: ders./G. Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 2. Auflage, 1998, Einl. ERn. 4 ff.; ders. (Fn. 3), S. 210 f. mwN.
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scheiden, kann weder unentschieden bleiben noch ist sie einem Kompromiß zugänglich: sie liegt entweder beim Staat oder beim einzelnen Menschen tertium non datur. Die Diskussion dieser Frage und die Klärung der damit aufgeworfenen Probleme muß am Anfang jeder grundsätzlichen Erörterung der Einwanderungs- und Integrationsproblematik stehen. 6 Nur Klarheit in den Grundlagen erlaubt es, ein in sich widerspruchsfreies Konzept zur inhaltlichen und kompetentiellen Verteilung der Rechtfertigungslasten für einen Anspruch auf Einwanderung bzw. dessen Abwehr zu entwickeln. Im Ergebnis wird sich zeigen, daß die Menschenrechte zwar notwendig staatlich vermittelt sind und es daher einen prinzipiellen Einwanderungsanspruch des Einzelnen nicht geben kann; daß aber umgekehrt gerade die staatliche Vermittlung der Menschenrechte auch an Bedingungen und Voraussetzungen geknüpft ist, deren Nichtvorhandensein im Einzelfall einen menschenrechtlich begründeten Anspruch auf Einreise oder Verbleib begründen kann. 111. Einwanderung als Menschenrecht 1. Die Idee allgemeiner Menschengleichheit
Die Unterscheidung zwischen Staatsangehörigen und Ausländern reibt sich elementar an der Idee der Gleichheit aller Menschen, wie sie insbesondere vom Christentum in polemischer Spitze gegen Theorie und Praxis der Statusunterschiede zwischen den Menschen in der griechischen Philosophie7 formuliert wurde. 8 Die christliche Gleichheitsidee9 war ebenso wie 5 Repräsentativ aus jüngster Zeit: I. S. Roellecke, Gerechte Einwanderungs- und Staatsangehörigkeitskriterien. Ein dunkler Punkt der Gerechtigkeitstheorien, 1999 mwN. insbesondere zur amerikanischen Diskussion. Zum Problem und in diese Richtung auch: D. Obemdöifer, ZAR 1989, 3 ff.;, ders., Die offene Republik, 1991, S. 64 ff.; ders., Die offene Republik als Staatsform der Zukunft, in: P. Braitling/ W. Reese-Schäfer (Hrsg.), Universalismus, Nationalismus und die neue Einheit der Deutschen, 1991, S. 167 ff.; J. Habermas, Faktizität und Geltung, 1992, S. 632 ff., 656 ff.; ders., Anerkennungskämpfe im demokratischen Rechtsstaat, in: C. Taylor (Hrsg.), Multikulturalismus und die Politik der gegenseitigen Anerkennung, 1993, S. 147 ff., 178 ff.; ders., Die Einbeziehung des anderen, 1996; G. Rieger, Einwanderung und Gerechtigkeit, 1998. 6 Überblick über die rechtspolitische Diskussion: M. Kriele, Zur Rangordnung der Staatspflichten, in: Die Neue Ordnung, 1994, S. 100 ff.; K. J. Bade (Hrsg.), Die multikulturelle Herausforderung. Menschen über Grenzen - Grenzen über Menschen, 1996; D. Obemdöifer, ZAR 1998, S. 3 ff.; B. Santel (Fn. 1), S. 14 ff.; J. Schmid, Politische Studien, Sonderheft 111998, S. 23 ff.; M. Wollenschläger, ZAR 1999, S. 252 ff. sowie die Literatur unter N 5. 7 Aristoteles, Nikomachische Ethik, 1130b; ders., Politik, Buch I, 1254a, 1254b, 1280a, 1301 b, 1302a, 1318a.- Dazu: 0. Dann, Art. "Gleichheit", in: 0. Brunner/
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später die neuzeitliche der allgemeinen Menschengleichheit stets dazu geeignet, für politische Unruhe zu sorgen, weil sie jede Differenzierung von Menschen, d. h. jede politische Organisation und jede Form von Arbeitsteilung zu entlegitimieren geeignet war. Seit der französischen Menschenrechtserklärung zählt sie in der Form der Rechtsgleichheit zum politischen Gemeingut aller Verfassungsstaaten. 10 Das sozialistische Gleichheits- und Solidaritätsideal "Einer für Alle, Alle für Einen" kennt ebensowenig wie das christliche Liebesgebot Unterscheidungen zwischen Menschen: alle Menschen sind Geschöpfe Gottes. 11 Dies schließt Abstufungen jeglicher Art prinzipiell aus, setzt sie jedenfalls einem erheblichen Rechtfertigungsdruck aus. Ob Unterschiede des Standes oder der Herkunft, der Rasse oder des Geschlechts, der Sprache oder des Glaubens: vor der Idee der allgemeinen Menschengleichheit sind alle Unterscheidungen zwischen Menschen prinzipiell fragwürdig. 2. Die politischen Implikationen
Die Idee der allgemeinen und unvermittelten Menschengleichheit hat rechtliche und politische Konsequenzen gerade in einer Zeit, in der die Rede von den Menschenrechten in den Mittelpunkt politischer Debatten gerückt ist. 12 Implikationen und Konsequenzen dieser Idee näher zu analysieren, ist insbesondere für die Frage der Einwanderung vorentscheidend. Die Postulate des menschenrechtliehen Universalismus, dem sich heute potentielle Einwanderungsländer gegenübersehen, wurde zur Zeit des Kalten Krieges von Seiten des Westens als politische Waffe gegen den Kommunismus eingesetzt. Doch entfaltet die Idee politische Wirkkraft über den Zusammenbruch des Ostblocks hinaus gemäß der ihr eigenen Logik und Dynamik: gegenwärtig haben alle Staaten dieser Welt ein vitales Interesse daran, sich auf die Menschenrechte zu berufen. Nicht nur die Sieger des W. Conze/R. Kaselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Band 2, 1975, S. 997, 1001; H. Hofmann, Einführung in die Rechts- und Staatsphilosophie, 2000, S. 98 ff. 8 Exemplarisch das Weinberggleichnis (Matthäus-Evangelium 20. Kapitel, Vers 1-16), nach dem jeder das Gleiche erhält, obwohl die Arbeitsleistung differierte. Vgl. dazu G. Roellecke, Gleichheit in der lndustriegesellschaft, 1980, S. 6 ff.; H. Hofmann (Fn. 7), S. 104 ff. 9 Vgl. T. Koch, Gleichheit, in: R. Herzog/H. Kunst/K. Schlaich/W. Sehneerneicher (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, Band 1, 3. Auflage, 1987, Sp. 1177 ff. 10 Vgl. P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. V, 1992, § 124, insbes. Rn. 44 ff.; ders., Die Verschiedenheit der Menschen und die Gleichheit vor dem Gesetz, 1996. 11 Vgl. 0. Depenheuer, Nicht alle Menschen werden Brüder, in: J. Isensee (Hrsg.), Solidarität in Knappheit. Zum Problem der Priorität, 1998, S. 41, 43 ff. 12 P. Kondylis, Planetarische Politik nach dem Kalten Krieg, 1992, S. 112 ff.
