Dieselautos in Deutschland und den USA: Zum Verhältnis von Technologie, Konsum und Politik, 1949-2005 3515096949, 9783515096942

US-Autofahrer stufen auch heute noch Diesel-Pkw als absurdes Unding ein und favorisieren eindeutig Pkw mit Ottomotor, wo

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Dieselautos in Deutschland und den USA: Zum Verhältnis von Technologie, Konsum und Politik, 1949–2005
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Dieselautos in Deutschland und den USA: Zum Verhältnis von Technologie, Konsum und Politik, 1949-2005
 3515096949, 9783515096942

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Christopher Neumaier

Dieselautos in Deutschland und den USA Zum Verhältnis von Technologie, Konsum und Politik, 1949-2005

Geschichte

Transatlantische Historische Studien

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43

Christopher Neumaier Dieselautos in Deutschland und den USA

TRANSATLANTISCHE HISTORISCHE STUDIEN Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts Washington, DC

Herausgegeben von Hartrnut Berghoff, Martin Klimke Anke Ortlepp und Corinna R. Unger

Band 43

Christopher Neumaier

Dieselautos in Deutschland und den USA Zum Verhältnis von Technologie, Konsum und Politik, 1949-2005

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Franz Steiner Verlag Stuttgart

2010

Umschlagabbildung: © DaimlerAG

Bibliografische Information der Deutschen National­ bibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrutbar. ISBN 978-3-515-09694-2 Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. © 2010 Franz SteinerVerlag Stuttgart Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Printed in Germany

VORWORT Die vorliegende Arbeit wurde im Oktober 2008 von der Fakultät für Wirt­ schaftswissenschaften der Technischen Universität München als Dissertation mit dem Titel Rationalitätsjiktionen in der verwissenschaftlichten Alltags­

technik des 20. Jahrhunderts. Erklärung der diametral entgegengesetzten Verbreitung von Dieselautos in Deutschland und in den USA, 1945-2005 an­

genommen und für die Drucklegung überarbeitet und gekürzt. In der Recher­ che- und Schreibphase dieses Buches erfuhr ich von vielen Seiten Unterstüt­ zung, für die ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken möchte. Meine Dankbarkeit gilt vor allem meinem Betreuer Ulrich Wengenroth, der mich mit dem faszinierenden Thema "Rationalitätsfiktionen in der ver­ wissenschaftlichten Alltagstechnik des 20. Jahrhunderts" vertraut gemacht und mich stets unterstützt hat. Gerade seine zahlreichen Ratschläge zur kon­ zeptionellen Ausgestaltung waren beim Übergang von der Konzeptions- zur Schreibphase wie auch in der Überarbeitungsphase äußerst hilfreich. Bei Ka­ rin Zachmann möchte mich nicht nur für die Übernahme des Zweitgutach­ tens bedanken, sondern auch für ihre hilfreichen Kommentare nach meinen Vorträgen im Oberseminar am Zentralinstitut für Geschichte der Technik der TU München. Ohne die finanzielle Unterstützung der DFG wäre die Realisierung die­ ses Projekts nicht zustande gekommen, der hierfür ebenfalls besonders ge­ dankt sei. Ein Stipendium des Deutschen Historischen Instituts in Washing­ ton, DC, ermöglichte zudem einen dreimonatigen Forschungsaufenthalt in den USA. An dieser Stelle möchte ich mich stellvertretend insbesondere bei Christof Mauch, Gisela Mettele, Anke Ortlepp und Uwe Lübken sowie bei dem jetzigen Direktor des DHI Hartrnut Berghoff bedanken. Der ständige Austausch mit meinen KollegInnen am Zentralinstitut für Geschichte der Technik und am Münchner Zentrum für Wissenschafts- und Technikgeschichte im Deutschen Museum, hier insbesondere mit den Mit­ gliedern der DFG-Forschergruppe zu Wechselwirkungen zwischen Naturwis­ senschaft und Technik, war eine wichtige Quelle für zielführende Ideen. Vom Gedankenaustausch mit Historikern und Soziologen, wie insbesondere mit Hans-Joachim Braun, Hans-Liudger DieneI, Wolfgang König, Gij s Mom, Gert Schmidt, Rainer Trinczek und Helmuth TrischIer, profitierte ich über­ dies auf den Jahrestagungen der Society for the History of Technology, der Gesellschaft für Technikgeschichte und T2M. Das Auffinden relevanter Archivalien gestaltete sich bei einem so zeitna­ hen Projekt als äußerst zeitaufwendig und kompliziert. Für ihre Mühen

6

Vorwort

möchte ich an dieser Stelle vor allem Kerstin Oldenhage vom Bundesarchiv in Koblenz sowie den Mitarbeitern der Jimmy Carter Presidential Library und der Bibliothek des Deutschen Museums meinen Dank aussprechen. Für die Planung meiner US-Archivreisen war gerade das in Kooperation von der Zeit-Stiftung und dem DHI Washington veranstaltete Bucerius Seminar 2005 von großer Hilfe. Auch die Unterstützung vor Ort im Großraum Detroit durch meinen Onkel Peter und meine Tante Alice Tropper erleichterte meine Re­ cherchen an der University of Michigan in Ann Arbor und der Detroit Public Library erheblich. Nachdem die Quellen gesichtet und das grobe Gerüst der Arbeit konzi­ piert waren, begann eine lange Schreibphase, an deren Ende mir Martina Blum und Lui Aeckerle halfen, meiner Arbeit die abschließende sprachliche Stringenz zu geben. Ihnen gebührt an dieser Stelle besonderer Dank. Als die Überarbeitung der Dissertation anstand, gewährte mir Andreas Rödder die nötigen Freiräume, wofür ich mich sehr bei ihm bedanken möchte. Gedankt sei auch dem Deutschen Historischen Institut in Washington, welches diese Arbeit in seine Reihe Transatlantische Historische Studien aufgenommen und die Druckkosten übernommen hat. In dieser Phase waren die freundlichen Hinweise von Martin Klimke wie auch die Anmerkungen der Lektorin Sabine vom Bruch hilfreich, um dem Buch seine endgültige Form zu geben. Gerade in der Schreibphase rutschte das Privatleben zwangsläufig erheb­ lich in den Hintergrund. Für ihr Verständnis und ihre Unterstützung danke ich meiner Tante Christiane Lutz, meinen Schwestern Teresa und Katharina so­ wie meinem zwischenzeitlich verstorbenen Vater Albert und meiner Mutter Ulrike, denen ich dieses Buch widme. Ihre Nähe und ständiger Rückhalt, die gerade in schwierigen Phasen wichtig waren, gaben mir Kraft, die Disserta­ tion zum Abschluss zu bringen. Mainz, 5. Mai 2010

Christopher Neumaier

INHALT I.

Einleitung

.............................................................................................

Der Dieselabsatz als ökonomisches Phänomen Erkenntnisziel und theoretischer Ansatz . ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ..... Aufbau und Eingrenzung 1.4 Quellenbasis 1.5 Forschungsstand zum Automobil

LI 1.2 1.3

2. 2.1 2.2

3.

....................................

9 9

14

....................................................................

26

........................................................................................

28

.......................................................

31

Das Dieselauto als automobiles Randprodukt, 1949-1973/74 ...... 38 38 Erstes in Serie produziertes Dieselauto ..............................................

Die Dominanz der Mercedes-Benz Dieselautos, 1949-1974 ............. 40 Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989 ................................ 70

Exklusive Diesellimousinen, Dieselautos für den Massenmarkt 70 und der kritische Faktor Dieselkraftstoff 3.2 Eine kurzweilige Begeisterung für das Dieselauto ? ... ..... ... ... ... ... ... 103 3.3 Das Dilemma Energiepolitik und Abgasemissionen in den USA 135 3.4 Die Abgasemissionen des Diesel-Pkw im Fokus des öffentlichen Interesses in Deutschland ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... 163 3.1

............................................

..

....

...

4.

Die Rückkehr der Dieselautos in Deutschland und ihr

4.1

Schattendasein in den USA, 1989-2005 ........................................ 181 181 Partikel, Krebs und neue saubere Dieselautos ..................................

Kohlendioxid, sparsame Pkw-Dieselmotoren und Rentabilität .. 4.3 Der Leistungssprung der Dieselmotoren seit 1997 ........................... 4.4 Abgasemissionen als spezielles Hindernis in Deutschland 4.5 Das Schattendasein der Dieselautos in den USA 4.2

5. 5.1

......

196 205

..............

220

.............................

235

Abschließende Bemerkungen ........................................................ 243 243

Zusammenfassung 5.2 Die Dieselautos und ihre Rationalitätsfiktionen

............................................................................

...............................

252

............................................................................................

259

Abkürzungen Grafik- und Tabellenverzeichnis Quellen- und Literaturverzeichnis Ungedruckte Quellen

............... . . . ..................... . . . .....................

261

............................................................

262

........................................................................

262

8

Inhalt

Zeitschriften, Zeitungen und Nachschlagewerke ...... " ......... " .......... Gedruckte Quellen und Literatur Anonyme Internetquellen ............................. " .......... " .......... " .......... Sach- und Ortsregister.. .................. " ......... " .......... " .......... " .......... " .......... Personenregister " ..................... " ...................... " ...................... ......................................................

.................

262 264 290 291 297

1.

EINLEITUNG

1. 1 DER DIESELABSATZ ALS ÖKONOMISCHES PHÄNOMEN

Franny rolled down her window and sniffed; there was the diesel rankness of Europe 1

Mit diesen Worten beschreibt der US-Autor John Irving in seinem Erfolgsro­ man The Hotel New Hampshire den ersten prägenden Eindruck, den der all­ gegenwärtige und als unangenehm empfundene Dieselgeruch bei der ameri­ kanischen Familie Berry hinterließ, als sie 1957 im österreichischen Wien ankam. Die Verbreitung von Dieselmotoren nicht nur in Lastwagen und Bus­ sen, sondern auch in Autos, war für das europäische Stadtleben im Gegensatz zum amerikanischen charakteristisch. US-Bürger betrachteten den Dieselmo­ tor im Pkw als Kuriosum. In ihren Augen sollten die für Lastwagen und Bau­ fahrzeuge "typischen" Motoren eben diesen Anwendungsbereichen vorbe­ halten bleiben. Irvings Roman erschien erstmals 1981, zu dem Zeitpunkt, als es den Anschein hatte, in den Vereinigten Staaten von Nordamerika würde genau diese Differenzierung zu Ende gehen und der Dieselmotor verstärkt im Personenkraftwagen Verwendung finden. Damals prognostizierten amerika­ nische Automobilexperten für 1985 einen Dieselanteil bei der Autoproduk­ tion von 15 Prozent. Bis zum Ende der Dekade sollte er sogar auf 20 Prozent ansteigen und 1995 25 Prozent erreichen 2 Die tatsächliche Entwicklung der Absatzzahlen führte die Prognosen jedoch noch im gleichen Jahr ad absur­ dum. Der Dieselanteil bei den Verkaufszahlen der Neuwagen kulminierte in den USA bei 6,1 Prozent und fiel bereits 1985 wieder unter die Einprozent­ marke. Der Bundesstaat Kalifornien stellte hier insofern eine Ausnahme dar, weil dort 1981 mit einem Anteil von neun Prozent überproportional viele Dieselautos verkauft wurden. Im Marktsegment der Trucks3 wurde der

1 2 3

Irving, Hotel New Hampshire, 219. Vgl. Greene, Market Share, 13. Ähnliche Argumente fanden sich 1981 in der Zeitschrift Automotive Industries. Vgl. Mullins, Gasoline, 3 1 . Hierbei wurden alle Trucks mit einem zulässigen Fahrzeuggesamtgewicht von maximal 10.000 Pfund berücksichtigt. Eine separate Statistik zu Light Trucks, die nach Defini­ tion der National Highway Traffic Safety Administration Pick-up Trucks, Mini-Vans, Sport Utility Vehicles und Vans mit einem zulässigen Gesamtgewicht von maximal

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1 . Einleitung

höchste Anteil bei den Neuwagenverkäufen mit 8,5 Prozent im Jahr 1982 er­ reicht und pendelte von 1983 bis 2003 zwischen 6,7 und 1 ,7 Prozent4 Wird der Blick von den USA über den atlantischen Ozean nach Deutsch­ land gerichtet, rallt zunächst die bis 1983 ähnlich verlaufende Absatzent­ wicklung auf. Der Anteil der Dieselpersonenwagen stieg bei den Neuzulas­ sungen bis 1982 auf 15,1 Prozent an und brach 1983 ein. Allerdings setzte im Jahr darauf ein erneuter Absatzboom ein, der 1986 bei einem Neuzulassungs­ anteil von 27,4 Prozent kulminierte. Danach fiel er bis 1989 wieder auf 10,4 Prozent ab. Von 1989 an erholte sich der Dieselfahrzeugabsatz leicht, ehe 1997 die Verkaufszahlen sprunghaft hinaufschnellten und ein bis dahin nie da gewesener Absatzerfolg seinen Anfang nahm. Dieser gipfelte zunächst im Jahr 2004 bei einem Dieselanteil von 44 Prozent, sank 2005 auf 42,7 Prozent und zog 2006 wieder auf 44,3 Prozent an5 Seit 1983 kann also von einer diametralen Verbreitung der Dieselautos in beiden Ländern gesprochen werden. Zu fragen ist, welche zentralen Faktoren die Absatzentwicklung in Deutschland und den USA während des Betrach­ tungszeitraums von 1 949 bis 2005 beeinflussten. Welche signifikanten Ge­ meinsamkeiten und Unterschiede gibt es zwischen beiden Ländern? Die bisherigen Erklärungsansätze für das Phänomen argumentieren pri­ mär ökonomisch. 6 Wissenschaftler, wie der Mitarbeiter des Oak Ridge Natio­ nal Laboratory David L. Greene, versuchten bereits in den 1 980er Jahren, den rapide angestiegenen Dieselabsatz von einem Prozent im Jahr 1978 auf 6,1 Prozent 1981 und den folgenden Einbruch auf 1,5 Prozent 1984 zu erklä­ ren7 Nach Greene gab es in den USA während des Betrachtungszeitraums von 1979 bis 1983 drei zentrale Ereignisse, die den negativen Trend beim Dieselabsatz auslösten: fallende Kraftstoffpreise für Dieselkraftstoff und bleifreies Benzin, eine Verringerung der Preisdifferenz zwischen beiden Kraftstoffarten, ein geringerer Kraftstoffverbrauch bei beiden Motorenarten. Letzteres ließ für die Dieselfahrer die Kraftstoffersparnisse pro Meile schrump-

4 5

6

7

8.500 Pfund umfasst, liegt nicht vor. V gl. DavislDiegel, Transportation Energy Data Book (2004), 4-6; Yacobucci, Sport Utility Vehicles, CRS-2. Vgl. DavislDiegel, Transportation Energy Data Book (2004), 4-5, 4-6; Kurani/Sper­ ling, Rise, 23. Vgl. Kraftfahrt-Bundesamt, Mitteilungen (1995), 36; Kraftfahrt-Bundesamt, Mitteilun­ gen (1012006), 68; Kraftfahrt-Bundesamt, Mitteilungen (12/2006), 13. Ab dem Jahr 1992 beziehen sich die Neuzulassungszahlen des Kraftfahtt-Bundesamtes auf das wie­ dervereinigte Deutschland. Für betriebswirtschaftliche Erklärungsmodelle des Dieselabsatzes vgl. Dudenhäffer, Prognosemethoden, 1092-1100; Eiberger, Diesel, 19-22. Zur Erläuterung vgl. Koller! Bliemel, Marketing-Management, 253, 256f. Vgl. Greene, Market Share, 13. Die von Greene genannten Zahlen weichen von anderer Stelle ab. Vgl. DavislDiegel, Transportation Energy Data Book (2004), 4-5. Greene nennt einen Marktanteil von 5,6 Prozent für 198 1 , wobei nicht eindeutig ersichtlich ist, ob es sich hier um Neuzulassungen, Verkaufszahlen oder den Wagenbestand handelt.

1.1 Der Dieselabsatz als ökonomisches Phänomen

11

Grafik 1: Dieselanteil bei NeuzulassungenlVerkaufszahlen in Deutschland und in den USA, 1971-2006 45%

�======�----�� _Neuzulassungen Dieselautos (Deutschland)

40% _Verkaufszahlen Dieselautos (USA) 35% Verkaufszahlen Dieseltrucks (USA) 30%

25%

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20%

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15%

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10%

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1971 1973 1975 1977 1979 1981 1983 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005

Quellen: Davis, Transportation Energy Data Book (2000), 7-4, 7-5; DavislDiegel, Transpor­ tation Energy Data Book (2007), 4-5, 4-6; Kraftfahrt-Bundesamt, Mitteilungen (1995), 36; Kraftfahrt-Bundesamt, Mitteilungen (1012006), 68; Kraftfahrt-Bundesamt, Mitteilungen (1212006), 13.

fen, wogegen sich das Angleichen der Kraftstoffpreise für Diesel und Benzin nachteilig auf den Kostenvorteil von Dieselkraftstoff auswirkte8 Greenes Fazit nach Untersuchung der monatlichen Absatzzahlen 1 8 ver­ schiedener Autotypen und -modelle von fünf Herstellern lautete, dass die Konsumenten späteren Einsparungen bei den Kraftstoffkosten große Bedeu­ tung beimaßen. Nach seinen Berechnungen musste sich der höhere Anschaf­ fungspreis eines sparsameren Automobils innerhalb von zwei bis drei Jahren amortisieren9 Der Einbruch des Dieselabsatzes resultierte in seinen Augen aus der sich verschlechternden Wirtschaftlichkeitsrechnung - eine Folge der fallenden Kraftstoffpreise, des Schrumpfens der Preisspanne zwischen Die-

8

9

Vgl. Greene, Market Share, 14. Nach Greene war bleifreies Benzin im März 1981 mit 1,57 Dollar pro Gallone (konstanter Dollar von 1983) am teuersten und fiel zwei Jahre später auf 1,15 Dollar. Zudem verbesserte sich zwischen 1979 und 1983 die Wirtschaft­ lichkeit neuer Autos um mehr als 25 Prozent von 20 mites per gallon (mpg) auf 26 mpg. Dies allein - so Greene - hätte den Kostenvorteil des Diesels pro Meile um zehn Pro­ zent erodiert. Greene folgerte daraus: "the economics of capital and operating costs are still a signifi­ " cant determinant of the diesel market share. Ebd. 20.

12

1. Einleitung

sel- und Benzinkraftstoff und der Reduzierung des Verbrauchs bei beiden Verbrennungsmotoren.10 Greene hielt in seiner Studie weiter fest, dass die Käufer von Pontiac­ und Buick-Personenkraftwagen Benzinmodelle gegenüber Dieselvarianten favorisierten. Mit dem model yearll 1983 verstärkte sich die negative Ein­ stellung gegenüber diesen Dieselmodellen sogar noch weiter. Käufer von Volkswagen Autos verhielten sich dagegen nahezu indifferent und die Merce­ des-Benz bzw. Peugeot Kunden bevorzugten gar die Dieselvarianten gegen­ über den Modellen mit Ottomotor. Das legte die Schlussfolgerung nahe, dass die Wahrnehmung der Dieselwagen durch die Konsumenten für den Markter­ folg genauso wichtig war wie die Kostenkalkulation. Als sich die anfanglich positive Perzeption der Dieselmodelle von Buick und Pontiac ins Negative wandelte, sei dies - so Greene - sogar noch verheerender für den Dieselab­ satz gewesen als die ungünstige Entwicklung bei den Kraftstoffkosten1 2 An­ ders argumentierte Greene in einer zweiten Studie von 1996 und nahm diese Einschätzung zurück. Sein abschließendes Fazit betonte, dass die Markt­ kräfte der Hauptgrund für die Entwicklung des Dieselabsatzes in den USA gewesen seien und eben nicht die öffentliche Wahrnehmung der Dieseltech­ nologie.13 Den europäischen Absatzmarkt für Diesel- und Benzin-Pkw analysierte eine andere ökonomische Studie anhand der Fallbeispiele Belgien, Frank­ reich und Italien im Zeitraum von 1991 bis 199414 Frank Verboven nannte die Mehrwertsteuer sowie insbesondere die Kraftfahrzeugsteuer und die Mi­ neralölsteuer als entscheidende Faktoren für die Absatzentwicklung von Pkw in Europa. Die Jahreskilometerleistung, so Verboven, sei ebenfalls "a main driving factor in her [consumer, C.N.] gasoline/diesel car-purchasing decision . . 15 . Die Konsumenten nutzten diesbezüglich die Automobilzeit­ schriften als Informationsquelle. Die Zeitschriften veröffentlichten in regel­ mäßigen Abständen verlässliche Tabellen, woraus den Konsumenten ersicht­ lich war, ab welcher Jahreskilometerleistung ein Diesel rentabler war als ein Benzinauto. Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts greifen die Konsumenten

10 11 12 13

14 15

Vgl. ebd. Als model year werden von Oktober bis September des folgenden Jahres produzierte Automobile bezeichnet. Das geht auf General Motors zurück. V gl. Volti, Century, 671. Vgl. Greene, Market Share, 20. Greene hielt fest: "In the final analysis, the rise and fall of diesel cars can be traced pri­ marily to the price differential between gasoline and diesel fuel." Greene, Transporta­ tion, 170. In einer Fußnote verweist Greene auch auf die Emissionsproblematik der Partikel und Stickoxide, die einen erneuten Anstieg des Dieselabsatzes verhinderte. V gl. ebd., (Anm. 3). Vgl. Verboven, Price Discrimination, 275f. Hier handelt es sich um eine überarbeitete Fassung der bereits 1999 publizierten Thesen. V gl. Verboven, Markets. Verboven, Price Discrirnination, 280.

1.1 Der Dieselabsatz als ökonomisches Phänomen

13

auch verstärkt auf Internetangebote zurück, um die zu erwartenden Kosten für Benziner und Diesel kalkulieren zu lassen.16 Nach Meinung Verbovens zeigen diese Berechnungen17, dass der einzige Unterschied bei der Wahl zwischen einem Benziner und einem Diesel die Jah­ reskilometerleistung ist18 Verboven schlussfolgert daher: "Consumers make a decision to buy a gasoline or a diesel car based on their annual mileage. "19 Im Folgenden soll es nun weder darum gehen, den Einfluss der Kraft­ stoffpreisentwicklung auf den Dieselabsatz, noch die Jahreskilometerleistung bei der Kaufentscheidung für ein entsprechendes Automobil zu leugnen, die Greene und Verboven zu Recht hervorheben. Allerdings folgte der Absatz von Dieselautos keineswegs immer treu den Kraftstoffpreisen. Zwischen 1970 und 1980 war in Deutschland der Preis für einen Liter Dieselkraftstoff im Jahresmittel- ausgenommen 1978- teurer als für einen Liter Normalben­ zin, gleichwohl stieg der Dieselanteil bei den Neuzulassungen in der Dekade von 2,8 Prozent auf 8,1 Prozent an. In den USA war Dieselkraftstoff im Zeit­ abschnitt von 1990 bis 1996 günstiger als Normalbenzin, einen merklich po­ sitiven Einfluss auf den Dieselabsatz hatte der Preisvorteil an den Zapfsäulen jedoch nicht20 Die Herangehensweise der beiden zitierten Autoren erscheint daher re­ duktionistisch, wenn man die Ergebnisse von Margaret Walls Studie über Erdgasfahrzeuge berücksichtigt. Sie konnte nachweisen: "products are val­ ued for the characteristics embodied in them" 21 Somit dürfen andere wich­ tige Faktoren des Dieselabsatzes in ihrer Bedeutung keinesfalls vernachläs­ sigt werden. Hierzu gehören die kulturellen Präferenzen der Autofahrer, die technischen Eigenschaften der Autos, die politischen Vorgaben und die öf­ fentlichen Diskurse über diese Themen. Außerdem agiert der Mensch in der Regel nicht als ein reiner homo oeconomicus. So ist fraglich, ob Menschen immer das kostengünstigere Automobil anhand von Kostentabellen auswäh­ len. Das bestätigte der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) 2003 in der Einleitung zu einer seiner Rentabilitätstabellen. Er stellte fest, dass sich mittlerweile der Diesel auch für "Durchschnittsfahrer" rentieren könne, wodurch indirekt bestätigt wird, dass dies früher nicht die Regel war. In den USA wäre es ökonomisch sinnvoll, insbesondere die beliebten SUV, Pick-up Trucks und großen Personenwagen mit einem Dieselmotor auszustatten. Al-

16 17 18 19 20 21

V gl. ebd., 279ff. Zur Herleitung vgl. ebd., 281-286. V gl. ebd., 288ff. Ebd., 295. V gl. www.mwv.de/cms/front_content.php?idart=3&idcat=13; Kraftfahrt-Bundesamt, Mitteilungen (1995), 36; Davis, Transportation Energy Data Book (2000), 5-7. Walls, Valuing, 276. Für eine weitere Studie zum Erdgasfahrzeug vgl. Harnm, Gas, 207-225.

14

1. Einleitung

lerdings fehlte hierfür das Interesse der Konsumenten.22 Oftmals unterliegen die Kraftstoffpreise überdies auch derart großen Schwankungen, dass es für die Konsumenten schlicht nicht kalkulierbar ist, ob sich ein Auto über die gesamte Besitzdauer rentiert oder eben nicht. Letztlich muss, möchte man den Pkw-Dieselabsatz in Deutschland und den Vereinigten Staaten erklären, die kulturelle Perspektive genauso berücksichtigt werden wie die ökonomi­ schen Faktoren, schließlich spielen beim Auto "seit jeher die Emotionen eine mindestens ebenso große Rolle [ ] wie sachliche Erwägungen" .23 . . .

1. 2 ERKENNTNISZIEL UND THEORETISCHER ANSATZ Das Ziel dieser Studie ist es, die zunächst gleich verlaufende und seit 1983 völlig entgegengesetzte Absatzentwicklung bei den Dieselautos in beiden Ländern zu analysieren 24 Hierbei werden gleichermaßen ökonomische, kul­ turelle, soziale, technologische sowie politische Faktoren berücksichtigt. Die Arbeit geht über die Ansätze von Greene und Verboven, welche sich auf die ökonomischen Gründe beschränken, hinaus und will die Absatzentwicklung in ihrer historischen Dimension schildern und erklären. Durch eine diachrone Perspektive können zum Beispiel die Konsequenzen gravierender Umwäl­ zungen, wie die Ölkrisen der 1970er Jahre, analysiert werden. Ferner zeigt diese Arbeit, dass die Konsumenten in ihrer Entscheidungsfindung nicht wis­ senschaftlich objektiven Mustern folgen, sondern wissenschaftlich ermittelte Sachverhalte kulturspezifisch interpretieren. Eben diese Begebenheit wird von den sogenannten Rationalitätsfiktionen treffend theoretisch eingegrenzt. Das Konzept der Rationalitätsfiktionen, auf das in dieser Arbeit zurück­ gegriffen wird25 , kann weiterhin erklären helfen, warum sich der öffentliche Diskurs über das Für und Wider des Dieselautos stets um eine oder einige wenige als wichtig eingestufte Eigenschaften, wie die Motorleistung, dreht,

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23 24

25

Vgl. Wengenroth, Gründe, 16f. Zum Kostenvergleich in Deutschland vgl. Allgemeiner Deutscher Automobil Club, Diesel gegen Benziner (2003), 1. In den USA zeigten zum Beispiel die Berechnungen des Fuel Economy Guide im Jahr 2005, dass sich die jährli­ chen Kraftstoffkosten für das Modell Mercedes-Benz E 320 auf 1.272 Dollar gegenüber 774 Dollar beim Modell E 320 CDI beliefen. V gl. United States Environmental Protec­ tion Agency/United States Department of Energy, Fuel Economy Guide, 9. V gl. eben­ falls http://www.fueleconomy.gov/. Hack, Diesel (1987), 9. Für die USA wird in dieser Studie arnEnde auch auf das Marktsegment der Light Trucks verwiesen. In den 1980er Jahren stieg ihr Marktanteil in den USA an und seit Ende der 1990er Jahre werden in den USA pro Jahr in etwa genauso viele Light Trucks wie Per­ sonenwagen verkauft. V gl. DavislDiegel, Transportation Energy Data Book (2006), 4-5, 4-6. Das Hauptaugenmerk dieser Studie liegt jedoch auf den Pkw. Zur Herleitung der Rationalitätsfiktionen durch den Soziologen U we Schimank vgl. Schimank, Rationalitätsfiktionen, 57-81.

1.2 Erkenntnisziel und theoretischer Ansatz

15

andere dagegen vernachlässigt. Außerdem erklären die Rationalitätsfiktio­ nen, wieso sich die Gewichtung der einzelnen Faktoren verändert. Die Ak­ teure ziehen letztlich Rationalitätsfiktionen bei ihren Konsumentscheidungen für die Entscheidungsfindung und -rechtfertigung heran. Bevor der theoreti­ sche Ansatz erläutert wird, sind jedoch einige den Kontext erklärende Bemer­ kungen notwendig.

Die Gesellschaft als Erlebnisgesellschaft und Wissensgesellschaft Nach Gerhard Schulze lässt sich die Bundesrepublik Deutschland auch als Erlebnisgesellschaft beschreiben. Er betont dabei, dass es sich nicht um et­ was Ausschließliches handele, sondern "sie [ ...] mehr als andere" 26 eine Er­ lebnisgesellschaft sei.27 Die Charakteristika einer Erlebnisgesellschaft traten während der 1960er und 1970er Jahre immer stärker in Erscheinung und zeigten sich am "Vordringen der innenorientierten Konsummotiviation" 28 Die "Schwerpunktverlagerung im historischen Prozess"29 endete Anfang der 1980er Jahre, als sich die "Erlebnisorientierung" endgültig durchsetzte30 Ein primär innenorientiertes Konsumverhalten löste ein außenorientiertes ab. Für die Akteure ist wichtig, dass Produkte ein subjektives Erlebnisgefühl liefern und nicht mehr nur über ihren augenscheinlich objektiven Nutzen definiert werden3! Da Schulze die "Entscheidungsrationalität" für oder gegen Konsumgüter auf die Ebene des Erlebens transferiert, dürfen Produkte nicht mehr nur nach ihren objektiven Eigenschaften bewertet werden. Demgemäß sind das Ge­ fühl, welches ein Produkt dem Konsumenten vermittelt, und eine "Reproduk­ tion dieses einmal eingekauften Erlebens"32 von elementarer Bedeutung. Ob­ wohl es den Konsumenten primär darum geht, etwas "zu erleben" , verschwin­ det eine objektive Beurteilung der Güter keineswegs komplett. Damit bleibt

26 27

28 29 30 31 32

Schulze, Erlebnisgesellschaft, 15. Neben dem Terminus "Erlebnisgesellschaft" wurden noch weitere Gesellschaftsbegriffe von der Soziologie geprägt. Dazu gehören u.a. "Risikogesellschaft", "Wissensgesell­ schaft", "beratene Gesellschaft", "Organisationsgesellschaft" und "Entscheidungsge­ sellschaft". V gl. Beck, Risikogesellschaft; JägeriSchimank (Hg.), Organisationsgesell­ schaft; Schimank, Entscheidungsgesellschaft; SchützeichellBrüsemeister (Hg.), Gesell­ schaft; Weingart, Stunde. Schulze, Erlebnisgesellschaft, 552. Wengenroth, Gründe, 6. V gl. Schulze, Erlebnisgesellschaft, 541. Vgl. Wengenroth, Gründe, 6. Für eine ausführliche Darstellung vgl. Schulze, Erlebnis­ gesellschaft, 427f. Wengenroth, Gründe, 8.

16

1. Einleitung

folgende Frage bestehen: "Welche objektiven Produktmerkmale garantieren das erstrebte Erlebnis?"33 Am Beispiel des Automobils lässt sich demonstrieren, wie sich außen­ und innenorientierter Konsum unterscheiden, wie sich beide bei der Konsu­ mentscheidung manifestieren und welche objektiven Bewertungskriterien entscheidend sind. Fällt die Wahl auf ein Auto, um sich schlicht damit fortbe­ wegen zu können, so ist die Kaufentscheidung außenorientiert. Wählt der Akteur dagegen ein ganz bestimmtes Automobil, weil es eben ein subjektiv gefühlt besseres Fahrgefühl vermittelt, dann ist die Kaufentscheidung dem­ gegenüber innenorientiert34 Das subjektive Gefühl kann anhand zahlreicher objektiver Kriterien sichtbar gemacht werden. So geben die Motorleistung in PS und die Beschleunigungszeit von 0 auf 100 km/h Aufschluss darüber, welches Fahrgefühl sich einstellen wird. Der Autokäufer kann dann abwä­ gen, ob es seinen Ansprüchen genügt oder nicht. Ein weiteres Kriterium be­ trifft zum Beispiel die Fahrzeugsicherheit. Bei standardisierten Crashtests wird ermittelt, welchen Belastungen der Wagen standhält und was für Folgen ein Aufprall für die Wageninsassen hat. Anhand der Testergebnisse erkennt der Konsument, ob der Wagen für ihn "sicher" ist oder nicht. Der Käufer kann so beurteilen, ob sich bei einem bestimmten Auto das gewünschte Er­ lebnisgefühl einstellen wird. Bei den beiden Beispielen geht es primär um die Aspekte "Sportlichkeit" bzw. "Geschwindigkeit" und "Sicherheit" . Die Bewertung der objektiven Produkteigenschaften gestaltet sich aller­ dings in einer Gesellschaft, die ständig neue und immer komplexer werdende technologische Artefakte produziert, als außerordentlich schwierig35 Die wachsende Komplexität der Artefakte ist eine Folge der zunehmenden Ver­ wissenschaftlichung, die charakteristisch für das 20. Jahrhundert ist.36 Neben dem von Schulze entwickelten Erklärungsmodell für gesellschaftliche Wand­ lungsprozesse kann aus wissenschaftssoziologischer Perspektive folglich auch die Entstehung einer Wissensgesellschaft bzw. verwissenschaftlichten Gesellschaft festgestellt werden.37 In einer solchen Gesellschaft ist nach Pe-

33 34 35

36 37

Ebd. V gl. Schulze, Erlebnisgesellschaft, 427ff. Die wachsende Komplexität ist an das exponentielle Wachstum der Wissenschaft ge­ koppelt. Das Phänomen erkannte der Wissenschaftshistoriker Derek de Solla Price be­ reits in den 1960er Jahren. Nach seiner Darstellung kam es erstmals im 17. Jahrhundert zu einer Verdoppelung der in der Wissenschaft Beschäftigten bzw. der wissenschaftli­ chen Publikationen innerhalb von ca. 10 bis 15 Jahren. V gl. Price, Science, 6ff.; Wein­ gart, Wissenschaftssoziologie, 35f.; Weingart, Stunde, 87; Wengenroth, Gründe, 5. Für eine Zusarnrnenfassung vgl. FeIt u.a., Wissenschaftsforschung, 43-48. Laut de Solla Price hält das exponentielle Wachstum seitdem an. Am Anfang des 20. Jahrhunderts gab es ca. 50.000 Wissenschaftler. Deren Zahl stieg zum Ende des Jahrhunderts auf mehr als drei Millionen an. V gl. Price, Seience, 6ff. Vgl. ebd., 37; Weingart, Stunde, 104-109, 118. V gl. Wengenroth, Gründe, 5.

1.2 Erkenntnisziel und theoretischer Ansatz

17

ter Weingart und Nico Stehr "Wissen" in allen gesellschaftlichen Teilberei­ chen allgegenwärtig38 Zugleich gibt es neben "Wissen" stets auch "Nicht­ wissen" und "Konflikte um den Zugang zu Wissen" 39 In einer Wissensge­ sellschaft geht es keineswegs ausschließlich um wissenschaftliches Wissen, sondern Akteure erwerben und nutzen vielfaltige Formen von Wissen für ihre alltägliche Interaktion. Typisch für eine verwissenschaftlichte Gesellschaft ist somit die ständige Anwendung und Produktion von Wissen sowie das Hinterfragen der Summe der "Handlungsorientierungen, Normen und Werte, die vormals fraglos tradiert wurden" . 40 Das führt nicht nur zu einer Verunsicherung der gesellschaftlichen Ak­ teure' weil überkommene Werte infrage gestellt werden, sondern zwingt die Akteure auch wegen der ständigen Produktion neuer bzw. verbesserter Kon­ sumgüter, Entscheidungen für oder gegen technische Produkte in immer kür­ zer werdenden Zeitintervallen zu treffen. Damit das von Jean Baudrillard postulierte Gleichgewicht zwischen "Produktivität und Konsumtivität" auf­ rechterhalten werden kann, muss einem rationalisierten Herstellungsprozess auf der einen Seite ein Konsumverhalten mit einer rationalisierten Entschei­ dungsfindung auf der anderen Seite gegenüberstehen41 Da insbesondere in einer verwissenschaftlichten Gesellschaft eine Wissensasymmetrie zwischen Produzenten und Konsumenten klafft, gilt es zu klären, wie die gesellschaft­ lichen Akteure die "objektiven Produktmerkmale" bestimmen, die dann auch "das erstrebte Erlebnis"42 garantieren. Eine Beantwortung dieser Frage wird zusehends schwieriger, je weiter sich der Diskurs über die Güter hin zu einer technisch-wissenschaftlichen Präsentation verschiebt, was vor allem für technologieintensive Produkte ty­ pisch ist. Es ist auffallend, dass selbst Produkte, deren technische Komplexität und deren natur- und technikwissenschaftliche Grundprinzipien weit jenseits der kognitiven Verarbeitungskapazität der meisten Kon­ sumenten liegen, [ ... ] gleichwohl mit ihren technischen Eigenschaften präsentiert und (Fachpresse-)öffentlich diskutiert43

werden. Damit das für die gesellschaftlichen Akteure, denen in der Regel das fachspezifische Wissen zu den jeweiligen technologischen Artefakten fehlt, verständlich ist, muss der Datenblattdiskurs auf "symbolisch überhöhte

38 39 40 41

42 43

V gl. Stehr, Arbeit, 36f.; Weingart, Stunde, 12f. Weingart, Stunde, 13. Ebd., 17. Für eine ausführliche Darstellung vgl. Weingart, Verwissenschaftlichung, 225-241. Vgl. Wengenroth, Gründe, 4f. Zu einer detaillierten Ansicht Baudrillards vgl. Baudril­ lard, critique; Wengemoth, Fortschritt, 8. Zur Behandlung dieser Problematik des Über­ angebots von Konsumgütern aus der Sicht eines Psychologen. V gl. Schwartz, Paradox, 1-6. Wengenroth, Gründe, 8. Ebd.,l1.

18

1. Einleitung

Kerngrößen"44 reduziert werden. Die simplifizierten Informationen ermögli­ chen es den Akteuren, normative Aussagen zu treffen. Sie können also beur­ teilen, "wie ,gut', ,schlecht', ,gesund', ,schädlich', ,fortschrittlich', ,veraltet' usw. "45 ein Produkt ist. Auf den Kerngrößen begründen die Akteure folglich ihre Konsumwahl bzw. die Rechtfertigung der Entscheidung für oder gegen ein Produkt. Nach Weingart kann die Diskrepanz zwischen dem Diskurs innerhalb einer scienti­ jic community einerseits und in der Öffentlichkeit andererseits mit dem Be­ griffspaar "Professionalisierung" und "Trivialisierung" beschrieben wer­ den46 Laut Weingart müssen hochkomplexe Artefakte, wie das Automobil, "idiotensicher" in ihrer Bedienung sein, um überhaupt einen Absatzmarkt er­ schließen zu können. Dies führt seiner Einschätzung nach dazu, dass Technik durch alltäglichen Gebrauch geprägt und beeinflusst wird. Demgemäß geht eine Trivialisierung bzw. Entprofessionalisierung der Technik mit einer spe­ zifischen kulturellen Prägung des technologischen Produkts einher47 So ver­ weist Trivialisierung zunächst auf die Frage, ob scheinbar "harte" Technik durch "weiche" soziale Faktoren geprägt wird48

Rationalitätsfiktionen als Entscheidungshilfe In dieser Studie soll diese Frage wieder aufgegriffen und die Nutzerperspek­ tive in den Blick genommen werden. Da jedoch den Konsumenten in der Regel das fachliche Wissen fehlt, um sich bis ins kleinste Detail mit den inge­ nieurwissenschaftlichen Prinzipien auseinandersetzen zu können, benötigen sie zur Überwindung der Diskrepanz ein Werkzeug. Für Konsumenten wird es immer schwieriger, sich anhand von Produkt­ informationen bei ihrer Kaufentscheidung zu orientieren. Das ist kaum ver­ wunderlich, wächst doch die Verwissenschaftlichung der Produkte, die in ei­ nem hochkomplexen arbeitsteiligen Prozess von zahlreichen Spezialisten entworfen werden, auf der einen Seite ständig weiter an; auf der anderen 44 45 46

47 48

Ebd., 12. Ebd. V gl. ebd., 13f. Wengenroth weist ferner darauf hin, dass Experten selbst "mit unvoll­ ständigem Wissen arbeiten und ihre nicht quantifizierbaren, weil nicht übersehbaren und damit auch nicht bewertbaren Wissenslücken mit formal ungesicherten Verfahren schließen", weshalb er empfiehlt, ihnen keine Entscheidungsvollmachten zu geben. V gl. ebd., 18. Vgl. Weingart, Differenzierung, 151-156. Vgl. Härd/Knie, Grarnmar, 28f.; Weingart, Differenzierung, 145ff.; Wengenroth, Gründe, 15. Bei der Erklärung der unterschiedlichen Dieselmotorentwicklung in Deutschland und Frankreich zwischen 1920 und 1940 plädierten Mikael Härd und An­ dreas Knie dafür, in Anlehnung an Pierre Bourdieu von zwei unterschiedlichen "Gram­ matiken" der Motorenkonstruktion zu sprechen.

1.2 Erkenntnisziel und theoretischer Ansatz

19

Seite müssen die Produkteigenschaften nach wie vor entweder von lediglich einem Konsumenten oder einer kleinen Gruppe von Konsumenten bei der Kaufentscheidung kognitiv verarbeitet werden49 Auch gibt es in einer ver­ wissenschaftlichten Gesellschaft einen zeitlosen und universellen Wahrheits­ charakter bei Wissen nicht mehr. Wissen unterliegt einem ständigen Wandel und daher auch das, was als "wahr" angesehen wird50 Hierbei hilft die trivi­ alisierte Wissensvorstellung, wie sie von Weingart thematisiert worden ist, da sie sich auf die kognitiven Fähigkeiten der Akteure einstellt und ihnen mo­ dernste Technik verständlich macht51 Genau das spiegelt sich in der Entscheidungstheorie der Rationalitätsfik­ tionen wider, die nach Uwe Schimank die "Legitimierungsformeln gesell­ schaftlichen Entscheidungshandelns"52 darstellen und von den Akteuren als praktisches Hilfsmittel bei der Entscheidungsfindung und -rechtfertigung verwendet werden. Demgemäß definiert Schimank Rationalitätsfiktionen als Wissensvorstellungen, die sich auf die erfolgsträchtige Bearbeitung mehr oder weniger eng umschriebener Handlungsprobleme beziehen und innerhalb einer bestimmten Kol­ lektivität von Akteuren geteilt und anerkannt sind. Die Kollektivität kann aus den Inha­ bern bestimmter Rollen bestehen, oder aus allen Rollenträgern eines Teilsystems, oder auch in manchen Fällen aus mehr oder weniger allen Gesellschaftsmitgliedem.53

Das entscheidungsförmige Handeln ist ein weiterer Bestandteil der modernen bzw. postmodernen Gesellschaft. Demgemäß ist die Gesellschaft - neben ei­ ner Erlebnisgesellschaft und einer Wissensgesellschaft - laut Schimank zu­ gleich auch eine Entscheidungsgesellschaft. Die Akteure sind mit dem Di­ lemma der "Qual vor als auch [der] Qual nach der Wahl"54 konfrontiert. So­ bald die Akteure entscheiden wollen, stehen sie dieser doppelten Unsicher­ heit gegenüber und verlassen sicheres Terrain. Sie müssen nicht nur die alter­ nativen Entscheidungsvarianten sondieren, sondern zugleich die Informati­ onsflut bewältigen. Neben diesen durchaus belastenden Anforderungen, die das Entscheiden für die Akteure mit sich bringt, bietet das sich Entscheiden aber zugleich auch die Möglichkeit zur Entfaltung der eigenen Wünsche und zur souveränen Lebensgestaltung. Damit Letzteres realisiert werden kann und die Entscheidungsgesellschaft nicht in einer "Überforderungsgesell­ schaft,5, 5 beim Handeln mit drei Arten ständig weiter anwachsender Komplexität kon-

49 50 51 52 53 54 55

V gl. Wengenroth, Gründe, 5. V gl. Weingart, Wissenschaftssoziologie, 7. Ulrich Wengenroth bemerkte hierzu, "dass es sich bei ,trivialisiertem' Wissen gleich­ wohl um ,Wissen' und nicht um ,Glauben' handelt." Wengenroth, Gründe, 14. Schimank, Handeln in Institutionen, 299. Schimank, Rationalitätsfiktionen, 57f. Ähnliche Punkte macht Schimank auch an ande­ rer Stelle deutlich. V gl. Schimank, Entscheidungsgesellschaft, 373-387. Schimank, Rationalitätsfiktionen, 59. Hervorhebung im Original, C.N. Diesen Terminus leitet Schimank von Sven Papcke ab. V gl. Papcke, Gemeinwohl.

20

1. Einleitung

frontiert: 1. der Sozialdimension in Form von Konflikten aufgrund fehlender Erwartungssicherheit; 2. der Sachdimension wegen der Informationsmängel und der Informationsüberflutung; 3 . der Zeitdimension wegen der Zeitknapp­ heit. Problematisch ist für die Akteure, dass ihre Kapazitäten auch in der Zu­ kunft konstant bleiben werden. Letztlich müssen Akteure also eine immer höher gesteckte Rationalität mit gleich bleibenden Ressourcen erfüllen.5 6 Als Ausweg aus dem Dilemma der wachsenden Diskrepanz zwischen Komplexität und Rationalität bieten sich Rationalitätsfiktionen an. Bei der Herleitung des theoretischen Gerüsts der Rationalitätsfiktionen greift Uwe Schimank auf die Philosophie des "Als-ob" bzw. den Fiktionalismus von Hans Vaihinger zurück. Nach dessen These wird bei abstraktiven bzw. ne­ glektiven Fiktionen die Wirklichkeit nicht in ihrer Gesamtheit abgebildet, sondern simplifiziert wiedergegeben. 57 Genau daraus ergibt sich ein Anknüp­ fungspunkt an Weingart, welcher eine Simplifizierung, sprich Trivialisierung, beim Diskurs über hochtechnisierte Produkte festgestellt hat. Schimank stimmt zwar noch mit Vaihinger darin überein, dass die Fiktionen von Akteu­ ren verwendet werden, obgleich sie sich bewusst sind, dass die Realität ledig­ lich simplifiziert abgebildet wird. Im Unterschied zu Vaihinger hält Schimank jedoch fest, dass Rationalitätsfiktionen keinen rein "deskriptiven Charakter" wie abstraktive Fiktionen haben, sondern "vielmehr unmittelbarpräskriptiv" 58 sind. Rationalitätsfiktionen geben folglich entweder eine Entscheidung klar vor oder stellen lediglich einen kleinen Spielraum bei der Entscheidungswahl zur Verfügung. All das geschieht mit einer Suggestivkraft, die es dem Ent­ scheider abnimmt, Handlungsalternativen abzuwägen und die eigene Ent­ scheidung als rational rechtfertigen zu müssen. Demnach sind Rationalitäts­ fiktionen "intersubjektiv geteilte Routinen, die sich darstellen, als ob es sich um Entscheidungen handele. " 59 Der zentrale Vorteil einer Rationalitätsfiktion für den Akteur ist also, dass er glaubt, er entscheide rational auf der Basis der ihm vorliegenden Alternativen. Die von der Rationalitätsfiktion präsentierte Wahlmöglichkeit erscheint demnach so, als brächte selbst eine eingehende Reflexion über das Entscheidungsproblem keine andere Wahlmöglichkeit mit sich 60 Dank der Selbsttäuschung wird der Prozess der Entscheidungsfindung trivialisiert bzw. in seiner Komplexität reduziert. Dies geschieht in dreifacher Hinsicht: zeitlich, sachlich und sozial. Aus zeitlicher Sicht bringt die Verwen­ dung von Rationalitätsfiktionen beim Entscheiden Zeitgewinne mit sich, was insbesondere aufgrund der allgemeinen Zeitknappheit wichtig ist. Das ist 56 57 58 59 60

V gl. Schimank, Rationalitätsfiktionen, 58-61. V gl. ebd., 62; Vaihinger, Philosophie, 28-36. Zur Einführung zu Hans Vaihingers Theorie bieten sich folgende Werke an: Ceynowa, Pragmatismus; Wels, Fiktion. Schimank, Rationalitätsfiktionen, 63. Hervorhebung im Original, C.N. Ebd. V gl. ebd., 62ff.

1.2 Erkenntnisziel und theoretischer Ansatz

21

möglich, da sich dem Akteur lediglich eine plausible bzw. eine kleine Aus­ wahl an Wahlmöglichkeiten präsentieren. Der Akteur muss aus dem Grund keine zeitintensiven Such- bzw. Bewertungsprozesse für alternative Ent­ scheidungen durchführen. Der zweite komplexitätsreduzierende Faktor führt zu einer Unsicherheitsabsorption während des Entscheidungsprozesses. Der Akteur ist immer mit dem Problem konfrontiert, dass ihm nicht alle Informa­ tionen für eine optimale Entscheidung vorliegen. Hier schaffen Rationalitäts­ fiktionen Abhilfe, da sie die augenscheinlich relevanten Informationen prä­ sentieren, ohne dass vorher aufwendige Such- und Verarbeitungsprozesse durchgeführt werden müssen. So geben sie die Entscheidungsrichtung vor. Zusätzlich wird den Akteuren die Erkenntnis erspart, dass man eigentlich we­ niger weiß, je mehr Informationen man in den Händen hält. Letztlich verlei­ hen Rationalitätsfiktionen den Entscheidungen in sozialer Hinsicht Legitimi­ tät. Einmal wird durch die Verwendung von Rationalitätsfiktionen die Wahr­ scheinlichkeit für aufkommende Meinungsverschiedenheiten reduziert, was auch die gegenseitige Erwartungssicherheit steigert. Zudem können die Ak­ teure Entscheidungen selbst gegen den Widerstand anderer Akteure treffen. Sollte der Erfolg ausbleiben bzw. sollten unerwartete Folgen auftreten, so ist eine gerallte Entscheidung gegenüber Kritik immun, denn die Entscheidung wurde auf der Basis der gültigen Rationalitätsvorstellungen getroffen und kann demgemäß gar nicht falsch gewesen sein. Eventuelle negative Ergeb­ nisse müssen somit auf ungünstige äußere Faktoren und nicht auf falsches Handeln zurückgehen 61 Rationalitätsfiktionen helfen den Akteuren also beim Entscheiden. Nicht jede Rationalitätsfiktion kann aber auf alle Lebensbereiche angewendet wer­ den. Welchen Geltungsbereich die jeweilige Rationalitätsfiktion umschließt, ist sehr unterschiedlich. Das reicht von einem hohen Generalisierungsniveau bis hinunter zu einer einzelnen Entscheidung. Generell gilt, dass ein steigen­ des Generalisierungsniveau einer Rationalitätsfiktion mit einem steigenden Verwendungsbereich korreliert, da die Rationalitätsfiktion von mehr Akteu­ ren, d. h. von gesellschaftlichen Gruppen, allgemein akzeptiert und als "herr­ sehende Meinung" wahrgenommen und angewendet wird. Dabei ist irrele­ vant, ob die betroffene Rationalitätsfiktion wissenschaftlich fundiert ist oder nicht, da sie in jedem Fall von den Akteuren als objektive Wahrheit eingestuft wird. Die Klassifizierung einer Rationalitätsfiktion "als wissenschaftliche Wahrheit ist alltagspraktisch in der modernen Gesellschaft nicht mehr als eine besonders wirksame Begründungsformel- anders gesagt: ein besonders wirksamer Schutzschild gegen Skeptizismus. ,, Akteur zwar durchaus, dass seine Entscheidungen basierend auf Rationali­ tätsfiktionen keineswegs mit einer tatsächlich rationalen Entscheidung gleich-

61 62

V gl. ebd., 64f. Ebd.,66f.

22

1. Einleitung

zusetzen sind, doch kommen ihm die Entscheidungen so vor, als ob er sie rational getroffen hätte. Die Berufung auf "wissenschaftliche Wahrheit" lässt demnach gar keine andere Entscheidungsmöglichkeit aufkeimen, schließlich wäre selbst nach Durchlaufen eines rationalen Entscheidungsprozesses die Wahl keine andere gewesen, als die zuvor von den Rationalitätsfiktionen be­ reits postulierte 63 Wissen wird in dieser Arbeit in Anlehnung an Peter Berger und Thomas Luckmann als soziales Konstrukt begriffen 64 Da "wissenschaftliche Wahr­ heit" bzw. "Realität" stets nur in Abhängigkeit von den jeweiligen gesell­ schaftlichen Akteuren bestimmt wird, können temporale und lokale Variatio­ nen auftreten. Konsequenterweise dürfen Rationalitätsfiktionen keineswegs als statisch und einheitlich begriffen werden. Vielmehr sind sie dynamisch. Als Ursachen für diese Phänomene nennt Uwe Schimank drei Akteurkonstel­ lationen: 1. die Beobachtungskonstellation; 2. die Beeinflussungskonstella­ tion; 3. die Verhandlungskonstellation 65 Schimank verweist bei der Herleitung seiner Theorie auf die drei Isomor­ phien des Neoinstitutionalismus der Organisationssoziologie, wie sie die So­ ziologen Paul DiMaggio und Walter W. Powell l 983 ausformulierten. Nach DiMaggio und Powell gibt es den Isomorphismus durch Nachahmung (mi­ metic isomorphism), der sich in der Beobachtungskonstellation wiederfindet. Der Isomorphismus durch Normen (normative isomorphism) und der Iso­ morphismus durch Zwang (coercive isomorphism) sind Teil der Beeinflus­ sungskonstellation. 66 Die Beobachtungskonstellation ist - so Schimank - die elementarste der drei Konstellationsarten 67 Bei diesem Prinzip beobachtet ein Akteur andere Akteure, die zuvor mit einer als gleichwertig eingestuften Entscheidungssitu­ ation konfrontiert worden sind, und die Akteure, die das beste Ergebnis er­ reicht haben, werden zum Vorbild für den einen beobachtenden Akteur bei seinen eigenen Handlungsentscheidungen. Verfahren nun zahlreiche Akteure in der Gesellschaft nach diesem Muster, dann "entstehen Rationalitätsfiktio-

63

64 65 66

67

V gl. ebd., 66ff. Schirnank spricht sich dabei gegen Peter Walgenbachs Bezeichnung von "Rationalitätsmythen" anstelle von Rationalitätsfiktionen aus, da dies einen "de­ nunziatorischen ideologiekritischen Unterton" beinhalte. V gl. ebd., 66. Für Details vgl. BergerlLuckrnann, Social Construction, 1-18. Vgl. Schimank, Rationalitätsfiktionen, 69. Für Details hierzu vgl. DiMaggiolPowell, Iron Cage (1983), 147ff. Ein überarbeiteter Nachdruck wurde 1991 veröffentlicht. Vgl. DiMaggiolPowell, Iron Cage (1991), 4182. Für eine allgemeine Einführung in den Neoinstitutionalismus vgl. HassefKrücken, Neo-Institutionalismus, 13-32; DiMaggiolPowell, Introduction, 1-38; Walgenbach, Organisationstheorie, 155-202. Laut Studien ist der mimetische Isomorphismus zugleich auch die von der Forschung am meisten analysierte Form der Isomorphie. V gl. GalaskiewiczlWasserman, Mimetic Processes, 454-479; MizruchilFein, Construction, 653-683.

1.2 Erkenntnisziel und theoretischer Ansatz

23

nen aus dem kollektiven Kopieren von Erfolgsrezepten" 68 und verbreiten sich so innerhalb der Gesellschaft. Das heißt allerdings nicht, dass sich die Akteure tatsächlich für die "bessere" Handlungsalternative entscheiden, son­ dern nur, dass sie die als die subjektiv "besser" erscheinende Alternative wählen. Powell und DiMaggio betonen in ihrer Ausführung, dass Akteure Entscheidungen oft derart treffen, dass sie Trendsetter nachahmen und somit "standard responses to uncertainty" 69 sind. Sobald also Akteure mit unsiche­ ren Situationen konfrontiert sind, lässt sich der mimetische Isomorphismus in ihrem Handeln erkennen. Die zweite Konstellationsart ist die Beeinflussung durch Experten 70 Im Unterschied zur Beobachtungskonstellation, wo der Akteur den beim beob­ achteten Handeln implizit ersichtlichen Mehrwert gegenüber anderen Hand­ lungsalternativen für sich selbst explizit sichtbar machen muss, zeigen die Berater bzw. Experten demgegenüber von Anfang an auf, wie man sich zu entscheiden hat. Die Berater erreichen aufgrund ihrer überlegenen Autorität mit ihren Empfehlungen "einen ähnlich intensiven Verbindlichkeitsgrad wie Normen" und ,,[wJer den Beratern nicht folgt, gilt als ,von gestern', ahnungs­ los, unbelehrbar, unvernünftig. Diese soziale Ächtung kann heutzutage schlimmer sein als die eines Normbrechers. '01 Zugleich können die Experten Rationalitätsfiktionen zum einen mit einem ausgeklügelten theoretischen Ge­ rüst darstellen und zum anderen anhand empirisch gesicherter Daten belegen und wissenschaftlich absichern72 Für den Untersuchungszeitraum ist kennzeichnend, dass es "die eine wis­ senschaftliche Wahrheit" nicht mehr gibt. Infolgedessen wurde das ständige Wechselspiel zwischen Expertise und Gegenexpertise typisch im politischen Entscheidungsprozess, d. h. , die politische Opposition brachte einen "eige­ nen" Experten ins Spiel, der ihre Sichtweise der Dinge vortrug und so in Opposition zum Experten der Regierung trat. Nicht nur die Meinungen der Experten können voneinander abweichen, sondern es kann auch zur Diskre­ panz zwischen Experten auf der einen und beobachtenden Akteuren auf der anderen Seite kommen. 68 69 70

71 72

Schirnank, Rationalitätsfiktionen, 69. DiMaggiolPowell, Iron Cage (1983), 150. Zur Rolle des Experten aus soziologischer und geschichtswissenschaftlicher Perspek­ tive vgl. FischlRudloff (Hg.), Experten; HitzIer u.a. (Hg.), Expertenwissen; Schulz (Hg.), Expertenwissen. Jüngst thematisierte Michael Hascher die Rolle des Experten in der Politikberatung der deutschen Verkehrspolitik im 19. und 20. Jahrhundert. V gl. Ha­ scher, Politikberatung. Schirnank, Rationalitätsfiktionen, 72. V gl. HasselKrücken, Neo-Institutionalismus, 26f.; Meier,Akteur, 224f.; Schirnank, Ra­ tionalitätsfiktionen, 70ff.; Walgenbach, Ansätze, 335ff.; Walgenbach, Organisationsthe­ orie, 161f. Schimatlk liefert eine allgemeine Einführung zur Konstellation wechselseiti­ ger Beeinflussung. V gl. Schimank, Handeln und Strukturen, 247-284. Für die Argu­ mente von Berger und Luckmann vgl. BergerILuckmann, Sodal Construction, 47-92.

24

1 . Einleitung

Die Abweichungen, welche das Entstehen unterschiedlicher Rationali­ tätsfiktionen fördern, haben verschiedene Ursprünge. So können die Akteure durch Beobachtung ganz andere Erkenntnisse gewinnen als der Experte aus seiner distanzierten Position. Des Weiteren möchten sich Experten natürlich in der Gesellschaft mit ihrem Wissen auch profilieren und widersprechen da­ her gern andersdenkenden Experten. Letztlich ist wissenschaftliches Wissen nicht statisch, sondern unterliegt einem ständigen Wandel aufgrund immer neuer Erkenntnisse; und nicht jeder Experte bringt sein eigenes Wissen gleich schnell auf den neuesten Stand. Selbstverständlich gibt es auch Kräfte, die es schaffen, aufkeimende Diskrepanzen zu überwinden. Schimank äußert sich diesbezüglich wie folgt: So können Ratschläge von Experten, spontan oder strategisch inszeniert, eine derartige Suggestivkraft entfalten, daß die betreffenden Entscheider der unmittelbaren wechsel­ seitigen Beobachtung nicht mehr trauen bzw. nur noch durch die Brille der Experten beobachten.73

Die Hierarchisierung der Experten hilft ebenfalls, die unterschiedlichen Rati­ onalitätsfiktionen zu überwinden. Die Akteure orientieren sich im Zweifels­ fall ganz einfach an der Meinung des höher gestellten Beraters. Auch können die Akteure nur einem einzigen Experten vertrauen und alle ihre Entschei­ dungen an ihm ausrichten74 Als dritte Konstellationsart kommen Verhandlungskonstellationen zu­ stande, wenn voneinander abweichende Rationalitätsfiktionen abgestimmt werden müssen, um bindende Vereinbarungen zu erhalten. Wie am Ende das Resultat einer Verhandlungskonstellation aussieht, ist offen. Im Extremfall kommt es dazu, dass man nach einer eingehenden Argumentation mit dem Vertreter einer anderen Ansicht dessen Rationalitätsfiktionen übernimmt und seine eigenen ablegt, oder aber man überzeugt den Gegenspieler und dieser übernimmt vorbehaltlos die Rationalitätsfiktionen des anderen. Zwischen diesen bei den extremen Gegenpolen gibt es unendlich viele Möglichkeiten, sich gegenseitig anzunähern, ohne dabei die eigenen Rationalitätsfiktionen komplett aufzugeben. Die dritte Konstellationsstufe wird jedoch vergleichs­ weise selten erreicht. Die häufigste Form ist die zweite Stufe der Institutiona­ lisierung, die Beeinflussung durch Experten75 Die Akteure machen sich also Rationalitätsfiktionen bei ihrer Kaufent­ scheidung für Automobile - so die These - zunutze. Rationalitätsfiktionen legen dabei die Entscheidungsrichtung der Akteure fest. Sie geben nicht nur vor, welches Modell mit welcher Ausstattung gekauft, sondern auch, welches Antriebsaggregat gewählt werden soll. Damit sich die Konsumenten orientie­ ren können, werden die ursprünglich hochkomplexen Zusammenhänge aus

73 74 75

Schimank, Rationalitätsfiktionen, 73. V gl. ebd., 72ff. Vgl. ebd. 73-76.

1.2 Erkenntnisziel und theoretischer Ansatz

25

ingenieurwissenschaftlichen, chemischen, physikalischen und medizinischen Details in den Medien trivialisiert kommuniziert. Ferner kann bei einem Un­ tersuchungszeitraum mit einer historischen Dimension von gut einem halben Jahrhundert analysiert werden, wie Rationalitätsfiktionen in Gesellschaften entstehen, wie sie sich entwickeln, aber auch wie sie wieder verschwinden können. Im frühen 21. Jahrhundert hieß es in Deutschland, Dieselautos seien sparsam, haltbar und umweltschonend76 Zugleich galten sie mittlerweile als leistungsstark und ebenbürtig gegenüber einem Benzin-Pkw. In den USA wurden Diesel-Pkw dagegen als laut, träge, lahm, unzuverlässig, schmutzig und nicht umweltfreundlich beschrieben.77 Anhand der exemplarischen Aus­ wahl zeigt sich, dass sich in Deutschland mehrheitlich positive Rationalitäts­ fiktionen durchgesetzt haben, in den USA negative. An dieser Stelle gilt zu beachten, dass es sich bei den hier thematisierten Rationalitätsfiktionen um die heutige vorherrschende gesellschaftliche Meinung handelt. Analysiert man die Rationalitätsfiktionen in den 1960er und frühen 1970er Jahren, dann wird offensichtlich, dass damals Dieselautos in beiden Ländern die gleichen Rationalitätsfiktionen zugeschrieben wurden. Sie sind aber nicht mit denen des frühen 21. Jahrhunderts identisch. Diesel galten als sparsam, langlebig, zuverlässig, wertbeständig, schwer, teuer, laut oder lahm.78 Es existierten also positive und negative Attribute nebeneinander. Das wirft nun die Frage auf, welche objektiven Kriterien hinter den je­ weiligen Rationalitätsfiktionen standen. Um sie zu ermitteln, wurden die Da­ tenblattdiskurse und Testberichte in den Automobilzeitschriften und in den Tageszeitungen untersucht. Daraus lassen sich die Eigenschaften der Fahr­ zeuge ableiten. Eine Bewertung wird in einem zweiten Schritt möglich, wenn der präsentierte Wagen mit anderen Autos verglichen wird. Um eine Operati­ onalisierbarkeit zu gewährleisten, wurden die zu untersuchenden Kerngrößen für die hier vorliegende Studie eingegrenzt und die zentralen Bewertungskri­ terien der Automobilzeitschriften ausgewertet. Dazu gehören Motorvarian­ ten, Leistungsdaten und Beschleunigungsverhalten. Eine weitere relevante Größe ist die Laufkultur des Motors. Es wird diesbezüglich noch unterschie­ den, ob Vibrationen des Motors zu spüren sind oder wie laut das Laufge­ räusch von Wageninsassen und Passanten wahrgenommen wird. Der Kraft­ stoffverbrauch, die Betriebskosten und die aus den insgesamt anfallenden Kosten abgeleitete Rentabilität werden ebenfalls berücksichtigt. Die öffentli­ che Wahrnehmung der Abgasemissionen als entweder umweltfreundlich oder gesundheitsschädlich ist ein weiteres wichtiges Bewertungskriterium für die Zeitschriften und Autofahrer.

76 77 78

Vgl. exemplarisch König, Du darfst, 34-40. Vgl. exemplarisch TruettlHu, Diesel Engine, 19; Neumaier, Präferenzen, 28-31. V gl. exemplarisch Kaiser, Bosch, 63.

26

1 . Einleitung

Neben den dominierenden gibt es stets auch "zurückgedrängte" Rationa­ litätsfiktionen, die einen kleineren Geltungsbereich aufweisen. Sie existieren also weiterhin neben der "herrschenden Meinung" . Dabei ist keineswegs aus­ geschlossen, dass sie nicht ihrerseits eine Dynamik entfalten und zu allge­ meingültigen Rationalitätsfiktionen werden. Das zeigt sich am eindringlichs­ ten an den Rationalitätsfiktionen, die den Dieselabgasen entweder zuschrei­ ben, sie seien umweltfreundlich oder krebserregend. In diesem Zusammen­ hang setzte sich im Zuge der Beeinflussungskonstellation durch Experten und der Verhandlungskonstellationen mal die eine, mal die andere Sichtweise durch. An dieser Stelle kann nachgezeichnet werden, wie sich Rationalitäts­ fiktionen über die Zeit veränderten, und wie von Land zu Land unterschiedli­ che Rationalitätsfiktionen entstanden und sich etablierten.

1. 3 AUFBAU UND EINGRENZUNG Bisherige Forschungsarbeiten zum Dieselmotor untersuchen die Hersteller­ seite oder analysieren, wie sich ökonomische Faktoren wie die Kraftstoff­ preisentwicklung auf den Dieselabsatz auswirkten. Die Nutzerseite wurde infolgedessen bis jetzt nicht ausreichend thematisiert. Die vorliegende Arbeit will diese Forschungslücke schließen, indem technologische, kulturelle, poli­ tische, soziale und wirtschaftliche Faktoren mit in die Analyse einfließen. Hinsichtlich der Nutzer wird thematisiert, was ihnen beim Kauf eines Diesel­ autos wichtig war und wie sie das spezifische Fahrgefühl empfanden. Gleich­ zeitig wird auch immer wieder auf die Seite der Produzenten verwiesen, zum Beispiel wenn die Vorgaben für die Herstellung von Pkw-Dieselmotoren ein­ geflochten werden. In der ersten Phase von 1949 bis 1973 spielte das Dieselauto, gemessen am Anteil der gesamten Neuzulassungen, sowohl in Deutschland als auch in den USA nur eine untergeordnete Rolle. In diesem Zeitabschnitt dominierte Mercedes-Benz den Dieselmarkt in beiden Ländern. Die Vorzeichen wandel­ ten sich Anfang der 1970er Jahre mit der Regulierung der Abgasemissionen bzw. der Wahrnehmung der Luftverschmutzung und schließlich mit der Öl­ krise im Jahr 1973. Jetzt erschienen Diesel-Pkw in einem neuen Licht, da es nun gesellschaftlich relevant war, einen sparsamen Wagen mit geringem Schadstoffausstoß zu fahren. Im Abschnitt Aufstieg und Fall der Dieselautos, der sich von 1974 bis 1989 spannt, brachte Mercedes-Benz neue Dieselmodelle auf den Markt und erstmals boten auch die Volumenhersteller Volkswagen und General Motors (GM) Diesel-Pkw an. Neben den technischen Charakteristika der Autos wer­ den in diesem Kapitel die spezifisch kulturellen Ausprägungen der jeweiligen Modelle thematisiert und gezeigt, wie Autofahrer diese empfanden und wie die Nutzer daraus die entsprechenden Rationalitätsfiktionen ableiteten. Inter-

1.3 Aufbau und Eingrenzung

27

essanterweise wandelte sich die zunächst positive Haltung der US-Bürger zum Dieselauto bereits um das Jahr 1980/81 wieder und eine negative Wahr­ nehmung setzte sich allmählich durch. Ein solches Phänomen war dagegen beim deutschen Autofahrer nicht zu verzeichnen. Dadurch kamen erstmals gegenläufige Rationalitätsfiktionen zu den Dieselautos auf, die über zwei Jahrzehnte hinweg im Kern ihre Gültigkeit behielten. Anschließend wird der Dieselautoabsatz in Deutschland und in den USA bis Mitte der 1980er Jahre nachgezeichnet und aufgezeigt, wie eng das wechselnde Dieselautokaufver­ halten mit der Wahrnehmung der Dieseltechnologie und wie wenig es mit den Preisbewegungen des Dieselkraftstoffs verknüpft war. Abschließend behandeln die Kapitel Das Dilemma Energiepolitik und Abgasemissionen in den USA und Die Abgasemissionen des Diesel-Pkw im Fokus des öffentlichen Interesses in Deutschland die Wahrnehmung der Ab­ gasemissionen von Dieselautos. In den USA wurde Dieselabgas bereits in den späten 1970er Jahren als krebserregend eingestuft. Die Rationalitätsfik­ tion vom umweltfreundlichen Diesel verlor somit an Gültigkeit und wurde von der Vorstellung überlagert, die Verbrennungsprodukte des Dieselkraft­ stoffes seien krebserregend. Letzteres entwickelte sich zur "vorherrschenden Meinung" in den USA. In diesem Zusammenhang wird der Diskurs zwischen Umweltschutzbehörde, US-Regierung und den Herstellern analysiert und dargestellt, wie die Medien diese Debatten rezipierten und im öffentlichen Diskurs veränderten. In Deutschland dominierte in diesem Zeitraum weiter die Rationalitätsfiktion vom umweltfreundlichen Diesel, erst 1987/88 trat auch hier eine Veränderung ein. Nun prägte die Krebsdiskussion ebenfalls die Haltung zum Diesel und ließ den Dieselabsatz einbrechen. Der letzte Zeitabschnitt der Untersuchung von 1989 bis 2005 befasst sich zunächst mit der anhaltenden Krebsdiskussion in Deutschland und knüpft hier an das vorangegangene Kapitel an. Es wird dargelegt, wie die Rationali­ tätsfiktion vom umweltfreundlichen Diesel erneut den öffentlichen Diskurs beherrschen und andere Rationalitätsfiktionen überlagern konnte. Ebenfalls berücksichtigt wird, wie eng die Rückkehr dieser Rationalitätsfiktion mit den technischen Innovationen zusammenhing. Auch wanderte die öffentliche Aufmerksamkeit weg von den Partikelemissionen hin zu Kohlendioxidemis­ sionen und zum Treibhauseffekt. Der sparsame Diesel konnte die Wünsche der Autofahrer diesbezüglich besser befriedigen als ein Wagen mit Ottomo­ tor. Umweltfreundlichkeit wurde nun primär über einen geringen Kraftstoff­ verbrauch definiert. Ein weiterer Faktor, der behandelt werden muss, sind die sich wandeln­ den steuerlichen Rahmenbedingungen, die die Wirtschaftlichkeitsrechnung der Diesel mehrfach veränderten. Abschließend werden die technischen In­ novationen der letzten Jahre, wie Pumpe-Düse und Common-Rail, analysiert und gezeigt, wie sie den Wunsch nach mehr Leistung, höherer Laufruhe und geringerem Verbrauch erfüllten. In Deutschland hatte außerdem die Fein-

28

1. Einleitung

staubdebatte im Jahr 2005 große Auswirkung auf die Wahrnehmung der Die­ selautos. Da mit dem Partikelfilter jedoch eine technologische Lösung für das Partikelproblem vorhanden war, hatte die Debatte keinen nachhaltig negati­ ven Effekt. Das stellt einen entscheidenden Unterschied zu den beiden Krebs­ diskussionen Ende der 1970er Jahre in den USA und Mitte der 1980er Jahre in Deutschland dar. Darüber hinaus wird im Kapitel Das Schattendasein der Dieselautos in den USA beleuchtet, wie die Dieselautos mit einem negativen Image behaftet blieben, wie man sich an die Dieselautos aus dem Jahr 1980/81 erinnerte und weshalb die Innovationen der europäischen Hersteller keine Auswirkungen auf die Wahrnehmung und die Absatzentwicklung der Diesel-Pkw in den USA hatten.

1. 4 QUELLENBASIS Die Bearbeitung eines bis in die Gegenwart hineinreichenden Themas stellt für die Auswahl der Quellen ein Problem dar, da viele der möglicherweise relevanten Dokumente noch der Schutzfrist unterliegen. Aus dem Grund wurde beim Bundesarchiv in Koblenz eine Verkürzung der Schutzfrist für ausgewählte Aktenbestände beantragt. Die Auswahl gestaltete sich äußerst problematisch, da für die meisten Dokumente keine Findbücher, sondern nur die Abgabeverzeichnisse vorlagen. Der Gehalt der so bestimmten Archiva­ lien war für die Studie nur gering. Die Dokumente gaben Aufschluss über einzelne politische Prozesse, wie die Festsetzung der Mineralöl- bzw. Kraft­ fahrzeugsteuer. Allerdings enthielten sie durchweg nur wenig Informationen darüber, wie die politischen Akteure selbst den Diesel-Pkw einschätzten. Im­ mer wieder fanden sich in den Aktenbeständen Fotokopien aus den diversen Automobilzeitschriften und Tageszeitungen zum Thema Diesel-Pkw. Daraus lässt sich ableiten, dass sich die politischen Entscheidungsträger über das Thema Diesel anhand dieser Literatur informierten. Demgegenüber waren die Recherchen in der Jimmy Carter Library ergiebiger. In diesen Unterlagen fanden sich immer wieder Verweise, wie die US-Regierung und die Umwelt­ schutzbehörde den Diesel einschätzten. Anhand der dort ausgewerteten Ak­ ten konnten der interne Diskurs der politischen Entscheidungsträger und der öffentliche Diskurs zu zahlreichen den Diesel betreffende Themen gegen­ übergestellt werden. Das betrifft insbesondere die Debatte über Partikelemis­ sionen und die damit verbundene Einschätzung der Krebsrisiken. Problematisch gestaltete sich der Zugriff auf die Unterlagen der Herstel­ ler, wie Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW. Diese hatten zwar nach ei­ genen Angaben durchaus Unterlagen zur Motorkonstruktion vorliegen, diesofern sie nicht der Schutzfrist unterlagen - zugänglich waren. Aber Doku­ mente zur Einstellung der Konsumenten zum Diesel waren entweder nicht

1.4 Quellenbasis

29

zugänglich oder nicht existent. Die Akten zur Motorkonstruktion mussten da­ rüber hinaus nicht in den Archiven angesehen werden, da Aufsätze der Inge­ nieure in den wissenschaftlichen Fachpublikationen vorlagen. Zudem wur­ den Nachfragen zu Konsumentenbefragungen sowohl von J.D. Power and Associates als auch dem Institut für Demoskopie Allensbach negativ beant­ wortet. Allerdings wurden die Umfrageergebnisse von J.D. Power and Asso­ ciates gelegentlich in den Printmedien veröffentlicht und waren dadurch zu­ mindest punktuell zugänglich. Nach sorgfaltiger Abwägung der Vor- und Nachteile wurde in dieser Studie auf Experteninterviews verzichtet. Letztlich zeigte sich, dass die relevanten Informationen bereits in gedruckter Form vorlagen oder die Experten sich in abgedruckten Interviews immer wieder zum Dieselauto geäußert hatten. Die in den Medien publizierten Informatio­ nen wurden an passender Stelle in die Arbeit aufgenommen. Die zentrale Quellenbasis für die hier vorliegende Arbeit sind daher die populären deutschen und amerikanischen Automobilzeitschriften wie Auto Motor und Sport, Auto Zeitung und ADAC MotorwelP 9 sowie Road & Track, Car and Driver und Motor Trend. Außerdem wurde die schweizerische Auto­ mobil Revue aufgenommen. Sie dient als neutraler Gegenpunkt, um etwaige patriotische Tendenzen der anderen Automobilzeitschriften auszugleichen. Die Zeitschriften wurden für den gesamten Betrachtungszeitraum einzeln durchgesehen und ausgewertet. In der Sammlung der National Automotive History Collection der Detroit Public Library fanden sich zu einzelnen Die­ seImodelIen noch ergänzende Informationen. Zudem wurde auf die ingeni­ eurwissenschaftlichen Zeitschriften wie Automobiltechnische Zeitschrift, Motortechnische Zeitschrift und SAE Automotive Engineering genauso wie auf diverse VDI-Berichte und VDI-Fortschrittsberichte zurückgegriffen 80 Ergänzend wurde der Spiegel herangezogen und zu einigen Themenschwer­ punkten wurden stichpunktartig Datenbanken wie LexisNexis und Proquest konsultiert. Bei der Auswahl der Automobilzeitschriften wurde darauf geachtet, dass sie viele Leser erreichten. Deswegen wurden die Auflagen der Zeitschriften ADAC Motorwelt, Auto Motor und Sport, Auto Zeitung und Mot bis 1979 zurückverfolgt. Auto Motor und Sport erreichte zwischen 1979 und 2005 im lahresmittel eine durchschnittliche Auflagenstärke pro Heft von ca. 467. 000 bis ca. 530. 000 Exemplaren. Die Auflagenhöhen von Mot respektive der Auto Zeitung pendelten zwischen ca. 97. 000 und ca. 140. 000 Stück bzw. ca.

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Auf die Zeitschrift Auto Bild wurde verzichtet, da sie erstmals 1986 erschien. Außer­ dem zeigte die Studie der diversen Automobilzeitschriften in beiden Ländern, dass sich die Diskurse über die jeweiligen Themen stets stark glichen. Folglich kann davon aus­ gegangen werden, dass die Aufnahme dieser Zeitschrift am Befnnd der Arbeit nichts Grundlegendes geändert hätte. Eine ausführliche Auflistung der herangezogenen Literatur findet sich im Quellen- und Literaturverzeichnis dieser Arbeit.

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1. Einleitung

111. 000 und ca. 2 19. 000 Exemplaren. Gegenüber diesen drei Zeitschriften verzeichnete die ADAC Motorwelt einen stetigen Zuwachs. 1979 lag die durchschnittliche Auflagenstärke bei ca. 6, 1 Millionen Exemplaren und 2005 bei ca. 13,9 Millionen 81 In den USA erreichten die Publikumszeitschriften Motor Trend, Car and Driver und Road & Track im Jahr 1970 eine Auflagenstärke von ca. 525. 000, 305. 000 und 2 7 8. 000 Exemplaren. In den folgenden Jahren stieg die Aufla­ genhöhe bei allen drei Zeitschriften an. Bei Motor Trend lag die Auflage in den Jahren 1977, 198 5/86 und 1991 bei ca. 7 10. 000, 7 5 7. 000 und 843. 000 Exemplaren. Car and Driver sowie Road & Track verzeichneten 7 3 2. 000, 827. 000 und 916. 000 respektive 3 17. 000, 7 29. 000 und 703. 000 Stück. Die Zeitschrift Motor Trend präsentierte den Lesern Informationen zu Neuwagen und Testberichte. Dabei wurden auch technische Details erläutert. Car and Driver lieferte neben den gleichen Inhalten noch anspruchsvolle Kommen­ tare und Kritiken zu technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Zwi­ schen 1977 und 1985 entwickelte sich Car and Driver auch zu einer ausge­ sprochenen Zeitschrift für automobile enthusiasts. Road & Track richtete sich laut dem Standard Periodical Directory bereits 1970 an diese Interes­ senten. Ihre Tests und Analysen waren damals "recognized and respected for their authority, integrity and technica1 excellence. ..82 Im Kern hat sich an der Bewertung der Zeitschrift über den Betrachtungszeitraum nichts geändert 83 Die Zeitschriften wurden nicht auf Einze1meinungen hin untersucht, viel­ mehr war es Ziel der Untersuchung, den gesamtgesellschaftlichen Diskurs zuerst zu analysieren und zu erfassen und in einem zweiten Schritt abzubil­ den und die Ergebnisse der Analyse hier einfließen zu lassen. Daher wurden die Aussagen vieler verschiedener Autoren zu einer Thematik auf Gemein­ samkeiten und Unterschiede ausgewertet. So war es möglich, die zum jewei­ ligen Zeitpunkt dominierenden publizierten Meinungen zu identifizieren. Da­ bei wurden zugleich Außenseiterpositionen ermittelt, etwa die des ausgespro­ chenen Dieselgegners Dieter Korp, der insbesondere während der 1970er Jahre immer wieder in Erscheinung trat und sich gegen die Verwendung des Dieselmotors im Pkw aussprach. Andere Automobi1journa1isten vertraten da­ bei keineswegs eine einheitliche Position. Das zeigt sich exemplarisch an der Person Gert Hack, der immer wieder seine Haltung zum Dieselauto änderte; einmal war er Befürworter, einmal Gegner. Hack richtete offensichtlich seine Meinung am jeweiligen dominierenden gesellschaftlichen Diskurs aus, um

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Die Auflagenstärke kann auf folgender Homepage abgefragt werden: V gl. www.pz-on­ line.de/index.html. Garry (Hg.),Periodical Directory, 105. Vgl. ebd., 100, 103, 105; The Standard Periodical Directory (1977), 101, 105, 107; The Standard Periodical Directory (1986), 90, 93f.; The Standard Periodical Directory (1991),90, 95,97.