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Zweiten Weltkrieges über den Faschismus, nicht nur die westlichen Staaten gegen die kommunistischen, nicht nur die NATO-Staaten unter dem Signum der humanitären Intervention, sondern auch die zahlreichen Völker, die im Zuge der Entkolonialisierung ihre Unabhängigkeit erlangten, haben ihren Anspruch auf Gleichberechtigung im Rahmen der entstehenden Weltgesellschaft menschenrechtlich begründet. Menschenrechte bilden die magna chartader Weltgesellschaft. 13 Aber die universale Anerkennung der Menschenrechte ist nur scheinbar der Vorbote für eine weltweite ethische Verständigung; tatsächlich werden die Menschenrechte das gemeinsame Schlachtfeld markieren, auf dem jede der konkurrierenden Seiten um die Durchsetzung der eigenen Interpretation der Menschenrechte und gegen alle anderen Interpretationen kämpfen wird. Die weltweite Anerkennung der menschenrechtliehen Grundsätze wird mit all den Widersprüchen und Spannungen behaftet sein, die die gegenwärtige Weltgesellschaft belasten. Vor diesem Hintergrund wird auch die rechtspolitische und staatstheoretische Diskussion der Einwanderungsproblematik in menschenrechtlicher Terminologie geführt. Inhalt und Grenzen des menschenrechtliehen Ansatzes deutlich zu machen, ist daher angezeigt: dann zeigt sich, daß der menschenrechtliche Ansatz nicht nur seinerseits ambivalent ist (nachfolgend 3.), also jenen Konflikt nur reflektiert, den er zu lösen glaubt, sondern auch und vor allem, daß er jede sachgerechte Problemlösung hindert, weil er hoffnungslos unrealistisch ist (nachfolgend 4.). 3. Das menschenrechtliche Dilemma
Die menschenrechtlich argumentierende Auffassung beruht auf einer verabsolutierenden Einseitigkeit des Menschenbegriffs: dieser wird reduziert auf seine abstrakte Menschlichkeit. Das Substrat menschenrechtlicher Argumentation ist nicht das konkrete Individuum mit all seinen Besonderheiten, die dem einzelnen Individualität und Persönlichkeit vermitteln, ihn also eigentlich erst zum Menschen werden lassen. Vielmehr ist es der realitätsferne abstrakte Mensch, der keine Vergangenheit und keine Herkunft, dafür aber alle Optionen und jede Zukunft soll haben können. Ein solches Abstraktum entzieht sich natürlich jeder Zuordnung als In- oder Ausländer, da es gleichsam universalkompatibel ist. Nur ist das nicht der Mensch, der jeder ist und den jeder trifft: ein Individuum mit Herkunft und Vergangenheit, die ihn - im Guten wie im Schlechten - prägt, bestimmt, identifiziert, unterschieden sein läßt. 14 Das Emanzipationspotential der abstrakten Menschenrechtsidee hat also ihren Preis: die abstrakte Idee schickt sich an, jede Ebd. Zur Bedeutung der Unterscheidung zur personalen Identitätsstiftung grundlegend: M. Heidegger, Sein und Zeit, 7. Auflage, 1953, insbes. S. 442 ff., 492 ff. 13
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konkrete Sozialbeziehung bis hin zur Familie zu entlegitimieren und zu zerstören. Die Idee unterminiert aber nicht nur die Existenz der staatlichen, sondern jeglicher Gemeinschaft. Nicht der Staatsangehörige und der Ausländer, nicht der Sohn oder die Tochter, sondern nur der Mensch als Mensch bleibt übrig. Konkrete Menschengleichheit wird auf dem Altar der abstrakten Idee geopfert. Dem menschenrechtliehen Postulat gleicher Chancen und Optionen ist das gleichfalls menschenrechtlich zu begründende Postulat entgegenzuhalten, daß jeder das Recht hat, seine durch seine Biographie schon immer vorhandene Individualität behalten zu dürfen. Insoweit aber gilt: Mensch wird der Mensch nur unter Menschen. 15 Über den konkreten, ihm vorgegebenen Sozialverband gewinnt der Einzelne Sozialisation, Kultur, Familie, Staat; mit ihm Vergangenheit und Zukunft. Sozialverbände sind zwar keine unveränderlichen, zeitlosen Größen: man kann sie in Grenzen wechseln, und Sozialverbände können sich Fremden öffnen. Aber dem korrespondiert auch das Recht eines jeden Sozialverbandes, die eigene Identität zu wahren und prinzipiell für Dritte verschlossen zu bleiben. Auch Öffnung und Abschottung sind zwar nur relative Größen, die in der Zeit und gemäß den konkreten Umständen wechseln können. Entscheidend ist aber: es obliegt prinzipiell der gegebenen Gemeinschaft zu entscheiden, ob sie aus der Aufnahme neuer Mitglieder Nutzen zu ziehen hofft oder durch Verweigerung glaubt, Problemen vorbeugen zu können. Jedenfalls gibt es kein Menschenrecht, in fremde Sozialverbände einzudringen, sei es die staatliche Gemeinschaft, die eheliche oder eine sonstige. 4. Staatliche Bedingtheit der Menschenrechte
Schließlich ist der menschenrechtliche Ansatz unvereinbar mit der schlichten Tatsache, daß bei der gegenwärtigen Verfassung der Weltgesellschaft von Menschenrechten stricto sensu keine Rede sein kann. 16 Menschenrechte, d. h. Rechte, die die Menschen in ihrer bloßen Eigenschaft als Menschen besitzen, können nur dann realen Sinn und Bestand haben, wenn alle Menschen, kraft ihres nackten Menschseins und unabhängig von ihrer Herkunft oder anderen Voraussetzungen, sie überall auf der Erde, und zwar am Ort ihrer freien Wahl, ohne Einschränkung genießen dürfen. Solange dies nicht so ist, solange also zum Beispiel der Chinese nicht über dieselben Rechte in den Vereinigten Staaten wie der Amerikaner verfügt, darf man nur von Bürgerrechten, nicht aber von Menschenrechten sprechen. 17 Aristoteles, Politik, 1253a. Zum folgenden P. Kondylis (Fn. 12), S. 114 f. 17 Jeremy Bentham hat deshalb die Menschenrechte als "Unsinn auf Stelzen" charakterisiert: J. Bentham, Anarchical Fallacies [1796], abgedr. in: J. Waldran 15
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Das, was heute euphemistisch Menschenrechte heißt, wird stets von einer staatlich organisierten politischen Einheit ihren eigenen Staatsangehörigen gewährt, und ihre Geltung kann nur innerhalb des jeweiligen Staatsgebietes garantiert werden. Deshalb war in der Idee der Grundrechte ein Konflikt mit der Staatsbürgerschaft von Anfang an nicht angelegt: Grundrechte galten gegenüber der Staatsgewalt, wenn und nur wenn ein Mensch Staatsbürger des Staates ist, jedenfalls sich in seinem Hoheitsbereich aufhält. Kein Staat kann also garantieren, daß Rechte, die als Menschenrechte par excellence gelten, wie etwa das Recht auf körperliche Unversehrtheit oder Redefreiheit, außerhalb seiner Grenzen genossen werden können. Und umgekehrt: kein Staat kann, ohne sich aufzulösen, allen Menschen gewisse Rechte zuerkennen, die gemeinhin als Bürgerrechte gelten, wie etwa das Niederlassungsrecht und das Wahlrecht. Mit anderen Worten: nicht alle Menschen können als Menschen alle Rechte besitzen unabhängig davon, wo sie sich befinden. Menschenrechte als Menschenrecht könnte nur die Menschheit als konstituiertes und einheitliches politisches Subjekt gewähren; erst das Ende der Staatlichkeit in jeder heute bekannten Form könnte das Zeitalter der realen Menschenrechte einleiten. 18 Dies ist aber weder realistischerweise anzunehmen noch wünschenswert: der bisher staatlich strukturierte Verteilungskampf um die Güter dieser Welt würde anarchisch entarten. Denn wenn allen Menschen alle Rechte unabhängig davon zustünden, wer sie sind und wo sie sich aufhalten, würde der Mensch auf sein bloßes Menschsein reduziert, ledig aller kulturbildenden und identitätsstiftenden Attribute, die ihn Jude, Muslim oder Christ, Schwarzer oder Weißer, Deutscher oder Russe, Liberaler oder Sozialist sein lassen. Als Mensch und nichts anders als abstrakter Mensch würde sich jeder selbst seinen Anteil im existentiellen Verteilungs- und Überlebenskampf um Bodenschätze, Luft und Wasser sichern müssen. 19 Der Endsieg der universalen Idee brüderlicher Gleichheit aller Menschen durch Aufhebung jeder vermittelnden Instanz beschwüre die hobbesianische Horrorvision des status naturalis herauf. Auch dort waren alle Menschen gleich - aber ein jeder als Wolf für den anderen: es herrschte der bellum omnium contra omnes?0 Desungeachtet verselbständigt sich gegenwärtig der menschenrechtliche Diskurs und die Idee wendet sich gegen den einzig möglichen Gewährsträger der Menschenrechte: den Staat. Das sagt noch nichts gegen die Menschenrechte und ihre politische Kraft. Wohl ist diese Entwicklung geeignet, (Hrsg.), Nonsense upon stilts: Bentham, Burke and Marx on the Rights of Man, 1987, s. 46 ff., 53. 18 P. Kondylis (Fn. 12), S. 113. 19 Vgl. C. Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 4. Auflage, 1969, S. 16 ff.; P. Kondylis (Fn. 12), S. 119 f. 20 T. Hobbes, Leviathan [1651], II. Teil, Kapitel 17.
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Staatlichkeit in Frage zu stellen. So läßt sich eine Entwicklung im Völkerrecht in diese Richtung konstatieren, die sich praktisch in den Formen der humanitären Intervention zeigt.Z 1 Aber gerade diese mehr als fragwürdige Entwicklung bestätigt die Einschätzung, daß der globale menschenrechtliehe Diskurs nicht den Beginn des "ewigen Friedens" markiert, sondern Menschenrechte zu Kriegstiteln werden.Z2 Und deshalb gilt: allein der Mensch kommt unmittelbar, der Bürger hingegen nur über einen Staat zur Welt; der Rest ist Rhetorik. IV. Einwanderung als Staatenkompetenz 1. Notwendige Brechung menschenrechtlicher Ansprüche
Der Verweis auf die Faktizität der Staatengesellschaft kann zwar die normative Frage nach der Richtigkeit der politischen Ordnung der Welt nicht ersetzen, also: ob es denn Staaten geben müsse? Wohl aber vermag der Nachweis der Unmöglichkeit einer unstrukturierten Weltgesellschaft die Notwendigkeit subglobaler Gemeinschaften überhaupt zu erweisen. Denn aus Gründen der Zeit und des Raumes, des Könnens und Vermögens können nicht alle Menschen gleichzeitig mit allen anderen solidarisch sein und Verteilungsgerechtigkeit üben. Mensch sein zu können kann auf der Ebene abstrakter Weltstaatlichkeit nicht gelingen. Ungeachtet seines prinzipiellen Verpflichtungscharakters kommt das Prinzip der allgemeinen Menschengleichheit ebensowenig wie das christliche Gebot der Brüderlichkeit ohne Unterscheidungen, d. h. ohne Ausgrenzungen, nicht aus.Z3 Die Begrenztheit der sächlichen und finanziellen Mittel sowie die Knappheit der Zeit schließen es aus, alle Menschen gleichzeitig praktisch zu lieben. Da der Umfang der moralischen Herausforderung im Zeitalter der Globalisierung in keinem Verhältnis zu den realen Handlungs21 Zum Problem: R. B. Lillich, ZaöRV 53 (1993), S. 557 ff.; B. Jahn, PVS 1993, S. 567 ff.; D. Blumenwitz, in: ders./G.-H. Gomig (Hrsg.), Minderheiten- und Volksgruppenrechte in Theorie und Praxis, 1993, S. 61 ff.; J. Koch/R. Mehl (Hrsg.), Politik der Einmischung: Zwischen Konfliktprävention und Krisenintervention, 1994; E.-0. Czempiel, PVS 1994, S. 402 ff.; J. lsensee, JZ 1995, 421 ff.; 0. Kimminich, ArchVöR 1995, S. 430 ff. ; H. Jäckel (Hrsg.), Ist das Prinzip der Nichteinmischung überholt?, 1995; H. G. v. Manz. in: G. Orsi (Hrsg.), Prinzipien des Rechts, 1996, S. 71 ff. ; K. Hailbronner (Fn. 3), S. 240 f.; M. Bothe, in: W. Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 1997, S. 597 ff.; H. Endemann, Kollektive Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung humanitärer Normen, 1997; M. Pape. Humanitäre Intervention, 1997; U. Fink, in: FS-M. Kriele, 1997, S. 1461 ff.; T. Schilling. ArchVöR 1997, S. 430 ff.; C. Hillgruber, JRP 2000, 288 ff. mwN. 22 J. lsensee (Fn. 21), S. 425 f. 23 Zum folgenden: 0. Depenheuer (Fn. 11), S. 50 ff.
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möglichkeiten des Einzelnen und des Staates steht, und da Handlungsmöglichkeiten nicht grenzenlos erweiterbar sind, müssen die Berechtigten bestimmt und die anderen ausgegrenzt werden: Reduktion von Universalität durch Unterscheidung als Bedingung praktischer Solidarität. Anders formuliert: Die Allgemeinheit des ethischen Anspruchs vermag nur in der durch Unterscheidung bewirkten Begrenztheit Wirklichkeit zu werden. Idee und Praxis universaler Menschenrechte taugen für den Himmel; die Welt kann sie nur als regulative Idee nutzen. Damit stellt sich die Frage, wie zwischen Menschen unterschieden werden kann, die doch im Prinzip alle gleich sind. Augustinus und Thomas von Aquin haben auf die Frage eine frühe Antwort formuliert: "Alle Menschen sind in gleicher Weise zu lieben. Da man aber nicht für jedermann sorgen kann, so muß man vornehmlich für jene Sorge tragen, die einem durch die Verhältnisse des Ortes, der Zeit oder irgendwelcher anderer Umstände gleichsam durch das Schicksal näher verbunden sind." 24 Um die allgemeine und unbedingte Nächstenliebe trotz der Unmöglichkeit praktischer Realisierung nicht aufgeben zu müssen, reduziert Augustinus sie auf das menschenmögliche Maß dadurch, daß er auf die Kontingenz des Schicksals und die Konkretheit der jeweiligen Lage rekurriert. Das jeweilige konkrete Schicksal des Ortes und der Zeit schmiedet die von ihm Betroffenen zu einer Gemeinschaft zusammen. Ihnen eignet insoweit substantielle Gleichheit, d. h. eine mehr oder weniger stabile Homogenität, die sie einander ungeachtet aller Unterschiede zwischen ihnen im übrigen - näher stehen läßt als Dritten. 25 Zu den schicksalhaften, dem einzelnen unverfügbar vorgegebenen homogenen Gemeinschaften zählen insbesondere Familie und Staat, 26 aber auch die Notgemeinschaft, deren Mitglieder, solange die Not dauert, aneinander gebunden und deshalb - existentiell und insoweit substantiell - einander verbunden sind. Menschlichkeit kann daher nicht unvermittelt real werden, sondern setzt konkrete Sozialbeziehungen voraus, die 24 In: Oe doctrina Christiana I c. 28. - Vgl. dazu den Kommentar von Thomas von Aquin, Summa Theologica 2-2 q.26 a.6. 25 Zur sozialen Homogenität als Grundlage staatlicher Einheit: H. Heller, Politische Demokratie und soziale Homogenität [1928], in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 2, 1971, S. 421 ff.; C. Schmitt, Verfassungs1ehre, 1928, S. 228 ff.; ders., Der Gegensatz von Parlamentarismus und moderner Massendemokratie [1926], in: Positionen und Begriffe im Kampf um Weimar-Genf-Versailles, 1940, S. 52, 59 ff. - Zur Parallelität der Homogenitätsvorstellung bei Heller und Schmitt: P. Pasquino, Politische Einheit, Demokratie und Pluralismus, in: C. Müller u. a. (Hrsg.), Staatslehre in der Weimarer Republik, 1985, S. 114, 118 ff. 26 Zur partikularen Staatlichkeit als Bedingung der Möglichkeit praktischer Wirksamkeit und Wirklichkeit universal-postulierter Menschenrechte vgl. H. Hofmann, Die versprochene Menschenwürde, in: AöR 118 (1993), S. 353, 365 ff. - Kritisch: U. K. Preuß, Zum verfassungstheoretischen Begriff des Bürgers in der modernen Gesellschaft, in: FS-E. G. Mahrenholz, 1995, S. 619 ff.