1.5 Forschungsstand zum Automobil

31

ein Teil davon zu werden. Es gab aber auch Äußerungen, in denen er klar Position für die Automobi1industrie bezog. Die Auswertung der Automobi1zeitschriften basiert auf der Annahme, dass sich die Autokäufer über Zeitschriften informieren. Sie werden gezielt verwendet, um über die Eigenschaften der Autos, die aktuellen technologi­ schen Trends, aber auch die Vor- und Nachteile der jeweiligen Modelle bzw. Techno1ogien informiert zu sein 84 Die in den Automobi1zeitschriften durch­ geführten Tests vermitteln einen Eindruck, wie sich das Fahrgefühl im jewei­ ligen Automobil darstellt, und dass nicht jeder Mensch ein Dieselauto gleich empfindet, zeigt sich an den abweichenden Beschreibungen in den einzelnen Artikeln.

1. 5 FORSCHUNGSSTAND ZUM AUTOMOBIL Neben den erwähnten volks- und betriebswirtschaftlichen Erklärungsansät­ zen85 gibt es noch weitere Studien, die sich mit dem steigenden Dieselabsatz in Europa auseinandersetzen. Ein Ansatz beschäftigt sich mit dem Diesel­ Pkw unter dem Gesichtspunkt seines Energiesparpotenzials sowie der Koh1endioxidemissionen und der Nutzungsgewohnheiten der Diese1besitzer86 Eine detaillierte transatlantische Studie zum Dieselauto in Deutschland und den USA, die einen Betrachtungszeitraum von gut einem halben Jahrhundert umfasst, liegt bisher nicht vor. Dafür war das Automobil Forschungsthema zahlreicher anderer Arbeiten. In der Tat befassten sich nicht nur Ökonomen und Betriebswirte mit dem Thema Automobil, sondern auch Soziologen, Po1itikwissenschaftler oder Historiker87 Jüngst rückte die Automobi1industrie 84

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Dabei wird keineswegs außer Acht gelassen, dass in den letzten Jahren das Internet verstärkt als Informationsmedium genutzt wurde, aber auch die Beratung der Händler und der Austausch mit Bekannten von großer Bedeutung sind. V gl. Dudenhöffer, Prognosemethoden; Eiberger, Diesel; Greene, Market Share; Verbo­ yen, Price Discriminatioll. Zur Automobilindustrie finden sich zahlreiche Informationen bei Diez, Automobilmarketing; DiezlBrachat, Grundlagen; Dudenhöffer (Hg.), Ab­ schied; Womack u.a., Machine. V gl. Schipper u.a., Diesels. Ein anderer Artikel kommt zu dem Schluss, Dieselautos seien umweltschädlicher als benzingetriebene Fahrzeuge und die Steuerpolitik solle auf diesen Erkenntnisstand abgestimmt werden. V gl. MayereslProost, Diesel Cars. Eine weitere Studie befasst sich mit dem Dieselauto in Europa. V gl. Chen/Sperling, Analy­ sis. V gl. Berger, Automobile; Boch (Hg.), Geschichte; Canzler, Zauberlehrling-Syndrom; CanzleriSchmidt (Hg.), Jahrhundert; Eckermann, Dampfwagen; Klenke, Stau; König, Automobil; McShane, Asphalt Path; Merki, Siegeszug; Möser, Geschichte; Rubenstein, Making; Schmidt (Hg.), Automobile; Wachs/Crawford (Hg.), Car. Das Themenheft von Theory, Culture & Society 21.4/5 (2004) setzt sich ebenfalls damit auseinander. Ein Li­ teraturüberblick zur europäischen Transportgeschichte findet sich bei MergerfPolino (Hg.), Cost 340.

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1. Einleitung

im Hinblick auf ihre Marketingstrategien auch ins Interesse von Wirtschafts­ historikern. 88 Die Auswahl der vorhandenen Fachliteratur macht klar, dass ein Gesamt­ überblick über den Forschungsstand nicht gegeben werden kann. Aus dem Grund sollen im Folgenden einige Publikationen exemplarisch vorgestellt und hinsichtlich ihrer Relevanz für dieses Forschungsprojekt thematisiert werden. In der Technikgeschichte fanden insbesondere in den 1980er und 1990er Jahren verschiedenste Forschungsrichtungen Eingang und erweiterten die Untersuchungsgegenstände über den rein technischen Aufbau eines Artefakts hinaus. Einerseits beeinflussten die Konsum- und Geschlechtergeschichte die Technikgeschichte im Allgemeinen und die Mobilitätsgeschichte im Speziel­ len, andererseits befassten sich Technikhistoriker mit theoretisch-methodi­ schen Überlegungen wie dem Ansatz der Social Construction of Technology (SCOT), der die Nutzer ins Zentrum des Erkenntnisinteresses rückte. Nicht mehr die technischen Eigenschaften eines Produkts dominierten in technik­ historischen Untersuchungen, sondern die gesamtgesellschaftliche Konstel­ lation, in die das Verhalten der Akteure eingebettet war, und die kulturellen bzw. sozialen Faktoren, die zum Erfolg bzw. Misserfolg eines Produkts bei­ trugen, wurden analysiert89 In Europa setzte sich das Auto als Massenkonsumgut erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs durch, und in Deutschland wandelte sich das Auto­ mobil im Zuge dieser Veränderung während der 1950er Jahre vom Luxusgut zum Konsumgut 90 In den USA, wo sich das Auto schon in den 1920er und 1930er Jahren zum Konsumgut entwickelt hatte91, veränderte sich in dieser Zeit das Marketing der Automobilfirmen. General Motors führte den jährli­ chen Modellwechsel ein und bot unterschiedliche Modellreihen wie Cadil­ lacs für die arrivierte Oberschicht und Chevrolet-Wagen für einkommens­ schwache US-Bürger an. Diese Marktsegmentierung differenzierte nach Ein­ kommensgruppen und nicht nach Geschmacksrichtungen und Wünschen. Erst gegen Ende der 1950er Jahre verbreitete sich die Vorstellung, dass ein­ zelne Marktsegmente eigenständige Märkte mit jeweils spezifischen Nutzern seien. In den jeweiligen Segmenten offerierten die Hersteller seitdem unter­ schiedliche Produkte, die sich an den Wünschen der potenziellen Käufer ori­ entierten. Das Denken in Marktsegmenten führte bei den Automobilherstel-

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V gl. Köhler, Marketing; Köhler, Marketingrnanagement. Vgl. Mom,Transport History, 13lf. V gl. Grazia, Irresistible Empire, 2-12; Haustein, Mangel, 7; Schmucki, Automobilisie­ rung, 583, 596f. Nach Darstellung von Sabine Haustein vollzog sich zwischen 1955 und 1957 die "konsurnhistorische Wende". Im Unterschied zu Barbara Schmucki datiert sie den Übergang des Autos zum Konsumgut erst auf die 1960er Jahre. Vgl. Haustein, Mangel, 7, 123. V gl. Flink, Car Culture, 67; Radkau,Technik, 300, 326f.; Volti, Cars, 63.

1.5 Forschungsstand zum Automobil

33

lern zur Veränderung der Marketingstrategie und der Produktpalette. Das be­ traf seit den 1970er Jahren verstärkt auch das Angebot der Dieselautos. Zu den Faktoren, die Marktsegmente eingrenzten, zählten u. a. Lebensstile, Ver­ haltensweisen, Kaufverhalten, Alter, Einkommen und Bildung 92 Wird das Automobil und seine Bedeutung als Konsumgut analysiert, dann werden in der Regel das unterschiedliche Design, die Variationen bei der Ausstattung der Modelle oder die verschiedenen Marken bzw. seine Rolle für die Indivi­ dualisierung des Verkehrs thematisiert 93 Wie die spezifischen Ausprägungen der verschiedenen Nutzungsweisen und die unterschiedlichen technologi­ schen Funktionen, wie der eingebaute Motor und dessen Fahrverhalten, kor­ relieren, bleibt bei konsumhistorisch ausgerichteten Arbeiten allerdings au­ ßen vor. Die vorliegende Arbeit zeigt, dass dies gerade bei hochtechnisierten Artefakten jedoch hinreichend beachtet werden muss, da die Konsumenten bei ihrer Kaufentscheidung technische Standards und Funktionen als Argu­ mente für oder gegen ein Produkt heranziehen. Da der Diesel-Pkw insbesondere auf männliche Nutzer mittleren Alters eine hohe Anziehungskraft ausübte, bot sich hier auch eine geschlechterdiffe­ renzierende Untersuchung an. Andere technikhistorische Arbeiten mit einem geschlechtergeschichtlichen Schwerpunkt analysierten bereits Männlich­ keitskategorien im Zusammenhang mit Autos sowie die damit verbundenen Rituale 94 Die Historikerin Ruth Oldenziel belegte anhand eines von GM ini­ tiierten Modellbauwettbewerbs, dass Jungen durch technisches Wissen und den Umgang mit Technologie mit männlichen Identitätsmerkmalen wie Au­ tonomie, Individualität und Ehre vertraut und so "zu Männern gemacht" 95 wurden. Um diese Symbole aufrechtzuerhalten, mussten- in Oldenziels Stu­ die - die Jungen dann wieder ihrerseits enorme organisatorische, ökonomi­ sche und kulturelle Ressourcen mobilisieren. Einerseits wollte GM über den Wettbewerb männliche Jugendliche als spätere Angestellte an das Unterneh­ men heranführen, zugleich sollten sie aber auch als spätere Ernährer und Konsumenten sozialisiert werden.96 Als fruchtbare Untersuchungsmethode erwies sich auch der SCOT-An­ satz97, bei dem die Nutzer einer Technologie als soziale Gruppe aktiv betei92 93 94 95 96 97

V gl. Cohen, Consumers' Republic, 294-299. Für ein Grundmodell der Marktsegmen­ tierung vgl. KotlerlBliemel, Marketing-Management, 416ff. V gl. Haustein,Mangel, 123; Cohen, Consumers' Republic, 294ff. Zur Einführung vgl. Horowitz, Introduction, 1-10; Opitz, Um-Ordnungen, 58-86, 89122. Opitz, Um-Ordnungen, 112. Vgl. Oldenziel, Boys, 139, 150; Oldenziel, Technologie, 21lf. Zur Einführung vgl. Bijker u.a. (Hg.), Social Construction. Die neuesten Erkenntnisse fasst folgender Beitrag zusarmnen vgl. OudshoomlPinch, User-Technology Relation­ ships. Eine erste Version dieses Aufsatzes veröffentlichte das Autorenteam bereits 2003. V gl. OudshoomlPinch, Users. Für eine kritische Auseinandersetzung mit dem SCOT­ Ansatz vgl. König, Technikgeschichte, 79-85. Ein weiterer theoretischer Ansatz ist der

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1. Einleitung

ligt sind und aufgrund einer interpretativen Flexibilität dem technologischen Artefakt neue Bedeutungen zuschreiben können. Durch Schließungsprozesse kann die Flexibilität reduziert oder ganz geschlossen werden. Dadurch kommt es zu einer Stabilisierung und eine dominante Techniknutzung setzt sich durch. Als Folge der Kritik, dass beim SCOT-Ansatz die Veränderung bereits stabiler Technologien keinerlei Beachtung fand, untersuchte das Autoren­ team Ronald Kline und Trevor Pinch, wie Z. B. Farmer das Ford Model T in der ländlichen Gesellschaft der USA während der ersten Hälfte des 20. Jahr­ hunderts nutzten. Sie verwendeten das Model T nicht nur als Transportmittel, sondern auch als Traktor oder als stationäre Kraftquelle, die Z. B. Holzsägen antrieb. Kline und Pinch zeigten in ihrer Studie das Wechselspiel der Prägung des Menschen durch das Auto und des Autos durch den Menschen am Bei­ spiel des Ford Model T auf. Bis zu dem Zeitpunkt war zwar die Beeinflus­ sung der amerikanischen Gesellschaft durch das Automobil in vielen For­ schungsarbeiten behandelt worden, demgegenüber fand umgekehrt die Prä­ gung des Automobils durch die Gesellschaft nur wenig Beachtung. Die Auto­ ren Kline und Pinch legten überzeugend dar, wie stark das Auto bis in die I 950er Jahre von Nutzern verändert und geprägt worden ist, ehe eine Schlie­ ßung der interpretativen Flexibilität stattfand und fortan der Pkw nicht mehr für eine Vielzahl von Tätigkeiten, wie das Pflügen der Äcker oder das Betrei­ ben von Sägen, eingesetzt wurde 98 Einen anderen theoretischen Ansatz verfolgte Kevin Borg bei der Unter­ suchung des "Chauffeur Problems" zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Unter Rückgriff auf Anthony Giddens ' Strukturierungstheorie demonstrierte Borg, wie Chauffeure zur Verbesserung ihrer sozialen Position die neue Automobil­ technologie nutzten und wie sie die gewonnene Stellung wieder verloren. Chauffeure verwendeten z. B. die Wagen ihrer Arbeitgeber für private Ver­ gnügungsfahrten und nahmen sich damit mehr Rechte heraus, als ihnen ihre Stellung als Bedienstete zusprach. Die Wagenbesitzer reagierten auf dieses Verhalten. Einige sorgten dafür, dass sie nicht haftbar gemacht werden konn­ ten, wenn ihr Chauffeur bei einer Vergnügungsfahrt in einen Unfall verwi­ ckelt war; andere eigneten sich die nötige technische Expertise selbst an und machten so den Chauffeur überflüssig 99

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von Gwen Bingle und Heike Weber konzeptionalisierte User de-sign Ansatz. V gl. BinglelWeber, Mass Consumption; Weber, Versprechen, 43-84. Interessante Studien zu Nutzern von Technologien liefern folgende Werke. V gl. Bijker, Bicycles; Schivelbusch, Licht; Cowan, Work. Die Bedeutung der Nutzer ist auch zum Gegenstand der Innovati­ onsforschung geworden. V gl. Hippel, Democratizing Innovation. V gl. KlinelPinch,Users,765-768, 794f. Eine ähnliche Darstellung findet sich bei Kline, Consumers, 55-86. Außerdem thematisiert Kathleen Franz diesen Sachverhalt. V gl. Franz, Tinkering, 161-166. Zuletzt argumentierte Kevin Borg, dass die interpretative Flexibilität beim Auto durchaus noch in den 1950er Jahren gegeben war. Vgl. Borg, Auto Mechanics, 12lf. V gl. Borg, Chauffeur Problem. Zu Giddens Theorie vgl. Giddens, Constitution.

1.5 Forschungsstand zum Automobil

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Eine weitere wegweisende Forschungsarbeit analysiert das Scheitern des elektrischen Fahrzeugs im ausklingenden 19. und frühen 20. Jahrhundert. IOO Gijs Mom betont explizit, dass sich vom ingenieurwissenschaftlichen Stand­ punkt unterlegene Produkte durchaus durchsetzen konnten, wenn sie genau die von den Nutzern geschätzten Funktionen lieferten. Gemäß seiner Argu­ mentationslinie gilt, dass Elektrofahrzeuge zu Beginn des Automobilismus gegenüber den mit Benzinmotoren angetriebenen Fahrzeugen technisch kei­ neswegs unterlegen waren. Nach seiner Einschätzung waren die ersten Autos mit Verbrennungsmotor für ihre Fahrer "adventure machines", weil zum ei­ nen durch die rasante Fortbewegung das Fahren zum Abenteuer wurde; zum anderen gestaltete sich die Bedienung der Fahrzeuge höchst komplex. Und technische Pannen unterbrachen oft die Fahrten, für deren Reparatur dann wiederum handwerkliches Geschick der Automobilisten nötig war. Eben die­ ses mit dem Autofahren verbundene Abenteuergefühl muss als einer der Gründe für den Erfolg des Verbrennungsmotors gegenüber den Antriebsalter­ nativen Dampf- und Elektromotor angesehen werden101 Später gelang es, die positiven Eigenschaften der Elektrofahrzeuge, wie zum Beispiel deren Zuverlässigkeit, auf das Benzinauto zu übertragen. Somit fand auch ein Wechselspiel zwischen den verschiedenen Technologien statt, wodurch es also zu einem "transfer of (technical) properties and (applicational) func­ tions, and not necessarily or primarily to a transfer of artifact parts,,1 Mom bezeichnet das als Pluto-Effekt. Bei der Wahl für oder gegen ein be­ stimmtes Auto hat die Entscheidung der Konsumenten also "little to do with transport as a utilitarian function but much to do with non-rational, or symbo­ lic, social and psychological choices. "103 Zum Dieselmotor liegt ebenfalls eine Fülle an Forschungsarbeiten vor. Diese befassen sich vor allem mit der Motorentwicklung in der Frühphase von 1890 bis 1908104 oder mit den Faktoren, die eine rasche Verbreitung der Dieseltechnologie in den USA zwischen 1897 und 1912 verhinderten105 Mit seiner Dissertation Diesel - Karriere einer Technik stieß Andreas Knie eine Debatte über die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des Dieselmotors an106 Unter anderem wies Mikael Härd in diesem Zusammenhang darauf 100 V gl. Mom, Electric Vehic1e. Zudem befassen sich noch weitere Studien mit Elektro­ fahrzeugen. V gl. Kirsch, Electric Vehic1e; Mom, Scheitern; MomIKirsch,Technologies. 101 V gl. Mom, Scheitern; Mom, Adventures; Mom, Electric Vehic1e; Möser, Side. Zur Ein­ führung zum Thema Automobil aus kulturwissenschaftlicher Perspektive empfehlen sich ebenfalls Möser, Side; Ruppert, Fahrrad; Sachs, Liebe. 102 Mom, Electric Vehic1e, 309. Hervorhebungen im Original, C.N. Eine ähnliche Be­ schreibung findet sich bei König, Technik, 248. Für eine detaillierte Darstellung seines theoretischen Modells vgl. Mom, Conceptualising. 103 Möser, Side, 238. 104 V gl. Bryant, Development. 105 V gl. Lytle, Introduction. 106 V gl. Knie, Diesel; Knie, Technik; KnielHirrd, Dinge. Die ausführliche Kritik zu Knies

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1. Einleitung

hin, dass bisherige Studien interessanterweise hauptsächlich die Entwicklung in Deutschland nachzeichneten und die für Deutschland zutreffenden Aussa­ gen global generalisierten107 Das exemplifiziert er an der Aussage von Eu­ gen Diesel, dass "sich der Dieselmotor für Personenfahrzeuge aus dem Lastwagenmotor" IOS entwickelt habe. Nach Härd zeigt jedoch eine Analyse der Verwendung des Dieselmotors in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten, dass dort ein Transfer von Schiffs- und Busdieselmotoren hin zu Pkw-Motoren durchaus nicht ungewöhnlich war. Härds Analyse stellt noch eine weitere These Knies in Frage. Clessie Cummins verwendete für seinen Dieselmotor das Konzept der Direkteinspritzung bereits in den 1920er und 1930er Jahren, womit widerlegt ist, dass Vorkammermotoren- wie von Knie angenommen - in diesem Zeitraum die dominierende Dieselmotorentechno­ logie gewesen sei. Für den deutschen Fall freilich traf Knies Aussage zu, in globaler Perspektive griff sie jedoch zu kurz109 Obwohl Knies Untersuchungen sich auch auf die Zeit der Ö!krise bezie­ hen, wird deren Auswirkung auf den Kauf von Dieselautos weitgehend aus­ geklammert. So schneidet Knie die Entwicklung nur am Rande an. Zudem behandeln die Arbeiten nicht den Diesel-Nutzer, sondern nähern sich der Ma­ terie durchweg vonseiten der Hersteller oder des Herstellungsprozesses. Selbst eine jüngste Studie zum Dieselauto in den USA legt ihr Hauptaugen­ merk auf ökonomische und umweltpolitische Faktoren. Die sogenannten he­ donistischen Faktoren, wie "diesel odor, the difficulty of cold weather starts, engine noise, slow acceleration, and the dirty appearance (e.g. black smoke, ,greasy' fuel openings)" ll O, werden angesprochen, allerdings wird ihre Rele­ vanz für die Absatzentwicklung als untergeordnet eingestuft. Außerdem kon­ statieren die Autoren: The problem with these ,measures', however, is that they are almost impossible to judge quantitatively. It is much simpler to compare market sales to the price of fuel. There­ fore, these rather personal attributes have not been seriously studied, except perhaps by the automobile manufacturers of luxury cars.111

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Thesen wird an dieser Stelle nicht rezipiert, aber auf folgende Aufsätze verwiesen. V gl. Braun, Technikgenese; König, Technik. V gl. Hirrd, Technology. Härd nennt hierfür Eckerrnann, Dampfwagen; Fersen (Hg.), Jahrhundert Automobiltechnik. Personenwagen; Fersen (Hg.), Jahrhundert Automobil­ technik. Nutzfahrzeuge; Knie, Diesel; Zirna, Entwicklung. Diesel, Geschichte, 56. Hervorhebung irn Original, C.N. V gl. Hirrd, Technology, 555. Für eine detaillierte Darstellung der Motorentwicklung vgl. ebd. Eine ähnliche Darstellung, die neben den USA auch noch die Entwicklung in Frankreich beleuchtet, findet sich bei Härd, Genese. Für eine Einführung zur Entwick­ lung des Dieselmotors aus deutscher Perspektive vgl. Hack, Diesel (1981), 2lff.; Knie, Diesel, 147-254; Möser, Geschichte, 11lf. Zum Dampf- und Dieselmotor als Alternati­ ven des Ottomotors vgl. HardlJarnison, Alternative Cars. TruettlHu, Diesel Engine, 19. Ebd.

1.5 Forschungsstand zum Automobil

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Genau jene Lücke möchte ich mit der vorliegenden Untersuchung schließen. Demgemäß werden nicht nur die Kraftstoffpreisentwicklung und die umwelt­ politischen Regulierungen analysiert, sondern insbesondere auch solch quan­ titativ schwer messbare Kriterien, wie Beschleunigung des Wagens, Laufkul­ tur des Motors und Abgasverhalten, fließen in diese Betrachtung mit ein.

DAS DIESELAUTO ALS AUTOMOBILES RANDPRODUKT, 2.

1 949-1973/74

2. 1 ERSTES IN SERIE PRODUZIERTES DIESELAUTO Der deutsche Hersteller Daimler-Benz stellte 1936 auf der Automobilausstel­ lung in Berlin mit dem Mercedes-Benz Modell 260 D1 den ersten in Serie produzierten Diesel-Pkw vor. Der Vierzylinderdieselmotor mit einem Hub­ raum von 2,6 Litern erreichte eine Leistung von 45 PS bei 3. 300 Umdrehun­ gen pro Minute (U/min). Als Höchstgeschwindigkeit wurden ca. 95 km/h ge­ nannt. Im Vergleich zum 2,3-Liter-Ottomotor mit einem Verbrauch von 13 Litern auf 100 km präsentierte sich der Diesel mit 9,5 Litern2 als äußerst ver­ brauchsgünstig3 Nach Aussage von Eugen Diesel, dem Sohn des Erfinders des Dieselmotors Rudolf Diesel, waren die ersten Dieselpersonenwagen von Mercedes-Benz zunächst als Taxen, Mietwagen und leichte Lieferwagen konzipiert worden, dennoch zeigten bereits damals Privatpersonen Interesse für dieses Auto4 Neben Mercedes-Benz bot die Firma Hanomag zwischen 1938 und 1940 ebenfalls einen in Serie gefertigten Diesel-Pkw an. Der von 1936 bis 1940 in 1. 9675 Einheiten produzierte Mercedes-Benz 260 D blieb im Gegensatz zum Hanomag Diesel-Pkw im öffentlichen Gedächtnis haften und legte den Grundstein für den Ruf, Pkw-Dieselmotoren seien sparsam, zuverlässig und langlebig. Nach Einschätzung des Historikers Walter Kaiser galt der Merce­ des Diesel wegen dieser drei charakteristischen Eigenschaften als idealer Ta­ ximotor. Allerdings wurden den Dieselmotoren damals von der Öffentlich­ keit auch mehrere negative Merkmale zugeschrieben, wie hohes Gewicht, schwache Motorleistung, schlechte Laufkultur wegen Vibrationen und Moto­ renlärm sowie hohe Herstellungskosten. 6 Deutlich zeigt sich bereits beim 1 2 3

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Die Bezeichnung ..D" steht bei den Typenbezeichnungen generell für Diesel, sofern dies im Folgenden nicht anders vermerkt ist. Im Folgenden wird der Kraftstoffverbrauch stets in Liter pro 100 Kilometer angegeben. Das ist nicht an jeder Stelle explizit vermerkt. Die Angaben zur Drehzahl mit der maximalen Leistung schwanken in der Literatur. Gert Hack gibt 3.300 Umdrehungen und 3.000 U/rnin an. V gl. Hack, Diesel (1981), 32, 247. Walter Kaiser nennt demgegenüber 3.200 Umdrehungen. V gl. Kaiser, Bosch, 63. V gl. Diesel, Geschichte, 81. Vgl. Hofner, Mercedes-Benz, 123. Eugen Diesel spricht sogar von mehr als 20.000 verkauften Einheiten. V gl. Diesel, Geschichte, 84. Hierbei scheint es sich jedoch um einen Druckfehler zu handeln. Vgl. ebd., 73-88; Hack, Diesel (1981), 30-34, 246f.; Kaiser, Bosch, 62f.; Knie, Diesel,

2.1 Erstes in Serie produziertes Dieselauto

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Modell 260 D die Koexistenz positiver und negativer Rationalitätsfiktionen. Sie behielten auch im Zeitraum von 1949 bis in die 1970er Jahre ihre Gültig­ keit. Das "Goldene Zeitalter"7 der Nachkriegsjahre, das von einem enormen allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung geprägt war, verhalf der Automo­ bilindustrie mit einem steigenden Absatz an Neuwagen zu einer boomenden Entwicklung 8 In Europa lag nach 1945 das Hauptaugenmerk darauf, güns­ tige und für Konsumenten erschwingliche Fahrzeuge zu bauen, weshalb die generalisierende Aussage des Historikers Tony Judt somit sicherlich für eine Vielzahl von Modellen zutreffend ist. Er bezeichnet sie als "tiny, two-door units of family transport: cheap to buy, cheap to run and easy to fix" , deren Konstruktion aus "thin, tinny frames; small, under-powered engines (de­ signed to consume as little fuel as possible)"9 und rudimentären Annehmlich­ keiten bestand. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt der Soziologe Rudi Volti, der diesem typisch europäischen Personenwagen die seit Ende der 1940er Jahre in Mode gekommenen, starken und durstigen Motoren in amerikanischen Autos gegenüberstellt. Die Modellpolitik der Big Three, General Motors, Ford Motor Co. und Chrysler, machte in diesem Zeitraum den leistungsstar­ ken V 8-Motor sowie die automatische Gangschaltung zum Accessoire eines typisch amerikanischen Automobils. l O Der V 8-Motor im 194ger Cadillac startete das bis in die 1960er Jahre andauernde horse-power race in den Ver­ einigten Staaten. Neben der ständig wachsenden Motorleistung, die allein von 1950 bis 1959 von durchschnittlich 1l0,9 PS auf 214,2 PS anwuchs, führten sowohl ein steigendes Fahrzeuggewicht als auch die eingebauten Ex­ tras, wie Klimaanlagen, zu einem kontinuierlichen Anstieg des Kraftstoffver­ brauchs. Ein typischer Cadillac Baujahr 1949 konsumierte 11,8 Liter auf 100 Kilometern (20 mpg); 1973 war der Durchschnittsverbrauch der amerikani­ schen Autos auf 17,4 Liter (13,5 mpg) angewachsen ll Jüngst wurde der Ver-

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260-269; Volti, Cars, 76. Erik Eckermann verweist darauf, dass Citroen 1935 den ersten Diesel-Pkw vorstellte,jedoch eine Serienfertigung nicht folgte und lediglich 100 Proto­ typen des Citroen Type 10 serie Di ausgeliefert wurden. V gl. Eckermann, Dampfwagen, 146f. Eine weitere Darstellung nennt einen frühen Dieselmotor von Peugeot, der 1936 zunächst in leichten Nutzfahrzeugen Verwendung fand, ehe ihn das Unternehmen 1937 im Typ 402 anbot und schließlich ab 1938 in Serie produzierte. V gl. Reuß, lahre, 77. Marglin/Schor (Hg.), Golden Age. zit. n.: Hobsbawm, Zeitalter, 325. Für einen kurzen Überblick vgl. Volti, Cars, 88ff. Für Deutschland vgl. Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, 374-378; Canzler, Zauberlehrling-Syndrom, 102-105; Klenke, Stau, 63-76; Möser, Geschichte, 190-206. Ein Einblick in die europäische Perspektive findet sich bei ludt, Postwar, 339ff. Für eine Darstellung zum Automobil als Konsum­ gut vgl. König, Geschichte, 307-311. ludt, Postwar, 340. V gl. Volti, Cars, 93-97. V gl. Engel, Entwicklung, 125; Flink, Car Culture, 194ff.

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brauch im Jahr 1973 sogar mit durchschnittlich 19,9 Liter (11,8 mpg) ange­ geben12 Den Trend unterstützten die US-Konsumenten und die Hersteller gleichermaßen. Für Letztere war das durchaus ökonomisch motiviert, da bei größeren Autos höhere Gewinne pro verkaufter Einheit anfielen.13

2. 2 DIE DOMINANZ DER MERCEDES-BENZ DIESELAUTOS, 1949-1974 Fahreigenschaften und technologische Charakteristika der Dieselautos Im Nachkriegsdeutschland setzte bei den Personenwagen ebenfalls eine Leis­ tungssteigerung ein, jedoch startete sie auf einem niedrigeren Niveau und vollzog sich weitaus kontinuierlicher und nicht so sprunghaft wie in den USA14 Zunächst war die Leistungsausbeute der Mercedes-Benz Diesel- und Ottomotoren durchaus gleichwertig. Der erste Nachkriegsdiesel-Pkw von Mercedes-Benz, das Modell 170 D, war dem Modell 170 mit Ottomotor in Leistung und Drehmoment ebenbürtig. Beide Motoren karnen auf eine maxi­ male Leistung von 3 8 PS; der Ottomotor bei 3. 600 U/min und der Diesel bei 3. 200 U/min. Mit einem Drehmoment von 96 Newtonmeter (Nm) bei 2. 000 Umdrehungen blieb der Diesel nur geringfügig hinter dem Ottomotor mit 98 Nm bei 1. 800 U/min zurück15 Sobald für den Konsumenten der Kraftstoff­ verbrauch mit in die Betrachtung einfloss, wurde die Wirtschaftlichkeit des Dieselmotors mit einem Verbrauch von 6,4 Litern gegenüber 9,7 Litern beim Ottomotor offensichtlich. Dieser Vorteil verlor in den 1950er Jahren einen Teil seiner Bedeutung, als einer steigenden Motorleistung bei den Mercedes Personenwagen mehr Gewicht zukam, und die Ottomotoren mit einer konti­ nuierlich steigenden Leistungskurve diesen Wunsch besser erfüllten als die Dieselmotoren mit ihren kleinen Leistungssprüngen. Sicherlich trug der stei­ gende Wohlstand im Laufe der 1950er und 1960er Jahre dazu bei, den ökono­ mischen Faktor Kraftstoffverbrauch zurückzudrängen, und stattdessen entwi­ ckelten sich Motorleistung, Beschleunigungsverhalten und Höchstgeschwin­ digkeit beim Autokauf allmählich zu zentralen Bewertungskriterien. Die Käufer der Mercedes Diesel waren hierbei jedoch eine Ausnahme, da sie an­ dere Kriterien verwendeten. Sie stuften die Motorleistung der Dieselmodelle zwar als ausreichend ein, doch hatten sie mehrheitlich die drei Charakteris-

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Vgl. McCarthy,Auto Mania, 217. V gl. Flink, Car Culture, 194f.; Nye, Consuming Power, 205f. Zusammengefasst bei Neumaier, Präferenzen, 27. Diese Aussage bezieht sich auf die Angaben von Kaiser, Bosch, 63. Hack nennt beim Diesel dagegen 98 Nm bei 2000 U/min. V gl. Hack, Diesel (1985), 249.

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tika Sparsamkeit, Zuverlässigkeit und Langlebigkeit zur Anschaffung bewo­ gen16 Ähnlich beurteilte Eugen Diesel 1955 den Markterfolg des Mercedes­ Benz 170 D. Sein Erfolg gründe auf der Tatsache, dass die Motorleistung den Ansprüchen seiner Fahrer an einen Mittelklassewagen genügt und der Diesel weniger verbraucht habe als sein Pendant mit Ottomotor. Auch sei Diesel­ kraftstoff leichter zu bekommen und gleichzeitig billiger gewesen als Benzin. Die typischen Fahrer dieses Modells waren für den Hersteller Daimler-Benz Personen mit einer hohen Jahreskilometerleistung, weil sich dadurch der hö­ here Anschaffungspreis schneller amortisierte. Zur Überraschung von Daim­ ler-Benz kauften jedoch auch Personen, die pro Jahr vergleichsweise wenig Kilometer zurücklegten, einen Mercedes Diesel17 Die Käufer der Mercedes Diesel entwickelten sich in den 1950er Jahren zu einem wichtigen Kunden­ stamm von Daimler-Benz18 Bei einer Befragung von 2.096 Pkw-Haltern durch das Institut für Demo­ skopie Allensbach ließ die Daimler-Benz AG schon 1954 die Wünsche der Pkw-Fahrer explizit analysieren19 Die Umfrage zeigt, dass 8 7 Prozent der Befragten einen wirtschaftlichen Wagen bevorzugten und lediglich sieben Prozent ein schnelles Auto wünschten. Allerdings verhielt es sich bei den Erwartungen der Besitzer der Mercedes Typen 220 und 300 gegensätzlich. Für sie war demnach ein schneller Pkw wichtiger als ein wirtschaftlicher. Bezüglich des Diesels ergab die Studie, dass neun von zehn Befragten wuss­ ten, dass Daimler-Benz Diesel-Pkw produzierte20 Ferner sagten 7 2 Prozent aus, Dieselmotoren seien teurer als Ottomotoren. Auf die Frage, ob etwas am Diesel-Pkw störend sei, antworteten 53 Prozent der Befragten mit "ja" und lediglich 11 Prozent mit "nein" . Bei den Haltern der Mercedes 170 D hatte mehr als die Hälfte etwas am Dieselmotor auszusetzen. Eine weitergehende Analyse der persönlichen Einstellung zum Diesel-Pkw zeigt, dass jeweils circa ein Drittel der befragten Personen dem Diesel entweder überwiegend positiv oder negativ gegenüberstanden. Bei den Aussagen der Fahrer der Ty­ pen Mercedes 170 D sowie Mercedes 220 bzw. 300 ist eine offensichtliche Diskrepanz in der Einschätzung zu erkennen. 84 Prozent der Halter eines 170 D attestierten dem Diesel überwiegend positive Eigenschaften und lediglich sechs Prozent stuften ihn als negativ ein. Demgegenüber schätzten die Fahrer

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Vgl. Hack,Diesel (1981), 254-257., 260f.; Kaiser, Bosch, 63f.; Knie, Diesel, 269. V gl. Diesel, Geschichte, 102f. Produktionszahlen nach den Angaben des Daimler AG Firmenarchivs. V gl. Institut für Demoskopie, Personenwagen, 5, Daimler AG Firmenarchiv. 55 Prozent nannten Borgward sowie drei Prozent Fiat als weitere Dieselhersteller. Borg­ ward produzierte das Modell Hansa 1800 Diesel von 1952 bis 1954 und Fiat das Modell 1400 D von 1953 bis 1954. Vgl. Hack, Diesel (1987), 227, 241.

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der beiden Mercedes Modelle mit Benzinmotor den Diesel nur zu 14 Prozent als positiv, aber zu 59 Prozent als negativ ein 21 Wenn die Aussagen zur positiven wie zur negativen Haltung gegenüber den Dieselpersonenwagen spezifiziert werden, dann sticht als großer Plus­ punkt die Wirtschaftlichkeit hervor, die 47 Prozent der Befragten nannten. Sieben Prozent schätzten seinen robusten Motor und zwei Prozent stellten ihm "gute Eigenschaften" aus. Als Manko gaben 52 Prozent das Motorenge­ räusch, 14 Prozent das schlechte Beschleunigungsverhalten und acht Prozent den unangenehmen Geruch an. Zudem stuften acht Prozent den Dieselperso­ nenwagen für Kurzstrecken als untauglich ein und sieben Prozent erachteten ihn sowohl in der Anschaffung als auch im Unterhalt als zu teuer. Für zwei Prozent war das schlechte Startverhalten ein weiteres Defizit. 22 Bemerkenswert an der Untersuchung ist, dass, obwohl 56 Prozent der Fahrer eines 170 D angaben, es störe sie etwas beim Fahren eines Diesels, dennoch 84 Prozent aller Halter eines 170 D eine überwiegend wohlwollende GrundeinsteIlung zur Dieseltechnologie aufwiesen. Infolgedessen müssen die störenden Faktoren am Dieselfahrzeug von untergeordneter Bedeutung gewesen sein. Die Käuferschicht des Mercedes 170 D war somit insgesamt gesehen mit ihrem Fahrzeug sehr zufrieden, da der Wagen die an ihn gestell­ ten Erwartungen weitestgehend erfüllte. Weniger positiv beurteilten dagegen die Halter eines Pkw mit Ottomotor die Diesel-Pkw. Sie stuften Dieselautos zu 30 bis 40 Prozent als negativ ein; weitere zehn bis 20 Prozent hatten eine geteilte Meinung. Folglich war es das Ziel von Mercedes-Benz, die bisheri­ gen Dieselfahrer weiterhin in ihren Wünschen zufriedenzustellen, damit sie beim Kauf eines Neuwagens erneut auf einen Diesel zurückgriffen. Die Hal­ ter eines Pkw mit Ottomotor sollten hingegen von den positiven Eigenschaf­ ten der Dieselpersonenwagen überzeugt werden. Die öffentliche Meinung schrieb also den Dieselautos die Rationalitätsfiktionen zu, dass sie sparsam, langlebig und zuverlässig seien. Gleichzeitig wurden sie jedoch auch als laut, langsam und teuer in der Anschaffung stigmatisiert. Um Dieselwagen für eine größere Anzahl an Autofahrern attraktiv zu machen, mussten die negativen "dieseltypischen" Charakteristika vermindert und gleichzeitig die positiven aufrechterhalten bzw. stärker in den Vorder­ grund gerückt werden. Demgemäß kam der Wirtschaftlichkeit die höchste Priorität zu, war sie doch das zentrale Verkaufsargument, welches für ein Dieselauto sprach. Das musste zusätzlich einem weiteren Kreis bewusst ge­ macht werden, schließlich gaben einige Pkw-Halter bei der Umfrage an, die Diesel seien bei Kurzstreckenfahrten unrentabel und in der Anschaffung bzw. im Unterhalt zu teuer. Ähnlich verhielt es sich mit der Langlebigkeit des ro­ busten Motors, die zum einen weiterhin gewährleistet und zum anderen aber 21 22

Vgl. Institut für Demoskopie, Personenwagen, 7f., Tab. 26-29, Daimler AG Firmenar­ chiv. V gl. ebd., 7f., Tab. 30-31, Daimler AG Firmenarchiv.

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auch stärker propagiert werden musste. Lediglich sieben Prozent nannten dies als positive Eigenschaft. Da zudem weitaus mehr Personen die negativen Attribute kritisierten, wie vor allem das laute Motorengeräusch und das schlechte Beschleunigungsverhalten, mussten die Nachfolgemodelle des 170 D diesbezüglich verbessert werden. Die Entwicklungsstrategie in den folgen­ den Jahren war damit vorgegeben und prägte die Dieselmotoren zwischen 1949 und 196 8. Dazu gehörten der von 1949 bis 1961 produzierte Dieselmo­ tor OM 636 (Ölmotor) und der zwischen 1958 und 1968 hergestellte OM 62123 Der OM 636 legte den Grundstein für den Erfolg der Dieselmodellreihen bei Mercedes. Die Konsumenten erwarben beim Kauf eines Diesel-Pkw stets die Trias eines sparsamen, langlebigen und zuverlässigen Automobils. Im Jahr 1968 brachte Mercedes-Benz mit der neuen kleinen Modellreihe W 115 nicht nur ein überarbeitetes Fahrzeugdesign auf den Markt, sondern zugleich einen modifizierten Dieselmotor, den OM 6 15, der den alten Motor OM 621 ablöste.24 Aus wirtschaftlichen Überlegungen bekamen alle kleinen Modelle, wie die Typen 200, 220, 200 D und 220 D, baugleiche Karosserie, Getriebe, Kupplung und Hinterachse. Selbst die verschiedenen Otto- und Dieselmoto­ ren liefen weitestgehend über die gleichen Fertigungsstraßen, wodurch wei­ tere Einsparungen in der Herstellung möglich wurden. Die unterschiedlichen Verbrennungsverfahren machten aber für den Diesel eine eigene Brennkam­ mergestaltung notwendig. Die Mercedes-Benz Ingenieure verwendeten- wie bereits im Mercedes-Benz 260 D von 1936 - die bewährte Vorkammertech­ nologie, die einen guten Kompromiss zwischen Verbrennungsgeräusch, Leis­ tung, verfügbarer Drehzahl sowie Abgas- und Startverhalten versprach 25 Ein Blick auf die Entwicklungsgeschichte der Daimler-Benz Pkw-Die­ selmotoren zeigt, welches Gewicht einem kultivierten und ruhigen Motorlauf beigemessen wurde. Neben der Leistungssteigerung und dem Kraftstoffver­ brauch war die Laufkultur des Motors eine dritte dominante Größe bei der Motorkonstruktion 26 Von 1949 bis 1962 beruhte die Leistungssteigerung auf einer Kombination von Erhöhung der Drehzahl und Hubraumvergrößerung. Ab 1962 schlossen die Ingenieure eine weitere Erhöhung der Drehzahl aus, weil das zum einen den Kraftstoffverbrauch weiter nach oben getrieben hätte 23 24

25 26

Vgl. Hack, Diesel (1981), 248-255. V gl. ebd. Für Details zum OM 615 mit 2,0 Litern und 2,2 Litern Hubraum vgl. Winsenl Conrad, Mercedes-Benz, 96-102. Knie gibt demgegenüber an, der Motor sei von 1961 bis 1976 nicht verändert worden. Nach Hack änderte sich jedoch die Konstruktion des Motors, da ein anderer Motorblock verwendet wurde. Das ist aus der Typenbezeich­ nung OM 621 für die Zeit von 1958 bis 1968 und OM 615 für den seit 1968 erhältlichen Mercedes-Benz 200 D ersichtlich. Vgl. Hack, Diesel (1981), 256. Vgl. EiseIe, Daimler-Benz-Dieselmotoren, 5ff.; Winsen/Conrad, Mercedes-Benz, 96. Die Ingenieure schienen sich dabei an den Urnfrageergebnissen von 1954 zu orientie­ ren. Leider liegen zu einem späteren Zeitraum durchgeführte Umfragen nicht vor, um diesen Aspekt näher beleuchten zu können.

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und zum anderen das Motorengeräusch zu laut geworden wäre27 Aufgrund der seit den 1950er Jahren aufklaffenden Leistungsdiskrepanz zwischen Ben­ zin- und Dieselmotoren kann angenommen werden, dass die Leistungs­ schwäche der Dieselmotoren bei Kaufentscheidungen in den 1960er Jahren stärker ins Gewicht fiel, als dies in der Umfrage von 1954 zum Ausdruck kam. Der Nicht-Dieselfahrer stand in den späten 1960er Jahren dem Diesel­ Pkw wohl primär wegen der geringeren Leistung abgeneigt gegenüber. Neben dem von Mercedes-Benz verwendeten Vorkammermotor gab es mit dem Wirbelkammerverfahren eine weitere indirekte Einspritztechnolo­ gie, die im Pkw-Bereich eingesetzt wurde. Die auf dieser Technologie basie­ renden Motoren waren von 1971 an bei Peugeot im Modell 504 und bei Opel im Rekord Diesel von 1972 erhältlich. Später wurden Wirbelkammerdiesel­ motoren auch von Volkswagen hergestellt28 Die von Daimler-Benz nach dem Prinzip des "recht altväterlichen Nebenkammersystems"29 produzierten Vorkammermotoren galten als die konventionelle Methode, Pkw-Dieselmo­ toren zu bauen. Demgegenüber wurden die Wirbelkammerdiesel als "mo­ dem" beschrieben30 Unter den Ingenieuren herrschte damals Uneinigkeit, welches das "bessere" der beiden Systeme sei. Die jeweiligen Hersteller argumentierten letztlich für das von ihnen ver­ wendete Prinzip. Volkswagen betonte die größere Leistungsausbeute und den niedrigeren Verbrauch beim Wirbelkammerverfahren. Das Vorkammerver­ fahren war demgegenüber laut dem Leiter der Dieselmotorenentwicklung bei Daimler-Benz, Manfred Fortnagel, hinsichtlich der Laufkultur überlegen. Zusätzlich hob er hervor, dass beim Kaltstart weniger Rauchernissionen auf­ treten würden und der Kohlenwasserstoffanteil im Abgas geringer seP l Mer­ cedes-Benz schätzte demnach zwar durchaus einen geringen Kraftstoffver­ brauch, gleichzeitig genoss jedoch eine hohe Laufruhe Priorität. Volkswagen und Peugeot waren sich bewusst, dass die Käufer ihrer Dieselmodelle viel Wert auf einen möglichst geringen Kraftstoffverbrauch und eine größere Leistung bei kleinem Hubraum legten. Außerdem war es bei beiden Volu­ menherstellem wichtig, kostengünstig zu produzieren. Diese drei Gründe

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29 30 31

Vgl. Winsen/Conrad, Mercedes-Benz, 101. Zur Geschichte des Dieselmotors bei Mer­ cedes-Benz vgl. Schildberger, Jahre, 65-72. Für Opel war das der Einstieg in den Dieselmarkt. Peugeot hatte dagegen bereits zuvor Diesel-Pkw im Angebot, z.B. den Peugeot 204 GL seit 1968 oder den 404 seit 1962. V gl. Hack, Diesel (1987), 305, 315ff. Neben den beiden Systemen der indirekten Kraft­ stoffeinspritzung gab es noch Motoren mit Direkteinspritzung, die damals jedoch nicht im Pkw-, sondern nur im Lkw-Bereich Verwendung fanden, weil zum einen die verfüg­ bare Drehzahlspanne relativ klein und zum anderen das Verbrennungsgeräusch sehr laut war. Luckner, Diesel, 104. Vgl. ebd. V gl. Feuer und Flarnrne, 66.

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spielten bei ihrer Entscheidung für das Wirbelkammerverfahren mit Sicher­ heit eine entscheidende Rolle. Die bereits erwähnte Leistungsdiskrepanz zwischen den Mercedes-Benz Otto- und Dieselmotoren blieb auch bei den neuen Motoren von 1968 beste­ hen. Als Nennleistung erreichten der 2-Liter- und der 2,2-Liter-Dieselmotor 5 5 PS bzw. 60 PS bei 4. 200 U/min gegenüber den gleichvolumigen Ottomo­ toren mit 95 PS bzw. 105 PS bei jeweils 6. 000 U/min. Im von jeder Automo­ bilzeitschrift durchgeführten Beschleunigungstest von 0 auf 100 km/h benö­ tigten die Modelle 200 und 220 mit Ottomotor mit 15,2 Sekunden bzw. 13,7 Sekunden nur halb so viel Zeit wie die Diesel-Pkw 200 D und 220 D, die auf 3 1,0 Sekunden bzw. 28,1 Sekunden kamen. Ferner fuhren die Benziner mit 160 bzw. 168 km/h circa 30 bis 33 Stundenkilometer schneller als die Mo­ delle 200 D und 220 D, die maximal 130 bzw. 135 km/h erreichten32 Der trivialisierte Datenblattdiskurs in den Zeitschriften drehte sich pri­ mär um den Hubraum, die Motorleistung in PS33, das Drehmoment in Nm34 und den Verbrauch in Liter pro 100 km35 Die Beschleunigungszeit von 0 auf 100 krn/h in Deutschland bzw. von 0 auf 60 mph in den USA sowie die Höchstgeschwindigkeit waren zwei weitere wichtige Kerngrößen. Die Summe der daraus abgeleiteten Eigenschaften diente den Konsumenten als Bewertungsgrundlage, ob ein Pkw "gut" oder "schlecht" war. Sie wurden da­ bei für die Beurteilung von Modellen mit Otto- und Dieselmotor gleicherma­ ßen herangezogen. Anhand der in den Zeitschriften aufbereiteten Informatio­ nen und wenn als Referenzgröße zum Diesel-Pkw ein vergleichbarer Pkw mit Ottomotor herangezogen wurde, konnten die Leser der Zeitschriften eine normative Aussage machen, ob ein Wagen als schnell oder langsam, stark oder schwach, laut oder leise galt sowie sparsam war oder verschwenderisch mit Kraftstoff umging. Weitere Anhaltspunkte lieferten die Beschreibungen der Testfahrer, die schilderten, wie der Wagen fuhr und wie er sich im alltäg­ lichen Straßenverkehr verhielt. Die Konsumenten konnten die Rationalitäts­ fiktionen der Dieselautos über den öffentlichen Diskurs bestimmen und so ihre Konsumentscheidung begründen bzw. rechtfertigen. Die Zeitschrift Auto Motor und Sport blieb 1968 aufgrund ihrer Testre­ sultate skeptisch und betonte, eine Leistung von maximal 60 PS sei für die großen und schweren Mercedes einfach nicht ausreichend. Selbst die Leis-

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Vgl. Die neue Mercedes-Benz-Generation, 22; Die wohlkalkulierte Perfektion, 28. In den USA wurde mit bhp eine andere Messgröße im Diskurs verwendet. Um eine Vergleichbarkeit zu erreichen, wird in der vorliegenden Arbeit die Nennleistung in PS angegeben, sofern sie errnittelbar war. Es gilt zu beachten, dass in Deutschland damals noch die Größe rnkg verwendet wurde. In den USA wurde das Drehmoment stets in lb.-ft. angegeben und für die vorliegende Arbeit in Nm umgerechnet. In den USA ist die Größe mites per gallon üblich. Für die hier vorliegende Arbeit wurde der Verbrauch in Liter/IOD km umgerechnet.

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tungssteigerung über die Jahre hinweg habe lediglich der allgemeinen Steige­ rung aller Automobile entsprochen und solle verhindern, dass die Mercedes Diesel als Verkehrshindernis empfunden wurden. Die Mercedes Diesel ver­ harrten hinsichtlich ihres Leistungsniveaus auf der gleichen Stufe wie die Volkswagen Käfer, wobei nach Darstellung der ADAC Motorwelt der VW­ Käfer 1300 beim Beschleunigen sogar den Mercedes-Benz 220 D hinter sich ließ 36 Den Wunsch nach Geschwindigkeit erfüllten Dieselautos damals also keinesfalls. Auch war nicht daran zu denken, mit ihnen Autorennen zu fahren oder sich einfach nur mit großer Geschwindigkeit über Landstraßen und Au­ tobahnen fortzubewegen. Gleiches galt für die Beschleunigung der Diesel. "Männlichkeitswünsche und Allmachtsgefühle"37 befriedigten die Dieselwa­ gen damit - ganz im Gegensatz zu den PS-starken Autos mit Ottomotor - bei ihren Besitzern nicht. Bei vielen Autokäufern rief die Leistungsschwäche der Mercedes Diesel "Ohnmachts-" oder "Kastrationsängste"38 hervor. Beim Be­ schleunigungstest entschieden Zehntel sekunden über Sieg oder Niederlage. Der Diesel kam demgegenüber nicht einmal annähernd in die Reichweite sei­ ner Benzinkonkurrenten. Im alltäglichen Wettbewerb auf der Straße um Mo­ torleistung und schnelle Beschleunigung war der Dieselfahrer klar unterle­ gen 39 Noch gab es keinen Diesel-Pkw, der den Wunsch nach Geschwindig­ keit bediente. Aufgrund der im Vergleich zum Ottomotor geringen Motorleistung leg­ ten die Automobilzeitschriften ihren Lesern, sofern sie denn einen Diesel fuhren, eine vorsichtige und zurückhaltende, also eine defensive Fahrweise nahe, um kritische Situationen bei Überholvorgängen zu vermeiden.40 Gleichwohl wurden die Dieselautos nach Darstellung der Automobiljourna­ listen als Verkehrsrisiko begriffen, weshalb der Kauf eines Diesels als sozial rücksichtslos galt. Über das träge Beschleunigungsverhalten eines Mercedes Taxi mit Dieselmotor zeigte sich 1970 der Verwaltungsratsvorsitzende von General Motors, James M. Roche, bei einem Besuch in Deutschland erschro­ cken, mussten doch mehrere Überholvorgänge auf der Autobahn abgebro-

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V gl. Die Kraft und die Sparsamkeit, 36ff.; Korp, Burg, 62. Sachs, Liebe, 137. Ebd. Vgl. ebd., 136-141. V gl. Welche Chancen hat der Diesel-Personenwagen heute, 33ff. Für eine ähnlich Argu­ mentation vgl. Doppelkopf, 18-25; Genügsames Phlegma für ruhige Kilometerfresser, 3f. In bergigen Gegenden wurde die Leistung der Diesel oftmals als nicht ausreichend eingestuft. Die Automobil Revue betonte ebenfalls, dass aufgrund der schweizerischen Gebirgslandschaft die Leistungsschwäche weitaus mehr als in Deutschland ins Gewicht falle und dies einer der Grunde für die relativ geringe Verbreitung des Diesels in der Schweiz gewesen sei. V gl. Aufwind für das Dieselauto, 3.

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chen werden. Für ihn war dies Beweis genug, dass Dieselmotoren lediglich im Stadtverkehr zu gebrauchen waren 41 Neben den Fahrleistungen war die Rentabilität der Diesel ein weiteres wichtiges Bewertungskriterium. Bei wirtschaftlichen Überlegungen muss zu­ nächst der Verkaufspreis der Dieselautos analysiert werden. 1968 lag der Grundpreis für die Modelle 200 und 220 bei 1 1 .495 DM und 1 1 .990 DM. Gleichvolumige Diesel waren gut 500 DM teurer. Somit kostete der 200 D 1 1 .990 DM und der 220 D 12.485 DM. Im Laufe der Jahre stiegen die Preise für die jeweiligen Modelle sukzessive an, doch blieb der Aufpreis zwischen Januar 1968 und März 1973 relativ konstant bei ca. 500 bis 550 DM 42 Zusätzlich zum Aufpreis flossen noch andere Größen, wie Jahreskilome­ terleistung, Kraftstoffpreise und Steuer bzw. Versicherung, in die Kalkulation der Wirtschaftlichkeitsrechnung ein, die um 1968 in den Augen der kostenbe­ wussten Autofahrer letztlich allein den Kauf eines Diesels rechtfertigte. Nach den Berechnungen des Journalisten Dieter Korp in der ADAC Motorwelt konnte der Dieselfahrer davon ausgehen, dass sich nach 25.000 bis 30.000 gefahrenen Kilometern der höhere Kaufpreis amortisierte. Diese Schwelle erreichte der typische Dieselfahrer, dessen nach Verkehr in Zahlen ermittelte durchschnittliche Jahreskilometerleistung 1970 bei 24.500 km lag, somit in knapp über einem Jahr. Nach 100.000 gefahrenen Kilometern belief sich die Ersparnis beim Modell 220 D, dessen Kraftstoffverbrauch auf dem Niveau eines Personenwagens mit 1 ,5-Liter-Ottomotor lag, sogar auf 1.500 bis 3 .000 DM 43 Allerdings basierten die Berechnungen auf der Annahme, dass Diesel­ kraftstoff pro Liter noch um fünf bzw. neun Pfennig billiger war als Normal­ bzw. Superbenzin. Tatsächlich schrumpfte in den 1 970er Jahren die Preisdif­ ferenz zwischen Dieselkraftstoff und Benzin weiter bzw. kehrte sich um, was selbstverständlich die Rechnung ins Wanken brachte. Inwieweit ein Diesel wirtschaftlich profitabel betrieben werden konnte, hing auch von der Lebensdauer des Motors ab, die insbesondere Fahrbetrieb und Fahrweise beeinflussten. Kritisch war Anfang der 1 970er Jahre, dass die 1968 auf den Markt gebrachten Mercedes Diesel nicht mehr so langlebig wa­ ren wie ihre Vorgänger. Auffallend war die weniger rigorose Abriegelung der Motordrehzahl44, die wohl als einer der Hauptgründe für die verkürzte Le­ bensdauer angesehen werden muss. In Road & Track bestätigte 1971 sogar 41 42

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Vgl. Zitate, 15. Vgl. Die Kraft und die Sparsamkeit, 35; Die wohlkalkulierte Perfektion, 30; Doppel­ kopf, 25; Mercedes 200 D. Dauertest 20.000 km, 21; Mercedes 200 D. Dauertest 40.000 km, 21; Oswald,Autos, 255. V gl. Bundesministerium für Verkehr Bau- und Stadtentwicklung (Hg.),Verkehr in Zah­ len 2000, 282; Korp, Burg, 6lf. Hier gilt zu beachten, dass beim Dieselmotor im Unterschied zum Ottomotor keine Drosselklappe, welche die Kraftstoffzufuhr regulierte, vorhanden war und dadurch ohne Regelung der Maximaldrehzahl die Drehzahl des Motors in wenigen Sekunden so stark ansteigen konnte, bis sich der Motor selbst zerstörte. V gl. Kaiser, Bosch, 74.

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ein hochrangiger Mercedes Ingenieur, dass der 2,2-Liter-Dieselmotor und der 2,2-Liter-Ottomotor mit einer Lebensspanne von ca. 100.000 Meilen in etwa gleich lange hielten 45 Die zum Teil beträchtlich verkürzte Lebenszeit der Modelle 200 D und 220 D wurde offensichtlich, nachdem sie im Praxisbetrieb 100.000 km und mehr zurückgelegt hatten. Deren Besitzer mussten vergleichsweise früh Aus­ tauschmotoren einbauen oder kostspielige Reparaturarbeiten durchführen lassen. Frühe Motorschäden beseitigte der Hersteller oft auf Kulanz. Die De­ fekte schadeten gleichwohl dem Ruf des Diesels als langlebigem und robus­ tem Antriebsaggregat. Das Reparieren solcher Kinderkrankheiten auf Ku­ lanzbasis war durchaus ein typischer Service von Daimler-Benz, um einen Absatzeinbruch möglichst zu vermeiden. Ein überzeugter Dieselfahrer ver­ wies in einem Leserbrief darauf, Mercedes habe bei jedem seiner seit den 1 950er Jahren gefahrenen Dieselautos anfangliche Probleme großzügig be­ hoben 46 Obwohl diese Entwicklungen dem Diesel um 1970 kurzfristig scha­ deten, blieb eine langfristige Beschädigung des Rufes aus. Das belegt eine Umfrage bei den ADAC-Mitgliedern aus dem Jahr 1976, welche den damals verfügbaren Mercedes Diesel Modellen 220 D und 240 D die größte Zuver­ lässigkeit und Wirtschaftlichkeit bescheinigten; zudem galten deren Besitzer als die zufriedensten 47 Weitaus kritischer sah demgegenüber die Kostenkalkulation bei den Die­ seImodelIen Peugeot 504 D und beim Opel Rekord D aus, da die Rechnungen keineswegs eindeutig zugunsten der Diesel ausgingen. "Was in aller Welt kann einen Käufer dazu bewegen, so viel mehr Geld für so viel weniger Leis­ tung auszugeben?,,48, fragte sich die ADAC Motorwelt 1972. Für den ADAC kam beim Peugeot 504 D jegliche Rentabilitätsrechnung einer "Milch­ mädchenrechnung"49 gleich. Der Automobilclub ging sogar noch weiter und betonte, dass der Peugeot Diesel eigentlich nur durch regelmäßiges Tanken im Ausland, wo Dieselkraftstoff günstiger war, oder durch die illegale Ver­ wendung von Heizöl bzw. Traktorkraftstoff rentabel betrieben werden kön­ ne 50 Somit galt der Diesel zwar im Verbrauch als sparsam, aber insgesamt gesehen keineswegs als rentabel. Noch schlechter sah die Relation beim Opel Rekord Diesel aus. Bei ei­ nem Wertverlust wie bei einem Mercedes Diesel kalkulierte der ADAC, dass 45

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V gl. Mercedes-Benz Diesel, 62. Die Zeitschrift Mol stufte die zu erwartende Lebens­ dauer des 2,2-Liter-Dieselmotors auf 120.000 bis 130.000 km und des 2-Liter-Diesel­ motors auf 150.000 km ein; die der Ottomotoren war mit 100.000 bis 110.000 km dage­ gen nur geringfügig niedriger. V gl. Test. Mercedes 200 D1220 D, 26. V gl. Mercedes-Benz 220 D. Leserbrief, 30. V gl. Lotz, Der Diesel hat seinen Ruf, 12-16. Für den Aufruf zur Teilnahme der ADACMitglieder an diesem Praxistest vgl. Wer ist zuverlässiger, 14f. Peugeot 504 D, 27. Ebd. V gl. ebd., 26f.

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pro Jahr 35.000 Kilometer gefahren werden mussten, damit der Diesel tat­ sächlich wirtschaftlicher als sein Pendant mit Ottomotor betrieben werden konnte. Wenn sich allerdings der Wertverlust eher an anderen Opel Modellen orientierte - was der ADAC für wahrscheinlicher hielt, da es keine Erfah­ rungswerte mit einem Opel Diesel-Pkw gab - dann ging selbst nach 100.000 Jahreskilometern die Wirtschaftlichkeitsrechnung nicht auf 5! Wenn also der Faktor Unterhaltskosten stark gewichtet wurde, dann erschien zumindest ein Mercedes Dieselauto diesbezüglich attraktiv. Die beiden Diesel von Peugeot und Opel waren es demgegenüber nicht. In den USA wurden Dieselautos ähnlich beurteilt. Allerdings war die Haltung wesentlich kritischer, weil eben den Kosten weitaus weniger Ge­ wicht beigemessen wurde. "Why would anyone want a diesel?"52, fragte die US-Automobilzeitschrift Road & Track 197 1 . Nach Einschätzung der ameri­ kanischen Autofahrer legitimierte eigentlich nur die enorme Wirtschaftlich­ keit, die sich aus niedrigem Verbrauch (more miles per gallon) und günstige­ rem Kraftstoffpreis zusammensetzte, den Kauf eines Dieselautos. Der typi­ sche Dieselkäufer legte demnach genau auf diese Eigenschaft Wert, wie das Road & Track in der Überschrift ihres Testberichts betonte: "If you prize fuel economy above everything else, Mercedes' best-selling model may be the car for you."53 Implizit bedeutete das allerdings, dass mit dem Fahren eines Die­ sel-Pkw eine Reihe von Nachteilen, wie deren Leistungsschwäche, verbun­ den war, und der Fahrer recht gleichgültig sein musste, um den sparsamen Diesel genießen zu können 54 Die für deutsche Konsumenten zentrale Rentabilitätsfrage hing ebenfalls vom individuellen Fahrverhalten und den gefahrenen Strecken ab - und bei­ des konnte abhängig vom Halter durchaus variieren. Dieselautos waren ins­ besondere bei häufigem Lastwechsel und bei Fahrten im Teillastbereich äu­ ßerst verbrauchsgünstig. Beides ist typisch für den Stadtverkehr, wo Taxen, von denen 75 Prozent mit Dieselmotor liefen, den Großteil ihrer Fahrten zu­ rücklegten 55 Weitaus unrentabler waren Diesel-Pkw, wenn mit hohen Ge­ schwindigkeiten, wie auf Autobahnen, gefahren oder immer mit Vollgas be­ schleunigt wurde, da sich in beiden Fällen der Verbrauch an den der Wagen mit Ottomotor annäherte. Somit galten Dieselautos als untauglich für Fahrer, die Wert auf eine leistungsbetonte, sportliche Fahrweise legten.56 Zugleich bedeuteten diese Besonderheiten der Diesel, dass die Rentabilitätsberechnun­ gen der Automobilzeitschriften lediglich Anhaltspunkte lieferten und die tat­ sächlich anfallenden Kosten nur schwer prognostiziert werden konnten. 51 52 53 54 55 56

V gl. Opel Rekord Diesel, 66ff.; Sauberer Rekord, 18. Mercedes-Benz Diesel, 59. Ebd. Vgl. ebd., 62. V gl. Luckner, Diesel, 104ff. Für diese Überlegungen vgl. Mercedes 200 D. Dauertest 40.000 km, 21.

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Bei der Bewertung der Autos in den US-amerikanischen und deutschen Zeitschriften kam insbesondere den Fahrleistungen, dem Motorengeräusch und dem Verbrauch bzw. der Rentabilität eine entscheidende Bedeutung zu. Eine nachgeordnete Stellung nahmen demgegenüber die technischen Beson­ derheiten der Diesel ein, wie die Handhabung der Wagen, die häufigeren Öl­ wechsel, die Probleme bei kalten Außentemperaturen und das Vorglühen beim Starten. Ein gravierender Unterschied zu den Personenwagen mit Otto­ motor, der die Bedienung eines Mercedes Dieselautos erschwerte, offenbarte sich beim Starten des Motors. Zum einen hatte sich der Fahrer die obligatori­ sche "Dieselgedenkminute" zu gedulden und zum anderen musste er kompli­ zierte Handgriffe ausführen, um den Motor anzulassen. Die schweizerische Zeitschrift Automobil Revue erklärte aus diesem Grund 1971 für Dieselun­ kundige in aller Ausführlichkeit die komplizierte Startprozedur. Glühwürmchen flimmere ... Wie man einen Diesel-Personenwagen in Gang setzt. 1. Schlüssel im Lenkschloss auf Stellung 2 (Fahrt). 2. Glühanlassknopf herausziehen, bis Widerstand (Raste) verspürt wird. 3. In dieser Stellung 10 bis maximal 30 Sekunden (Winter) festhalten, bis das Dunkelwerden der Ladestromkontrolleuchte und das Rotwerden des Glühüberwachers am Armaturenbrett anzeigen, dass die Kerzen glühen. 4. Anlassschalter vollends bis zum Anschlag herausziehen. Gas geben. 5. Anlasserknopf sofort nach Anziehen des Motors loslassen. 6. Bei kaltem Motor Leerlaufschalter (eine Art ,Diesel-Choke') entgegen dem Uhrzeigersinn so weit drehen, bis der Motor bei etwas erhöhter Leerlaufdrehzahl rund läuft, dann Leerlaufversteller in seine Normalstellung bis zum Anschlag rechts zurückdrehen.57

Zusätzlich musste der Fahrer dabei noch zur Betätigung des Zugknopfs für das Vorglühen und des Drehknopfs für die Leerlaufverstellung, welche das Leerlaufnageln durch eine Feineinstellung reduzierte, umständlich um das Lenkrad herumgreifen. 58

57 58

Welche Chancen hat der Diesel-Personenwagen heute, 33. V gl. Test. Mercedes 200 D/220 D, 24-27, 49. Für einen früheren Verweis auf die Start­ prozedur vgl. Mercedes-Benz 2001220 Diesel, 10-17. Obwohl es später bereits Diesel­ modelle gab, die über einen Zündschlüssel gestartet werden konnten, verwendete Mer­ cedes diese umständliche Variante weiterhin. Auto Motor und Sport mutmaßte daher, dass wirtschaftliche Gründe hierfür verantwortlich gewesen seien, da ansonsten die Produktion hätte umgestellt werden müssen. V gl. Eicker, Ölheizung, 90. Im Opel Re­ kord Diesel konnte auf diese Prozedur verzichtet werden, da das Vorglühen, Anlassen und Abstellen über den Zündschlüssel möglich war. V gl. Freund, Ölschleich, 58; Freund, Rekord Diesel, 64; Männer, Adam, 22; Opel Rekord Diesel, 68. Jüngst verwies Kurt Möser darauf, dass bisher in historischen Arbeiten zum Automobil das Wagenin­ nere oftmals ausgeklammert worden sei, obwohl es eigentlich eine zentrale Rolle ein­ nehmen müsse. Vgl. Möser, Geschichte, 309-312; Möser, Driver, 61-80.

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Direkt nach dem Anlassen erzeugte der Dieselmotor " a clatter that would raise the dead."s9 Dieses typische, laute Kaltstartnageln empfanden Autofah­ rer und Passanten gleichermaßen als unangenehm. Außerdem war die in die­ sem Betriebszustand dieseltypische Weiß-Blau-Rauchphase problematisch. Sie wurde durch die unvollständige Verbrennung von den im Dieselkraftstoff enthaltenen schwersiedenden Kohlenwasserstoffen hervorgerufen und galt als ästhetisches Problem, insbesondere wenn der Wagen in Garagen oder ne­ ben Passanten auf der Straße gestartet wurde. Immerhin fiel das Laufgeräusch des Motors merklich ab, wenn er den warmen Betriebszustand erreichte.60 Das nun hörbare, brummende Motorengeräusch beschrieben die Fahrer als ein Charakteristikum des Dieselwagens, ohne dass sich der typische Diesel­ fahrer in seinem Auto gar nicht wohlfühle 61 Hierzu muss kritisch angemerkt werden, dass die Wahrnehmung des Dieselgeräusches stark von der jewei­ ligen Person wie auch vom Betriebszustand des Motors abhing. Das Moto­ rengeräusch war ins Wageninnere gut abgedämmt, nach außen aber - gerade beim vorhin beschriebenen Kaltstart sowie im Leerlauf - deutlich hörbar. Passanten, andere Verkehrsteilnehmer und Anwohner fühlten sich davon be­ lästigt. In den USA zog ein an einer Ampel wartender Diesel durchaus arg­ wöhnische Blicke der Passanten auf sich, wenn sie vor dem Fahrzeug die Straße überquerten 62 Somit erschien der Diesel insbesondere im Stadtver­ kehr, wo er eigentlich mit den größten Verbrauchsvorteilen aufwarten konnte, als wenig angebracht. Neben dem Schallpegel beeinflusst auch das Frequenzspektrum die Wahrnehmung eines Geräusches. Demnach nehmen Menschen dumpfe und tiefe Töne weniger unangenehm wahr als schrille und hohe Töne 63 Nach außen entsprach das Verbrennungsgeräusch der Diesel eben letzterer Katego­ rie (klirr- und obertonreich). Ins Wageninnere drang aufgrund der aufwendi­ gen Dämmmaterialien dagegen nur ein tiefes, beruhigend wirkendes Brum­ men. Das erklärt, wieso Passanten, zusätzlich zum an sich lauteren Motoren-

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61 62 63

Mercedes-Benz Diesel, 60. Vgl. EiseIe, Daimler-Benz-Dieselmotoren, 7ff.; Winsen/Conrad, Mercedes-Benz, 101. Weißrauchemissionen bestehen aus kondensierten Wassertropfen mit einer geringen Menge an Aldehyden und treten vor allem bei niedrigen Außentemperaturen während der Kaltstartphase auf. Sobald der Motor warmgelaufen ist, verschwindet diese Art von Rauch. Blaurauch wird hingegen von kondensierten Kraftstofftropfen hervorgerufen. Dies ist als Folge einer unvollständigen Verbrennung ebenfalls vor allem während der Warrnlaufphase zu beobachten. Als dritte Art von Rauchemissionen besteht Schwarz­ rauch aus Rußpartikeln im Abgas. Hierfür gibt es mehrere Gründe, dazu gehören u.a. Kraftstoffzusammensetzung, Spritzbeginn, Spritzende und Zündverzug. V gl. Berg, Aufwand, 33. V gl. Die Kraft und die Sparsamkeit, 36ff.; Die wohlkalkulierte Perfektion, 29. Vgl. Mercedes-Benz Diesel, 60, 62. Für eine tiefergehende Analyse der Akustik und des menschlichen Gehörs vgl. Cremerl Möser,Akustik; Leichsenring,Akustik; Maute, Akustik.

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geräusch, die Dieselautos als weitaus unangenehmer empfanden als die Wa­ gemnsassen. Zudem hing das Geräuschempfinden von der subjektiven Wahrnehmung der jeweiligen Fahrer ab. So äußerte sich der Journalist Korp im Sommer 1968 in der ADAC Motorwelt weitaus kritischer als Auto Motor und Sport und bemängelte das lautstarke Nageln im Leerlauf sowie die am Gaspedal spürbaren Vibrationen des Motors 64 Da die individuellen Beurteilungen zu den Geräuschimmissionen voneinander abweichen können, messen die Auto­ mobilzeitschriften die Lautstärke der Wageninnengeräusche in dBA bei kon­ stanten Geschwindigkeiten. Die Messergebnisse dienen den Journalisten wie den Konsumenten zur objektiven Validierung des Geräuschpegels. Sie sind die Bewertungsgrundlage, ob ein Wagen als laut oder leise einzustufen ist. Würden nun die Beurteilungskriterien, die der Allgemeine Deutsche Auto­ mobil-Club 1974 bei seinen Geräuschmessungen verwendete, als Richtlinie genommen, dann fielen die beiden Dieselmodelle 200 D und 220 D ihren In­ sassen nicht als überdurchschnittlich laut auf, schließlich waren viele Klein­ wagen weitaus schlechter gedämmt 65 Automobilzeitschriften führen die Lärmpegelmessungen bei konstanten Geschwindigkeiten durch und kommunizieren infolgedessen die Informatio­ nen in trivialisierter Form. Somit bleibt verborgen, wie sich das Motorenge­ räusch während der Fahrt beim Beschleunigen und beim Abbremsen verän­ dert. Gleichwohl ziehen Automobiljournalisten und die Leser der Automobil­ zeitschriften die Informationen heran, um normative Aussagen darüber zu machen, ob ein Auto "laut" oder "leise" ist. Die trivialisierten Informationen dienen zur Rechtfertigung einer Beurteilung, wohl wissend, dass so die Rea­ lität nur vereinfacht abgebildet wird. Das kann zur Folge haben, dass sich ein Wagen, der bei konstanter Geschwindigkeit als "leise" erschien, im alltäg­ lichen Fahrbetrieb durchaus als "laut" herausstellte. In diesem Fall kann der Halter auf die Geräuschpegelmessungen der Automobilzeitschriften verwei­ sen. Nach denen hat er bei seiner Kaufentscheidung nicht "falsch" entschie­ den, sondern es waren lediglich "widrige äußere Umstände" für diese Ent­ wicklung verantwortlich. Damit wirken die trivialisierten Messungen als ent­ scheidungsentlastend für den jeweiligen Akteur. Um solche Diskrepanzen zu vermeiden, analysierten Ingenieure die Ver­ änderung des Motorengeräusches beim Beschleunigen und Abbremsen. Ihre Messungen ergaben keinen signifikanten Unterschied bei den beiden Model­ len 220 D und 220 66 Gleichzeitig muss allerdings berücksichtigt werden, 64 65 66

V gl. Korp, Burg, 62. V gl. Lotz, Kleinste, 4-9. Beim Mercedes-Benz 220 D und 220 lag das Außengeräusch des Diesels in unter­ schiedlichen Betriebszuständen im Mittel zwischen zwei und sechs dBA über dem Ge­ räuschpegel des Ottomotors und beim Innengeräusch im mittleren Drehzahlbereich um drei bis fünf dBA. V gl. RixmannlHailer, Berichte, 339.

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dass der Dieselmotor beim Beschleunigen oft im Drehzahlbereich zwischen 2.200 und 3.500 U/min betrieben wurde und er eben hier eindeutig lauter war als der Ottomotor. Außerdem ist zu beachten, dass ein Unterschied von sechs bis zehn dBA einer Verdoppelung bzw. Halbierung der Lautstärkewahrneh­ mung entspricht; bei markanten und plötzlichen Geräuschen soll dabei der untere Wert herangezogen werden. Änderungen von sechs dBA sind somit für Menschen eindeutig wahrnehmbar67, weshalb der Mercedes 220 D 1973 durchaus lauter wahrgenommen wurde als das Modell 220. Eben dieser Sach­ verhalt blieb bei den Messungen der Publikumszeitschriften in den USA und in Deutschland unberücksichtigt und damit den potenziellen Autokäufern verborgen. Neben der zeitaufwendigen und komplizierten Startprozedur mussten sich die Besitzer eines Mercedes-Benz Diesel noch mit einigen anderen Be­ sonderheiten im Unterschied zum Benzin-Pkw arrangieren, wie die alle 5.000 km anfallenden Ölwechsel. Der Hersteller Daimler-Benz empfahl dieses Wechselintervall, weil der im Dieselkraftstoff enthaltene Schwefel die Schmierfahigkeit des Öls reduzierte. Beim Peugeot 504 D lag das Intervall sogar bei nur 2.500 km. Damit musste mit einem Diesel wesentlich häufiger eine Werkstatt aufgesucht werden als mit einem Benzin-Pkw, bei dem alle 10.000 km das Öl gewechselt werden sollte 68 In den USA nannten 1971 die Fahrer eines Mercedes-Benz 220 D weitere Eigenarten, die sie zwar nicht notwendigerweise als negativ empfanden, dafür in jedem Fall als gewöh­ nungsbedürftig einstuften. Sobald nach dem Beschleunigen die gewünschte Geschwindigkeit erreicht und der Fuß vom Gaspedal genommen wurde, zeigte sich der amerikanische Testfahrer überrascht und beschrieb den Effekt wie folgt: "the engine seems to fall on its face in settling down to the steady speed - so much that the car actually nosedives a little ...69 Beim Drücken der Kupplung meinten die Fahrer zudem, der Motor sterbe gleich ab, weil er plötzlich leicht zu stottern begann. Das war aber nicht der Fall, denn erst durch das ungewohnte Drücken des Startknopfs konnte der Motor abgestellt werden 70 Im Unterschied zu den laufruhigen und leistungsstarken amerika­ nischen Limousinen galt der Mercedes-Benz 220 D letztlich als die schlech­ tere Wah[7! und eine weitere Verbreitung von Dieselautos in den USA um 1970 wurde daher als unwahrscheinlich eingeschätzt.

67 68

69 70 71

Vgl. Maute, Akustik, 59. Vgl. Die wohlkalkulierte Perfektion, 29; Mercedes, 25; Mercedes 200 D. Dauertest 20.000 km, 18-21; Welche Chancen hat der Diesel-Personenwagen heute, 33. Das In­ tervall von 5.000 km blieb auch noch beim Mercedes-Benz 240 D von 1973 bestehen. Vgl. Eicker, Ölheizung, 88. Mercedes-Benz Diesel, 62. Vgl. ebd. Vgl. Walters, Diesel, A27.

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2. Das Dieselauto als automobiles Randprodukt, 1949-1973/74

Der Dieselfahrer als spezieller Autofahrertyp In der ersten Hälfte der 1 970er Jahre dominierte Mercedes-Benz den Diesel­ markt in Deutschland mit einem Anteil von über 90 Prozent bei allen ver­ kauften Dieselautos n Gemessen an allen Pkw-Neuzulassungen von 1970 bis 1974 erreichten die Diesel einen Anteil zwischen 2,8 Prozent und 4,7 Pro­ zent. Das war vergleichsweise niedrig73, doch im Marktsegment der gehobe­ nen Mittelklassewagen waren die Dieselautos - aufgrund der zahlreichen Mercedes Diesel - überproportional vertreten. 1975 wurden ungefahr 400.000 Wagen mit einem Kaufpreis über 1 5.000 DM neu zugelassen, davon entfielen 87.000 Einheiten auf die Diesel-Pkw. Das entsprach einem Dieselanteil von beinahe 22 Prozent. Wiederum knapp mehr als 86.000 Stück davon kamen von Daimler-Benz 74 Somit war der Diesel-Pkw zumindest in der oberen Mittelklasse etabliert. Genaue Zulassungs- bzw. Verkaufszahlen für die USA liegen für diesen Zeitraum nicht vor. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass der Diesel­ anteil marginal war, d.h. unter einem Prozent lag. Hier wurden die Mercedes­ Benz Diesel 1971 als eine "cultural oddity"75 Europas angesehen. Die in Eu­ ropa übliche hohe Mineralölsteuer, so wurde den amerikanischen Lesern er­ klärt, mache den Diesel-Pkw dort für Taxiunternehmen notwendig, um über­ haupt Profit erwirtschaften zu können 76 Die mit dem Ruf, "etwas behäbig und laut, aber auch [ . . . ] zuverlässig, sparsam und wertbeständig"77 zu sein, behafteten Mercedes Diesel vermittel­ ten durch ihre Allgegenwärtigkeit als Taxen in deutschen Großstädten den Eindruck, dass das Fahren eines Diesels auf diese Gruppe beschränkt blieb. In den USA konnten sich Dieselautos dagegen als Taxen nicht etablieren, da sie in der Anschaffung zu teuer waren und die Dieselmotoren nicht die ge­ wünschte Leistung lieferten 78 Neben deutschen Taxiunternehmen wählten Landwirte einen Diesel, weil sie - so warf man ihnen vor - auf ihren Bauern­ höfen illegal Traktorkraftstoff tanken könnten. Andere Dieselfahrer wiede­ rum verwendeten, was ebenfalls verboten war, Heizöl als Kraftstoff für ihren Wagen. Dieselbesitzer konnten infolgedessen durchaus abwertend als "Heiz­ ölfahrer" oder als "Bauerndiesel" bezeichnet werden 79 Wenn eine Beur­ teilung aus der Retrospektive herangezogen wird, dann galten Dieselautos 72

73 74 75 76 77 78 79

Vgl. Eigene Berechnungen aus: Kraftfahrt-Bundesamt, Mitteilungen (1995), 36; Ver­ band der Automobilindustrie, Tatsachen und Zahlen (1975), 192; Verband der Automo­ bilindustrie, Tatsachen und Zahlen (1976), 197. Vgl. Kraftfahrt-Bundesamt, Mitteilungen (1995), 36. Vgl. Müller, Kennzeichen D (1976), 12. Mercedes-Benz Diesel, 59. Vgl. ebd. Kaiser, Bosch, 63. Vgl. Mercedes-Benz Diesel, 62. Vgl. Die Kraft und die Sparsamkeit, 33ff., 38.