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sich vom engsten Familienkreis bis zur weltumfassenden Menschheit in einem Nebeneinander und in Stufungen gleichsam naturwüchsig bilden. Wenn es nicht schon subglobale Gemeinschaften wie Staaten, Gemeinden und Familien gäbe, müßte man sie erfinden, um der Idee allgemeiner Menschengleichheit praktisch Rechnung tragen zu können: erst durch sie kann die Idee aus dem Bereich ethischer Schwärmerei herausgeführt und in praktisch realisierbare Verpflichtungen umformuliert werden.Z7 2. Staat: Notwendigkeit in Kontingenz Solidarität zwischen den Menschen ist ethisch geboten, praktisch-politisch aber durch Staatlichkeit gebrochen. Nicht durch Staaten vermittelte Menschenrechte kann es praktisch nicht geben. Die Überführung von Menschenrechten in staatlich garantierte Grundrechte ist keine Absage an die Idee der Menschengleichheit, sondern im Gegenteil Bedingung ihrer praktischen Möglichkeit. Freilich verwehrt sie umgekehrt den unvermittelten Durchgriff aller Menschen auf jeden Staat und umgekehrt. Solidarität kann sich also nicht menschheitsunmittelbar, sondern nur im Rahmen und unter Respektierung konkreter Sozialbeziehungen realisieren. Gerade weil Solidarität nur als gestufte praktisch werden kann, erwächst nur innerhalb konkreter Gemeinschaften Verantwortung für andere, vertikal nach Maßgabe des Subsidiaritätsprinzips28, horizontal nach Maßgabe der gemeinsamen Aufgabe. Der einzelne Staat ist also zunächst nur seinen Staatsbürgern gegenüber verantwortlich; deren Wohlergehen ist seine primäre Aufgabe. 29 International sind es gleichfalls in erster Linie die Staaten, die einander Beistand schulden. 30 Wenn auch der konkrete Staat historisch kontingent ist: Staatlichkeit als politisches Ordnungsprinzip der Welt ist in seiner friedensstiftenden Funk27 Zum gleichen Ergebnis würde Odos Marquardt's Theorie der Anküpfung (in: Abschied vom Prinzipiellen, 1981, S. 4 ff., 14 ff.) gelangen, die nachdrücklich dafür optiert, die Lösung praktischer Probleme der Solidarität nicht von der vorherigen und prinzipiellen Beantwortung nach der Legitimität von partikularer Staatlichkeit abhängig zu machen. Damit entzöge man sich nur praktischer Solidarität auf Dauer. Vielmehr aber kommt es darauf an, unter den gegebenen und unverfügbaren Bedingungen der Gegenwart das praktisch Mögliche zu tun; nicht, weil das jeweils Gegebene wahr ist, sondern weil es den Handlungsrahmen des Menschen absteckt. Vgl. 0 . Depenheuer (Fn. 11), S. 56. 28 Grundlegend: J. /sensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 1968. 29 Vgl. K. Graf Ballestrem, Wer ist unser Nächster? Mitgliedschaften und Grenzen als Probleme distributiver Gerechtigkeit, in: FS-B. Sutor, 1995, S. 427 ff. 30 Das schließt private - caritative - Hilfe der Bürger über Staatsgrenzen hinweg nicht aus, die sich freilich ihrerseits an Staatsgrenzen orientieren muß, vgl. K. Graf Ballestrem (Fn. 29), S. 436 ff.
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tion notwendig. In diesem Sinne hatte Hegel den Staat als politisch ohne Alternative gesehen: "Es liegt nicht in der Willkür der Individuen, sich vom Staate zu trennen, da man schon Bürger desselben nach der Naturseite hin ist". 31 Tatsächlich ist kein Mensch politisch weltunmittelbar. Wenn aber Menschenrechte notwendig staatlich gebrochen sind, dann kann prinzipiell nur die staatliche Gemeinschaft darüber entscheiden, wer zu ihr gehören soll und wer nicht, dann obliegt die Entscheidungskompetenz über Einwanderung der staatlichen Gemeinschaft. 32 3. Grenzen staatlicher Souveränität
Staatlichkeit ist eine prinzipielle, in sich legitime Antwort auf die globale Verteilungsproblematik. Das bedeutet weder die Festschreibung eines bestimmten status quo der Verteilung noch eine definitive Lösung der Fragen im Umkreis von Einwanderung und Integration; wohl aber bietet sie einen systematischen Ansatz und begrifflichen Rahmen für deren sachgerechte Erörterung. Staatlichkeit als systematischer Bezugspunkt für die Frage nach Einwanderung ist keine feste, zeitlos gegebene Größe: Staaten können untergehen, zerbrechen, sich teilen oder verschmelzen, die Staatsgewalt in Gewaltherrschaft pervertieren oder in Agonie erstarren. Wenn aber Staatlichkeit eine prinzipiell zureichende Antwort auf die Verteilungs- und Wanderungsproblematik ist, dann bildet die Tatsache konkret existenter Staatlichkeit die Bedingung der Möglichkeit, die Fragen nach Staatsangehörigkeit, Einreise- und Bleiberechten kompetentiell differenziert zu beantworten. Ausgangspunkt ist dabei die Vielfalt der Staaten, die jeweils für ihre Bevölkerung zuständig sind und für sie Verantwortung tragen. Einwanderungspolitik ist daher prinzipiell Staatenrecht und grundsätzlich nach der jeweiligen Interessenlage des Staates zu entscheiden. Wenn auch grundsätzlich die Staaten souverän über ihr personales Substrat, über die Mitgliedschaftsbedingungen im Gemeinwesen entscheiden, so erfährt diese Regel freilich eine Ausnahme, die sie nicht durchbricht, vielmehr in ihrer Logik Ernst nimmt und, indem sie daraus Konsequenzen zieht, bestätigt. In diesem Sinne bezeichnet die Regel staatlicher Vermittlung von Menschenrechten zugleich auch die Bedingungen, unter denen der Verweis auf Staatlichkeil allein sachlich plausibel und ethisch zulässig ist, G. W. F. Hege/, Philosophie des Rechts, § 75 Zusatz. Anmerkung: Die vorstehende Überlegungen lassen sich nicht zur These verdichten, die Strukturierung der globalen Verteilungsfrage bilde die Rechtfertigung für die politische Existenz von Staaten. Umgekehrt definiert sich die Existenz des konkreten Staates vorab politisch; aber als politische Gemeinschaften bieten die Staaten der globalen Verteilungsproblematik die Struktur, an die sie anknüpfen können. 31
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um eine staatliche Verantwortung für Ausländer abzulehnen: Staatlichkeit muß als globales politisches Ordnungsprinzip aufs Ganze gesehen funktionsfähig sein. Konkret ist dies dann nicht mehr der Fall, wenn die staatlich differenzierte Solidarität nicht greift, d. h. wenn die friedensstiftende Ordnung dieser Welt im Einzelfall nicht funktionsfähig ist, weil kein Staat zuständig oder die Staatsgewalt pervertiert ist, kurz: wenn Staatlichkeit fehlschlägt, 33 sie ihre politisch fundamentale Aufgabe der Herstellung und Wahrung einer Friedensordnung nicht erfüllt. In diesen Fällen wird der einzelne Mensch in einem existentiellen Sinn "staatenlos". Weil aber die staatliche Brechung der Menschenrechte nur dann legitimiert ist, wenn alle Menschen in den Genuß irgendeiner staatlichen Friedensordnung gelangen, dann muß in derartigen Fällen fehlgeschlagener Staatlichkeit die Staatengemeinschaft Verantwortung auch für die Menschen tragen, die nicht ihre Staatsangehörigen sind. Bei fehlgeschlagener Staatlichkeit erwächst den Betroffenen also ein originärer menschenrechtlicher Anspruch auf Einreise und Aufenthalt. Ein Fall fehlgeschlagener Staatlichkeit liegt vor: - bei Staatenlosigkeit, wenn ein Mensch überhaupt keine Staatsangehörigkeit hat, also heimatlos ist (nachfolgend V.); - bei individuell pervertierter Staatlichkeit, d. h. wenn sich die staatliche Ordnung im Einzelfall gegen seine Bürger wendet ("politische Verfolgung"); oder - bei generell pervertierter Staatlichkeit, d. h. wenn ein Staat systematisch ganze Bevölkerungsteile zu ermorden oder zu vertreiben sich anschickt (nachfolgend VI.); - ineffektive Staatlichkeit (Bürgerkrieg) hingegen vermag einen menschenrechtlichen Einreiseanspruch nicht zu begründen (nachfolgend VII.). Der menschenrechtlich begründete Einreiseanspruch bei fehlgeschlagener Staatlichkeit ist staatstheoretisch begründet und vermittelt den betroffenen Menschen einen prinzipiellen EinreisetiteL Er beinhaltet hingegen noch nicht einen rechtlich unmittelbar durchsetzbaren Anspruch gegen einen konkreten Staat. Dazu bedarf es rechtlicher Konkretisierungen in der Form völkerrechtlicher Abkommen bzw. innerstaatlicher Rechtsetzung. Der staatstheoretisch begründete Einreiseanspruch verpflichtet indes die Staatengemeinschaft, entsprechende Regelungen und Verantwortlichkeiten zu schaffen. Die nachfolgende Skizzierung der völkerrechtlichen und deut33 Der Begriff der "fehlgeschlagenen Staatlichkeit" versteht sich als staatstheoretischer und ist nicht gleichzusetzen mit dem völkerrechtlichen des "failed state". Dazu D. Thürer/M. Herdegen!G. Hohloch, Der Wegfall effektiver Staatsgewalt: "The failed state", 1996. 6*
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sehen Rechtslage zeigt, daß diese den menschenrechtlich begründeten Einreise- und Bleibeansprüchen von Ausländern weitestgehend Rechnung tragen.
V. Recht auf Staatsangehörigkeit a) Es gibt zwar kein Menschenrecht auf globale Freizügigkeit. Der menschenrechtliche Universalismus scheitert am Tatbestand des politischen Pluriversums der Staaten. Gerade aber weil die Welt umfassend unter Staaten aufgeteilt ist und der einzelne Mensch nur über den Staat politisch als Bürger zur Welt kommt, gibt es ein universales Recht eines jeden Menschen, einen Heimatstaat zu haben, in irgendeinem Staat Bürger zu sein. Daraus folgt die politische Verpflichtung für die Staaten dieser Welt, an der Ausbildung politischer Strukturen mitzuwirken, die, ohne den Unterschied von Nähe und Feme, von Bürgern und Fremden zur universellen Gleichgültigkeit zu nivellieren, es doch jedem Menschen ermöglichen, irgendwo im vollen Sinn Heimat zu haben. 34 Aus Menschenrechten folgen zwar nicht unvermittelt Bürgerrechte. Weil aber Menschenrechte nur über die Staaten, d. h. die politischen Elementarteile der Welt, real werden können, gibt es gerade deshalb das elementare Menschenrecht, in einem Staat Bürgerrechte genießen zu können? 5 b) Das staatstheoretisch begründete Bleiberecht Staatenloser ist positivrechtlich weitgehend anerkannt. Zwar haben die de-iure-Staatenlosen ebenso wie die de-facto-Staatenlosen 36 keinen völkerrechtlichen Anspruch auf Einreise in den Staat ihrer Wahl, wohl aber einen Anspruch gegen den Aufenthaltsstaat auf Verbleib und auf innerstaatliche Freizügigkeit in diesem. Das Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen verpflichtet den Aufenthaltsstaat darüberhinaus zur Ausstellung eines Ausweises, damit der Staatenlose auch außerhalb seines Hoheitsgebietes reisen kann. 37 Schließlich ist ihnen der privilegierte Erwerb der Staatsangehörigkeit ihres Aufenthaltsstaates völkerrechtlich geebnet. 38 34 Zum Begriff des Staatenlosen vgl. BVerwGE 87, 11, 14; 92, 116, 119 f. Vgl. auch das völkerrechtliche Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit (BGBl II 1977, 597 ff.) sowie das Übereinkommen zur Verringerung von Staatenlosigkeit vom 13. 9. 1973 (BGBI II 1977, 613 ff.). 35 R. Spaemann, Glück und Wohlwollen, 1989, S. 148; ebenso: H. Arendt, Es gibt nur ein einziges Menschenrecht, in: Die Wandlung IV, 1949, S. 754 ff. 36 Begriff: VGH BW, NJW 1987, 3094 f. In der Schlußakte zum Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28. 9. 1954 (BGBl II 1976, 473) wird den Vertragsstaaten die Gleichstellung beider Arten von Staatenlosigkeit empfohlen (vgl. BGBI II 1977, 608, 612, Entschließungen I). Insgesamt zum Problem: K. Hailbronner (Fn. 4), Einl. F Rn. 69; BT-Drs. 8113 v. 22. 12. 1976, S. 6.