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neben dem Taxibetrieb als ideale Autos für "car users with high mileage (travelling salesmen and trades-people, company cars for official use, and so on), and in some countries, drivers with access to untaxed diesel fuel."so So­ bald die Aussagen mit den Verkaufszahlen der Mercedes-Benz Modelle 200 D und 220 D verglichen werden, fallt jedoch auf, dass 1972 mehr als die Hälfte aller verkauften Diesel von einer bisher nicht erwähnten Gruppe von Dieselfahrern, den Privatpersonen, gekauft worden war 81 Privatleute stiegen durch den Kauf eines Mercedes-Benz Diesel in den "Stern-Club"s2 auf, wie es die Deutsche Autozeitung 1970 kritisch anmerkte. Demnach wog für sie das Statussymbol Mercedes-Benz die Unannehmlich­ keiten auf, welche das Fahren eines Diesels mit sich brachte. Nach Bezahlen eines einmalig höheren Anschaffungspreises konnten die Diesel auf dem Un­ terhaltsniveau eines Mittelklassewagens betrieben werden. Dadurch wurden die Mercedes-Benz Diesel gewissermaßen zur "Sparbüchse des Besitzbür­ gers" 83 Privatleute entschieden sich in Deutschland für einen Diesel, nicht weil es ein Diesel war, sondern sie kauften vielmehr einen prestigeträchtigen Mercedes-Benz, der aufgrund seines sparsamen, langlebigen Dieselmotors vergleichsweise kostengünstig und über einen langen Zeitraum betrieben werden konnte. Gleichzeitig erschienen die Diesel von Peugeot und Opel als unattraktiv, weil sie eben nicht als Prestigeobjekt und somit als Faktor sozia­ ler Distinktion fungierten 84 Letztlich begeisterten die Diesel die Mehrzahl der deutschen Autofahrer in der Summe ihrer Eigenschaften jedoch nicht. Lediglich eine kleine Gruppe von Autofahrern war aber zumindest von den Mercedes Dieselautos über­ zeugt. Sie schätzten die Trias der Langlebigkeit, Zuverlässigkeit und Spar­ samkeit sowie das Markenimage von Mercedes-Benz. Zu dieser Gruppe ge­ hörten neben Taxifahrern und Bauern auch männliche Privatleute, die sich nur über den günstigeren Dieselmotor einen prestigeträchtigen Mercedes­ Benz leisten konnten. Zumindest in einem kleinen Marktsegment hatten sich Dieselautos etabliert. Für die Masse der Verkehrsteilnehmer galten die Diesel aber auch hier als rußende, stinkende und lahme Verkehrsteilnehmer, welche den Verkehrsfluss störten. Wenn die USA mit Deutschland verglichen werden, dann ist offensicht­ lich, dass die Diesel bis 1973 dort nach Darstellung der Automobilzeitschrif­ ten keine Daseinsberechtigung besaßen. 1971 riet die Zeitschrift Road & Track mit ihrem Fazit zum Mercedes-Benz 220 D unmissverständlich vom 80 81

82 83 84

Schipper u.a., Diesels, 309. Vgl. Ogger, Marketing-Konzeption, 69-72. Welcher Anteil bei den im Jahr 1972 ver­ kauften Mercedes Dieselwagen auf die Taxen entfiel, ist aus der in Auto Motor und Sport abgedruckten Tabelle nicht ersichtlich. Doppelkopf, 20. Test. Mercedes 200 D/220 D, 24. Vgl. Bourdieu, Unterschiede, 355-362.

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Kauf ab: "So we wish it off on the cab drivers. Not a one [sie !] of the R&T staff would want the diesel, and it seems to us that no American who can af­ ford a $ 5700 car needs fuel economy badly enough to put up with the diesel's shortcomings. "85 Dessen ungeachtet kaufte in den USA eine kleine Gruppe gut situierter männlicher Privatleute den Mercedes 220 D. Die Zeitschrift selbst identifi­ zierte Handlungsreisende und Rentner, die sich für einen Diesel wegen der ihnen zugeschriebenen Attribute wie Sparsamkeit, Wartungsfreundlichkeit und Langlebigkeit entschieden. Ehemalige Lastwagenfahrer (truck drivers) erwarben wiederum Dieselautos, weil sie in ihrem Beruf den Dieselmotor schätzen gelernt hatten 86 Nach Meinung von sowohl ADAC Motorwelt als auch Auto Motor und Sport gehörte zum Fahren eines Dieselautos egal welchen Herstellers stets auch immer "ein gutes Stück Philosophie" 87 Gemäß den Ausführungen des ADAC empfanden einige Männer das im Hintergrund brummende Motoren­ geräusch eines Diesels als "Urmelodie von Kraft und Zuverlässigkeit"88, das nebenbei auch noch beruhigend auf das Gemüt einwirkte. Zudem vermittelte ein Dieselmotor nach Studien von Psychologen ein größeres Gefühl an passi­ ver Sicherheit, da man sich "geborgen wie hinter einem Wikingerschild"89 fühle. Auch wenn Diesel-Pkw noch nicht die Männlichkeitswünsche von Leistung und Geschwindigkeit befriedigen konnten, galt ihr Laufgeräusch als Symbol für Ausdauer und Verlässlichkeit. Überdies bedienten sie den Wunsch nach Sicherheit weitaus stärker als ein konventioneller Pkw mit Ottomotor. Für andere, wie den Automobiljournalisten Korp, sollte dagegen eine weitere Verbreitung von Dieselautos unter allen Umständen vermieden werden.90

Wahrnehmung und Regulierung der Abgasemissionen Lange vor dem Clean Air Act von 1970 setzte in den USA eine öffentliche Debatte über die Abgasemissionen der Autos ein 91 Der photochemische Smog92 wurde zum Beispiel bereits 1 943 im kalifornischen Los Angeles als 85 86 87 88 89 90 91 92

Mercedes-Benz Diesel, 62. Eine ähnliche Einstufung findet sich bei McCall, Dr. Diesel, 46-49; ShumanIWyss, Survivors, 48-52. Vgl. Mercedes-Benz Diesel, 59. Volkswirtschaft, 53. Ähnlich formuliert findet sich das bei der Vorstellung des Opel Rekord in der ADAC Motorwelt. Vgl. Opel Rekord Diesel, 68. Opel Rekord Diesel, 68. Ebd. Vgl. Korp, Diesel-Zukunft, 12-18. Vgl. KrierfUrsin, Pollution, 2. Oft wird dieses Gesetz auch als Clean Air Act Amend­ ments bzw. Clean Air Ac! Extension von 1970 bezeichnet. Die Bezeichnung "Smog" leitet sich von smoke und/og ab. In Los Angeles zeigte sich das an einer grau-braunen Dunstglocke über der Stadt. Erst später erkannte man, dass es

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gesundheitliche Bedrohung angesehen, da er Krankheitssymptome hervor­ rief, wie tränende Augen und Reizung der Atemwege. Problematisch war ge­ rade der 670-prozentige Anstieg der Stickoxidemissionen zwischen 1 946 und 1967. Neben der Expansion des Kraftverkehrsaufkommens galt eine allge­ meine Erhöhung des Verdichtungsverhältnisses im Ottomotor als weitere wichtige Ursache für diese Entwicklung. Weiterhin trug der enorme Leis­ tungszuwachs der angebotenen Motoren zu dem Trend bei 93 Umgerechnet auf die Gesamtemissionen waren in den USA während der 1 970er Jahre Au­ tos und Lastwagen für 75 Prozent der CO-Emissionen, 35 Prozent der HC­ Emissionen und 29 Prozent der NO -Emissionen verantwortlich 94 Der An­ x teil der Automobilabgase an der Luftverschmutzung muss daher als sehr hoch eingestuft werden. Nach den ersten Regulierungen in Kalifornien während der 1960er Jahre95 folgte eine drastische Reduktion der Autoabgase auf nationaler Ebene mit dem Clean Air Act, der eine Reduzierung der HC-, CO- und NO -Emissi­ x onen vorschrieb. Die offiziellen Abgasgrenzwerte dienten den Nutzern als Richtwerte und erlaubten ihnen, normative Aussagen zu treffen, welcher Schadstoffausstoß als "sauber" bzw. "umweltfreundlich" zu gelten habe. Der Clean Air Act stellt insofern einen markanten Wendepunkt in der US-Umweltschutzgesetzgebung dar, als der Gesetzgeber beabsichtigte, tech­ nologischen Fortschritt zu erzwingen. Es war eben nicht Ziel, lediglich An­ reize für umweltfreundliches Verbraucherverhalten zu liefern96, sondern eine bewusste Politik des technology jorcing durchzusetzen. In Europa hingegen wurden die Grenzwerte basierend auf dem jeweiligen Stand der Technik defi­ niert 97 Schon 1973 allerdings gewährte die mit der Durchsetzung dieses US­ Gesetzes betraute Environmental Proteetion Agency (EPA) der Automobilin­ dustrie einen Aufschub und rückte damit wieder von dem Grundsatz des technology jorcing und einem von gesundheitlichen Erwägungen geprägten Denken ab. Nun bestimmten technologisches Machbarkeitsdenken und öko­ nomische Gründe das Handeln der Politiker 98 Das Abweichen vom techno-

93

94 95 96 97

98

sich hier jedoch um eine völlig andere chemische Reaktion handelte. Vgl. Volti, Cars, 119; McNeill, BIue Planet, 85ff. Vgl. Klenke, Zeitalter, 271. Nach allgemeinen Erkenntnissen führen höhere Brenn­ raumdrücke neben hohen Brennraumspitzentemperaturen zu einem Ansteigen der NOxEmissionen. Vgl. Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik, 236, 310. Vgl. Volti, Cars, 120. Vgl. Uekötter, Rauchplage, 357. Vgl. Klenke, Zeitalter, 274. Vgl. McCarthy, Auto Mania, 173; Möser, Geschichte, 278; Petersen, Autoabgase, 377. Für eine detaillierte Gegenüberstellung der jeweiligen Herangehensweise vgl. Heatonl Maxwell, Patterns, 15-40. Einen knappen Überblick über die "Luftreinhaltepolitik" in den USA, Deutschland und der Schweiz findet sich bei Haefeli, Luftreinhaltepolitik, 171-191. Vgl. Bauer, Innovationen, 223f.; Elsom, Pollution, 166; Flink, Car Culture, 223f. Für

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logy jorcing kann auch dadurch erklärt werden, dass nach 1970 das Interesse an der Umweltpolitik abflaute und zusehends andere Themen, die vom Wa­ tergate Skandal über die Ölkrise bis hin zur Steuerpolitik reichten, die öffent­ liche Debatte in den USA dominierten. 99 Tab. 1: US-Grenzwerte für Personenwagen mit Otto- und Dieselmotor, Modelljahre 1970-1976100 Schadstoffe in Gramm pro Meile

1970-71 1972

1 1973-74 1975-76

Ottomotor

Kohlenwasserstoff

2,2

3,4

1,5

Kohlenmonoxid

23

39

15

1

Stickoxide Diesebnotor

3,0

3,1

Kohlenwasserstoff

1,5

Kohlenmonoxid

15

Stickoxide

3,1

Testverfahren

CVS-72

CVS-75

Quelle: DavislDiegel, Transportation Energy Data Book (2004), 12-16. einen knappen Überblick über die US-Gesetzgebung zur Luftverscbmutzung von 1963 bis 1970 vgl. Blaine, Impact, 97-106. Zum Aufschub der Abgasemissionen in den 1970er Jahren und den Clear Act Amendments von 1977 vgl. Elsom, Pollution, 170f.; HeatonIMaxwell, Patterns, 15-40. Eine kurze Einführung in die Folgen des Clean Air Act für die US-Automobilindustrie findet man bei Kaiser, Clean Air Act, 31-43. Die Sichtweise der EPA und Anhaltspunkte zum technology jorcing findet man u.a. in San­ som, Reducing Auto Emissions, 37ff. Den Clean Air Act behandeln ebenfalls Ginsburg, Making, 10-34; John u.a., Fuel Economy Standards, 1 1 8-143. 99 Vgl. Elsom, Pollution, 163f. Zwischen 1968 und 1975 wurden die HC- und CO-Emissi­ onen der Pkw um circa 80 Prozent reduziert, wohingegen der NOx-Ausstoß im gleichen Zeitraum nur um gut neun Prozent gesenkt werden konnte. Erst in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre fielen auch die Stickoxidemissionen um ca. 76 Prozent ab. V gl. ebd., 172. 100 Zum Testverfahren: Ab dem Modelljahr 1972 galt mit der Constant-Volume-Sampler­ Cold-Start-Methode (CVS-CICVS-72) ein neues Verfahren, welches eine genauere Be­ stimmung der emittierten Abgase zuließ. Zudem fand ein weiterentwickelter geschlos­ sener Fahrzyklus Verwendung. Die so ermittelten Emissionen fielen höher aus, als die nach der alten Methode bestirumten. V gl. Berg, Aufwand, 132ff.; DavislDiegel, Trans­ portation Energy Data Book (2004), 12-16. Ferner galt ab dem Modelljahr 1973 eben­ falls ein Grenzwert für Stickoxide. Ein noclunals überarbeitetes Testverfahren folgte 1975 mit der CVS-CH- (ColdIHot Start) bzw. CVS-75-Methode, welches von nun an auch bei den Dieselfahrzeugen angewandt wurde, die dadurch erstmals Grenzwerte zu­ gewiesen bekamen. V gl. Berg, Aufwand, 134-137; Simanaitis, Emission Test Cyc1es, 34-43.

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Als die Schadstoffemissionen vonseiten des Gesetzgebers in den USA regu­ liert wurden, hatte das zunächst Auswirkungen auf die Hersteller, die die Vor­ gaben erfüllen mussten. Gleichzeitig änderte sich aber auch der öffentliche Diskurs, der sich verstärkt um die Schadstoffe Kohlenwasserstoffe, Kohlen­ monoxid, Stickoxide und Blei drehte. Die Zusammenhänge stellten die Zeit­ schriften und Zeitungen vereinfacht dar, um dem Lesepublikum die komple­ xen chemischen und medizinischen Sachverhalte zu erklären. Anfang der 1 970er Jahre setzten sich die deutschen Automobilzeitschrif­ ten ebenfalls mit der Luftverschmutzung auseinander. In Auto Motor und Sport wurde wie in der ADAC Motorwelt die Zusammensetzung der Luft und die einzelnen Schadstoffe diskutiert. Nach Einschätzung des ADAC gab es 1971 noch keine gesundheitsschädigenden Folgen für den Menschen durch die Automobilabgase; die zulässigen maximalen Werte in der Atmosphäre seien jedoch erreicht. Der Automobilclub argumentierte weiter, es müsse rasch gehandelt werden, damit die Schadstoffkonzentration nicht weiter an­ steige.IOI Zu einem ähnlichen Fazit kam die Zeitschrift Auto Motor und Sport. Zugleich wurde für das Auto entlastend betont, dass Dimensionen der Luft­ verschmutzung, wie man sie in Kalifornien und London beobachten könne102, nicht erreicht seien. Zudem herrschte bei den deutschen Experten Uneinig­ keit über den Anteil des Kraftverkehrs an der Luftverschmutzung. So ging der Direktor des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) Esser von einem Anteil der Automobile an der Luftverschmutzung von 20 Prozent gegenüber 45 Pro­ zent für Haushalte und 35 Prozent für die Industrie aus. Das Bundesgesund­ heitsministerium veranschlagte demgegenüber den Anteil des Verkehrs auf 42 Prozent und den der beiden anderen Primärquellen Industrie und Haus­ halte auf 35 bzw. 20 Prozent 103 Wichen die einzelnen Schätzungen auch voneinander ab, war man sich letztlich einig, dass sich in Deutschland der Verkehr nicht in gleicher Weise für die Luftverschmutzung verantwortlich zeichnete wie in den USA. Auf der anderen Seite des Atlantiks war es dagegen - ganz im Gegensatz zu Deutsch­ land - wenig umstritten, dass der Kraftverkehr für einen Großteil der Schad­ stoffe in der Luft verantwortlich war. Bei einer Analyse des öffentlichen Diskurses in Deutschland fillt auf, dass die VielHiltigkeit der Abgasquellen, wie Steinkohlekraftwerke, Zement­ fabriken, chemische Anlagen, Haushalte und Kraftfahrzeuge, hervorgehoben

101 V gl. Wie löst man das Abgasproblem, 54-62. Was der ADAC unter dem zulässigen maximalen Werten verstand, blieb gleichwohl im Artikel ausgespart. Eine Auflistung der Schadstoffe für die Leser findet sich ebenfalls bei Abgasstichworte, 49; Breuer, Luftreinheit, 35-41; Fersen, Abgasentgiftung, 3, 14. 102 Vermutlich nahm der Artikel Bezug auf die Situation in London und Kalifomien res­ pektive Los Angeles, weil beide Städte für ihre Luftverschmutzung bekannt waren. Vgl. McNeill, BIue Planet, 80ff., 85-88. 103 Vgl. Schmutzige Luft, 52f., 7 1 .

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und das Auto nicht als singulärer Faktor angeführt wurde. Ferner wurden die politischen Initiativen zur Reduzierung der Autoabgase damit begründet, dass es viel leichter sei, Autos als Haushalte und Industrieanlagen zu über­ prüfen 104 Auto Motor und Sport bemängelte außerdem, dass die schlecht einge­ stellten, rauchenden und rußenden Dieselmotoren in Lastkraftwagen und sta­ tionären Quellen unberücksichtigt blieben. Gerade der von ihnen an die Um­ welt abgegebene Dieselruß gelte aber als "Träger giftiger und krebsfördern­ der Stoffe" .105 Interessanterweise wurde hierbei das Dieselauto ausgeklam­ mert und schon implizit zwischen dem "sauberen" Diesel-Pkw und dem "schmutzigen" Diesel-Lkw unterschieden. Eine Stigmatisierung des Diesel­ personenwagens als krebserregend, wie man sie in Artikeln von Dieter Korp fand, muss somit eher als Randerscheinung im öffentlichen Diskurs angese­ hen werden. Korp klassifizierte in seinen Beiträgen einerseits die Rußemissi­ onen als Sichtbehinderung und andererseits als ein Gesundheitsrisiko, weil in den Wolken "krebsfördernde Teilchen"106, wie Benzpyren, enthalten waren. Zugleich betonte er, dass die schwarzen Rußwolken - im Gegensatz zu den farblosen Kohlenwasserstoff- und Kohlenmonoxidemissionen - für jeder­ mann sichtbar waren. Schon beim Starten, so der geläufige Vorwurf, falle der Rußausstoß äußerst negativ auf, weil der schwarze Rauch Garagen- und Hauswände sowie die Beine der Passanten beschmutze. Dieses Thema spielte allerdings im öffentlichen Diskurs bis 1976 nur eine marginale Rolle, zumal die Problematik der qualmenden, rußenden und stinkenden Abgase auf schlecht gewartete Dieselmotoren bzw. auf Lkw-Dieselmotoren abgewälzt und nicht auf das normale Dieselauto übertragen wurde 107 Zugleich betonten andere Autoren, wie Eugen Diesel 1955, dass "die Ab­ gase des Dieselmotors sehr viel weniger gesundheitsschädlich als die des Benzinmotors"IOS seien. Zur Bestätigung der These wurde der gegenüber vergleichbaren Ottomotoren geringere Kohlenmonoxidanteil und Kohlen­ wasserstoffanteil im Abgas herangezogen. Eine ähnliche Ansicht vertrat 1966 104 Vgl. ebd. Eine ähnliche Sichtweise vertraten weitere Automobiljournalisten. Sie woll­ ten das Automobil nicht als Umweltfeind Nr. 1 eingestuft sehen. Vgl. Frore, Logik, 98; Kommentar, 9; Seiffert, Projektion, 34f. Im Unterschied zur Situation in den USA besaß die Debatte um die Automobilabgase in Deutschland nicht die gleiche Virulenz. Dies wird mit der später einsetzenden Motorisierungswelle erklärt. V gl. Möser, Geschichte, 276; Klenke, Zeitalter, 279. 105 Schmutzige Luft, 7 1 . Die vom Benzpyren ausgehende Krebsgefahr war seit langem bekannt. V gl. Wilke, Schädigungen, 13-16. Dieselmotoren wurden ebenfalls schon früh auf die im Abgas enthaltenen krebserregenden Substanzen untersucht. Vgl. Marter­ stocklReuter, Untersuchung, 132ff. 106 Korp, Diesel-Zukunft, 18. Noch 1978 vertrat Korp eine ähnliche Meinung. Vgl. Korp, Schall, 268-27 1 . 107 Vgl. Korp, Diesel-Zukunft, 1 8 ; Korp, Burg, 62. 108 Diesel, Geschichte, 104.

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der damalige Bundestagsabgeordnete Wolfgang Pohle in einem Schreiben an den Bundesverkehrsminister Hans-Christoph Seebohm zur Mineralölbe­ steuerung, in welchem er betonte, dass das Abgasverhalten von Dieselmoto­ ren dem von Ottomotoren überlegen sei. Ein handschriftlicher Vermerk im Schreiben bezeichnet die Aussage ferner als richtig.109 Von amtlicher Seite galten die Abgase der Diesel-Pkw letztlich als um­ weltfreundlich, worauf auch eine Werbung von Mercedes-Benz aus dem Jahr 1971 hinwies llo Diese neue Sichtweise auf das Dieselauto ging von der Ent­ wicklung in den Vereinigten Staaten von Nordamerika aus, wo der Diesel von den Abgasregulierungen quasi per dejinitionem als umweltfreundlich klassifiziert worden war. Das hielt sich bis in die zweite Hälfte der 1 970er Jahre. So stufte Consumer Reports 1976 die Abgasemissionen der Dieselmo­ toren sauberer als die vergleichbarer Ottomotoren ein, da die damals gültigen Grenzwerte ohne Abgasnachbehandlung erreicht wurden.111 Dieser Sicht­ weise schloss sich der Historiker James Flink an, der auf die Umweltfreund­ lichkeit der Dieselabgase in seinen beiden Standardwerken The Car Culture und The Automobile Age aus den Jahren 1975 und 1988 jeweils kurz ein­ ging. 112 Wenn also die offiziellen Abgasgrenzwerte als Richtlinie herangezogen wurden, dann waren Dieselautos umweltfreundlich. Aufgrund ihrer im Pra­ xisbetrieb auftretenden schwarzen Wolken wurden sie diesem Ruf in der Re­ alität jedoch nicht gerecht. Die klar sichtbaren Abgaswolken ließen die Die­ selfahrzeuge in der subjektiven Bewertung der anderen Verkehrsteilnehmer als schmutzig erscheinen und damit eben nicht als umweltfreundlich. Für Dieselkäufer waren diese Einwände von untergeordneter Bedeutung. Sie zo­ gen die Einhaltung der offiziellen Grenzwerte als Rechtfertigung für ihre Kaufentscheidung heran. Das war es, was für sie zählte. Da der Diesel auf­ grund dieser Entwicklung als umweltfreundlich galt, kauften in den USA zu-

109 Vgl. Schreiben Wolfgang Pohle, Mitglied des Deutschen Bundestages an Bundesver­ kehrsminister Hans-Christoph Seebohm, Bonn, 20. Mai 1966, Bundesarchiv Koblenz B 10811002. 110 Vgl. Mercedes-Benz Werbung (1971), 30f. Andere Gründe, die laut der Anzeige für den Kauf eines Diesel-Pkw sprachen, waren die niedrigen Kraftstoffkosten, der günstige Wiederverkaufswert, die großen Sicherheitsreserven sowie das Raumangebot und der Komfort. Neben den Abgasernissionen war das Thema Sicherheit im Automobilbereich zur damaligen Zeit ebenfalls allgegenwärtig. Zur Entwicklung der Fahrzeugsicherheit empfehlen sich folgende Arbeiten: Möser, Geschichte, 257-27 1 ; NiemannlHermann (Hg.), Geschichte; WeImare, Redefining Risks, 377-405; Bergmann, Angeschnallt und los, 105f. 1 1 1 Vgl. The Diesel Engine. A Status Report, 575. Die Zeitschrift Road & Track schrieb 1971, ,,[eJmission laws have conferred a new distinction upon the diesel." Mercedes­ Benz Diesel, 60. 1 1 2 Vgl. Flink, Car Culture, 224; Flink, Automobile Age, 387.

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nächst Leute mit stark ausgeprägtem Umweltbewusstsein Dieselfahrzeuge. l13 Wichtig ist hierbei, dass die Dieselautos bis 1975 keiner Abgasregulierung unterlagen. Gleichwohl diente der regelmäßige Verweis auf die Abgasgrenz­ werte für Wagen mit Ottomotor, welche der Diesel ohne Modifikationen ein­ hielt, als Beleg für ihre Umweltfreundlichkeit. Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass in den USA bis in die späten 1 970er bzw. frühen 1980er Jahre und in Deutschland bis in die zweite Hälfte der 1 980er Jahre für die Dieselautos die Rationalitätsfiktion der Um­ weltfreundlichkeit galt, weil sie bei den regulierten Schadstoffen besser als vergleichbare Wagen mit Ottomotor abschnitten. Gesundheitliche Risiken der Rußemissionen wurden demgegenüber nicht oder kaum thematisiert. Zu­ dem schrieben sowohl die Automobilhersteller und die Zeitschriften diese Emissionen nicht allein den Diesel-Pkw zu, sondern vor allem den "rußen­ den" Lastkraftwagen. Die Ambivalenz der Einstufung diesbezüglich blieb im öffentlichen Diskurs dessen ungeachtet bestehen, da Dieselautos mit ihren schwarzen Abgaswolken für die anderen Verkehrsteilnehmer weiterhin nicht zu übersehen waren. Da es sich bei den Rußwolken nicht um einen regulier­ ten Schadstoff handelte, rückte diese Diskreditierung der Dieselabgase aller­ dings zusehends in den Hintergrund. Die Ölkrise 1973 als ökonomischer und gesellschaftlicher Schock Neben der öffentlichen Diskussion über die Abgasemissionen veränderte die Ölkrise 1973 als zweiter Faktor das gesellschaftliche Bewusstsein in den USA und der Bundesrepublik Deutschland. US-Bürger befürchteten eine Energieknappheit, weshalb sich rasch erste Anzeichen einer Panik breitmach­ ten 114 In beiden Ländern stiegen die Kraftstoffpreise wegen der Versorgungs­ krise an und vereinzelt kam es sogar zu Versorgungsengpässen mit Kraft­ stoff.ll5 Die damit verbundene ökonomische und gesellschaftliche Schock­ wirkung prägte die Automobilkultur in beiden Ländern. Mittlerweile ist allgemein bekannt, dass es damals zu keiner Krise wegen einer tatsächlichen Ölknappheit kam, sondern die Vervierfachung des Ölprei­ ses sowie eine Lieferunterbrechung an die Niederlande und die Vereinigten Staaten bzw. eine Lieferreduzierung an westliche Nationen den eigentlichen Kern des Problems darstellten 116 Eine kommunikationswissenschaftliche Analyse der Vorgänge im Winter 1 973174 zeigt auf, dass die deutsche Presse 1 1 3 Vgl. Peugeot 504 Diesel Automatique, 52. 114 Vgl. Yergin, Prize, 618. 115 Vgl. Flink, Car Culture, 226ff.; Flink, Automobile Age, 389; Hohensee, Ölpreisschock, 114. 116 Vgl. ebd., 249. Mit einem expliziten Bezug auf die Energiepolitik vgl. Hohensee/Sa­ lewski (Hg.), Energie. Hier sind insbesondere folgende Beiträge zu empfehlen: Cza­ kainski, Energiepolitik, 17-33; Hohensee, Erpressung, 153-176.

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die Versorgung mit Ölimporten als sehr prekär einstufte. Mit der negativen Bewertung in der Presse stieg die Befürchtung über einen Versorgungseng­ pass bei den Autobesitzern im November 1973 stark an und fiel in den Folge­ monaten wieder ab. Betrachtet man den Rohölabsatz zwischen Oktober 1973 und Februar 1974, so kam es im Oktober 1973 zu einer ungewöhnlich starken Nachfrage, was wiederum von Oktober bis November zu kurzen Liefer­ schwierigkeiten beim Kraftstoff für Tankstellen und Heizöl führte. Aufgrund der Engpässe und des zeitgleichen Rückgangs der Erdölvorräte nahm die Be­ völkerung dies letztlich als Versorgungskrise wahr. 1l7 Die Ölkrise sorgte auch in den USA für Angst und Unsicherheit, denn neben den steigenden Kraftstoffpreisen, wie der Preissprung für Normalben­ zin von durchschnittlich 38 Cent pro Gallone im Jahr 1972 auf 54 Cent gegen Ende der Krise, führte die Ölkrise zu langen Warteschlangen an den Tankstel­ len, die erst nach der Aufhebung des Embargos im März 1974 wieder ver­ schwanden. Die Energiekrise ereignete sich in den USA nach Einschätzung des Soziologen Rudi Volti, weil zum einen Kraftstoff nur bedingt an den Tankstellen verfügbar war und zum anderen die Konsumenten Hamsterkäufe tätigten, wodurch sich die Situation noch weiter verschärfte. Die gasoline li­ nes bzw. gas lines wurden zum Symbol des Ölembargos gegen die Vereinig­ ten Staaten und blieben im kollektiven Gedächtnis der Amerikaner haften. 118 Die landesweite Geschwindigkeitsbeschränkung von 55 mph in den USA ist ein weiteres Kind der Ölkrise. Die Kombination von Geschwindigkeitsbe­ schränkung, Preisanstieg und insbesondere von Versorgungsengpässen mit Kraftstoff ließ laut Aussage des Historikers Tom McCarthy eine allgemeine Furcht über die eigene unsichere Zukunft aufkommen 119 Die Krise beeinflusste Automobildesign und -konstruktion nachhaltig, schließlich wurde Energiesparen zum allgemeinen gesellschaftlichen Kre­ dO.120 Zu einer tatsächlichen Verbrauchsreduzierung kam es dagegen nicht; der Automobilabsatz stieg genauso wie die insgesamt gefahrenen Kilometer, was letztlich einen höheren Benzin- und Dieselkraftstoffverbrauch in den 1 970er Jahren nach sich zog.121 In den USA reagierte die Politik und setzte mit dem Energy Policy and Conservation Act von 1975122 den sogenannten 117 V gl. KepplingerlRoth, Kommunikation, 336-356. 1 1 8 Vgl. Flink, Car Culture, 230; Flink, Automobile Age, 389f.; Rubenstein, Making, 230; Volti, Century, 680f.; Volti, Cars, 124. Eine ähnliche Argumentation findet sich bei Nye, Consuming Power, 229; Yergin, Prize, 615ff. Rubenstein gibt für 1973 einen Jahres­ durchschnitt von 39 Cent pro Gallone an. Vgl. Rubenstein, Making, 230. 1 1 9 Vgl. McCarthy, Auto Mania, 209ff. 120 Vgl. Hohensee, Ölpreisschock, 229-235; König, Geschichte, 77. 121 Vgl. Hohensee, Ölpreisschock, 236-248. 122 Die EPA entschied 1973, den Jeep von AMC als Light Truck und nicht als Automobil zu werten. Das wirkte sich laut Keith Bradsher auf den später eingeführten Flottenver­ brauch aus. Das Department of Transportation übernahm die Definition der EPA, was als Auto und was als Light Truck zu gelten habe. Ferner fielen Light Trucks zunächst bis

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Flottenverbrauch (Corporate Average Fuel Economy; CAFE) fest. Der durch­ schnittliche von der EPA ermittelte Kraftstoffverbrauch, der 1974 bei den Pkw aus US-amerikanischer Produktion bei ca. 17,8 Liter/IOO km ( 1 3,2 mpg) lag, sollte in mehreren Schritten von ca. 13,1 Liter/IOO km ( 1 8 mpg) im Jahr 1978 allmählich auf ca. 8,6 Liter/IOO km (27,5 mpg) im Jahr 1985 gesenkt werden. Bei Verstößen gegen den Flottenverbrauch konnten die Automobil­ produzenten nach dem Gesetz mit fünf Dollar für jedes Zehntel einer Meile belangt werden. Der Betrag sollte dann mit der Summe der jeweiligen vom Hersteller produzierten Autos multipliziert werden. Eine weitere regulatori­ sche Maßnahme war die 1978 im Energy Tax Act festgelegte gas guzzler tax. Die Steuer musste von den Käufern als Aufpreis für Pkw, welche den Flotten­ verbrauch nicht einhielten, entrichtet werden. 123 Die von der EPA veröffentlichten Verbrauchswerte zielten von Anfang an nicht darauf, realistische Verbrauchszahlen zu liefern. So wurde Z.B. der Luftwiderstand beim Testverfahren auf dem Dynamometer nicht mit berück­ sichtigt. Es ging lediglich darum, ein leicht wiederholbares und nicht vom individuellen Fahrverhalten abhängiges Verfahren zu finden, um überhaupt einen Verbrauchsvergleich zwischen den einzelnen Automodellen zu ermög­ lichen 124 Eine Trivialisierung fand insofern statt, weil die standardisierten Testzyklen das individuelle Fahrverhalten nicht berücksichtigten. Ab dem Modelljahr 1975 verwendeten die Automobilhersteller in ihren Anzeigen ausschließlich die von der EPA ermittelten Werte. Das sollte zum einen einer inflationären Verwendung unterschiedlicher Verbrauchszahlen vorbeugen. Zum anderen - Consumer Reports nannte das als den eigentli­ chen Grund - schnitten die Fahrzeuge beim EPA-Testverfahren wesentlich besser ab als bei anderen Tests. Das bedeutete für die Konsumenten, dass die von der EPA veröffentlichten Zahlen lediglich als Orientierungshilfe dienen konnten, denn der tatsächliche Verbrauch fiel höher aus.125 zu einem zulässigen Gesamtgewicht bis 2.720 kg (6.000 Pfund) unter die Regulierung, später bis 3.855 kg (8.500 Pfund). Dadurch waren jedoch SUV der schweren Kategorie bis 4.535 kg (10.000 Pfund) ausgenommen. V gl. Bradsher, High and Mighty, 25-30. Hierunter fiel 2007 zum Beispiel ein Hummer H 2 mit 3.900 kg (8.600 Pfund). Vgl. wwW.gm.COffi. 123 Vgl. Bauer, Innovationen, 225f.; Flink, Automobile Age, 388-391 ; Goldberg, Effects, 1 ; Rubenstein, Making, 23lf.; Volti, Century, 68 1 ; Volti, Cars, 125; Ingrassia, Crash Course, 55. Für mehr Details zu den jeweiligen Regulierungen vgl. Flink, Automobile Age, 388-391 ; lohn u.a., Fuel Economy Standards, 1 1 8-143. Rubenstein gibt nicht wie Flink und Volti eine Strafe von 5 Dollar, sondern von 2 Dollar an. Zur Rezeption in Deutschland und der Berechnung des Flottenverbrauchs vgl. Auf Sparkurs, 70-77. An­ fangs zielte der Flottenverbrauch darauf ab, den Verbrauch zu Zeiten hoher Kraftstoff­ preise zu reduzieren. Erst später gewann er umweltpolitische Relevanz. Vgl. Goldberg, Effects, lf. 124 Vgl. EPA MPG Figures. Leserbrief, 126f. 125 Vgl. Gas Mileage, 219; Highway Driving Added to EPA Mileage Test, 3; Rowand, Ma­ kers, 1 .

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Mit der Ölkrise 1973 entwickelte sich in den USA ein niedrigerer Kraft­ stoffverbrauch für die Autofahrer zu einer äußerst relevanten Größe, nicht nur weil die Kraftstoffkosten gestiegen waren, sondern auch weil sich eben an den Tankstellen lange Warteschlangen bildeten. In Deutschland zeigte sich die Öffentlichkeit ebenso sensibilisiert für diese Themen. Auch dort waren die Preise für die Rohstoffe angestiegen und in den Medien wurde über die Endlichkeit der Ressourcen berichtet. Beides verstärkte den Wunsch der Konsumenten nach sparsameren Autos.

Die Suche nach alternativen Antriebsarten Durch die Veränderungen geriet der Ottomotor, der bis dahin ohne Frage das dominierende Antriebsaggregat im Pkw-Sektor gewesen war, unter Beschuss, und die Debatte über die verschiedenen Antriebsalternativen war heiß ent­ brannt. Im öffentlichen Diskurs gehandelt wurden von den Herstellern, der amerikanischen und der deutschen Regierung sowie den Medien insbeson­ dere die Technologien Wankel-, Diesel-, Stirling-, Dampf- und Elektromotor bzw. Gasturbine und Hybridlösungen aus einer Kombination von Elektro­ und Verbrennungsmotor. Als einzig kurzfristig umsetzbare Alternative ging jedoch nur der Dieselmotor hervor, da er die Abgasgrenzwerte zu erfüllen schien, Verbrauchseinsparungen versprach und bereits im Praxisbetrieb lief.126 Dem Ottomotor selbst gelang es dabei durchaus, seine Position zu behaupten. Das war möglich, da aussichtsreiche technologische Lösungen für das Abgasproblem zur Verfügung standen, wie die katalytische Abgas­ nachbehandlung. Da Katalysatoren jedoch nur mit bleifreiem Benzin funkti­ onierten, musste - bevor sie flächendeckend angeboten werden konnten - die Mineralölindustrie ihr Angebot an Kraftstoffen umstellen. Für den Diesel-Pkw galten solche Beschränkungen nicht. 1973 ging des­ halb der Präsident von Mercedes-Benz ofNorthAmerica, Karlfried Nordman, wegen der Benzinknappheit und der US-Umweltschutzgesetzgebung von ei126 Für die zeitgenössische Debatte vgl. Antriebe der Zukunft, 28-3 1 ; HeitllMenrad, Ziel­ konflikt, 89-98; Korp, Preis, 28-3 1 , 72-75; Reinschild, Reiner geht's nicht, 30; Stock­ mar, Motoren, 40-45. Mit dem Thema "gescheiterte Innovationen" beschäftigte sich eine Ausgabe von Social Studies 0/Science. Vgl. hier insbesondere Braun, Introduction, 213-230; Braun, Chrysler, 339-351. Eine jüngste Forschungsarbeit setzt sich mit dem Scheitern des Stirlingmotors auseinander. Vgl. Bauer, Innovationen, 194-288. Eine de­ taillierte Darstellung zum Thema Wankelmotor findet sich bei Knapp, WankeI; Popplow, Motor. Sicherlich gab es noch andere Phänomene wie die steigende Popularität von Kompaktwagen in den USA sowie die Unterbrechung des "Trading Up" Prinzips. Vgl. Bauer, Pkw-Bau, 22; Gartman, Auto Opium, 191. Für Gartman war das Interesse der US-Konsumenten an Kleinwagen nicht eine Folge von deren Wirtschaftlichkeit, SOli­ dem sie wollten durch den Kauf dieses Produkts schlicht "anders" sein. V gl. Gartman, Auto Opium, 19lff.

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nem steigenden Dieselabsatz aus 127 Der Dieselanteil bei Mercedes-Benz stieg in den USA tatsächlich von ca. 1 5 Prozent 1973 auf 25 Prozent 1974 128 Die Mercedes-Fahrer schwenkten also, noch bevor die Konzerne durch den Flottenverbrauch zum Kraftstoffsparen gezwungen wurden, auf die Diesel um. In Interviews bestätigten der Vorstand für Forschung und Entwicklung bei Daimler-Benz, Hans Scherenberg, sowie der damalige Vorstand des Be­ reichs Technik bei Audi NSU und Leiter des Bereichs Aggregate-Entwick­ lung im VW-Konzern, Ferdinand Piech, dass der Dieselmotor im Pkw zu­ künftig eine größere Rolle spielen werde 129 Der Chefkonstrukteur Scheren­ berg beurteilte die Zukunft der Dieselautos gerade wegen ihrer Wirtschaft­ lichkeit und der steigenden Bedeutung des Themas Umweltschutz als posi­ tiv.130 Sicherlich verband er mit beiden Faktoren etwas anderes als etwa die Autokäufer und die Politiker. Die Wirtschaftlichkeit bezog sich wohl primär auf den Herstellungsprozess, denn bei einem Diesel waren bekanntlich keine kostspieligen Katalysatoren notwendig, um die US-Abgasgrenzwerte einzu­ halten. Der Beitrag zum Umweltschutz konzentrierte sich auf die Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzwerte. 1973 dachte die Zeitschrift Road & Track um, gab ihre skeptische Hal­ tung zum Diesel-Pkw auf und präsentierte den Dieselmotor nun ebenfalls als alternativen Antrieb. Das Umschwenken wurde abgesehen von der Diskus­ sion um die Abgase und den Kraftstoffverbrauch auch durch den Leistungs­ abfall bei den Ottomotoren hervorgerufen. Im Unterschied zu Europa, wo die Ottomotoren von Mercedes-Benz auf das handelsübliche Benzin mit 95 Ok­ tan ausgelegt waren, mussten die Motoren für die US-Versionen modifiziert werden, damit sie bei einer Oktanzahl von 9 1 optimal liefen. In der Regel wurde das Verdichtungsverhältnis reduziertl3l, wodurch jedoch die Motor­ leistung abfiel und gleichzeitig der Verbrauch anstieg.132 127 Vgl. Mercedes-Benz of North America Pressemitteilung, 1 1 . Oktober 1973, Detroit Pu­ blic Library National Automotive History Collection, Mercedes-Benz 1974-1979, 1974. 128 Vgl. Mercedes-Benz of North America Pressemitteilung, 4. Dezember 1975, Detroit Public Library National Automotive History Collection, Mercedes-Benz 1974-1979, 1975. 129 Vgl. Auf Sparkurs, 70-77; Bauer, Pkw-Bau, 24; Wir werden ihn haben, 72. Für mehr Information zur Person Ferdinand Pieehs vgl. Grässlin, Ferdinand Piech; Klein, Herbst, 3; Stiens, Ferdinand Piech. 130 V gl. Gehört dem Diesel die Zukunft, 52. 1 3 1 Beim Modell 350 SLC lief die europäische Motorenversion mit einer Verdichtung von 9,0 : 1 , die amerikanische dagegen mit einem Verdichtungsverhältnis von 8,0: 1 . Daraus resultierte ein Leistungsabfall von 225 bhp bei 5.000 Umdrehungen pro Minute auf 195 bhp bei 4.500 Umdrehungen. Das maximale Drehmoment ging von 385 Nm (284 lb.­ ft.) bei 3.000 Ulmin auf 358 Nm (264 lb.-ft.) bei 3.000 Ulmin zurück. Vgl. The Cost of Clean Air, 12. 132 Vgl. Ebd, 12ff.

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Wenn die US-Version des Mercedes 220 als Referenzgröße für einen Mercedes 220 D mit 60 PS Leistung herangezogen wurde, dann wird offen­ sichtlich, wie stark sich Benzin- und Diesel-Pkw in den USA angenähert hat­ ten. Die Nennleistung des 2,2-Liter-Ottomotors fiel bei gleichzeitigem Ver­ brauchsanstieg von 100 bhp auf 85 bhp ab. Die Leistungsdiskrepanz belief sich folglich nur noch auf 25 PS und der Diesel wartete gegenüber dem Ben­ ziner mit erheblichen Verbrauchsvorteilen auf. Außerdem sagten die Progno­ sen eine weitere Verschlechterung des Verhältnisses von Leistung und Kraft­ stoffverbrauch bei den Wagen mit Ottomotor voraus. 133 Auch Autos aus ame­ rikanischer Produktion verzeichneten zwischen 1968 und 1974 einen Leis­ tungsabfall von durchschnittlich 252,2 bhp auf 1 82,5 bhp 134 Die Verände­ rungen führten in den USA dazu, dass sich in der ersten Hälfte der 1 970er Jahre die Leistungsdiskrepanz zwischen den Otto- und Dieselmotoren verrin­ gerte und sich die Verbrauchsvorteile der Dieselmotoren zeitgleich weiter vergrößerten. Wegen ihrer niedrigen HC- und CO-Emissionen wurden Dieselautos weiterhin als umweltfreundlich wahrgenommen und ihre Rußemissionen gal­ ten lediglich als ein ästhetisches Problem135, aber nicht als ein Gesundheitsri­ siko. 1976 klassifizierte die Zeitschrift Auto Zeitung den Dieselruß sogar als "nicht gesundheitsschädlich" 136 1972 war zum Dieselruß in den USA in der Zeitschrift SAE Automotive Engineering zu lesen: "There is little evidence of its toxicity unless emitted in visually unacceptable quantities." l37 Diese Ein­ schätzung galt de facto noch 1975138, zumal die Environmental Proteetion Agency den Diesel sogar als "advanced power system"139 einstufte. In der ersten Hälfte der 1 970er Jahre wandelte sich in Deutschland und in den USA die Haltung der Autofahrer zum Diesel-Pkw allmählich ins Posi­ tive. Das beschränkte sich keineswegs auf die Wahrnehmung der Abgasemis­ sionen, sondern betraf auch die generelle Beurteilung der Dieselautos. Si­ cherlich blieben noch kritische Stimmen bestehen. In Consumer Reports wurde der Rußausstoß eines Mercedes beim Kaltstart, im Leerlauf und beim Beschleunigen heftig kritisiert.l40 Car and Driver konstatierte ernüchtert, the Diesel rises to a level of high regard within the EPA largely because it looks so im­ pressive when measured with gasoline engine evaluating techniques. But when YOll acknowledge its unique problems - especially its pollution which attacks three senses 133 V gl. Wakefield, Diesel, 65f. 134 Vgl. Flink, Car Culture, 198. Es gab damals letztlich einen allgemeinen Trend hin zu Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltfreundlichkeit, was sich ebenfalls auf das De­ sign auswirkte. Vgl. Gartman, Auto Opium, 214. 135 Vgl. Diesel Exhaust. Leserbriefe, 6. 136 Stockmar, Motoren, 42. 137 Nicolls, Fuel Injection, 56. 138 Vgl. A Light Duty Diesel For America, 22. 139 Diesel kontra Benziner, 2 1 . 140 Vgl. Two Diesels, 596--{)01 .

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of the man on the street with odor, smoke and noise as well as its hard to find fuel - the Diesel falls short of being the magie solution we've all been waiting for. 141

Obwohl die kritischen Stimmen zum Dieselauto also nicht verstummten, wuchs die Zahl der Befürworter dieser Technologie weiter an. Nach Darstel­ lung von Road & Track bekam der Diesel-Pkw im Zuge der von der Abgasre­ gulierung und der Ölkrise hervorgerufenen Veränderungen nun "a fresh look as a transportation device that at once saves precious fuel and promises clea­ ner air" .142 Eine weitere Verbreitung der Dieselautos in den USA wurde aller­ dings insbesondere von drei Faktoren behindert. Erstens war die Zahl der verfügbaren Modelle auf aus Europa importierte Autos beschränkt. Zweitens wirkte es sich hinderlich aus, dass diese Autos für die Masse der Autokäufer einfach zu teuer waren. Drittens lieferten die Diesel nicht die von amerikani­ schen Autokäufern gewünschten Eigenschaften.143 Mit der Massentauglichkeit der Dieselfahrzeuge setzte sich 1974 auch Consumer Reports auseinander. Gerade die schwache Motorleistung, das laute Motorengeräusch, die zu geringe Reichweite, die Kaltstartprobleme der Diesel im Winter rechtfertigten nach Ansicht der Testfahrer eigentlich nicht den Aufpreis gegenüber einem Wagen mit Ottomotor. Insbesondere für drei Typen von Autofahrern erschienen Dieselfahrzeuge als ungeeignet. Hier han­ delte es sich um Personen, die in kalten Regionen der Vereinigten Staaten lebten, "hot rodders" 144 sowie Menschen, die häufig ihre Wagen wechsel­ ten 145 Letztlich blieb den Dieselautos somit der Eintritt in den US-Massen­ markt noch verwehrt. In Deutschland waren zumindest die Dieselmodelle von Mercedes be­ liebt und es setzte im Anschluss an die Ölkrise und die Abgasdiskussion ein allmählicher Imagewandel ein. In der ersten Hälfte der 1 970er Jahre waren Diesel-Pkw in Deutschland noch mit einem äußerst schlechten Image behaf­ tet gewesen, denn sie galten als "unfein", und ein weiterer Vorwurf lautete, "sie liefen rauh, lärmten und stänken."146 Ein Blick auf die jährliche Rubrik Kaufspiegel in Auto Motor und Sport im Zeitraum von 1971 bis 1975 bestä­ tigt dies. In den Jahren 1971 und 1972 wurde der Mercedes 220 D zwar als wirtschaftliches, zuverlässiges und robustes Auto gelobt, aber gleichzeitig wegen seines leistungsschwachen Motors kritisiert. Er brachte dem Fahrzeug ein schlechtes bzw. unsportliches Image und lediglich ein bescheidenes Pres­ tige ein. Ferner bezeichnete die Zeitschrift die Fahrleistung des Dieselmotors als unbefriedigend. Eine ähnliche Bewertung findet sich im Kaufspiegel der 141 142 143 144

Sherman, Numbers, 53. Peugeot 504 Diesel (1973), 72. Vgl. Peugeot 504 GLDiesel, 5 1-54, 119. Hot rodders bezeichnet im Amerikanischen Personen, die auffrisierte Wagen fuhren, oder generell Raser. 145 Vgl. Packard, Ethyl, 73; Two Diesels, 596-60 1 . 146 Fersen, Lohnt der Diesel noch, 8.

2.2 Die Dominanz der Mercedes-Benz Dieselautos, 1949-1974

69

Jahre 1973 und 1974 147 Dem Dieselmotor selbst haftete in Deutschland au­ ßerdem noch immer "das Odium des ,Lastwagenmotors'''148 an. Im Zuge der Veränderungen in den Vereinigten Staaten wandelte sich je­ doch auch in Deutschland die Wahrnehmung der Dieselautos allmählich. 1974 hielt Olaf von Fersen fest, dass der Dieselmotor im Pkw durchaus eine Zukunft besitze, da gerade die Wirtschaftlichkeit und die Abgasemissionen zu überzeugen wussten. Damals galt also: "Der Dieselmotor hat auch im Per­ sonenwagen mehr als nur eine Chance."149

147 Vgl. Kaufspiegel (1971), 34-46; Kaufspiegel (1972), 148-15 1 ; Kaufspiegel (1973), 80-92; Kaufspiegel (1974), 52-55; Kaufspiegel (1975), 104-107. 148 Fersen, Lohnt der Diesel noch, 9. 149 Ebd.

AUFSTIEG UND FALL DER DIESELAUTOS, 1974-1989 3.

3 . 1 EXKLUSIVE DIESELLIMOUSINEN, DIESELAUTOS FÜR DEN MASSENMARKT UND DER KRITISCHE FAKTOR DIESELKRAFTSTOFF Die Luxusdieselinitiative von Mercedes-Benz Schon 1972 und damit also noch vor der ersten Ölkrise hatte der Editor von SAE Automotive Engineering, Robert J. Fabian, dem Diesel wegen seiner gu­ ten Emissionswerte sowie seiner traditionellen Verlässlichkeit, Langlebigkeit und Wirtschaftlichkeit eine wachsende Akzeptanz bescheinigt l Nach Ein­ schätzung von Automotive Engineering waren die äußerst niedrigen Kraft­ stoffkosten in den USA ein wichtiger Grund gewesen, der bis in die 1 970er Jahre hinein eine massenweise Verbreitung von Dieselpersonenwagen ver­ hindert hatte. Erst mit der Ölkrise 1973 und dem damit verbundenen Preis­ sprung begann sich das allmählich zu wandeln. 2 Aufgrund der Veränderungen ging Automotive Engineering 1975 von ei­ ner steigenden Popularität der Dieselautos in den kommenden Jahren aus, sofern sie die von den amerikanischen Autofahrern und von der Regierung gewünschten Eigenschaften lieferten. So mussten Dieselmotoren zukünftige Abgasgrenzwerte einhalten und im Vergleich zu Ottomotoren hinsichtlich Beschleunigung und Fahrverhalten ebenbürtig und im Verbrauch überlegen sein. Gleichzeitig durfte der sichtbare Rauchausstoß nur minimal sein und die Vorglühzeit nicht übermäßig lange dauern. Das Motorengeräusch musste zu­ dem von den Fahrern als angenehm empfunden werden. Überdies sollten we­ der Motor noch Karosserie spürbar vibrieren. Nach Einschätzung von Auto­ motive Engineering war eine Motorleistung zwischen 100 und 150 bhp bei 4.000 bis 4.500 Umdrehungen/min, die von Sechszylindermotoren mit 3,7 bis 3,9 Litern Hubraum und Achtzylindermotoren mit 4,9 bis 5,7 Litern er­ reicht wurde, notwendig, um auf dem US-Markt konkurrenzfähig zu sein 3 Die Entwicklungsvorgaben hatten zum Ziel, die Autos mit Diesel- und Otto­ motor sowohl in ihrer Leistungsentfaltung als auch in den Anschaffungskos-

1 2 3

Vgl. Fabian, Diesel Engine, 5. Vgl. A Light Duty Diesel Far America, 2lf. Vgl. ebd., 22.

3 . 1 Exklusive Diesellimousinen

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ten anzunähern und dadurch ein Umschwenken der Autokäufer auf einen Diesel wahrscheinlicher zu machen. Als erster Schritt in Richtung mehr Motorleistung kann der zwischen 1974 und 1976 von Automobilzeitschriften als Innovation gefeierte Fünfzy­ linderdieselmotor von Mercedes-Benz gelten 4 Wie unterschiedlich der Hersteller Mercedes-Benz die typischen Dieselkäufer in Deutschland und in den USA einstufte, zeigte sich an der jeweiligen Marktausrichtung in beiden Ländern, die sich wiederum in der Namensgebung beim neuen Fünfzylinder­ Diesel-Pkw manifestierte. Die Modellbezeichnung in den USA lautete 300 D, wohingegen in Deutschland das gleiche Modell als 240 D 3.0 vermarktet wurde. Mit der wesentlich umständlicheren Bezeichnung wollte der Herstel­ ler eine Distinktion zwischen dem Mercedes Prestigeautomobil der 1 950er Jahre, dem Typ 300 d5 bzw. "Adenauer-Mercedes", und dem noch immer mit Imageproblemen behaftetem Dieselauto aufrechterhalten 6 Denn in Deutschland galten Diesel laut von Fersen 1974 noch als typische Lastwa­ genmotoren 7 Der Hersteller stufte, so Helmut Eicker in Auto Motor und Sport, den deutschen Dieselkäufer um das Jahr 1974 als "einen bescheidenen Menschen"s ein, der von einem prestigeträchtigen 300er Mercedes abge­ schreckt würde. Erst in der zweiten Hälfte der 1 970er Jahre wurden Dieselfahrer anders wahrgenommen und die Marketingstrategie von Mercedes-Benz dementspre­ chend neu ausgerichtet. 1976 führte der Hersteller infolgedessen auch in Deutschland die Typenbezeichnung 300 D ein. In den USA stufte die Öffent­ lichkeit demgegenüber das Fahren eines Dieselautos seit der Ölkrise als "chic"9 ein. Als sich Prominente, wie der Millionär Nelson Rockefeller und Wernher von Braun, für den neuen Mercedes Diesel entschieden, wurde der Diesel gesellschaftsfähig lO Mitte der 1970er Jahre besaß das Dieselauto in den USA ein positives Image und galt "als Symbol vernünftigen, umweltbe­ wußten Automobilbaus. ,,11

4

5

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Vgl. Der Coup aus Stuttgart, 25f.; Der Fünfzylinder-Diesel im Mercedes 240 3.0, 3, 1 1 ; Eicker, Nimm fünf, 32ff.; Eicker, Fünfling, 34-39; Eicker, Diesels Dienstfahrt, 42f.; Frore, Mercedes-Benz 5-Cylinder Diesel, 56ff.; Freund, Diesel-Fans, 16-21; Fünf sind genug, 103ff.; Fünf Zylinder - drei Liter, 1 , 13; Mercedes-Benz 240 D 3.0, 17ff.; Mercedes-Benz 300 Diesel, 72ff.; Wiechmann, Diesel, 30-34. An dieser Stelle steht das Kürzel nicht für Diesel, sondern für die vierte Generation des "Adenauer Modells". Zuvor hatte es die Modelle 300, 300 b und 300 c gegeben. Vgl. RohdelKoch, Typenkompass, 29-35. Vgl. Der Coup aus Stuttgart, 25; Wiechmann, Diesel, 33; Beckmann, Käfer, 258f. Vgl. Fersen, Lohnt der Diesel noch, 8. Eicker, Nimm fünf, 32. Daimler-Diesel gesellschaftsfalüg, 48. Vgl. ebd.; Fersen, Lohnt der Diesel noch, 8f.; Wir werden ihn haben, 72. Für eine ähn­ liche Argumentation vgl. Becker, Preis, 134-140. Wir werden ihn haben, 72.

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3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

Bedenken wie für den deutschen Markt gab es also für den nordamerika­ nischen Kontinent nicht, schließlich war der luxuriöse und leistungsstarke Diesel-Pkw, der Wirtschaftlichkeit mit Fahrleistung kombinierte, hauptsäch­ lich für eben diesen Markt entwickelt worden. Zum einen bekamen die bis dahin gut 65.000 Dieselkäufer in Nordamerika die Möglichkeit, auf einen luxuriöseren Diesel-Pkw umzusteigen, zum anderen erhielten die Besitzer bzw. Interessenten des Mercedes-Benz 280 die Chance, einen luxuriösen und komfortablen Personenwagen mit zwar weniger Leistung, aber dafür mit we­ sentlich weniger Kraftstoffverbrauch und einer längeren Lebensdauer kaufen zu können. t2 Die im öffentlichen Diskurs bereits etablierten Rationalitätsfik­ tionen der Sparsamkeit und Langlebigkeit verstärkte das Modell 300 D zu­ sätzlich. Für Auto Motor und Sport war die Entwicklung eines leistungsstärkeren Dieselmotors eine logische Konsequenz der Anforderungen des Marktes, zu­ mal der neue Motor problemlos die 1 976er US-Abgasgrenzwerte erfüllte ein für den Export bedeutender Faktor 13 Die Entscheidung für einen Fünf­ zylindermotor mit der Bezeichnung OM 617 erfolgte aus pragmatischen und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten. Zum einen hätte ein Sechszylin­ derdieselmotor basierend auf der Vorlage des 2-Liter-Vierzylindermotors we­ gen seiner Abmessungen nicht in den Motorraum der vorhandenen Karosse­ rien gepasst; zum anderen konnte der Hubraum nicht durch Veränderung von Hub und Bohrung des 2,4-Liter-Dieselmotors vergrößert werden. Die Ingeni­ eure entschieden sich daher, an den 2,4-Liter-Vierzylindermotor einen fünf­ ten Zylinder anzuhängen. Obwohl Fünfzylindermotoren bereits zuvor für Lastwagen, wie der 7,9-Liter-Reihenfünfzylindermotor des französischen Herstellers Berliet, und Flugzeuge konstruiert worden waren, galt ein Fünf­ zylindermotor im Pkw als Novum 14 Bisherige Pkw-Motoren wiesen mit vier, sechs oder acht Zylindern stets eine gerade Zylinderzahl auf, weil die Ingenieure und Konsumenten davon ausgingen, nur so könne eine hohe Laufruhe erzielt werden. Der neue Merce­ des-Motor brach mit dieser Vorstellung, weshalb das fachwissenschaftliehe Publikum die Konstruktion als ungewöhnlich einstufte. In die gleiche Rich­ tung zielte die Mercedes Werbung in den Vereinigten Staaten, die den Motor ebenfalls als Meilenstein der Ingenieurkunst bezeichnete, da er "a whole new category of Diesel - a whole new category of automobile"t5 schuf. Explizit

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15

Vgl. Bieker, Nimm fünf, 32ff.; Bieker, Wirtsehaftshilfe, 55; Mereedes-Benz 300 Diesel, 72f. Vgl. Bieker, Nimm fünf, 32. Vgl. Der Coup aus Stuttgart, 25f.; Bieker, Nimm fünf, 33; Bieker, Fünfling, 34ff.; Fer­ sen, Motorenteehnik, 18; Frore, Mereedes-Benz 5-Cylinder Diesel, 56; Fünf sind ge­ nug, 130; Fünf Zylinder - drei Liter, 1 ; Mereedes-Benz 300 Diesel, 73; Wieehrnann, Diesel, 33. Mereedes-Benz Werbung (1975), 19.

3 . 1 Exklusive Diesellimousinen

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sprach das Marketing technikbegeisterte Männer an, die sowohl die Leistung der Ingenieure wie das technologische Glanzprodukt "Luxusdiesel" begeis­ tern sollte. Eines der Konstruktionsziele war es gewesen, den Dieselmotor in Sachen Leistung, Beschleunigung und Laufkultur näher an den Ottomotor heranzu­ führen. Eine Gegenüberstellung der Nennleistung damaliger Mercedes-Benz Personenwagen mit Otto- und Dieselmotor zeigt zwar, dass der 3-Liter-Die­ selmotor noch immer dem 2-Liter-Ottomotor unterlegen war, im maximalen Drehmoment übertraf der Diesel jedoch den Ottomotor deutlich. Dieser da­ mals weltweit stärkste Pkw-Dieselmotor erreichte 80 PS Leistung bei 4.000 U/min und ein maximales Drehmoment von 172 Nm bei 2.400 U/min. Der Motor beschleunigte den Mercedes von 0 auf 100 km/h in weniger als 20 Sekunden und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von gut 150 km/h. Das bedeutete zwar noch immer, dass der Diesel-Pkw in seinen Fahrleistungen weiterhin hinter denen eines vergleichbaren Ottomotors zurückblieb - aber er übertraf alle anderen Dieselautos. Das Einfahren auf Autobahnen, der Spur­ wechsel, das Überholen von Lastwagen und das Beschleunigen an Steigun­ gen waren mit dem Diesel zudem problemlos möglich. Sowohl in den Verei­ nigten Staaten als auch in Deutschland wurde dieser Sachverhalt von den Autofahrern und Automobilzeitschriften lobend hervorgehoben. Dieses Die­ selauto war damit von dem Stigma, ein Hindernis für den Verkehrsfluss zu sein, befreit und galt als schneller und dynamischer Diese[16 Durch den beträchtlichen Leistungssprung konnten Autofahrer, die bis­ her dem Diesel abgeneigt waren, durchaus ihre Einstellung ändern, denn schließlich lief man mit dem Diesel nicht mehr so sehr Gefahr, von Kleinwa­ gen auf der Autobahn überholt zu werden. Der Käufer bekam - so wurde es in der Werbung und den Automobilzeitschriften kommuniziert - ein leis­ tungsorientiertes Dieselauto ("performance Diesel") mit nach wie vor günsti­ gem Verbrauch sowie hoher Zuverlässigkeit. Die Motorleistung des neuen Mercedes-Benz Diesel korrelierte also mit seinem stattlichen äußeren Er­ scheinungsbild. Mercedes-Benz vermarktete sein Modell mit diesen Argu­ menten auch in US-Werbeanzeigen: "While the new 300 D acts like an econ­ omy car, it doesn't look or feel like one." 17 Die Leistungscharakteristik überzeugte in der Tat die deutschen und die US-amerikanischen Autofahrer. Allerdings äußerten letztere durchaus noch gewisse Vorbehalte gegenüber

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17

Für Deutschland vgl. Der Coup aus Stuttgart, 26; Der Fünfzylinder-Diesel im Mercedes 240 3.0, 1 1 ; Eicker, Nimm fünf, 32ff.; Eicker, Fünfling, 38; Eicker, Diesels Dienstfahrt, 42; Freund, Diesel-Fans, 16f.; Fünf sind genug, 105; Hack, Diesel (1987), 289; Merce­ des-Benz 240 D 3.0, 17; Wiechmann, Diesel, 3 l ff. Für die USA vgl. Frore, Mercedes­ Benz 5-Cylinder Diesel, 57; Lankard, Laws, 95; Mercedes-Benz 300 Diesel, 73f. Mercedes-Benz Werbung (1975), 19.

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3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

der Leistungsfahigkeit des Diesels, weil es eben die langsamste 1 2.000 Dol­ lar Limousine auf dem US-Markt war I8 Die deutschen Automobilzeitschriften und eine Mercedes-Benz Wer­ bung, welche den 240 D 3.0 auf einer Rennstrecke in einer Steilkurve zeigte, betonten ebenfalls die Leistung des neuen Dieselmotors. Der Diesel wurde dadurch auf die Stufe eines Rennwagens gestellt, was für den bis dahin als träge bekannten Diesel durchweg atypisch war. Neben Schnelligkeit sollte der Wagen seinen Fahrern noch Elastizität, Spurtstärke und Wirtschaftlich­ keit liefern und das aufgrund seiner Langlebigkeit über viele Jahre hinweg. Das war laut Mercedes Werbung nicht zuletzt möglich, weil der kultivierte Diesel als zukunftssicherer Motor die gültigen US-Abgasgrenzwerte ein­ hielt I9 Welche Rolle der nordamerikanische Absatzmarkt bei Mercedes-Benz spielte, zeigt sich noch an weiteren technischen Details, wie den Extras Auto­ matikschaltung, Servolenkung und Klimaanlage. US-Autofahrer verlangten nach diesen Ausstattungsmerkmalen, weshalb ihr Einbau nach Einschätzung der Hersteller die Marktchancen erheblich erhöhte. Da Extras jedoch stets einen Teil der Motorleistung abziehen, musste die Nennleistung des Motors entsprechend hoch sein, damit sich dies nicht negativ auf das Fahrverhalten auswirkte. Das erfüllte der 3-Liter-Dieselmotor des Modells 300 D 20 Die Laufkultur war neben der Motorleistung in Automotive Engineering als weiterer Punkt genannt worden, der bei Dieselmotoren als verbesserungs­ würdig galt. Einige Autofahrer äußerten sich begeistert über die Laufruhe des Dieselmotors; für sie war er nicht mehr von einem Ottomotor zu unterschei­ den. Andere behielten ihre kritische Haltung und wiesen darauf hin, dass kein gravierender Unterschied zum Modell 240 D erkennbar sei und sich der Die­ sel gerade im Leerlauf und bei niedriger Drehzahl wie ein Diesel anhöre. Das belegten auch die Geräuschpegelmessungen. Der positiven Bewertung tat dies überraschenderweise aber keinen Abbruch. Kritischer urteilten Passan­ ten, die sich auch bei diesem Dieselmodell von den Laufgeräuschen belästigt fühlten.21 Die Rationalitätsfiktionen zum Laufgeräusch des Diesels divergier­ ten also, wobei zumindest die Besitzer eines Modells 300 D ihren Wagen als leise klassifizierten. Der Mercedes-Benz 300 D musste genauso wie die älteren Dieselautos primär durch seinen geringen Kraftstoffverbrauch bzw. durch das Einlösen seines Wirtschaftlichkeitsversprechens überzeugen. Der von Road & Track ermittelte Verbrauch von ca. 9,6 Litern (24,5 mpg) galt für einen 80 PS-star­ ken Wagen mit Automatikschaltung als beachtlich. Nach den jährlichen Be18 19 20 21

Vgl. Sherrnan, Mercedes 300 D, 62-66. Vgl. Mercedes-Benz Werbung (1974), 26f. Vgl. Eicker, Fünfling, 34; Eicker, Diesels Dienstfahrt, 42. Vgl. Eicker, Diesels Dienstfahrt, 42; Eicker, Nimm fünf, 33f.; Eicker, Fünfling, 36ff.; Freund, Diesel-Fans, 16; Mercedes-Benz 240 D 3.0, 17; Wiechrnann, Diesel, 34.

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rechnungen der EPA schnitt der Mercedes sogar noch günstiger ab. Dort wur­ den die Modelle 240 D und 300 D mit einem Verbrauch von 8,6 Litern (27,5 mpg) auf dem fünften Platz bei den sparsamsten Autos geführt. Lediglich die kleineren Modelle Datsun B 210, VW Golf und Passat sowie Audi Fox ver­ brauchten noch weniger 22 Bei den Berechnungen der EPA ging es nicht darum zu analysieren, ob sich der höhere Kaufpreis für einen Diesel tatsächlich rentierte, sondern pri­ mär um die Reduktion des Kraftstoffverbrauchs. So konnte schließlich jeder US-Autofahrer individuell etwas unternehmen, um die Abhängigkeit vom importierten Rohöl zu reduzieren, was seit der Ölkrise gesellschaftlich rele­ vant geworden war. Demgegenüber wurde in Deutschland der Rentabilität mehr Bedeutung zugeschrieben. Aus diesem Grund merkte die Auto Zeitung kritisch an, dass der Diesel trotz seiner guten Verbrauchswerte "nicht als Sparauto"23 gelten könne, da die Sparsamkeit mit einem Kaufpreis von ca. 1 9.000 DM teuer erkauft werden müsse 24 Freilich wurde dabei nicht mit den Verbrauchswerten der amerikanischen Umweltschutzbehörde kalkuliert, diese waren auf dem Prüfstand erzielt wor­ den und blieben unter realen Gegebenheiten für den Fahrer ein Wunschtraum. Dessen ungeachtet zogen diese Werte die Autokäufer an, weil sie ihnen die Illusion eines sparsamen Automobils unterbreiteten. Die US-Autofahrer selbst führten eben die EPA-Verbrauchswerte als Rechtfertigung für ihre Kaufentscheidung an. Selbst wenn der Mercedes im Verkehr etwas mehr Kraftstoff benötigte, konnte der 300 D bei einem Verbrauch von elf Litern und einem Tankvolumen von 65 Litern noch eine Strecke von immerhin 500 km nonstop zurücklegen 25 Dadurch vermittelte der Diesel gewissermaßen ein Gefühl von Unabhängigkeit und ließ den Autofahrer glauben, dass er bei einer erneuten Unterbrechung der Rohöllieferungen nicht gar so verwundbar sei. Eine weitere Annehmlichkeit zeigte sich beim Starten. Das Modell 300 D konnte über den Schlüssel vorgeglüht und angelassen werden 26 In der Beurteilung dieses Modells manifestierte sich erstmals in vollem Umfang, welche Veränderungen sich in den USA zwischen 1971 und 1975 abgespielt hatten. Noch 1971 wollte niemand von Road & Track freiwillig einen Diesel-Pkw fahren. Mittlerweile maßen die Testfahrer einem geringen Kraftstoffverbrauch jedoch wesentlich mehr Gewicht bei und lobten gleich­ zeitig die positiven Fahreigenschaften, obgleich der 300 D langsamer als der Mercedes mit 2,3-Liter-Ottomotor war.27 In Deutschland ließen Fahrleistun-

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V gl. Lankard, Laws, 95; Mercedes-Benz 300 Diesel, 74. Wiechmann, Diesel, 34. Vgl. Eicker, Fünfling, 34; Wiechmann, Diesel, 34. Vgl. Eicker, Fünfling, 39; Eicker, Diesels Dienstfahrt, 42. Vgl. Eicker, Ninnn fünf, 33. Vgl. Mercedes-Benz 300 Diesel, 74.

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3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

gen und Laufruhe den Diesel ebenfalls in einem neuen Licht erscheinen, wes­ halb dort die Beurteilung der Autofahrer gleichfalls positiv ausfiel. Nach Ansicht der Automobiljournalisten war dieser Mercedes "ein nob­ les Fahrzeug, das zudem über alle Attacken gegen Treibstoffverschwendung und Luftverschmutzung erhaben"28 war und somit zusätzliches soziales Prestige innerhalb der deutschen und der amerikanischen Gesellschaft ge­ noss. Das machte den Diesel-Pkw letztlich nach Einschätzung von Olaf von Fersen in beiden Ländern salonfähig 29 Gemessen an allen in den USA ver­ kauften Mercedes Modellen war der 300 D von 1976 bis 1978 bei den ameri­ kanischen Mercedes-Fahrern am beliebtesten. Erst 1978 wurde er vom be­ währten Mercedes 240 D und dem neuen Turbodiesel 300 SD, auf den später eingegangen wird, in der Gunst der Autokäufer übertroffen. Trotz aller Verbesserungen blieb das Betanken der Dieselautos auch wei­ terhin ein unbeliebter Vorgang, da die Autofahrer den Dieselgeruch als äu­ ßerst penetrant und unangenehm empfanden. Wenn man einmal mit dem schmierigen Dieselöl in Berührung kam, dann war der Geruch kaum noch aus der Kleidung herauszubekommen bzw. von den Händen nur schlecht ab­ zuwaschen 30 Bis 1980 änderte sich nichts an dem Problem 3! 1984 wurde in der ADAC Motorwelt erneut beklagt, dass das Betanken von Dieselautos noch immer unangenehm sei, weil "mit einer öligen und stinkenden Zapfpistole"32 getankt werden müsse, die dann die Hände verschmutze. Das könne durch das Verwenden einer Papierserviette, die im Anschluss wegge­ worfen werden solle, oder durch die Inanspruchnahme eines Tankwarts, dem die schmutzige Aufgabe überlassen wurde, vermieden werden. Der ADAC empfahl, im Gegensatz zu früheren Ratschlägen, keinen Tankhandschuh zu verwenden, weil er im Kofferraum zu einem Geruchsproblem werden könne. Ein Leser wies darauf hin, dass es Einweghandschuhe an Tankstellen gebe, die extra für das Tanken eines Dieselautos vorgesehen seien. Wenn einmal weder Handschuh noch Serviette vorhanden waren bzw. kein Tankwart be­ reitstand, dann bot sich laut ADAC als Alternative eine zu einem Handschuh umfunktionierte Plastiktüte an. Die Vorsichtsmaßnahme war wichtig, weil bereits eine kleine Menge Dieselöl auf der Kleidung für eine "dauerhafte, ei­ genwillige Duftnote" sorgte. Da das Dieselöl "stärker [ . . . ] als bayerisches Weißbier"33 schäume, so das Urteil des ADAC, steige die Gefahr, dass man selbst mit dem Kraftstoff in Berührung komme. 34

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Mercedes-Benz 240 D 3.0, 19. Vgl. Fersen, Motorentechnik, 2 1 . Vgl. Kassen-Kampf, 72ff. Vgl. Diesel. 4 Mittelklasse-Autos mit Kleinwagen-Durst, 30. Kacher, Diesel, 22. Ebd. Vgl. ebd.; Diesel. Qualm um nichts. Leserbrief, 60.

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Oftmals mussten Dieselfahrer mit ihrem Pkw auf den Hinterhof fahren und dort die Dieselzapfsäule benutzen. Manchmal stieg man dabei in eine Dieselpfütze. In einem solchen Fall war der Betroffene für den Rest des Ta­ ges mit einer stinkenden Dieselwolke umgeben. Es konnte auch vorkommen, dass man an der Tankstelle nicht bedient wurde, denn der Tankwart küm­ merte sich lieber um die Lastwagenfahrer, welche größere Mengen an Kraft­ stoff benötigten. Trotz der Unannehmlichkeiten war für den Dieselfahrer das unnötige Hinauszögern des Tankvorgangs keine Lösung, denn dann passierte es mitunter, dass man an einer Tankstelle, die kein Diesel anbot, mit leerem Tank liegen blieb 35 Obgleich das Fahren eines Dieselautos weiterhin mit Besonderheiten aufwartete und eine wirtschaftliche Rentabilität für die Mehrzahl der Fahrer nicht garantiert war, traf das Modell 300 D in beiden Ländern auf Zuspruch. Mit diesem Modell sollte insbesondere in den USA ein neuer Typ von Diesel­ käufer angesprochen und erschlossen werden: der sportliche Dieselfahrer in der oberen Mittelklasse. Er verlangte einen leistungsstarken, laufruhigen, zu­ verlässigen und zugleich sparsamen Pkw. Die teuren Mercedes Autos blieben in Deutschland und mehr noch in den USA einer exklusiven Käuferschicht vorbehalten. Der Schritt in Richtung Massenmarkt kam in beiden Ländern erst mit dem Markteintritt der Volumenhersteller Volkswagen und General Motors.

Der Eintritt in den Massenmarkt Da Konsumenten in den frühen 1970er Jahren beim Autokauf den Faktor Wirtschaftlichkeit stärker zu gewichten begannen, versuchte Volkswagen, in der unteren Mittelklasse die Wünsche nach kompakt gebauten, funktionalen, technisch unproblematischen und sicheren Fahrzeugen zu befriedigen. 36 1986 erinnerte sich der Leiter der Motoren- und Getriebeentwicklung, Peter Hofbauer, dass Volkswagen 1973 mit der Dieselentwicklung begonnen habe, weil aufgrund der US-Abgasgrenzwerte nach Alternativen zum Ottomotor gesucht wurde - ein Trend, den die Ölkrise noch zusätzlich beschleunigte. Letztlich hatte nach Meinung der Verantwortlichen bei Volkswagen der Die-

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V gl. Busch, Abseitsfalle, 226-229. Vgl. Mefferl, Marketing (1986), 627. Bei Volkswagen fand der Übergang von einer produktions- zur marktorientierten Untemehmensphilosophie und somit der Übergang vom Verkäufer- zum Käufermarkt in den 1970er Jahren statt. Der 1974 eingeführte Volkswagen Golf war der Kern dieses Wandels. V gl. ebd., 626f.; Mefferl, Marketing (1998), 1225. Andere datieren den Übergang zum Käufermarkt in Deutschland dagegen auf das Ende der 1950er Jahre. Vgl. Edelmann, Luxusgut, 228f.