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VI. Einreise- und Bleiberechte bei pervertierter Staatlichkeil Einwanderungsrechte erwachsen Nicht-Staatsangehörigen weiterhin dann, wenn der Heimatstaat seinen Bürgern keinen Frieden bieten will, er sie politisch verfolgt oder mit Völkermord oder Vertreibung bedroht. Der Tatbestand dieses staatstheoretisch begründeten Anspruchs auf Einreise liegt dann vor, wenn die staatlich differenzierte Weltordnung deshalb nicht greift, weil der Staat seinen Bürgern nicht Heimat sein will, wenn also die staatlich vermittelte Solidarität materiell Lücken aufweist. Die politische Ordnung der Welt in Staaten bewirkt zwar eine Mediatisierung der Menschen, die nur als Staatsbürger zur Welt kommen. Damit sie aber politisch überhaupt auf die Welt kommen, muß ihr Heimatstaat sich ihrer auch politisch annehmen, ihnen politisch Heimat sein wollen. Dies ist in den Fällen politischer Verfolgung ebensowenig gegeben wie in den Fällen von Völkermord und Vertreibung. Insoweit sind diese Menschen zwar noch formell, nicht aber mehr materiell einem Staat angehörig. In derartigen Fällen haben die Betroffenen einen Anspruch auf Einreise in andere und Verbleib in anderen Staaten, der freilich in der Konsequenz seiner Begründung zeitlich befristet ist, bis die staatliche Ordnung im Heimatstaat wiederhergestellt ist. Beide Einreisetitel ergeben sich staatstheoretisch zwingend aus der politischen Logik des globalen Staatensystems. Ihnen kann daher weder ethisch noch politisch widersprochen werden. Allerdings bedürfen auch diese staatstheoretisch begründeten menschenrechtliehen Ansprüche völkerrechtlicher bzw. innerstaatlicher Umsetzung in positives Recht. Darin ist die konkrete Pflichtigkeit des einzelnen Staates in Ansehung fehlgeschlagener Staatlichkeit zu normieren, wobei die Einreise- und Bleibeansprüche Differenzierungen nach geographischer Nähe, wirtschaftlicher Stärke und Fehlen anderweitiger gravierender Belastungen des Aufnahmestaates zugänglich und bedürftig sind. Der menschenrechtlich begründete Einreiseanspruch kann selbstverständlich von den einzelnen Staaten oder Staatengemeinschaften im Sinne großzügigerer rechtlicher Einreiseoptionen ausgestaltet sein, von politischen Zweckmäßigkeitserwägungen im übrigen ganz abgesehen.
37 Art. 27, 28 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen (Fn. 36). Zur innerstaatlichen Praxis vgl. BVerwGE 87, 11, 13 ff.; 88, 254, 257; BVerwG, DVBl 1977, 177. 38 Art. 2 des Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit (Fn. 34). Vgl. BVerwGE 92, 116, 118 f. Etwas anderes gilt nur für Personen, deren Schutz durch ein Organ der Vereinten Nationen wahrgenommen wird, vgl. BVerwGE 88, 254, 261 ff. ; 92, 116, 120; BVerwG, NVwZ 1992, 674, 676.
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Otto Depenheuer 1. Pervertierte Staatlichkeit im Einzelfall: Politische Verfolgung
a) Ein Anspruch auf Asylgewährung bei individueller politischer Verfolgung ist zwar im Völkerrecht nicht anerkannt. Wohl aber besteht ein Verbot der Ausweisung in den Verfolgerstaat, wenn der politische Flüchtling das staatliche Territorium betreten hat. 39 Nach dem Recht der EMRK folgt ein entsprechendes Verbot der Rückweisung aus Art. 3 EMRK. 40 In Deutschland genießen nach Art. 16a Abs. 1 GG politisch Verfolgte Asylrecht als subjektives Grundrecht. Dieses umfaßt den Anspruch auf Einreise, die Prüfung des Asylgrundes sowie die Asylgewährung einschließlich einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. 41 b) Der Gesichtspunkt der Differenzierung des Einreiseanspruchs nach geographischer Nähe des Aufnahmestaates erfahrt in Art. 16a Abs. 2 GG eine mittelbare Bestätigung, insoweit sich danach auf Asyl nicht berufen kann, wer aus einem sicheren Drittstaat einreist. 42 Das Asylrecht vermittelt dem politisch Verfolgten also kein Reise- und Auswahlrecht in den Staat seiner Wahl, sondern nur das Einreiserecht in irgendeinen Staat zur Sicherung des existentiellen Schutzes vor Verfolgung. Diese Beschränkung des grundgesetzliehen Asylanspruchs verstößt nicht gegen den menschenrechtliehen Einreiseanspruch, sondern trägt der geographisch abgestuften Verantwortlichkeit der Staatengemeinschaft sachgerecht Rechnung. c) Der Fortbestand des Asylrechts ist nach deutscher Rechtslage an den Fortbestand gegenwärtiger Verfolgung geknüpft. Mit dem Wegfall der Verfolgung erlischt daher auch das Asylrecht, 43 so daß die Anerkennung als Asylberechtigter unverzüglich zu widerrufen ist. 44 Auch diese zeitliche Beschränkung des Asylrechts begegnet keinen Bedenken aus menschenrechtlieber Sicht. Freilich kann Asylberechtigten durch Zeitablauf ein derivatives 39 Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention. Vgl. G. Renner, Ausländerrecht in Deutschland, 1998, S. 52 Rn. 14; K. Doehring, Völkerrecht, 1999, § 18 VIII Rn. 932. - Die Gegenauffassung schließt daraus ein Zugangsrecht zum Territorium und Asylverfahren; vgl. R. Göbel-Zimmermann, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 1999, S. 10; K. Hailbronner, DÖV 1999, 617, 623; G.-H. Gomig, EuGRZ 1986, 521, 526 f.; 0. Kimminich, Völkerrechtliche und grundgesetzliche Grenzen der Asylrechtsreform, in: FS-F. Ermacora, 1998, S. 397 ff. 40 Vgl. dazu K. Hailbronner (Fn. 39), S. 617 ff. mwN. 41 § 68 AsylVfG. 42 Vgl. dazu G. Lübbe-Wolff, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Band I, 1996, Art 16a Rn. 66 ff.; H. J. Bonk, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 2. Auflage, 1999, Art. 16a Rn. 55 ff. 43 BVerfGE 54, 341, 360; BayVGH, DÖV 1980, 51; A. Randelzhofer, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG, Art. 16 li 2 (Stand: Januar 1985) Rn. 143 ff.; G. Lübbe-Wolff(Fn. 42), Art 16a Rn. 50. 44 § 73 Abs. 1 AsylVfG.