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selmotor bei den alternativen Antrieben für die nächsten zwei Jahrzehnte die besten Zukunftsaussichten. 37 Die Entscheidung zur Konstruktion eines Volkswagen Dieselautos war für den ADAC eine logische Konsequenz der Forderung an die Hersteller, "Motoren sollen wenig Sprit ein- und wenig Gift ausatmen."38 In den USA wurde der Dieselkleinwagen von Volkswagen sogar als Prototyp eines "car of tomorrow"39 gehandelt und seine Markteinführung antizipiert mit der Aus­ sage: "The best Diesel-engined car ever to hit U.S. streets may make its ap­ pearance soon ...40 Bei der Konstruktion dieses neuen Dieselmotors entschieden sich die In­ genieure um Hofbauer für das Wirbelkammerverfahren. Als Ausgangsbasis diente ihnen dabei der als robust und belastungsfahig bekannte 1 ,5-Liter­ Vierzylinderottomotor mit der Typbezeichnung EA 827. Dank der geglückten Ableitung vom Ottomotor wurden bei diesem Dieselmotor wie auch bei Mer­ cedes Entwicklungs- und Fertigungskosten gleichermaßen eingespart. Im Unterschied zu Mercedes griffen die Ingenieure jedoch nicht auf eine Rei­ henpumpe, sondern auf eine leichtere, kleinere und günstigere Verteiler­ pumpe von Bosch zurück 41 Neben der Tatsache, dass die Zylinderköpfe und die Motorblöcke auf den gleichen Transferstraßen wie die der Ottomotoren bearbeitet werden konnten und viele Bauteile der Motoren identisch sein sollten, bestimmten noch wei­ tere Faktoren die Konstruktion. Gemessen am Kraftstoffverbrauch lag die optimale Verdichtung von kleinvolumigen Wirbelkammerdieselmotoren bei 16: 1 bzw. 1 8 : 1 . Da allerdings bei einer geringeren Verdichtung als 20 : 1 ein einwandfreies Kaltstartverhalten und ein optimaler Leerlauf nicht mehr reali­ sierbar waren, entschieden sich die Ingenieure für ein Verhältnis von 23 : I. Es handelt sich hierbei um ein ideales Verdichtungsverhältnis, an welches sich die in Massen produzierten Motoren möglichst stark annähern mussten. Wenn beim 1 ,6-Liter-Dieselmotor42 von VW - so Gert Hack - die gleichen Ferti-

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38 39 40 41 42

Vgl. Hätten Sie's gewußt, Herr Diesel, 27; Mullins, VW's, H f. ; Volkswagen Develops a Diesel, 62f. Die Initiative für das Projekt kam von Ernst Fiala, der 1970 als Leiter der Forschung zu Volkswagen kam und 1972 zum Chef von Forschung und Entwicklung befördert wurde. Er konnte seine Idee gegenüber der Geschäftsleitung durchsetzen. Mit der Entwicklung des neuen Motors wurde der Ingenieur Peter Hofbauer betraut. Vgl. Bartsch, Benziner, 2 1 . Eine weitere Information liefert Christoph U. Knapp, der darauf hinweist, dass die in das Dieselprojekt involvierten Ingenieure zu Audi kamen, nach­ dem der Wankelmotor als Antriebsalternative gescheitert war. V gl. Knapp, Wanke!, 122-140. Der Golf, der 285 Liter im Jahr weniger verbraucht als der Golf, 1 1 . Ludvigsen, VW's Remarkable Small-Car, 28. Volkswagen Rabbit Diesel (Car and Driver März 1977), 26. Vgl. Hofbauer, Dieselmotor, 264; Kaiser, Bosch, 65. Zum Innovationsprozess der Bosch Dieseleinspritzung von 1922 bis 2003 vgl. KashiAuger, Craftsmen, 19-45. Volkswagen erweiterte 1980 das Volumen seines kleinen Dieselmotors von 1,5 Liter auf

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gungstoleranzen wie beim gleichvolumigen Ottomotor gegolten hätten, dann hätte das tatsächliche Verdichtungsverhältnis zwischen 1 9 : 1 und 27 : 1 ge­ schwankt und wäre somit stark vom gewünschten Verhältnis abgewichen. Ei­ nerseits wären dadurch das Start- und Leerlaufverhalten problematisch ge­ worden; andererseits hätte eine zu starke Verdichtung eine zu große Belas­ tung für die Motorenbauteile bedeutet und so die Lebensdauer negativ beein­ flusst. Aufgrund zahlreicher gleicher Bauteile zwischen dem Otto- und Die­ selmotor konnten Kurbelwelle und Pleuel so ausgewählt werden, dass der Dieselproduktion die viel enger tolerierten Teile zugeführt wurden. Dadurch gelang es, die für die Konstruktion eines Dieselmotors notwendige größere Genauigkeit kostengünstig zu realisieren 43 In einem Interview betonte 1976 der Generaldirektor von Volkswagen, Toni Schmücker, dass in den USA großes Interesse am Golf Diesel bestehe, der dort unter der Typbezeichnung Rabbit Diesel lief, und der Konzern für 1977 plane, zwischen 60.000 und 80.000 Dieselmotoren zu produzieren.44 Der ADAC antizipierte 1976 ebenfalls einen Dieselboom, dessen Umfang von der Nachfrageentwicklung in den USA abhing. Auch in Europa sollte der Diesel eine zentrale Rolle bei Volkswagen spielen. Selbst in Deutschland, wo im Vergleich zu anderen europäischen Staaten die Relation zwischen den Preisen für Dieselkraftstoff und Benzin ungünstiger war, stufte der ADAC die Chancen für den Golf Diesel als gut ein, weil sein Dieselmotor dem Image vom "Lastwagen-Motor"45 ein Ende setze. Bis dahin hätten Diesel-Pkw - so der ADAC - als "groß, schwer, teuer, laut und lahm" gegolten, der Golf Die­ sel sei dagegen "klein, leicht und entsprechend preisgünstig, temperament­ voll und (wenn er warm ist) auch leise."46 Der Volkswagen Golf Diesel sollte bei den Kleinwagen eine sparsame Alternative zu den Modellen mit Ottomo­ tor darstellen und von seiner Motorleistung und seiner Laufruhe an seine di­ rekten Marktkonkurrenten heranreichen und dabei wesentlich weniger Kraft­ stoff verbrauchen. Insgesamt gesehen entsprach beim Golf der 1 ,5-Liter-Dieselmotor von seinen Leistungsdaten einem 1 , l -Liter-Ottomotor47 Mit seinen Fahreigen­ schaften reichte der nur gut 860 kg schwere Diesel an sein ebenfalls 50 PS­ starkes und lediglich 55 kg leichteres Pendant mit Ottomotor heran. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei beiden Modellen um die 140 km/h und ihre Beschleunigungszeiten waren mit 2 1 ,5 Sekunden für den Diesel48 und 19,6

43

44 45 46 47 48

1,6 Liter. Vgl. Hack, Diesel (1987), 358. Vgl. ebd., 103; Hofbauer, Dieselmotor, 26lff. Eine ähnliche Argumentation findet sich bei Volkswagen Develops a Diesel, 62-68; VW Eyes 50 Pet. Gain in Lifespan for Die­ seI, 25. Vgl. 80.000 Golf Diesel im Jahr, 16. Der Golf, der 285 Liter im Jahr weniger verbraucht als der Golf, 1 1 . Ebd. Vgl. Ludvigsen, VW's Remarkable Small-Car, 30; Norbye, Diesel Rabbit, 89. Die Angaben zum Diesel variierten mitunter zwischen den einzelnen Zeitschriften und

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Sekunden für den Benziner ebenfalls ähnlich. Selbst beim Überholvorgang und der Beschleunigung von 60 auf 100 km/h benötigte der Golf Diesel mit 14,0 Sekunden nur 1 , 1 Sekunden länger als der Benziner, der das in 12,9 Se­ kunden bewerkstelligte. Zudem hielt der Diesel an Steigungen bei Autobahn­ fahrten seine Geschwindigkeit und fiel nicht ab. Zusätzlich konnten die Fah­ rer den Pkw "schaltfaul" fahren, d.h., der Gang wurde möglichst selten ge­ wechselt. Diese Fahrweise begünstigte der flache Drehmomentverlauf. Oder aber die Fahrer wählten eine sportliche Fahrweise mit häufigem Schalten. Der Journalist Hack betonte ausdrücklich, dass der Golf Diesel am Gaspedal hänge wie ein Benziner und der Motor bis über 5.000 Umdrehungen hochge­ dreht werden könne - was er beides als durchweg untypisch für einen Diesel­ Pkw klassifizierte. Manche Autofahrer stellten sich sogar unbewusst die Frage, ob es sich bei dem Auto tatsächlich um einen Diesel und nicht doch um einen Pkw mit Ottomotor handelte 49 Der Golf D trug letztlich maßgeb­ lich dazu bei, dass sich in der zweiten Hälfte die Rationalitätsfiktion des ver­ gleichsweise leistungsstarken und flinken Dieselautos verbreitete. Selbst in den USA zeichnete sich in etwa zeitgleich eine ähnliche Ent­ wicklung ab, selbst wenn dort die Zeitschrift Consumer Reports zu einer et­ was anderen Einschätzung kam, weil dort nicht der Golf mit l , l-Liter-Otto­ motor, sondern der 1976er Golf mit 1 ,6-Liter-Motor und einer Leistung von 80 PS bei 5.500 U/min als Referenzgröße herangezogen wurde. Er benötigte für die Beschleunigung von 0 auf 60 Meilenlh 12,2 Sekunden, wogegen der Diesel mit 2 1 ,6 Sekunden regelrecht langsam erschien. Obgleich der Diesel keineswegs das Leistungsniveau seines Pendants erreichte, wurde ausdrück1ich hervorgehoben, dass - selbst wenn die Zahlen etwas anderes suggerier­ ten - sich der Golf Diesel keinesfalls als träge anfühle. In der Tat könne der kompakte Diesel-Pkw laut Consumer Reports in seiner Leistungscharakteris­ tik mit anderen Kleinwagen in den USA mithalten 50 Hier unterschied sich somit die objektive Messung von der subjektiven Wahrnehmung. Ersteres ließ den Golf Diesel als träge erscheinen, doch das Fahrgefühl vermittelte, in einem kleinen, flinken Auto zu sitzen. Diese positive Beurteilung des Golf Diesel beruhte zu einem Teil auch auf den typischen Fahreigenschaften eines Kleinwagens, die sich in einigen

49

50

schwankten zwischen 19 und 21,5 Sekunden. Vgl. Blauer Rauch, 231ff.; Der Golf, der 285 Liter im Jahr weniger verbraucht als der Golf, I 1 f.; Eicker, Sparbüchse, 59f.; Hack, Rekord-Diesel, 38-42; Röthig, Trendma­ eher, 29; Schuster/Sorgatz, Entwicklung, 17; VW bringt den Golf auch mit Dieselmotor, 3, 1 1 . Für eine ähnliche Argumentation vgl. Hall, Volkswagen Rabbit Diesel, 40; Nor­ bye, Diesel Rabbit, 88; Volkswagen Rabbit Diesel (Road & Track 1977), SOff. Vgl. The Diesel Engine. A Status Report, 575; Five Super-Economy Subcompacts, 324 1 . Zum Vergleich mit der Chevette vgl. Volkswagen Rabbit Diesel (Road & Track 1977), 50. In Deutschland bemerkte Hack ebenfalls, dass der Golf Diesel weitaus schlechter abschnitt, wenn er mit dem Golf mit 1 ,6-Liter-Ottomotor verglichen wurde. Vgl. Hack, Rekord-Diesel, 42.

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Punkten erheblich von den Straßenkreuzern der Big Three aus Detroit unter­ schieden. Der Fahrer eines Kleinwagens spürte den Beschleunigungsvorgang direkter als bei einer Limousine und die gefahrene Geschwindigkeit fühlte sich subjektiv schneller an, als sie es tatsächlich war. Somit konnte bei iden­ tischer Beschleunigungszeit bei einem Kleinwagen die Fahrleistung subjek­ tiv als schnell, bei einem größeren Auto dagegen als langsam empfunden werden. Der Fahrer spürte bei ersterem Modell stets auch die Straße, auf der er fuhr, und hörte das Motorengeräusch deutlich 51 Somit fand keine Entkop­ pelung zwischen Automobil und Straße statt, wie es typisch für über Straßen gleitende amerikanische Limousinen war, und es stellte sich aufgrund der Fahrgeräusche eines Kleinwagens nicht das Gefühl ein, man sei von der Welt abgeschottet 52 Die US-Käufer des Golf Diesel präferierten den deutschen Kleinwagen nicht zuletzt wegen dieser Eigenschaften, die sich von einem amerikanischen Fabrikat grundlegend unterschieden. Ihnen diente der Golf damit zur sozialen Abgrenzung und als Unterscheidungsmerkma1. Eine weitere positive Überraschung zeigte sich beim Laufgeräusch. Die Wageninsassen fühlten sich nach Darstellung der Testfahrer keineswegs von "rauhen Diesel-Lauten"S3 belästigt. Manchen falle es sogar schwer, den Mo­ tor als Diesel zu entlarven. Die subjektiven Fahreindrücke untermauerten die Geräuschpegelmessungen. Sicherlich betonten die Zeitschriften, dass der Golf mit Dieselmotor keineswegs als "Ohrenschmeichler"s4 eingestuft wer­ den könne, denn Kleinwagen seien generell lauter als Limousinen. Die Fah­ rer urteilten dennoch, dass das Laufgeräusch und die -kultur beim Golf Die­ sel beachtlich seps Im Gegensatz zu älteren Dieselautos wurde das Motorengeräusch selbst nach außen von Passanten nicht als Geräuschbelästigung empfunden. Als Ausnahme für die generalisierende Aussage galt jedoch der Kaltstart. In die­ sem Betriebszustand nagelte der Dieselmotor nach wie vor laut und unüber­ hörbar. Die Zeitschrift Car and Driver nannte einen Geräuschpegel von 60 dBA. Nachdem der Motor warmgelaufen war, fiel der Pegel hörbar auf 56,5 dBA ab, was in etwa einer Halbierung auf das durchschnittliche Geräuschni­ veau eines Kleinwagens entsprach.56 Einschränkend muss hier angeführt werden, dass es in den USA im Unterschied zu Deutschland wesentlich mehr kritische Stimmen bei der Beurteilung des Laufgeräusches gab. Consumer

51 52 53 54 55 56

Vgl. Five Super-Economy Subcompacts, 33. Für das Fahrgefühl in einer amerikanischen Limousine vgl. Cadillac Seville Diesel, 68f. Der Golf, der 285 Liter im Jahr weniger verbraucht als der Golf, 12. Ebd., 13. Vgl. ebd., 12f.; Eicker, Sparbüchse, 59; Hack, Rekord-Diesel, 42; Schuster/Sorgatz, Entwicklung, 124; VW bringt den Golf auch mit Dieselmotor, 3, 1 1 . Vgl. Der Golf, der 285 Liter im Jahr weniger verbraucht als der Golf, 13; Hack, Rekord­ Diesel, 42; Röthig, Trendmacher, 29; Volkswagen Rabbit Diesel (Car and Driver Juni 1977), 87-92.

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Reports bemängelte das Motorengeräusch im Wageninneren, das insbeson­ dere beim Kaltstart und Leerlauf wesentlich lauter als bei einem vergleichba­ ren Auto mit Ottomotor sei. Andere urteilten, der Dieselmotor sei im Golf insgesamt gesehen nicht lauter als der Ottomotor, dafür durchaus anders. 1976 wurde die Besonderheit hervorgehoben und betont, "this difference could weil become a distinctive and proud badge of high economy rather than an irritant to be suppressed. "57 Das Dieselnageln konnte somit als Indikator für ein sparsames Auto fungieren und der Umwelt klar machen, der Wagen­ halter sei ein sozial verantwortungsvoller Autofahrer, der insbesondere in Krisenzeiten den nationalen Ölverbrauch senken wollte. Bei der Geräusch­ wahrnehmung zeichnete sich gegen Ende der 1 970er Jahre somit zunächst ein Wandel der Rationalitätsfiktionen ab. Wie sparsam wiederum ein Diesel im direkten Vergleich sein konnte, un­ termauerte der Golf Diesel bei Testfahrten eindrucksvoll. Der Diesel ver­ brauchte mit 6,8 Litern im Schnitt zwei Liter weniger als sein Pendant mit l , l -Liter-Ottomotor. Obgleich die Kombination mehrerer Faktoren zur ein­ deutig positiven Beurteilung des Golf Diesel beitrug, fiel der geringe Kraft­ stoffverbrauch am stärksten ins Gewicht, wie folgende Aussage in der ADAC Motorwelt belegt: "Wir kennen kein Auto, das bei gleichen Fahrleistungen und gleicher Transportkapazität so wenig Kraftstoff verkonsumiert wie die­ ser Diesel-Golf."58 Mit einem Tankvolumen von 45 Litern resultierte daraus eine theoreti­ sche Reichweite von ca. 650 km, was gerade nachts in ländlichen Gegenden von Vorteil war, wo um diese Uhrzeit oft kein Dieselkraftstoff getankt wer­ den konnte 59 Aber auch in den USA, wo oftmals weite Strecken zwischen den einzelnen Dieseltankstellen zurückgelegt werden mussten, war das äu­ ßerst vorteilhaft. Dort nannte Road & Track sogar eine theoretische Reich­ weite von bis zu 550 Meilen, da der Wagen bei den von der Zeitschrift durch­ geführten Verbrauchsmessungen durchschnittlich nur 5,5 Liter pro 100 Kilo­ meter (43 mpg) verbraucht hatte. In den EPA-Testzyklen schnitt der Golf Diesel sogar noch besser ab; im EPA-Highwayzyklus konsumierte er 4,5 Li­ ter (52 mpg) und im Stadtzyklus 6,4 Liter (37 mpg).60 Das zeigt erneut, dass Autos in den standardisierten Testzyklen der amerikanischen Umweltschutz­ behörde weitaus weniger Kraftstoff verbrauchten, als das unter realen Gege­ benheiten möglich war. Nach den EPA-Zyklen war der Volkswagen Golf Diesel das verbrauchsgünstigste Auto in den USA. Eine größere Reichweite erhöhte die Unabhängigkeit, da man weniger Tankstellen aufsuchen musste.

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Ludvigsen, VW's Rernarkable Small-Car, 3 1 . Der Golf, der 285 Liter im Jahr weniger verbraucht als der Golf, 13. Vgl. ebd. Für eine ähnliche Argumentation vgl. Eicker, Sparbüchse, 60; Röthig, Trend­ macher, 29. Vgl. Volkswagen Rabbit Diesel (Road & Track 1977), 50, 52.

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Die "Gretchenfrage"61 beschäftigte sich allerdings nicht mit dem Ver­ brauch, der zweifellos als sehr niedrig eingestuft wurde, sondern mit der Rentabilität. Da der Aufpreis für den Golf Diesel bei 1 .250 DM lag und bei 1 5.000 Jahreskilometern die jährlichen laufenden Kosten um 226 DM niedri­ ger waren62, dauerte es 5 l-2 Jahre, bis sich eine Amortisierung des höheren Kaufpreises einstellte. Bei 30.000 Jahreskilometern erreichte der Besitzer die Schwelle schon nach 2 % Jahren. Für durchschnittliche Autofahrer war der Golf Diesel eher unrentabel, wohingegen sich bei Vielfahrern durchaus ein Profit einstellen konnte. Eine genaue Kalkulation war 1976 allerdings noch nicht möglich, da unklar war, wie sich der Wiederverkaufswert bei dem Mo­ dell entwickeln würde 63 Diesen Faktor beeinflusste die Zuverlässigkeit ei­ nes Motors maßgeblich und eben diese musste sich erst im Praxisbetrieb zei­ gen 64 Außerdem war zu berücksichtigen, dass die Preisentwicklung an den Zapfsäulen keineswegs eindeutig prognostiziert werden konnte und folglich einen weiteren Unsicherheitsfaktor darstellte. Ein Blick auf die Preise für Normalbenzin und Dieselkraftstoff zwischen 1970 und 1980 offenbart, dass nur im Jahr 1978 Diesel im Jahresdurchschnitt billiger war als Normalbenzin. Erst 1981 änderte sich die Preisrelation und Dieselkraftstoff war pro Liter im Schnitt ca. zehn Pfennig billiger als Benzin 65 Außerdem musste das indivi­ duelle Fahrverhalten mitberücksichtigt werden, verloren die Diesel doch bei höheren Geschwindigkeiten einen Großteil ihres Verbrauchsvorteils gegen­ über einem Auto mit Ottomotor. Aus diesen Gründen konnte der Journalist Gert Hack lediglich über den Verbrauch urteilen und "dieser ist attraktiv ge­ nug, die Diesel-Version den benzingetriebenen Golf-Modellen vorzuzie­ hen. "66 Der Golf Diesel war nach seiner Meinung damals also "der wirt­ schaftlichste vollwertige Personenwagen" 67

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63

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66 67

Der Golf, der 285 Liter im Jahr weniger verbraucht als der Golf, 13. Berechnungsgrundlage hierfür waren eine gegenüber einem Golf mit 1 , l-Liter-Ottomo­ tor um 58 DM höhere jährliche Kraftfahrzeugsteuer, ein Literpreis von 89 Pfennig für Benzin und 86 Pfennig für Diesel. Vgl. ebd., 13f. Vgl. ebd. Zur Rentabilitätsrechnung für die Schweiz vgl. Volkswagen Golf Diesel, 17. Der Wiederverkaufswert hing u.a. von der Langlebigkeit ab. Hier schnitt der Golf Die­ sel zumindest bei einem 100.000 km Härtetest der Auto Zeitung gut ab. V gl. Rekord­ Diesel, Auto Zeitung 5 (1977), 12-24; Rekord-Diesel, Auto Zeitung 6 (1977), 20-35; Rekord-Diesel, Auto Zeitung 7 (1977), 54-68. 1978 berechnete Aral, dass sich der Auf­ preis von nun 1 .500 DM für den Diesel nach 85.000 km wirtschaftlich rechnete. Vgl. Korp, Schall, 270. Vgl. Five Super-Economy Subcompacts, 32. Vgl. www.mwv.de/cms/front_content.php?idcat=14&idart=64. Der Mineralölwirt­ schaftsverband gibt die Preise in Cent an. Hier wurde der Cent-Betrag in Pfennig umge­ rechnet. Hack, Rekord-Diesel, 42. Ebd.

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Letztlich war unklar, ob in Europa die Rentabilitätsrechnung aufging. Genauso unsicher wurde 1978 die Situation in den USA eingestuft, da die Kraftstoffkosten insbesondere wegen der lokal variierenden Preise für Diesel nur ungenau kalkuliert werden konnten 68 Demnach ließ sich weder in Deutschland noch in den Vereinigten Staaten genau bestimmen, ob sich der Golf Diesel tatsächlich rentierte. Die Kombination von geringem Kraftstoff­ verbrauch, ansprechender Fahrleistung und angenehmem Laufgeräusch des Motors bewerteten die Fahrer dagegen klar positiv. Der Golf bot aber ein paar weitere Überraschungen, die ihn in seinen Eigenschaften an einen Benzin-Pkw anglichen. Der Golf Diesel konnte, wie auch der luxuriöse Mercedes 300 D, einfach mit dem Zündschlüssel vorge­ glüht und gestartet werden. Um den Motor anzulassen, musste der Fahrer den Zündschlüssel in die Vorglühstellung drehen, ihn dort - abhängig von der Außentemperatur - 30 bis 60 Sekunden halten und dann weiterdrehen. In der Tat unterschied sich der Diesel beim Starten und Abstellen kaum noch von seinen Konkurrenten mit Ottomotor 69 Gerade das Vorglühen blieb für Ame­ rikaner aber weiterhin eine unbeliebte und zeitraubende Tätigkeit. Die Größe der damit verbundenen Unannehmlichkeit hing stark vom geographischen Standort ab. Im warmen Kalifornien dauerte die Prozedur gerade 1 5 Sekun­ den und war somit weniger störend als im kalten Minnesota, wo durchaus bis zu 50 Sekunden vorgeglüht und damit entsprechend lang der Zündschlüssel in der Position gehalten werden musste 70 Die amerikanischen Fahrer waren beim Golf Diesel also weitaus mehr involviert, als sie es von einem Auto mit Ottomotor gewohnt waren. Insgesamt gesehen war der Golf Diesel jedoch selbst für einen Dieselneuling einfach zu bedienen, was Road & Track mit der Aussage, "only a real twit would have trouble changing over to the Rabbit Diesel"7!, kommentierte. Die durchweg positive Rezeption blieb keineswegs auf Deutschland be­ schränkt, vielmehr zeigten sich die Testfahrer der amerikanischen Zeitschrif­ ten ebenfalls begeistert. Selbst Consumer Reports, die weitaus mehr Kritik am Diesel äußerte als die Automobilzeitschriften, stufte den Golf wegen sei­ nes niedrigen Verbrauchs und seines guten Fahrverhaltens als den Kompakt­ wagen ihrer Wahl ein n Im Unterschied zu Deutschland fallt aber in den USA die stärkere Gewichtung der Fahrleistung gegenüber einem sparsamen 68 69

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71 n

Vgl. Five Super-Economy Subcompacts, 32. Vgl. Der Golf, der 285 Liter im Jahr weniger verbraucht als der Golf, 13; Eicker, Spar­ büchse, 59; Fersen, VW Diesel, 39; Hack, Rekord-Diesel, 38ff.; Hofbauer, Dieselmotor, 265; Röthig, Trendmacher, 28; VW bringt den Golf auch mit Dieselmotor, 1 1 . Vgl. Five Super-Economy Subcompacts, 33; Volkswagen Rabbit Diesel (Road & Track 1977), 50. Bei den Oldsmobile Dieselwagen musste der Zündschlüssel, im Unterschied zu den europäischen Modellen, nicht in der Vorglühstellung gehalten werden. Vgl. Ro­ datz, Delta 88, 48. Volkswagen Rabbit Diesel (Road & Track 1977), 50. Vgl. Five Super-Economy Subcompacts, 34.

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Kraftstoffverbrauch bzw. Umgang mit den Erdölreserven auf. Das manifes­ tierte sich in Road & Track an folgender Aussage: " ,This diesel drives like a car ! ' At last !"73 In Deutschland verhielt es sich genau umgekehrt. Dort wurde der geringe Kraftstoffverbrauch stärker akzentuiert. Es war also wich­ tiger, dass es sich beim Golf Diesel um eine "Sparbüchse"74 handelte, die ,,285 Liter im Jahr weniger verbraucht als der Golf [mit Ottomotor, c.N.]" 75 Anfangs sagten die Prognosen für den Golf zunächst einen Dieselanteil von drei Prozent für 1976, fünf Prozent für 1977 und langfristig von zehn Prozent voraus 76 1975 gingen die Marketingstrategen bei Volkswagen selbst von einem Dieselanteil zwischen fünf bzw. maximal zehn Prozent aus. Be­ reits 1978 wurde aber beinahe jeder zweite Golf mit einem Dieselmotor ver­ sehen. Damals war durchaus klar, dass ein reines Wirtschaftlichkeitsdenken den Dieselboom nicht verursacht hatte. Vielmehr war es Volkswagen von technischer Seite gelungen, die Trägheit und die lästigen Motorengeräusche soweit zu beseitigen, dass der Golf Diesel von seinen Fahreigenschaften at­ traktiv erschien.77 Sicherlich darf die Bedeutung des Golf Diesel für die USA nicht unter­ schätzt werden. Doch rein von seinen Verkaufszahlen konnte der Golf Diesel nicht die Masse der amerikanischen Autofahrer erreichen, handelte es sich hierbei doch um ein importiertes Auto und nicht um ein amerikanisches Fab­ rikat. Folglich musste erst ein amerikanischer Hersteller einen Diesel-Pkw anbieten, damit Dieselautos einer größeren Öffentlichkeit zugänglich wur­ den. Wann genau dies der Fall war, wurde unterschiedlich interpretiert. 1981 rekapitulierte die Zeitschrift Motor Trend ,,[t]he modern-day mating of the diesel engine and the American passenger car took place in 1978."78 Dieses Jahr wurde gewählt, weil die Produktions- und Verkaufszahlen der amerika­ nischen Dieselautos damals stark angestiegen waren. Car and Driver datierte "the day America entered the Diesel Age"79 dagegen auf den 24. August 1977, somit auf den Tag als der erste Diesel-Pkw aus amerikanischer Produk­ tion, ein Oldsmobile Ninety-Eight Regency, die Fabrik in Lansing, Michigan, verließ. Egal welches Datum nun gewählt wird, fest steht, dass sich mit dem Markteintritt von GM in der US-amerikanischen Bevölkerung die Rationali­ tätsfiktionen zu den Dieselmotoren wandelten. Bis zu dem Zeitpunkt kannten die Amerikaner Dieselmotoren in der Regel als Motoren von Lastwagen und

73 74 75 76 77 78 79

Volkswagen Rabbit Diesel (Road & Track 1977), 52. Eicker, Sparbüchse, 58. Der Golf, der 285 Liter im Jahr weniger verbraucht als der Golf, 1 1 . Vgl. Meffert, Marketing (1986), 629. Vgl. Hack, Diesel, Diesel über alles, 39; VW. Wachstum durch Diesel, 64-68. Nagy, GM, 20. Sherman, Oldsmobile Diesel, 55.

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Fahrzeugen im Baugewerbe, wie von den Herstellern Caterpillar und Peter­ bilt 80 Nach Produktionsbeginn durchzog die USA im Jahr 1978 eine Debatte über die Zukunft der Motorentechnologie. Die Zeitgenossen verglichen sie mit der Situation in den 1930er Jahren, als Ford den V8-Motor eingeführt und Chevrolet beim Sechszylindermotor verharrt hatte. General Motors ging davon aus, dass mittelfristig wegen des Flottenverbrauchs die großen, typisch amerikanischen Autos nur angeboten werden könnten, wenn auf Dieseltech­ nologie gesetzt würde 8t Zu dem Schluss war ebenfalls eine Studie gekom­ men, die unter der Kooperation des Department of Transportation (DOT), der EPA, der Energy Research and Development Administration (ERDA) , der Federal Energy Administration (FEA) und der National Science Founda­ tion sowie des Department of Commerce, des Department of Defense, dem Department of Labor und der NASA entstanden war und sich mit dem Flot­ tenverbrauch in den USA auseinandersetzte 82 Ein zentrales aus der Arbeit abgeleitetes Ergebnis sagte aus: "Dieselizing the fleet keeps America's big cars on the highway, which pleases buyers, seilers and the safety establish­ ment."S3 Die Prognosen führten sogar zu einer weiterreichenden Neubewertung der Diesel, denn - so die Zeitschrift Car and Driver 1978 - der klassische Gedanke vom Geld sparen sei zu eindimensional. Ohne einen sparsamen Dieselmotor würden die Amerikaner die Möglichkeit, große Autos zu fahren, verlieren und wären zum Umsteigen auf Kleinwagen bzw. mittelgroße Wa­ gen gezwungen. Das bedeutete, die Käufer hatten die Wahl zwischen "a con­ ventional gnome Nash or a full-size Diesel, and suddenly 'payback' takes on a totally different meaning."84 Ähnlich hatte Consumer Reports bereits 1976 die Situation beurteilt und eine größere Verbreitung der Diesel-Pkw wegen ihres Potenzials propagiert, weil sich damit der Rohölverbrauch erheblich senken lasse: The potential benefits in fuel conservation - not to mention dollar savings for consu­ mers - are so great that CU85 thinks the Govemment, auto manufacturers, and oi! COffi­ panies should do what's necessary to make diesel engines and diesel fuel cornmou­ place. 86

Da gerade Full Size Cars bei Oldsmobile die Geschäftsgrundlage darstellten, war es nur die logische Folge, insbesondere bei dieser GM-Marke auf den Dieselmotor zu setzen, um zukünftig wettbewerbsfahig zu bleiben. Zumal 80 81 82 83 84 85 86

Vgl. Lamm, Oldsmobile Delta 88 Royale, 63. Vgl. Knight, Mileage, KIf. Vgl. Mandel, Looking-Gas, 78. Ebd. Mandel, Life, 66. Consumers Union, C.N. The Diesel Engine. A Status Report, 575.

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der Käufer eines Oldsmobile ohnehin nicht übermäßigen Wert auf eine ext­ rem schnelle Beschleunigung legte, eignete sich der Diesel besonders für die Oldsmobile Limousinen.87 Da der Dieselmotor über die gleichen Transferstraßen wie die V8-0tto­ motoren lief, war es finanziell möglich, das Experiment mit 100.000 Einhei­ ten pro Jahr zu starten 88 Diese Zahl entsprach den Produktionskapazitäten für das Jahr 1978. Zunächst plante General Motors, in den beiden großen Oldsmobile Modellen Delta Eighty-Eight und Ninety-Eight ab dem Modell­ jahr 1978 eine Dieseloption anzubieten. Später sollte das Dieselangebot auf Pick-up Trucks und Autos anderer GM-Marken ausgeweitet werden. Ehe die GM-Dieselwagen jedoch offeriert werden konnten, bedurfte es einer erhebli­ chen Vorlaufzeit. Der Dieselmotor war das Ergebnis eines dreijährigen For­ schungsprojektes der als experimental division bekannten GM-Marke Olds­ mobile 89 Die Mitarbeiter von Oldsmobile hatten selbst vorgeschlagen, ei­ nen Benzinmotor in einen Dieselmotor umzubauen, und überzeugten die Konzernführung davon, sie mit der Entwicklung des Projektes zu betrau­ en 90 Da die Ingenieure von Oldsmobile nicht auf vorhandene Lehrbücher oder bisherige Erfahrungen zurückgreifen konnten, wählten sie als Ausgangs­ basis einen V8-0ttomotor mit 5,7 Litern Hubraum und entschieden sich aus technischen Gründen für das Vorkammersystem als Verbrennungsprinzip 91 Bevor allerdings ein einsatzbereiter Motor zur Verfügung stand, mussten zahlreiche technische Hürden überwunden werden. Der erste von einem Ot­ tomotor abgeleitete Dieselmotor lief nur dreißig Minuten, ehe er auseinan­ derbrach. Die frühen Motoren wiesen mehrere Probleme auf. Sie klopften laut, rauchten und hatten ein sehr schwaches Drehmoment. Außerdem fielen sie regelmäßig buchstäblich auseinander, weil die Kolben versagten oder auch der ganze Motorblock einfach auseinanderbrach. Nach mehr als drei Jahren Forschung und Entwicklung gelang es, die Fehler zu beheben, und der erste funktionstaugliche Pkw-Dieselmotor von General Motors war einsatz­ bereit.92 Der so konstruierte 5,7-Liter-V8-Dieselmotor erreichte eine maximale Leistung von 122 PS (120 bhp) bei 3 .600 Umdrehungen pro Minute und ein

87 88 89 90 91 92

Vgl. Leyrer, Schiffsdiesel, 84; Ludvigsen, Oldsmobile Diesel, 85; Frey, Dueling Diesels, 27. Vgl. Sherman, Oldsmobile Diesel, 55f. Vgl. Volti, Cars, 93. Vgl. Ludvigsen, Oldsmobile Diesel, 85. Vgl. Lamm, Oldsmobile Delta 88 Royale, 65; Oldsmobile 98 Diesel, 54; Sherman, Oldsmobile Diesel, 56f. Vgl. Lamm, Oldsmobile Delta 88 Royale, 63f.; Leyrer, Schiffsdiesel, 86; Ludvigsen, Generation, 92; Ludvigsen, Oldsmobile Diesel, 86f.; Sherman, Oldsmobile Diesel, 55f. Weitere Details zur Umwandlung eines Ottomotors in einen Dieselmotor finden sich bei Callahan, Olds Diesel, 13; Olds Dieselizes the 350 V-8, 39.

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Drehmoment von 298 Nm (220 Ib.-ft.) bei 1 .600 U/min 93 Der V8-Dieselmo­ tor verbrauchte weniger Kraftstoff als die angebotenen V6- und V8-0ttomo­ toren94 und übertraf in seiner Motorleistung sogar den 3,8-Liter-V6- und den 4,3-Liter-V8-0ttomotor. Auch versprach der Motor mit seinen acht Zylin­ dern eine hohe Laufruhe und galt überdies als langlebig 95 In der Tat schien sich GM bei der Gestaltung der Motorcharakteristika an den von Automotive Engineering genannten Richtlinien orientiert zu haben. Der Datenblattdis­ kurs zeigt auf, dass der Wagen von seinen technischen Spezifikationen lauf­ ruhig, verhältnismäßig sparsam und ausreichend motorisiert war. Der Dieselmotor beschleunigte den Oldsmobile Delta Eighty-Eight in 14,4 Sekunden von 0 auf 60 mph. Das galt zwar nicht als übermäßig schnell, doch übertraf der Diesel von General Motors damit alle anderen bis dahin auf dem US-Markt erhältlichen Dieselfahrzeuge von Mercedes, Peugeot und Volkswagen.96 Insbesondere in Südkalifornien, wo Mercedes Diesel über­ proportional stark vertreten waren und auch die Modelle von Peugeot und Volkswagen anzutreffen waren, galt: "Smoking off these cars at stoplights (literally and figuratively) has become a favorite pass-time for lucky Olds owners. "97 Die Viertelmeile legte der Olds in knapp über 20 Sekunden mit einer Geschwindigkeit von 69 mph zurück. Als Höchstgeschwindigkeit ka­ men die Fahrer auf maximal 93 mph. Aufgrund der Leistungsmerkmale konnte problemlos in Schnellstraßen eingefadelt werden, selbst an Steigun­ gen behielt der Diesel seine Zugleistung 98 Da das Verbrennungsgeräusch bei den Dieselmotoren bekanntlich lauter war als bei den Ottomotoren, brachten die Oldsmobile Ingenieure mehr Däm­ mungsmaterial am Armaturenbrett und an der Innenseite der Motorhaube an. Das senkte das Motorengeräusch im Wageninneren auf ein angenehmes Ni­ veau ab 99 In der Tat zeigten sich die Testfahrer überrascht, als der Motor nach dem Vorglühen ansprang, und sie in der Fahrerkabine nur wenig vom dieseltypischen Nageln hörten. Die Beurteilung wandelte sich jedoch ins Ne­ gative, sobald man den Wagen verließ oder dem Diesel als Passant gegen­ überstand; dann war das nagelnde Verbrennungsgeräusch des Dieselmotors unverkennbar zu vernehmen. Der Fahrer und andere Wageninsassen beka­ men davon nur wenig mit. Die von Road & Track durchgeführten Geräusch93 94 95 96 97 98

99

Vgl. Hack, Diesel (1987), 260; Lamm, Oldsmobile Delta 88 Royale, 65; Sherman, Oldsmobile Diesel, 60. Durchschnittlich lieferte ein GM-Dieselmotor ca. 25 Prozent mehr miles per gallon als ein Ottomotor. V gl. Lamm, Oldsmobile Delta 88 Royale, 65. Vgl. ebd.; Sherman, Oldsmobile's New V-8 Diesel, 74. Vgl. Lamm, Oldsmobile Delta 88 Royale, 65. Ethridge, Olds Delta 88 Diesel, 39. Vgl. ebd.; Hack, Großdiesel. 48-53; Lamm, Oldsmobile Delta 88 Royale, 65; Leyrer, Schiffsdiesel, 88; Oldsmobile 98 Diesel, 56; Road Test. Olds Diesel and Pontiac Cata­ lina, 208; Sherman, Oldsmobile Diesel, 58. Vgl. Oldsmobile 98 Diesel, 54.

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pegelmessungen bestätigten, wie leise der Oldsmobile Diesel in der Fahrer­ kabine war. Im Leerlauf wurden 50 dBA gemessen, wohingegen der Merce­ des 450 SEL einen Lärmpegel von 53 dBA erreichte. Insgesamt gesehen war das Motorengeräusch beim Oldsmobile Ninety-Eight Diesel bei 30, 50 und 70 mph leiser als beim Mercedes 450 SEL.!OO Den Konstrukteuren bei Oldsmobile war es also gelungen, den Motoren­ lärm zu reduzieren. Das stuften die Fahrer als äußerst wichtig ein, galt doch gerade in luxuriösen Autos von General Motors ein hörbares Motorenge­ räusch als "The Original Sin" 101 Von der Laufkultur erreichte der Oldsmo­ bile Dieselmotor nach Einschätzung von Auto Motor und Sport durchaus den amerikanischen Standard. Nachbarn und Passanten waren weitaus weniger bereit die Aussage zu teilen, blieb doch der Oldsmobile Diesel aus ihrer Per­ spektive eine unüberhörbare Lärmbelästigung l02 Auch bei den Abgasemissionen war die Haltung zum Oldsmobile Diesel ambivalent. Gerade der sichtbare Abgasqualm wurde als Ärgernis begriffen. Deswegen konnten die Besitzer eines Pkw mit Ottomotor nur schwer davon überzeugt werden, dass die Dieselabgase trotz ihrer Sichtbarkeit durchaus sauberer waren als die unsichtbaren Wolken von Benzinmotoren lO3 Vor al­ lem beim Beschleunigen mit durchgedrücktem Gaspedal blies der Oldsmo­ bile Diesel große schwarze Rußwolken aus dem Auspuff. Für die Rauchent­ wicklung war aber nicht allein der Motor, sondern auch zu einem guten Teil die einfach konstruierte Einspritzpumpe der Firma Stanadyne verantwortlich. Die Pumpe besaß weder eine automatische Luftdruckkorrektur, was zu einer rußenden Verbrennung führte, sobald der atmosphärische Druck vom auf die Meereshöhe bezogenen Normaldruck abwich, noch einen genau definierten Anschlag für die Einspritzmenge.104 Von diesen Unannehmlichkeiten blieben die Fahrer gleichwohl verschont, ließ das Auto die Rußwolken beim Fahren doch hinter sich. Der typische Dieselgeruch wurde genauso gut wie das Mo­ torengeräusch von der Fahrerkabine abgeschottet.105 Sicherlich kam durch die im Zuge der Ölkrise gestiegenen Kraftstoffkos­ ten dem AspektjUel economy in den USA ein bisher nicht gekanntes Gewicht zu. Gleichzeitig wurde eine Verbrauchsreduzierung aber auch vonseiten des

100 Vgl. Lamm, Oldsmobile Delta 88 Royale, 65; Oldsmobile 98 Diesel, 54ff. Ähnliche Ergebnisse lieferten die Geräuschmessungen der Zeitschrift Car and Driver. V gl. Sher­ man, Oldsmobile Diesel, 57, 60 101 Lamm, Oldsmobile Delta 88 Royale, 65. 102 Vgl. Hack, Großdiesel. 53; Lamm, Oldsmobile Delta 88 Royale, 65; Leyrer, Schiffsdie­ sel, 88; Oldsmobile 98 Diesel, 54ff.; Road Test. Olds Diesel and Pontiac Catalina, 209; Sherman, Oldsmobile Diesel, 57. 103 Vgl. Oldsmobile 98 Diesel, 56. 104 Vgl. Hack, Großdiesel. 53; Road Test. Olds Diesel and Pontiac Catalina, 208. 105 Vgl. Lamm, Oldsmobile Delta 88 Royale, 65; Oldsmobile 98 Diesel, 56; Road Test. Olds Diesel and Pontiac Catalina, 208.

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Gesetzgebers vorgeschrieben. 106 Zudem konnten die Fahrer mit einem Diesel die langen Warte schlangen an den Tankstellen, wie sie während der Ölkrise aufgetreten waren, geschickt umfahren und erbrachten mit dem verbrauchs­ günstigen Auto ihren individuellen Beitrag zum Energiesparen.107 Das Gefühl, das einem solch externe Einflüsse nichts anhaben konnten, wurde durch eine theoretische Reichweite von um die 600 Meilen noch zu­ sätzlich verstärkt - eine Folge des Tankvolumens von 103 Litern (27,3 Gallonen).lOS Die Bedeutung der Reichweite sollte in ihrer Tragweite nicht unterschätzt werden, denn im Westen der USA lagen Dieseltankstellen mit­ unter durchaus 380 bis 400 Meilen auseinander. Einige der in den USA ange­ botenen Dieselwagen konnten diese Strecken nicht mit einer Tankfüllung überbrücken. Insbesondere einen normalen Autofahrer stellte das vor erhebli­ che Schwierigkeiten. Ein routinierter Dieselfahrer wusste sich demgegenüber durch entsprechendes Improvisieren zu helfen.109 Was aber, wenn der Tank einmal ganz leer gefahren worden war? Um dieser Situation gewachsen zu sein, brauchte man schon einige Routine, da der Motor nicht gleich wieder ansprang, wenn Dieselkraftstoff nachgeschüttet wurde. Bei Mercedes-Benz musste ein Handhebel, welcher an der Kraftstoffpumpe befestigt war, betätigt werden, um die Kraftstoffleitungen zu entlüften. Noch einfacher war es bei Volkswagen, da sich die Leitungen automatisch entlüfteten, sobald der Fah­ rer den Starter betätigte. Wesentlich schwieriger war die Prozedur dagegen bei den V8-Dieselmotoren von GM, denn hier mussten die Kraftstoffleitun­ gen abmontiert und manuell entlüftet werden llO Gerade Letzteres war für unkundige Autofahrer zu diffizil. Also musste man sich auf die Suche nach einem Automechaniker machen. Wie es um die Rentabilität der GM-Diesel bestellt war, griffen die Zeit­ schriften ebenfalls auf. 111 Als Berechnungsgrundlagen für die Wirtschaftlich­ keit wurden die offiziellen Verbrauchsangaben der EPA herangezogen. Die Behörde ermittelte für den Delta Eighty-Eight einen Verbrauch von 1 l ,2 Li­ tern (21 mpg) im Stadtverkehr und von 7,8 Litern (30 mpg) auf dem High­ way, woraus sich ein durchschnittlicher Verbrauch von 9,8 Litern (24 mpg) ergab. Im Gegenzug verbrauchte ein Delta Eighty-Eight mit V8-0ttomotor 14,7 Liter ( 1 6 mpg) im Stadtzyklus und 1 l ,2 Liter (21 mpg) im Highwayzyk­ lus, also 1 3 , 1 Liter ( 1 8 mpg) kombiniert. Hierbei muss jedoch kritisch ange­ merkt werden, dass der tatsächlich im Straßenverkehr gemessene Kraftstoff­ verbrauch des Oldsmobile Diesel diese Werte deutlich übertraf. Nach Dar106 Vgl. Lamm, Oldsmobile Delta 88 Royale, 63. 107 Vgl. Sherman, Oldsmobile Diesel, 58. 108 Vgl. Lamm, Oldsmobile Delta 88 Royale, 65; Road Test. Olds Diesel and Pontiac Catalina, 209; Sherman, Oldsmobile Diesel, 58. 109 Vgl. Christy, Mercedes-Benz 300 CD, 45. 110 Vgl. Barlow, Diesel Car Book, 9. 1 1 1 Vgl. Sherman, Oldsmobile Diesel, 58.

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stellung von Consumer Reports verbrauchte der Oldsmobile Diesel im Stadt­ verkehr 17,8 Liter ( 1 3 ,2 mpg) und bei einer konstanten Geschwindigkeit von 55 Meilenlh 8,5 Liter (27,7 mpg). Consumer Reports beurteilte die Werte trotz der offensichtlichen Abweichung vom EPA-Verbrauch für einen Wagen dieser Gewichtsklasse als beeindruckend. Tab. 2: Kraftstoffverbrauch Oldsmobile Delta Eighty-Eight Royale mit Diesel- und Ottomotor EPA-City

EPA-

EPA-

Consumer

Consumer

Highway

Combined

Reports

Reports 55

City

mph

17,8 1/ 100 km

8,5 1/ 100 km

Oldsmobile Delta 88 Diesel

1 1 ,2 1/ 100 km

7,8 1/ 100 km

9,8 1/ 100 km

Oldsmobile Delta 88

14,7 1/ 100 km

1 1 ,2 1/ 100 km

13,1 1/ 100 km

-

-

Quellen: Lamm, Oldsmobile Delta 88 Royale, 65; Road Test. Olds Diesel and Pontiac Catalina, 209.

Damit die Autofahrer aber in den Genuss dieser Sparsamkeit kamen, mussten sie für den Oldsmobile Diesel einen Aufpreis von ca. 700 bis 900 Dollar ge­ genüber einer gleichwertigen Variante mit Ottomotor bezahlen. Der Preiszu­ schlag - egal nach welcher Berechnung - brachte für die Konsumenten jegli­ che Wirtschaftlichkeitsrechnung ins Wanken. Es gab nach Einschätzung von Road & Track durchaus Fälle, in denen bis zu 100.000 Meilen gefahren wer­ den mussten, ehe die Gewinnschwelle gegenüber einem Oldsmobile mit 4,3-Liter-Ottomotor erreicht wurde. Bei einer Lebensdauer von 100.000 bis 1 25.000 Meilen - genau wie die der Ottomotoren - war der Umstand umso kritischer.ll2 Für Consumer Reports stand daher 1978 fest, "we doubt that many people will be able to turn the diesel's good fuel mileage into an econo­ mic advantage"113, zumal es nach ihren Berechnungen im günstigsten Fall fünf Jahre dauerte, ehe der höhere Anschaffungspreis amortisiert war 114 So­ mit war der Oldsmobile Diesel - wie im folgenden Absatz gezeigt werden wird - für seinen Erstbesitzer keine rentable Investition. Die Wirtschaftlichkeit bei den Oldsmobile Dieselautos war daher selbst bei einem günstigeren Preis für Dieselkraftstoff als für Benzin in der Regel nicht gegeben. Anders gestaltete sich die Kalkulation bei den Dieselmodellen von Mercedes und VW. Aufgrund der Angebotsstruktur der Mercedes Mo­ delle in den USA konnte der Mercedes 220 D nicht mit dem Modell 220 1 1 2 Vgl. Oldsmobile 98 Diesel, 56; Road Test. Olds Diesel and Pontiac Catalina, 208. 1 1 3 Road Test. Olds Diesel and Pontiac Catalina, 208. 114 Vgl. ebd.

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verglichen werden. Dennoch ist es möglich zu konstatieren, dass Mercedes bei den Aufpreisen aus der Reihe fiel. In Deutschland musste für einen Diesel im Vergleich zum gleichen Modell mit Ottomotor ein Aufpreis bezahlt wer­ den. In den USA waren dagegen die Modelle 240 D und 300 D 1977 gegen­ über ihren als gleichwertig eingestuften Modellen 230 und 280 E um 134 bzw. 524 Dollar billiger. 115 Das "negative Premium" auf die Mercedes-Benz Dieselfahrzeuge war nach Darstellung des Herstellers eine Folge der günstigeren Produktionskos­ ten. Der Aufpreis für den Rabbit Diesel wurde 1978 mit 195 Dollar veran­ schlagt. Daraus ergab sich laut Car and Driver, dass die Rentabilitätsschwelle nach weniger als eineinhalb Jahren erreicht wurde - sofern die Verbrauchs­ zahlen der EPA als Kalkulationsbasis dienten, wenn also mit Verbrauchswer­ ten, die unter reellen Bedingungen nicht erreichbar waren, gerechnet wurde. Anders sah die Rechnung freilich aus, wenn Oldsmobile Modelle mit Ben­ zin- und Dieselmotor verglichen wurden. Nach Darstellung von Car and Dri­ ver dauerte es, wenn als Ausgangsbasis der V8-0ttomotor herangezogen wurde und der Besitzer jährlich 1 2.000 Meilen zurücklegte, ganze sechs Jahre, bis sich ein Oldsmobile Diesel tatsächlich rentierte. Da der durch­ schnittliche Fahrer alle drei Jahre einen Neuwagen kaufte, war der Oldsmo­ bile Diesel eigentlich erst für seinen Zweitbesitzer rentabel. Folglich bestand für die Mehrzahl der Fahrer bzw. Wagenbesitzer in den USA kaum eine Chance, mit einem Oldsmobile Diesel die Gewinnschwelle zu erreichen. 116 Wirtschaftliche Gründe können in den USA daher nicht die ausschlagge­ benden Faktoren für den Kauf eines Oldsmobile Diesels gewesen sein. Die Interessenten überzeugten vielmehr seine Fahreigenschaften, die in den Test­ berichten der Zeitschriften durchweg positiv beurteilt wurden. Nach ihren Testfahrten war die Zeitschrift Road & Track vollends überzeugt und urteilte: Yet, by putting a diesel in such an average sort of automobile, GM may have gone farther than any auto maker in bringing the diesel engine out of the c1üset. VW, Merce­ des and Peugeot can expect an owner willing to give a Httle here and a little there for the added advantages of a diesel. GM sacrifices some of the other models' fuel economy gains, but in doing so makes owning a diesel uo sacrifice at all. 1 I7

Selbst die im Vergleich zu den Automobilzeitschriften kritischere Consumer Reports favorisierte den Diesel-Pkw aus amerikanischer Produktion, weil er die Wünsche eines amerikanischen Autofahrers weitaus besser erfülle als die bis dahin erhältlichen Dieselwagen aus Europa 118 Zu einer ähnlichen Ein­ schätzung gelangte AutoWeek beim Vergleich zwischen einem Oldsmobile Diesel und einem Volkswagen Rabbit Diesel. "The 0 Ids is by far the most

115 116 117 118

V gl. Lamm, Oldsmobile Delta 88 Royale, 65. Vgl. Mandel, Traditional View, 68. Lamm, Oldsmobile Delta 88 Royale, 65. Vgl. Road Test. Olds Diesel and Pontiac Catalina, 208.

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'domesticated' of the two diesel cars"119, resümmierten die Testfahrer. Die Dieselautos waren also bis ca. 1977 in den USA noch immer nicht massen­ tauglich gewesen, doch das änderte sich mit dem Oldsmobile Diesel. Bevor jedoch verstärkt Dieselautos von GM abgesetzt werden konnten, musste der Hersteller die Produktionsprobleme mit den Motoren in den Griff bekommen. Bereits früh fiel GM mit der Dieselauslieferung immer weiter zurück und konnte die steigende Nachfrage nicht befriedigen. Schon im April 1978 stand fest, Oldsmobile würde sein Produktionsziel von ca. 50.000 Die­ selautos im Jahr 1978 nicht erreichen.12o Laut dem Ward's Automotive Year­ book stellte General Motors im Modelljahr 1978 insgesamt nur 36.663 Ein­ heiten Dieselautos her. Demgegenüber wurden im Modelljahr 1979 143.369 Dieselautos produziert.!2! Ein Zeitungsartikel berichtete 122, dass Oldsmobile seine Produktionspro­ bleme nicht bekannt gegeben habe und die Händler deshalb weiterhin Olds­ mobile Diesel verkauften. Der daraus resultierende Auftragsrückstand war eine direkte Folge des verfehlten Produktionsziels von General Motors. Die Motorenproduktion lag anfangs bei lediglich 50 statt der anvisierten 400 Ein­ heiten pro Tag. Mitte November 1977 gelang es, die Produktion zu verdop­ peln. Schließlich konnten ab Mitte Januar 1978 pro Tag 300 Motoren gefer­ tigt werden. Als Ursache für die niedrigere Tagesproduktion wurde auf Prob­ leme mit der Nockenwelle, die bereits während Testfahrten im Sommer 1977 aufgefallen waren, verwiesen. Auslöser waren, so GM-Ingenieure, die zu großen Abweichungen der Wellen von den vorgegebenen Spezifikationen. Infolgedessen konnte nur ein kleiner Anteil der Produktion überhaupt für die Dieselmotoren verwendet werden 123 Selbst als es GM gelang, die Produktionsprobleme in den Griff zu be­ kommen, und die Dieselautos immer positiver beurteilt wurden, blieb unklar, ob die amerikanischen Autokäufer das Produkt in großem Umfang annehmen würden. Die Indizien sprachen dafür, dass sich diesbezüglich bald ein Wan­ del vollziehen werde. Car and Driver war sich bewusst, "the Dieselizing of America will only work if enough people are behind the idea. "!24 Insbeson­ dere bei dem Punkt gab es aber noch immer keine eindeutigen Informationen.

1 1 9 Plegue, Comparison, 6. 120 Vgl. Elhridge, Olds Delta 88 Diesel, 39. 121 Vgl. Ward's Communication, Ward's Automotive Yearbook (1979), 112; Ward's Com­ munication, Ward's Automotive Yearbook (1980), 1 1 1 . 122 Eine genaue Datierung war aufgrund der Überlieferung in der National Automotive His­ tory Collection nicht möglich. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass der Arti­ kel zwischen Januar und Sommer 1978 publiziert wurde. 123 V gl. Ausschnitt eines Zeitungsartikel Tom Kleene, Engine Flaws Slow Delivery of Olds Diesel (ohne Datum), Detroit Public Library National Automotive History Collection, Oldsmobile 1977-1980, 1978, Oldsmobile, 1978 - Mise. Clippings. 124 Reader Survey. To Diesel or Not to Diesel, 79.

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Der Turbodiesel für den amerikanischen Dieselfahrer Der exklusiv für den US-Markt konstruierte Turbodieselmotor von Mercedes wurde erstmals 1978 in der S-Klasse Limousine 300 SD angeboten125 und steigerte die Beliebtheit der Dieselautos in den USA weiter. Die Markteinfüh­ rung wurde von einer Dieselkampagne begleitet, die mit den Rekordfahrten des Testwagens C III im italienischen Nardo im Jahr 1978 begann. Sie dien­ ten als Wegbereiter für den Serienstart der Turbodieselmotoren und sollten das Image vom trägen Dieselmotor endgültig beenden. Die Fahrten wurden weltweit vielfach rezipiert und galten als Zeichen der technologischen Über­ legenheit der Mercedes Diesel. In den USA ging die Kampagne mit einer sogenannten "Gross-Dieselsuche"126 weiter. Der Besitzer des ältesten Diesel­ autos und der Eigentümer des Dieselwagens von Mercedes mit der größten Kilometerleistung sollten jeweils einen neuen Mercedes-Benz 300 SD ge­ schenkt bekommen. 127 Der Schritt zur Turboaufladung war nach Aussage des Leiters der Motor­ entwicklung von Daimler-Benz, Kurt Obländer, unumgänglich, da nur so ein Dieselmotor bei nahezu gleichem Hubraum und Gewicht auf das Leistungs­ niveau eines Ottomotors gebracht werden könne 12s Mercedes-Benz versah den zuvor im Praxisbetrieb erprobten 3-Liter-Fünfzylindermotor mit einem Garrett AiResearch Turbolader. Zusätzlich wurden der Motorblock und ein­ zelne Bauteile weitreichend modifiziert, um weiterhin einen optimalen Be­ trieb zu gewährleisten. Bei der Überarbeitung des Motors reduzierten die In­ genieure das Motorvolumen von 3.005 cm3 auf 2.998 cm3, wodurch in Eu­ ropa eine geringere Steuer entrichtet werden musste. Das war insofern rele­ vant, da der 3-Liter-Dieselmotor ohne Turboaufladung dort ebenfalls angebo­ ten wurde. Eine Markteinführung des Turbodiesels in Deutschland war von Mercedes-Benz jedoch nicht vorgesehen 129 125 Vgl. Lamm, Inner Sanctum, 145. An dieser Stelle sei vermerkt, dass die Abkürzung TD nicht exklusiv für Turbodiesel stand, sondern für TransportlIouring Diesel. V gl. Knep­ per, Mercedes-Benz 300 TD, 84; Mercedes-Benz 300 TD (1979), 74f. In der Regel wurde das Wort Turbodiesel ausgeschrieben und befand sich als Schriftzug am Heck. Ein Überblick über die zwischen 1936 und 1981 produzierten Dieselautos von Merce­ des-Benz findet sich bei Nitske, Mercedes-Benz. 126 Behrendt, 300 SD Turbo Diesel, 35. 127 Vgl. ebd.; Faust im Nacken, 267ff.; Frore, Record-Breaking, 148ff.; Griffin, Speaking, 80; Hack, Ölprinz, 59f.; Mercedes-Benz C 1 1 1 Diesel Sets Records, 103-107; Neue Weltrekorde mit Mercedes-Benz Turbo-Diesel-Versuchswagen C 1 1 1 m, 309f.; Schritt­ macher, 10. 128 Vgl. Diesel unter Druck, 72. Für Details zur Abgasturboaufladung vgl. Scherenberg, Abgasturboaufladung, 479-486. 129 Vgl. Aus Forschung und Entwicklung (1977), 132; Hack, Ölprinz, 58-64. In Deutsch­ land war die Version mit reduziertem Hubraum ab 1979 u.a. im Modell 300 D erhält­ lich. Vgl. Hack, Diesel (1987), 289. Für Details zum Turbodieselmotor vgl. Ceppos, How It Was Done, 79; First Turbocharged Car Diesel, 27; Larmn, Inner Sanctum, 145f.;

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Die Motorleistung stieg durch technische Veränderungen beim alten kon­ ventionellen 3-Liter-Dieselmotor (3.005 cm3) von 80 PS auf 88 PS beim neuen Motor (2.998 cm3). Bei der Version mit Turboaufladung sprangen die Leistung auf 1 1 5 PS bei 4.200 U/min und das Drehmoment von 172 Nm auf 235 Nm bei 2.400 U/min.130 Mit diesen Leistungsdaten übertraf das Modell 300 SD nicht nur auf dem Papier das Basismode1l 300 D bei Weitem, sondern reichte an die direkten Mercedes Konkurrenten mit Ottomotor heran.l3l In den USA informierten Road & Track und Car and Driver ihre Leser, dass der neue Mercedes Turbodiesel in 12,7 bzw. 14,1 Sekunden von 0 auf 60 mph beschleunigte. Damit war der 300 SD 1978 das schnellste Dieselauto und galt somit als "the best diesel yet".132 Gleichzeitig legte er die Viertelmeile in 19,3 Sekunden und mit einer maximalen Geschwindigkeit von 73 Meilen zu­ rück. Trotz der guten Zeit für die Beschleunigung auf 60 Meilenlh, verdeckte die Zahl nach Darstellung in den Automobilzeitschriften das tatsächliche Leistungspotenzial des Typs 300 SD. Denn gerade beim Beschleunigen in mittleren Geschwindigkeiten, so die einhellige Meinung der Testfahrer, sei der 300 SD am beeindruckendsten und mache dadurch das Überholen und Beschleunigen für seinen Fahrer leicht.133 Obwohl der Mercedes 280 S, dessen Leistungscharakteristik als Richtli­ nie gedient hatte, nach wie vor das schnellere der beiden Autos war, stand nun nach dem Golf Diesel und Oldsmobile ein drittes Automobil zur Verfü­ gung, welches einem Benzin-Pkw ähnelte. ,,[DJer mythische Zauber von Beschleunigungswerten"134 erreichte spätestens jetzt die Diesel-Pkw. Der Leistungsvorsprung der Benziner gegenüber den Dieselwagen war merklich zusammengeschmolzen. Die Unterschiede beliefen sich nur noch auf wenige Sekunden oder manchmal sogar nur noch auf Zehntelsekunden. Ein weiteres Dieselmodell bediente somit gegen Ende der 1 970er Jahre die Rationalitäts­ fiktion des leistungsstarken Diesels. Zugleich verbrauchte der Wagen - ge­ messen an den EPA-Verbrauchstests - mit 9,0 Litern (26 mpg) sogar weniger als das ohnehin als sparsam bekannte, leistungsschwächere Modell 300 D, das nach den aktuellen Tests mittlerweile 9,4 Liter (25 mpg) Kraftstoff auf 100 km benötigte. 135

130 131 132 133 134 135

Mercedes Turbocharges Five-Cylinder Diesel, 40-45; Scherenberg, Abgasturboaufla­ dung, 479-486. Vgl. Hack, Diesel (1987), 289, 292. Vgl. Hack, Ölprinz, 64. Davis, Mercedes-Benz 300 SD, 75. Vgl. Behrendt, 300 SD Turbo Diesel, 35; Davis, Mercedes-Benz 300 SD, 75-78; Hack, Ölprinz, 62; Mercedes-Benz 300 SD, 142ff.; Szigethy, Diesel, 68f. Sachs, Liebe, 137. Vgl. Davis, Mercedes-Benz 300 SD, 77. Der Mercedes 300 SD verbrauchte im Stadt9,8 Liter (24 mpg), im Highwayzyklus 8,1 Liter (29 mpg) und kombiniert 9,0 Liter (26 mpg), wohingegen der 300 D auf einen Verbrauch von 10,7 Litern (22 mpg), 8,4 Litern (28 mpg) und 9,4 Litern (25 mpg) kam.

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Die Vermutung, Mercedes-Benz würde aufgrund der Kombination von beeindruckender Fahrleistung und geringem Verbrauch seine ganze Fahr­ zeugflotte "verdieseln", hielten die US-Autojournalisten allerdings für un­ wahrscheinlich. Vielmehr diene der Dieselmotor als Mittel zum Erreichen des Flottenverbrauchs. Außerdem sei noch immer unklar, inwieweit die Au­ tokäufer die Diesel annehmen würden. Deswegen sei eine komplette Umstel­ lung auf Dieselmotoren mit einem enormen Risiko behaftet. Prognosen gin­ gen um 1978 davon aus, dass 70 Prozent aller Autos von Mercedes Diesel sein müssten, um die für 1980 gültigen Verbrauchsbestimmungen überhaupt einhalten zu können l36 Trotz der Unklarheiten bei der zukünftigen Absatzentwicklung konnte der 300 SD im Marktsegment der Limousinen als Auto an sich, aber auch als Diesel bestehen: We like the car better than any other diesel we've ever driven. It combines the luxury, style, and good manners of the tried-and-true Mercedes S-c1ass sedan with a genuine breakthrough in automotive turbocharger technology and the anti-OPEC advantages of diesel power. It is a winner - an expensive winner, but a winner nonetheless. 137

Der Fahrer dieses Automobils leistete somit einen Beitrag in Richtung Unab­ hängigkeit vom OPEC-Öl und genoss gleichzeitig die überzeugenden Fahr­ leistungen. Der Mercedes 300 SD half, die positiven Rationalitätsfiktionen zu den Dieselautos weiter zu verbreiten. Mit einem Listenpreis von ca. 24.000 Dollar blieb der Turbodiesel der sozialen Schicht einkommensstarker Konsu­ menten vorbehalten.138 Nach Ansicht von Road & Track war das Dieselauto "the car of the rational intellectual" 139 Der Mercedes Turbodiesel entwickelte sich so zum Auto der New Yorker Kunsthändler und Lebemänner. Dieser Diesel wurde zum Auto für "die Schi­ cken und die Schönen, die Trendsetter also" 140 Die äußerst populäre Schau­ spielerin Jane Fonda präsentierte zudem 1979 in ihrem aktuellen Film The China Syndrome einen Volkswagen Golf Diese[141 Der Oldsmobile Diesel wurde als das Auto für den "durchschnittlichen Amerikaner", den man in al­ len Landesteilen finden konnte, begriffen. Die Dieselautos rückten mit der Einführung der exklusiven Mercedes Diesel, des kleinen Volkswagen Golf Diesel und der Oldsmobile Diesel in der zweiten Hälfte der 1 970er Jahre so­ mit endgültig ins Zentrum des automobilen Interesses. In unterschiedlichen Marktsegmenten erfuhren Autofahrer den Wandel bei den Fahreigenschaften 136 Vgl. Keldermann, Mercedes, 1 ; Mercedes-Benz 300 SD, 144. 137 Davis, Mercedes-Benz 300 SD, 77. Eine ähnliche Aussage findet sich in AutoWeek. Vgl. Plegue, Mercedes, H. 138 Vgl. Mercedes-Benz 300 SD, 144. 1980 lag der Preis bei ca. 30.000 Dollar. Vgl. Szigethy, Diesel, 68f. 139 Mercedes-Benz 300 SD, 144. 140 Rauh und laut, 172. 141 Vgl. ebd.

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der Diesel-Pkw und damit letztlich auch bei den Rationalitätsfiktionen. Die­ selautos und Benzin-Pkw näherten sich in ihrer Leistungsentfaltung und Handhabung aneinander an und infolgedessen wurden die Rationalitätsfiktio­ nen vom lahmen und lauten Diesel zusehends zurückgedrängt. Die Zeitschrift Car and Driver urteilte nicht zuletzt deswegen positiv über den Diesel und war sich 1980 sicher, "diesels are here to stay, their numbers are visibly in­ creasing, and yesterday's weirdness is simply today's common sense."142

Die Tragweite der externen Faktoren: Dieselkraftstoff und zweite Ölkrise Die technischen Verbesserungen führten also dazu, dass sich die Dieselautos in der Handhabung an die Modelle mit Ottomotor anglichen und sich beide Autotypen immer weniger unterschieden. Die Veränderungen betrafen das Auto selbst. Die Komposition des Dieselkraftstoffs wurde dagegen nicht ver­ bessert, was mehrere Probleme für die Fahrer eines Dieselautos aufwarf. Ei­ nes betraf die schlechten Starteigenschaften der Diesel bei extrem kalten Au­ ßentemperaturen. Folglich mussten sowohl der Kraftstoff als auch das Dieselauto auf ext­ reme äußere Bedingungen speziell ausgelegt sein. In den Bedienungsanlei­ tungen der Mercedes Diesel-Pkw fand sich ein Hinweis, dass Dieselkraftstoff bei kalten Temperaturen dickflüssig würde. Das hing mit der Paraffinbildung, d.h. der Bildung auskristallisierter Kohlenwasserstoffe, bei niedrigen Tempe­ raturen zusammen. Es formten sich kleine Nadeln, die den Kraftstofffilter und die -leitungen verstopften und so den Motor stilllegten. In diesem Fall musste das Auto entweder in eine warme Halle geschoben oder auf eine güns­ tigere Witterung gewartet werden, ehe der Wagen wieder ansprang.143 Je nach Jahreszeit boten die Mineralölgesellschaften daher verschiedene Sorten von Dieselkraftstoff mit unterschiedlichen cloud points (Trübungs­ punkten) an, d.h. Temperaturschwellen, bei denen sich feste Teilchen bilden. Sommerdieselkraftstoff war von April bis September verfügbar und hatte sei­ nen kritischen Bereich bei ungefähr null Grad Celsius. Die Eigenschaften von Winterdiesel gewährleisteten dagegen bis ca. minus 15 Grad Celsius, dass der Kraftstoff flüssig blieb. Die verspätet einsetzende Bildung von Par­ affinkristallen wurde mittels Zugabe eines Additivs erreicht. Da sich in der Übergangszeit im Herbst zunächst Sommer- und Winterdiesel im Tank der Autos vermischte, riet der AD AC Dieselfahrern, sofern sie während dieser Jahreszeit wenig Kilometer zurücklegten, sie sollten lieber an Tankstellen mit großem Umsatz bzw. nur kleine Mengen tanken. So stellten sie sicher, dass

142 Knepper, Mercedes-Benz 300 TD, 83. 143 Vgl. Schruf, Diesel, 77.

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ausschließlich Winterdiesel in den Tank gelangte. Wenn die Temperaturen unter minus 1 5 Grad fielen, sollten allerdings noch weitere Fließverbesserer, wie Petroleum oder Normalbenzin, zugefügt werden. Bis zu einer Tempera­ tur von minus 25 Grad blieb Winterdiesel flüssig, wenn 30 Prozent Normal­ benzin beigemischt wurde. Unter noch extremeren Bedingungen gewährleis­ tete nur noch Petroleum die Betriebsfahigkeit der Autos, wobei jedoch nicht mehr als 50 Prozent zugeführt werden durften. Das Verhältnis Diesel zu Ben­ zin durfte maximal 70 zu 30 betragen, da ansonsten die Zündwilligkeit zu stark abfiel und Kaltstartprobleme auftraten, so Obländer, der Leiter des Per­ sonenwagen-Motorversuchs bei Daimler-Benz.l44 Die Dieselautos blieben bei kalten Temperaturen dennoch relativ häufig liegen, weshalb die Automobilzeitschriften ihre Leser in regelmäßigen Ab­ ständen über die Probleme informierten und den Dieselfahrern immer wieder ins Gewissen riefen, diesbezüglich aufzupassen. So berichtete der ADAC im November 1985, dass im Januar Dieselfahrzeuge vermehrt bei Temperaturen von ungefahr minus 20 Grad liegengeblieben waren. Das änderte sich 1985, als BMW und Citroen eine elektrische und Daimler-Benz und Peugeot eine kühlwasserbeheizte Kraftstoffvorwärmung des Filters anboten. Beide Varian­ ten zielten auf das Gleiche und verhinderten ein Auskristallisieren des Kraft­ stoffs durch den kalten Fahrtwind. 145 Im Winter 1987/88 meldete der ADAC, dass Shell erstmals Dieselkraftstoff mit einer Kältefestigkeit bis zu minus 22 Grad anbot. Andere Mineralölkonzerne, wie Agip, Aral und Esso, zogen hier nach und garantierten Kältefestigkeit bei ähnlichen Temperaturen. In den fol­ genden Wintern wurde die Winterfestigkeit des Dieselkraftstoffs noch weiter verbessert, was die Anzahl der Zwischenfalle in dieser Jahreszeit erheblich zurückgehen ließ 146 Neben dem Problem, dass in beiden Ländern bei kalten Temperaturen schnell die Freude am Dieselauto verfliegen konnte, nannten die amerikani­ schen Zeitschriften noch weitere Punkte, die dagegen in Deutschland nicht explizit angeführt wurden. Zunächst beurteilten in den USA die Ölgesell­ schaften die Zukunftschancen der Dieselautos unterschiedlich und richteten daran ihre jeweilige Strategie aus. Nach Einschätzung von Car and Driver lagen bei Standard Oil of California keine Pläne vor, wie bei einem steigen­ den Dieselabsatz genügend Dieselkraftstoff produziert werden konnte. Dem144 Vgl. Brieter, Liter, 56ff.; Schruf, Diesel, 77. Die Cetanzahl (CZ) gibt Auskunft über die Zündwilligkeit des Dieselkraftstoffs. Der limitierende Faktor lag bei der CZ 35 von Normalbenzin; Superbenzin war mit einer CZ von 30 noch weitaus ungeeigneter. Rei­ nes Diesel kam um das Jahr 1978 auf eine CZ von 45. Die Zugabe eines Benzinanteils von 30 Prozent führte zu einem geringfügigen Leistungsverlust und unter Teillast zu einem härteren Verbrennungsgeräusch. Der Kraftstoffverbrauch steige dagegen nicht an, hieß es 1978. 1985 widersprach dem der ADAC, welcher explizit auf den damit verbunden Anstieg hinwies. 145 Vgl. Brieter, Liter, 56ff. Für ähnliche Argumente vgl. Ein eiskalter Tip, 52-56. 146 Vgl. Endlich kältefester, 86f.; Kälteprobe meist bestanden, 74f.; Winterhilfswerk, 208.

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gegenüber war Mobil als weitere Ölgesellschaft sehr wohl auf den neuen Trend vorbereitet und besaß Pläne, um die Produktion von Dieselkraftstoff auszuweiten.147 1977 wurden aus einem Barrel Rohöl durchschnittlich 50 Prozent zu Ot­ tokraftstoff und lediglich zehn Prozent zu Dieselkraftstoff umgewandelt. R. K. Stone, senior stajf engineer von Chevron Research, das zu Standard Oil of California gehörte, erläuterte, dass selbst bei einem Dieselanteil von 20 Prozent bereits 1977 genügend Kapazitäten zur Verfügung standen, um einen steigenden Absatz von Dieselkraftstoff zu decken. Somit merkte Car and Driver kritisch an, dass nach Meinung von Chevron Research keine großen Investitionen notwendig seien, um eine steigende Nachfrage zu befriedigen. Nach Darstellung von Stone konnte Dieselkraftstoff jederzeit mit Benzin ge­ mischt und so die Menge an verfügbarem Diesel kostengünstig erhöht wer­ den.148 In dem Interview wird vom Mitarbeiter der Ölgesellschaft aber nicht darauf eingegangen, dass sich das Mischen negativ auf die Kraftstoffqualität, wie eine niedrigere Cetanzahl, auswirkt. Außerdem gebe es nach Stones Ansicht keine Probleme mit der Lage­ rung und dem Transport von Dieselkraftstoff, was weitere Investitionen eben­ falls unnötig machte. Die Zeitschrift Diesel Car Digest149 war dagegen weit­ aus skeptischer, ob der Transport und die Lagerung von Dieselkraftstoff wirklich so problemlos möglich waren, da Wasser und Ablagerungen die prä­ zisen Kraftstoffpumpen und Düsen beschädigen konnten. Daher wurde emp­ fohlen, dass die Lagertanks stets gut gefüllt sein sollten, um eine Feuchtig­ keitskondensation zu minimieren. Gleichzeitig wurde nahegelegt, mehrere Filter einzubauen. Durch die Maßnahmen würden für Tankstellen hohe In­ vestitionen anfallen, wenn sie Diesel als weiteren Kraftstoff anboten, da nicht 147 Vgl. Mandel, Looking-Gas, 72. 148 Vgl. ebd., 72ff. Bei Benzin handelt es sich um ein Leichtdestillat, dass bei Temperatu­ ren zwischen 100 und 425 Grad Fahrenheit abgeschieden wird; bei Diesel um ein Mit­ teldestillat mit einer Siedetemperatur zwischen 425 und 700 Grad Fahrenheit. Die schweren Destillate mit höheren Siedepunkten wurden zu Schiffsdiesel und Industrie­ ölen verarbeitet. V gl. ebd., 72. Eine interessante weiterführende Forschungsfrage könnte thematisieren, ob die US- Ölkonzerne den Anteil von Dieselkraftstoff durch Ver­ mischung mit Benzin tatsächlich erhöhten. Das ist insofern relevant, da dadurch die Qualität des Dieselkraftstoffs erheblich abgefallen wäre und so zur negativen Wahrneh­ mung der Dieselautos beigetragen haben könnte. Außerdem wäre ein Vergleich zwi­ schen europäischen Raffinerien und nordamerikanischen ein weiteres wichtiges For­ schungsvorhaben. 149 Hierbei handelte es sich um die Zeitschrift Diesel Car Digest. Ihe Quarterly Journal 0/ the Light Duty Diesel, die speziell auf Diesel-Fans abzielte. Die erste Ausgabe erschien im Jahr 1976. Wann sie wieder eingestellt wurde, konnte nicht genau nachvollzogen werden. In der Library of Congress waren von der zweiten Ausgabe bis 1981 alle Hefte vorhanden. Allerdings begann die Zeitschrift erst relativ spät Autos ausführlich zu tes­ ten. Aus diesem Grund und der Tatsache, dass keine grundlegend neuen Informationen präsentiert wurden, wird die Zeitschrift hier nicht öfter angeführt.

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nur diese Vorsichtsmaßnahmen berücksichtigt werden müssten, sondern auch zusätzliche Pumpen und Tanks überhaupt erst einmal bei vielen Tankstellen installiert werden mussten.150 Die Feuchtigkeitskondensation war beim Die­ selkraftstoff wesentlich wahrscheinlicher als bei Benzin. Im halbgefüllten Benzintank verdampfte der Kraftstoff zu Benzindämpfen, weshalb im Tank dementsprechend wenig Luft enthalten war. Dieselkraftstoff verdunstete da­ gegen weitaus schlechter, weswegen sich in einem halbgefüllten Tank viel Luft befand und dort Wasser auskondensierte und so in den Kraftstoff ge­ langte.l5l Bei Dieselkraftstoff sollte ferner eine lange Lagerung vermieden werden, da sich in überirdischen Dieseltanks bei einer Temperatur von ca. 16 bis 2 1 Grad Celsius (60 bis 70 Grad Fahrenheit) eine grün-schwarze Ablage­ rung bildete, die aufgrund des enthaltenen Schwefelwasserstoffs wie ver­ faulte Eier stank. Sie sammelte sich am Boden des Tanks, wo der Dieselkraft­ stoff auf das abgelagerte Wasser traf. Sollte die Ablagerung in den Tank des Autos gelangen, dann verstopfte sie die Kraftstofffilter und das Auto musste in die Werkstatt gebracht werden. Wenn sie sogar bis zur Kraftstoffpumpe oder den Einspritzdüsen vordrang, dann wurden die Düsen beschädigt. Deren Reinigung war zwar möglich, aber extrem aufwendig und teuer 152 Dieselkraftstoff besaß aber durchaus einen Vorteil, der die Sicherheit be­ traf. Im Vergleich zu Benzin ist Diesel wesentlich schwerer entflammbar und daher bei Unfallen ein weniger gefahrlicher Brandherd. Interessanterweise thematisierten die deutschen und amerikanischen Automobilzeitschriften diesen Sachverhalt kaum. In Roger Barlows Diesel Car Book wurde dagegen dem Leser explizit mittels Bildern vermittelt, wie schwer sich Dieselkraft­ stoff entzündet. Dort wurden Unfille mit Spielzeuglastwägen und -autos mit ausgelaufenen Tanks nachgestellt. Wenn nun ein brennendes Streichholz das Benzin der Personenwagen berührte, so entzündete sich das sofort. Demge­ genüber konnte ein Streichholz in die Dieselölpfütze gelegt werden, ohne dass sich ein größeres Feuer bildete.153 Die mit dem Dieselkraftstoff verbundenen Probleme für die Konsumen­ ten und die Ölgesellschaften bzw. Tankstellen rückten jedoch in den Hinter­ grund, als die zweite Ölkrise über die USA und Deutschland hereinbrach. Die New York Times berichtete am 5. Mai 1979, dass sich vor kalifornischen Tankstellen lange Schlangen gebildet hätten. Bei einer Tankstelle im Groß­ raum Los Angeles hätten bereits um acht Uhr morgens 60 Autos angestanden. In anderen Teilen Kaliforniens gab es ähnliche Bilder, nachdem sich dort bei Autofahrern ebenfalls Panik breitgemacht hatte. Die gasoline lines waren mitunter sogar bis zu einer halben Meile lang. Viele Autofahrer konnten die 150 151 152 153

Vgl. Mandel, Looking-Gas, 72ff. Vgl. Barlow, Diesel Car Book, 48. Vgl. ebd., 49; Nerpel, Diesel Fue!, 24. Vgl. Barlow, Diesel Car Book, 47. Ein kurzer Hinweis findet sich auch bei Hack, Diesel (1987), 148f.

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Warteschlangen an den Tankstellen nicht umgehen, da sie Benzin brauchten, um täglich zur Arbeit fahren zu können. Kevin Borg wies jüngst darauf hin, dass schon 1963 76 Prozent aller US-Amerikaner mehr als eine Viertelmeile pro Tag zur Arbeit pendelten. Davon fuhren wiederum 82 Prozent mit dem Auto. Die Abhängigkeit vom Auto war gleichzeitig auch in anderen Berei­ chen angewachsen. So verwendeten US-Bürger den Pkw, um einzukaufen, auszugehen oder in den Urlaub zu fahren. Zudem wussten die Autofahrer, viele - wenn nicht sogar alle - Tankstellen könnten am Wochenende ge­ schlossen bleiben. Während sie warteten, machten einige frustrierte Autofah­ rer ihrem Unmut Luft, indem sie gegen Tankstellenbesitzer gewalttätig wur­ den 154 Der Versorgungsengpass an den Tankstellen resultierte zum Teil aus den US-Raffineriekapazitäten. Die meisten Raffinerien waren darauf ausgerich­ tet, das leichte iranische Rohöl zu verarbeiten, weshalb aus dem schwereren Ersatzrohöl, wie z.B. aus Alaska, nicht genauso viel Benzin wie zuvor produ­ ziert werden konnte. Die Engpässe waren gerade in Kalifornien besonders stark ausgeprägt, weil die dortigen Kraftstoffvorräte schon vor Beginn der Krise knapp gewesen waren. Zudem schien es, als ob alle Fahrzeuge des Bundesstaates auf einmal an den Tankstellen auftauchten, nachdem zuvor Berichte über eine Versorgungskrise in den Medien zirkuliert waren. Die Si­ tuation in den USA verschärfte sich durch staatliche Eingriffe noch weiter. In einigen Bundesstaaten war es z.B. nur erlaubt, Kraftstoff für fünf Dollar zu tanken, wodurch die Autofahrer häufiger nachtanken mussten und sich da­ durch zusätzliche Schlangen bildeten. 155 Als Reaktion auf die Krise konnte in Kalifornien ab dem 9. Mai 1979 Kraftstoff an ungeraden Tagen nur von Besitzern eines Wagens mit einer un­ geraden Zahl und an geraden Tagen mit einer geraden Zahl auf dem Num­ mernschild gekauft werden. Das wurde als ",odd-even' gasoline distribu­ tion"156 bezeichnet und sollte die Warteschlangen verkürzen. Am 3 1 . eines Monats konnte jeder Wagenbesitzer nachtanken, um nicht die Halter eines Wagens mit ungerader Nummer zu bevorzugen. Es war ebenfalls vorge­ schrieben, dass jeder Kunde, der die Bedingung erfüllte, an der Tankstelle bedient werden musste, sofern sein Tank weniger als bis zur Hälfte gefüllt war. Die Regelung galt für 9,8 Millionen der 1 5 Millionen kalifornischen Autobesitzer in den Bezirken Orange, San Diego, Los Angeles, Ventura im

154 Vgl. Borg, Auto Mechanics, 121; Lindsey, Califomia, 1 1 . Ähnliches findet sich in der Auto Zeitung. Vgl. Redepenning, Arnerika, 10-13. Zur Berichterstattung über die zweite Ölkrise im Spiegel vgl. Der Traum von Freiheit wird zum Alptraum, 7{j-77; USA. Die Leute drehen durch, 132ff.; Wir müssen sparen, sparen, sparen, 38-55. Für ähnliche Berichte über Zwischenfalle an Tankstellen vgl. Walsh, Carter, A12; Cummings, Sus­ pect, 27. 155 Vgl. ebd., 69lff. 156 Turner, Califomia, A17.

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Süden Kaliforniens und Marin, Contra Costa, Alameda, Santa Clara und So­ noma im Norden des Bundesstaates. Von der Maßnahme waren also alle gro­ ßen Siedlungsgebiete Kaliforniens betroffen - außer San Mateo County und der Stadtbezirk San Francisco 157 In anderen Teilen des Landes gab es ebenfalls Versorgungsengpässe mit Benzin. Am 29. Mai 1979 berichtete die New York Times, 85 Prozent der Tankstellen im Großraum New York seien am Vortag wegen der Kraftstof­ fengpässe geschlossen gewesen. An den geöffneten Tankstellen bildeten sich Warte schlangen mit durchaus 30 bis 40 Wagen. Im Juni 1979 entwickelten sich die Schlangen an den Tankstellen in der US-Hauptstadt Washington, D.C. von einem Wochenendproblem zu einem Dauerzustand 158 Die Warte­ schIangen waren nicht die einzige Auswirkung der Ölkrise, denn zeitgleich kam es zu einem sprunghaften Anstieg der Kraftstoffpreise um 109 Prozent zwischen 1978 und 198 1 . In Europa nahmen sie dagegen nur um 22 Prozent zu 159 Gegen Ende Juni 1979 verschwanden in Kalifornien die Warte schlangen an den Tankstellen zunächst wieder, doch hinterließen sie einen bleibenden Eindruck bei der US-amerikanischen Bevölkerung.16o Mit der Rückkehr der langen gas lines, kam das "nightmare of 1973"161 zurück ins Bewusstsein der Menschen und beeinflusste deren Verhalten nachhaltig. Auch in Deutschland setzte um das Jahr 1979 ein Trend zu sparsameren Autos ein. Der Golf Diesel wurde als "ausgesprochenes Sparmobil"162 be­ zeichnet, schließlich war er äußerst verbrauchsgünstig und galt als "die beste Empfehlung [ ] , wenn es um langfristiges Sparen"163 ging. Die gesellschaft­ lichen Folgen der zweiten Ölkrise blieben nicht auf das Auto beschränkt, wie dies im Jahr 1980 die Titelgeschichte des Spiegels Die jetten Jahre sind vor­ bei schilderte. Zu dem Zeitpunkt erreichte Deutschland eine Mineralölknapp­ heit, die Ölpreise stiegen, eine erneute Weltwirtschaftskrise setzte ein und in der deutschen Bevölkerung machte sich eine negative Stimmung breit, denn wirtschaftlicher Wohlstand war nach der Einschätzung vieler Bundesbürger mit einer sorgenfreien Rohölversorgung verknüpft.l64 In Deutschland war die Krise 1981 nicht überstanden 165 Zur beginnen­ den Urlaubs saison zog der Preis für Benzin um mehr als 20 Pfennig pro Liter an und im Sommer 1981 lag der Preis für einen Liter Benzin bei 1 ,50 DM. . . .