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Bleiberecht erwachsen,45 so daß faktisch das asylrechtlich begründete Bleiberecht zu einem dauerhaften Aufenthaltsrecht und dieses zu einem Einbürgerungsanspruch erstarkt. 2. Generell pervertierte Staatlichkeit: Völkermord und ·Vertreibung
Ein entsprechender menschenrechtlich durch fehlgeschlagene Staatlichkeil begründeter Einreise- und Bleibeanspruch kommt auch bei gravierenden Menschenrechtsverletzungen in Betracht.46 Dazu zählt insbesondere sowohl die durch drohende Massaker oder Völkermord als auch die durch planmäßige Vertreibung ganzer Bevölkerungsgruppen verursachte Massenflucht.47 Die nationale Rechtslage behandelt diese Fallgruppen zu Recht als zureichenden Asylgrund. 48 Völkermord und -Vertreibung vermitteln aber unter dem Rechtstitel des Asyls nicht nur Einreise- und Bleiberechte: Sie sollen nach nicht unumstrittener Auffassung49 unter bestimmten Voraussetzungen auch einen Titel für humanitäre Interventionen bieten, d. h. für das Eingreifen eines Staates mit Gewalt oder Androhung mit Gewalt zum Schutz von Personen, die nicht seine Staatsangehörigen sind. 50 Einreise- und Bleiberechte der Betroffenen sowie Interventionsrechte der Staaten wären damit zwei komplementäre Reaktionen auf das Problem massiver Menschenrechtsverletzungen mit Genozidcharakter. Beide Reaktionsansprüche bestätigten die Regel, daß eine funktionswillige politische Ordnung der Staatenwelt Bedingung dafür ist, daß Menschen grundsätzlich auf ihre Bürgerrechte gegen ihren Heimatstaat verwiesen werden können. Fiele diese Bedingung weg, erwüchsen den Betroffenen staatstheoretisch begründete Ansprüche gegen die Staatengemeinschaft auf Abhilfe, sei es im Wege der humanitären Intervention, sei es im Wege eines Einreiseanspruchs. 3. Ineffektive Staatlichkeit: Bürgerkrieg
Ineffektive Staatlichkeil hingegen bildet keinen Fall pervertierter StaatlichkeiL Eine bloß ineffektive Staatsgewalt vermag einen menschenrechtDazu unten unter VI. C. Hillgruber (Fn. 21), S. 296. 47 J. /sensee (Fn. 21), S. 426. 48 Vgl. U. Becker, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/C. Starck (Hrsg.), GG, Band I, 1999, Art. 16a Abs. 1 Rn. 65 ff. 49 Zum Problem oben III. 4., insbes. Fn. 21. 50 Vgl. die Entschließung des Europäischen Parlaments zum Recht auf Intervention aus humanitären Gründen von 1994 (ABI. 1994, Nr. C 128, S. 225). 45
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liehen Einreise- und Bleibeanspruch nicht zu begründen. Zwar ist jeder Staat nur als Friedensordnung legitimiert und kann der einzelne Mensch auf seinen Staat nur verwiesen werden, wenn der Staat diese Friedensordnung aufs Ganze gesehen - gewährleistet. In einem Bürgerkrieg aber kündigt der Staat nicht seinen Bürgern den Frieden auf, sondern stellt sich dem innerstaatlichen Feind. Als Bürgerkriegspartei kämpft der Staat gerade um die Aufrechterhaltung seiner Hoheitsmacht, d. h. um die Wiederherstellung des inneren Friedens. Insoweit aber ist jeder Staatsbürger mit diesem Schicksal seinem Staat existentiell verbunden. 51 Dies schließt nicht aus, daß Staaten aus humanitären oder politischen Gründen Bürgerkriegsflüchtlingen Zuflucht gewähren. 52
VII. Derivative Einwanderungs- und Bleiberechte Neben den originär menschenrechtlich abzuleitenden Zuwanderungsanspruch treten derivative Einreise- und Bleiberechte, deren Wurzeln anderen als den hier behandelten Gründen zuzuordnen sind, und die nur aus systematischen Gründen mitangeführt sind: 1. Bleiberecht durch Zeitablauf
a) Zeit schafft Recht. 53 Rechtmäßiger Aufenthalt kann durch Zeitablauf zu einem Anspruch auf endgültiges Verbleiben, d. h. zu einem unbegrenzten Aufenthaltsrecht oder zu einem Anspruch auf Einbürgerung erstarken. Eine lange Verweildauer im Inland läßt aus dem geduldeten oder begrenzten Aufenthalt ein unbeschränktes Bleiberecht werden. Die durch fehlgeschlagene Staatlichkeit vermittelten Zuwanderungsrechte finden ihren Grund und ihre Grenze im Tatbestand des Fehlschlagens. Wenn diese daher mit den legitimierenden Gründen wegfallen und der menschenrechtliche Bleibeanspruch erlischt, kann dieser aber als derivativer eine rechtliche Fortsetzung finden. Die Ausgestaltung des derivativen Bleibe- und Einbürgerungsrechts im einzelnen obliegt den einzelnen Staaten. b) In Deutschland wird die Aufenthaltserlaubnis zunächst nur befristet erteilt.54 Mit der Zeit kann sich das Bleiberecht zum Recht auf dauernden 51 BVerwGE 72, 269, 274 f. - Soweit es innerhalb einer Bürgerkriegsituation zu Perversionen der Staatsgewalt kommt, kommen freilich die menschenrechtliehen Einreiseansprüche zum tragen, vgl. Becker (Fn. 48), Rn. 40. 52 Zur völkerrechtlichen Rechtslage oben VI. 1. sub a) mwN. 53 Grundsätzlich zum Problem: G. Winkler, Zeit und Recht, 1995. Weitergehend zum Verhältnis von Zeit und Recht aus rechtsphilosophischer Perspektive S. Kirste, Die Zeitlichkeit des positiven Rechts und die Geschichtlichkeit des Rechtsbewußtseins, 1998; ders., ARSP 85 (1999), S. 53 ff.
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Aufenthalt verfestigen. 55 Nach 8 Jahren rechtmäßigen und gewöhnlichen Aufenthalts und der Erfüllung weiterer Voraussetzungen erwächst dem Ausländer zudem ein Anspruch auf Einbürgerung. 56 Zuvor unterliegt der Einbürgerungsanspruch zwar grundsätzlich dem Ermessen;57 dieses wird aber bezüglich der Asylberechtigten durch das Wohlwollensgebot,58 bei den völkerrechtlich privilegierten Staatenlosen durch Zeitablauf59 reduziert. 2. Familiennachzug
Schließlich zählt auch der Familiennachzug zu den derivativen Einreiserechten. Diejenigen, die als politisch Verfolgte, Flüchtlinge oder aus anderen Gründen Aufnahme in Deutschland gefunden haben und bleiben dürfen, kommen nicht als isolierte Individuuen, sondern sind Menschen mit Ehepartner, Kindem und Eltern. Die Regelung von Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung darf die soziale Einbindung des einzelnen in seine Familie nicht ignorieren. Daher ist ein Recht auf Familiennachzug grundsätzlich anerkannt60. Die praktische Umsetzung obliegt näherer gesetzlicher Regelung61. VIII. Einwanderung zwischen Identitätswahrung und Integration
Jenseits der originären und derivativen Einreise- und Bleiberechte verbleibt die Entscheidungskompetenz über Zuwanderung als Souveränitätsrecht dem einzelnen Staat. Sich der Einwanderung zu öffnen oder zu verschließen, ist Ausdruck der Selbstbestimmung eines jeden Volkes. Die Orientierung an den eigenen Interessen des Aufnahmestaates - Arbeitskräftemangel, sinkende Bevölkerungszahlen, Integrationsfähigkeit und -bereit54 § 12 Abs. II AuslG. Ähnlich die Aufenthaltsbewilligung (§§ 28 ff. AuslG) und die Aufenthaltsbefugnis (§§ 30 ff. AuslG, insbes. § 32a AuslG). 55 Unbefristete Aufenthaltserlaubnis (§§ 24-26 AuslG) und Aufenthaltsberechtigung (§ 27 AuslG). 56 §§ 85 ff. AuslG. 57 §§ 8, 9 StAnG. 58 Im Rahmen der Ermessensentscheidung zu § 8 StAngG zu berücksichtigen; vgl. BVerwGE 49, 44, 47 f. ; BayVGH, DÖV 1975, 578; VG Berlin, InfAuslR 1983, 72, 74; K. Hailbronner (Fn. 4), § 8 RuStAG Rn. 87. 59 Bei einer Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAngG soll für eine Ermessensreduzierung bereits eine Aufenhaltsdauer von 7 Jahren genügen, wenn die volle Eingliederung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist; vgl. VGH BW, BWVerwPraxis 1980, 164 f.; VG Berlin, InfAuslR 1988, 255. 60 Zu den Einzelheiten G. Renner (Fn. 39), S. 432 ff. mwN. 61 §§ 17 ff. AuslG.