157 158 159 160 161 162 163 164 165

Vgl. ebd. V gl. McCombsNalentine, Gas Crunch, Al, A5. Vgl. Altshuler u.a., Future, 47; Flink, Automobile Age, 390. Vgl. Hollie, Gas Lines,Al, D9. Yergin, Prize, 691. Leyrer, Liter, 32. Ebd., 36. Vgl. Die fetten Jahre sind vorbei, 32-47. Für Hintergründe zum Preisanstieg beim Kraftstoff vgl. Dollar im Tank, 6lff.

3.2 Eine kurzweilige Begeisterung für das Dieselauto?

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Der Spiegel berichtete von zahlreichen Vorfallen, bei denen Kunden an Tank­ stellen vorfuhren, ihre Autos betankten und, ohne zu bezahlen, wieder ver­ schwanden. Laut dem Spiegel könne das, was sonst als "Kleinkriminalität" gehe, nun schon beinahe als "Notwehr"l66 bezeichnet werden. Selbst der Fahrer eines Mittelklassewagens musste jetzt ungefahr 100 Mark pro Tank­ füllung bezahlen. Die Verteuerung traf "eine Nation, die sich wie kaum eine andere in Europa als ein einig Volk von Autofahrern und Autofans versteht"167, hart. Andere europäische Länder, wie Frankreich, Österreich und Italien, blieben vom Preisanstieg aber keineswegs verschont.168 Energiesparen und eine Reduzierung der Abhängigkeit vom OPEC-Öl wurden folglich auch in Europa erneut zum gesellschaftlichen Kredo erhoben. Die Dieselautos er­ schienen hier als Ausweg. Die Knappheit von Benzin und der Preissprung bei den Kraftstoffkosten waren zwei der Gründe, wieso der Dieselabsatz von 1980 auf 1981 um ca. 70 Prozent anstieg 169

3.2 EINE KURZWEILIGE BEGEISTERUNG FÜR DAS DIESELAUTO? Der erste Dieselboom in Deutschland, 1976-1986 Der sprunghafte Anstieg des Dieselabsatzes in Deutschland von vier Prozent im Jahr 1976 auf zunächst 8,1 Prozent 1980 sowie 14,4 Prozent und 15,1 Prozent in den beiden darauffolgenden Jahren lässt sich ohne die Berücksich­ tigung der höheren Preise an den Zapfsäulen nicht erklären. Zunächst vergrö­ ßerte sich die Preisdifferenz zwischen Normalbenzin und Diesel im Jahres­ mittel. 1980 war Diesel mit einem Preis von durchschnittlich 58,4 Cent170 pro Liter um 0,5 Cent teurer als Normalbenzin, das für 57,9 Cent verkauft wurde. 1981 ging die Schere auf und Diesel war um 5,1 Cent billiger; der Preis lag bei 65 Cent bzw. 70,1 Cent für Benzin. Von 1982 bis 1984 schloss sich die Preisschere wieder und Dieselkraftstoff war im Jahresmittel nur noch um 0,9 Cent, 2,2 Cent und 1 , 1 Cent billiger.l71 Für den Verband der Automo­ bilindustrie (VDA) war der Dieseleinbruch von 1982 auf 1983 daher ein In­ diz, wie sehr der Dieselabsatz "an die Entwicklung der Kraftstoffpreise 166 167 168 169 170

Sprit-Schocker für die Nation, 26. Ebd., 27. Vgl. ebd. Vgl. Energiesparen, 119. Der Mineralälwirtschaftsverband hat die Kraftstoffpreise vor der Einführung des Euros zum 1 . Januar 2002 von Pfennig bzw. DM in Cent umgerechnet. Der Schritt ist vermut­ lich erfolgt, um Vergleiche vor und nach der Währungsumstellung zu erleichtern. Die­ ser Tatsache ist hier die Verwendung von "Cent" geschuldet. 171 V gl. www.mwv.de/cms/front_content.php?idcat=14&idart=64; Kraftfahrt-Bundesamt, Mitteilungen (1995), 36.

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3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

gekoppelt"l72 war. Doch neben den wirtschaftlichen beeinflussten gleicher­ maßen technische, politische und kulturelle Faktoren die Absatzentwicklung beim Diesel-Pkw. In der zweiten Hälfte der 1 970er Jahre verloren die Diesel "ihr Image als Taxi-und Bauernmotoren" und waren"als treibstoffsparende Vernunftautos"173 bei Autokäufern beliebt. Die deutschen Automobiljournalisten lobten in die­ sem Zeitraum die Sparsamkeit und die Umweltfreundlichkeit der Dieselautos beinahe ausnahmslos. Diesel emittierten schließlich "in Wahrheit jedoch nach heutigen Erkenntnissen das am wenigsten gesundheitsschädliche Ab­ gas"174, so Gert Hack in seinem 1981 erschienen Buch zum Diesel-Pkw. Die Öffentlichkeit sah dies wegen der rußenden und stinkenden Abgase noch im­ mer weitaus ambivalenter, denn die "oft kohlrabenschwarze[nl Rußfah­ nen"175 der langsamen Dieselautos seien laut der Auto Zeitung kaum zu über­ sehen. Bei der Bewertung der Diesel spielte dieses Monitum aber kaum eine Rolle. Weitaus stärker hoben die Artikel hervor, die sparsamen Diesel würden die knappen Rohölreserven schonen. Das beruhte primär auf der individuel­ len Einschätzung der Autofahrer, denn nach volkswirtschaftlichen Kalkulati­ onen waren die Einsparmöglichkeiten nur minimal. Nach Berechnungen des Leiters der Aral-Forschung, Günter H. Seidel, brächte ein Anwachsen des Dieselanteils auf acht Prozent am Fahrzeugbestand im Jahr 1990 lediglich einen um 0,5 Prozent geringeren Kraftstoffverbrauch als 1978, wo vier Pro­ zent aller zugelassenen Pkw-Modelle mit Dieselmotor liefen. Letztlich wür­ den nach der Kalkulation durch eine stärkere Verbreitung der Dieselautos nur 0,2 Prozent an Rohöl gespart l76 Dieselbesitzer galten in den Augen der Öf­ fentlichkeit um 1 978179 gleichwohl als energie- und umweltbewusst sowie als wohlhabend genug, um sich einen teureren Dieselwagen kaufen zu kön­ nen l77 Nicht zuletzt die technischen Verbesserungen der Jahre zuvor hatten diesen Wandel überhaupt erst ermöglicht. Wirtschaftlich motiviert kann in dieser Zeit die Entscheidung für einen Diesel dagegen oftmals nicht gewesen sein, wie dies die Kostenkalkulationen

172 Verband der Automobilindustrie, Jahresbericht (1984), 14. 173 Möser, Geschichte, 232. 174 Hack, Diesel (1981), 58. Bis zur dritten Auflage des Buches 1987 änderte sich nichts an der Aussage. Vgl. Hack, Diesel (1987), 60. 175 Rodatz, Grenzen, 26. 176 Vgl. ebd. Bereits 1977 wurde auf Dieselautos als Möglichkeit, die Rohölreserven zu strecken, verwiesen. Hier hieß es, der zu erwartende Effekt werde zwar als minimal eingestuft, doch sei der Schritt begrüßenswert, da bei den sich verknappenden Ö lreser­ yen jeder noch so kleine Schritt getan werden müsse. V gl. Der Sparverein, 42. 177 Vgl. Öltanker, 84f. Ähnlich beurteilte dies die Auto Zeitung mit folgender Aussage: "Wer Diesel fahrt, ist ,in'. gilt als überaus energie- und umweltbewußter Zeitgenosse und zudem noch als gut genug betucht, um anstelle eines vergleichsweise preisgünsti­ geren Benziners eine aufpreisbeladene Diesel-Kutsche zu chauffieren." V gl. Alle Diesel im Examen, 42.

3.2 Eine kurzweilige Begeisterung für das Dieselauto?

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der Automobilzeitschriften aufzeigen. Nach Darstellung der Auto Zeitung von 1978 benötigte ein Golf Dieselfahrer bei 15.000 Jahreskilometern sechs Jahre, ehe der höhere Kaufpreis amortisiert war. Ähnliche Kalkulationen er­ gaben sich bei den Mercedes Diesel-Pkw. Beim Mercedes 300 D mit 80 PS und dem als gleichwertig eingestuften Modell Mercedes 200 mit 94 PS dau­ erte es mit in dieser Wagenklasse typischen 25.000 Jahreskilometern 13 Jahre, bis sich der Diesel tatsächlich rentierte l78 Ungeachtet der Einwände begann 1978 die "Krankheit, die sich als ,Die­ sel-Fieber' über die ganze automobile Welt ausbreitet. "179 Die Aussage Hacks thematisiert zwar auch die nach wie vor skeptische Haltung zum Dieselauto, doch hatte mittlerweile unverkennbar ein Wandel eingesetzt. So galt es mitt­ lerweile auch in Deutschland "geradezu als schick, mit einem D auf dem Heck herumzufahren."180 Seit die Diesel-Pkw in den USA als Statussymbol etabliert waren, wurde dieser Imagewandel zusehends in den deutschen Me­ dien rezipiert und auch bei der Bewertung der Diesel übernommen. Die Die­ selautos waren 1978 also nicht nur "salonfähig", sondern galten nun sogar als "Prestigeobjekt"181 und "Zeichen sozialer Noblesse" 182 Als Synonym für den bereits gestiegenen Dieselabsatz wurde in Deutschland vielfach der Golf Diesel angesehen, denn bisweilen bestellten die Konsumenten bis zu 45 Pro­ zent aller Golf Modelle mit Dieselmotor. Diese Begeisterung für den Golf Diesel hatte keine Prognose vorausgesehen.183 Dabei gilt zu berücksichtigen, dass in Deutschland erstmals 1981 mehr Dieselautos von Volkswagen als von Mercedes-Benz zugelassen wurden. Letztlich dominierten beide Hersteller den Dieselmarkt in Deutschland bis 1989. Bis 1980/81 stellten sie sogar mehr als 80 Prozent der Dieselneuwagen und bis 1985 immerhin noch mehr als 50 Prozent 184

178 Vgl. Rodatz, Grenzen, 26f. Bis 1979 änderte sich kaum etwas an der Rentabilitätsrech­ nung. Noch immer galt es als äußerst unwahrscheinlich, dass Fahrer mit einer Jahreski­ lometerleistung um die 1O.0ü0 km den Dieselmehrpreis amortisieren konnten. Vgl. Preuckschat, Diesel, 30ff. 179 Hack, Diesel, Diesel über alles, 39. 180 Ebd. 1 8 1 Ebd. 182 König, Trend, 46. 183 Vgl. Hack, Diesel, Diesel über alles, 39; Warten lohnt nicht, 80. 184 In Auto Motor und Sport wird der Anteil 1981 mit 82 Prozent angegeben. Vgl. Schwar­ zer Markt, 103-106. Das weicht etwas von den in Verkehr in Zahlen genannten Zulas­ sungszahlen ab. In Relation zu den Zahlen des Kraftfahrtbundesarntes ergibt sich 1981 ein Dieselanteil von 75,7 Prozent. Das kann dadurch erklärt werden, dass Verkehr in Zahlen nicht jedes VW-Modell explizit nach Einheiten mit Otto- und Dieselmotor auf­ gliedert. Aus diesem Grund wurden in die Kalkulation lediglich die Modelle aufgenom­ men, die eindeutig zugeordnet werden konnten. Hierzu gehörten der Golf, der Passat und der Jetta.

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3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

Grafik 2: Dieselneuzulassungen von Mercedes-Benz und Volkswagen in Einheiten (links) und ihr Anteil in Prozent (rechts) am Dieselmarkt, 1974-1989 250000

200000

150000

100000

100%



\\

90%

80%

70%

60% _Mercedes-Benz

\ r-. f1

50%

Einheiten _Volkswagen Einheiten

40%

I...... •

50000

- Mercedes-Benz Prozent

30% Volkswagen Prozent

20%

10%

1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989

Quellen: Eigene Berechnungen unter Verwertung von Daten aus Kraftfahrt-Bundesamt, Mitteilungen (1995), 36 ; Verband der Deutschen Automobilindustrie, Tatsachen und Zahlen (1974-1990).

Neben den beiden marktbeherrschenden Dieselherstellern weitete sich das Angebot an Dieselautos sukzessive aus. 1979 listete Auto Motor und Sport alle erhältlichen Diesel-Pkw auf und testete sie auf ihre Praxistauglichkeit. Der Test offenbarte, dass weiterhin einige Dieselautos existierten, deren Fahreigenschaften weitaus weniger begeisterten als die Charakteristika des Golf Diesel. Das schlug sich dann in der Regel auch in den Zulassungszahlen nieder. Bei diesen Wagen wurden die altbekannten negativen Eigenschaften der Diesel kritisiert: das laute Motorengeräusch, die spürbaren Vibrationen und die lahme Beschleunigung. Zum Beispiel fiel der Ford Granada Diesel in diese Rubrik I85 Im Jahr 1980 entfielen bei 40.037 in Deutschland verkauften Ford Granada Modellen lediglich 446 Stück auf die Diesel; das entsprach ei­ nem Dieselanteil von 1 , 1 1 Prozent I86 1981 waren es mit 733 zugelassenen Ford Granada Diesel Einheiten nur unwesentlich mehr I87 Demgegenüber 185 V gl. Öltanker, 84-94. Die Autofahrer konnten z.B. zwischen einem Audi 100 5 D, ei­ nem Peugeot 504 GLD, einem Citroen CX 2500 D, einem Fard Granada 2,1 D, einem Mercedes 200 D, einem Volvo 244 DL D6, einem Fiat 132 2500 D, einem Peugeot 304 GLD, einem Opel Rekord 2.3 D, einem Opel Ascona 2.0 D, einem Oldsmobile Delta 88 Diesel sowie einem VW Golf D und einem Passat LD wählen. 186 V gl. Konzertierte Aktion, 58. 187 Vgl. Ries, Nachbrenner, 194.

3.2 Eine kurzweilige Begeisterung für das Dieselauto?

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waren 1980 von 137.193 in Deutschland verkauften Golf Modellen 35.603 mit einem Dieselmotor vom Band gelaufen, was einem Dieselanteil von ca. 26 Prozent entsprach 188 Ein weiterer Grund trug ebenfalls zum anhaltenden Trend zum Diesel bei. Um 1981 wurden den Dieselautos völlig neue Eigenschaften zugeschrie­ ben. So fühlten sich die Fahrer eines Diesels in ihrem Automobil "sicher und geborgen" .189 Außerdem wurden die Autos "als krisensichere Geldanlage immun gegen die Drohgebärden der Ölscheichs, ausgleichend gegen den Druck der staatlichen Steuerschraube und geschont bei den Preiserhöhungen der Ölkonzerne,,190 angesehen. Die Rationalitätsfiktion der Sparsamkeit kam den Dieselautos jetzt besonders zugute. Zwischenzeitlich sah es jedoch so aus, als könnte der Dieselboom nur ein kurzweiliges Phänomen sein, denn die Rationalitätsfiktionen vom relativ laufruhigen und zuverlässigen Diesel kamen unter Druck. Der Auslöser war der Verkaufsschlager Golf Diesel. Um seine Leistung an die Pkw mit Otto­ motor weiter heranzuführen, wurde der Hubraum des Dieselmotors 1980 auf 1 ,6 Liter vergrößert. Mit dieser Umstellung erhöhten sich zwar die Motor­ leistung auf 54 PS bei 4.800 Umdrehungen und das Drehmoment auf 102 Nm bei 2.000 U/min, aber die Golf Dieselfahrer äußerten sich zusehends kriti­ scher über den Wagen.191 Sie empfanden das Motorengeräusch nicht so ange­ nehm wie beim vorherigen 1 ,5-Liter-Dieselmotor 192 Das kompensierte der niedrige Verbrauch zumindest zum Tei1193, gleichwohl verstärkte sich die Kritik zusätzlich, als auch die Zuverlässigkeit des Motors infrage gestellt wurde. Laut ADAC Motorwelt kam es zu etlichen Motorschäden, weil die Zylinderköpfe nicht richtig angezogen worden waren, weshalb durch feine Risse in den Zylinderköpfen Öl ins Kühlwasser eindrang. Von Oktober 1980 an schraubte VW die Zylinderköpfe besser fest, ab April 1981 wurde eine verbesserte Zylinderkopfdichtung eingeführt und das Problem war vollends behoben. Beim Diesel gab es zudem zahlreiche Reklamationen wegen un­ dichter Wasserpumpen und gerissener Ausgleichsbehälter. Ende 1980 wurde daher die Kühlmittelpumpe in überarbeiteter Form angeboten und später folgten robustere Ausgleichsbehälter.194 Die Probleme bei den VW-Dieselmotoren spiegeln sich ebenfalls in der ADAC-Pannenstatistik wider. Zugleich wurde in der Statistik verglichen, ob die Modelle mit Ottomotor oder die Wagen mit Dieselmotor zuverlässiger waren. Im Jahr 1981 zeigte sich, dass beim Baujahr 1980 der Golf mit Otto-

188 189 190 191 192 193 194

Vgl. Vitamin D, 220. König, Trend, 43. Ebd. Vgl. Hack, Diesel (1987), 358. Vgl. Scbröder, Gefragter denn je, 32ff. Vgl. Das sparsamste Auto der Welt, 34. Vgl. Latz, Diesel besser als Benziner, 58.

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motor mit 10,0 Pannen pro 1 .000 zugelassenen Wagen schlechter als sein Gegenüber mit Dieselmotor abschnitt, der auf 8,5 Pannen kam. Beim Mo­ delljahr 1979 kehrte sich das allerdings um. Hier war der Diesel mit 17,0 Pannen unzuverlässiger als sein Ruf; der Benziner kam auf 16,2 Pannen. Wenn man sich die Probleme im Detail ansieht, dann lag beim Benziner das größte Problem bei der Lichtmaschine mit 0,9 bzw. 1 ,7 Pannen bei den Bau­ jahren 1979 bzw. 1980. Der Motor machte dagegen nur bei 0,9 bzw. 1 ,0 Au­ tos Schwierigkeiten. Demgegenüber gab es beim Golf Diesel drei kritische Bauteile in der Reihenfolge; Motor, Zylinderkopfdichtung und Einspritz­ pumpe. Sie waren bei den beiden Baujahren 1980 und 1979 für 2,0 bzw. 2,3, 1 ,0 bzw. 2,2 und 0,7 bzw. 1 ,5 Promille der Defekte verantwortlich. Die Prob­ leme beim Diesel reichten von Rissen im Zylinderblock, undichter Ver­ schraubung bis zu hängenden Einspritzdüsen 195 Beim Golf Diesel Baujahr 1981 wurden erneut ähnliche Mängel wie bei seinen Vorgängern festgestellt. Hierzu gehörten Überhitzungen aufgrund von Kühlwassermangel, Risse im Zylinderblock und undichte Zylinderkopfdichtungen.196 Letztlich rangierte der Golf Diesel zunächst bei der Zuverlässigkeit eher im Mittelfeld der unteren Mittelklassewagen. In den folgenden Jahren ver­ besserte er sich ins obere Mittelfeld bzw. gehörte zu den zuverlässigsten Au­ tos seiner Klasse. Immerhin wurde der Golf Diesel über die Jahre verbessert und zuverlässiger. Nachdem es kurzzeitig so ausgesehen hatte, als würde der Golf Diesel sein Attribut der Zuverlässigkeit verlieren, gelang den Ingenieu­ ren bei Volkswagen die Restabilisierung der Rationalitätsfiktion vom zuver­ lässigen Diesel. Bei den Mercedes Dieselmodellen war dies nicht nötig, denn sie waren stets die zuverlässigsten Wagen in der oberen Mittelklasse bzw. Oberklasse.197 Gemessen an der Fahrleistung bereiteten sie ihren Besitzern die wenigsten Probleme. 1981 stellte der ADAC bei den Mercedes-Benz Die­ selautos beim Baujahr 1980 2,5 Pannen pro 1 .000 zugelassene Wagen fest. Beim Baujahr 1979 gab es nur bei 8,1 Promille der Autos Defekte. Der Motor war beim 1980er Modell mit 0,3 Pannen beinahe ebenso zuverlässig wie

195 V gl. Wer hat die meisten Pannen (1981), 40f. Da beim Passat Diesel der baugleiche Motor verwendet wurde, deckten sich die dort auftretenden Motorschäden mit denen des Golf Diesel. Vgl. ebd., 45. Ähnliche Punkte nannte folgende ADAC-Pannenstatis­ tik. Vgl. Alles beim alten geblieben, 48. Beim Baujahr 1977 wurden nach zwei Jahren im Betrieb zwar 29,5 Promille Pannen gemessen, doch war der Motor hiervon nur mit statistischen 2,4, die Einspritzpumpe mit 2,2 und die Zylinderkopfdichtung mit 2,7 Pan­ nen beteiligt. Der größte Problemfaktor war der Keilriemen mit 7,4 Pannen. V gl. Was ist mit unseren Motoren los, 44. 196 V gl. Wer hat die meisten Pannen (1982), 52. 197 Vgl. ebd., 4 1 . Ein ähnliches Bild liefern folgende Pannenstatistiken. Vgl. Latz, Autos, 39; Latz, Pannen (1985), 53; Latz, Pannen (1986), 4 1 ; Latz, Pannen (1987), 23; Wer hat die meisten Pannen (1988), 3 1 ; Latz, Pannen (1989), 23. Der neue Mercedes 190 Diesel galt ebenfalls als äußerst zuverlässig. Vgl. Latz, Pannen (1986), 4 1 ; Latz, Pannen (1987), 23.

3.2 Eine kurzweilige Begeisterung für das Dieselauto?

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beim Baujahr 1979 mit 0,5 Pannen. Ferner zeigte sich im Unterschied zum Golf Diesel die Einspritzpumpe beim Mercedes Diesel Z.B. beim Baujahr 1980 nur für 0,2 Pannen verantwortlich 198 Somit erreichten, gemessen an der ADAC-Pannenstatistik, weder der Volkswagen Dieselmotor noch die dort verwendete Einspritzpumpe die Werte dieser Komponenten bei Mercedes, gleichwohl überzeugte auch der Golf Diesel seine Besitzer. Die Zukunftschancen der Diesel-Pkw wurden infolge der technischen Verbesserungen, der niedrigen Verbrauchswerte und der hohen Zuverlässig­ keit vonseiten der Autofahrer positiv beurteilt. Auch Analysten gingen 1981 davon aus, dass mittelfristig einem steigenden Dieselabsatz in Deutschland kein Ende gesetzt sei. Bereits im Juli 1981 lag der Marktanteil der Dieselau­ tos bei 14,2 Prozent. Gegen Ende 1981 wurde für 1985 eine Verdoppelung des Marktanteils der Diesel-Pkw prognostiziert. Eine Shell-Studie nannte 30 Prozent und Gutachter der Frankfurter Commerzbank 25 Prozent. Eine ähn­ lich positive Entwicklung prognostizierten die verantwortlichen Entwick­ lungsingenieure bei Volkswagen und Daimler-Benz. Die Vorhersage ent­ sprach der Absatzentwicklung ihrer Dieselautos. Allein im Juli diesen Jahres wurden von den deutschen Autofahrern 9 . 1 70 Mercedes Dieselmodelle und 5.271 Golf Diesel gekauft. Noch immer standen die Autokäufer demgegen­ über den Dieselautos von Ford und Opel abgeneigt gegenüber. Im gleichen Monat wurden lediglich 75 Ford Granada und 201 Opel Rekord sowie 78 Opel Ascona mit Dieselmotor verkauft, obwohl die Preise für die Diesel zu­ vor gesenkt worden waren l99 Opel gelang es nicht, seine Schwäche im Dieselsegment auszugleichen. Eine Änderung erhoffte sich der Hersteller aus Rüsselsheim, als im März 1982 endlich ein Opel Kadett mit 1 ,6-Liter-Dieselmotor präsentiert wurde. Als Orientierungsmarke hinsichtlich der Motorleistung hatte dabei der Die­ selmotor des Golf gedient 200 Opel konnte allerdings seine Marktposition nicht verbessern, wohingegen Volkswagen und Mercedes weiterhin stark im Dieselsegment präsent waren. Im Jahr 1982 war der Volkswagen Golf mit ca. 203.000201 verkauften Einheiten das beliebteste Auto Deutschlands. An zwei­ ter Stelle rangierte die Daimler-Benz Baureihe W 123 mit 193 .000 Stück. Den dritten Platz nahm der Opel Kadett mit 1 85.000 Einheiten ein. Bei den Golf-Modellen wurden 106.000 Stück mit Benzin- und 97.000 Stück mit

198 Vgl. Wer hat die meisten Pannen (1981), 48. Ähnliche Angaben finden sich bei Alles beim alten geblieben, 54; Was ist mit unseren Motoren los, 46; Wer hat die meisten Pannen (1982), 44. 199 Vgl. Steile Karriere, 38. 200 Vgl. Aus Forschung und Entwicklung (1982), 78; Fischer, Ölprinz, 198-203; Formel D, 58-6 1 ; Hack, Diesel (1987), 385. Für Details zum Motor vgl. Weitzel, 1 ,6-Liter-Diesel­ motor. Teil 1 , 41-44; Weitzel, 1,6-Liter-Dieselmotor. Teil 2, 109-114. 201 Bei diesen Zahlen und bei den folgenden handelt es sich um Hochrechnungen von Auto Motor und Sport. Vgl. Die Schlager des Jahres, 90ff.

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3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

Dieselmotor abgesetzt. Bei Daimler-Benz hielten sich in der Modellreihe Diesel- und Ottomotoren mit 94.600 zu 98.400 ungefahr die Waage. Die Die­ selmodelle blieben bei Opel demgegenüber weit zurück. Beim Opel Kadett entschieden sich die Käufer in den meisten Fällen für einen Ottomotor. Es wurden 174.000 Stück mit Ottomotor verkauft und vom Diesel nur 1 1 .000 Einheiten. Beim Ascona wählten gut 1 22.500 Kunden den Otto- und nur 5.000 den Dieselmotor 202 Daran änderte sich in den folgenden Jahren wenig 203 Die Schwäche der Opel Kadett Diesel lag auch zum Teil an ihrer hohen Unzuverlässigkeit, die die jährliche ADAC-Pannenstatistik dokumentierte. 1984 erreichten die Bau­ jahre 1982 und 1983 mit 16,3 bzw. 17,3 Pannen pro 1 .000 zugelassenen Au­ tos jeweils lediglich den vorletzten Platz in der Kategorie der unteren Mittel­ klasse 204 In den folgenden Jahren verbesserte sich die Zuverlässigkeit des Opel Kadett Diesel zwar etwas, doch blieben sie weiterhin überdurchschnitt­ lich störanfillig 205 Die Pannen statistik von 1989 wies sie dann sogar als die unzuverlässigsten Wagen der unteren Mittelklasse aus. Den vorletzten Platz erreichte der Kadett mit Ottomotor 206 Im Unterschied zu den erfolgreichen Modellen von Volkswagen und Mercedes wurde speziell den Opel Diesel­ fahrzeugen aufgrund dieser Entwicklung die Rationalitätsfiktion, sie seien äußerst unzuverlässig, zugeschrieben. Einem Markterfolg war dies freilich abträglich. Zahlreiche Käufer eines Diesels führten Anfang der 1 980er Jahre auch die Rentabilität als Kaufargument an, obwohl Ölgesellschaften wie Shell warnten, man solle Kraftstoffpreise - selbst als im Sommer Diesel pro Liter gut 20 Pfennig günstiger war als Normalbenzin207 - nicht zur Berechnungs­ grundlage der Rentabilität heranziehen.208 An diese Vorgabe schienen sich zahlreiche Dieselkäufer nicht zu halten, denn 1982 berichtete die Auto Zei­ tung, mehr als 80 Prozent der Käufer hofften, durch einen Diesel ihre Ausga­ ben für Kraftstoff zu reduzieren. 60 Prozent der Befragten war es egal, dass sie anfangs bis zu 5.000 Mark mehr in das Auto investieren mussten 209 Als im Winter 1981 die Preisschere zwischen Benzin und Diesel zuging und An202 203 204 205

V gl. ebd. V gl. Diesel-Debakel, 50. Vgl. Latz, Autos, 39. Vgl. Latz, Pannen (1985), 53; Latz, Pannen (1986), 4 1 ; Latz, Pannen (1987), 23; Wer hat die meisten Pannen (1988), 3 1 . 206 Vgl. Latz, Pannen (1989), 23. 207 Die Preisdifferenz war Ausdruck der jährlichen Schwankungen. Das hängt mit der Kopplung von Heizöl und Dieselkraftstoff zusammen. Denmach war Dieselkraftstoff im Sommer billiger, weil die Nachfrage nach Heizöl infolge des warmen Sornmerwet­ ters gesunken war. Die ansteigende Heizölnachfrage im Winter drehte den Trend zur kalten Jahreszeit wieder um. Vgl. Krepper, Zeiten, 6 1 . 208 Vgl. Steile Karriere, 38. 209 Vgl. Schröder, Aufsteiger, 17f.

3.2 Eine kurzweilige Begeisterung für das Dieselauto?

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fang 1982 Normalbenzin fünf Pfennig günstiger und Super höchstens mini­ mal teurer als Dieselkraftstoff war, ebbte die Dieselnachfrage nur leicht ab. Zuvor war stets beteuert worden, dass die große Preisdifferenz den Dieselab­ satz angetrieben habe. Das schien nach dieser Entwicklung aber nur bedingt der Fall gewesen zu sein. Volkswagen bestätigte das mit seinen Absatzzahlen, denn im Januar 1982 wurden sogar mehr als 50 Prozent der VW-Golf-Wagen mit Dieselmotor ausgeliefert. Bei den Modellen Jetta und Passat hielt sich die Relation Diesel zu Benziner beinahe die Waage. Daimler-Benz verzeichnete ebenfalls keine Abkehr der Autokäufer vom Dieselauto und auch Shell ging von einem weiter steigenden Dieselabsatz aus 210 Die Markteinführung weiterer Dieselmodelle, die in ihrem Fahrverhalten und ihrer Handhabung überzeugten, ließ den Dieselabsatz weiter anschwel­ len. 1983 kam mit dem Peugeot 205 ein neues Auto auf den Markt, welches sich, so wurden die Leser der Automobilzeitschriften informiert, schon vor seiner Einführung in Deutschland in Frankreich zum Verkaufsschlager entwi­ ckelt hatte. Bei der Dieselversion wurde ein 1,8-Liter-Dieselmotor eingebaut. Die Motorleistung betrug 60 PS bei 4.600 Umdrehungen und das Drehmo­ ment wurde mit 108 Nm bei 2.000 U/min angegeben. Die Leistungscharakte­ ristika lieferten ein durchweg ansprechendes Akzelerationsverhalten. Der Motor beschleunigte den 900 kg schweren Peugeot von 0 auf 100 km/h in 16,6 Sekunden. Damit war der Diesel lediglich 0,3 Sekunden langsamer als der Peugeot mit Ottomotor. Die Höchstgeschwindigkeit von 159 km/h war ebenfalls beachtlich.211 Noch beeindruckender als die überzeugende Motorleistung war der Kraftstoffverbrauch, der sich bei den Testfahrten auf durchschnittlich 6,4 Li­ ter belief. Damit war der kleine Peugeot Diesel einer der sparsamsten Pkw auf dem Markt. Durch eine zurückhaltende Fahrweise könne - so wurde es in den Testberichten angepriesen - sein Besitzer sogar einen Verbrauch zwi­ schen fünf und sechs Litern erreichen. Da das Auto nicht nur in diesem Test überzeugte, sondern auch im Dauertest, war das Fazit einhellig positiv 212 Letztlich schrieb Auto Motor und Sport 1983, der Peugeot 205 GRD sei "ein besonders gutes Automobil [ . . . ] , das nicht nur innerhalb der 205-Reihe zu den empfehlenswerten Versionen"213 zähle. Diese Meinung verstärkte sich in den Folgejahren noch erheblich. 1985 hieß es in Auto Motor und Sport sogar: "Dieser Motor, so sagen nicht nur die Fachleute von Auto Motor und Sport, ist der beste, den man im 205 kaufen kann."214 Zusätzlich war der Peugeot 205 in den ADAC-Pannenstatistiken 1987 und 1988 der dritt- und viertzuver-

210 211 212 213 214

V gl. Preisfrage, 39. Vgl. Hack, Diesel (1987), 324; Schinhofen, Wahl, 40-45. Vgl. Westrup, Lief und lief und lief, 46-52. Schinhofen, Wahl, 45. Westrup, Lief und lief und lief, 47.

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3 . Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

lässigste Kleinwagen.215 Die positiven Bewertungen spiegelten sich in der Beliebtheit des Peugeot 205 Diesel wider; 1985 und 1986 lag der Dieselanteil bei allen in Deutschland zugelassen Peugeot 205 bei über 55 Prozent 216 So­ wohl der Peugeot Diesel wie auch die neuen, ab 1983 erhältlichen Mercedes Dieselmodelle erfüllten die Rationalitätsfiktionen vom sparsamen, zuverläs­ sigen, aber auch laufruhigen und leistungsstarken Diesel. Hierzu zählte ebenfalls das Mercedes Modell 190, welches von amerika­ nischen Autofahrern die Bezeichnung "Baby-Benz"217 verliehen bekam. Die Modellreihe lief unter der Bezeichnung W 201 und galt als erster Mittelklas­ sewagen von Mercedes-Benz. Im Jahr 1985 folgte dann mit der Reihe W 1 24 auch eine überarbeitete Version für die obere Mittelklasse.218 Der 1968 ein­ geführte OM 615, der wegen seiner Bauhöhe oft als der "Dom"219 bezeichnet wurde, fand bei den neuen Modellen keine Verwendung mehr, weil er seit Längerem als zu groß, zu schwer und zu leistungsschwach galt 220 Um Ferti­ gungs- und Entwicklungskosten zu sparen, waren bis dahin die Mercedes Dieselmotoren (OM 615, 616, 617) genau wie die Dieselmotoren von VW, General Motors, Opel und BMW von einem bereits vorhandenen Ottomotor abgeleitet worden. Der neue Dieselmotor mit der Bezeichnung OM 601 be­ ruhte nun jedoch auf einer völlig eigenen Konstruktion, ohne dass dabei gra­ vierende Nachteile entstanden wären, wie Hack feststellte 221 Mercedes-Benz verwendete bei der Brennraumgestaltung nach wie vor das Vorkammerverfahren, weil die Ingenieure noch immer glaubten, so die optimale Kombination aus Geräusch, Haltbarkeit, Leistung und Verbrauch zu erhalten. Bei der Konstruktion wurde erneut nach dem Baukastenprinzip ver­ fahren, sodass die Motoren mit Vier-, Fünf- bzw. Sechszylinder über die glei­ che Fertigungsstraße liefen. Die drei Motoren wiesen eine identische Boh­ rung, dasselbe Verdichtungsverhältnis von 22,0: 1 und ein Zylindervolumen von 500 cm3 auf. Der Vierzylindermotor erreichte zum Beispiel mit 72 PS bei 4.600 U/min zwölf PS mehr als der bisherige 2-Liter-Vierzylinderdieselmo­ tor 222

215 216 217 218 219

V gl. Lotz, Pannen (1987), 23; Wer hat die meisten Pannen (1988), 3 1 . Vgl. Verband der Automobilindustrie, Tatsachen und Zahlen (1986-1987). Fischer, Nachwuchs-Star, 13. Vgl. ebd., 12-18. Hack, Sohlen, 28. Die Bezeichnung "Dom" findet sich auch bei Westrup, D von gestern, 90. 220 Vgl. Fischer, Starmnhalter, 42; Hack, Sohlen, 28; Müller, Kennzeichen D (1985), 22. Für Details zum neuen Motor vgl. Conrad u.a., Mercedes-Benz, 667-677; Generations­ wechsel, 28f. Zur kompletten Baureihe der neuen Pkw-Dieselmotoren mit Vier-, Fünf­ bzw. Sechszylindern vgl. Feucht u.a., Mercedes-Benz. Teil 1 , 359-367; Feucht u.a., Mercedes-Benz. Teil 2, 499f. 221 Vgl. Hack, Diesel (1987), 107f. 222 Vgl. Conrad u.a., Mercedes-Benz, 667-677; Feucht u.a., Mercedes-Benz. Teil 1 , 367;

3.2 Eine kurzweilige Begeisterung für das Dieselauto?

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Eine entscheidende Innovation fand bei den Geräuschimmissionen statt. Da bei vielen bis dahin angebotenen Dieselautos oftmals das Laufgeräusch als unangenehm laut empfunden wurde, installierte Mercedes-Benz bei den kleinen Modellen 190 D und 190 D 2.5 (W 20 1 ) sowie den oberen Mittel­ klassewagen der Baureihe W 124 mit den Modellen 200 D, 250 D und 300 D eine sogenannte motorferne Kapselung. Gerade beim Kaltstart machte sich das besonders positiv bemerkbar. Für die lärmdämmende Kapsel, die den ge­ samten Motorraum bis auf den Kühllufteintritt umgab, wurden 8,5 kg Kunst­ stoffdämmmaterial verwendet. Das Material bestand aus glasfaserverstärk­ tem Kunststoff und wurde innen mit Schaumstoff verkleidet 223 Zusätzlich regelte eine thermostatisch gesteuerte Klappe, dass die Kühl­ luft erst bei 60 Grad austrat. Dadurch wurde das Außengeräusch im Prinzip halbiert, d.h., im Schnitt war der Geräuschpegel um fünf dBA niedriger. Ins­ besondere beim Kaltstart im Leerlauf war das nagelnde Verbrennungsge­ räusch daher nur noch leise zu vernehmen. Wenn der neue Mercedes 190 D aus der Modellreihe W 201 mit den alten 200 D bzw. 240 D, die er ablöste, verglichen wurde, fiel den Passanten der Unterschied deutlich auf. Letztlich gab nicht die Lautstärke, sondern die Art des raueren Laufgeräusches Auf­ schluss darüber, dass es sich um einen Diesel handelte. Im Wageninneren war dagegen der Motor trotz der Maßnahmen an seinem Verbrennungsgeräusch unverkennbar als Dieselmotor zu erkennen. Das war ebenfalls eine Folge der Motorabkapselung, die zwar den Schall nach außen gut dämpfte, dieser dafür aber stärker im Wageninneren zu hören war. Demgemäß brachte die Motor­ kapselung eher für Passanten als für die Wageninsassen einen positiven Ef­ fekt. Der Diesel wurde für die Umwelt ein Stück weit verträglicher 224 Damit galten Diesel-Pkw nun auch für ihre Umgebung erstmals als laufruhig und nicht nur für die Wageninsassen. Auch war der Wartungsaufwand beim neuen Mercedes geringer gewor­ den, da wegen eines hydraulischen Stößels nur noch alle 10.000 km und nicht wie zuvor alle 7.500 km ein Öl- und Filterwechsel durchgeführt werden musste. Jetzt erreichten die Diesel das gleiche Wechselintervall wie die Mo­ delle mit Ottomotor. Zudem konnte die Routinearbeit in jeder Tankstelle durchgeführt werden 225 Eine weitere entscheidende Verbesserung nannte der ADAC 1986. Nun gab es bei diesem Dieselauto auch beim Tanken keine ProFischer, Stammhalter, 42-45; Hack, Sohlen, 28-3 1 ; Mercedes-Benz 190 D, 17; Sparsa­ mer, flotter Flüster-Diesel, 44. 223 V gl. Daimler läßt den Diesel flüstern, 32; Fischer, Starmnhalter, 45; Generationswech­ sel, 29; Hack, Sohlen, 29; Mercedes-Benz 190 D, 17; Sparsamer, flotter Flüster-Diesel, 44; Vorgewärmtes Futter, 290f. 224 V gl. Daimler läßt den Diesel flüstern, 32; Fischer, Starmnhalter, 45; Generationswech­ sel, 29; Hack, Sohlen, 29; Mercedes-Benz 190 D, 17; Sparsamer, flotter Flüster-Diesel, 44; Vorgewärmtes Futter, 290f. 225 V gl. Daimler läßt den Diesel flüstern, 33; Feucht u.a., Mercedes-Benz. Teil 1, 366; Hack, Sohlen, 29ff.; Sparsamer, flotter Flüster-Diesel, 44.

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3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

bleme, denn Entlüftung und Tankstutzenquerschnitt passten gut zusammen, wodurch es keine Schaumbildung mehr gab.226 Der Dieselfahrer konnte sich also kaum noch mit dem stinkenden Dieselkraftstoff beflecken. Ein weiterer gravierender Mangel der Diesel war damit beseitigt und die Rationalitätsfik­ tion vom schmutzigen Diesel verschwand weitgehend aus dem öffentlichen Diskurs. Ein anderer Aspekt betraf die Leistungssteigerung der Dieselmotoren durch Turboaufladung. Als Antwort auf die Rekordfahrten des Mercedes C 1 1 1 präsentierte Volkswagen im Oktober und November 1980 ebenfalls im süditalienischen Nardo seinen Hochleistungsdiesel.227 Selbst der Spiegel be­ richtete über die Fahrten des mit dem Spitznamen "Fialas Zigarre"228, nach dem VW-Entwicklungschef Ernst Fiala, bedachten flachen und schmalen Fahrzeugs. Im Alltagsbetrieb brachte Volkswagen schließlich einen aufgeladenen Dieselmotor im Golf auf den Markt. Er sollte die dieseltypische Sparsamkeit, wie sie vom Golf Diesel bekannt war, mit den sportlichen Fahrleistungen ei­ nes Golf GTI kombinieren. Ab 1982 war ein VW Golf Turbodiesel erhältlich und galt laut Volkswagen als eine "Symbiose von Ausstattung und Leistung einerseits und von Wirtschaftlichkeit und Sportlichkeit andererseits. ,,229 Der Turbodieselmotor erreichte eine Leistung von 70 PS bei 4.500 U/min und ein Drehmoment von 133 Nm bei 2.600 U/min. Damit war der 1 ,6-Liter-Turbo­ dieselmotor genauso leistungs stark wie der 1,5-Liter-Ottomotor. Laut ADAC betrug die Beschleunigungszeit des Turbodiesels von 0 auf 100 km/h 13,5 Sekunden und unterbot deutlich die 16,8 Sekunden des um 1 6 PS schwäche­ ren Golf Diesel Modells und erreichte beinahe die Beschleunigungszeit des Benzin-Golf. Ähnlich verhielt es sich mit der Höchstgeschwindigkeit von 155 km/h. Letztlich fahre der Turbodiesel nicht, so das Urteil der Testfahrer, wie man es von Dieselautos gewohnt sei, sondern vielmehr wie ein Benzi­ ner 230 Verbrauchsnachteile hatten sich durch die Leistungssteigerung gegen­ über einem konventionellen Golf Diesel nicht ergeben. Diesbezüglich wurde der Golf Turbodiesel als vorbildlich sparsam eingestuft. Der DIN-Verbrauch lag im Stadtverkehr bei 6,6 Litern und bei konstanten Geschwindigkeiten von 90 km/h bzw. 1 20 km/h bei 4,5 Litern bzw. 6,7 Litern.231 Sicherlich ging es

226 227 228 229 230

Vgl. Test. Fünf Diesel, 57. Vgl. Ostmann, Rakete, 9. Fialas Zigarre, 276. Turbo-Diesel für VW Golf und Audi 80, 49. Vgl. ebd.; Turbo-Diesel. Heißer Golf auf Sparflamme, 28f.; Westrup, Wind, 46-53. Zur Entwicklung der Turbodieselmotoren bei Audi und Volkswagen vgl. BrandstetterlDzig­ gel, 4- und 5-Zylinder-Turbodieselmotoren, 45-50; BrandstetterlDziggel, Vierzylinder­ Turbodieselmotor, 399-404. 231 Vgl. Briel, Turbo, 40; Westrup, Wind, 50.

3.2 Eine kurzweilige Begeisterung für das Dieselauto?

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dem Halter dieses Wagens nicht primär um Wirtschaftlichkeit und niedrigen Kraftstoffverbrauch. Vielmehr wollte er ein leistungsbetontes Fahrgefühl er­ leben. Das ermöglichte der Turbodiesel allemal. Der Motorleistung wurde also weitaus mehr Beachtung geschenkt als den anfallenden Kosten. Für die VW-Marketingabteilung stand ebenfalls fest, dass der Golf Turbodiesel für eine neue Art von Dieselkundschaft, die nicht primär auf Wirtschaftlichkeit achtete, ausgelegt worden war 232 Der Turbo­ dieselmotor stellte also den Versuch dar, Fahrspaß mit interessanter Technik und Leistung sowie Sparsamkeit zu kombinieren. 233 Neben dem Golf bot Volkswagen noch in den Modellen Passat, Jetta und Santana einen Turbodie­ selmotor an. Andere Hersteller, wie Mercedes, Volvo, Renault, Peugeot und Opel hatten zu dem Zeitpunkt ebenfalls Turbodieselmotoren in ihrer Produkt­ palette. 1983 zog selbst BMW mit dem Modell 524 td nach und präsentierte seinen ersten Diesel-Pkw 234 1982 war dem Auto Motor und Sport Journalis­ ten Clauspeter Becker klar, dass dank des Turboladers "eine Epoche dynami­ scher Dieselautos"235 eingeleitet werde. Die Turbodiesel kamen verstärkt in der ersten Hälfte der 1980er Jahre auf den deutschen Markt. Ihre Literleistung entsprach mit annähernd 50 PSlLi­ ter236 dem Niveau eines durchschnittlichen Ottomotors. Der Leistungssprung ermöglichte es dem Fahrer, günstigen Kraftstoffverbrauch mit ansprechender Leistung zu kombinieren, sofern er gewillt war, den Aufpreis zu bezahlen. Dieser lag zwischen 1 .000 und 8.000 Mark gegenüber den konventionellen Saugdiesel- oder Ottomotoren. Dies bedeutete, dass beim Kauf eigentlich nicht wirtschaftlich kalkuliert werden durfte 237 Doch darum ging es den Fah­ rern eines solchen Autos auch nicht. Für Auto Motor und Sport stand endgül­ tig fest, dass die Turbodiesel maßgeblich dazu beigetragen hatten, "den Die­ sel gesellschaftlich akzeptabel"238 zu machen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass aufgrund der techni­ schen Verbesserungen an den Wagen und insbesondere den Motoren sich die Diesel-Pkw zusehends an die Modelle mit Ottomotor anglichen. Das führte in Deutschland zu einem Wandel und zu einer Festigung der Rationalitätsfik232 V gl. Weslrup, Wind, 53. 233 Vgl. Briel, Turbo, 40. 234 V gl. Neue Richtung. Diesel-BMW, 29; Westrup, Ufern, 46ff.; Göschel u.a., Entwick­ lungsschwerpunkte, 33-40; Lange u.a., BMW 2,4-I-Sechszylinder-Dieselmotor, 373377. 235 Becker, Kraft, 8. 236 Eine weitere Leistungssteigerung wurde laut Auto Motor und Sport um 1987 mit der Ladeluftkühlung erzielt. Nun lag die Literleistungen bei 60 PSlLiter. V gl. Becker, Spiel, 55-58. 237 Vgl. Black Power, 56--{)5. Zum Angebot an Turbodieselfahrzeugen vgl. Das Angebot, 72ff. Für die leistungsstärksten Turbodieselmotoren des Jahres 1985 im Mercedes 300 D, BMW 524 td und Volvo 760 GLE Turbodiesel vgl. Leyrer, Ölprinzen, 8-14. 238 Von der treibenden Kraft, 92.

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3 . Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

tionen. Die Öffentlichkeit stufte Diesel von da an nicht nur als sparsam, zu­ verlässig und oft rentabel, sondern auch als relativ laufruhig und ausreichend motorisiert oder im Fall der Turbodiesel sogar als den Wagen mit Ottomotor ebenbürtig ein. Ein Wandlungsprozess, der bereits zuvor seinen Anfang ge­ nommen hatte, fand in der ersten Hälfte der 1980er Jahre seinen Abschluss. Dieselautos galten in den Augen der Öffentlichkeit endgültig als ein zeitge­ mäßes Produkt und die Kritik an ihnen rückte allmählich in den Hintergrund.

Der Ausbruch der Dieselmanie in den USA und ihr rasches Ende, 1979-1981 "Suddenly, diesel powered cars are the hottest thing on the market"239, leitete der Journalist Jan P. Norbye sein 1978 veröffentlichtes Buch Modern Diesel Cars ein. Das zeigte sich zu dem Zeitpunkt an der anschwellenden Absatz­ kurve in den USA. Somit war die wachsende Verbreitung des Dieselautos zum Ende der 1 970er und Anfang der 1980er Jahre keineswegs ein aus­ schließlich deutsches bzw. europäisches Phänomen. In den USA machte sich zwischen 1979 und 1981 eine regelrechte "Dieselmania"24o breit. Nachdem in den USA in den ersten vier Monaten des Jahres 1979 mehr Dieselautos als im ganzen Jahr 1978 verkauft worden waren241, analysierte Consumer Re­ ports im Juni 1979 die Tauglichkeit der Diesel für den Massenmarkt. Bereits der Umschlag des Hefts informierte die Leser, worum es primär ging: "The diesels are coming. What are they like? Are they worth the extra cost? How bad is the exhaust?"242 Die Beliebtheit der Diesel war somit vor der zweiten Ölkrise angestiegen und der positive Absatztrend hielt in den Folgemonaten insbesondere wegen der Furcht vor steigenden Benzinpreisen und einer Benzinknappheit weiter an. Nach Darstellung von Automotive News wurden in Kalifornien über­ durchschnittlich viele Diesel gekauft, weil dort die Kraftstoffknappheit schlimmer war als in anderen Teilen der USA 243 Ein anderer Grund, so wurde gemutmaßt, musste bei den geografischen Gegebenheiten gesucht werden. Aufgrund des warmen Klimas konnten kalifornische Dieselfahrer davon ausgehen, dass sie von Kaltstartproblemen wie sie für kältere Landes­ teile mitunter typisch waren, verschont blieben 244 Wie in Deutschland kann der steigende Dieselabsatz in den Vereinigten Staaten nicht allein mit ökonomischer Rationalität erklärt werden. Bereits 239 240 241 242 243 244

Norbye, Diesel Cars, 7. McGonegal, Dieselmania, 28. Vgl. Plegue, Makers, 2. Consumer Reports Juni (1979). Vgl. Plegue, Makers, 2. Vgl. Kurani/Sperling, Rise, 24.

3.2 Eine kurzweilige Begeisterung für das Dieselauto?

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1977 hatte sich der Road & Track Mitarbeiter Tony Hogg über die typischen Dieselkäufer in den USA geäußert. Die meisten seien von der Anschaffung eines Diesels gar nicht abzubringen, und die damit verbundenen Nachteile würden sie scheinbar nicht stören. Es kauften, wie schon 1971 festgestellt worden war, noch immer Handlungsreisende und Leute, die beruflich mit Lastwagen oder Schwermaschinen zu tun hatten, die verbrauchsgünstigen Diesel. Bei der letzten Käufergruppe mussten laut Tony Hogg Fahrzeuge vi­ brieren und riechen, damit sie sich überhaupt wohlfühlten.245 Im August 1979 nannte Motor Trend noch einen weiteren Grund. Dieselautos galten mittler­ weile als technologisches Highlight 246 Damit übten sie einerseits eine enorme Anziehungskraft auf technophile Autofahrer aus. Andererseits erfüll­ ten die brummigen und riechenden Diesel gewisse Vorstellungen von Männ­ lichkeit. Man benötigte für die Bedienung eines Diesels noch immer mehr technisches Verständnis als für einen Pkw mit Ottomotor. Gleichzeitig asso­ ziierte die Öffentlichkeit damit harte körperliche Arbeit wie das Fällen von Bäumen und den Straßenbau, wo jeweils schwere Dieselmaschinen im Ein­ satz waren. Auch das Fahren eines Trucks galt als "männlicher" Beruf. Andere Käufer wiederum schienen gewillt, um jeden Preis ein Diesel­ auto besitzen zu wollen. In New Jersey inserierte 1979 ein Interessent in ei­ ner Automobilzeitschrift, er werde bis zu 500 Dollar über dem Listenpreis für einen Oldsmobile Diesel bezahlen; es ging jedoch niemand auf das Angebot ein. In Kalifornien verlangte ein Volkswagenhändler für den Rabbit Diesel 2.000 Dollar mehr, als der Hersteller als Verkaufspreis veranschlagt hatte, und konnte dennoch kaum die Nachfrage befriedigen. Die Autokäufer schie­ nen sich also regelrecht um die Dieselpersonenwagen zu schlagen 247 In der New York Times wurde im gleichen Jahr sogar berichtet, dass einige Fahrer einen Preis für ihr Dieselauto bezahlen mussten, der 6.000 Dollar über dem Listenpreis lag. Selbst bei Privatverkäufen wurden äußerst gute Preise für einen Volkswagen Golf Diesel erzielt. Einige Amerikaner kauften während des Urlaubs in Deutschland einen Golf Diesel, ließen ihn in die USA verschi­ cken, wo sie ihn dann teuer verkauften. Das war eine Möglichkeit, den Ur­ laub in Europa zu finanzieren. Solche "tourist deliveries"248 wurden nach An­ gaben von Volkswagen of America für das Modelljahr 1979 wieder einge­ stellt, weil Nachfrage und Missbrauch zu groß gewesen seien 249 Vollständig verschwand die Rentabilitätsfrage trotz allem nicht aus dem öffentlichen Diskurs, auch wenn sie nicht eindeutig geklärt werden konnte. Treffend auf den Punkt brachte dies 1981 der Journalist Barlow:

245 246 247 248 249

Vgl. Hogg, Thoughts, 33ff. Vgl. Diesels in Depth, 57. Vgl. Four Diesel Cars (1979), 344. Dernand for Diesel Cars Pushing Prices Higher, D9. Vgl. ebd.

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3 . Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

Unfortunately, there are so many variables in this equation that my answers may seem more evasive than YOll anticipated, for it isn't possible to come out with an unequivocal 'yes' or 'no', but instead I roust make it 'usually' or 'probably' .250

Pkw mit einer hohenjUel economy wurden oftmals jedoch nicht nur aufgrund ökonomischer Rentabilität gewählt, sondern ihre Käufer wollten mit der Kaufentscheidung durchaus auch symbolische Werte kommunizieren, wie den verantwortungsbewussten Umgang mit den Erdölreserven 251 Diesen Sachverhalt thematisierte Leon Mandel 1978 in Car and Driver, als er auf­ zeigte, dass der Faktor payback strikt im ökonomischen Sinn gesehen zu ein­ dimensional war 252 Folglich konnte der Kauf eines Dieselautomobils aus der Perspektive des Autofahrers durchaus sinnvoll sein, selbst wenn sich der Wa­ gen eigentlich nicht rentierte. Hier sei exemplarisch auf die Warteschlangen an den Tankstellen und die Furcht vor dem Ende des Erdölzeitalters verwie­ sen. Die in den Schlangen wartenden Menschen fühlten sich nach Meinung des Psychologieprofessors Harold Lazarus von der Rutgers University ihrer Macht, Freiheit und Mobilität beraubt 253 Genau diesen "Ängsten" konnte mit den Dieselautos durch die lange Reichweite pro Tankfüllung, die fehlen­ den Schlangen und die Möglichkeit, an jedem Tag tanken zu dürfen, entge­ gengetreten werden. Am 3 1 . Juli 1979 schrieb die New York Times hierzu schlicht: "For the diesel-powered motorist, long gasoline lines and odd-even days are only a phenomenon to observe as he briskly advances to the diesel pump, often open 24 hours a day. "254 Während der Ölkrise und in den ersten Jahren danach schätzten Autofahrer die Diesel-Pkw als Garanten für Mobili­ tät, individuelle Freiheit und Unabhängigkeit, gerade weil die Versorgung mit Dieselkraftstoff sichergestellt schien. Die sparsamen Diesel können also ge­ nauso wie Kleinwagen in gewissem Umfang auch als Antwort auf die Bedro­ hung durch weitere Unterbrechungen der Rohölversorgung gesehen werden. Die Hersteller wie die US-Regierung bzw. das National Research Coun­ eil betonten noch einen weiteren positiven Effekt der Diesel. Deren Fahrer seien sicherer im Straßenverkehr unterwegs, weil Diesel-Pkw - bei Einhal­ tung der gleichen Flottenverbrauchswerte - größer und schwerer als Autos mit Ottomotor seien und so den Wageninsassen mehr Schutz bieten würden. Sie wurden also im öffentlichen Diskurs als Möglichkeit gehandelt, die Zahl der Verkehrstoten zu reduzieren. Nach Angabe des National Research Coun­ eil zeigten 1982 die Statistiken, dass Kleinwagen an 55 Prozent der tödlichen Unfalle beteiligt waren, obgleich sie nur 3 8 Prozent aller Fahrzeuge aus-

250 251 252 253 254

Barlow, Diesel Car Book, 118. Vgl. TurrentinelKurani, Car Buyers, 1213 Vgl. Mandel, Life, 62-68; Mandel, Traditional View, 68. Vgl. Der Traum von Freiheit wird zum Alptraum, 7 1 . Demand for Diesel Cars Pushing Prices Higher, D9.

3.2 Eine kurzweilige Begeisterung für das Dieselauto?

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machten. Zusätzlich konnte bekanntlich die Brandgefahr bei einem Unfall durch den schwerer entflammbaren Dieselkraftstoff gesenkt werden 255 Die großen Diesellimousinen von GM linderten die Verunsicherung und die Ängste seiner Besitzer noch zusätzlich, da der Wagen als Schutzschild externe Bedrohungen abwehrte. Den Benzin-Pkw wurde dies nicht zuteil, da sie aufgrund der Flottenverbrauchsvorgaben bereits kleiner geworden waren. Es stellte sich also ein besonderes Gefühl ein, sobald die Tür bei den Olds­ mobile Modellen Ninety-Eight und eutlass geschlossen war: There is a distinct feeling that your are inside and everything else is outside and need be of no further concern until you open the door again - no bad quality for a car to exhibit these days, with the increasing incidence of exterior environments that are hostile in one way or another.256

Das Abgeschottet sein wurde durch die Federung der großen Oldsmobile Wa­ gen noch verstärkt, weil die Unebenheiten der Straße nicht gespürt wurden. Man glitt mit dem Wagen regelrecht über die Straße. Car and Driver ließ im November 1979 ebenfalls keinen Zweifel auf­ kommen, worum es ging: "There's only one way to combat the Arabs in this oil extortion war they've started. We've got to battle them with efficiency. Let them keep their slimy black stuff. "257 Abschließend betonte Car and Driver, sparsame Autos "do their share to perplex the Arabs. "258 Auf der letz­ ten Seite des Artikels wird ein als Araber verkleideter Mann mit Sonnenbrille gezeigt, der sich eine Zapfpistole an den Kopf hielt und so tut, als wolle er sich damit erschießen 259 Die Stereotypen waren damit alle präsentiert und die Marschrichtung vorgegeben. Kraftstoffsparen blieb noch 1980 ein natio­ nales Anliegen und die US-Autofahrer konnten ihren Teil entweder durch ei­ nen Kleinwagen, ein Dieselauto oder durch eine Kombination aus beidem leisten 260 Im Testbericht von Consumer Reports aus dem Jahr 1979 präsentierten die Journalisten den Volkswagen Rabbit bei den Dieselautos nach wie vor als den "Best Buy" 261 Gerade wegen seiner Fahrleistungen und seiner extremen Sparsamkeit galt der Rabbit Diesel als "probably the most versatile econobox 255 V gl. National Research Council, Diesel Cars, XVI, 84ff. Große Wagen wurden also diskursiv als "sicher" gehandelt; Kleinwagen galten demgegenüber als "unsicher". Diese Aussage ist jedoch nur für einen Zusammenstoß zwischen einem großen Wagen und einem Kleinwagen zutreffend. Beim Aufeinandertreffen von zwei in etwa gleich schweren Fahrzeugen egalisiert sich dies, da jeweils die gleiche Masse als Moment an den Unfallgegner abgegeben wird. Diese Bedenken wurden auch bezüglich der schwe­ ren SUV geäußert. Vgl. Bradsher, High and Mighty, 166-206. 256 Frey, Dueling Diesels, 27. Hervorhebungen im Original, C.N. 257 Sherman, Top Ten Top Fuelers, 85. 258 Ebd., 9 1 . 259 Vgl. ebd., 93. 260 Vgl. Four Diesel Cars (1980), 387-395. 261 Four Diesel Cars (1979), 352.

1 20

3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

ever invented, matched to a remarkable diesel engine."262 Hier erwarben die Autokäufer, wie die Tests in Deutschland und den USA schon in den Jahren zuvor gezeigt hatten, einen Diesel, der wie ein Benzin-Pkw fuhr und dabei wenig Kraftstoff verbrauchte. 263 In der fachwissenschaftlichen Literatur wird oft die Bedeutung der Kos­ ten für die Absatzentwicklung der Diesel akzentuiert. Kenneth Kurani und Daniel Sperling negieren die Relevanz anderer Faktoren und argumentieren, dass weder die geringere Motorleistung oder das lautere Laufgeräusch, noch die Wahrnehmung der Abgasemissionen eine entscheidende Rolle beim Ab­ satzeinbruch der Dieselautos in den USA spielten 264 Die Ergebnisse des fol­ genden Abschnitts werden ihrer Aussage widersprechen und zeigen, wie stark der Faktor Dieselauto den Dieselabsatz in den USA beeinflusste. Dieselfahrer selbst betonten, dass nicht nur die ökonomische Rentabilität eine Rolle bei der Anschaffung gespielt habe. Ein Kalifornier nannte zum Beispiel fünf Gründe, weshalb er einen Diesel gekauft hatte: der Kraftstoffverbrauch (juel economy), die Lebensdauer und die sehr hohe Zuverlässigkeit, die niedrigen Abgasemissionen, die Energieersparnisse und der Reiz des Neuen 265 Die Importzahlen von Mercedes-Benz zeigen relativ und absolut gemes­ sen von 1977 bis 1981 bzw. 1983 einen steigenden Absatz der Mercedes Die­ sel. 1981 belief sich der Dieselanteil an allen Mercedes Autos nach Angaben des Ward's 1982 Automotive Yearbook auf knapp über 78 Prozent 266 Mit der positiven Imageveränderung gegen Ende der 1970er Jahre, gewann der Die­ sel-Pkw in der Modellpolitik bei Mercedes-Benz noch mehr Bedeutung 267 Besonders attraktiv waren die Modelle für eine Käufergruppe, die nach Aus­ sage des Planungschefs von Mercedes-Benz of North America Hans Jordan auf ein Jahreseinkommen von 60.000 Dollar kam, einen Universitätsab­ schluss sowie einen weitgehend konjunkturunabhängigen Arbeitsplatz hat­ te 268 Für sie war der Besitz eines Statussymbols wesentlich wichtiger als ein kostengünstiges Auto. Genau das erfüllte der Schriftzug Turbodiesel am Heck eines Mercedes-Benz 300 SD Anfang der 1 980er Jahre 269 So bleibt die Frage offen, ob der Käufer eines solch luxuriösen und sport­ lichen Autos tatsächlich einen geringen Kraftstoffverbrauch benötigte oder ob das ein Zwang war, dem lediglich der Hersteller unterlag. Aufgrund der 262 Sherman, Top Ten Top Fue1ers, 88. 263 Vgl. ebd. Neben den sparsamen Dieselautos, die als Kleinwagen oder Limousinen er­ hältlich waren, kauften die Menschen verstärkt kleinere Benzin-Autos, meistens von ausländischen Herstellern. In diesem Zeitraum stieg der Marktanteil japanischer Her­ steller signifikant an. Vgl. Altshuler u.a., Future, 32; Volti, Cars, 125. 264 Vgl. Kurani/Sperling, Rise, 29. 265 Vgl. Barlow, Diesel Car Book, 231. 266 Vgl. Ward's Communication, Ward's Automotive Yearbook (1982), 168. 267 Vgl. Hack, Turbolader, 46. 268 Vgl. Bauer, Kennzeichen D, 34. 269 Vgl. Leyrer, Ladung, 135.

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3.2 Eine kurzweilige Begeisterung für das Dieselauto?

Grafik 3: Importzahlen Mercedes-Benz Dieselautos für die USA, 1977-1987 60000

50000

90% _M-B

-I---------��;:;;;;== ;

Diesel (Einheiten)

....".", .. L1--- -M-B Diesel (Prozent)

40000

+-------c/--

30000

+-�----

80% 70%

50% 40%

,\-------+

20000

30% 20%

10000 10% o

1977

1978

1979

1980

1981

1982

1983

-+ � � +_..� � � + O%

1984

1985

1986

1987

Quelle: Ward's Coruruunication, Ward's Automotive Yearbook (1977-1988).

kontinuierlichen Verschärfung des Flottenverbrauchs plante Mercedes-Benz für 1982, die Produktpalette noch stärker auf Dieselfahrzeuge zu fokussie­ ren.270 Da die neuen Dieselmodelle mit technischen Verbesserungen aufwar­ teten, waren sie weiterhin in der Gunst der Mercedes-Kunden äußerst beliebt. Nicht zuletzt lag dies an der erneuten Leistungssteigerung bei der 1981er Turbodiesellimousine. Der Motor erreichte mit 125 PS zehn PS mehr Leis­ tung und präsentierte sich weiterhin verbrauchsgünstig. "The world's most expensive economy car"271 wusste seine Fahrer zu überzeugen 272 Der Tur­ bodiesel von Mercedes blieb ein Trendauto, wohingegen sich die anfangs po­ sitive Rezeption anderer Dieselmodelle wie insbesondere des Rabbit Diesel und der Oldsmobile Diesel von 1977 bis 1983 ins Negative wandelte. Nachdem der VW Rabbit Diesel in den USA begeistert aufgenommen worden war, entschloss sich die Zeitschrift Road & Track, einen Langzeittest über 100.000 Meilen durchzuführen. Der Test begann in der zweiten Jahres­ hälfte 1 977273 und es wurde von Juni 1978 bis Juni 1981 darüber berichtet. Nach den ersten 24.000 Meilen überwog zwar eindeutig die positive Hal270 Vgl. Bryant, 1982 Mercedes Turbodiesels, 53. 271 McGonegal, World's, 45. 272 Vgl. ebd., 45-49. 273 Im gleichen Jahr unterzog die deutsche Auto Zeitung den Volkswagen Golf Diesel in den USA einem Härtetest über 30.000 Kilometer. Vgl. Ghedini, Diesel, 42-53; Merle, Diesel, 46-57; Röthig, Diesel, 54-65.

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3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

tung274, doch äußerten sich die Testfahrer zu einigen Punkten kritisch, wie die Reichweite von ca. 400 Meilen. Sie ließ oftmals Befürchtungen aufkom­ men, man könne nicht rechtzeitig, d.h., bevor der Tank leergefahren war, eine Dieseltankstelle finden. Die Sorge blieb über den gesamten Testzeitraum von drei Jahren bestehen. Die Entfernungen zwischen den Dieseltankstellen konnten für die Fahrer - je nach Routenwahl - zu erheblichen Unannehm­ lichkeiten führen. Die Road & Track Testfahrer versuchten wegen des nicht flächendeckenden Netzes von Dieseltankstellen zu vermeiden, mit dem Rab­ bit abseits von bekannten Routen unterwegs zu sein. Neben dieser Problem­ lösungsstrategie konnten zwei Handbücher, die alle Dieseltankstellen auflis­ teten, mitgeführt werden; der Hammond Atlas Führer oder der Tankstellen­ führer von Daimler-Benz (Directory of Diesel Fuel Stations). Es war insbe­ sondere problematisch, dass die Führer nicht immer auf dem aktuellsten Stand waren und oft Tankstellen auflisteten, die längst nicht mehr existierten. Das wurde deutschen Testfahrern der Auto Zeitung in den USA zum Verhäng­ nis, als sie ihre Route nach dem Führer von Daimler-Benz geplant hatten. Zwei der angesteuerten Tankstellen existierten nicht mehr und die dritte hatte aufgehört, Dieselkraftstoff zu verkaufen. Eine in der Nähe gelegene Werk­ statt, die für die Instandhaltung von schwerem Gerät zuständig war, bot einen Ausweg aus dem Dilemma. Dort legten sie über eine aufgebockte Tonne ei­ nen Schlauch zum Tankstutzen des Autos und füllten so den Tank nach.275 Oder technisches Geschick war gefordert. Einige Besitzer installierten zu­ sätzliche Kraftstofftanks, um größere Distanzen mit ihrem Golf Diesel über­ brücken zu können. Da sich Dieselkraftstoff schlechter als Benzin entzündet und Modifikationen der Kraftstoffversorgung damit weniger geHihrlich wa­ ren als bei einem Benzin-Pkw, hatten die Automobiljournalisten keine Ein­ wände 276 Auch die Testfahrer anderer Dieselmodelle, wie eines Oldsmobile Cutlass Diesel, blieben von den Problemen nicht verschont. "Always leave yourself a little margin to hunt for fuel if need beH277, war daher ihr eindring­ licher Rat an die Dieselfahrer. Das strukturelle Problem des nicht flächendeckenden Tankstellenetzes war also noch immer nicht in allen Regionen der USA gelöst, obwohl die Zahl der Dieseltankstellen nach dem Handbuch von Mercedes-Benz von 5.000 Stück im Jahr 1975 auf 1 5.000 Tankstellen im Jahr 1980 angewachsen war.278 Immerhin war der Bundesstaat Kalifornien hier die Ausnahme. Dort

274 275 276 277

V gl. VW Rabbit Diesel 24.000-Mile Report, 62ff. Vgl. Christy, Mercedes-Benz 300 CD, 45f.; Ghedini, Diesel, 44; Mandel, Life, 66. Vgl. Volkswagen Rabbit Diesel (Road & Track 1980), 6 1 . Frey, Dueling Diesels, 30. Lediglich der Oldsmobile Ninety-Eight Diesel mit einer the­ oretischen Reichweite von 565 Meilen konnte bei den Testfahrten jegliche Distanz zwi­ schen zwei Tankstellen problemlos bewältigen. V gl. ebd. 30f. 278 V gl. Mercedes-Benz of North America, Pressemitteilung 1980, Detroit Public Library National Automotive History Collection, Mercedes-Benz 1980-1985, 1980.

3.2 Eine kurzweilige Begeisterung für das Dieselauto?

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stieg die Zahl der Tankstellen, welche Dieselkraftstoff anboten, von neun Prozent im Jahr 1976 auf 25 Prozent in den Jahren 1984 bzw. 1985. Seit 1979 konnte an mindestens 15 Prozent aller kalifornischen Tankstellen Diesel ge­ tankt werden. Zumindest in diesem Bundesstaat gab es also ausreichend Die­ seltankstellen.279 Ein ungelöstes strukturelles Problem blieb auch weiterhin der Diesel­ kraftstoff selbst. Er galt als schmutzig, da alles, mit dem er in Berührung kam, von einer schmierigen und schmutzigen Schicht überzogen wurde. Letztlich war der Kraftstoff genauso schmutzig wie das Erscheinungsbild der Tankstellen. Ebenso kritisierten die Dieselfahrer, dass der Kraftstoff weiter­ hin infernalisch stinke. 280 Trotz der Unannehmlichkeiten mit dem Dieselkraftstoff und den Tank­ stellen schätzten die Fahrer beim Rabbit Diesel am meisten den geringen Ver­ brauch. Er lag nach den ersten 48.000 Meilen im Schnitt bei beeindrucken­ den 5,7 Litern (41 mpg). Allerdings äußerte sich schon im zweiten Testab­ schnitt ein Fahrer dazu abfallig: "Sure, it's great for a diesel but who needs the inconvenience?"281 Für Kritiker wog also der geringe Verbrauch die mit diesem Diesel verbundenen Nachteile nicht auf und das, obwohl nach 100.000 gefahrenen Meilen die Kosten bei durchschnittlich 7,1 Cent pro gefahrener Meile lagen 282 Noch aber war der sparsame Rabbit Diesel genau das richtige Auto und blieb dies bis 1981 283 Am Ende hielt Road & Track im Juni 1981 fest, die Kosten "make this bunny a bargain, even in these inflationary times."284 Die überzeugenden Fahreigenschaften und die geringen Kosten des Rab­ bit Diesel schlugen sich direkt in den Verkaufszahlen nieder. "The diesel has a mystique that hasn't worn off', betonte 1981 Thomas McDonald, ein Spre­ cher von Volkswagen, denn " [oJnce you develop a diesel mentality, and don't expect to go screeching off the line at every stoplight, then you can begin to appreciate the value of these cars. ,,285 Damit war man sich wohlbewusst, dass ein Auto mit konventionellem Dieselmotor nicht den Leistungsstandard eines 279 Vgl. Kurani/Sperling, Rise, 29. 280 Für weitere Details zum Dieselkraftstoff und den Problemen beim Tanken vgl. Hogg, Miscellaneous Ramblings, 33ff.; Merle, Diesel, 47; VW Rabbit Diesel 24.000-Mile Re­ port, 62ff.; Rabbit DieseI 48.000-Mile Report, 60ff.; Rabbit DieseI 80.000-Mile Update, 46f.; VW Rabbit Diesel at 100.000 Miles, 57-60. 28! Rabbit Diesel 48.000-Mile Report, 62. 282 An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass bei der Kalkulation im Unterschied zu älteren Berechnungen nur die Kraftstoffkosten berücksichtigt wurden. Laufende Kosten wie Anschaffungspreis und Reparaturen wurden demgegenüber ausgeklammert. 283 Vgl. VW Rabbit Diesel 24.000-Mile Report, 62ff.; Rabbit Diesel 48.000-Mile Report, 60ff.; Rabbit Diesel 60.oo0-Mile Update, 80; Rabbit Diesel 80.oo0-Mile Update, 46f.; VW Rabbit Diesel at 100.000 Miles, 57-60. 284 VW Rabbit Diesel at 100.000 Miles, 60. 285 Thomas McDonald zit. n.: Hulbert, Mystique, Auto! .

1 24

3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

Pkw mit Ottomotor erreichte. Das mag zunächst verwunderlich erscheinen, da die Fahrleistung beim Golf Diesel als ebenbürtig zu seinem Bruder mit Benzinmotor beschrieben worden war. Die Erklärung findet sich, wenn zu einem späteren Zeitpunkt der Golf Diesel erneut untersucht wird. Dann fallt auf, dass sich 1980 im Vergleich zu 1977 bei den in den USA getesteten Mo­ dellen einiges verändert hatte. Volkswagen fertigte mittlerweile die Rabbits für den US-Markt in West­ moreland, Pennsylvania. Lediglich die Motoren wurden weiterhin aus Deutschland importiert. Die Zeitschrift Road & Track stellte deswegen die Frage, ob der Rabbit Diesel ,,[nlaturalized or neutralized" 286 sei, denn die Amerikanisierung ging einher mit neuen Materialien, Farben und einigen Veränderungen am Erscheinungsbild, wie den viereckigen Frontscheinwer­ fern. Obwohl die Fertigungsqualität in Deutschland und in den USA als un­ geHihr gleich eingeschätzt wurde, kritisierte Road & Track die schlechtere Qualität der in den USA verwendeten Bauteile. Außerdem war der neue Rab­ bit auf hohen Komfort und nicht mehr auf agiles Fahrverhalten ausgelegt worden, was dem Fahrgefühl an sich abträglich war. Weitaus gravierender wirkte sich jedoch der enorme Leistungsabfall gegenüber dem 1977 geteste­ ten Rabbit Diesel aus. Damals hatte Road & Track bei der Beschleunigung von 0 auf 60 mph eine Zeit von 15,8 Sekunden gemessen. Für die Viertelmeile hatte der Rabbit Diesel 20,4 Sekunden benötigt und war auf eine Geschwindigkeit von 66 Meilen pro Stunde gekommen 287 Das 1980 getestete Modell beschleunigte dagegen mit 22,9 Sekunden vergleichsweise langsam auf 60 Meilenlh. Die Leistung über die Viertelmeile fiel genauso ab. Sie wurde nun in 22,4 Sekun­ den mit einer Geschwindigkeit von 59,5 mph zurückgelegt. Ferner ging die Höchstgeschwindigkeit von 90 mph auf 79 mph zurück. Noch schlechter schnitt der Rabbit Diesel ab, wenn als Referenzgröße der Golf mit Ottomotor, der in 12,1 Sekunden beschleunigte und die Viertelmeile in 1 8,9 Sekunden und mit 73,5 mph zurücklegte, herangezogen wurde 288 Damit war erstmals 286 Volkswagen Rabbit Diesel (Road & Track 1980), 60. 287 V gl. Volkswagen Rabbit Diesel (Road & Track 1977), 50f. Es muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass alle anderen amerikanischen Automobilzeitschriften wie auch Consumer Reports demgegenüber Zeiten nannten, die sich mit den Werten in deut­ schen Automobilzeitschriften bzw. Testberichten deckten. So gab Motor Trend an, der Golf Diesel beschleunige in 19,4 Sekunden und lege die Viertelmeile in 20,7 Sekunden bei einer Höchstgeschwindigkeit von 68,2 Meilenlh zurück. V gl. Hall, Volkswagen Rabbit Diesel, 42. Wichtig ist, dass diese einmal erreichten und nicht mehr reproduzier­ ten Werte insofern relevant sind, da sie Road & Track beim Vergleich mit nachfolgen­ den Golf Dieselmodellen und anderen Dieselautos stets als Referenz dienten. Sie wur­ den als Bewertungsgrundlage, ob ein Diesel als schnell oder langsam einzustufen sei, herangezogen. 288 V gl. Volkswagen Rabbit Diesel (Road & Track 1977), SOff.; Volkswagen Rabbit Diesel (Road & Track 1980), 60ff.

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die Rationalitätsfiktion vom leistungsstarken und einem Benzin-Pkw eben­ bürtigen Rabbit Diesel infrage gestellt worden. Für den rapiden Leistungseinbruch waren mehrere Faktoren verantwort­ lich. Vor allem war es laut Road & Track die Kombination von strengeren Abgasgrenzwerten und größerem Wagengewicht infolge der schweren Ext­ ras. Das Mehrgewicht von 1 1 8 kg (260 Pfund) war insbesondere eine Folge der mittlerweile installierten Klimaanlage 289 Überraschend ist, dass nicht thematisiert wird, wie eine Klimaanlage stets Motorleistung zieht und den Verbrauch ansteigen lässt. Bei spärlichen 50 PS (48 bhp) Leistung wirkten sich diese Faktoren stark auf die Leistungsentfaltung aus und machten trotz des positiven Effektes einer Klimaanlage "a slow car even slower, to a point where it is almost necessary to switch the compressor off to accelerate away from a stoplight. "290 Die Laufkultur des Vierzylinderdieselmotors und das laute Motorengeräusch waren weitere wichtige Kritikpunkte, die geäußert wurden, obgleich die Geräuschpegelmessungen zum Golf mit Ottomotor von 1975 und dem 1977er Golf Diesel keine merklichen Unterschiede zeigten 291 Da in den USA die Kraftstoffpreise seit dem ersten Road & Track Rabbit Diesel Test angestiegen waren, machte der verbrauchsgünstige Diesel eigent­ lich doppelt Sinn. Vom rein ökonomischen Standpunkt schien der Rabbit Diesel um das Jahr 1980 rentabel zu sein, zeigten die Kalkulationen von Road & Track doch, dass sich der Aufpreis von 425 Dollar für die Dieseloption nach ca. 17.600 Meilen amortisierte 292 Das Fazit zum Rabbit Diesel fiel 1980 dennoch weitaus gemischter aus als 1977, weil sich die Bewertung der entscheidenden Faktoren geändert hat­ te 293 Es deutete sich damit ein Wandel bei den Rationalitätsfiktionen an: vom leistungsstarken und einem Pkw mit Ottomotor ebenbürtigen sowie laufruhi­ gen Diesel hin zum lahmen, trägen, lauten und unzuverlässigen Diesel. Ge­ rade die Masse der US-Autofahrer ließ sich von diesen Stigmata abschre-

289 V gl. Volkswagen Rabbit Diesel (Road & Track 1980), 6 1 . Das Leergewicht betrug 1977 900 kg (1 .980 Pfund) und 1980 1 .020 kg (2.240 Pfund). Das Testgewicht wurde sogar mit 1 . 1 10 kg (2.440 Pfund) angegeben. V gl. Volkswagen Rabbit Diesel (Road & Track 1977), 5 1 ; Volkswagen Rabbit Diesel (Road & Track 1980), 62. 290 Volkswagen Rabbit Diesel (Road & Track 1980), 6 1 . 291 Vgl. Volkswagen Rabbit Diesel (Road & Track 1977), 50ff.; Volkswagen Rabbit Diesel (Road & Track 1980), 60ff. Beim 1977er Rabbit Diesel wurden bei konstanten Geschwindigkeiten von 30 mph, 50 mph und 70 mph Geräuschpegel von 65 d(B )A, 70 d(B)A und 78 d(B)A gemessen; beim 1980er Modell von 67 d(B)A, 72 d(B)A und 80 d(B)A. Der 1975er Rabbit mit Ottomotor erreichte demgegenüber 69 d(B)A, 72 d(B)A und 77 d(B)A. 292 Vgl. Volkswagen Rabbit Diesel (Road & Track 1980), 62. Als Berechnungsgrundlage dienten ein Verbrauch von 5,5 Litern (43 mpg) und 9,4 Litern (25 mpg) für die Rabbit Modelle mit Diesel- und Ottomotor sowie ein Preis von 1,13 Dollar und 1,26 Dollar für eine Gallone Diesel bzw. Benzin. 293 V gl. Volkswagen Rabbit Diesel (Road & Track 1980), 62.

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3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

cken, weshalb die Verkaufszahlen in der ersten Hälfte der 1980er Jahre nach dem Höhenflug im Jahr 1981 absackten. Eine ähnliche Entwicklung vollzog sich bei den Dieselmodellen von General Motors. Zunächst stieg nicht nur der Absatz der Oldsmobile Dieselautos seit ihrer Markteinführung an, sondern auch die Anzahl der offerierten Modelle. Im Modelljahr 1979 bot Oldsmobile in 1 9 seiner 26 Modelle den Dieselmotor optional an. Im folgenden Jahr war ein Dieselmotor in 21 von 27 Modellen verfügbar und ab dem Modelljahr 1981 in 1 9 von 23 Oldsmobile Model­ len 294 Dank des sparsameren Dieselmotors konnte der Hersteller weiterhin "family-sized vehicle required by many Americans"295 anbieten, ohne dabei gegen die Flottenverbrauchsbestimmungen zu verstoßen. Zu diesen Wagen zählten insbesondere die beiden Mainstream-Modelle Ninety-Eight und Cutlass. Der größere Ninety-Eight gehörte zur "fast-va­ nishing breed of Great American Land Yachts"296, die noch aus der Zeit vor der Ölkrise von 1973 stammten. Der Wagen stemmte sich erfolgreich gegen den Trend zu kleineren Autos. Der für eine jüngere Generation ausgelegte Cutlass sei, so Peter Frey in Motor Trend, der Verkaufs schlager der Oldsmo­ bile Division, die mit dem Auto den Geist der Zeit treffe und durch den Die­ selmotor den Wunsch nach einem verbrauchsgünstigen Fahrzeug noch besser erfülle. Da der Cutlass "nearest and dearest to the hearts of middle America" war, musste der Wagen nach Meinung Freys als "the definitive American car"297 eingestuft werden, dessen Zukunftschancen durch den Dieselmotor gesichert werden sollten. Die Frage, ob sich das amerikanische Dieselauto im mittleren Westen der Vereinigten Staaten durchsetzen konnte, blieb bestehen. Noch 1978 hatten in dieser Region im Vergleich zu Kalifornien und zur Ostküste vergleichsweise wenige Leute Dieselautos gekauft 298 Im Winter 1980 war der Diesel-Pkw schließlich im Herzen Amerikas angekommen, wie ein von Motor Trend durchgeführter sechs Tage dauernder Trip von Lansing, Michigan, nach Los Angeles über St. Louis, Dallas und Houston belegte. Zur Überraschung der beiden Testfahrer, die anfangs davon ausgegangen waren, der Diesel sei nicht massentauglich, berichteten die Oldsmobile Händler durchweg, dass das Ge­ schäft mit den Dieselmodellen boome. Jedes verfügbare Auto konnte ver294 Vgl. News trom Oldsmobile, Pressemitteilung 20. September 1978, Oldsmobile 19771980, 1980, News trom Oldsmobile Pressemitteilung 28. September 1979 und Oldsmo­ bile 1981-1985, 198 1 , News trom Oldsmobile, Pressemitteilung 10. September 1980, Detroit Public Library National Automotive History Collection, Oldsmobile 19771980, 1979. 295 Schreiben Thomas A. Murphy an Präsident Jimmy Carter, Detroit, Mi., 10. September 1979, JC-DPS: Series Kathryne Bemick Files, 1979-1980, Box 9, Murphy (Thomas A., Chairman of Gen'l Motors) - DiesellNOX (Oxides of Nitrogen) (Waivers). 296 Frey, Dueling Diesels, 27. 297 Ebd. Hervorhebung im Original, C.N. 298 Vgl. Bohn, Olds Diesel, 86, 90.

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kauft werden und sie hätten, wenn mehr Diesel geliefert worden wären, auch die doppelte Menge absetzen können 299 Der durchschnittliche Käufer eines Cutlass war männlich, zwischen 30 und 40 Jahre alt, oft verheiratet, sowie gut gebildet und fuhr meistens über­ durchschnittlich viel; die Eltern der Käufergruppe wählten das Modell Ni­ nety-Eight. Als gemeinsamer Nenner bei beiden Käufergruppen galt die starke Präferenz für einen Dieselmotor. Auch schienen Unternehmen, die größere Fahrzeugflotten besaßen, zu den Dieselpersonenwagen zu tendieren. Nachdem bereits 600 Einheiten der Cutlass Diesel gekauft worden waren, bestellte eine Firma 400 weitere Fahrzeuge. Für diese dritte Käufergruppe waren Verbrauch, Verlässlichkeit, Instandhaltungskosten und Wiederver­ kaufswert äußerst relevante Größen. Die Nachbestellung ließ darauf schlie­ ßen, dass der Cutlass diese Attribute erfüllte. In den Unternehmen fuhren insbesondere junge leitende Angestellte die Fahrzeuge, die wiederum Freun­ den davon erzählten oder sie auch mit dem Firmenwagen fahren ließen. Dank der Mundpropaganda begeisterte sich ein zusehends größer werdender Perso­ nenkreis für den Cutlass Diesel. Einige Händler stuften schließlich den Die­ sel als amerikanische Antwort auf "The Import Invasion"300 aus Japan ein 301 Der Diesel-Pkw aus amerikanischer Produktion konnte dadurch zwei natio­ nale Bedürfnisse befriedigen. Erstens wurde er von vielen Amerikanern als Möglichkeit gesehen, die Abhängigkeit von der OPEC zu reduzieren. Zwei­ tens begriffen sie ihn als Abwehrmöglichkeit gegenüber japanischen Autos, die zu dem Zeitpunkt verstärkt Marktanteile in den USA gewannen 302 "Why should they put up with tin cans when they can have a car with some sub­ stance that gets the same mileage?,,303, fragte sich ein Händler. Selbst wenn die Aussage laut Frey etwas kurzsichtig erschien, so gab es mit Sicherheit zahlreiche Käufer, die ähnlich dachten. Insgesamt gesehen schwenkten Auto­ käufer, die vormals den Ottomotor gewählt hatten, beim ansonsten gleichen Autotyp oft auf den Dieselmotor um. 304 Im Jahr 1981 brach jedoch der Absatz der GM-Dieselautos dramatisch ein 305 Diese Entwicklung hing eng mit den Oldsmobile Dieselautos zusam­ men. Ein Grund hierfür lag beim Leistungseinbruch der Diesel. Die Motor­ leistung des 1980er 5,7-Liter-Dieselmotor fiel auf 106 PS (105 bhp) bei 3 .200 Umdrehungen und das Drehmoment auf 278 Nm bei 1.600 U/min. Somit war beim Cutlass Diesel der veränderte 5,7-Liter-Motor nur noch wenig stärker als der 4,3-Liter-Dieselmotor mit 9 1 PS und einem Drehmoment von 2 1 8 Nm 299 300 301 302 303 304 305

Vgl. Frey, Dueling Diesels, 26-3 l. Ebd., 28. Vgl. ebd. V gl. ebd.; Altshuler u.a., Future, 25. Frey, Dueling Diesels, 30. Vgl. ebd., 28ff. Vgl. Ward's Conununication, Ward's Automotive Yearbook (1979-1987).

128

3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

bei 1 .600 U/min, den er eigentlich ersetzt hatte. Für die Wagenbesitzer mani­ festierte sich der Leistungseinbruch nicht nur bei der PS-Zahl, sondern auch bei den Beschieunigungszeiten 306 Der 198 1er Ninety-Eight reichte mit einer Zeit von 20 Sekunden bei Weitem nicht an die Leistungserfolge seiner Vor­ gänger heran. Ähnlich schlecht schnitt der Wagen beim Viertelmeilentest ab. Er benötigte 22 Sekunden und kam auf eine maximale Geschwindigkeit von 63 mph. Beim Kraftstoffverbrauch lösten beide Oldsmobile Diesel weitaus mehr Begeisterung aus als mit diesen trägen Fahrleistungen. Zur Jahreswende 1980/81 konnten die für große amerikanische Autos günstigen Verbrauchs­ zahlen noch begeistern und die träge Leistungsentfahung der 5,7-Liter-Moto­ ren bedingt kaschieren 307 Schließlich wurde aber noch ein weiterer Kritik­ punkt im öffentlichen Diskurs laut, der dann zu einem endgültigen Meinungsum­ schwung führte. Die Zuverlässigkeit der GM-Diesel wurde infrage gestellt. Da die GM-Dieselautos von 1978 bis 1983 den amerikanischen Diesel­ markt dominierten und auf dem Höhepunkt 1981 sogar beinahe 60 Prozent des Dieselmarktes abdeckten, wird offensichtlich, welche Konsequenzen die Motorenprobleme für die Entwicklung des Dieselmarktes in den USA hatten - zumal zu dem Zeitpunkt der zweitstärkste Dieselhersteller in den USA, Volkswagen, ebenfalls in die Kritik geraten war. Grafik 4: Marktanteile am US-Dieselmarkt, 1977-1986

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Quelle: Ward's Cornmunication, Ward's Automotive Yearbook (1978-1987).

306 Vgl. Ceppos, Oldsmobile Cutlass Brougharn Diesel, 124; Hack, Diesel (1987), 263. Hacks Angabe zum Drehmoment weicht an dieser Stelle von den Werten der später vorgestellten Oldsmobile Diesel ab. 307 V gl. Frey, Dueling Diesels, 30f.

3.2 Eine kurzweilige Begeisterung für das Dieselauto?

129

In den Medien wurde explizit die geringe Zuverlässigkeit der V8-Dieselmo­ toren von General Motors angesprochen. Das geschah zum Beispiel im Juni 1980 in Consumer Reports. Der 1978er Oldsmobile Delta Eighty-Eight Die­ sel könne, so das Fazit, kaum empfohlen werden, denn "the legendary dura­ bility of diesel engines, at least in the case of the GM diesel V-8 's, is just that - a legend."30s Der Konzern war nach Aussage des ehemaligen GM-Ingeni­ eurs, Darrel R. Sand, über die Probleme der Dieselmotoren informiert. Er hatte seinen Vorgesetzten 1977/78 empfohlen, die Produktion der Dieselmo­ toren nicht anlaufen zu lassen, weil die Kurbelwellen brachen, die Motorblö­ cke kaputt gingen, die Zylinderkopfdichtungen undicht waren und die Kraft­ stoffpumpen Probleme bereiteten. Da jedoch der Flottenverbrauch eingehal­ ten werden musste, habe sich das Unternehmen dennoch für einen Produkti­ onsbeginn entschieden. 1980 zog Darrel Sand die Konsequenzen und schied aufgrund der unterschiedlichen Ansichten zur Praxistauglichkeit der Motoren aus dem Unternehmen aus 309 In einem Interview erklärte der stellvertretende Chefingenieur des pow­ ertrain development in Lansing, Frank W. Ball, dem Journalisten Barlow die Ursache für die Probleme wie folgt: "These problems have apparently been the result of the production Diesel engines being built to gasoline automotive engine standards and tolerances."310 Damit beschrieb er ein Problem, das nach Darstellung von General Motors eigentlich zum Serienstart behoben worden war. Barlow glaubte, dass die Erläuterung nur einen Teil der Mo­ torendefekte erklärte, denn "crankshaft and wristpin/piston breakage can hardly be due to slight variations in manufacture; they are almost certainly due to being over-stressed to start with - despite this 5.7 litre engine not even being called upon to develop much power." 311 Damit bezog er sich auf die im Vergleich zum Mercedes Turbodieselmotor niedrigere Leistungsausbeute pro Liter Hubraum. Barlow stellte mit der Aussage zugleich die Qualität der GM­ Dieselmotoren generell wie auch der GM-Motorenproduktion infrage. Die anhaltenden und schwerwiegenden Defekte führten dazu, dass die Besitzer eines GM-Dieselautos ihre Begeisterung verloren und frustriert die geringe Zuverlässigkeit ihres Wagens beklagten. Das bestätigen Marktumfra­ gen von J.D. Power and Associates. Sie hatten bereits 1978 bei einigen der ersten 3 1 . 600 Käufer eines Oldsmobile Dieselautos eine Befragung durchge­ führt. Damals hatten sich die Käufer noch sehr positiv über ihre Autos geäu­ ßert. Eine zweite Umfrage im Oktober 1979 förderte allerdings zutage, dass bei den Diesel-Pkw überdurchschnittlich oft Reparaturen durchgeführt wer­ den mussten. 75 Prozent der Käufer eines 1978/7ger Oldsmobile Dieselautos

308 309 310 311

Are Diesels Durable, 394. Vgl. deCourcy Hinds, Saga, P8. Barlow, Diesel Car Book, 138. Ebd., 139.

130

3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

"encountered one or more 'major' engine problems"312, wie Ölaustritt am Motorblock, defekte Zylinderkopfdichtungen oder von gebrochenen Kurbel­ wellen und Schäden an Kolben bzw. Kolbenbolzen verursachte Motorschä­ den. Auch die Erfahrungen von Barlow zeigen, dass nicht von einem singulä­ ren Problem gesprochen werden konnte: Unfortunately, as the cars began to accumulate a few thousand rniles, the picture rapidly altered - oil 1eaks couldn't be eliminated by the dealers, head gaskets blew and there were a disturbing number of catastrophic engine blow-ups due to crankshaft breakage along with piston andJor wristpin failure. Injection equipment problems also showed Up. 313

Als GM die Probleme mit den 5,7-Liter-Motoren nicht in den Griff bekam, kippte die Stimmung endgültig 314 Infolgedessen empfahlen weder Consu­ mer Reports noch der Journalist Barlow den Kauf eines Autos mit GM-V8Dieselmotor, da die Motorendefekte zu gravierend seien. Consumer Reports musste sogar seinen Langzeittest einstellen, weil das Auto und der Motor einfach zu oft repariert werden mussten 315 Die gravierenden Motorschäden bei Dieselautos aus amerikanischer Pro­ duktion wurden selbst in Deutschland rezipiert. 1981 berichtete Auto Motor und Sport davon, dass die New Yorkerin Laurin Hyde mit anderen GM-Die­ selfahrern aus New York den Konzern auf zwölf Millionen Dollar Schadens­ ersatz verklagte. Wiederum andere Besitzer eines GM-Dieselmodells wand­ ten sich an das Centerfor Auto Safety, das mit dem Verbraucheranwalt Ralph Nader in Verbindung stand. Selbst die Federal Trade Commission (FfC) schaltete sich ein und reichte Beschwerde bei einem Verwaltungsgericht ein, weil es "schwerwiegende Probleme und ernsthafte Mängel an den Einspritz­ pumpen oder -düsen der Dieselmotoren"316 gebe. Als Folge der Entwicklung rief General Motors die Diesel 1980 in die Werkstätten, wo für 50 Dollar -

3 1 2 Nagy, GM, 22. Roger Barlow fasste 1981 die Erfahrungen mit seinem 5,7-Liter-Diesel­ motor im Oldsmobile Cutlass Diesel zusammen. Er listete nach 30.000 gefahrenen Mei­ len acht gravierende Defekte auf. Dazu zählte ein permanentes Auslaufen von Öl, wel­ ches sein GM-Händler in 15 Monaten nicht in den Griff bekam. Bei all seinen anderen Dieselwagen war Barlow nicht mit Öllecks konfrontiert worden. Eine Zylinderkopf­ dichtung musste zweimal ausgetauscht werden; nach 15.000 und 25.000 Meilen. Nach 30.000 Meilen musste die Einspritzpumpe ersetzt werden. Überdies kam es nach dieser Distanz auch zu einem Defekt in der Roosamaster-Pumpe, weshalb die ganze Pumpe eingeschickt werden musste. Das kostete 290 Dollar und der Wagen stand zwei Wochen lang in der Werkstatt; bei einem Rabbit Diesel hätte diese Reparatur von jedem Auto­ mechaniker in einer halben Stunde für 45 Dollar erledigt werden können. Vgl. Barlow, Diesel Car Book, 235f. 3 1 3 Barlow, Diesel Car Book, 138. 314 Vgl. Nagy, GM, 22. 3 1 5 Vgl. Barlow, Diesel Car Book, 141, 236. 3 1 6 Bauer, Wasser-Fall, 4 1 .

3.2 Eine kurzweilige Begeisterung für das Dieselauto?

131

wenn e s der Kunde wünschte - eine Warnlampe, die einen zu hohen Wasser­ stand im Tank signalisierte, installiert wurde.317 Ein anderer Käufer eines Cadillac Seville Diesel, Charles Verre, kaufte das Fahrzeug 1979 seiner Frau als Geschenk zur Silberhochzeit. Der Wagen musste in 35 Monaten l 5-mal in die Werkstatt gebracht werden, wo er dann insgesamt fünf Monate für Reparaturen verbrachte, die seinen Besitzer mehr als 3.000 Dollar kosteten. Ihr zweiter Wagen, ein 1980er Cutlass Diesel, brachte es immerhin auf eine Reparaturrechnung von 1.500 Dollar. Das war bei Weitem kein Einzelfall. Nachdem sein 197ger Cadillac Seville Diesel lie­ gen geblieben war, und er für einen neuen Motor 3 .000 Dollar bezahlen musste, weil die Garantie abgelaufen war und GM sich weigerte, die Kosten zu übernehmen, gründete Robert Beecroft die Konsumentenvereinigung Dis­ satisfied Owners of General Motors Automotive Diesel (DOGMAD) in San Diego, Kalifornien. Beecroft schaltete eine Anzeige in einer örtlichen Zei­ tung, auf die sich zahlreiche weitere enttäuschte Besitzer eines GM-Dieselau­ tos bei ihm meldeten. Im November 1982 bekamen die DOGMAD-Mitglie­ der von General Motors ohne Gerichtsverfahren eine Entschädigung über 800.000 Dollar für Reparaturkosten und Kosten für Mietwagen zugespro­ chen. Insgesamt waren ca. 350 Besitzer eines GM-Diesels hierzu berech­ tigt.318 In Kalifornien trafen die Probleme nicht nur Autokäufer, sondern auch den Hersteller selbst. Denn 1979 und Anfang 1980 durfte GM zeitweise keine Dieselfahrzeuge in Kalifornien verkaufen, weil sie während der offiziellen Emissionstests über 50.000 bzw. 100.000 Meilen auseinanderfielen. Nach Aussage eines Pressesprechers des California Air Resources Board (CARB), Bill Sesser, handelte es sich hierbei ausschließlich um mechanische Prob­ leme mit den Motoren. Der damalige Direktor des CARB , Thomas C. Austin, ging mehr ins Detail und erläuterte, dass sieben der neun Testfahrzeuge Pro­ bleme mit dem Getriebe und alle neun Wagen Motorschäden hatten 319 Der Verkaufs stopp von amtlicher Seite kam erst 1984, weil es GM nicht gelang, die Motoren soweit zu trimmen, dass sie die in Kalifornien gültigen Grenz­ werte einhielten.32o Bevor das geschah, rollte die Protestwelle mit den Be­ schwerden über die GM-Dieselautos weiter. Die GM-Diesel wurden zudem aufgrund der zahlreichen technischen Probleme in Händlerpublikationen, wie dem Kelley Blue Book, in ihrem Wie­ derverkaufswert heruntergestuft. Vereinzelt meldeten Dieselbesitzer wie aus dem Bundesstaat Virginia, dass selbst GM-Händler oft nur die Hälfte des ei317 Vgl. ebd., 41; deCourcy Hinds, Saga, F8; GM Faces Class Action Over Its Diesel Cars, 6; Hulbert, Mystique, Auto1 , Auto 16. 318 Vgl. Parker, Car Owners, SD_A1, SD_A6. 3 1 9 Vgl. deCourcy Hinds, Saga, F8; Hulbert, Mystique, Auto1 , Auto16. 320 Vgl. Woutat, Diesel Cars, AlO, A14. Der Hersteller Volvo sab sich mit dem gleichen Problem konfrontiert. V gl. ebd.

132

3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

gentlichen Buchwertes boten, sofern sie die GM-Diesel überhaupt annah­ men 321 Ein Mechaniker in Detroit berichtete sogar, dass er aus GM-Diesel­ autos die Motoren ausbaute und durch Ottomotoren ersetzte, damit seine Kunden die Wagen überhaupt verkaufen konnten 322 Die diskursiv verhandelten Rationalitätsfiktionen zu den GM-Dieselmo­ toren wandelten sich zwischen 1980/81 und fortan galten Dieselwagen aus amerikanischer Produktion als äußerst unzuverlässig. Das Interesse der Kon­ sumenten an diesen Dieselmotoren brach 1981 massiv ein. GM ließ sich von der Unzufriedenheit der Autofahrer nicht beirren und prognostizierte 1981 einen Dieselanteil bei der Autoproduktion von 20 bis 25 Prozent für das Jahr 1985. Der Hersteller vertrat die Ansicht, dass die Konsumenten sich gerade für die zweite Generation der V8-Dieselmotoren entscheiden würden, da sie maßgeblich verbessert worden seien 323 Die Autokäufer allerdings sahen ei­ nerseits die anhaltenden Motorendefekte und zugleich den Leistungsabfall bei der zweiten Motorengeneration und entschieden sich deswegen gegen die GM-Diesel. Den positiven Zukunftsprognosen von GM stand überdies die rollende Klagewelle gegen den Konzern gegenüber. Letztlich wurde der Oldsmobile Diesel durch seine andauernden Probleme zum Synonym einer defekten Technologie. Nachdem im November 1980 vor einem New Yorker Gericht eine Sammelklage über zwölf Millionen Dollar eingereicht worden war, folgte im März 1981 eine weitere Sammelklage über 68 Millionen Dollar vor einem kalifornischen Gericht in Los Angeles. Als Begründung wurde ange­ führt, die Motoren seien aus minderwertigen Bauteilen hergestellt worden, GM habe die Probleme ignoriert und versuche, seine Garantiepflichten zu umgehen. Beide Klagen reichte der New Yorker Anwalt Robert S. Schachter ein, den das Center Jor Auto SaJety, eine Konsumentenvereinigung aus Wa­ shington, D.C., unterstützte 324 1983 liefen in New York und Kalifornien drei Sammelklagen gegen Ge­ neral Motors. Hierbei ging es um eine Summe von ca. 500 Millionen Dollar für die Besitzer der zwischen 1977 und 1980 produzierten Fahrzeuge.325 Ge­ neral Motors zeigte sich 1984 bereit, 22,5 Millionen Dollar Abfindung für die 321 Vgl. deCourcy Hinds, Saga, F8. Ähnlich erging es dem Anwalt Robert Galin aus La­ guna Hills, der für seinen Cadillac Eldorado Diesel einen Aufpreis von 1.500 Dollar bezahlte und 3.000 Dollar Verlust hinnehmen musste, als er den Diesel für einen Eldo­ rado mit Ottomotor eintauschte. Vgl. Woutat, Diesel Cars,AI4. 322 Vgl. Woutat, Diesel Cars, AlO. 323 Vgl. Nagy, GM, 22f. Im gleichen Jahr ging der Direktor des GM-Motorenwerks in Lan­ sing, Frederick Bennets, davon aus, dass die Probleme bei den GM-Dieselmotoren be­ hoben waren und 90 Prozent der Käufer erneut einen GM-Dieselwagen wählen würden. Vgl. Bauer, Wasser-Fall, 4 1 . 324 Vgl. GM Diesel Owners File Califomia Class Action Against Firm, Dealers, 6 ; GM Faces Class Action Over Its Diesel Cars, 6. 325 Vgl. deCourcy Hinds, Saga, F8.

3.2 Eine kurzweilige Begeisterung für das Dieselauto?

133

drei Sammelklagen zu bezahlen. Von der Regelung waren gut 450.000 Käu­ fer betroffen. Die Erstbesitzer sollten den Großteil des Geldes bekommen, wenn Reparaturen in den ersten fünf Jahren oder während der ersten 50.000 Meilen notwendig gewesen waren. Der verbliebene Betrag sollte dann an Erstbesitzer ausbezahlt werden, die mit Motorschäden nach dieser Dauer konfrontiert worden waren. Ihr Anspruch durfte 150 Dollar pro Person nicht übersteigen 326 Der Anwalt Schachter zeigte sich zufrieden über die Einigung und nannte sie "an exceptional result for owners of the diesel vehicles and an eminently fair resolution of the lawsuit" 327 Andere wiederum, wie der An­ walt Robert Steinbach, der die Konsumentengruppe Disgruntled Diesel Ow­ ners Group vertrat, kritisierten insbesondere die zu geringe Höhe der Abfin­ dung. Ihrer Ansicht nach seien gut 22 Millionen Dollar nicht ausreichend, um die Konsumenten ausreichend zu entschädigen 328 Vermutlich spielte er mit dieser Kritik auf den Betrag an, der sich einstellte, wenn die Summe auf alle 450.000 Entschädigungsberechtigten gleich heruntergebrochen würde: 50 Dollar pro Person. Zumindest war aber ein Teil der Dieselbesitzer mit der Einigung zufrieden. Den Ruf der Diesel rehabilitierte das Gerichtsurteil frei­ lich nicht mehr, zumal bereits eine weitere Klagewelle anrollte. In Charles­ ton, South Carolina, reichten mehr als 100 Besitzer von zwischen 1981 und 1985 produzierten GM-Dieselautos und Light Trucks stellvertretend eine Klage für die insgesamt 600.000 Besitzer der Fahrzeuge ein, weil sie eine Entschädigung für die angefallenen Reparaturkosten erstreiten wollten. Die Verfahren über die GM-Dieselmotoren zogen sich bis in die frühen 1 990er Jahre hin, ehe eine Abfindung von 13,5 Millionen Dollar vereinbart werden konnte 329 Die Auswirkung der massenhaften Unzufriedenheit mit den GM-Diesel­ autos war ein wichtiger Faktor, der zum rapiden Absatzeinbruch führte. Be­ reits 1983 lief die Dieselmotorenfabrik in Lansing nur noch mit einer Auslas­ tung von zehn Prozent 330 Der jährliche Buying Guide von Consumer Reports aus den Jahren 1984 und 1985 wies mittlerweile explizit auf die Probleme der V8-Dieselmotoren von GM hin33! und legte damit den Interessenten nahe, Autos mit diesen Motoren nicht zu kaufen. General Motors interpretierte den Absatzeinbruch anders. Für den Her­ steller waren keineswegs die technischen Probleme ihrer Dieselmotoren für die Entwicklung verantwortlich. Nach Meinung des Oldsmobile Marketing

326 Vgl. Brown, Diesel Suits, D 1 ; GM, Diesel Owners Settle, SD2; Holusha, GM, D4; Kurani/Sperling, Rise, 24. 327 Brown, Diesel Suits, D l . 328 Vgl. ebd. 329 Vgl. GM Is Sued by Owners of Certain Cars, Trucks Over Diesel Engines, 5; Kahn, GM Reaches Tentative Settlement, 2 1 ; Kahn, GM Unable to Derail Diesel Lawsuit, 20. 330 Vgl. Woutat, Diesel Cars,AlO,A14. 331 Vgl. 1984 Buying Guide Issue, 316; 1985 Buying Guide Issue, 92f.

134

3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

Direktors, Lynn C. Meyers, war der Einbruch auf das Ende der Energiekrise, den Aufpreis für Dieselfahrzeuge sowie die besseren Verbrauchswerte der neuen Ottomotoren zurückzuführen.332 Da im Jahr 1983 sogar Preisnachlässe von bis zu 275 Dollar bei Oldsmobile Dieselmodellen kaum noch Käufer anzogen, ist zu bezweifeln, dass ausschließlich wirtschaftliche Gründe für den Absatzeinbruch der GM-Diesel verantwortlich gewesen sind. Vielmehr müssen die gewandelten Rationalitätsfiktionen zu den Dieselautos des markt­ beherrschenden US-Dieselherstellers als Auslöser angesehen werden. Als die öffentliche Meinung durchweg attestierte, die GM-Diesel seien lahm, kurzle­ big und unzuverlässig, fielen die Kaufanreize weg, die noch in den Jahren zuvor den Dieselabsatz hatten anschwellen lassen. Schließlich gab General Motors die Einstellung der Produktion der Dieselmotorenproduktion für das Jahr 1985 bekannt.333 Umstritten ist, inwieweit die Konsumenten die Defekte der GM-Diesel­ motoren auch auf die Modelle anderer Hersteller übertrugen. Greene betonte in einer Studie, dass die Autokäufer sehr wohl zwischen guten und schlechten Dieselmotoren, selbst innerhalb der Motorenreihe von General Motors, un­ terscheiden konnten und in ihre Kaufentscheidung einfließen ließen 334 An­ ders wurde das in einem Artikel der New York Times diskutiert. Nach dieser Darstellung vertraten die deutschen Hersteller Volkswagen und Mercedes die Meinung, dass die Konsumenten die Probleme mit den GM-Dieselmotoren auf ihre Dieselautos übertrugen. Volkswagen machte GM für den Verkaufs­ einbruch der Rabbit Dieselmodelle verantwortlich. "The diesel engine itself has gotten a bad reputation because of the experience of one manufacturer"335, so Tom McDonald von VW ofAmerica. Mercedes-Benz verwies 1984 impli­ zit auf die Probleme der GM-Diesel und lobte die eigenen Dieselautos in der Werbung: These Mercedes-Benz diesels are pure diesels: no hastily converted gasoline engines, no customers made guinea pigs. Had everyone who sold diesels in America over the past decade rnatched Mercedes-Benz standards, they might all be selling diesels to­ day.336

Dabei wurde nicht nur die Qualität der Mercedes Dieselautos herausgestri­ chen, sondern auch betont, dass es sich beim Mercedes Dieselmotor um ei­ nen echten Dieselmotor handelte, schließlich war die neue Motorenbaureihe erstmals nicht von einem Ottomotor abgeleitet worden. Übrigens traf die Aussage auch Volkswagen, denn dort hatte bekanntlich ein Ottomotor als 332 Vgl. GM's Diesels Die, 39; Woutat, Diesel Cars,AI4. 333 Vgl. Holusha, GM, Dl, D4; Ward's Communication, Ward's Automotive Yearbook (1985), 37. 334 Vgl. Greene, Transportation, 169. 335 Tom McDonald zit. n.: Woutat, Diesel Cars,AI4. 336 Mercedes-Benz Werbung (Los Angeles Times 1984), HOf. Hervorhebung im Original, C.N.

3.3 Das Dilemma Energiepolitik und Abgasernissionen in den USA

135

Vorlage für den Dieselmotor gedient.337 Für das Modelljahr 1984 stemmte sich Volkswagen noch ein letztes Mal gegen den negativen Absatztrend. Maßgeblichen Anteil hatte ein Rabatt von mehr als 1 .000 Dollar, weshalb der 1 984er Rabbit Diesel nur noch 6.390 Dollar kostete. Obwohl damit der Die­ sel billiger war als das Modell mit Ottomotor, konnte der Absatzeinbruch nicht aufgehalten, sondern lediglich um ein bis zwei Jahre hinausgezögert werden.338 Der Niedergang der Verkaufszahlen von Volkswagen rührte ebenfalls von einer gewandelten Einstellung zu einer sogenannten "tiny econobox"339, wie dem Rabbit. Im Zuge der beiden Energiekrisen der 1 970er Jahre entwi­ ckelten sich Kleinwagen zum Symbol für "painful sacrifice, diminished ex­ pectations, and national humiliation" 340 Eben daran wollten die Autofahrer nach den Krisen nicht mehr erinnert werden und wählten erneut große, luxu­ riöse Autos. Im Unterschied zu Deutschland wandelten sich in den USA die Rationa­ litätsfiktionen zu den Diesel-Pkw also bereits um das Jahr 1980/81 wieder und eine negative Sichtweise über die Diesel dominiert seitdem den öffentli­ chen Diskurs. Maßgeblichen Anteil daran hatten die Beurteilungen der Mo­ delle VW Rabbit Diesel und Oldsmobile Diesel Anfang der 1980er. Sie präg­ ten nachhaltig die Rationalitätsfiktionen vom schmutzigen, stinkenden, lah­ men und vor allem vom unzuverlässigen Diesel. Eine ähnliche Entwicklung war in Deutschland nicht zu verzeichnen. Nicht nur in dieser Hinsicht brachen im transatlantischen Vergleich weitge­ hend übereinstimmende Rationalitätsfiktionen auf und formten eine diamet­ rale Beschreibung und Wahrnehmung der Diesel. Auch bei den Abgasemissi­ onen setzte in den USA ein Umdenken ein.

3.3 DAS DILEMMA ENERGIEPOLITIK UND ABGASEMISSIONEN IN DEN USA Verschärfung der Abgasgrenzwerte und Veränderungen beim Dieselkraftstoff In den Jahren 1980 respektive 1981 verschärfte die EPA die Schadstoffgrenz­ werte für Kohlenwasserstoffe, Kohlenmonoxid und Stickoxide in den Auto­ abgasen. Partikelemissionen wurden im darauffolgenden Jahr als neuer Schadstoff ebenfalls reglementiert. Vorher hatten Rauchernissionen, wie zu337 Vgl. Ward's Communication, Ward's Automotive Yearbook (1981-1988). 338 Vgl. Woutat, Diesel Cars, AlO, A14; Ward's Communication, Ward's Automotive Year­ book (1978-1988). 339 TruettIHu, Diesel Engine, 18. 340 McCarthy, Auto Mania, 229.

136

3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

vor erläutert, lediglich "als lokale und optische Belästigung"341 gegolten. Ka­ lifornien stand nach wie vor das Recht zu, von diesen Regulierungen abwei­ chende, eigene Abgasgrenzwerte festzulegen. Auf nationaler Ebene galt von 1982 bis 1986 ein Partikelgrenzwert von 0,6 glMeile und zwischen 1987 und 1993 von 0,2 g/Meile. Nachdem in Kalifornien 1982 ebenfalls ein Grenzwert von 0,6 glMeile gegolten hatte, setzte hier 1985 eine sukzessive Verschär­ fung ein. Zunächst senkte das CARB das Limit auf 0,4 g/Meile, ehe es das gesetzliche Limit 1986 auf 0,2 g/Meile drückte und 1989 auf 0,08 gIMeile 342 Dass für Benzin-Pkw keine Partikelgrenzwerte erlassen wurden, lag am un­ terschiedlichen Partikelausstoß der beiden Antriebsarten. Im Jahr 1980 emit­ tierten Dieselautos laut EPA im Schnitt 0,6 glMeile, wohingegen Fahrzeuge mit Ottomotor und bleihaltigem Benzin 0,25 glMeile bzw. bleifreiem Benzin 0,01 g/Meile Partikel an die Umwelt abgaben 343 Seit der Einführung des Katalysatorautos in den USA im Jahr 1975 hatte sich also die Diskrepanz zwischen Diesel- und Benzin-Pkw diesbezüglich noch weiter vergrößert. Nicht zuletzt deswegen geriet der Diesel nun verstärkt in die Kritik. Dieser Sachverhalt konnte die Dieselautos in Deutschland zu dem Zeitpunkt übri­ gens nicht ereilen, da dort bleifreies Benzin erst Mitte der 1 980er Jahre ein­ geführt wurde. Tab. 3: US-Grenzwerte für Personenwagen mit Otto- und Dieselmotor, Modelljahre 1975-1993 Schadstoffe in Gramm

1975-76

1977-79

1980

1981

1982-86

1987-93

0,60

0,20

pro Meile Ottomotor

Kohlenwasserstoff

1,5

0,41

Kohlenmonoxid

15

7,0

Stickoxide

3,1

2,0

3,4 1,0

Diesebnotor

Kohlenwasserstoff

1,5

0,41

Kohlenmonoxid

15

7,0

Stickoxide

3,1

Partikel Testverfahren

2,0

3,4 1,0

CVS-75

Quelle: DavislDiegel, Transportation Energy Data Book (2004), 12-16. 341 Berg, Aufwand, 279. 342 Vgl. Califomia Air Resources Board, Progress Report, 2. 343 Vgl. Schreiben Michael P. Walsh an Larry Linden, Washington, D.C., 10. Januar 1980, JC-AINFL: Series Ron B. Lewis' Subject Files, 1977-1981, Box 79, Diesel-Environ­ mental Proteetion Agency (EPA), 11/79-2/80.

3.3 Das Dilemma Energiepolitik und Abgasemissionen in den USA

137

Ab dem Modelljahr 1982 gab es in Kalifornien zusätzlich eine sogenannte "Diesel-Option"344, die es ermöglichte, statt der 50.000 Testmeilen ein Test­ programm über 100.000 Meilen mit einem etwas höheren Stickoxidgrenz­ wert durchzuführen. Laut dem Ingenieur Wolfgang Berg kam der 100.000 Meilen Test der Langzeitstabilität der Abgaszusammensetzung bei Dieselmo­ toren zugute 345 Nach dieser Argumentation waren Dieselmotoren gegenüber Ottomotoren mit Katalysator überlegen. Das widerlegten jedoch zahlreiche Studien. Sie wiesen nach, dass Katalysatoren durchaus ebenfalls über eine lange Betriebsdauer stabil arbeiten konnten. Die Politikwissenschaftlerin Ka­ tharina Holzinger ermittelte, dass die Katalysatoren nach 80.000 km am Rol­ lenstand noch immer eine Effektivität von mehr als 80 Prozent erreichten 346 Selbst die Katalysatoren der im Alltagsbetrieb eingesetzten Fahrzeuge wan­ delten nach 1 60.000 km noch ca. 60 Prozent der Stickoxidemissionen um 347 Für die Hersteller von Dieselautos warfen nicht nur die Verschärfung des NO -Grenzwerts und die Einführung eines Partikellimits Probleme auf, son­ x dern auch die Qualität des Dieselkraftstoffs. Prognosen über die Dieselquali­ tät um das Jahr 1980 sagten ein Absinken der Cetanzahl, die die Zündwillig­ keit beim Dieselkraftstoff angibt, voraus. Es gab Befürchtungen, wonach in den USA die Cetanzahl zwischen 1985 und 1987 auf einen Wert von 40 ab­ fallen könnte, was wiederum einen zwangsläufigen Anstieg der Partikel- und der Stickoxidemissionen nach sich gezogen hätte 348 Auch in Deutschland kündigte die Mineralölwirtschaft in der ersten Hälfte der 1980er Jahre an, die Kraftstoffqualität werde sich verschlechtern. Die Automobilindustrie lehnte in ihren Jahresberichten zwischen 1984 und 1986 eine Qualitätsverschlechte­ rung entschieden ab. Die Veränderung der Kraftstoffkomposition wirkte sich nicht nur auf das Emissionsverhalten, sondern auch auf das Fahrverhalten der angebotenen Dieselautos aus. Wenn - wie von der Mineralölwirtschaft prog­ nostiziert - eine Qualitätsverschlechterung eintreten werde, dann würden aufgrund einer höheren Dichte des Kraftstoffs die Rußemissionen zunehmen. Außerdem bedinge eine niedrigere Cetanzahl einen Zündverzug, was den Verbrennungsablauf verändere. Die negativen Auswirkungen seien in diesem Fall bei den Emissionen, insbesondere nach dem Kaltstart, bei der Leistung, beim Verbrauch, beim Motorengeräusch und beim Fahrverhalten sowie bei einer höheren thermischen und mechanischen Belastung des Motors zu spü-

344 Berg, Schwerpunkte, 15. 345 Vgl. ebd. 346 Holzinger nennt an dieser Stelle ein unveröffentlichtes Manuskript von Mercedes Benz: ObländeriAbthoff/Schuster, Dreiwegkatalysator, 2 1 . 347 Vgl. Holzinger, Politik, 1 8 3 . Als Beleg hierfür nennt Holziger folgendes Dokument: Checks on Vehic1es in Use. 348 V gl. Berg, Aufwand, 282f. Für eine äbnliche Prognose des Technology Panel im Diesel Impacts Study Committee des National Research Council vgl. National Research Coun­ eil, Diesel Technology, 250.

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3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

ren. Im Unterschied zu den USA wies der Kraftstoff mit einer europaweiten durchschnittlichen Cetanzahl von 50 im Jahr 1985 allerdings eine höhere Qualität als der US-Dieselkraftstoff auf349 Die unterschiedliche Kraftstoff­ qualität auf beiden Kontinenten war ein weiterer Faktor, der dazu beitrug, dass Autofahrer den Dieselautos voneinander abweichende Rationalitätsfikti­ onen zuschrieben. Nicht nur die Autofahrer und die Automobilhersteller, sondern auch die Ölgesellschaften waren vom Trend zum Dieselauto betroffen. Laut T. O. Wagner, einem Wissenschaftler der Amoco Oil Co., bedeutete für die Mine­ ralö1industrie eine verstärkte Verwendung von Dieselfahrzeugen eine Redu­ zierung des Rohölverbrauchs von bis zu 1 5 Prozent. Gleichzeitig würden In­ vestitionen in der Größenordnung von bis zu 85 Millionen Dollar bei einem Tagesdurchsatz von 1 50.000 Barrel Rohöl anfallen, um den Dieselanteil bei der Zerlegung von Rohöl zu erhöhen. Damit die Ölkonzerne angesichts des geänderten Verbrauchs ihre Einnahmen aufrechterhalten könnten, müsse der Preis - so die Argumentation - für Diesel auf das Niveau von Benzin angeho­ ben werden 350 In den Raffinerien kann Rohöl durch Trennen, wie Destillieren und Fil­ tern, oder Umwandeln, wie Cracken und Reformieren, in die gewünschten Endprodukte, wie Benzin und Dieselkraftstoff, zerlegt werden. Wenn Rohöl bis zu einem Siedebereich von 180 Grad Celsius erhitzt wird, verdampfen die Leichtkraftstoffe, zu denen auch Benzin gehört. Zwischen 1 80 Grad Celsius und 280 Grad Celsius entstehen die mittelschweren Kraftstoffe, wie Kerosin, und zwischen 210 Grad Celsius bis ungefahr 360 Grad Celsius die mittel­ schweren und schweren Kraftstoffe, wie Dieselkraftstoff. Um zum Beispiel den heutigen Bedarf an Benzin zu decken, werden durch Cracken die großen Moleküle der schwerer siedenden Kraftstoffe in leichter siedende umgewan­ delt. Durch weitere Umwandlungsverfahren wird zudem die nötige Klopffes­ tigkeit einer ROZ351 von ca. 92-100 erzielt 352 Neben den ohnehin ungünstigen Prognosen zur Entwicklung der Diesel­ preise an den Zapfsäulen und zur Cetanzahl war problematisch, dass aus ei­ nem Barrel Öl nicht unbegrenzt viel der jeweiligen Kraftstoffsorte hergestellt werden konnte. Das führte zu einem ständigen Wettbewerb zwischen den verschiedenen Mitteldestillaten. Bei der Rohölverarbeitung musste also die Koppelproduktion beachtet werden. Darunter versteht man, dass die einzel-

349 Vgl. Verband der Automobilindustrie, Jahresbericht (1984), 59; Verband der Automo­ bilindustrie, Jahresbericht (1985), 57f.; Verband der Automobilindustrie, Jahresbericht (1986), 55f. 350 Vgl. Diesel Fuel Price Boosts Expected, 57. 351 Die Research-Oktanzahl (ROZ) legt die Klopffestigkeit fest. Vgl. Fachkunde Kraftfahr­ zeugtechnik, 215. 352 Vgl. ebd., 212ff.

3.3 Das Dilemma Energiepolitik und Abgasemissionen in den USA

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nen Endprodukte sich nicht beliebig verändern lassen, sondern von der Ro­ hölzusammensetzung und der Auslegung der Raffinerien abhängen 353 In den USA wurde die Ausweitung der Produktion unterschiedlicher Kraftstoffe von der Forderung der Luftfahrt, hier vor allem der US Air Force, nach mehr Flugzeugbenzin hervorgerufen. Der Konflikt verschärfte sich um das Jahr 1980, weil nach Studien die mittleren Siedeprodukte zwischen 177 und 343 Grad Celsius in einem Barrel Rohöl in den Folgejahren zurückgehen sollten. Genau aus dem mittleren Siedebereich wurden Benzin, Flugzeugben­ zin und Dieselkraftstoff entnommen. Der steigende Anteil der schweren Roh­ öle aus Arabien und des Rohöls vom North Slope (Alaska) gegenüber den leichteren Rohölen aus Arabien sowie den Abbaugebieten in den USA be­ dingte die ungünstige Voraussage. Aus einem Barrel des leichten arabischen bzw. amerikanischen Rohöls (Mid-Continent) konnten maximal 35 bzw. 37 Prozent Diesel gewonnen werden; aus dem Rohöl vom North Slope und schwerem arabischem Öl dagegen nur 30 bzw. 26 Prozent 354 Da aus den Ersatzrohölen elf Prozent weniger Diesel und Kerosin herge­ stellt werden konnten, verschärfte sich die Auseinandersetzung zwischen dem Transportgewerbe und den Fluggesellschaften, in deren Mitte die Besit­ zer der Diesel-Pkw standen. Außerdem enthielt ein qualitativ hochwertiger DieselkraftstoffNr. 2 normalerweise ca. zwei Prozent Schwefel; 1981 lag der Schwefelanteil mitunter jedoch bei fünf Prozent. Sollte eine weitere Anhe­ bung des Schwefelgehalts und eine Senkung der Cetanzahl folgen, konnten zwar die meisten Lastwagendieselmotoren den Kraftstoff weiterhin verwer­ ten, doch für Dieselpersonenwagen reichte die schlechte Kraftstoffqualität nach Ansicht von Motor Trend höchstwahrscheinlich nicht mehr aus. Zudem beanspruchte der im Kraftstoff enthaltene Schwefel, der während der Ver­ brennung in Schwefeloxide umgewandelt und in Kombination mit Feuchtig­ keit zu Schwefelsäure wird, die Motorbauteile stark. Das machte noch häufi­ gere Ölwechsel notwendig.355 Daraus resultierte ein gravierender Nachteil für den Besitzer eines Die­ sel-Pkw. Das National Research Council berichtete 1982, dass sich die Besit­ zer von Benzinautos kaum an die empfohlenen Ölwechselintervalle hielten. Bei Ottomotoren hatte diese Nachlässigkeit keine nennenswerten Konse­ quenzen, sofern zumindest Öl nachgefüllt wurde. Beim Diesel konnte jedoch ein Hinausschieben des Ölwechsels zu Abnutzungserscheinungen und Abla­ gerungen führen, wodurch die Lebensdauer des Motors stark beeinträchtigt wurde. Das erforderte in der Regel entweder eine komplette Überholung des Motors oder gar einen Austauschmotor 356 Solche Reparaturen kamen nor353 Vgl. DabeIstein, Energiebedarf, 556. 354 Vgl. Diesel Fue!. Supply vs. Demand, 35. Für den Wettbewerb zwischen Dieselkraft­ stoff und Flugzeugbenzin vgl. National Research Council, Diesel Technology, 252. 355 Vgl. Nerpel, Diesel Fue!, 24. 356 V gl. National Research Council, Diesel Technology, 52.

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malerweise für den Halter eines Dieselautos überraschend, da vorher kaum merkliche Verschlechterungen beim Fahren zu spüren waren 357 Aufgrund der sich verschlechternden Kraftstoffqualität mussten die Dieselhalter nicht nur öfters einen Ölwechsel durchführen lassen, sie mussten zugleich auch strikt darauf achten, dass sie das Wechselintervall möglichst genau einhiel­ ten. Das Fahren eines Diesel-Pkw verlangte folglich eine wesentlich höhere Eigenverantwortlichkeit gegenüber einem Benzin-Pkw. Wurde ein Halter diesen Anforderungen nicht gerecht, dann konnte er den Diesel - aufgrund der daraus resultierenden Motorenprobleme - schnell als laut und unzuver­ lässig empfinden. Diese negativen Rationalitätsfiktionen verbreiteten sich vorrangig in den USA. Die geruchsintensiven Abgase der Dieselautos galten als ein weiteres Problem, das in den USA wesentlich akuter war als in Deutschland. Von Volkswagen durchgeführte Tests zeigten, dass Dieselmotoren mit Abgasrückführung - wie sie in den USA zur Einhaltung der Stickoxidgrenzwerte nötig geworden waren - wesentlich mehr als Dieselmotoren ohne diese Vorrich­ tung stanken. Die Zusammensetzung des US-Dieselkraftstoffs Nr. 2 wirkte sich zusätzlich negativ auf die Geruchswahrnehmung aus. Im Unterschied zum europäischen Kraftstoff entstand bei der Verbrennung im Motor ein we­ sentlich intensiverer Geruch, den die Autofahrer bisweilen als Gestank be­ schrieben. Als Erklärung verwiesen Wissenschaftler auf die niedrigere Ce­ tanzahl von 46 gegenüber dem europäischen Dieselkraftstoff mit einer Ce­ tanzahl von 55 358 Insbesondere Passanten, so die Prognosen, könnten von dieser Entwicklung betroffen sein, gerade wenn sich der Dieselabsatz im Laufe der 1980er Jahre weiterhin positiv entwickeln sollte. Eine steigende Anzahl an Beschwerden wäre die unweigerliche Folge 359 Bereits bevor die Konsequenzen der sich verschlechternden Kraft­ stoffqualität auf das Emissionsverhalten der Dieselmotoren diskursiv verhan­ delt wurden, befürchteten Automobilhersteller und Automobilzeitschriften, dass die Dieselautos ihren Ruf, umweltfreundlich zu sein, verlieren könnten. Die von der amerikanischen Umweltschutzbehörde anvisierten Abgasgrenz­ werte galten als problematisch - insbesondere das Stickoxidlimit von 1 ,0 g/ Meile. Es gab jedoch eine Ausnahmeregelung, die auf die Dieselautos ange-

357 1981 vermerkte Chuck Nerpel in Motor Trend dazu: "The process is slow, with little detectable change in engine performance until suddenly the engine is worn out and stops dead. The main symptoms are increased oi! consumption, crankcase blow-by, and blue exhaust smoke." Vgl. Nerpel, Diesel Fue!, 24. 358 Das bezog sich auf die durchschnittliche Cetanzahl des Kraftstoffs und nicht auf den genormten Wert von 45. Die niedrigere Cetanzahl bedinge einen größeren Zündverzug, wodurch mehr Kohlenwasserstoffe entstehen würden und es deswegen zu einer stärke­ ren Geruchsentwicklung komme. Vgl. National Research Council, Diesel Technology, 12lf. 359 Vgl. ebd., 124f.

3.3 Das Dilemma Energiepolitik und Abgasemissionen in den USA

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wendet werden konnte, wie dies Leon Mandel in Car and Driver notierte 360 Die Regelung besagte, dass für Dieselautos aus der Zeit zwischen 1981 und 1985 der Stickoxidgrenzwert von 1 ,0 glMeile auf 1 ,5 glMeile heraufgesetzt werden konnte.361 Entscheidend war, dass die Sonderregelung für verbrauchs­ günstige Fahrzeuge, wie den Diesel-Pkw, eingeführt worden war. Ein de facto Verbot der Dieselautos war damit abgewendet. Weiterhin galt die Regu­ lierung der Partikelmasse, wie sie die Clean Air Act Amendments von 1977 verlangten, als kritisch 362 Diesbezüglich schlug die EPA am 1. Februar 1979 ein ab 1981 gültiges Partikellimit von 0,6 glMeile und eine Verschärfung auf 0,2 glMeile ab 1983 vor 363 Bei einem durchschnittlichen Partikelausstoß der Diesel-Pkw von 0,3 bis 0,8 glMeile um das Jahr 1980 musste zumindest das für 1981 geplante Limit nicht als unüberwindliche Hürde für einen Großteil der Dieselautos eingestuft werden - ausgenommen war der 5,7-Liter-V8Dieselmotor von General Motors 364 In der Debatte über die Grenzwertverschärfung gegen Ende der 1 970er Jahre argumentierten die Hersteller, dass insbesondere der für das Jahr 1983 vorgesehene Partikelgrenzwert von 0,2 glMeile nicht eingehalten werden

360 Mandel hielt fest, ,,[a]ny technology that is 25-percent more fuel-efficient than a com­ parable weight vehic1e [which the Diesel is] would be considered for a waiver trom the statutory NOx standards." Vgl. Mandel, Looking-Gas, 72. 361 Vgl. Memorandum von Phil Smith und Larry Linden an Si Lazarus, Betreff: Thomas Murphy's Letter to the President on Diesel Regulations, Washington, D.C., 19. Novem­ ber 1979, JC-DPS: Series Kathryne BemickFiles, 1979-1980, Box 9, Murphy (Thomas A., Chairman of Gen'l Motors) - DieseVNOX (Oxides of Nitrogen) (Waivers). 362 V gl. Memorandum von Frank Press an Fred's Group, Betreff: EOP Actions on Diesel Regulatory Issues, Washington, D.C., 5. Februar 1979, JC-WHCF: Subject File, Series Business-Economics, Box BE 1 1 , BE 3-15 2/5/79-5/13/79. Die neugeschaffene EPA war mit der Festlegung der National Ambient Air Quality Standards für CO, Ozon (0 ) 3 ' PM, HC, S02 und Blei (Pb) in den Clean Air Act Amendments von 1970 betraut worden. V gl. Bailey, Congress, 154. Am 30. April 1971 wurden die Limits für die sechs Schad­ stoffe bekanntgegeben. Vgl. McCarthy, Auto Mania, 193. McCarthy führt Stickoxide als weiteren Schadstoff an. Jedoch findet sich in seiner Aufstellung keine Nennung von Blei. Zur Einführung von Feinstaubwerten in den USA vgl. Bryner, Blue Skies, 65-68, 105. 363 Vgl. Memorandum von Phil Smith und Larry Linden an Si Lazarus, Betreff: Thomas Murphy's Letter to the President on Diesel Regulations, Washington, D.C., 19. Novem­ ber 1979, JC-DPS: Series Kathryne Bemick Files, 1979-1980, Box 9, Murphy (Thomas A., Chairman of Gen'l Motors) - DieseVNOX (Oxides of Nitrogen) (Waivers). 364 V gl. Memorandum von Larry White an Bill Nordhaus und Frank Press, Betreff: Auto­ motive Diesel Particulate Emissions, Washington, D.C., 25. Oktober 1978, 1 , JC-DPS: Series Richard Neustadt Files, 1976-1980, Box 70, Regulatory Reform - Diesel Parti­ culates. An anderer Stelle wird der maximale PartikelausstoB von der EPA und der US­ Regierung nicht mit 0,8 g/m, sondern mit 1,0 g/m angegeben. Vgl. Schreiben Michael P. Walsh an Larry Linden, Washington, D.C., 10. Januar 1980, JC-AINFL: Series Ron B . Lewis' Subject Files, 1977-198 1 , Box 79, Diesel-Environmental Proteetion Agency (EPA), 11/79-2/80.

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könne. Der Generaldirektor von GM, Elliott M. Estes, ging in seiner Argu­ mentation weiter und erklärte 1979, ein Erreichen des für 1981 geplanten Limits von 0,6 glMeile und des 1983er Limits von 0,2 glMeile sei für Gene­ ral Motors schwer bis überhaupt nicht machbar 365 Einen 198 1er Partikel­ grenzwert von 1 ,0 glMeile stufte Estes als vernünftig ein. Das war wenig verwunderlich, weil der V8-Dieselmotor von GM diesen Wert bereits 1979 unterbot, blies er doch im Mittel zwischen 0,73 und 0,80 glMeile aus dem Auspuff. Damit schnitt er im Vergleich zu den Modellen von Volkswagen366 und Mercedes-Benz vergleichsweise schlecht ab. Lediglich das Modell 300 D von Mercedes stieß mit 0,83 glMeile in gleiche Dimensionen vor 367 Für die Konsumenten waren jedoch nicht die Partikelemissionen oder der Partikelgrenzwert, sondern die mit den Partikeln assoziierten gesundheit­ lichen Risiken, die sie direkt betreffen konnten, beim Dieselkauf abschre­ ckend. Dieser Zusammenhang darf in seiner Tragweite für den Absatz von Dieselfahrzeugen in den USA nicht unterschätzt werden. "If automobile ex­ haust gave a lot of people cancer, then Americans would have been concerned"368, notiert hierzu jüngst der Historiker Tom McCarthy. Die Krankheit Krebs ist mit enormem symbolischem Gehalt aufgeladen und be­ sitzt den Ruf einer "Schreckenskrankheit" 369 Das öffentliche Interesse an Krebs und den möglichen Auslösern der Krankheit war in den 1970er und frühen 1980er Jahren enorm. Schon Anfang 1971 rief Präsident Richard M. Nixon in der Ansprache zur Lage der Nation den War on Cancer aus. Im De­ zember des gleichen Jahres folgte der National Cancer Act. Dieses Gesetz schuf in den USA den institutionellen Rahmen für eine umfangreiche Krebs­ forschung und trieb die öffentliche Debatte über allgemeine Krebsrisiken vo­ ran. Aus diesem Umfeld entsprangen zwei Thesen, die großes öffentliches Aufsehen erregten. Zunächst sei Krebs in Industriegesellschaften eine der häufigsten Todesursachen. Anfang der 1980er Jahre war Krebs nach dieser Argumentation für ein Viertel aller Todesfalle in den USA verantwortlich. Zweitens würden ungefahr zwei Drittel aller Krebsfälle durch vom Menschen verursachte Umwelteinflüsse ausgelöst. Aus diesen Behauptungen wurde fol­ gende Schlussfolgerung gezogen: Krebs sei eine Bedrohung, gegen die etwas unternommen werden könne 370 Aufgrund der politischen Entwicklung und

365 366 367 368 369 370

V gl. Mulert, Zukunft, 20. Der Rabbit Diesel emittierte im Mittel 0,23 glMeile. Vgl. ebd. Vgl. KeldermannlLienert, EPA's 83 Diesel Proposal, 1 , 52. McCartby, Auto Mania, 254. Hohlfeld, Strategien, 192. Vgl. Jasanoff, Risk Management, 9; DouglaslWildavsky, Risk, 54f.; Hohlfeld, Strate­ gien, 192; dtp.nci.nih.gov/timeline/nofiash/milestonesIM4_Nixon.htrn. Sheila Jasanoff befasste sich mit der Debatte über den Anstieg der berufsbedingten Krebsrate in den USA, die Mitte der 1970er Jahre einsetzte. Anhand dieser Fallstudie belegt sie, wie umstritten die These war, die Industrialisierung habe die Krebsrate ansteigen lassen.

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der Veröffentlichung zahlreicher wissenschaftlicher Studien zur Krebsgefahr in dieser Epoche zeigte sich die US-Bevölkerung zusehends sensibilisiert für die Themen Krebs und Krebsrisiko.

Die Haltung der Carter-Regierung und der öffentliche Diskurs über die Krebsgefahr der Dieselabgase Auch den Zeitgenossen blieb somit die Signifikanz der Krebsfrage gegen Ende der 1 970er Jahre also nicht verborgen. Bereits im November 1977 tauchten in mehreren amerikanischen Tageszeitungen, wie der Los Angeles Times, dem Wall Street Journal und der New York Times, Berichte über die mögliche Karzinogenität von Dieselabgasen auf. Der Fokus lag hauptsäch­ lich auf den Abgasen von Lastwagen und Bussen. Diesel-Pkw spielten wegen ihrer sehr geringen Stückzahl eine untergeordnete Rolle und galten noch nicht als gesundheitliche Bedrohung. Wissenschaftler erklärten, dass in Test­ reihen Bakterien mutierten, nachdem sie mit Dieselabgasen in Berührung ge­ kommen waren. Die Mutationen bei den Bakterien ließen vermuten, Diesel­ abgas "could have cancer-causing capabilities."371 Nach Aussage des stell­ vertretenden Leiters der Abteilung für Gesundheit und ökologische Folgen der EPA, Delbert S . Barth, reichte das Datenmaterial für eine endgültige Aus­ sage zur von Dieselabgasen ausgehenden Krebsgefahr aber noch nicht aus. Er empfahl trotzdem, den Kontakt mit Dieselabgasen zu minimieren, stufte er sie doch zumindest als "potentially hazardous materials"372 ein 373 Dass überhaupt eine Kontroverse über die Frage, ob Dieselabgase Krebs auslösen können oder nicht, aufkommen konnte, lag am sogenannten Ames Test374, der u.a. in einem EPA-Labor in North Carolina durchgeführt worden war. Nachdem Salmonellenbakterien mit Dieselabgas in Kontakt getreten waren, mutierten sie. Für die Krebsbildung sind jedoch nicht Mutagene, son­ dern Karzinogene verantwortlich. Ob ein Stoff als kanzerogen gilt, kann al-

371 372 373

374

V gl. Jasanoff, Fifth Branch, 29-32. Für eine ähnliche Argumentation vgl. Douglas! Wildavsky, Risk, 54-66. Diesel Fumes Under Study as Possible Cancer Cause, 4 1 . Delbert S. Barth zit. n . : ebd. V gl. Behrendt, Gewitterwolken, 1; Diesel Fumes Under Study as Possible Cancer Cause, 4 1 ; EPA Is Studying Diesel Exhaust for Cancer Links, 32; EPA to Test Diesel Fumes as Carcinogen, AIS. In Japan gab es Tests mit ähnlichen Resultaten. V gl. Diesel Exhaust, Lung Cancer Linked by Japanese Scientists, AI4. Zur chemischen Zusam­ mensetzung der Dieselpartikel vgl. Diesel Auto Particulates, 5 1-54. Mit dem von Bruce Ames entwickelten Test können mutagene und karzinogene Risiken von Chemikalien abgeschätzt werden. Der schnelle und billige Ames Test, bei dem ein spezieller Teststamm von Salmonella in Kontakt mit Chemikalien gebracht wird, er­ gänzt die aufwendigeren epidemiologischen Untersuchungen und Tierversuche. Vgl. Berg u.a., Biochemie, 85lf.; Madigan u.a., Mikrobiologie, 333ff.

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lerdings mit dem Ames Test nicht eindeutig wissenschaftlich nachgewiesen werden. Immerhin wussten die Wissenschaftler, dass zumindest die meisten krebserregenden Substanzen gleichzeitig auch Mutagene sind. Somit konn­ ten Vermutungen angestellt werden, dass Dieselabgase womöglich karzino­ gen seien. Ein wissenschaftlich fundierter Beweis hierfür war damit aber noch nicht erbracht. Diese Uneindeutigkeit ließ Raum für unterschiedliche Interpretationen des Sachverhalts. Eine Seite betonte die Gesundheitsrisiken für den Menschen und die Gegenposition vertrat die Ansicht, dass Menschen vom Dieselabgas nicht gesundheitlich beeinträchtigt würden 375 Gleichwohl suggerierten die Zeitungsartikel den Lesern trotz der ambivalenten Positio­ nen eine Verbindung zwischen Dieselabgas und Krebs. Im folgenden Jahr verstärkte die Environmental Proteetion Agency ihre Forschung, um Klarheit über die Krebsfrage zu erhalten. Erneut argumen­ tierte Barth, dass in den Verbrennungsprodukten des Dieselmotors Karzino­ gene enthalten seien. Auch betonte er, dass die Umweltschutzbehörde von steigenden Absatzzahlen bei Dieselfahrzeugen ausgehe, wodurch sich die Relevanz der Frage verstärken würde 376 Selbst ohne einen eindeutigen Be­ weis versuchte die EPA, die Automobilproduzenten in die Pflicht zu nehmen, und legte den US-Herstellern nahe, den Produktionsbeginn von Dieselautos zu verschieben bzw. die Produktion nicht weiter auszuweiten. Volkswagen gab die eindeutige Marschrichtung vor und entschied sich 1978 für den Die­ selmotor, da nach Darstellung des Konzerns Tierversuche in Westdeutsch­ land und anderen Ländern keine Hinweise auf gesundheitsgefahrdende Risi­ ken ergeben hatten 377 Ein drohender Konflikt zwischen den Automobilher­ stellern auf der einen und der amerikanischen Umweltschutzbehörde auf der anderen Seite zeichnete sich damit bereits 1978 ab. Im selben Jahr wurde in der Washington Post die Befürchtung geäußert, dass nach allgemeiner Einschätzung nicht die staatlichen Grenzwerte das Problem seien, sondern vielmehr die Karzinogenität - sofern sie wissen­ schaftlich bewiesen wurde - dieser Motortechnologie ein Ende bereiten könne. Verschärft wurde die Situation, weil der Partikelfilter, der im öffentli­ chen Diskurs als technische Lösung des Partikelproblems gehandelt wurde, nicht serienreif war.378 Bei der Popularisierung der wissenschaftlichen Erkenntnisse überlappten die Kommunikationsprozesse einer Vielzahl von Wissensproduzenten und Rezipienten, wie z. B. Wissenschaftler bei der amerikanischen Umwelt­ schutzbehörde, Automobiljournalisten und die Öffentlichkeit 379 Für Letztere bereiteten Journalisten die Debatte über die wissenschaftlichen Untersuchun375 376 377 378 379

V gl. Ethridge, Diesel Report, 50. Vgl. EPAAccelerating Research on Effects of Diesel Exhaust, A7. Vgl. VW Continues Diesel Output, D 1 1 . Vgl. Knight, Mileage, KIf. Vgl. Daum, Varieties, 32If.

3.3 Das Dilemma Energiepolitik und Abgasemissionen in den USA

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gen und Erkenntnisse zu den Dieselabgasen in trivialisierter Form auf. Es ging also nicht darum, die Leser über die Vorgänge im Detail zu informieren, sondern darum, ihnen Orientierungsrichtlinien zu liefern. So erfuhren die Le­ ser, dass ein endgültiger wissenschaftlicher Beweis für den Zusammenhang zwischen Dieselabgasen und Krebs zwar noch nicht erbracht war, aber den­ noch sollten sie im Umgang mit Dieselabgasen vorsichtig sein. Nachdem der Dieselmotor in der ersten Hälfte der 1 970er Jahre noch als umweltfreundli­ che Technologie gegolten hatte, zeichnete sich gegen Ende der Dekade ein Umdenken der US-Umweltschutzbehörde ab. Den dominierenden Rationali­ tätsfiktionen, Dieselabgase seien umweltfreundlich und sauber, trat somit eine diametrale Sichtweise entgegen. Diese Rationalitätsfiktion besagte, Die­ selabgase seien möglicherweise krebserregend. Noch dominierten aber die positiven Rationalitätsfiktionen den öffentlichen Diskurs. Allerdings zeigte sich auch hier erneut die Ambivalenz der Dieselabgase. So "sauber" sie bei Kohlenwasserstoffen und Kohlenmonoxid waren, so "schlecht" schnitten sie bei den wahrscheinlich karzinogenen Partikeln ab. Eben das war für die Wahrnehmung der Dieselautos äußerst kritisch - zumal die qualmig-rußen­ den Abgaswolken für jedermann sichtbar waren. Aus gesundheitspolitischer Sicht waren Dieselabgase also problema­ tisch, doch wegen ihrer Sparsamkeit wurden sie bei energiepolitischen Über­ legungen noch immer hoch gehandelt. Das warf Probleme für die Carter-Re­ gierung auf, die sowohl sparsame wie auch saubere Motortechnologien för­ dern wollte. Die neuen wissenschaftlichen Befunde bedeuteten für die Carter­ Administration, dass sie sich intensiver mit Dieselfahrzeugen beschäftigen musste. Bezüglich der Partikelfrage kooperierte die US-Regierung mit der ameri­ kanischen Umweltschutzbehörde und tauschte sich mit deren Mitarbeitern aus. Auch in diesen Aushandlungsdiskursen wurden die medizinischen, bio­ logischen und ingenieurwissenschaftlichen Fachinformationen diskutiert. Die Regierung versuchte dabei stets, den politischen Handlungsspielraum auszuloten. Im Oktober 1978 fasste ein Memorandum für den Science Ad­ visor to the President of the United States des Office of Science and Techno­ logy Policy, Frank Press380, die aktuellen Informationen zum Dieselmotor und Dieselauto zusammen. Als problematisch wurden insbesondere die klei­ nen lungengängigen, möglicherweise krebserregenden Partikel eingestuft. Aus einer strikt energiepolitischen Perspektive schien der Diesel - trotz der Hypothek der Partikelemissionen - in den Augen der Regierung wünschens­ wert, da er mit seinem um 25 bis 30 Prozent höheren miles per gallon-Wert als ein vergleichbarer Wagen mit Ottomotor erhebliche Verbrauchseinsparun­ gen versprach 381 380 Zu Frank Press siehe http://jimmycarterlibrary.org/library/guide.pdf. 381 V gl. Memorandum von Larry White an Bill Nordhaus und Frank Press, Betreff: Auto­ motive Diesel Particulate Emissions, Washington, D.C., 25. Oktober 1978, JC-DPS:

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Die Virulenz der Partikelfrage beruhte auf der Tatsache, dass sich mit steigendem Dieselabsatz, den sowohl die Hersteller als auch die Regierung prognostizierten, der Partikelausstoß insgesamt erhöhen würde. Die Carter­ Regierung ging davon aus, dass der Dieselanteil bei den von General Motors produzierten Autos und Light Trucks Mitte der 1980er Jahre zwischen 1 5 und 20 Prozent liegen könnte. Damit könnte GM einen Marktanteil im Dieselseg­ ment von knapp unter 50 Prozent erreichen. Ein Großteil des restlichen Mark­ tes entfiel nach der Prognose auf die ausländischen Hersteller Volkswagen, Mercedes-Benz und Peugeot. Neben Prognosen, die sich mit der zukünftigen Aufteilung des US-Dieselmarktes befassten, erstellte die Carter-Regierung Studien, die Aufschluss über den Dieselanteil am gesamten US-Automarkt liefern sollten. Die Regierung schätzte insgesamt für Mitte der 1980er Jahre einen Dieselanteil bei allen in den USA verkauften Autos und Light Trucks von 10 bis 15 Prozent als möglich ein. Diese Prognose wurde jedoch als äu­ ßerst unsicher eingestuft, weshalb die US-Regierung zusätzliche Kalkulatio­ nen durchführte, bei denen mit einem Dieselanteil von 25 bis 30 Prozent ge­ rechnet wurde 382 Ein möglicher positiver Befund zur Krebsgefahr von Dieselabgasen hätte somit erhebliche wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen gehabt. Letzt­ lich blieben der Regierung nach eigener Einschätzung drei Optionen, falls die EPA nun 1980 oder 1981 entschied, dass Dieselabgase krebserregend seien. Das Krebsproblem konnte entweder als nicht ernst eingestuft werden und da­ her sei auch kein Handlungsbedarf. Oder die EPA konnte die Hersteller dazu zwingen, Beweise zu erbringen, dass die Abgase ihrer Dieselwagen nicht krebserregend waren. Oder aber die EPA erließ Grenzwerte für Partikel oder andere Abgasbestandteile, die das Krebsproblem minimierten oder ver­ schwinden ließen. Nach Einschätzung des Memorandums würden die beiden letzten Möglichkeiten mit Sicherheit zur Verstimmung bei General Motors und den anderen Herstellern führen, sofern es keine kostengünstige Möglich­ keit gab, die Partikelemissionen zu reduzieren. Nach Meinung des Umfeldes um Präsident Jimmy Carter war es wahrscheinlich, dass die Hersteller daher argumentieren würden, die Beweise zur Krebsgefahr seien nicht endgültig, es gebe keine kostengünstige Lösung für die Senkung der Partikelemissionen und Dieselwagen würden andere Vorteile besitzen, welche einen geringfügi­ gen Partikelausstoß rechtfertigten. Bei der Diskussion über die möglichen Szenarien betonte Larry White, dass GM unter Umständen auf Konfrontati­ onskurs gehen könne, denn "GM may well decide to soft-pedal its current research and hope that it can bluff its way through the crunch."383

Series Richard Neustadt Files, 1976-1980, Box 70, Regulatory Reform - Diesel Parti­ culates. 382 V gl. ebd., H. 383 Ebd., 2.

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Sicherlich abstrahierten die Mitarbeiter der Carter-Regierung und der Umweltschutzbehörde die komplexen Zusammenhänge nicht in gleicher Weise, wie das für die Printmedien charakteristisch war, dennoch gaben auch sie die Erkenntnisse in trivialisierter Form weiter, um die Zusammenhänge für die politischen Entscheidungsträger transparent darstellen zu können. Das ermöglichte es, die gesundheits-, wirtschafts- und energiepolitischen Zusam­ menhänge für alle Akteure verständlich darzulegen. Das Dilemma für die US-Regierung bestand nun darin, dass wegen der Clean Air Act Amendments eine Entscheidung getroffen werden musste, ein Verbot der Diesel-Pkw aber nicht ausgesprochen werden sollte. 384 Als die zweite Ölkrise die USA im Jahr 1979 erreichte, kam es zu einer Neubewertung, bei der gesundheitspolitische Überlegungen in den Hinter­ grund rückten. Für die Regierung galt es nun primär, den Ölverbrauch zu senken. 1979 war der Verbrauch der Autoflotte also ein Sachverhalt von größ­ tem nationalem Interesse und die Dieseltechnologie war eine besonders viel­ versprechende Lösung 385 In der US-Regierung keimte in diesem Jahr ver­ stärkt die Befürchtung, dass die anhaltende Diskussion über die Krebsgefahr der Dieselpartikel den Absatz des energiepolitisch wünschenswerten Diesel­ Pkw einbrechen lassen könnte. Der wissenschaftliche Berater Frank Press hielt in einem Memorandum vom 5. Februar 1979 diesbezüglich Folgendes fest: I feel that the carcinogenicity question is the central national poliey issue on the diesel and !hat it should be the focus of Executive Office attention, rather !han the particulate standards. Due to the relatively exaggerated public perceptions of cancer risks as COffi­ pared to other health risks, and the difficulty of translating scientific data on cell and animal responses into estimates of human health effects, the carcinogenicity issue has the potential to unnecessarily terminate the use of the diesel as a passenger car power­ plant. 386

Die Regierung befürchtete, dass im öffentlichen Diskurs eine differenzierte Argumentation bei der von den Partikeln ausgehenden Krebsgefahr nicht aufrechterhalten werden könne. In Kombination mit der allgemeinen Furcht 384 Vgl. Memorandum von Frank Press an Fred's Group, Betreff: EOP Actions on Diesel Regulatory Issues, Washington, D.C., 5. Februar 1979, JC-WHCF: Subject File, Series Business-Economics, Box BE 1 1 , BE 3-15 2/5/79-5/13/79. 385 Vgl. U.S. Departrnent of Transportation. National Highway Traffic Safety Administra­ tion, Automotive Fuel Economy Prograrn. Third Annual Report to the Congress. Wa­ shington, D.C., Januar 1979, 47, 61-64, JC-AJNFL: Series Alfred Kahn's Subject Files, 1977-198 1 , Box 6, Autos-Fuel Economy, 8/78-2/79. Der Bericht sprach von einenjUel economy advantage gegenüber einem Pkw mit Ottomotor von 22 bis 52 Prozent. Eben­ falls vermerkt war, dass eine Turboaufladung nochmals eine Steigerung von 15 bis 20 Prozent liefern würde. Vgl. ebd, 6 1 . 386 Vgl. Memorandum von Frank Press an Fred's Group, Betreff: EOP Actions on Diesel Regulatory Issues, Washington, D.C., 5. Februar 1979, 2, JC-WHCF: Subject File, Se­ ries Business-Economics, Box BE 1 1 , BE 3-15 2/5/79-5/13/7.

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vor Krebs könnte dies zu einer panikartigen Reaktion führen, die dem Diesel­ motor ein frühzeitiges Ende bereitet hätte. Das sollte vermieden werden, da die Regierung den Diesel wegen seines Energiesparpotenzials im Prinzip sehr begrüßte.387 Der Konzern General Motors versuchte 1979, Einfluss auf diesen Ent­ scheidungsprozess zu nehmen. Am 28. September 1979 suchten Vertreter von General Motors den Chairman of the Council on Wage and Price Stabi­ lity und Presidential Adviser on Inflation, Alfred E. Kahn388, auf und äußer­ ten die Befürchtung, die EPA könne unzumutbare Partikelgrenzwerte einfüh­ ren 389 Bereits am 10. September 1979 hatte sich der Aufsichtsratsvorsitzende von GM, Thomas A. Murphy, mit einem Brief an Präsident Jimmy Carter gewandt, in dem er seine Besorgnisse zu den ausstehenden Befreiungen von den Stickoxidgrenzwerten und die Einführung der Partikelgrenzwerte äu­ ßerte. Murphy spielte damit auf die bekannte Austauschbeziehung zwischen Stickoxid- und Partikelemissionen an. Eine Senkung der Stickoxidemissio­ nen, wie Z.B. mittels Abgasrückführung, zog einen Anstieg der Partikelemis­ sionen nach sich. Da gerade der Partikelausstoß als das schwerwiegendere Problem - sei es aus gesundheitspolitischen oder wirtschaftlichen Überle­ gungen - gesehen wurde, konnte die EPA einen sogenannten NO -waiver x aussprechen. Als sich die Entscheidung hierüber verzögerte, rückte die EPA von ihrem ursprünglichen Plan ab und verschob die Einführung eines Parti­ kelgrenzwerts auf 1982 390 Der Hersteller GM erhöhte 1979 den Druck sowohl auf die Carter-Admi­ nistration wie auch auf die EPA weiter. Der Generaldirektor von General Mo­ tors, Estes, äußerte sich in einem Brief vom 2 1 . November 1979 an den Lei­ ter der EPA, Douglas M. Costle391, besorgt über die Verzögerung bei der Ent­ scheidung über die Befreiung vom NO -Standard. GM benötigte nach Estes x 387 Vgl. ebd. Auch 1980 betonte die US-Regierung die Vorzüge des Diesels für die Ener­ giepolitik: "Diesel engines are an important ingredient in our energy poliey and we roust do everything possible, consistent with other statutory requirements, to perrnit " their sell and use , hielten die Berater Jirnmy Carters hierzu fest. Memorandum Stuart Eizenstat an Douglas Costle, Betreff: Diesel Particulate Emission Standards, Washing­ ton, D.C., 7. März 1980, JC-WHCF: Subject File, Series Business-Econornics, Box BE 12, BE 3-15 1/1/80-3/3 1/80 388 Zu Alfred E. Kahn siehe http://jimmycarterlibrary.org/library/guide.pdf. 389 V gl. Memorandum von Alfred E. Kahn an Ron Lewis, Betreff: Diesel Particulate Standards, 3. Oktober 1979, JC-AINFL: Series Kahn's Subject Files, 1977-1981, Box 6, Autos-General, 12/78-9/80; wwwjirnmycarterlibrary.org/documents/diaryI1980/ d04308Ot. pdf. 390 Vgl. Memorandum von Phil Smilh und Larry Linden an Si Lazarus, Betreff: Thomas Murphy's Letter to lhe President on Diesel Regulations, Washington, D.C., 19. Novem­ ber 1979, JC-DPS: Series Kalhryne Bernick Files, 1979-1980, Box 9, Murphy (Thomas A., Chairman of Gen'l Motors) - DiesellNOX (Oxides of Nitrogen) (Waivers). 391 Douglas M. Costle war von 1977 bis 1981 Leiter der EPA. Vgl. www.epa.govlhistory/ publications/costle/02.htrn.

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Darstellung die Zusage über die Ausnahmeregelung ab dem Modelljahr 1 98 1 , um das Zertifizierungsverfahren der Dieselmotoren starten zu können. Ei­ gentlich hatte sich der Hersteller eine Entscheidung bis zum 1 . September 1979 gewünscht, weil die Befreiung (waiver) entscheidend dafür war, ob GM zwischen 1981 und 1984 weiterhin Dieselfahrzeuge anbieten konnte. Auf­ grund der Zeitknappheit hatte sich GM nun entschieden, das Zertifizierungs­ verfahren anlaufen zu lassen. Das geschah unter der Annahme, dass der Be­ freiung vom Stickoxidgrenzwert entsprochen werde 392 Der Hersteller GM wollte dadurch die amerikanische Regierung und die Umweltschutzbehörde vor vollendete Tatsachen stellen. In ihrem Antwortschreiben rückte die Um­ weltschutzbehörde jedoch nicht von ihrer Position ab und wies darauf hin, dass der Beginn der Zertifizierung von General Motors rechtlich nicht bin­ dend sei und die Risiken hierfür ausschließlich bei GM liegen würden.393 Am 2 1 . Dezember 1979 gab Costle bekannt, dass GM für seinen 5,7-Li­ ter-Diese1motor eine Anhebung des Stickoxidgrenzwerts von 1 ,0 g/Mei1e auf 1 ,5 g/Mei1e für die Modelljahre 198 1/82 erhielt 394 Insgesamt hatten fünf Hersteller für 1 8 Motoren eine Befreiung von dem gesetzlichen Stickoxid­ grenzwert beantragt. Doch nur den Anträgen für drei Motoren von Mercedes­ Benz sowie jeweils einem von Vo1vo und General Motors wurde für zwei Jahre entsprochen 395 In ihrer Pressemitteilung betonte die EPA, den Herstel­ lern sei es gelungen zu zeigen, dass bei einem Stickoxidgrenzwert von 1 ,0 g/ Meile die vermeintlich krebserregenden Partikelemissionen der Diesel stark angestiegen wären. Diese Voraussetzung war entscheidend, da eine Befrei­ ung vom amtlichen Stickoxidgrenzwert die öffentliche Gesundheit nicht ge­ fahrden dürfe 396 Die Zugeständnisse beim Stickoxidgrenzwert rechtfertigte die EPA folg­ lich mit dem Hinweis, dass mit den Zugeständnissen beim Stickoxidgrenz­ wert indirekt niedrigere Partikelemissionen erzielt würden. Das war wichtig, 392 V gl. Schreiben Elliot M. Estes an Douglas M. Costle, Detroit, Mi., 2 1 . November 1979, JC-DPS: Series Kathryne Bemick Files, 1979-1980, Box 9, Murphy (Thomas A., Chairman of Gen'l Motors) - DieseVNOX (Oxides of Nitrogen) (Waivers). 393 V gl. Schreiben Benjamin R. Jackson an Elliot M. Estes, Washington, D.C., 5. Dezem­ ber 1979, JC-DPS: Series Kathryne Bemick Files, 1979-1980, Box 9, Murphy (Thomas A., Chairman of Gen'l Motors) - DieseVNOX (Oxides of Nitrogen) (Waivers). 394 V gl. Memorandum von Kitty Bemick an Ron Lewis u.a. Betreff: Draft Response to Thomas Murphy, Washington, D.C., 22. Januar 1980, JC-AINFL: Series Ron B. Lewis' Subject Files, 1977-1981, Box 78, Autos 11/79-2/80. 395 V gl. Pressemitteilung Environmental Protection Agency, Betreff: EPA Sets Diesel Stra­ tegy, 2 1 . Dezember 1979, JC-DPS: Series Kathryne Bemick Files, 1979-1980, Box 9, Murphy (Thomas A., Chairman of Gen'l Motors) - DiesellNOX (Oxides of Nitrogen) (Waivers). 396 V gl. Pressemitteilung Environmental Protection Agency, Betreff: EPA Sets Diesel Stra­ tegy, 2 1 . Dezember 1979, 2, JC-DPS: Series Kathryne Bemick Files, 1979-1980, Box 9, Murphy (Thomas A., Chairman of Gen'l Motors) - DiesellNOX (Oxides of Nitro­ gen) (Waivers).