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Otto Depenheuer
schaft sowie berufliche Qualifikation der Zuwanderer- ist rechtlich legitim und ethisch unbedenklich. Das Souveränitätsrecht der Entscheidung über Einreise und Aufenthalt ist auch im Zeitalter offener Staatlichkeit nicht obsolet. Zwar hat ein modernes, weltoffenes, wirtschaftlich weltweit verflochtenes Land zur Öffnung seiner Grenzen politisch, wirtschaftlich, kulturell keine Alternative, gewinnt im Gegenteil durch gesteuerte Zuwanderung Flexibilität, Innovations- und Zukunftsfahigkeit. Das Recht, souverän über Zuwanderung zu entscheiden, weist aber als Rechtsnorm Kompetenzen zu und verteilt damit Rechtfertigungslasten; in dieser Funktion bleibt es unentbehrlich. Aus Zuwanderung folgt freilich das Problem der Integration, der Wahrung eines zivilisatorischen Grundkonsenses, der bei Zuwanderung nicht vorausgesetzt werden kann, sondern erworben werden muß. Das Integrationsproblem bei Zuwanderung stellt sich weniger im Fall des nur vorübergehenden Aufenthalts: Gäste müssen sich nicht integrieren. Bei vorübergehender Einwanderung aus Not, Krieg oder politischer Verfolgung ist das Integrationsproblem daher politisch gering. Wer als Mensch in Not Aufnahme findet, muß sich nicht integrieren, weil die zeitliche Beschränktheit des Aufenthalts dies unnötig macht, wohl aber auf Sitten und Gebräuche im Gastland Rücksicht nehmen und sie respektieren. Bei langfristiger oder dauerhafter Zuwanderung hingegen entsteht ein Integrationsproblem. Freilich besteht es nur deswegen, weil der Fremde in seiner Fremdheit menschenrechtlich ernst zu nehmen ist. Eine Lösung der Integrationsproblematik muß daher zwei extreme Optionen vermeiden: zwar braucht sich kein Ausländer vorbehaltlos zu assimilieren; er kann aber auch nicht kompromißlos der bleiben, der er war. So wäre es widersprüchlich, den Fremden als abstrakten Menschen mit menschenrechtlicher Begründung einwandern zu lassen, um ihn - sobald er als "allgemeiner" Mensch eingewandert ist - qua kultureller Besonderheit sich jeder Integration widersetzen zu lassen. Umgekehrt aber gilt auch: die Aufnahme von Ausländern unter der Bedingung, daß sie ihre Identität aufgeben, würde diese in ihrer Personalität und Menschenwürde mißachten und verletzen. 62 Jeder Mensch muß sich selbst in seiner personalen Identität treu bleiben dürfen. Der Zuwanderer kommt nicht als abstrakter Mensch, sondern als Individuum mit Kultur, Geschichte, Sprache und Familie. Allerdings muß er den zivilisatorischen Grundkonsens der autochthonen Bevölkerung achten, sich ihm anverwandeln, in seine neue Heimat hineinwachsen wollen, die er zum dauerhaften Aufenthalt aufgesucht hat; nur dann wird die Einwanderung auch für die einheimische Bevölkerung, ihre Kultur und Zukunft zur Bereicherung 62 Die personale Identität des Menschen wird durch die Menschenwürde geschützt: H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Band 1, 1996, Art. 1 I Rn. 34.
Einwanderung und Integration als verfassungspolitisches Problem
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werden können. Die Spannungen, die in diesem Geflecht von geistigen Wirkkräften unvermeidlich entstehen, hat ein Einwanderungsgesetzgeber in Rechnung zu stellen: zu große kulturelle Fremdheit zwischen autochthoner Bevölkerung und Zuwanderern im Verbund mit zuviel Zuwanderung in zu kurzer Zeit birgt politischen Sprengstoff, dessen Brisanz sich geradezu mathematisch berechnen läßt. Nichts ist schlimmer für einen Staat als Einwanderungsland ohne reflektierte Einwanderungspolitik zu sein.
Summary Regulating immigration is the right of each state. This traditional international law maxim is frequently contrasted with the principle of equality in human rights law. The author rejects the notion of human rights understood in absolute, abstract terms. He argues that human rights depend on states as political entities to guarantee and enforce them. Only in exceptional cases, namely statelessness, political persecution or ethnic cleansing, arises a claim to immigration into another state. This claim, however, is not self-executing, but requires international agreements or national law-making to be effective. Furthermore, limited rights to immigration for family members may be accorded. The author concludes that even in times of globalization the sovereignity of each state entails the right to regulate immigration. In doing so, states may legimately tak:e into account their own interests, such as Iabor market demands, population decline, aspects of integration, or the qualification of immigrants. To ensure integration of immigrants while at the same time preserving their personal und cultural identity remains the greatest challenge for states. A well-balanced immigration policy is called for.
111. Migration, Integration und Arbeitswelt
Ökonomische Determinanten der Migration Von Jörg Althammer In den 90er Jahren wurde die Bundesrepublik Deutschland mit Wanderungsbewegungen von bislang unbekanntem Ausmaß konfrontiert. Durch den Fall der Mauer sind allein in den Jahren 1989 bis 1993 1,2 Mio. Deutschstämmige aus den Staaten Ost- und Südosteuropas nach Deutschland eingewandert. Hinzu kam eine seit Mitte der 80er Jahre stetig steigende Zahl von Asylbewerbern. Insgesamt nahm Deutschland in der ersten Hälfte der 90er Jahre mehr Zuwanderer auf, als die "klassischen" Einwanderungsländer Kanada und Australien zusammen (Kronberger Kreis 1994). Vor dem Hintergrund einer in Deutschland ohnehin sehr angespannten Situation am Arbeitsmarkt wurde diese Entwicklung von vielen als Bedrohung für den wirtschaftlichen Wohlstand und den sozialen Frieden angesehen. Die staatliche Wirtschaftspolitik reagierte dementsprechend. 1992 wurde das Asylrecht verschärft, was einen deutlichen Rückgang der Asylanträge zur Folge hatte. Zusammen mit einer restriktiveren Handhabung des Aussiedlerrechts führte dies zu einem insgesamt rückläufigen Wanderungssaldo in der zweiten Hälfte der 90er Jahre. Auch der Beschluss der Europäischen Kommission, die vollständige Freizügigkeit nach der erfolgten Osterweiterung der Europäischen Union um einige Jahre hinauszuschieben die ja vor allem auf deutschen Druck zustande kam - ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Allerdings könnten steigende Zuwanderungszahlen in naher Zukunft bald wieder zur Normalität werden. Denn da die Geburtenrate in allen Ländern der Europäischen Union seit mehreren Jahrzehnten unter dem bestandserhaltenden Niveau liegt, wird sich die Einwohnerzahl der EU nach aktuellen Schätzungen von derzeit 344 Mio. auf etwa 323 Mio. Menschen im Jahre 2020 verringern. Deutschland ist von dieser Entwicklung in besonderem Maße betroffen (vgl. folgende Tabelle, S. 96). Hier hat sich die Anzahl der Geburten je Frau (rohe Geburtenziffer) von ca. 2,4 zu Beginn der 60er Jahre auf 1,4 in den alten Bundesländern deutlich verringert. Noch drastischer fällt der Rückgang in den neuen Bundesländern aus; hier liegt die durchschnittliche Zahl der Geburten je Frau mit etwa 1,15 weit unter dem bestandserhaltenden Niveau von 2, 1. Zusammen mit der deutlich gestiegenen Lebenserwartung unterliegt die inländische Bevölkerung Deutschlands
1,15
1,41
1999
76,85 79,48 80,46
70,18
74,42
73,83
72,39
68,48
Weiblich
73,11
67,41
66,86
64,56
Männlich
Westdeutschland
Quelle: Düll (1998), Statistisches Bundesamt (interne Berechnungen).
1,94
1,52
1,44
1,45
1980
2,19
2,02
1970
1990
2,37
2,33
2,10
2,37
1950
1960
Ostdeutschland
Westdeutschland
Jahr
Fertilität
72,41
69,86
68,96
68,52
67,07
63,90
Männlich
79,45
77,18
74,83
73,61
72,02
67,96
Weiblich
Ostdeutschland
Lebenserwartung Migration
-33,455
376,326
245,600
541 ,600
243,800
-
-
383,000
14,000
18,600
-
-
-
-
-
- 244,100
-7,700
-13,100
-
-
Nettomigration Übersiedler Nettomigration (Ost- nach Westnach Westnach Ostdeutschland) deutschland deutschland
Demographische Entwicklung in Deutschland
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