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weil das von ihnen ausgehende mögliche Krebsrisiko als das schwerwiegen­ dere Problem galt. Immer wieder klangen diesbezüglich Befürchtungen an, die Öffentlichkeit könnte Assoziationen zwischen Dieselabgasen und Krebs herstellen, was wiederum der aus energiepolitischen Überlegungen gewoll­ ten Antriebstechnologie das Ende bereiten könnte. Das wollten die Vertreter der Carter-Regierung - genauso wie der Hersteller GM - vermeiden. Die Umweltschutzbehörde und die US-Regierung kamen deswegen den Diesel­ autoproduzenten weiter entgegen. Die Debatte über die Regulierung der Partikelemissionen wurde in den USA öffentlich geführt und zog eine umfassende Berichterstattung in den Medien nach sich. Sheila Jasanoff hat in ihren Studien The Fifth Branch und Designs on Nature herausgearbeitet, dass solche Kontroversen über die Re­ gulierung von Schadstoffen nicht nur im öffentlichen Raum stattfinden, son­ dern auch, dass der Politikstil in den USA Konflikte begünstigt, Unsicherhei­ ten klar heraustreten lässt und hierbei oft polarisierend wirkende Argumente der Wissenschaftler aufeinandertreffen. Überdies schärft diese Konstellation die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und fördert die öffentliche Artikula­ tion von Misstrauen und Skepsis gegenüber den Ansichten der Wissenschaft­ ler oder der regulierenden Behörden. Letztere verwenden in den USA stark formalisierte quantitative Methoden, um Risiken sowie Kosten und Nutzen zu bestimmen. Demgegenüber setzen die Institutionen in Europa stärker auf qualitative, bisweilen sogar subjektive Argumente bei der Rechtfertigung ih­ rer Entscheidungen. Generell haben in Europa die Experten selbst ein größe­ res Gewicht als in den USA und können die Entscheidungsfindung beeinflus­ sen. Auch der Politikstil in Europa ist, wie noch gezeigt wird, ein anderer, da informelle Verhandlungen genauso wie die Konsenssuche zwischen den Ak­ teuren typisch sind. Aufgrund dieser unterschiedlichen Ausprägungen kön­ nen daher - trotz identischer Ergebnisse über die Art eines Schadstoffs wie auch seiner Wirkungsweisen - kulturspezifisch unterschiedliche Schlussfol­ gerungen gezogen werden. Daraus resultieren unter anderem wiederum von­ einander abweichende Grenzwerte bzw. divergierende Lösungsvorschläge für dasselbe Problem.397 Sicherlich legt auch die Wahl der Experten die gestellten Fragen bzw. zu lösenden Probleme fest, wodurch wiederum Antworten in eine bestimmte Richtung tendieren 398 Nach Jasanoff setzt der Prozess der sozialen Konst­ ruktion wissenschaftlicher Fakten und damit auch der Wahrnehmung der Ri­ siken im Labor ein und reicht bis in die Öffentlichkeit. Zum Beispiel ist das Umfeld des Wissenschaftlers, wie Beruf, institutionelle Anbindung sowie po­ litische und kulturelle Rahmenbedingungen, von entscheidender Bedeutung in diesem Prozess. Wenn wissenschaftliches Wissen sozial konstruiert ist,

397 Vgl. Jasanoff, Fifth Branch, 8; Jasanoff, Designs, 17f., 3 1 , 255; Weingart, Stunde, 149. 398 Vgl. ebd., 130f.

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dann kann e s auch dekonstruiert werden 399 Das ist umso wahrscheinlicher, da Institutionen "das neueste und deshalb vermeintlich überzeugendste wis­ senschaftliche Wissen"4oo als Grundlage für ihre Entscheidungsfindung her­ anziehen. Die eingeforderte wissenschaftliche Expertise liegt jenseits "des konsentierten Wissens,,401 und ist deswegen selbst innerhalb der scientijic community umstritten und wird kontrovers diskutiert 402 Das sozial konstruierte Wissen ist keinesfalls statisch und unveränder­ lich, denn im Laufe eines Gesetzgebungsprozesses, der sich durchaus über einen langen Zeitraum hinziehen kann, kommt es zu einer ständigen Redefi­ nition des Wissensstandes, da immer neue wissenschaftliche Erkenntnisse produziert werden und in den Prozess einfließen oder aber neue Akteure tre­ ten hinzu 403 Zugleich wohnt gerade kanzerogenen Stoffen ein "catch-22"404 inne: Substanzen, die im Versuch karzinogen gewirkt haben, sind eindeutig Karzinogene; aber solche, die in Testreihen Mutationen ausgelöst haben und damit wissenschaftlich gesichert als Mutagene gelten, können zusätzlich möglicherweise auch karzinogen wirken 405 Bei der öffentlich ausgetragenen Kontroverse über die Regulierung von Schadstoffen traten verschiedene Wissensproduzenten und -rezipienten in Erscheinung. Sowohl die Automobilindustrie als auch die Öffentlichkeit be­ obachteten die geplanten Partikelstandards mit großer Sorge, wie dies nach Einschätzung der Carter-Regierung die Briefe von Murphy und Estes zum Ausdruck brachten. Das Thema beschäftigte außerdem die Medien in unge­ wöhnlich starker Weise, wie ein Leitartikel in der New York Times an Weih­ nachten 1979 belegt, und die Umweltschützer, die die Vorgänge ebenso sorg­ faltig beobachteten 406 Obwohl Tierversuche noch keine brauchbaren Ergebnisse geliefert hat­ ten, schienen sich die Beweise, dass an Dieselpartikeln haftende organische Verbindungen krebserregend waren, langsam zu erhärten. Noch warteten die EPA, die Industrie und die Berater Jimmy Carters ab, weil sie dachten, dass ab dem Jahr 1980 die Datenlage für politische Grundsatzentscheidungen aus­ reichend sein würde. Bis dahin sollte die Krebsfrage ausgespart bleiben 407 399 400 401 402 403 404 405 406

Vgl. DouglaslWildavsky, Risk, 8,; Jasanoff, Fifth Branch, 12f., 37. Weingart, Stunde, 161. Ebd. V gl. ebd. Vgl. Jasanoff, Designs, 20; Jasanoff, Fifth Branch, 180. DouglaslWildavsky, Risk, 54. Vgl. ebd. Vgl. Is There a Diesel in Your Future, A14; Memorandum von Larry Linden und David Harrison an Ron Lewis u.a., Betreff: EPA's Proposed Particulate Regulations for Light Duty Vehic1es, Washington, D.C., 2. Januar 1980, JC-AINFL: Series Ron B. Lewis' Subject Files, 1977-1981, Box 79, Diesel-Environmental Protection Agency (EPA), 11/79-2/80. 407 V gl. ebd, 4.

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Von technischer Seite musste selbst General Motors 1980 eingestehen, dass - in Verbindung mit einer Befreiung vom Stickoxidgrenzwert - bei ei­ nem Partikellimit von 0,6 glMeile pro Fahrzeug lediglich zusätzliche Pro­ duktionskosten in Höhe von zwölf bis 14 Dollar entstanden. Weitaus kontro­ verser blieb dagegen der Grenzwert von 0,2 glMeile, da er einen technolo­ gisch aufwendigen und kostspieligen Partikelfilter notwendig machte, der allerdings noch immer nicht die Serienreife erlangt hatte. Im Unterschied zu den Herstellern VW und GM, die das Jahr 1985 als realistischen Zeitpunkt nannten, vertrat die EPA die Ansicht, der Partikelfilter könnte 1984 in Serien­ produktion gehen. Bei den geschätzten Kosten divergierten die Ansichten zwischen Industrie und Umweltschutzbehörde ebenfalls. Laut EPA würden sie bei 190 bis 225 Dollar liegen. Demgegenüber gab GM Aufwendungen von 610 Dollar pro Fahrzeug an 40S Die Konflikte zur Kostenfrage wie auch zum Datum der Serienreife des Rußpartikelfilters schwelten weiter. Entgegen der Darstellung der Hersteller GM und VW ging die EPA weiterhin davon aus, dass eine Einführung schon ab 1984 umsetzbar sei. In dieser Frage sprach die Umweltschutzbehörde ins­ besondere GM die Glaubwürdigkeit ab und verwies auf die Einführung des Katalysators. Am 12. März 1973 hatte GM ausgesagt, die Markteinführung der Katalysatortechnik sei - sofern sie technisch überhaupt realisierbar wäre - mit erheblichen Risiken verbunden. Nachdem die EPA am 1 1 . April 1973 für die Einführung des Katalysators gestimmt hatte, offenbarte GM in einem Brief vom 9. Mai 1973, dass ab dem Modelljahr 1975 die Autos mit Kataly­ sator ausgeliefert werden sollten. Die EPA pochte infolge dieser Erfahrung auf den technology jorcing-Ansatz, der eine Serienreife des Partikelfilters ab dem Modelljahr 1984 erzwingen sollte - zumal bei Verzögerungen ohnehin jederzeit ein Aufschub gewährt werden könne 409 Das Executive Office des Präsidenten suchte nach einer Lösung für die­ sen Konflikt und betonte, dass die Spannungen zwischen den Gegenspielern EPA und GM erheblich reduziert werden könnten, wenn man den verschärf­ ten Partikelgrenzwert von 0,2 glMeile erst 1985 einführen würde. Das sei auch aus gesundheitspolitischen Überlegungen durchaus vertretbar, denn es wirke sich auf die allgemeine Luftqualität nur geringfügig negativ aus 410 Die energiepolitischen Vorzüge der Dieselautos wurden von der US-Re­ gierung also als wichtiger erachtet als gesundheitspolitische Bedenken, nicht zuletzt weil ohnehin ein eindeutig wissenschaftlicher Beweis für die Krebs­ gefahr der Dieselabgase noch nicht erbracht worden war. Dies belegt u.a. ein

408 V gl. ebd., 5 f. 409 Vgl. ebd. 410 Vgl. Memorandum von Kitty Bemick an Stuart Eizenstat, Betreff: FYI: EPA's Diesel Particulate Regulations, Washington, D.C., 16. Januar 1980, JC-WHCF: Subject File, Series Business-Economics, Box BE 12, BE 3-15 1/1/80-3/31/80.

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handschriftlicher Vermerk - vermutlich von Stuart E. Eizenstat411 -, der be­ tont, dass Diesel zu dem Zeitpunkt nicht verboten werden dürften, da sie aus energiepolitischen Überlegungen interessant erschienen 412 Gegen Anfang Februar 1980 ging die EPA auf den taktischen Schachzug der US-Regierung ein, lenkte ein und verschob eine Verschärfung des Parti­ kelgrenzwerts von 0,2 glMeile um ein Jahr. Damit bekam GM die bestmögli­ chen Zugeständnisse. Ein weiterer Aufschub wäre schon allein deshalb nicht möglich gewesen, weil GM selbst bekundet hatte, dass eine Markteinführung eines Partikelfilters im Jahr 1985 realistisch sei 413 Wie Jasanoff in Zusam­ menhang mit der Festlegung des Ozon-Standards gezeigt hatte, plädierten die beiden führenden Wissenschaftsberater von Präsident Carter, Charles Schultze und Alfred Kahn, bei unsicheren wissenschaftlichen Ergebnissen dafür, dass die anfallenden Kosten bei der Entscheidungsfindung berücksich­ tigt würden 414 Vermutlich war bei der Einführung des verschärften Partikel­ grenzwerts nach dem gleichen Argumentationsschema verfahren worden. Bei der für den 2 1 . Februar 1980 anstehenden öffentlichen Bekanntma­ chung der Partikelgrenzwerte wollte der Leiter der EPA einen möglichen Ne­ xus zwischen Dieselpartikeln und Krebs aussparen 415 Die EPA ließ in ihrer Pressemitteilung zu den Partikelgrenzwerten verlauten: These are the first auto standards for diesel particulates, which can cause lung and res­ piratory diseases. Particulates, cornmonly referred to as soot, are composed ofhundreds of organic compounds which can become lodged or trapped deeply into sensitive lung tissue causing increasing frequency of bronchitis, asthma attacks and respiratory infec­ tion.416

Da Diesel nach den Schätzungen der EPA 30- bis 70-mal mehr Partikel als Autos mit Katalysator emittierten und ihre Absatzzahlen gegen Ende der

4 1 1 Stuart E. Eizenstat war unter Jirnmy Carter als Berater für innenpolitische Fragen ver­ antwortlich. Vgl. www.cov.comlseizenstatl. 412 Vgl. Memorandum von Kitty Bemick an Stuart Eizenstat, Betreff: FYI: EPA's Diesel Particulate Regulations, Washington, D.C., 16. Januar 1980, JC-WHCF: Subject File, Series Business-Economics, Box BE 12, BE 3-15 1/1/80-3/31/80. 413 Vgl. Memorandum von Kitty Bemick an Stuart Eizenstat, Betreff: EPA's Diesel Parti­ culate Rule, Washington, D.C., 4. Februar 1980, JC-WHCF: Subject File, Series Busi­ ness-Economics, Box BE 12, BE 3-15 111/80-3/31/80. 414 Vgl. Jasanoff, Fifth Branch, 110. Nach Jasanoff argumentierte Schultze, "it was simply a matter of ,prudent public health judgement' not to set standards any more stringently than necessary." Vgl. ebd. 415 Vgl. Memorandum von Fred Kahn und Charlie Schultze an den Präsidenten, Betreff: Upcoming EPA Announcement on Diesel Particulates, Washington, D.C., 20. Februar 1980, 2, JC-CEA: Series Charles L. Schultze's Subject Files, 1977-1981, Box 54, Me­ mos to President, 2/80. 416 Pressemitteilung Environmental Proteetion Agency, Betreff: EPA Sets Diesel Auto Standards, 2 1 . Februar 1980, 1 , JC-AlNFL: Series Ron B . Lewis' Subject Files, 1977198 1 , Box 79, Diesel-Environmental Protection Agency (EPA), 11/79-2/80.

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1 970er Jahre angestiegen waren417, sah sich die EPA zum Handeln gezwun­ gen 418 Ohne Regulierung, so die Prognosen der Umweltschutzbehörde, wäre die Masse der Partikelemissionen im Jahr 1990 auf jährlich 1 52.000 bis 253.000 Tonnen angewachsen, wohingegen mit den geplanten Standards der jährliche Ausstoß um 74 Prozent auf 40.000 bis 66.000 Tonnen reduziert wer­ den wÜYde 419 Zudem machte Costle deutlich, dass die Grenzwerte keine Folge der möglichen Karzinogenität von Dieselabgasen waren, sondern im Zuge der Clean Air Act Amendments erlassen wurden42o, wie die Pressemitteilung be­ legt: Costle said he wanted to make it c1ear that today's standards do not result from any conc1usions made from the EPA's cancer studies currently underway. EPA is continuing research on the particulates to determine if diesel exhaust may be carcinogenic.42 1

Diese nuancierte Unterscheidung übernahmen die Printmedien in ihrer Be­ richterstattung jedoch nicht. Consumer Reports erklärte seinen Lesern im Juni 1980, dass bei der Bekanntgabe der 1985er Partikel standards der Leiter der EPA, Douglas Costle, darauf verwies, "that it is 'highly probable' that diesel exhaust is carcinogenic"422, selbst wenn ein eindeutiger wissenschaft­ licher Beweis noch immer ausstand 423 In den Medien wurde die Unterschei­ dung, wie sie im Wortlaut der Pressemitteilung zu finden ist, also nicht auf­ rechterhalten. Dieselabgas wurde direkt mit Krebs in Verbindung gebracht. Die Dieselautos kamen infolgedessen nicht mehr aus den Schlagzeilen. Der öffentliche Diskurs drehte sich weiter um die von ihnen ausgehenden mögli­ chen Gesundheits- bzw. Krebsrisiken. Eine von der EPA veranstaltete Tagung zeigte allerdings, wie konträr die Ansichten zum Dieselabgas und dessen gesundheitsgefahrdendem Potenzial immer noch waren. Sowohl die aggregierten Daten als auch deren Interpreta­ tion waren oftmals unterschiedlich. Die Konstruktions- und Dekonstrukti­ onsprozesse unterschiedlicher Akteure traten in der Auseinandersetzung über das krebserregende Potenzial der Dieselpartikel deutlich zutage. Der dama­ lige außerordentliche Professor für genetische Toxikologie am MIT, William G. Thilly, sagte beispielsweise aus: "Diesel soots represent one of the most potent mutagenic environmental mixtures known to us."424 Gleichzeitig 417 Die EPA prognostizierte für Mitte der 1980er Jahre einen Dieselanteil von 20 Prozent. Vgl. ebd. 418 Vgl. ebd. 419 Die Kosten wurden beim Modelljahr 1982 auf elf bis zwölf Dollar pro Fahrzeug und 1985 auf 138 bis 164 Dollar geschätzt. Vgl. ebd., 2. 420 Vgl. ebd. 421 Ebd. 422 The Other Costs of the Diesel, 396. 423 Vgl. How Dirty Are Diesel Emissions, 354; The Other Costs of the Diesel, 396. 424 William G. Thilly zit. n.: Budiansky, Concern, C2.

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musste er jedoch eingestehen, dass die Auswirkungen für den Menschen noch unklar waren. Trotz der mutagenen Wirkung von Dieselabgas gelang es den Wissenschaftlern nicht, einen eindeutigen wissenschaftlichen Beweis für die Karzinogenität zu erbringen. Demgegenüber standen die Aussagen industrie­ naher Forscher, wie von Jaroslav J. Vostal, dem Leiter des Biomedical Sci­ ence Department bei General Motors Research Laboratories, der die muta­ gene Wirkung von Dieselabgas verneinte und versuchte, Thillys Thesen zu entkräften. "Variations in experimental conditions, as well as some outright blunders in experimental methods"425, so die Ansicht zahlreicher Wissen­ schaftler, erklärten die voneinander divergierenden Interpretationen. Für ei­ nen Toxikologen der EPA, Allan Moghissi, stand es außer Frage, dass kanze­ rogene Stoffe im Dieselabgas enthalten seien. Es gelte aber zu klären, wie sich die Krebsrate in der Bevölkerung durch Dieselabgase verändern wer­ de 426 Erneut war Vostal der Gegenspieler. Nach seiner Ansicht war die Forsc­ hung der EPA "flawed, misdirected and not likely to produce results that will help in accurately assessing the public health risk attached to the widespread use of diesel engines" 427 Dieser Meinung widersprachen jedoch zahlreiche andere Forscher, die nun ihrerseits auf wissenschaftliche Studien verwiesen, die Vostals Behauptungen widerlegten. Die Biologen am Brookhaven National Laboratory äußerten sich besorgt über einen wachsenden Dieselanteil bei den Verkaufszahlen wegen der mit den Dieselabgasen assoziierten Gesundheitsrisiken 428 Mittlerweile hatten Testreihen mit Ratten gezeigt, dass sich Krebszellen bildeten, wenn die Tiere mit Stoffen, die Dieselabgas enthielten, gefüttert worden waren oder wenn Dieselextrakt auf ihre Haut aufgetragen wurde 429 Die Kontroverse über die Dieselabgase riss daraufhin nicht ab. Denn laut einem Artikel in der Washing­ ton Post waren im Abgas schließlich "known and suspected carcinogens, to­ xic substances and mutagens,,430 enthalten. Die Bekanntgabe der Partikelgrenzwerte durch die EPA wurde im öffent­ lichen Diskurs so dargestellt, als seien diese die Konsequenz der Krebsrisi­ ken durch Dieselabgas. Die Debatte über die Krebsgefahr nahm wegen dieser verkürzten Rezeption der EPA-Verlautbarung an Fahrt auf und diskreditierte das Dieselauto als krebserregend. Die Rationalitätsfiktionen, welche Diesel­ abgase als kanzerogen einstuften, überlagerten von nun an die Rationalitäts-

425 Ebd. Diese Auseinandersetzung blieb bestehen. Vor einer Anhörung des Subcommittee on Natural Resources and Environment argumentierte Jaroslav J. Vostal Anfang Okto­ ber 1980, dass es keine endgültigen Beweise für die vom Dieselabgas ausgehenden Gesundbeitsrisiken gebe. Für das Hearing vgl. United States. Congress, EPA. 426 Vgl. Budiansky, Concern, C2. 427 Jaroslav Vostal zit. n.: GM Slaps EPA Work on Diesels and Cancer, 2. 428 Vgl. Greenberg, Ecologists' Concerns, LI!, LI4. 429 Vgl. McCombs, Uncertainties, A l , A6. 430 The Diesel Dilemma, A28.

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fiktionen, die besagten, Dieselabgase seien umweltfreundlich. Dabei ver­ schwanden Letztere keineswegs komplett aus dem öffentlichen Diskurs, sie hatten aber ihre allgemeine Gültigkeit verloren und rückten in den Hinter­ grund. Selbst das Gegensteuern der Experten der Automobilindustrie konnte das nicht mehr abwenden. Die Konsumenten entschieden sich daher tenden­ ziell gegen einen Dieselwagen, weil sie eben nicht mit Krebs in Verbindung gebracht werden oder sogar als Krebsverursacher gebrandmarkt sein wollten.

Gewandelte Vorzeichen in der Reagan Ära Während der Debatte in den Medien thematisierte die Wissenschaft, und hier vor allem das National Research Council die Krebsfrage 431 Die Berichte des Diesel Impacts Study Committee (DISC) fassten den Stand der Forschung Anfang der 1 980er Jahre zusammen, lieferten dabei aber keine grundlegend neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Noch immer fehlte der eindeutige wissenschaftliche Beweis für die vom Dieselabgas ausgehende Krebsge­ fahr 432 Wie wenig ein eindeutiges Fazit vonseiten der Wissenschaft möglich war, zeigen folgende Zeilen, die in einem - vor einem solchen Bericht - ab­ gedruckten Brief angeführt werden: Materials moderately active as mutagens in various assays and as carcinogens when painted on the skins of susceptible animals have indeed been partially purified from diesel exhausts. However, uo evidence of carcinogenesis has been noted in animals breathing diesel exhaust fumes or in epidemiological studies of relatively heavily expo­ sed human populations.433

Das DISC empfahl in seinen Analysen ein eher defensives Vorgehen gegen Dieselautos und sprach sich gegen eine rigorose Grenzwertverschärfung aus. Den 1982er Grenzwert unterstützte dagegen das Komitee vorbehaltlos, da er als "both practical and prudent as a minimum level of safeguarding public health and the environment"434 galt. Das für 1985 anvisierte Partikellimit von 431 In den Jahren 1981 und 1982 veröffentlichte das Council drei Berichte, die sich mit dem Dieselautomobil befassten. Auf den ersten Zwischenbericht des Health Effects Panel des Diesel Impacts Study Committee zu den von Dieselabgasen ausgehenden Gesund­ heitsrisiken folgte 1982 ein weiterer Bericht des Technology Panel, der den Stand der Dieseltechnologie zusammenfasste. Abschließend veröffentlichte das National Re­ search Council im selben Jahr einen Abschlussbericht zu Dieselautos hinsichtlich ihres Nutzens, ihrer Risiken und der damit verbundenen möglichen politischen Entscheidun­ gen. V gl. National Research Council, Health Effects; National Research Council, Die­ sel Technology; National Research Council, Diesel Cars. 432 V gl. exemplarisch National Research Council, Health Effects, 7. 433 Schreiben Philip Handler an Douglas M. Costle, Charles W. Duncan und Neil E. Gold­ schmidt, Washington, D.C., 30. September 1980 abgedruckt in: ebd., m. 434 National Research Council, Diesel Cars, XVI.

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0,2 glMeile erschien dagegen nicht gerechtfertigt, weil einerseits nur ein mi­ nimaler positiver Effekt für Umwelt und Bevölkerung gleichermaßen erzielt und zugleich mit Kosten von 150 bis 600 Dollar pro Fahrzeug eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung auf die Dieselfahrer zukommen würde 435 Eine Verschiebung der Absenkung des PM-Limits deutete sich aufgrund dieser Stellungnahme bereits zu Beginn der 1980er Jahre an. Ähnlich argumentierte auch der Vorsitzende des National Research Councils, Frank Press, in einem Brief an die Leiterin der EPA, Anne M. GorsuchA36 Oue of the principal conc1usions of the report is that diesel passenger cars and light­ weight trucks, in their current numbers at least, do not appear to present a threat to health and the environment - though the report emphasizes that our knowledge about diesel emissions is not definitive and proposes various approaches of research to strengthen our knowledge.437

Sowohl der EPA und ihrer Leiterin wie auch der US-Regierung konnte diese Stellungnahme als Grundlage für eine Neubewertung der Dieselabgase und einen Aufschub für die Industrie dienen. Zu einem Zeitpunkt als Dieselab­ gase in den Augen der Öffentlichkeit bereits als krebserregend gebrandmarkt waren, beurteilte die Wissenschaft die Situation anders. Voneinander diver­ gierende Rationalitätsfiktionen zur Krebsgefahr von Dieselabgas waren in­ folgedessen im öffentlichen Diskurs präsent. Noch war offen, wer hier die Deutungshoheit erlangen würde. Die Reagan-Regierung plante im Sinne der Konjunkturbelebung, die re­ gulatorischen Einschränkungen für die Automobilindustrie zu reduzieren 438 Dieser Wandel in der politischen Schwerpunktsetzung hatte sich zuvor be­ reits im Personalwechsel an der Spitze der EPA niedergeschlagen. Die neue Leiterin Anne Gorsuch wurde vielfach kritisiert, weil sie nicht nur das Bud­ get der EPA um 22 Prozent reduzierte und damit die Schlagkraft ihrer Be­ hörde erheblich schwächte, sondern auch weil sie Vertreter aus der Industrie einstellte, die wiederum ihre ehemaligen Arbeitgeber überwachten 439 Die EPA zeigte sich während der Präsidentschaft Ronald Reagans gewillt, die Abgasstandards zu senken, damit Dieselmotoren in mehr Fahrzeugen als bis­ her eingebaut werden konnten. Die Gegenseite bestehend aus Umweltschüt­ zern blieb kritisch und hielt dagegen, dass Dieselrauch bei hoher Konzentra­ tion in städtischen Gebieten sich als genauso schädlich wie Zigarettenrauch

435 Vgl. ebd. 436 Anne M. Gorsuch, manchmal auch Anne M. Burford genannt, war von 1981 bis 1983 die Leiterin der EPA. Vgl. www.epa.govlhistory/administrators/gorsuch.htm; Collin, Environmental Proteetion Agency, 278-283. 437 Schreiben von Frank Press an Ann [sie!] M. Gorsuch, Washington, D.C., 2 1 . Dezember 1981 abgedruckt in: National Research Council, Diesel Cars. 438 V gl. HeatonlMaxwell, Patterns, 24. 439 V gl. Martin, Anne Gorsuch Burford, C13; Sullivan, Anne Gorsuch Burford, B6.

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herausstellen könne 440 Ihre Argumente fanden bei den US-Behörden jedoch zusehends weniger Gehör. Ab 1981 schien sich also das Blatt in Hinblick auf gesetzliche Regulierungsmaßnahmen zugunsten der Dieselmotoren zu wen­ den. Nach den Kontroversen in den Jahren zuvor erklärten die Experten jetzt, dass die im Dieselabgas enthaltenen Partikel weder Krebs noch chronische Lungenkrankheiten auslösten, wie einst befürchtet worden war441 Eine von der EPA und der US-Regierung abweichende Haltung verbrei­ tete sich in etwa zeitgleich in Kalifornien. Der kalifornische Kongressabge­ ordnete der Demokraten, Henry A. Waxman, äußerte sich in einem Brief an die New York Times im März 1982 unmissverständlich und bezeichnete Die­ selpartikel als "potentially cancer-causing".442 Mit dieser Behauptung wider­ sprach er damals der EPA, dem Präsidenten Reagan und seinen Beratern so­ wie General Motors. Der Vizepräsident des Mitarbeiterstabs für Umweltan­ gelegenheiten von GM, B. Ancker-Johnson, wies eben darauf in seinem Ant­ wortschreiben hin. Er ließ verlauten, es gebe "no link between diesel particu­ lates and adverse health effects, including lung cancer. "443 Wie sich die Hal­ tung der amerikanischen Umweltschutzbehörde zum Dieselauto gewandelt hatte, spiegelt sich in der Wahl des Dienstwagens der Leiterin der Behörde wider. Gorsuch fuhr einen 1982 Oldsmobile Ninety-Eight Regency Brougham mit Dieselmotor, was laut der Washington Post "one of the biggest polluters on the road"444 war. Die EPA entgegnete diesen Anschuldigungen, dass das Auto die offiziellen Abgasgrenzwerte und die Verbrauchsvorgaben einhalte. Umweltschützer, die Gorsuch ohnehin wegen ihrer industriefreundlichen Umweltpolitik äußerst kritisch gegenüberstanden445, besänftigte die Stel­ lungnahme nicht, weil das Auto wesentlich mehr Schadstoffe emittierte als die meisten anderen Autos, selbst als viele andere Diesel-Pkw 446 Die Deutungsmacht in der Politik und bei der US-Umweltschutzbehörde hatte sich trotz der immer wieder geäußerten Kritik am Dieselabgas gewan­ delt. Denn in der Tat interpretierte die EPA die während der Amtszeit Jimmy earters gesammelten wissenschaftlichen Daten neu. Finanzielle Mittel für Forschungsvorhaben über die Krebsgefahr der Dieselabgase wurden eben­ falls gekürzt und die Warnungen vor den Gesundheitsrisiken des Dieselabga­ ses, wie Krebsgefahr und möglichen Atemwegserkrankungen, entschärft. Der Politikwechsel geschah, ohne dass ein eindeutiger wissenschaftlicher Befund für oder gegen die Krebsgefahr der Dieselpartikel vorlag. Anders sah

440 Vgl. Pasztor, Studies, 13. 441 Vgl. ebd. 442 Waxman, Auto Industry, A14. Waxrnan war damals der Chairman ofthe Subcommittee on Health and the Environment. V gl. Bryner, BIue Skies, 105. 443 Ancker-Johnson, Car Makers, A34. 444 Mayer, EPA, Al. 445 Vgl. Martin, Anne Gorsuch Burford, C13; Sullivan, Anne Gorsuch Burford, B6. 446 Vgl. Mayer, EPA, Al.

3.3 Das Dilemma Energiepolitik und Abgasemissionen in den USA

159

jedoch die Situation in Kalifornien aus, wo geplant war, strengere Abgas­ grenzwerte zu definieren. Nach Aussage der Vorsitzenden des California Air Resources Board, Mary Nichols, gehe ein unnötiges Krebsrisiko von den ein­ geatmeten Substanzen aus und dieses solle minimiert werden. Das Diesel­ auto galt nach Ansicht des CARB als ein Primärverursacher von krebserre­ genden Emissionen 447 Die wissenschaftliche Basis für diese Haltung lieferte u.a. der Professor für Public Health an der University of California in Berke­ ley, Edward Wei, der in seiner Stellungnahme vor dem CARB erklärte, "that some of the compounds in diesel exhaust are very nasty carcinogens. "·448 Damit widersprach er den vom National Research Council herangezogenen Experten.449 In Kalifornien wurden die wissenschaftlichen Daten folglich an­ ders interpretiert als in Washington von der Reagan-Administration und der EPA. Die anhaltenden Konflikte zwischen der US-Regierung, der EPA sowie den ihnen nahestehenden Wissenschaftlern und den Automobilherstellern auf der einen Seite sowie dem CARB und ihren Experten auf der anderen Seite förderten die Skepsis in der amerikanischen Bevölkerung. Sie rezipierte ins­ besondere die Äußerungen, die den Zusammenhang zwischen Dieselparti­ keln und erhöhtem Krebsrisiko behandelten. Folglich wuchs das Misstrauen zu Dieselwagen in der Bevölkerung in der ersten Hälfte der 1 980er Jahre er­ heblich an. Die Dekonstruktionsversuche zunächst vonseiten der Automobil­ industrie und von ihren Wissenschaftlern, später auch von der Reagan-Regie­ rung und der EPA unter der Leitung von Gorsuch, die eine Verbindung zwi­ schen Dieselabgas und Krebs widerlegen wollten, schlugen letztlich fehl. Vor Einführung der Partikellimits wurde das Fahren eines Dieselautos wegen der öffentlichen Diskussion über die Krebsgefahr als problematisch angesehen. Nach dem Erlass der Grenzwerte war das Fahren eines Dieselautos gesell­ schaftlich überhaupt nicht mehr zu vertreten, da den Dieselkraftwagen nun die Rationalitätsfiktion anhaftete ein Krebsauslöser zu sein. Verstärkend wirkte hier insbesondere das Vorgehen des CARB , das das Dieselabgas offi­ ziell als krebserregend klassifizierte und im Anschluss strengere, von der Bundesgesetzgebung abweichende Partikelstandards definierte. Diese Ent­ wicklung in Kalifornien rezipierten die US-Medien landesweit und machten somit eine breite Öffentlichkeit darauf aufmerksam. Auffallend ist, dass bei den hier wirkenden Konstruktions- und Dekonstruktionsprozessen entweder Expertise und Gegenexpertise aufeinandertrafen oder aber identische For­ schungsergebnisse diametral interpretiert wurden, wie etwa bei der EPA un­ ter der Leitung von Costle einerseits und später unter der Führung von Gor­ such. •

447 V gl. Califomia Plans Fight on Carcinogens in Air, B 17. 448 Edward Wei zit. n.: Pasztor, Battle, 23. Später wurde er als Professor für Toxikologie zitiert. Vgl. O'Reilly, Ban, OC_B 12. 449 Vgl. Pasztor, Battle, 23.

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3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

Die Reagan-Regierung änderte im Vergleich zu Jimmy Carter jedoch nicht nur die Umweltpolitik, sondern setzte zudem auch andere energiepoliti­ sche Schwerpunkte. Auf der Republican National Convention 1980 machte Ronald Reagan deutlich, dass die Zukunft nicht im sparsamen, sondern ex­ tensiven Umgang mit den Energieressourcen liege 450 Zwei Monate später in Cleveland wurde Reagan noch emphatischer und argumentierte, Amerika habe einen Überschuss an Energie und er werde diesen nutzbar machen, um sowohl die Wirtschaft in Gang zu bringen als auch die Unabhängigkeit von der OPEC zu gewährleisten. Schon kurze Zeit nach seinem Amtsantritt war die Ölkrise zu Ende und eine Schwemme von günstigem Rohöl gelangte in die Vereinigten Staaten. 1985 kostete ein Barrel Rohöl nur noch halb so viel wie 1980 451 "When prices dropped, most Americans returned to their old energy patterns"452, konstatierte der Historiker David E. Nye hierzu. Das be­ traf auch die Wahl des Fahrzeugs, und sparsamere Autos verloren ihre Anzie­ hungskraft. Die Rahmenbedingungen für Dieselautos hatten sich unter Ronald Re­ agan grundlegend im Vergleich zur Konstellation während der Amtszeit Carters gewandelt. Nach den Problemen der GM-Dieselmotoren, dem Ende der Ölkrise sowie den fallenden Kraftstoffpreisen schadete insbesondere die anhaltende Krebsdiskussion dem Ruf der Diesel-Pkw. Selbst die Neuausrich­ tung der Umweltschutzpolitik ab 1981 verhinderte die öffentliche Diskredi­ tierung der Dieselabgase als krebserregend nicht. Auf den Dieselabgasen las­ tete zudem ein psychologisches Stigma, da die schwarzen Abgaswolken je­ derzeit für das menschliche Auge sichtbar waren. Gerade die am weitesten verbreiteten Dieselautos von General Motors waren, sofern sie noch fuhren, mit ihren Abgaswolken nicht zu übersehen. 1983 beschwerte sich ein Road & Track Leser über die qualmenden Die­ selabgase, die man sah, wenn Dieselautos Steigungen zu bewältigen hatten oder beschleunigen mussten. "My nose, throat and eyes tell me that some diesel cars are awfully dirty"453, lautete sein verheerendes Urteil. Zu den Ge­ sundheitsrisiken verwies die Automobilzeitschrift auf wissenschaftliche Stu­ dien, denn ,,[aJn MIT study, one of many, has found that the smoke particles contain carcinogenic compounds and can cause genetic damage in mamma­ lian cells. "454 Nach dieser Aussage galt es in der Öffentlichkeit als erwiesen, dass von Dieselpartikeln Gesundheitsrisiken ausgingen. Lediglich ab wel­ cher Schadstoffkonzentration dies geHihrlich wurde, war bei Wissenschaft­ lern, Behörden und Herstellern noch umstritten 455 450 451 452 453 454 455

Vgl. Nye, Consuming Power, 235. Vgl. ebd., 235ff. Ebd., 236. Diesel Emissions. Leserbrief, 172. Ebd., 173f. Vgl. ebd.

3.3 Das Dilemma Energiepolitik und Abgasemissionen in den USA

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Problemfall Rußpartikelfilter Ein sogenannter Rußfilter, wie er seit den 1970er Jahren immer wieder ins Spiel gebracht worden watl56, würde die Partikelemissionen auf ein Mini­ mum reduzieren, so die Vertreter der Automobilindustrie. Allerdings gelang es den Herstellern nicht, die Filtertechnologie in die Serienreife zu überfüh­ ren. Der GM-Ingenieur David Dimick erklärte 1982, GM habe 34 Filterkon­ struktionen mit mehr als 100 verschiedenen Materialien getestet, ohne einen Werkstoff zu finden, welcher die vorgeschriebenen 50.000 Meilen lang halte. Für Kritiker war dies freilich nur eine Verzögerungstaktik, wie sie ähnlich bereits bei der Einführung des Katalysators in den 1970er Jahren praktiziert worden war457 Aber auch dem deutschen Hersteller Mercedes-Benz bereitete der Regenerationsvorgang, bei dem der im Filter angelagerte Ruß abgebrannt wurde, erhebliche Probleme 458 Weder die US-Regierung noch die EPA sprachen GM in der Frage der Rußfilterproblematik die Glaubwürdigkeit ab und verschoben die Verschär­ fung des Partikelgrenzwerts auf 0,2 g pro Meile von 1985 auf 1987. Bei der Bekanntgabe der Entscheidung verwies die EPA darauf, dass der Schritt not­ wendig gewesen sei, weil sich die Serienreife des trap oxidizer bzw. Partikel­ filters verzögere 459 Ausgenommen von der Regelung war der Bundesstaat Kalifornien, wo die Umweltpolitik eine andere Schwerpunktsetzung ver­ folgte und ab 1985 weitaus rigorosere Partikelgrenzwerte galten 460 Das setzte Mercedes-Benz unter Zugzwang, da die kalifornischen Partikellimits für die Turbodiesel-Modelle nur mit einem Partikelfilter zu erreichen waren. Ab 1985 sollte die Filtertechnologie - vermutlich aus logistischen Gründen - in den für elf westliche Bundesstaaten vorgesehenen Turbodieselmodellen verfügbar sein 461 1984 stellte Road & Track schließlich den serienreifen Rußpartikelfilter von Mercedes-Benz vor. Der Turbodiesel in Kombination mit dem Rußparti­ kelfilter sollte zunächst in Kalifornien den Grundstein für den leistungsstar­ ken und zugleich umweltfreundlichen Diesel legen, der dann von West nach Ost die Käufer in den USA begeistert hätte 462 Die Importzahlen belegen, 456 457 458 459 460

Vgl. exemplarisch The Diesel Engine for Automobiles, 26. Vgl. Pasztor, Battle, 23. Vgl. Berg, Aufwand, 295-298. Vgl. Keldermann, EPA, 3, 62. Vgl. Berg, Abgas-Gesetzgebung, 125f.; Califomia Air Resources Board, Progress Re­ port, 2. 461 Vgl. Schuon, Cutting, D2. Zu den betroffenen Staaten gehörten Alaska, Arizona, Kali­ fornien, Hawaii, Idaho, Montana, Nevada, Oregon, Utah, Washington und Wyoming. 462 Vgl. Kimball, Braking, 128. Allerdings wirkte sich der Rußfilter wegen des größeren Gegendrucks nachteilig auf Leistung und Verbrauch aus. Die erzielbare Fahrstrecke ging um ca. ein mpg zurück, und die Leistung der kalifornischen Modelle fiel um fünf bhp ab. Somit erreichten die Turbodiesel in Kalifomien nur 1 1 8 bhp Leistung gegen-

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3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

dass sich Mercedes-Benz 1982 und 1983 noch gegen den allgemein fallenden Dieselabsatz stemmen konnte, ehe der Absatz ebenfalls massiv zurückging. Der rapide Einbruch von 1985 auf 1986 resultierte aus Problemen mit den 1985 eingeführten Rußpartikelfiltern 463 Bereits zwischen 1985 und 1987 scheiterte der erste Versuch mit einem Rußpartikelfilter in 9.000 Fünfzylinderturbodiesel-Modellen. Selbst die beim Nachfolgemodell, einem Sechszylinderdiesel, verwendeten verbesserten Par­ tikelfilter bereiteten Probleme. Ihre Lebensdauer belief sich lediglich auf 30.000 Meilen. Nach offizieller Darstellung verursachten aus den Filtern los­ gelöste Keramikstücke Schäden an den Turboladern 464 Ab dem Modelljahr 1987 sollten daher in den USA keine Dieselautos mit Partikelfilter angeboten werden 465 Ein Bericht im Spiegel von 2005 erwähnte sogar noch drastischere Probleme. Demnach verstopften oder überhitzten die Filter. Bei Letzterem konnten sie den Unterbodenschutz der Mercedes Autos in Brand setzen 466 Ob es tatsächlich im Praxisbetrieb zu solch dramatischen Problemen kam, konnte zwar nicht durch weitere Quellen bestätigt werden, doch bedeutete der Fehlschlag der Partikelfilter immerhin, dass der kalifornische Partikel­ grenzwert bzw. das EPA-Limit von 1987 mit jeweils 0,2 glMeile von den großen Dieselautos zunächst nicht eingehalten werden konnte. Als Konsequenz durfte Mercedes-Benz in den USA über einige Jahre nur den kleinen und schwachen Mercedes 190 D anbieten. Dieses Dieselauto lie­ ferte jedoch nicht die gewünschte Motorleistung. Zusätzlich fehlte der Parti­ kelfilter, um eine Verbindung zwischen Diesel und Krebs zu verhindern 467

über 123 bhp in den 49-Staaten Modellen. Einen ähnlichen Rückgang gab es beim Drehmoment, das um ca. zehn Nm (7 lb.-ft.) von 250 Nm (l84 Ib.-ft.) auf 240 Nm (177 lb.-ft.) zurückging. Dafür überzeugte der neue Mercedes 300 D mit Partikelfilter die Dieselfahrer mit seiner Effektivität, denn der Diesel emittierte nur minimalen Diesel­ rauch. V gl. ebd., 134; Schuon, Cutting, D2; Simanaitis, Incident, 68. 463 Vgl. Ward's Communication, Ward's Automotive Yearbook (1981-1988). 464 Für das Zerbröseln der Kerarnikmonolithen machten die Mercedes Ingenieure natrium­ haltige Verunreinigungen im Dieselkraftstoff verantwortlich, die die Filter an den Korn­ grenzen aufweichten. Vgl. Sauer, Peter, 47. Ähnlich äußerte sich 1991 Manfred Fortna­ gel diesbezüglich in einem Interview. V gl. Ein schöner Motor ist der Diesel trotzdem, 33. 465 Vgl. 9.000 Diesel Models Recalled by Mercedes, Metro Teil 2, 3; Mercedes mit Diesel­ Problemen in Amerika, 8; Mercedes Recalls 9.000, A29. Der Fehlschlag wurde fortan immer wieder auch in deutschen Automobilzeitschriften rezipiert. Vgl. Röthig, Stinker, 37. 466 Vgl. Bredow u.a., Gefahr, 86. 467 Als Konsequenz überschritt Mercedes-Benz schon 1985 bzw. 1986 die US-Flottenver­ brauchsbestimmungen. 1985 musste Mercedes-Benz eine Geldstrafe von 5,5 Millionen Dollar bezahlen und 1986 von 20,2 Millionen Dollar (36 Millionen Mark), was die bis dahin höchste Strafe darstellte. Vgl. Teurer Durst, 108. Auch in den folgenden Jahren verfehlte Mercedes die Flottenverbrauchsvorgaben und musste Strafzahlungen leisten. Darüber hinaus übernahmen auch einige Bundesstaaten an der Ostküste die kaliforni-

3.4 Die Abgasernissionen des Diesel-Pkw

163

Der Fehlschlag des Partikelfilters hatte für Mercedes-Benz letztlich einen dreifach negativen Effekt. Zunächst brachte die besorgte Öffentlichkeit nun auch Mercedes Dieselautos mit der Krebsgefahr in Verbindung. Zweitens verloren die vormals als äußerst zuverlässig bekannten und geschätzten Lu­ xusdiesel mit den Rückrufaktionen ihren guten Ruf und galten seitdem als unzuverlässig. Als Mercedes die starken Turbodiesel vom Markt nehmen musste, wirkte sich, drittens, der spürbare Leistungsabfall auf die öffentliche Wahrnehmung aus. Diesel galten erneut als träge und lahm. Folglich war es wenig verwunderlich, dass die Käufer wieder zu den Mercedes Modellen mit Ottomotor umschwenkten. Tageszeitungen setzten sich Mitte der 1980er noch immer mit der Krebs­ gefahr von Dieselabgas auseinander. Dieselabgase waren nach Meinung des Anwalts, Eric A. Goldstein, eine der größten Bedrohungen für die Luftquali­ tät in New York. Da Dieselautos mittlerweile stark an Popularität eingebüßt hatten, richtete sich dieses Ressentiment nun primär gegen Lastwagen und Busse. Nach Darstellung der New York Times gaben diese Fahrzeuge im Stadtgebiet New York jedes Jahr 3 .000 Tonnen der vermutlich krebsauslösen­ den Partikel an ihre Umwelt ab 468 Noch deutlicher brachte das ein 1988 in der Washington Post erschienener Artikel von Joseph Alper, der die vom Die­ selabgas ausgehenden Gefahren anprangerte, zur Sprache: I believe that everyone who owns a diesel car should be required to fly from their an­ tenna a white Hag with a skull and crossbones and the following message in bright red: 'WARNING - Diesel engines can cause cancer and lung disease and may be hazardous to your health.' 469

3.4 DIE ABGASEMISSIONEN DES DIESEL-PKW IM FOKUS DES ÖFFENTLICHEN INTERESSES IN DEUTSCHLAND Die Verunsicherung über das umweltfreundliche Dieselauto, 1979-1985 Während der späten 1970er Jahre wirkten sich die Entwicklungen in den USA noch nicht auf die Beliebtheit der Dieselautos in Deutschland aus. Gleichwohl rezipierten die deutschen Automobilzeitschriften im Jahr 1979 die US-Forschungsergebnisse und berichteten, dass nach Ansicht von Wis­ senschaftlern die an den Rußpartikeln haftenden polyzyklischen aromati­ schen Kohlenwasserstoffe (PAH) Lungenkrebs verursachten. Die Verbindun­ gen entstanden, wenn organisches Material unvollständig verbrannte. Die schen Abgasgrenzwerte, was den potenziellen Absatzmarkt der Diesel noch weiter ein­ schränkte. Vgl. Eisenstein, Weniger ist schwer, 24. Zu den Strafen vgl. www.nhtsa.gov/ cars/rules/CAFEIFINES-COLLECTED-SUMMARY.htrnl. 468 V gl. Diesel Exhaust a Threat, 45, 49. 469 Alper, Diesel Lungs, HE16. Hervorhebung im Original, C.N.

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3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

PAH wurden von Öl- und Kohlenheizungen, der Industrie, Autos und Ziga­ retten freigesetzt. Folglich waren Autos, wie der Bericht betonte, nur eine von vielen Quellen und keineswegs die einzige Ursache. Das reduzierte selbstverständlich den Druck auf das Dieselauto. Die deutschen Politiker sa­ hen zudem keinen Handlungsbedarf. Der Mitarbeiter des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, F. J. Drey­ haupt, betonte auf einem Kolloquium des VDI, es gebe noch keinen "tragfa­ higen Beweis"47o für die von PAH ausgehende Krebsgefahr. Das müsse für Gesundheitspolitiker aber die Grundlage für einen Erlass sein. Vorläufige Testergebnisse zeigten sogar, dass im Dieselabgas weniger PAH als im Abgas von Ottomotoren enthalten war. Zudem hatten die PAH des Dieselabgases andere Eigenschaften und brachten bei Tierversuchen eine um den Faktor 30 niedrigere Krebsrate hervor. Das entzog einer rigorosen Beschränkung der Dieselabgase wegen deren "vermeintlich gefabrlicheren PAH-Emission"471 die wissenschaftliche Basis. Manche Vertreter der Industrie äußerten sogar den Vorwurf, dass das US-Partikellimit dazu diene, die US-Autoindustrie un­ ter dem "Deckmantel des Umweltschutzes" zu schützen 472 Die bundesrepublikanische Öffentlichkeit zeigte sich Anfang der 1980er Jahre besonders sensibilisiert für solche Themen und befasste sich intensiv mit dem Umweltschutz und der Luftverschmutzung. Dies mündete in der Waldsterben-Debatte, in der sich Bürger besorgt über die seit Mitte der 1 970er Jahre insbesondere an Tannen und Fichten zu beobachtenden Wald­ schäden äußerten. Da überdies die größten Waldbesitzer Privatpersonen und der Staat waren, entwickelte sich sowohl ein ökonomischer wie auch politi­ scher Handlungsdruck, der in Initiativen wie der Einführung des Katalysators bei benzinangetriebenen Autos mündete. Die Hypothese, dass Autoabgase ei­ nen erheblichen Anteil an den Waldschäden haben würden, lieferte für die Regulierung der Autoabgase die wissenschaftliche Grundlage 473 Der Allge­ meine Deutsche Automobil-Club griff in der Septemberausgabe 1983 der ADAC Motorwelt mit dem Artikel Aktion sauberes Auto ebenfalls aktiv in die

470 Jorissen, Entlastung, 92. 471 Ebd., 93. 472 Vgl. ebd. Zum VDI-Kolloquium vgl. Verein Deutscher Ingenieure, VDI-Kommission Reinhaltung der Luft (Hg.), Luftverunreinigung. Bei dieser Diskussion muss berück­ sichtigt werden, dass in Deutschland bzw. Europa bis 1982 keine Abgasgrenzwerte für Dieselautos definiert waren. Somit wurden in Europa Dieselautos verzögert, wie übri­ gens auch in den USA, in die Abgasgesetzgebung miteinbezogen. Oftmals wird als Grund für die lange Ausklammerung der Diesel ihr im Vergleich zum Ottomotor niedri­ gerer CO- und HC-Ausstoß angegeben, welcher die für Ottomotoren gültigen Werte problemlos unterschritt. Das änderte sich mit der Serie Nummer 04 der ECE-Regelung Nr. 15. V gl. Berg, Abgas-Gesetzgebung, 123; Verband der Automobilindustrie, Jahres­ bericht (1982), 46. Kurz wird das auch in folgendem Artikel angesprochen: Berg, Schwerpunkte, 6f. 473 Für Details zum Thema Waldsterben vgl. Holzinger, Politik, 149-154.

3.4 Die Abgasemissionen des Diesel-Pkw

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Debatte um die Abgasgesetzgebung ein. Der ADAC unterstützte die Einfüh­ rung des Katalysatorautos zum 1 . Januar 1986, schließlich begrüßten die meisten ADAC-Mitglieder diesen Schritt 474 Hierbei handelte es sich nicht um eine konzertierte Aktion der Europäischen Gemeinschaft (EG), sondern um einen Alleingang von Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann, der selbst für die Mitarbeiter seines Ministeriums überraschend kam 475 Nach Einschätzung des Historikers Andreas Wirsching unternahm Zimmermann diesen Schritt " [0 lhne Rücksicht auf mögliche Auseinandersetzungen mit der Automobilindustrie und unter Inkaufnahme erheblicher Dissonanzen inner­ halb der Bundesregierung" 476 Der ehemalige Direktor der Abteilung Verkehr am Wuppertal Institut, Rudolf Petersen477, urteilte 1993 aus der Retrospek­ tive über die Ereignisse, [d]ie in Deutschland von Regierung, Industrie und Autofahrerverbänden heute einmütig gefeierte Durchsetzung des schadstoffarmen Autos über eine sprunghafte Verschärfung der Emissionsgrenzwerte war in der traditionellen deutschen und europäischen Rege­ lungslogik ein ,Ausrutscher' .478

Obgleich der ADAC die Ansicht vertrat, dass der Schadstoffausstoß der Pkw reduziert werden musste, versuchte der Automobilclub, das Auto von einem Teil der Vorwürfe zu entlasten. Zunächst sei der Schadstoff Schwefeldioxid zu zwei Dritteln für den sauren Regen verantwortlich. Autos würden jedoch nur maximal drei Prozent des S0 -Ausstoßes ausmachen. Ähnlich sah die 2 Relation bei den Stickoxidemissionen - der zweiten Quelle des Waldsterbens - aus. Der Anteil der Pkw an den NO -Emissionen wurde auf 45 Prozent gex 474 Nach einer Mitgliederumfrage sprachen sich ca. 75 Prozent der befragten ADAC-Mit­ glieder für eine "Abgasentgiftung" aus. 78 Prozent plädierten dafür, die Initiative solle von Deutschland ausgehen und es müsse nicht auf einen einstimmigen Beschluss der EG gewartet werden. Zwei Drittel der Mitglieder waren laut der Umfrage bereit, ein abgasentgiftetes Auto zu kaufen, wenn es zwischen 1 .000 und 1 .500 DM mehr als ein herkömmlicher Pkw kosten würde und zudem einen höheren Kraftstoffverbrauch hätte. Vgl. Aktion sauberes Auto, 36ff. 475 Vgl.ebd., 36. Das Kabinett der Bundesregierung entschied am 2 1 . Juli bzw. am 26. Ok­ tober 1983 über die Einführung der US-Grenzwerte zum 1 . Januar 1986. Damit mussten die Mineralölgesellschaften bis zu diesem Zeitpunkt bleifreien Kraftstoff und die Auto­ mobilhersteller Katalysatorautos anbieten. Vgl. Wirsching, Abschied, 372. Die Initia­ tive trat eine lange öffentliche wie interne Debatte los. Vgl. 1 .000 Mark vom Staat für jedes Umweltauto, 5ff.; Als Depp, l78f.; Europäische Umweltsünde, 3; Luckner, Dreck, 3; Nichts ist klar, 21-24; Reines Chaos, 26f.; Umwelt-Auto, l7ff. 476 Wirsching, Abschied, 372. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der Historiker Ueli Haefeli, denn der Minister traf die Entscheidung über die Einführung des bleifreien Benzins und der US-Abgasgrenzwerte vermutlich ohne vorherige Rücksprache mit Ex­ perten. Vgl. Haefeli, Luftreinhaltepolitik, 177. 477 RudolfM. Petersen war von August 1991 bis Oktober 2003 Direktor der Abteilung Ver­ kehr arn Wuppertal Institut. Vgl. www.wupperinst.org/de/info/entwdlindex.htrnl?& beitrag_id=90 &bid= l 1 . 478 Petersen, Autoabgase, 378.

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3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

schätzt. Anhand dieser Vorannahmen berechnete der ADAC, dass das Auto lediglich für 1 5 Prozent der geHihrlichen Schadstoffemissionen verantwort­ lich gemacht werden könne 479 Im öffentlichen Diskurs wurden in der ersten Hälfte der 1 980er Jahre auch zahlreiche kritische Punkte zu den Katalysatorautos geäußert. Die Vor­ würfe reichten vom höheren Benzinverbrauch, einer niedrigeren Leistung bis hin zu einer kraftlosen Motorleistung gegenüber einem Benzin-Pkw, der mit bleihaltigern Benzin fuhr. Mit seinen Studien, die die vermeintlichen Defizite entkräfteten, trat der ADAC dieser negativen Sichtweise des Kat-Autos ent­ gegen und befürwortete dessen Markteinführung. Kritischer sah es dagegen bei den Kosten aus, da nach Schätzungen der Aufpreis für einen Kat zwi­ schen 1 .000 und 2.000 DM schwankte. Für Kleinwagen war das durchaus problematisch. Zudem konnten die Aufwendungen für die Wartung ansteigen und ein Katalysator halte, so ein weiterer Einwand, ebenfalls nicht unbe­ grenzt. Für den ADAC war klar, dass es "Umweltschutz zum Nulltarif'48o nicht gebe. Doch nach dem Umfrageergebnis waren die deutschen Autofah­ rer sogar bereit dafür zu bezahlen 481 Interessanterweise handelte es sich bei den 80.000 km - die als Lebensdauer eines Katalysators im öffentlichen Dis­ kurs verhandelt wurden - um eine Mindesthaltbarkeit, d.h., in der Praxis funktionierten die Katalysatoren durchaus länger. Diesen Sachverhalt thema­ tisierten die deutschen Zeitschriften jedoch nicht. Vielmehr wurde die Infor­ mation den Lesern so präsentiert, als würde der Katalysator nach 80.000 km nicht mehr arbeiten. Dieses Argument ist insofern wichtig, weil es immer wieder angeführt wurde, um den Katalysator zu diskreditieren. Neben dem sauberen Kat-Auto gab es aber noch ein weiteres umwelt­ freundliches Auto, den Diesel-Pkw. Der ADAC betonte explizit, der Diesel sei "so sauber wie kein anderes Auto"482, weil er eben die Grenzwerte erfülle, für die ein Ottomotor einen Katalysator benötige - ausgenommen waren die Stickoxidemissionen. Einen zentralen Kritikpunkt gegen den Diesel brachte der ADAC dessen ungeachtet ins Spiel: die Rußemissionen, da sie als "Trä­ ger krebsfördernder Kohlenwasserstoffe"483 galten. Die Automobilzeitschriften und die öffentliche Debatte befassten sich auch im folgenden Jahr eingehender mit den Partikelemissionen. Im Sommer 1984 fragte sich der ADAC, ob der Diesel ein "Schwarzer Peter oder

479 V gl. Aktion sauberes Auto, 38. 480 Aktion sauberes Auto, 49. 481 Vgl. ebd., 44-49; Die Deutschen sind opferbereit, 42-57. Die zahlreichen Leserbriefe zu diesem Artikel zeigen, dass es durchaus eine ambivalente Haltung der Mitglieder gab und nicht alle vorbehaltlos die Einführung des "Kat-Autos" unterstützten. V gl. Aktion sauberes Auto. Leserbriefe, 139f. 482 5 Fragen, die immer wieder gestellt werden, 49. 483 Ebd.

3.4 Die Abgasemissionen des Diesel-Pkw

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Saubermann"484 sei. In diesem Artikel erklärte der ADAC, dass die Rußemis­ sionen selbst nicht geHihrlieh seien, dafür wurden die an die lungengängigen Rußpartikel angelagerten Kohlenwasserstoffverbindungen als krebserregend angesehen. Letztlich hänge es ebenfalls vom Standpunkt ab, ob der Diesel als "Saubermann" oder als "Schwarzer Peter" da stehe, so der ADAC. Gegen­ über einem konventionellen Ottomotor galt er zweifellos als "sauber", ein Katalysator drehte jedoch das Bild um485 Neben der diskursiven Verhandlung der Krebsrisiken stand die Frage nach der quantitativen Umweltbelastung durch Partikelemissionen im Raum. Die Diesel-Pkw aus deutscher Produktion emittierten 1984 nach Schätzun­ gen von Experten des Berliner Umweltbundesamtes (UBA) im Schnitt zwi­ schen 0,3 und 0,8 glMeile. Nach Meinung des ADAC musste das im Verhält­ nis zu allen Partikelemissionen gesehen werden. So mache der Verkehr 1982 von den 700.000 Tonnen entstandenen Partikeln lediglich gut zehn Prozent aus. Davon würden die Bleiernissionen der Pkw auf 3.500 Tonnen kommen. Der Rest würde größtenteils von den Dieselfahrzeugen verursacht, wobei al­ lerdings drei Viertel des Dieselrußes von Lastwagen stammten 486 Ganz verschont blieb der Diesel-Pkw bei der Debatte um die Luftver­ schmutzung allerdings nicht. Die Auto Zeitung urteilte 1984 den Diesel we­ gen der emittierten Rußpartikel als Luftverschmutzer ab. Auch die Bundesre­ gierung plante gegen die Partikelemissionen vorzugehen und spielte mit dem Gedanken, rigorose Abgasgrenzwerte nach amerikanisehern Vorbild - das beinhaltete einen Partikelgrenzwert - einzuführen. Zur Senkung der Partikel­ emissionen boten sich, so der Artikel, entweder ein Rußfilter oder innermoto­ rische Verbesserungen, wie eine veränderte Brennraumgestaltung oder opti­ mierte Einspritzung, an 487 Somit wurden mittlerweile neben dem Rußfilter weitere technische Lösungsmöglichkeiten im öffentlichen Diskurs gehandelt. Im direkten Vergleich mit dem Kat-Auto schnitt der Diesel nach Ein­ schätzung der Automobilzeitschriften als die bessere Alternative ab. Der Journalist Hack konnte 1984 den Kauf eines Kat-Autos nicht empfehlen 488 "Gute Chancen"489 bescheinigte Hack dagegen dem Diesel. Nach dieser Ar­ gumentation war der Diesel im Vergleich zum Kat-Auto klar die bessere Wahl. Vertreter der Bundesregierung bewerteten demgegenüber das Kat484 Schwarzer Peter oder Saubermann, 28. 485 Vgl. ebd. Zwei Jahre später griff ein Artikel die Argumentation erneut auf und betonte, dass der Ruß selbst "weder Mensch noch Natur" schade, aber die arn Rußkern angela­ gerten polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe als krebserregend eingestuft wurden. V gl. Goblirsch, Jetzt ist der Diesel fällig, 44. 486 Vgl. Schwarzer Peter oder Saubermann, 28. 487 Vgl. Droste, Diesel, 86-90. 488 Vgl. Hack, Zeus, 3. Die Regelung mit der steuerlichen Förderung der umweltfreundli­ chen Autos war geprägt von einem Hin und Her. Vgl. Alles klar, 248; Etappensieg für saubere Autos, 3; Fahrplan für das Umweltauto, 1 6-20; Goblirsch, Steuer, 32-36. 489 Hack, Zeus, 3.

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3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

Auto wesentlich positiver und suchten nach den Gründen, wieso die Auto­ käufer anfangs nur geringes Interesse an diesen Fahrzeugen zeigten. Bei der Einführung des Katalysators kam es nach der Analyse des Ministerialrats im Bundesumweltministerium, Eberhard Westheide, in der Presse, hier vor al­ lem in den Automobilzeitschriften, zu einer Berichterstattung "über dessen vermeintliche Nachteile" 490 Die öffentliche Stimmung richtete sich somit zunächst gegen den Katalysator, zumal der ohnehin nicht benötigt wurde, um die Mitte der 1980er Jahre gültigen Grenzwerte einzuhalten. Die verschärften Abgaslimits waren noch zu weit weg, weshalb die Katalysatorautos von den Autofahrern nicht als "Auto der Zukunft"491 angesehen wurden und kein po­ sitives Image zugeschrieben bekamen 492 Selbst der ADAC, welcher zuvor im Sinne des Umweltschutzes für die Einführung des Katalysatorautos plädiert hatte, stand dem Kat-Auto im Mai 1985 in der ADAC Motorwelt durchaus kritisch gegenüber, denn ein Kataly­ sator als end-oj-pipe-technology war nach Meinung des Automobilclubs nur die zweitbeste Lösung für sauberes Abgas. Weitaus sinnvoller erschien es, dass durch eine innermotorische Verbesserung die Verbrennung im Motor so sauber gemacht werden sollte, dass Schadstoffe überhaupt nicht entstünden. Genau das erreichten die Diesel-Pkw, die ohne Abgasnachbehandlung die ge­ setzlichen Grenzwerte einhielten 493 Für die Autofahrer war zu dem Zeitpunkt durchaus auch relevant, wie hoch die steuerliche Förderung der schadstoffarmen Pkw ausfallen würde. Endgültige Klarheit über diese Frage gab es 1985 jedoch immer noch nicht. Das Durcheinander bei der Abgasgesetzgebung zog sich seit 1983 hin. Der Journalist Hack berichtete 1984, dass deswegen viele potenzielle Autokäufer die Anschaffung eines Neuwagens aufschoben 494 Die Journalistin Ruth Go­ blirsch erläuterte im Mai 1985 in der ADAC Motorwelt die aktuellen Steuer­ pläne der Bundesregierung, die noch mehr Verwirrung stifteten. Es sei zwar nun eine Einigung auf europäischer Ebene in Sicht. Dafür würden sich aber zum einen die ursprünglichen Pläne der Bundesregierung erheblich verzö­ gern und zum anderen die Steuerersparnisse für ein "Umweltauto"495 wesent­ lich geringer ausfallen als ursprünglich geplant 496 Zusammenfassend kann festgehalten werden, die Bundesregierung plante einen doppelten Anreiz, um 490 491 492 493 494 495 496

Westheide, Einführung, 90. Ebd., 92. Vgl. ebd., 90ff. V gl. Die drei kleinen sauberen Diesel, 18-24. Vgl. Hack, Zeus, 3. Goblirsch, Fahrplan, 26. Von den 3.000 DM Kraftfahrzeugsteuereinsparung würden nur noch 2.200 DM übrig bleiben, für Kleinwagen sogar nur noch 750 DM. Auch müsse ein umweltfreundliches Auto 1985 oder 1986 gekauft werden, um die steuerlichen Vorteile im vollen Umfang genießen zu können. Schon 1987 reduziere sich die Steuerbefreiung um ein Viertel und im Folgejahr um die Hälfte. Vgl. ebd., 26-29. Für eine ähnliche Argumentation vgl.

3.4 Die Abgasernissionen des Diesel-Pkw

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den Verkauf der Kat-Autos zu fördern. Das Auto sollte von der Kfz-Steuer befreit oder der Betrag zumindest reduziert und der Kraftstoff steuerlich sub­ ventioniert werden 497 Ab 1985 gab es schließlich Klarheit bezüglich der zukünftigen Abgas­ grenzwerte. Nach Darstellung der Politikwissenschaftlerin Holzinger und des Historikers Wirsching legten die Luxemburger Kompromisse498 erstmals nach Hubraumklassen aufgegliederte Grenzwerte für Kohlenmonoxid, Koh­ lenwasserstoff und Stickoxide fest. Es handelte sich hierbei allerdings nicht um die zunächst anvisierten strengen seit 1983 gültigen US-Grenzwerte. Für die Dieselmotoren erließ die EG schließlich 1988 erstmals einen Grenzwert für Partikelemissionen 499 Immerhin verschwanden zwei Hemmschuhe, welche anfangs die Ver­ breitung der Kat-Autos verhindert hatten. Das betraf die Tankstellensituation und die Händler. Im Jahr 1985 begannen immer mehr Tankstellen, bleifreies Benzin anzubieten. Bereits Anfang 1985 wurden in der Bundesrepublik Deutschland mehr als 500 Tankstellen gezählt, die bleifreies Normalbenzin verkauften. Die Zahl stieg innerhalb eines Zeitraums von weniger als zwei Jahren stark an. So existierten 1986 mehr als 5.200 Tankstellen und Ende 1986 ungefähr 1 1 .500. Das entsprach fast der Zahl an Dieseltankstellen, die sich auf ca. 15.000 belief. Super bleifrei wurde erst ab Sommer 1985 ver­ mehrt angeboten. Im September 1985 war es an ca. 1 .200 Tankstellen erhält­ lich. Ein dichtes, flächendeckendes Netz gab es Ende 1986 mit 8.500 Tank­ stellen 500 Ein ebenfalls flächendeckendes Tankstellennetz mit bleifreiem Benzin fanden die deutschen Autofahrer im Herbst 1985 in Österreich, Hol­ land und der Schweiz sowie im Norden Belgiens vor. In den Urlaubsländern Frankreich, Spanien und Italien sowie in Skandinavien war bleifreier Kraft­ stoff an den Hauptreiserouten erhältlich. Eine detaillierte Auflistung aller Tankstellen konnten die Urlauber in den ADAC-Geschäftsstellen beziehen 501 Die Tankstellenketten Aral, Esso und Texaco hatten in ihren Filialen eben­ falls Adressenlisten der bleifrei Tankstellen ausliegen. Der ADAC führte ge­ gen Ende des Jahres 1985 eine eigene Karte für die Tankstellen mit Super bleifrei. Für bleifreies Normalbenzin war das mittlerweile nicht mehr not-

497 498 499

500 501

Geteilt durch drei, 96-101. Für eine detaillierte Erklärung der Feinheiten bei der neuen Kfz-Steuerregelung vgl. Goblirsch, Fahrplan, 26-29. V gl. Wirsching, Abschied, 373f. Holzinger verweist ebenfalls darauf, dass dieser Beschluss erst am 3. Dezember 1987 verabschiedet wurde. Vgl. Holzinger, Politik, 146. Vgl. ebd., 146f.; Wirsching, Abschied, 375. 1991 wurde die Unterteilung in Hubraum­ klassen mit der Verabschiedung einer konsolidierten Richtlinie aufgehoben und neue Grenzwerte festgesetzt sowie ein neues europäisches Testverfahren definiert. V gl. Westheide, Einführung, 5lf. Vgl. Bleifrei durch halb Europa, 96.

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wendig, da es nach Meinung des Automobilclubs mittlerweile genügend Tankstellen gebe 502 Zweitens verhinderten zunächst die Händler eine stärkere Verbreitung der Autos mit Katalysator. Der ADAC besuchte in der zweiten Jahreshälfte 1985 60 Händler bzw. Niederlassungen der wichtigsten Automobilmarken, um sich über den Kauf eines Wagens mit oder ohne Katalysator beraten zu lassen. Das Resultat war, dass die meisten Verkäufer wenig Informationen vorzuweisen hatten und in der Regel gegen die Anschaffung eines Kat-Autos argumentierten. Alternativ zum Katalysator priesen sie konventionelle Autos, die bleifrei fahren konnten, oder die schadstoffarmen Diesel als umwelt­ freundlich an 503 Bis zum Juni 1986 änderte sich die Situation. Nun war auch der Katalysator bei vielen Händlern akzeptiert und wurde bei einem Drittel der befragten Händler den Interessenten angeboten. Ein weiteres Drittel emp­ fahl den Katalysator nur eingeschränkt, wenn der Pkw nach kurzer Zeit wie­ der verkauft werden sollte oder viele Fahrten ins Ausland geplant wurden. Das restliche Drittel der Händler "riet immer noch vom Kat ab" 504 Die Um­ frage ergab, dass gerade Renault Händler den Kauf eines Dieselautos nahe­ legten. Ein ungenannter Verkäufer in München sagte aus, dass von 100 Kat­ Interessenten letztlich 85 ein Dieselauto kaufen würden 505 Die sichere Wahl für viele Autokäufer war folglich 1986 noch immer der bewährte Diesel-Pkw 506 Noch stand das Dieselauto Mitte der 1980er nicht unter einem akuten Rechtfertigungsdruck. Der Verband der Automobilindus­ trie (VDA) bezog in seinem Jahresbericht 1984/85 vorsorglich eine pro Die­ sel Position. Im Bericht bündelte der VDA die Argumente, die für eine stär­ kere Verbreitung des Dieselmotors sprachen. Dazu gehörte, dass ein Diesel­ motor weniger Kohlenmonoxid an die Umwelt abgebe als ein Ottomotor mit Katalysator und die HC- sowie NO -Emissionen beider Motorenarten unge­ x fähr gleich seien. Aus dem Grund könne der Diesel als schadstoffarm einge­ stuft werden. Der emittierte Ruß stellte laut VDA kein Problem dar, weil die in Deutschland produzierten Dieselmotoren normalerweise die US-Grenz­ werte einhielten. Außerdem wurde ein weiterer, die Hersteller entlastender Grund angeführt. Der VDA wälzte das Problem der Schwefeldioxidemissio­ nen auf die Mineralölwirtschaft ab, weil sie auf dem im Kraftstoff enthalte­ nen Schwefel beruhten. Bei der Kraftstoffherstellung wurde nämlich der Schwefelanteil nicht wie beim Benzin reduziert 507

502 503 504 505 506 507

Vgl. Tanken Sie doch sans plomb, 46. Vgl. Tügel, Verkäufer, 48-50. Tügel, Kat-Killer, 52. Vgl. ebd., 52-55. Vgl. Die neue Liebe, 54. Vgl. Verband der Automobilindustrie, Jahresbericht (1985), 54f.

3.4 Die Abgasernissionen des Diesel-Pkw

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Meinungsbildung und öffentliche Diskussionen über das Krebsrisiko in Deutschland, 1986/87 Im Jahr 1986 gab e s im öffentlichen Diskurs noch keine Indizien für einen Umschwung der Rationalitätsfiktionen vom umweltfreundlichen zum krebs­ erregenden Diesel-Pkw. In diesem Jahr hing der steigende Absatz schadstoff­ armer Autos sogar eng mit der Beliebtheit der Dieselwagen zusammen. Nachdem der Anteil der schadstoffarmen Pkw bis Sommer 1985 relativ ge­ ring gewesen war, nahm ihre Zahl zwischen August und September stark zu, insbesondere weil die bereits verkauften Diesel-Pkw in die Kategorie schad­ stoffarm umgeschrieben wurden 50s Erst im Herbst 1986 erreichte der Absatz der schadstoffarmen Benzin­ Pkw bei den Neuzulassungen den Anteil der schadstoffarmen Diesel-Pkw 509 Ein Grund hierfür lag in der geänderten Einstellung der Händler zum Kataly­ satorauto. Das Angebot von Benzin-Pkw mit Katalysator wuchs und die Zahl der Ottomotoren mit Katalysator verdreifachte sich überdies, wohingegen die Zahl der Dieselmotoren stagnierte. Die Kritikpunkte an den Kat-Autos nah­ men gegen Mitte der 1980er Jahre nicht nur ab, sondern auch die Automobil­ hersteller richteten ihre Angebotspalette verstärkt auf diese Wagen aus. Noch aber entschieden sich die Käufer für Dieselautos. Im ersten Quartal 1986 stellten sie beinahe 30 Prozent der Neuzulassungen. Damit war für Auto Mo­ tor und Sport klar, die Dieselautos hatten sich in der Gunst der Konsumenten endgültig etabliert 510 Deren Abgasemissionen sahen Medien und Öffentlichkeit jedoch zuse­ hends kritischer. Im September 1986 widmete sich die ADAC Motorwelt er­ neut dem Diesel-Pkw diesbezüglich. Da mittlerweile die Halter der Benzin­ Pkw verstärkt bleifreien Ottokraftstoff tankten, gaben ihre Autos keine Blei­ partikel mehr an die Umwelt ab. Damit zeigte sich zu diesem Zeitpunkt bei den Partikelemissionen erstmals die Diskrepanz zwischen einem Otto- und einem Dieselmotor auch in Deutschland.511 Die im Vergleich zu den USA verspätet einsetzende Diskussion über die Krebsgefahr durch Dieselpartikel kann durchaus auf der wesentlich späteren Einführung von bleifreiem Benzin beruhen, schließlich kann erst um das Jahr 1986 in Deutschland überhaupt von einem signifikant höheren Partikelausstoß der Diesel gesprochen wer­ den. Auch die EG-Umweltminister wurden aktiv und wollten im November 1986 über einen im Mai vorgelegten Vorschlag zur Begrenzung eben dieser Rußemissionen bei Dieselfahrzeugen entscheiden. Für Pkw und leichte Nutz­ fahrzeuge bis 3,5 Tonnen sollte ein Limit von 1 ,3 g Partikel pro ECE-Testzy508 509 510 511

V gl. Westheide, Einführung, 88f. Vgl. ebd., 90. Vgl. Flammende Herzen, 19-44. Vgl. Goblirsch, Jetzt ist der Diesel follig, 44.

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klus für die Typprüfung gelten. Bei der Serienprüfung wäre sogar ein Parti­ kelausstoß bis 1,7 g erlaubt. Ursprünglich hatte die Bundesregierung ein Li­ mit von 0,6 g/Test für die Typ- wie auch die Serienprüfung gefordert. Später ging sie leicht davon ab und beharrte auf 0,6 g/Test bzw. 0,8 g/Test für Typ­ bzw. Serienprüfung. Allerdings wurde aufgrund von "technischen und wirt­ schaftlichen Gründen" von der EG-Kommission "gegenwärtig ein behutsa­ mes Vorgehen"512 als sinnvoll erachtet. Anfang 1987 diskutierten die EG­ Umweltminister schließlich über einen britischen Kompromissvorschlag, der einen Grenzwert von 1 , 1 g/Test bei der Typprüfung bzw. von 1 ,4 g/Test bei Serienprüfung vorsah. Nachdem Frankreich sich für ein Verbot von bleihalti­ gern Normalbenzin ausgesprochen hatte, rückte der Nachfolger von Bundes­ umweltminister Walter Wallmann, Klaus Töpfer, von seiner Forderung ab und stimmte für den britischen Kompromissvorschlag 513 Für den Gesamtausstoß der Partikelmasse hatten die unterschiedlichen Vorschläge erhebliche Konsequenzen. 1985 emittierten die 5,3 Millionen in Deutschland zugelassenen Dieselfahrzeuge gut 45.000 Tonnen Partikel pro Jahr. Bei einem prognostizierten Anstieg der Zahl der Dieselwagen auf 15 Millionen Einheiten würde der Partikelausstoß auf 107.000 Tonnen an­ schwellen. Die von der EG vorgeschlagenen Grenzwerte könnten den jährli­ chen Partikelausstoß auf 95.000 Tonnen reduzieren. Ging es nach dem deut­ schen Vorschlag, würden nach Meinung des ADAC die Partikelemissionen im Jahr 1995 sogar in etwa auf dem Niveau von 1985 stagnieren. Außerdem erreichten die EG-Grenzwerte bereits zwei Drittel der Dieselmotoren mit dem Stand der Technik von 1986. Im Unterschied zu der von der EPA prakti­ zierten Methode des technology jorcing schrieb die europäische Regelung lediglich den Stand der Technik im Gesetz fest und ihre Einhaltung war für die Industrie514 - wenn überhaupt - mit geringen Anstrengungen verbunden. Die Hersteller VW, Opel, Daimler-Benz und BMW äußerten sich daher zu­ frieden über den geplanten Partikelgrenzwert 515 Da nach den Angaben des Umweltbundesamtes 1,7 g Partikel im ECE­ Test dem in den USA gültigen Limit von 0,6 glMeile und 0,6 g im ECE-Test dem für 1987 geplanten US-Partikellimit von 0,2 glMeile entsprachen, wollte die Bundesregierung den 1 987er US-Partikelgrenzwert übernehmen, die EG aber den alten US-Wert im Jahr 1988 in Europa einführen. Letztlich änderten aber beide Grenzwerte, so das kritische Fazit des ADAC, nichts an der steu­ erlichen Förderung der Diesel-Pkw, obwohl eigentlich die Kat-Autos "die

5 1 2 Ebd., 47. 5 1 3 Vgl. Feilschen um EG-Diesel, 6. 514 Bereits 1987 hielten zwei Drittel aller Diesel den Grenzwert ein. Vgl. Feilschen um EG­ Diesel, 6. 5 1 5 Vgl. Goblirsch, Jetzt ist der Diesel follig, 44-47; Unendliche Geschichte, 59.

3.4 Die Abgasernissionen des Diesel-Pkw

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wirklich sauberen"516 seien 517 Für manche ADAC-Mitglieder war die Ent­ wicklung "über die angebliche Umweltfreundlichkeit der Dieselfahrzeuge"518 ein regelrechter Skandal. In ihren Augen waren deren Emissionen krebserre­ gend 519 Heinrich Sauer von Auto Motor und Sport sah die Krebsgefahr im Jahr 1986 nicht genauso kritisch, brachte aber ähnliche Argumente zu den Diesel-Pkw ins Spiel. "Ihre Umweltfreundlichkeit ist damit sozusagen amtlich"52o, so Sauer, auch wenn die allgemeine Öffentlichkeit wegen der qualmenden und stinkenden Dieselabgase anders urteilte 521 Wie zuvor in den USA Anfang der 1980er Jahre wirkte sich nicht so sehr der offizielle Grenzwert verheerend auf den Absatz der Diesel-Pkw aus, vielmehr schreck­ ten die mit Dieselpartikeln assoziierten Gesundheitsrisiken vom Kauf ab. Eine eindeutige Position zur Dieseltechnologie bezog Peter Hofbauer von VW in einem in Auto Motor und Sport abgedruckten Interview. Er er­ klärte, Dieselmotoren seien " von Haus aus erfreulich schadstoffarm. "522 Le­ diglich ihre Rußemissionen sah er als etwas problematisch an, doch auch hier boten sich mehrere technische Lösungen an. Hofbauer plädierte für eine in­ nermotorische Verbrennungsoptimierung und lehnte den Partikelfilter ab, weil der ohnehin nicht benötigt werde, um die EG-Grenzwerte einzuhalten. Nachdruck verlieh er seinem Plädoyer gegen den Rußfilter mit dem Hinweis auf den Regenerationsvorgang, den er als Sicherheitsrisiko beschrieb. Hof­ bauer schilderte Tests, bei denen der angelagerte Ruß mit einer solchen Wucht abbrannte, sodass erst der Auspuff verglühte, dann das Auto in Brand gesetzt wurde und sich schließlich sogar der Asphalt entzündete. Selbst ein Additiv, das ein kontrolliertes Rußabbrennen garantierte, war problembehaftet. Das von VW verwendete Schwermetall Manganlauge werde - so Hofbauer wohl Widerstand nach sich ziehen, obwohl es seiner Meinung nach eigentlich "harmlos"523 sei.524 Wesentlich skeptischer äußerten sich andere Experten zu den Additiven, weil diese nicht verbrannten, ohne dabei Rückstände zu hin­ terlassen und "damit - gesamtökologisch betrachtet - nicht ganz unbedenk­ lich" 525 waren. Folglich galt der einst hochgehandelte Rußpartikelfilter 1986 entweder als Sicherheits- oder als Umweltrisiko, wodurch die innermotori­ schen Verbesserungen klar vorzuziehen waren. 5 1 6 Goblirsch, Jetzt ist der Diesel follig, 50. 517 Vgl. ebd., 47-50. Daimler-Benz hatte der Ansicht, man könne vom amerikanischen auf das europäische Testverfahren umrechnen, zuvor widersprochen. Sowohl Volkswagen als auch das Umweltbundesamt sahen das anders. V gl. ebd., 47. 5 1 8 Jetzt ist der Diesel follig. Leserbriefe, 145. 5 1 9 Vgl. ebd., 145. 520 Sauer, Aussichten, 36. 521 Vgl. ebd. 522 Peter Hofbauer zit. n.: Hätten Sie's gewußt, Herr Diesel, 27. 523 Peter Hofbauer zit. n.: ebd., 28. 524 Vgl. ebd., 27f. 525 Banholzer, Bildung, 35. Hervorhebung iru Original, C.N.

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3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

Die Kritik an den Partikelemissionen riss keineswegs ab. Als Befürwor­ ter der Pkw-Dieseltechnologie traten weiterhin freilich die Hersteller auf, Au­ tomobilzeitschriften zeigten sich ambivalent und der ADAC favorisierte ein­ deutig den Katalysator. Einen ähnlichen Ton stimmte der Spiegel an. Für die Wochenzeitschrift war es kurios, dass Dieselautos trotz ihrer krebserzeugen­ den Abgase steuerlich begünstigt und offiziell als umweltfreundlich einge­ stuft wurden. Der Spiegel berief sich auf ein Hearing im Umweltbundesamt, welches zeigte, dass es bei Langzeitversuchen mit Ratten zur Tumorbildung im Atemtrakt und Lungenbereich kam. In einem Vermerk für Bundesumwelt­ minister Walter Wallmann war notiert worden, so der Spiegel, es sei "grund­ sätzlich [ . . . ] mit einem krebserzeugenden Potential auch für den Menschen zu rechnen. "526 Später wurde, wie im Folgenden gezeigt wird, diese Aussage dem Präsidenten des UBA, Heinrich von Lersner, zugerechnet. Der Ansicht des UBA schien sich Wallmann jedoch nicht im vollen Um­ fang anzuschließen, wie ein weiterer Artikel im Spiegel belegt. Wallmann wurde im Winter 1986 mit dem "Wahrheitsminister" aus dem Roman 1984 von George Orwell verglichen, weil er das Umweltbundesamt bedrängt ha­ ben soll, von der Aussage, Dieselabgase seien "stark krebsverdächtig"527, ab­ zurücken. Nach Darstellung des Spiegels sei es zu einer Unterredung zwi­ schen Wallmann und dem Biologen Armin HaBe vom Berliner Umweltbun­ desamt gekommen. Daraufhin habe das UBA eine vom UBA-Präsidenten unterzeichnete Pressemitteilung veröffentlicht, die sowohl vom Dieselabgas ausgehende Gesundheitsrisiken als auch Differenzen zwischen dem Umwelt­ bundesamt und dem Bundesumweltminister bestritt. In einem internen Schreiben des UBA-Präsidenten an Minister Wallmann vom 5. November 1986 habe es zunächst geheißen: "Auf der Grundlage der tierexperimentellen Inhalationsstudien ist grundsätzlich mit einem krebserzeugenden Potential von Dieselabgas auch für den Menschen zu rechnen. "528 Nach der Unterre­ dung zwischen HaBe und Wallmann sei dann folgende von von Lersner un­ terzeichnete Pressemitteilung zustande gekommen: Befunde über eine tatsächliche Gesundheitsgefährdung des Menschen liegen nicht vor. Insbesondere liegen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Wirkung der im Straßenverkehr üblichen, wesentlich geringeren Partikelkonzentrationen vor. 529

Damit widersprach der UBA-Präsident also seinem eigenen sechs Wochen zurückliegendem Schreiben an den Umweltminister, welches das karzino­ gene Potenzial von Dieselabgas hervorhob. Seine ursprüngliche Aussage re­ sultierte aus den gemeinsamen wissenschaftlichen Erkenntnissen des Um­ weltbundesamtes, des Fraunhofer Instituts in Hannover, des Battelle Instituts

526 527 528 529

Ruß mit Rabatt, 120. Diesel. Krebs aus dem Auspuff, 19. Ebd. Umweltbundesamt, Wirkung, 212.

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in Genf und des Medizinischen Instituts für Umwelthygiene in Düsseldorf, die bei einem Treffen in Berlin am 3 . November 1986 ausgetauscht worden waren. Aufgrund der positiven Tierversuche mit Ratten und Mäusen standen Dieselabgase im Verdacht, krebserregend zu sein. Für Minister Wallmann war das insofern kritisch, weil die Dieselautos einerseits - aufgrund der nach­ sichtigeren EG-Abgasgrenzwerte - weiterhin steuerlich gefördert werden mussten und andererseits "amtlich als krebserzeugend gebrandmarkt"530 wurden. Schon am 3 . Dezember 1986 hatte Wallmann gesagt, es gebe "keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse" zur Krebsgefahr von Dieselab­ gas. Aufgrund der herrschenden Unstimmigkeiten, die vom mittlerweile öf­ fentlich gewordenen internen Schreiben hervorgerufen wurden, sollte die nun diktierte Pressemitteilung Klarheit über die Angelegenheit bringen.531 Trotz der öffentlichen Debatte über die krebsauslösende Wirkung der Dieselpartikel wurde in Deutschland eine Einigung über die Beurteilung der Gesundheitsrisiken nicht in einer offenen und von Konflikten geprägten Dis­ kussion erzielt. Vielmehr zeigt die Einflussnahme des Bundesumweltminis­ ters, wie unterschiedliche Akteure über informelle Verhandlungen eine kon­ sensuelle Beurteilung der Krebsrisiken erreichten. Gleichwohl gab es erste Anzeichen, dass sich an der Einstufung der Diesel etwas ändern könnte. Ein Wandel bei den Rationalitätsfiktionen vollzog sich aber nicht. Noch domi­ nierte die Vorstellung, dass Diesel-Pkw umweltfreundlich wären.

Verhärtung der Fronten auf dem Höhepunkt der Krebsrisikodebatte, 1987/88 Trotz der aufkeimenden Debatte über die Krebsgefahr der Partikelemissionen schien den Automobilzeitschriften zum Jahresbeginn 1987 ein Absatzein­ bruch bei den Dieselautos fern. So konstatierte Auto Motor und Sport, dass der Dieselanteil sich der 30 Prozentmarke annäherte und bei einigen Modell­ reihen die Diesel sogar wesentlich beliebter seien als die Modelle mit Otto­ motor 532 Obwohl der ADAC zu diesem Zeitpunkt die Einführung eines Par­ tikelgrenzwerts befürwortete, brach er eine Lanze für das Dieselauto und plä­ dierte für die Einführung eines Lkw-Partikelgrenzwerts. Grundlage für diese Argumentation war, dass von den jährlich verbrauchten 17,5 Milliarden Liter Dieselöl nur 4,1 Milliarden Liter von den Pkw benötigt wurden. Der große Rest entfiel auf die Lkw 533 Bereits 1986 hatte Auto Motor und Sport ähnli­ che, das Dieselauto entlastende, Argumente ins Feld geführt. Der Journalist Heinrich Sauer schrieb, dass die direkteinspritzenden Dieselmotoren in Nutz530 531 532 533

Diesel. Krebs aus dem Auspuff, 20. Vgl. ebd., 19ff.; Umweltbundesamt, Wirkung, 212. Vgl. Leicht, So klein und schon vernagelt, 34-39. Vgl. Umweltjahr, 3.

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fahrzeugen eine wesentlich größere Partikelanzahl emittierten als die Diesel­ Pkw. Außerdem fielen im Straßenverkehr rußende Diesel-Pkw weitaus mehr auf als die Masse der rauchfreien Dieselautos, die sich oftmals unbemerkt im Verkehr fortbewegten; dadurch verbesserten sie aber auch nicht das Diesel­ Image.534 Die öffentliche Kritik an den Dieselabgasen hielt dies freilich nicht mehr auf, zumal sich weitere gegen Dieselabgase und Diesel-Pkw gerichtete Be­ stimmungen abzeichneten. Nachdem Tierversuche mit Ratten und Mäusen positiv verlaufen waren, untersuchte die Senatskommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe (MAK-Kommission), ob Dieselabgas auf die MAK-Werte-Liste gesetzt und damit eine maximale Arbeitsplatzkonzentration für Dieselabgas eingeführt werden sollte. Obgleich ein endgültiger Beweis für das vom Dieselabgas aus­ gehende Krebsrisiko weiterhin ausblieb, empfahlen Wissenschaftler jetzt, nach dem Vorsorgeprinzip zu verfahren und die Rußpartikel zu begrenzen 535 Die Medien - selbst die Automobilzeitschriften - nahmen diese Ergebnisse in ihre Berichterstattung auf. Nach Sauers Meinung von Auto Motor und Sport stellte Dieselabgas sogar "ein rechtes Rattengift"536 dar. Insgesamt zeigte sich Sauer 1987 weitaus kritischer als noch im Vorjahr. Für ihn war die Klassifizierung des Dieselmotors als umweltfreundlich eine Folge "der Steinzeit des europäischen Umweltbewußtseins"537 gegenüber dem amerikanischen. Durch die Forschungsergebnisse und deren Verbreitung über die Medien wurde die öffentliche Debatte in der Bundesrepublik, ob die Dieselmotoren tatsächlich als umweltfreundlich bezeichnet werden durften, weiter angeheizt. Sauer plädierte dafür, vorsichtig zu sein, wie es die EPA seit Längerem praktizierte. Wenn in den USA der Dieselanteil ähnlich steil wie in Europa angestiegen wäre, dann wäre das Dieselauto, so das Urteil von Sauer, dort wohl längst verboten worden, weil man die Gesundheitsrisiken einfach nicht hätte abschätzen können 538 Allerdings galten Diesel-Pkw - gemessen nach den europäischen Grenz­ werten - als "umweltfreundlich" und konnten folglich nicht als "krebserre­ gend" gebrandmarkt werden. Die Krebsproblematik blieb aber gleichwohl im öffentlichen Diskurs präsent. Um nun eine drohende Stigmatisierung der Diesel abzuwenden, betonte Töpfer, die Dieselfahrer müssten kein schlechtes Gewissen haben, weil der Diesel möglicherweise gesundheitsgefahrdend sei. Diese Aussage untermauerte Töpfer, indem er selbst einen Diesel fuhr. Zu­ gleich versuchte er, den Ergebnissen der Tierversuche ihre Gültigkeit abzu­ sprechen. Er verwies darauf, dass bei den durchgeführten Tierversuchen die 534 535 536 537 538

Vgl. Sauer, Aussichten, 36f. V gl. Goblirsch, Krebs, 72. Sauer, Gewähr, 65. Ebd., 60. Vgl. ebd., 60-70.

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Dieselkonzentration 1 .000-mal höher als im Straßenverkehr üblich gewesen seP39 Die von Töpfer genannten Zahlen sind mit hoher Wahrscheinlichkeit - wie noch gezeigt wird - Vertretern der Automobilindustrie und ihren Inter­ essensvertretern zuzurechnen. Die Krebsdebatte hielt Töpfers Stellungnahme aber nicht mehr auf. Die Automobilzeitschriften informierten ihre Leser in regelmäßigen Abständen über die Auseinandersetzung zwischen den Gegnern und Befürwortern der Dieseltechnologie sowie darüber, welche der beiden Seiten die Oberhand im öffentlichen Diskurs hatte. Im Jahr 1988 dominierte endgültig die Rationali­ tätsfiktion, Dieselabgase seien krebserregend. Infolgedessen wurde Töpfer auch seine Aussage aus dem Vorjahr angekreidet, weil er demnach das Krebs­ problem nicht ernst genug genommen und deswegen nicht hart um die Ein­ führung von strengen Partikelgrenzwerten in Europa gerungen habe 540 Auf der einen Seite vermutete der Sachverständigenrat für Umweltfragen, vom Dieselabgas gehe eine "krebsauslösende Wirkung"541 aus. Der Mercedes­ Chef Werner Niefer widersprach dem und bezeichnete die Dieselkritiker als "Saboteure gegen den Diesel" 542 Es war zwar noch offen, welcher Seite sich die Bundesregierung anschloss, doch gab es bereits Anzeichen, dass der Bun­ desumweltminister beabsichtigte, sich für die Ansicht des Sachverständigen­ rats zu entscheiden. In einem Interview verwies Umweltminister Töpfer auf Tierversuche, die die krebsauslösende Wirkung der Dieselpartikel bestätigt hätten. Infolgedessen plädierte er nun dafür, den Partikelausstoß aus "Vor­ sorgegründen"543 zu minimieren. Im Zuge der Positionierung auf der Seite der "Dieselgegner" war geplant, die Steuerbegünstigung für den schadstoff­ armen Diesel-Pkw zum 1 . Oktober 1988 aufzuheben. Das hatte Auswirkun­ gen auf die Wirtschaftlichkeitsrechnung. Umweltpolitik wurde also wie bei der Einführung des Kat-Autos erneut über monetäre Anreize gesteuert 544 Infolge der finanziellen Verunsicherung und der anhaltenden Stigmatisie­ rung der Diesel als "krebserregend" brach der Dieselabsatz bereits vom IV. Quartal 1986 auf das 1. Quartal 1987 ein. Der negative Trend hielt bis 1989 an. Da die Debatte über die Karzinogenität der Dieselabgase emotional hoch­ gekocht war, plädierte der Leiter des Personenwagenversuchs bei Daimler­ Benz, Wolfgang Peter, dafür, sie zu versachlichen. Auch betonte er, es gebe durchaus noch Potenzial, die Rußemissionen selbst ohne Rußfilter zu redu­ zieren. Nach den Angaben des Herstellers Mercedes-Benz, die sich im Kern mit den Aussagen des VW-Entwicklungschefs, Ulrich Seiffert, deckten, gab es zwei Lösungsmöglichkeiten, einen "umweltfreundlichen" Diesel-Pkw auf 539 540 541 542 543 544

Vgl. Ich bin ein bekennender Techniker, 168f. Vgl. Irnmer urnstritten, 121-124. Luckner, Rauch, 3. Wemer Niefer zit. n.: ebd. Klaus Töpfer zit. n. BeckeriOstrnann, Angst, 32. Vgl. Luchner, Rauch, 3.

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den Markt zu bringen: innermotorische Verbesserungen oder der besagte Rußpartikelfilter. 545 Auch den Verband der Automobilindustrie veranlasste die anhaltende öf­ fentliche Diskussion über die Krebsgefahr der Dieselabgase und der Absatz­ einbruch, die aus seiner Sicht für den Absatzeinbruch relevanten Gründe dar­ zulegen und zu entkräften. Der Verband versuchte den Argumenten, welche den Diesel als "nicht umweltfreundlich" darstellten, ihre Gültigkeit abzu­ sprechen. Nach Darstellung des VDA waren vor allem zwei Entwicklungen dafür verantwortlich, dass sich die Dieselautos vom "schadstoffarmen" Auto zum "Schadstoffsünder" entwickelt hatten. Zunächst verwies der Verband auf die Aufnahme der Dieselabgase in die MAK-Liste im Jahr 1987. Mit die­ sem Schritt war eine maximale Arbeitsplatzkonzentration definiert worden und Dieselabgase galten von da an als gesundheitsgefahrdend. Als Zweites verstärkte das Smog-Fahrverbot für Dieselpersonenwagen zusätzlich das ne­ gative Image. Um seine Sichtweise der Dinge darzulegen, veröffentlichte der VDA die Broschüre Dieselabgase - Eine Gefahr für den Menschen? Dort wurden die Zusammensetzung der Abgase, die Forschungsergebnisse zu ih­ ren gesundheitlichen Risiken, die Aufnahme in die MAK-Liste und das Smog-Fahrverbot diskutiert 546 Dabei dekonstruierte der VDA gezielt die Ar­ gumente und wissenschaftlichen Befunde der Gegenseite, um im öffentlichen Diskurs die Deutungshoheit zurückzugewinnen. Die Broschüre versuchte insbesondere, die in den Printmedien rezipier­ ten Ergebnisse der Tierversuche zu entkräften bzw. abzuschwächen. Die Ver­ suche mit Hamstern, Mäusen und Meerschweinchen in den USA und Europa hätten, so der VDA, seit ca. 1978 keine Beweise für die Krebsgefahr gelie­ fert, obwohl dramatisch höhere Abgaskonzentrationen als im Straßenverkehr üblich verwendet worden waren. Erst als Versuche mit einer bestimmten Rat­ tenart, und hier vor allem bei den weiblichen Tieren, durchgeführt wurden, bildete sich ab einer bestimmten Konzentration Lungenkrebs aus. Die ange­ setzte Partikelkonzentration musste mindestens 300-mal so hoch wie an stark befahrenen Straßen sein und auch an fünf Tagen der Woche jeweils 1 6 Stun­ den über beinahe die ganze Lebenszeit der Tiere einwirken, damit erste Zei­ chen für Krebs erkennbar waren. Wurde der gleiche Versuch dagegen mit ei­ ner 100- bis 200-fachen Konzentration durchgeführt, hätten die Tiere dage­ gen nicht reagiert. Generell kritisierte der VDA, dass sich eine überhöhte Tumorrate ohnehin erst bei einer mehr als l .OOO-fachen Konzentration ge­ zeigt hätte. Unter reellen Bedingungen, wie sie im Straßenverkehr vorgefun­ den wurden, habe dagegen keines der Tiere eine überhöhte Tumorrate ge­ zeigt. Infolgedessen konnten nach Ansicht des VDA aufgrund der wider-

545 V gl. BeckeriOstrnann, Angst, 32. 546 Vgl. Verband der Automobilindustrie, Dieselabgase, 5.

3.4 Die Abgasernissionen des Diesel-Pkw

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sprüchlichen Ergebnisse keine endgültigen Aussagen zur Karzinogenität der Dieselabgase getroffen werden. 547 Im öffentlichen Diskurs betonten insbesondere die drei Akteure VDA, Daimler-Benz und der Leiter des Fraunhofer Instituts für Toxikologie und Aerosolforschung in Hannover, Werner Stöber, dass es kein oder lediglich ein vernachlässigbares von den Partikelemissionen ausgehendes Krebsrisiko gebe. Die Zeitschrift Automobil Revue zitierte Stöber sogar mit der Aussage, dass die öffentlich diskutierten Forschungsergebnisse und seine eigenen Un­ tersuchungen gezeigt hatten, "dass ,die epidemiologischen Studien praktisch durchweg mit der Annahme vereinbar sind, dass das wahre Risiko durch Die­ selabgase Null ist'" 548 Anders beurteilte demgegenüber die Arbeitsgruppe Immissionswirkungen auf den Menschen unter Leitung von Hans-Werner Schlipköter in Düsseldorf die Forschungsresultate der Tierversuche mit Rat­ ten. Ihrer Ansicht nach sei bewiesen worden, dass Dieselabgase durchaus ein krebserregendes Potenzial besitzen würden.549 Der VDA hielt in seiner Bro­ schüre dagegen, dass die Arbeitsgruppe in ihrem Gutachten Zur Frage der krebserzeugenden Wirkung von Dieselmotorabgasen vom April 1987 metho­ dische Fehler gemacht habe. Aus dem Grund erkannte der VDA die dort prä­ sentierten Resultate nicht an. Zur Untermauerung seiner Position berief sich der VDA ferner auf die zuvor erwähnte Pressemitteilung des Umweltbundes­ amtes vom Dezember 1986, die den Dieselmotor vom Stigma des Krebserre­ gers freigesprochen hatte 550 Wie die Mitteilung unter Einflussnahme Wall­ manns zustande gekommen war, wurde jedoch nicht thematisiert. Entscheidend war nun im Jahr 1988, dass sich der Umweltminister in seiner Entscheidungsfindung unter anderem auf die Interpretation der Ar­ beitsgruppe um Schlipköter stützte und gegen Dieselfahrzeuge vorging, wie z.B mit dem Smog-Fahrverbot, das für Diesel - unabhängig von ihren Abga­ semissionen - galt. Das wurde in einem Musterentwurf im Dezember 1987 verabschiedet. Auch hatte die Umweltministerkonferenz im Dezember 1987 die Empfehlung ausgesprochen, dass die öffentliche Hand Diesel-Pkw nur noch in AusnahmeHillen anschaffen solle. Von der Empfehlung waren selbst die nach amerikanischer Abgasgesetzgebung zugelassenen Dieselautos nicht ausgenommen 551 Der VDA und die Automobilhersteller hatten somit im Jahr 1988 endgültig die Deutungshoheit im öffentlichen Diskurs eingebüßt und fortan hafteten den Dieselabgasen die Rationalitätsfiktionen, krebserregend zu sein, an.

547 548 549 550 551

Vgl. ebd., 9-13. Wemer Stäber zit. n.: Hänscheidt, Deutschlands, 13. Vgl. ebd. V gl. Verband der Automobilindustrie, Dieselabgase, 18. Vgl. Hänscheidt, Deutschlands, 13; Verband der Automobilindustrie, Dieselabgase, 19.

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3. Aufstieg und Fall der Dieselautos, 1974-1989

Weitere Maßnahmen der Politik folgten, die Auto Motor und Sport als "Antidiesel-Strategie"552 klassifizierte, wie die geplante Anhebung der Kfz­ Steuer bei den Diesel-Pkw. Zeitgleich sollte Dieselkraftstoff im Gegensatz zu Ottokraftstoff von der Erhöhung der Mineralölsteuer nicht betroffen sein, doch an der Kritik änderte das nichts 553 Letztlich trug die Kombination von Stigmatisierung der Dieselabgase als krebserregend und die veränderte Kos­ tenkalkulation zum Absatzeinbruch der Diesel beP54 Ausgelöst worden war der Absturz bei den Neuzulassungszahlen jedoch von der Krebsdiskussion. Wie sich die Fronten verhärtet hatten, zeigte sich ebenfalls an der Art der Argumentation. Die Automobilindustrie machte die öffentliche Debatte über die Rußpartikel, die vom Umweltbundesamt und Bundesumweltminister ini­ tiiert worden war, direkt für den Absatzeinbruch verantwortlich. Aus der Per­ spektive des Vorstandes vom TÜV-Rheinland, Albert Kuhlmann, erschien die Stigmatisierung durchaus gerechtfertigt, denn der Diesel sei eine "echte Ge­ fahr für die Gesundheit" 555 Im Gegensatz dazu interpretierte der VDA das als "unverantwortliche Panikmache" 556 Die Konsumenten klassifizierten die Diesel-Pkw aber im Zuge der öf­ fentlichen Debatte als Krebsauslöser, obgleich sie die offiziellen EG-Grenz­ werte einhielten. Die Entwicklung in der Bundesrepublik zwischen 1987 und 1989 weist somit durchaus Parallelen zum Absatzeinbruch in den USA zu Beginn der Dekade auf. Die Hersteller selbst wollten den Partikelausstoß der Dieselwagen senken, da sie hofften, dies könne das Interesse der Konsumen­ ten am Diesel-Pkw erneut entfachen. Der vieldiskutierte Rußfilter war dabei jedoch lediglich eine von mehreren Lösungsstrategien. Neben dem Partikel­ filter testete Volkswagen mit den elektrostatischen Rußweichen und dem Ka­ talysator zwei weitere technische Lösungen. Mercedes-Benz arbeitete dage­ gen an der Maßnahme D '89. Hierbei handelte es sich um motortechnische Maßnahmen, wie eine Optimierung der Vorkammer, die Verwendung modifi­ zierter Einspritzdüsen mit elektronischer Leerlaufregelung sowie eine auto­ matische Höhenanpassung. Laut Herstellerangaben sanken dadurch die Par­ tikelemissionen um ca. 40 Prozent. Die neuen Diesel sollten im Februar 1989 vorgestellt werden. Derweil überlegte Klaus Töpfer, ob in Deutschland pro­ duzierte Pkw nur noch mit einem Dreiwege-Katalysator ausgestattet werden durften. Der Diesel als veritable Option blieb zunächst außen vor.557 552 BeckeriOstmann, Angst, 27. 553 Vgl. ebd., 27f. Ab Januar 1989 war für Dieselfahrzeuge ein Zuschlag von 8,40 DM pro 100 cm3 Hubraum geplant. Gleichzeitig wurde beim Dieselkraftstoff die Mineraläl­ steuer beibehalten und für Ottokraftstoffe dagegen angehoben. V gl. Hänscheidt, Deutschlands, 13; Steuerzuschlag und Rußgrenzen, 8. 554 Vgl. Zapfenstreich, 142f. Beim Golf D brach der Absatz in nur zwei Jahren um 58,5 Prozent und beim Mercedes 190 D um 52,8 Prozent ein. Vgl. ebd. 555 Albert Kuhlmann zit. n.: Wießmann, Nagelprobe, 22. 556 Verband der Automobilindustrie zit. n.: ebd. 557 V gl. BeckeriOstmann, Angst, 28. Für eine ähnliche Argumentation vgl. Hänscheidt,

DIE RÜCKKEHR DER DIESELAUTOS IN DEUTSCHLAND UND IHR SCHATTENDASEIN IN DEN USA, 1 989-2005 4.

4.1 PARTIKEL, KREBS UND NEUE SAUBERE DIESELAUTOS Krebs durch Partikelemissionen Die Partikel- und Krebsdiskussion über Dieselabgase endete keineswegs mit dem Jahr 1988, sondern setzte sich bis in die frühen 1 990er Jahre fort. Die Trivialisierung der wissenschaftlichen Ergebnisse im öffentlichen Diskurs nutzten die Konsumenten, um zu beurteilen, was "gut" oder was "schlecht" an den Dieselautos war. So war es ihnen möglich, eine Entscheidung für oder gegen den Kauf eines Diesel-Pkw zu treffen. Noch bis 1986 hatten die domi­ nierenden Rationalitätsfiktionen besagt, Dieselautos seien umweltfreundlich. Als Grundlage für diese Kategorisierung dienten der niedrige Kohlenwasser­ stoff- und Kohlenmonoxidausstoß. 1987/88 veränderte sich der öffentliche Diskurs. Der Schadstoff Rußpartikel, der bis dahin in Deutschland nur gele­ gentlich angesprochen worden war, gewann an Bedeutung und wurde schließ­ lich allgegenwärtig in der Berichterstattung über Dieselautos. Die Zeitschrif­ tenartikel thematisierten, dass Diesel wesentlich mehr Partikel als Benzin­ Pkw mit Katalysator emittierten und Wissenschaftler diese Emissionsart zu­ dem noch als krebserregend einstuften. Infolgedessen war es wichtig, dass ein umweltfreundliches Auto nicht nur wenig HC- und CO-Emissionen an die Umwelt abgab, sondern auch wenige Partikel emittierte. 1987/88 verlo­ ren daraufhin die Rationalitätsfiktionen vom umweltfreundlichen Diesel ihre Gültigkeit - selbst wenn sie die EG- oder sogar die strengeren US-Partikel­ grenzwerte einhielten. Dieselautos und ihre Abgasemissionen galten als aku­ tes Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung. Diese Sichtweise dominierte auch 1989 und überlagerte noch immer die Rationalitätsfiktionen vom umwelt­ freundlichen Diesel. Die öffentliche Auseinandersetzung, ob Dieselabgase Krebs erzeugten, hielt gleichwohl an. Die Dieselhersteller versuchten dage­ gen, den Diesel-Pkw erneut als Synonym eines umweltfreundlichen Autos zu etablieren. Im öffentlichen Diskurs traten ab 1989 insbesondere die Automobilindu­ strie auf der einen Seite und das Umweltbundesamt auf der anderen Seite als Deutschlands, 13.

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Die Rückkehr der Dieselautos, 1989-2005

Gegenspieler auf. In der Januarausgabe 1989 der ADAC Motorwelt äußerten die Hersteller ihren Unmut und betonten, dass eine Gleichsetzung der Parti­ kel mit "Killerstoffen" eine "unverantwortliche Panikmache"! darstelle. Dem stand die Haltung des Umweltbundesamtes entgegen, welches die von Die­ selpartikeln ausgehende Krebsgefahr hervorhob. Die Auseinandersetzung über die wissenschaftlichen Befunde drehte sich im Kern um die Frage der im Tierversuch verwendeten Partikelkonzentration. Die Automobilproduzen­ ten prangerten an, dass bei den Tierversuchen die Partikelkonzentration bis zu 1 .OOO-fach höher als im Straßenverkehr üblich gewesen sei. Wenn die Par­ tikelkonzentration nur beim lOO-fachen Wert gelegen habe, dann sei keine Tumorbildung festgestellt worden. Aus dieser Annahme wurde die Schluss­ folgerung gezogen, dass keine Befunde für die vom Dieselabgas ausgehende gesundheitliche GeHihrdung der Menschen vorliegen würden. Demgegen­ über vertrat das UBA die Ansicht, dass es bei Tierversuchen üblich sei mit wesentlich höheren Konzentrationen zu arbeiten, um bei einer kleinen An­ zahl an Tieren eine Reaktion feststellen zu können. In diesem Fall sei es nicht unüblich, dass die Konzentration bis zum 1 .000-fachen Wert über der norma­ len Belastung lag. Von irregulären Versuchsbedingungen könne daher nicht gesprochen werden. Als Konsequenz - so das UBA - stufte die MAK-Kom­ mission Dieselabgase im Tierversuch als "eindeutig krebserzeugend" ein. 2 Solch gegenläufige Interpretationen hinsichtlich der von den Dieselabga­ sen ausgehenden Gesundheitsrisiken finden sich auch in einer Pressemittei­ lung des Umweltbundesamtes und in einer offiziellen Verlautbarung des Her­ stellers Daimler-Benz. Nach Absprache mit Umweltminister Töpfer veröf­ fentlichte das UBA am 19. Januar 1989 eine Pressemitteilung, in der es hieß: "Dieselmotoremissionen haben sich im Tierversuch als krebserzeugend erwiesen. "3 Deswegen gelte, "daß die Partikelemissionen aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes so niedrig wie möglich gehalten werden sollten" 4 Die Mitteilung diente dazu, die Position der Bundesregierung und des Umweltbundesamtes klarzustellen, denn zuvor hatte der Vorstandsvorsit­ zende von Daimler-Benz, Edzard Reuter, argumentiert, es sei eine "ebenso leichtfertige wie sachlich unzutreffende Behauptung einiger Politiker"S ge­ wesen, welche das Dieselauto mit Krebs in Verbindung gebracht habe. Als Bürgen für seine These zog Reuter ebenfalls das Umweltbundesamt heran, welches angeblich keine vom Dieselabgas ausgehende Krebsgefahr sah. Die im vorangegangenen Kapitel angesprochene, unter Beeinflussung Wallmanns

1 2

3 4 5

Krebs durch Diesel, 32. Vgl. ebd. Weitere Artikel, welche die Situation der Diesel ebenfalls rekapitulierten und die Veränderungen der Jahre zuvor nachzeichneten, fanden sich 1989 in anderen Auto­ mobilzeitschriften. V gl. Linke, Abgastrübung, 53ff.; Röthig, Stinker, 32-37. Druck von außen, 201. Ebd. Edzard Reuter zit. n.: ebd.

4.1 Partikel, Krebs und neue saubere Dieselautos

1 83

entstandene Pressemitteilung des UBA-Präsidenten diente hierfür höchst­ wahrscheinlich noch immer als Grundlage 6 Neben Mercedes-Benz versuchten auch Volkswagen und Vertreter des Verbandes der Automobilindustrie durch dieselfreundliche Stellungnahmen, Informationsblätter und technische Demonstrationen, das positive Image der Dieselautos im Jahr 1989 neu zu beleben und die öffentliche Stimmung zu ihren Gunsten zum Kippen zu bringen. Ihre Argumente zielten darauf, die Rationalitätsfiktion vom umweltfreundlichen Diesel-Pkw zu rehabilitieren. In seinen Verlautbarungen argumentierte Mercedes-Benz insbesondere gegen die wissenschaftliche Expertise von Friedrich Pott vom Medizinischen Insti­ tut für Umwelthygiene an der Universität Düsseldorf, der in der Senatskom­ mission der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Prüfung gesundheits­ schädlicher Arbeitsstoffe maßgeblich daran beteiligt gewesen war, Dieselab­ gas als krebserregend zu klassifizieren. 1988 hatte Pott zusammen mit Uwe Heinrich, der am Fraunhofer Institut für Toxikologie und Aerosolforschung in Hannover arbeitete, in der Zeit­ schrift für die gesamte Hygiene und ihre Grenzgebiete seine Ergebnisse zur Krebsgefahr von Dieselabgas publiziert. Bei den von Pott und Heinrich durchgeführten Tests zeigte sich, dass Ratten Lungenkrebs ausbildeten, wenn sie Dieselabgase mit einer 50- bis 100-fach höheren Konzentration als bei "ungünstigen Umweltbedingungen" bzw. 10- bis 20-fachen Konzentration als bei "ungünstigen Arbeitsplatzbedingungen"7 üblichen eingeatmet hatten. Beide Forscher hielten fest, dass die Ruß masse dabei "als Maßstab für die krebserzeugende Potenz von Dieselmotorabgas"S gelten müsse 9 Dieser Sachverhalt ist von zentraler Bedeutung, weil nun nicht mehr die an Dieselpar­ tikel adsorbierten PAH-Verbindungen als krebserregend eingestuft wurden, sondern vielmehr der Rußkern selbst. In dem Artikel präsentierten Pott und Heinrich einen weiteren Beleg für die vom Dieselabgas ausgehende Krebsge­ fahr. Menschen, die beruflich in Kontakt mit Dieselabgas standen, bildeten nach einer Fall-Kontroll-Studie statistisch wesentlich häufiger Lungenkrebs aus als andere Personengruppen. Die Autoren vertraten daher die Ansicht, es set aus präventivmedizinischer Sicht [ . . . ] bei Art und Umfang der mit Dieselmotorabgas vorliegenden Versuchsergebnisse folgerichtig, einen qualitativen Analogieschluß von den Lungentumoren der Ratte auf die Lungenkrebsgefahrdung des Menschen zu zie­ hen. lO

Die Mercedes-Mitarbeiter widersprachen erwartungsgemäß diesem Zusam­ menhang zwischen Dieselabgas und Krebs. Sie stellten dabei die Ergebnisse 6 7 8 9 10

Vgl. ebd. PottlHeinrich, Erkenntnisse, 686. Ebd. Vgl. ebd. Ebd., 688.

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Die Rückkehr der Dieselautos, 1989-2005

der Wissenschaftler grundlegend infrage, denn die Forscher hätten "schlicht unwissenschaftlich"n gearbeitet - so der Vorwurf. Mit der Behauptung atta­ ckierten die Vertreter von Mercedes Friedrich Pott direkt. Zur Untermaue­ rung ihrer grundsätzlichen Kritik an den Befunden Potts wiederholte die Au­ tomobilindustrie in Broschüren und Stellungnahmen stets ihre drei Kernargu­ mente. Erstens seien Tierversuche an Ratten nicht aussagekräftig und nicht auf den Menschen übertragbar. Auch habe sich bei den beiden anderen Ver­ suchstieren Mäusen und Hamstern kein Krebs gebildet. Die Ratten seien zweitens sehr lange und mit einer sehr hohen Konzentration von Dieselabgas in Kontakt gewesen. Drittens gebe es keine Belege dafür, dass Menschen, welche oft in Kontakt mit Dieselabgas standen, häufiger als andere Menschen an Lungenkrebs erkranken würden 12 Herausgefordert von den Unterstellungen der Hersteller, bezog Pott in der öffentlichen Debatte nun ebenfalls klar Position und bekräftigte seine Thesen, indem er die Validität seiner Forschungsergebnisse herausstrich. Zu­ nächst sei in Inhalationsversuchen an fünf unterschiedlichen Einrichtungen in vier Ländern an zwei verschiedenen Rattenstämmen Krebs nachgewiesen geworden, weshalb er keinesfalls eine Außenseiterposition vertrete. Viele Wissenschaftler im In- und Ausland teilten im Kern seine Interpretation der wissenschaftlichen Ergebnisse. Alle deutschen Fachgremien und Bundesäm­ ter stuften Dieselabgase als krebserregend ein. Im Juni 1988 äußerte eine Gruppe von Experten am internationalen Krebsforschungsinstitut in Lyon, dass Dieselabgase "wahrscheinlich für den Menschen krebserzeugend"13 seien. Im August 1988 schloss sich in den USA das National Institute for Oc­ cupational Safety and Health dieser Meinung an. Zweitens habe sich in zwei Versuchsreihen mit Mäusen ebenfalls eine erhöhte Lungentumorrate gezeigt. Die Konzentration sei drittens nicht wie vom VDA behauptet 300-mal so hoch wie normal gelegen, sondern lediglich zehnmal so hoch wie an einem stark belasteten Arbeitsplatz bzw. weniger als 100-mal so hoch wie an einer viel befahrenen Straße gewesen. Überdies sei eine Überdosierung an 50 bis 100 Versuchstieren üblich, um überhaupt ein Tumorrisiko von weniger als einem Prozent nachweisen zu können. Nach den Ergebnissen müsse - so Pott - das Lungenkrebsrisiko von Dieselabgas an viel befahrenen Straßen bei eins zu 1 .000 bzw. 10.000 angesetzt werden. Demnach würde einer von 1 .000 Anwohnern an einer solchen Straße Lungenkrebs bekommen 14 Beide Seiten beriefen sich also auf die gleichen wissenschaftlichen Un­ tersuchungen, interpretierten deren Aussagen aber diametral gegenläufig. Zu­ nächst behielt im Jahr 1989 die kritische Einstufung der Dieselabgase um Pott und Heinrich im öffentlichen Diskurs die Deutungshoheit, zumal sich 11 12 13 14

Druck von außen, 202. Vgl. ebd., 20U. Ebd., 202. Vgl. ebd.

4.1 Partikel, Krebs und neue saubere Dieselautos

1 85

das UBA dieser Argumentation anschloss. Für das UBA waren bei den Tests keine Abweichungen vom wissenschaftlichen Standard zu erkennen, wohin­ gegen die Automobilindustrie der Methodik der Wissenschaftler weiterhin die Legitimität absprach. Im Prinzip drehte sich die Auseinandersetzung auch 1989 um die Rußpar­ tikel und das von ihnen ausgehende Krebsrisiko. Unklar blieb dabei aller­ dings, welchen Anteil die Diesel-Pkw an den gesamten Partikelemissionen im Bundesgebiet hatten. Zur Klärung des Sachverhalts schickte der ADAC drei Dieselwagen, einen VW Golf D, einen Mercedes-Benz 250 D und einen Fard Sierra D, auf eine Teststrecke. Die Modelle sollten einen Rückschluss auf das "Durchschnittsdieselauto" zulassen und die ausgewählten Routen all­ tägliche Fahrtstrecken abbilden. Nach den Testreihen präsentierten sich die drei exemplarisch ausgewählten Dieselautos keineswegs als Umweltver­ schmutzer, wenn die gültigen amerikanischen oder europäischen Grenzwerte als Messlatte herangezogen wurden. Gleichwohl zeigte der Test, dass der Rußausstoß bei V0111ast weitaus höher war und diese Fahrweise folglich von Dieselfahrern vermieden werden sollte 15 Infolgedessen legte der ADAC nahe, "Diesel-like"16 zu fahren. Darunter verstand der Automobilclub eine zurückhaltende, sparsame Fahrweise, die die Umwelt mit geringem Ver­ brauch und geringeren Rußemissionen nicht unnötig belastete. Folglich wa­ ren weder hartes Beschleunigen noch Vollgasfahrten für den Halter eines Dieselautos angebracht, wollte er nicht unnötig als "Schwarzer Peter" stig­ matisiert werden. Dieselautos seien in der Summe, so das Fazit, für Leute geeignet, die hauptsächlich im Stadtverkehr unterwegs seien und ansonsten eine eher zurückhaltende Fahrweise an den Tag legten, nicht aber für Auto­ fahrer, die ihren Wagen gerne sportlich führen und die Leistung ausreizten.17 Aufgrund der eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit erschienen Dieselautos nach dieser Empfehlung des ADAC für mehrere Nutzergruppen, wie sportli­ che Autofahrer oder Berufspersonen, die lange Wegstrecken auf Autobahnen zurücklegten, wenig attraktiv.

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Vgl. Diesel im Pech, 32ff. Nach der Darstellung der ADAC Motorwelt mussten Anfang 1989 lediglich nach der US-Norm zugelassene Dieselautos einen Partikelgrenzwert ein­ halten. Das Limit lag bei 0,124 g Partikel pro Kilometer. Ob man die geplanten EG-Li­ mits als Grenzwert bezeichnen könne, wurde vomADAC angezweifelt, da bereits 1989 ein Großteil der Dieselautos den Wert von 0,275 glkm in der Typprüfung und 0,35 glkm in der Serienprüfung einhielt. Die Grenzwerte sollten für neue Modelle ab Oktober 1989 und für alle Neufahrzeuge ab Oktober 1990 verbindlich gelten. Selbst die zu ei­ nem späteren Zeitpunkt geplante Verschärfung auf 0,2 glkm in der Typprüfung war Anfang 1989 für 95 Prozent aller Dieselautos kein Problem. V gl. ebd., 30ff. Zur Herlei­ tung der Grenzwerte: Bei einer Testlänge von 4.052 ktn im ECE-15 Test ergibt sich da­ raus der zuvor genannte Partikelgrenzwert von 1,1 gfIest bzw. 1,4 g/Test. V gl. www. dieselnet.comlstandards/cycles/ece_eudc.html. Diesel im Pech, 34. Vgl. ebd.

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Die Rückkehr der Dieselautos, 1989-2005

Angesichts der anhaltenden Debatte über die Gesundheitsrisiken von Dieselabgasen widmeten sich neben der ADAC Motorwelt auch andere Auto­ mobilzeitschriften dem Thema. So ergriff 1989 Heinrich Sauer in Auto Motor und Sport - im Unterschied zu den Vorjahren - nun auf einmal Partei für das Dieselauto. Er kreidete das Eingreifen der "amtlichen Umweltschützer" als "reichlich tölpelhaft"18 an. Um mit seinem Artikel einen Beitrag für einen Umschwung zu einer positiveren Haltung gegenüber Dieselautos zu leisten, versuchte er, die Argumente gegen das Dieselauto zu entkräften. Sauer rezi­ pierte in seiner Darstellung die Argumente der Hersteller, wie die Ansicht, dass die Schädlichkeit der Dieselpartikel noch nicht vollständig erforscht seP9 Bei einem weiteren Punkt verwertete Sauer die wissenschaftliche Er­ kenntnis, dass die Rußemissionen selbst der Krebsauslöser wären und nicht - wie früher angenommen - die PAH-Emissionen. Jedoch interpretierte Sauer die Ergebnisse anders als Pott und Heinrich. Er informierte die Leser, neuere Tierversuche hätten ergeben, dass als ungiftig eingestufte Substanzen, wie Titandioxid und Kohlenstoff, in hoher Konzentration bei Ratten beinahe ebenso häufig wie Dieselpartikel Krebs erzeugten. Das könne bedeuten, dass nicht die am Ruß haftenden Kohlenwasserstoffe, sondern der Ruß selbst durch mechanische Reizung Krebs auslöse. Dann müsse man aber den Fein­ staub aus Steinbrüchen, Hochöfen, der Industrie und Kohlehalden mitberück­ sichtigen, weil er ebenfalls Krebs verursachen könne. Sauer sah dadurch das Dieselauto zum großen Teil von seinem Stigma befreit, schließlich gebe es neben dem Dieselauto noch zahlreiche weitere Quellen von Feinstaub. Diese verschmutzten, so Sauers Urteil, somit die Umwelt viel stärker als die Die­ sepo Im Folgenden agierte Sauer weiterhin als Sprachrohr für die Automo­ bilindustrie. Es müsse seiner Ansicht nach überhaupt geklärt werden, wie weit Tierversuche mit Ratten auf den Menschen übertragbar waren. "Wer zum Diesel greift, beweist mehr Umweltbewußtsein"21, lautete Sauers klares Fazit. Auch nahm Sauer die Mineralölgesellschaften - wie dies bereits der VDA in seinem Jahresbericht 1985 getan hatte - in die Pflicht; denn durch die Verwendung von schwefelarmem Dieselkraftstoff könne der Partikelausstoß um ca. ein Drittel gesenkt werden. Die Umstellung hätte dann sogar einen Effekt auf die gesamte Flotte der zugelassenen Dieselautos und wäre damit wesentlich effektiver als motortechnische Verbesserungen, da sich diese schließlich nur auf Neuwagen auswirkten 22 Erneut entlastete Sauer mit sei­ ner Argumentation, welche die Verantwortung für den Partikelausstoß zu ei­ nem guten Teil auf die Mineralölindustrie abwälzte, die Hersteller erheblich.

18 19 20 21 22

Sauer, Peter, 45. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Ebd., 46. Vgl. ebd., 46f.

4.1 Partikel, Krebs und neue saubere Dieselautos

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Die Mineralölindustrie freilich lehnte den Schritt wegen der damit verbunde­ nen höheren Kosten ab 23 Allerdings gab es 1989 Anzeichen, dass der Diesel erneut das Attribut der "Umweltfreundlichkeit" verliehen bekommen könnte. Das hing mit den technischen Innovationen der Hersteller zusammen, die im folgenden Ab­ schnitt erläutert werden. Bundesumweltminister Töpfer sprach sich ebenso dafür aus, die "bisherigen Entscheidungen gegen den Diesel wieder zu überprüfen" 24 Der Spiegel berichtete in der zweiten lahreshälfte 1989, dass sich auch in der Bundesregierung ein Meinungsumschwung abzeichnete. Nachdem sich bereits der Wirtschaftsminister Helmut Haussmann für die Förderung von Dieselautos ausgesprochen hatte, unterstützte nun Verkehrs­ minister Friedrich Zimmermann diese Forderung. Mehrheitsfahig wurde diese Meinung innerhalb der Bundesregierung im Anschluss an ein Gespräch zwischen Regierungsvertretern und dem Vorstand des VDA im Kanzleramt. 25 Das nötige wissenschaftliche Fundament für die Neubewertung lieferte da­ mals Werner Stöber vom Fraunhofer Institut für Toxikologie und Aerosolfor­ schung, den Automobilzeitschriften mit folgender Aussage zitierten: "Die Gefahr, durch Dieselabgas an Lungenkrebs zu erkranken ist nicht größer als die, vom Blitz erschlagen zu werden." 26 Seine Stellungnahme relativierte die Krebsgefahr freilich erheblich, zumal Stöber an der gleichen Einrichtung wie der Experte Uwe Heinrich tätig war.

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Vgl. Röthig, Stinker, 37; Röthig, Rückenwind, 42ff. Wie abhängig die Höhe der Schad­ stoffemissionen von der Qualität des Kraftstoffs war, zeigte Manfred Fortnagel in ei­ nem Beitrag in der Zeitschrift Automobil-Industrie im Jahr 1990. Ein Mercedes 200 D wurde mit vier unterschiedlichen Sorten Dieselkraftstoff betankt; schlechter amerikani­ scher und mäßiger amerikanischer Kraftstoff mit einer Cetanzahl von 40 bzw. 46, einem Aromatengehalt von 52 bzw. 34 Volumenprozent und einem Schwefelgehalt von 0,27 g pro 100 g und 0,47 g/lOO g; europäischer Dieselkraftstoff und schwefelarmer Kraftstoff mit einer Cetanzahl von 52 bzw. 64, einem Aromatengehalt von 35 bzw. neun Volumen­ prozent und einem Schwefelgehalt von 0,24 g/100 g bzw. weniger als 0,01 g/lOO g. Wenn als Basis der europäische Kraftstoff gewählt wurde, dann nahmen bei beiden amerikanischen Kraftstoffen die Emissionen um 41 bzw. 45 Prozent zu. Der schwefel­ arme Kraftstoff senkte die Emissionen dagegen um ein Drittel. V gl. Fortnagel, Diesel­ motor, 196. Zur Rezeption des Forschungsergebnisses in Auto Motor und Sport vgl. König, Karmnerjäger (1989), 29-33. Klaus Töpfer zit. n.: Szenen einer Liebe. Bonn und der Diesel, 47. Vgl. Nur noch zartgrau, 28 1-284. Wemer Stöber zit. n.: Röthig, Stinker, 36. Für eine ähnliche Aussage vgl. Linke, Abgas­ trübung, 53.

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Die Rückkehr der Dieselautos, 1989-2005

Die Rückkehr des sauberen Dieselautos und der Wandel des politischen Klimas Am 23. und 24. November 1988 traf sich in Wolfsburg die Gesellschaft Fahr­ zeugtechnik des Vereins Deutscher Ingenieure, um über die Zukunft des un­ ter Druck geratenen Dieselmotors zu diskutieren und um die allgemeine Öf­ fentlichkeit auf das Zukunftspotenzial des Dieselmotors aufmerksam zu ma­ chen. Die Ingenieure präsentierten den Diesel-Pkw einerseits als Möglichkeit den Kohlendioxidausstoß zu senken, andererseits - wenn der Rußpartikelfil­ ter in die Serienreife überführt würde - als umweltfreundliches Auto der Zu­ kunft 27 Sogenannte umweltfreundliche Diesel kamen schließlich um das Jahr 1989 auf den Markt, allerdings verwendeten die Hersteller nicht den einst angepriesenen Rußpartikelfilter. Mercedes-Benz senkte bei seinen D' 89-Mo­ dellen die Abgasemissionen mittels innermotorischer Verbesserungen.28 Mit einem Katalysator in einem Diesel-Pkw präsentierte der Wolfsburger Auto­ hersteller VW eine weitere technische Möglichkeit zur Reduzierung des Schadstoffausstoßes. VW pries den Wagen mit dieser end-oj-pipe-Technolo­ gie als "den Golf Umwelt-Diesel" 29 begeistert an: kein Rußausstoß, keine stinkenden Abgase und geringe Mengen an Schadstoffemissionen, die selbst für einen Benzin-Pkw mit Katalysator unerreichbar seien. Auto Motor und Sport ließ vom TÜV-Bayern einen Vergleichstest zwischen einem herkömm­ lichen Golf Diesel und einem Kat-Diesel durchführen und zeigte sich von den Testresultaten begeistert 30 Die durchweg positiven Urteile über den Kat-Diesel fanden sich ebenfalls in der Berichterstattung der Auto Zeitung 3! Hatte Mercedes-Benz Anfang 1990 noch den Einsatz eines Katalysators von der Reduktion des Schwefelgehalts im Kraftstoff abhängig gemacht, berich-

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Vgl. Knie, Diesel, 67f.; VDI-Gesellschaft Fahrzeugtechnik (Hg.), Zukunft. Eine Zu­ sammenfassung dieser Tagung findet sich bei Zeranski, Zukunft, 201-212. Vgl. König, Kannnerjäger (1989), 28. Hack, Postsache, 104. Zur Vorstellung des "VW Golf Umwelt-Diesel" in der Auto Zei­ tung vgl. Gierich, Nichtraucher, 50f. Der Journalist Hack stellte fest, dass der Diesel mit Katalysator im direkten Vergleich im BeB-Test bei den HC-, CO- und Partikelemissionen besser abschnitt. Bei einem Partikeltest unter Volllast übertraf der Kat-Diesel ebenfalls sein Pendant. Interessanter­ weise verwies Hack darauf, dass beide Dieselautos die europäischen Stickoxidgrenz­ werte einhielten. Er erwähnte aber nicht, dass der Kat-Diesel hier mit 3,01 gfIest schlechter als der konventionelle Golf Diesel mit 2,7 gfIest abschnitt. V gl. Hack, Post­ sache, 104-107. Vgl. Daun, Ottos Prinzip, 44-48. Zum anschließenden Dauertest quer durch Europa vgl. Hoffmann, Golf, 24-28; Kirchberger, Europa, 26-3 1 . Auf der Rundfahrt wurden die schmutzigen Dieselautos in anderen Ländern und die dort rauchenden Fabrikschlote, diesem "sauberen deutschen Dieselauto" gegenübergestellt.

4.1 Partikel, Krebs und neue saubere Dieselautos

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tete Auto Motor und Sport im Herbst des gleichen Jahres über einen Merce­ des- Benz 190 D mit Katalysator 32 Die Katalysatortechnologie im Diesel-Pkw setzte sich im Laufe des Jah­ res 1990 allmählich durch. Die Fachwelt urteilte, der Katalysator könne den Diesel von seinem Stigma befreien und wieder "salonfähig"33 machen. Laut Einschätzung der Automobilzeitschriften galt der Katalysator - und damit jedes Auto mit Kat - für die öffentliche Meinung per se als umweltfreund­ lich. Die Ingenieure waren sich dessen bewusst. Sie glaubten, der technische Begriff Katalysator zähle mittlerweile zu den "Schlagworten von gesell­ schaftlicher Bedeutung" 34 Nach Etablierung der Kat-Technik beim Benzin­ Pkw stufte die Öffentlichkeit Dieselautos, trotz ihres geringen Schadstoffaus­ stoßes, schon allein deshalb als schmutzig ein, weil sie - so die Argumenta­ tion in Auto Motor und Sport - eben über keinen Katalysator verfügten. Aus diesem Grund gingen Volkswagen und andere Hersteller dazu über, einen Katalysator auch bei Dieselautos zu installieren. Die Ingenieure wussten durchaus, dass der Kat dort nicht genauso effektiv arbeitete wie beim Benzi­ ner und dass der bei Benzinern gängige Dreiwegekatalysator mit Lambda­ Regelung nicht eingebaut werden konnte. Stattdessen fand ein simplerer Oxi­ dationskatalysator Verwendung, der nur die Emissionsarten Kohlenwasser­ stoff und Kohlenmonoxid, die der Dieselmotor von Haus aus in geringen Mengen emittierte, noch weiter reduzierte. Bei den Problemfallen Stickoxid­ und Partikelemissionen half der Katalysator im Dieselauto dagegen nicht. Folglich mussten die Motorenentwickler mehr als nur einen Katalysator ein­ bauen, um einen nennenswerten Effekt zu erzielen 35 Volkswagen verwendete einen Turbolader, der in den Vorgängermodel­ len zur Leistungssteigerung gedient hatte und beim Kat-Diesel den Luftüber­ schuss erhöhte. Durch den Einbau des Katalysators fiel zwar die Leistung des GolfTurbodiesels von 70 PS auf 60 PS ab, doch wurde nun der Kraftstoff bei jedem Betriebszustand möglichst vollständig verbrannt. Das wiederum senkte den Ausstoß von Dieselruß, da eine unvollständige Verbrennung die Hauptursache für die Bildung der Partikelemissionen darstellte. Gleichzeitig nahm aber der Stickoxidausstoß zu. Das verringerte ein verspäteter Einspritz­ beginn. Infolgedessen stiegen die Kohlenwasserstoffemissionen an, die der neu eingebaute Oxidationskatalysator reduzierte. Der Katalysator oxidierte HC und CO zu H 0 und CO . Die Minimierung der HC-Emissionen bewirkte 2 2 zusätzlich einen Rückgang der Masse der Partikel, da sich weniger HC-Mo-

32

33 34 35

Vgl. König, Sauberer geht's nicht, 36ff. Laut Angaben von Mercedes-Benz war der Diesel mit der besonderen Art der Abgasreinigung ab Herbst 1990 in Modellen mit Saugmotor und ab Sommer 1991 in Modellen mit Turbodieselmotor erhältlich. Vgl. FortnagellMoser, Mercedes-Benz, 14. König, Rauchen, 100. Ebd. Vgl. ebd., 100ff.

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leküle am Ruß anlagern konnten. Bei den Partikelemissionen unterbot der Wagen den für 1992 vorgesehenen Grenzwert von 0,8 g/Test deutlich.36 Bei einem anderen Test ging der ADAC sogar noch weiter und schrieb: "Ruß al­ lein schadet nicht, nur wenn Kohlenwasserstoffe daran kleben, von denen einige krebserregend sind.'037 Nach diesem Argumentationsmuster konnte dem Kat-Diesel eigentlich nicht mehr das Attribut, krebserregend zu sein, verliehen werden. Die Verwendung der Katalysatortechnik beim Diesel-Pkw machte im öffentlichen Diskurs eine Neubewertung ihrer "Umweltfreund­ lichkeit" möglich. Sie galten wegen der niedrigeren PAH-Emissionen erneut als "umweltfreundlich" und "nicht krebserregend" . Das war möglich, weil die Erkenntnisse von Pott und Heinrich 1990 vorrangig im wissenschaftsin­ ternen Diskurs diskutiert wurden, aber kaum im öffentlichen. Die technischen Veränderungen rückten den Diesel-Pkw Anfang der 1 990er Jahre nicht zuletzt deswegen wieder in ein positiveres Licht. Die ers­ ten Indizien für einen Wandel zeigten sich in der Berichterstattung der Auto­ mobilzeitschriften, die Anfang der 1990er Jahre den Diesel wieder wohlwol­ lender beurteilten als noch in den Jahren zuvor. Neben einem von den Politi­ kern in Aussicht gestellten Steuerbonus für "besonders saubere Diesel" war­ ben die Hersteller überdies damit, dass Dieselautos "so sauber wie noch nie" seien 38 Es wurden aber dennoch immer wieder kritische Stimmen laut. Ein Experte des UBA meinte, "das Saubermannimage des Kat [werde] zum Die­ sel transportiert", weshalb das Produkt letztlich eine "Mogelpackung"39 dar­ stelle. Es erschien dem UBA fraglich, ob der Katalysator im Stadtverkehr tatsächlich die notwendige Arbeitstemperatur erreichte, um eine effektive ka­ talytische Reaktion im Abgasstrom zu gewährleisten. Außerdem wurde der im Dieselkraftstoff enthaltene Schwefel bekanntlich während der Verbren­ nung zu Schwefeldioxid (S0 ) und im Katalysator zu Sulfat (S0 ) oxidiert. 2 3 Das ließ den Partikelausstoß anschwellen und Sulfat in Kombination mit Wasser ergab die für Mensch und Natur schädliche Schwefelsäure (H S0 ).4O 2 4 Die Einwände fanden jedoch allesamt wenig Gehör. Das Dieselauto galt nun wieder als "salonfähig". Das bestätigte selbst die Frau des Umweltminis­ ters, Mechthild Töpfer, die ihren alten Mercedes 240 Diesel durch einen neuen 250 D ersetzte 41 Wolfgang König und Auto Motor und Sport kamen zu einer ähnlichen Einschätzung, denn " [d]as insgesamt umweltverträglichste Konzept ist das mit dem schlechtesten Leumund. Klarer Sieg also für den Diesel. "42

36 37 38 39 40 41 42

Vgl. ebd., 102. Wo sind die neuen sauberen Diesel, 39. Ebd., 36. Ebd., 39. Vgl. ebd. Vgl. ebd. König, Sauberer geht's nicht, 38.

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191

Die Politik schien nun im Jahr 1990 von ihren Vorbehalten gegenüber den Dieselautos abzurücken. Als Rechtfertigung dienten die von den Auto­ mobilherstellern vorgenommenen technischen Verbesserungen. Von politi­ scher Seite war sogar geplant, die Dieselautos erneut steuerlich zu fördern. An dieser Stelle ist relevant, dass Dieselautos zwar nicht ganz von der Kfz­ Steuer befreit wurden, dafür aber einen reduzierten Steuersatz bekommen sollten, sofern sie die US-Norm erreichten. Der Vorschlag von Umweltminis­ ter Klaus Töpfer ging laut Medienberichten auf Anregungen der Vorstands­ vorsitzenden von Mercedes und Volkswagen, Werner Niefer und earl H. Hahn, zurück, deren Konzerne beide unter dem Einbruch des Dieselgeschäfts gelitten hatten 43 Als Grenzwerte für "besonders schadstoffarme Diesel" wa­ ren bei den gasförmigen Schadstoffen die US-Grenzwerte vorgesehen und beim Partikelgrenzwert ein Limit von 0,08 g/km. Die unter dem Namen "Töpfer-Norm" bekannte Regelung schrieb damit sogar einen strengeren Partikelgrenzwert vor als den in den USA üblichen, der bei 0,124 g/km lag. Anfangs erreichten nur der Golf und Jetta Turbodiesel mit Katalysator den Grenzwert bei der Typprüfung.44 Einige Autohersteller, wie Mercedes, kritisierten den niedrigen Partikel­ grenzwert, der nicht repräsentativ sei, weil einige wenige kleine Dieselautos das Limit in der Typprüfung unterboten hatten. Nach dem Ingenieur Fortna­ gel könne man einen von Kleinwagen erreichten Wert nicht einfach auf an­ dere Wagenklassen übertragen 45 Interessanterweise wurde jedoch im Sep­ tember 1996 in einem Memorandum des Bundesumweltministeriums über die Abgasgesetzgebung notiert, dass bereits nach eineinhalb Jahren 70 Pro­ zent aller Dieselneuwagen die "Töpfer-Norm" von 0,08 g/km erfüllten 46 Der hohe Anteil der nach der "Töpfer-Norm" zugelassenen Diesel-Pkw führte zu 43 44

45 46

Vgl. Wieland, Geschichte, 22. Vgl. Haschek, Nagelprobe, 223; Röthig, Rückenwind, 42ff.; Röthig, VW-Lobbyist, 46-53; Sauer, Zauber, 22. Lediglich folgender Artikel nennt die Modelle Golfund Jetta. Vgl. Röthig, VW-Lobbyist, 46. Alle anderen informierten ihre Leser, dass ausschließ­ lich der Golf Kat-Diesel den neuen Rußpartikelgrenzwert einhielt. Mehr Informationen zum Kompromiss auf europäischer Ebene liefert folgender Beitrag. V gl. Reichle, Weni­ ger ist schwer, 20. Für das daraus resultierende Durcheinander vgl. Total vernagelt, 20. Vgl. Ein schöner Motor ist der Diesel trotzdem, 33. Vgl. Memorandum Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher­ heit, Abgasgesetzgebung för Pkw in Deutschland und Europa und ihre Verbindung zum Kraftfahrzeugsteuergesetz, 9. September 1996, 3, Bundesarchiv Koblenz B 295/67769. Der ADAC informierte seine Mitglieder Anfang des Jahres 1990 in der ADAC Motor­ welt über die neuen Steuerpläne. Die steuerliche Förderung sollte rückwirkend vom l . Januar 1989 bis zum 3 1 . Juli 1992 gelten. Vgl. 1991 Steuervorteile in Aussicht, 36.; Warten auf Steuer-Erlaß, 13. Die Steuerersparnis belief sich auf 550 DM, wenn als Be­ rechnungsgrundlage 30 DM pro 100 cm3 herangezogen wurden, was für umweltun­ freundliche Dieselautos bezahlt werden musste. Für schadstoffarme Diesel belief sich die Kfz-Steuer auf 21 ,60 DM. Da letztlich nur diese Dieselautos überhaupt eine Chance hatten, die "Töpfer-Norm" von 0,08 glkm einzuhalten, würde sich die Ersparnis, so

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einem Wandel der Rationalitätsfiktionen. Dieselautos galten erneut als sauber und nicht mehr als krebserregend.

Das Ende des Partikelfilters und der Kern des Krebsproblems Auf der Tagung in Wolfsburg im November 1988 wurde mit dem Rußparti­ kelfilter - neben den innermotorischen Optimierungsmaßnahmen und dem Katalysator - eine dritte technische Lösung zur Reduktion der Partikelemis­ sionen vorgestellt. Allerdings standen die Ingenieure noch immer vor zahlrei­ chen Entwicklungsproblemen, wie die Gewährleistung der Dauerhaltbarkeit des Filters und der Sicherheit des Regenerationsprozesses 47 Im öffentlichen Diskurs blieb das Thema Rußpartikelfilter präsent. Mit dem Hochkochen der Krebsdebatte erschien der Rußfilter eigentlich als eine vielversprechende technische Lösung, um die Diesel von ihrem Stigma zu befreien. Jedoch gelang es der Automobilindustrie zu Beginn der 1 990er Jahre noch immer nicht, den Rußfilter in die Serienreife zu überführen 48 An­ fang 1992 schließlich äußerte sich der Mercedes Ingenieur Fortnagel, nach­ dem er im Vorjahr die Zukunftschancen des Rußfilters durchaus noch positiv bewertet hatte, verhalten zu diesem technischen Lösungsansatz. Er betonte, man müsse mit Leistungseinbußen rechnen, wenn der Filter verrußt war. Es sei auch nötig, einen Mehrverbrauch von ca. zehn Prozent einzukalkulieren 49 Ein weiterer Artikel in Auto Motor und Sport fasste die Situation zum Jahres­ ende 1992 zusammen. Die Beurteilung des Rußpartikelfilters wurde hier noch kritischer eingeschätzt als zum Jahresbeginn. Der Grund war der Rege­ nerationsprozess, der trotz der erzielten Fortschritte noch immer nicht rei­ bungslos funktionierte. Der Filter reduziere den Partikelausstoß nur um 50 bis 80 Prozent und koste dabei mehrere Tausend DM, so zwei zentrale Kritik­ punkte der Hersteller. Außerdem seien in den letzten Jahren verstärkt durch motortechnische Veränderungen und den Katalysator die Emissionen so weit gesenkt worden, dass ein Partikelfilter nun überflüssig erschien. 50 Infolgedes­ sen favorisierten die Hersteller mittlerweile den kostengünstigeren Katalysa­ tor gegenüber der kostspieligeren end-oj-pipe-Technologie Rußpartikelfilter.

47 48

49 50

Brigitte Haschek in Auto Motor und Sport, für die Besitzer auf 396 DM belaufen. Vgl. Haschek, Nagelprobe, 223f. Vgl. rndra, Partikelfilter, 327-35 1 . 1991 berichtete Fortnage!, dass bei der Filtertechnologie ein Eisenadditiv als lokaler Oxidator verwendet werden müsse. Das ermögliche eine Reinigung des Filters selbst bei niedrigen Temperaturen. Das Regenerationsproblem schien somit gelöst zu sein, doch hatte das Umweltbundesamt laut Fortnagel Bedenken angemeldet, weshalb Mer­ cedes auf die Verwendung dieser Regenerationsmethode verzichtete. V gl. Ein schöner Motor ist der Diesel trotzdem, 33. Vgl. Die Zukunft des Diesel, 4 1 . Vgl. Rußfilter. Die Entwicklung stockt, 72.

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Als Konsequenz setzten die deutschen Automobilproduzenten in den fol­ genden Jahren verstärkt auf eine Optimierung der innermotorischen Verbren­ nung. Da keine Quellen aus dem internen Schriftverkehr der Hersteller vor­ liegen, kann hier nur über die Gründe gemutmaßt werden. Zunächst wären durch einen Partikelfilter die Herstellungskosten angestiegen, was wiederum den Gewinn der Hersteller geschmälert hätte. Alternativ hätten die Kosten auf den Kunden abgewälzt werden müssen. Außerdem war der Filter für die Motorenentwickler nur eine von mehreren Möglichkeiten zur Senkung der Partikelemissionen. Die Alternativen wurden dann gegeneinander abgewo­ gen. Dabei erschien der Filter nicht die effektivste Methode, um die wenig rigorosen europäischen Abgasgrenzwerte einzuhalten. Dafür verschwand der Rußpartikelfilter allerdings keineswegs aus dem öffentlichen Diskurs, wie noch aufgezeigt wird. Das war möglich, weil sich allmählich die Ansicht durchsetzte, dass der Ruß selbst Krebs auslöste und nicht die an ihn adsor­ bierten polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe. Der Rußpartikelfilter, der zuvor stets als Allheilmittel im Diskurs präsen­ tiert worden war, verlor aber zumindest nach der Argumentation der Herstel­ ler an Bedeutung, weil die modernen, verbesserten Dieselautos selbst die strengsten Abgasgrenzwerte ohne den Filter einhielten. Das geschah gerade zu dem Zeitpunkt, als neueste wissenschaftliche Erkenntnisse ihn eigentlich notwendig machten. Sie besagten, dass nicht die polyzyklischen aromati­ schen Kohlenwasserstoffe, sondern der Rußkern selbst der Krebsauslöser sei. Wissen, das gerade an den "Forschungsfronten"51 produziert worden war, fand damit Eingang in den öffentlichen Diskurs. Gleichzeitig diskutierten Wissenschaftler, durchaus auch innerhalb einer einzigen Forschergruppe wie im Anschluss gezeigt wird -, diese neuesten Erkenntnisse noch kontro­ vers, was es der Automobilindustrie und den ihnen nahestehenden Forschern erleichterte eine Gegenposition aufzubauen. Beim Wechselspiel zwischen Expertise und Gegenexpertise beriefen sich die Akteure oftmals nicht mehr auf unterschiedliche Studien, sondern auf dieselbe Studie, deren Aussagen sie aber unterschiedlich interpretierten. Noch hatten die neuen wissenschaft­ lichen Forschungsresultate aber keine negativen Auswirkungen auf den Die­ selabsatz. Die Rezeption der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass die Rußpartikel selbst Krebs verursachten, stellte in der Tat einen wichtigen Einschnitt dar. Erneut wurde der öffentliche Diskurs von der Auseinandersetzung über die unterschiedliche Interpretation derselben Forschungsergebnisse dominiert. Die Automobil Revue fasste für die Leser im Jahr 1992 die Entwicklung der letzten Jahre zusammen und verwies insbesondere auf die Forschungsarbei­ ten von Uwe Heinrich am Fraunhofer Institut für Toxikologie und Aerosol­ forschung, welche den Verdacht nahelegten, dass Partikel selbst Krebs aus-

51

Weingart, Stunde, 161.

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lösten 52 Laut Heinrich bestätigte das die Senatskommission zur Prüfung ge­ sundheitsschädlicher Arbeitsstoffe. Sie habe am 23. Juli 1990 mitgeteilt, "daß Dieselmotor-Emissionen zwar kanzerogene PAH enthalten, für den kanzero­ genen Effekt von Dieselmotorabgasen aber wahrscheinlich die Rußpartikel ausschlaggebend sind. "53 Für Heinrich stand aufgrund seiner eigenen For­ schungsresultate fest, "daß tatsächlich der Rußkern des Dieselrußes und nicht so sehr die an dem Dieselruß angelagerten organischen Stoffe für die Tumor­ ausbildung verantwortlich sind. "54 Nach diesen Testergebnissen setzten die europäischen Partikelgrenzwerte den falschen Anreiz, weil sie darauf zielten, die physikalische Masse der ins­ gesamt emittierten Partikel zu reduzieren und nicht deren Anzahl. Die Strate­ gie der Automobilhersteller geriet ebenfalls in die Kritik, weil der Oxidati­ onskatalysator bekanntlich nur die PAH reduzierte und so die Masse der aus­ gestoßenen Partikel verringerte. Die Rußpartikel und das Krebsrisiko wurden dadurch nicht minimiert. Es mehrten sich deswegen Stimmen, die den Die­ sel-Kat als "Irrwegkatalysator"55 bezeichneten.56 Die Automobilindustrie erkannte aber die Ergebnisse von Heinrich und Pott immer noch nicht an. Sie widersprach also der Beurteilung vehement, welche auf einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Dieselabgas und Krebsrisiko hinwies. Die Hersteller nannten ihrerseits 1993 das Ergebnis ei­ ner Analyse, die vom Bundesministerium für Forschung und Technologie so­ wie der Forschungsvereinigung Automobiltechnik in Auftrag gegeben und vom Fraunhofer Institut für Toxikologie und Aerosolforschung in Hannover, also der Institution, bei der Heinrich beschäftigt war, durchgeführt worden war. Hiernach war es laut dem ehemaligen Institutsleiter Stöber "unzulässig und unzuverlässig"57, Dieselabgas als "wahrscheinlich kanzerogen" einzu­ stufen. Den Befund der Ergebnisse gab Stöber ähnlich wie Heinrich wieder. Er argumentierte, dass nicht die an Rußpartikeln angelagerten polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe, sondern die Partikel selbst krebserregend waren. Folglich bildeten Rußpartikel, wie andere Feinstäube, in den Lungen von Ratten Tumore. Stöber betonte, hier handle es sich "um einen rattenspe­ zifischen Effekt (overload carcinogenesis), der in Versuchen mit anderen Tie­ ren wie Hunden, Katzen und Meerschweinchen nicht erzeugt werden konnte." 58 Stöber hob ebenfalls hervor, dass sich die Tumorrate bei den Rat52 53 54

55 56 57 58

Vgl. Schneeberger, Abgasvorschriften, 33ff. Heinrich, Wirkung, 9. Ebd. Im Rahmen einer Tagung über krebserzeugende Stoffe wurde ebenfalls Dieselab­ gas angesprochen. Vgl. Kommission Reinhaltung der Luft im VDr und DIN (Hg.), Stoffe. Hier sprach auch Pott mit ähnlichem Tenor über das Krebspotential der Partikel­ emissionen. V gl. Pott, Dieselmotorabgas, 211-244. Schneeberger, Abgasvorschriften, 35. Vgl. ebd. Wemer Stöber zit. n.: Winterhagen, Kanzerogenität, 489. Ebd.

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195

ten erst bei einer Konzentration von 7,5 mg Rußpartikel pro m3 an 40 Stun­ den pro Woche zeigte. Das liege um den Faktor 100 bis 1 .000 über der Kon­ zentration an hochbelasteten Arbeitsplätzen. Ausgehend von diesen Erkennt­ nissen entstand die von Heinrich abweichende Interpretation, nach der Stöber sich gegen den Zusammenhang zwischen Krebs und Dieselabgas aussprach. 59 Beide Parteien konzentrierten sich in ihrer Argumentation also nicht wie frü­ her auf die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe, sondern auf den Rußkern. Jedoch waren ihre Interpretationen erneut diametral unter­ schiedlich. Einmal wurde das vom Dieselruß ausgehende Krebsrisiko als be­ denklich hoch eingestuft, einmal als vernachlässigbar gering. Das Umweltbundesamt schloss sich der Sichtweise, Dieselabgase kön­ nen Krebs auslösen, an. Das zeigte sich unter anderem im Ersten Zwischen­ bericht des Umweltbundesamtes zum Rußfilter-Großversuch von 1992, wo sich das UBA auf die beiden Experten Pott und Heinrich berief 60 An der Hal­ tung des UBA änderte sich auch nichts, als der Präsident Heinrich von Lers­ ner aus dem Amt schied und Andreas Troge im Jahr 1995 die Leitung über­ nahm. Das Umweltbundesamt stützte sich 1995 auf eine Studie des Health Effects Institute in den USA. Laut Auto Motor und Sport stufte die Analyse Dieselabgas als "potentiell gesundheitsgefahrdend"61 ein. Die Automobilin­ dustrie zog für ihre Unbedenklichkeitsaussagen eben die gleiche Studie he­ ran, weil es dort auch hieß, dass durch Verbrennung von Tabak ähnliche Sub­ stanzen entstehen würden. Eine weitere Erkenntnis der Studie war, dass es nur einen geringen Zusammenhang zwischen Dieselabgas und Lungenkrebs gab. Wenn jedoch ständiger Kontakt mit einer hohen Konzentration von Die­ selabgasen bestehe, dann steige das Risiko auf das 1,2- bis 1 ,5-fache 62 Somit wurden die Ergebnisse einer Studie erneut unterschiedlich inter­ pretiert. Zum Beleg der jeweiligen Interpretation zogen beide Seiten die pas­ senden Textpassagen der Studie heran, die sich im Executive Summary wie­ derfinden. Zu Beginn steht dort folgende Information: "Diesel emissions have the potential to cause adverse health effects. "63 Zu den genannten Ge­ sundheitsrisiken zählen Krebs, andere Lungenkrankheiten sowie Herz- und Gefaßkrankheiten. Diese Passage diente also dem UBA als Grundlage. Die Automobilindustrie dagegen berief sich auf die Passagen zu den menschli­ chen Reaktionen: 59 60 61

62

63

Vgl. ebd. Vgl. Hermann Blümel u.a., Erster Zwischenbericht des Umweltbundesamtes zum Ruß­ filter-Großversuch, Berlin April 1992, 9f., Bundesarchiv Koblenz B 295/27826. Mit schönem Ruß, 3. Bei der hier zitierten Studie handelte es sich um den Special Re­ port Diesel Exhaust: Critical Analysis of Emissions, Exposure, and Health Effects aus dem Jahr 1995. V gl. www.healtheffects.orglPubs/diesum.htm. Vgl. Mit schönem Ruß, 3. Für die zwei Positionen, Automobilindustrie und Umwelt­ bundesamt, die sich beide auf die gleiche Studie beziehen und diese unterschiedlich in­ terpretieren. V gl. Grauzone, 26. www.healtheffects.orglPubs/diesum.htm.

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Die Rückkehr der Dieselautos, 1989-2005

The epidemiologie data are consistent in showing weak associations between exposure to diesel exhaust and lung cancer. The available evidence suggests that long-term expo­ sure to diesel exhaust in a variety of occupational circurnstances is associated with a 1.2- to 1.5-fold increase in the relative risk of lung cancer compared with workers c1as­ sified as unexposed. 64

So gesehen begründete jede Seite ihre Haltung auf einem wissenschaftlichen Befund. Man zog aber die jeweils passenden Stellen aus dem Befund heraus, um seine Position zu untermauern. Gleichzeitig zeigt die Studie des Health Effects Institute auch, dass es den wissenschaftlich gesicherten Beweis zur Krebsgefahr von Dieselabgas noch immer nicht gab 65 Das ließ letztlich Platz für voneinander abweichende Interpretationen und erleichterte somit die Neubewertung der Diesel in der ersten Hälfte der 1 990er Jahre, die in der erneuten steuerlichen Förderung mündete. Als Indiz hierfür kann die anhaltende Kritik am Umweltbundesamt, vor allem von Um­ weltpolitikern der CDU, wegen dessen industriekritischer Studien angesehen werden. Als die Fachleute des UBA zusammen mit Experten aus der Indust­ rie vor dem Umweltausschuss des Bundestages über die vom Dieselabgas ausgehende Krebsgefahr diskutieren sollten, wurden sie auf Betreiben der Union wieder ausgeladen. Somit gaben lediglich die Vertreter der Industrie ihren Standpunkt der Dinge wieder 66

4.2 KOHLENDIOXID, SPARSAME PKW-DIESELMOTOREN UND RENTABILITÄT Nichtreglementierter Schadstoff Kohlendioxid und Pkw-Dieselmotoren mit Kraftstoffdirekteinspritzung Im Jahr 1986 tauchten in den deutschen Printmedien verstärkt Berichte über einen Klimawandel auf. Die Deutsche Physikalische Gesellschaft sprach in diesem Zusammenhang eine "Warnung vor einer drohenden Klimakatastro­ phe durch den Menschen"67 aus. Die dramatisierte Darstellung der Verände­ rung übernahmen die Medien, wie der Spiegel, noch im August 1986 in ihren Berichten. Auch die Bundesregierung wurde aktiv und beauftragte im Winter 1987 die Enquetekommission Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre mit der Analyse der Sachlage. Die Kommission empfahl, dass der Kohlendioxid­ ausstoß bis 2005 "um 25 bis 30 Prozent"68 gesenkt werden solle. In den folgenden Jahren intensivierte sich die öffentliche Auseinandersetzung über

64 65 66 67 68

Ebd. Vgl. ebd. Vgl. Diesel-Gegner ausgeladen, 20. Weingart, Stunde, 276. Ebd., 277.

4.2 Kohlendioxid, sparsame Pkw-Dieselmotoren und Rentabilität

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den Klimawandel, ehe Mitte der 1 990er Jahre das öffentliche Interesse wie­ der abflaute 69 1989 griff die ADAC Motorwelt das Thema Treibhauseffekt und Auto wiederum auf. Nach ihrer Ansicht musste der Kohlendioxidausstoß der Autos reduziert werden, um den Treibhauseffekt einzudämmen 70 In der gleichen Ausgabe befasste sich die Zeitschrift mit dem Beitrag der Autos zum Kohlen­ dioxidausstoß. Ihrer Argumentation nach störte der vom Menschen verur­ sachte CO -Ausstoß das natürliche Gleichgewicht. Das Treibhausgas Koh­ 2 lendioxid, so die vorherrschende gesellschaftliche Meinung, erhöhe die Wär­ me speicherkapazität der Erdatmosphäre, weshalb sich die Erde erwärmen werde. Einen Beitrag zur Verringerung des Effektes könnten aber die Auto­ fahrer durch den Besitz eines sparsameren Autos leisten. Die Leser wurden informiert, der CO -Ausstoß hänge direkt von der Menge des verbrannten 2 Kraftstoffs ab. Gleichwohl müsse berücksichtigt werden, dass beim Verbren­ nen von einem Liter Dieselkraftstoff etwa 15 Prozent mehr CO entstand als 2 bei einem Liter Benzin. Ein Diesel verbrauche aber bei gleicher PS-Leistung weniger als ein Benziner, und das brachte laut dem ADAC dann doch deutli­ che Vorteile. Allerdings treffe dies nicht für Fahrten unter Volllast zu, da hier Diesel weitaus mehr Kraftstoff benötigten und infolgedessen der Verbrauchs­ vorteil verschwinde 7l Der ADAC formulierte folgende Zielvorgabe: Autos zu bauen, die so sauber wie ein Pkw mit geregeltem Kat waren und gleichzei­ tig nur vier bis fünf Liter auf 100 km konsumierten. Der Autofahrer selbst, so der ADAC, könne seinen Beitrag zur Reduzierung des CO -Ausstoßes leis­ 2 ten, indem er nicht unnötige Strecken mit dem Auto fahre. Überdies wurde ein energie sparender Fahrstil nahegelegt, zu dem bekanntlich der vor allem im Teillastbetrieb genügsame Dieselwagen passte n Im Zuge der aufkeimenden Debatte über den Treibhauseffekt erschienen Diesel-Pkw in einem völlig neuen Licht. Die Automobilindustrie propagierte Dieselautos als effektives Mittel zur Begrenzung des CO -Ausstoßes. Der 2 Leiter des Bereichs Aggregatentwicklung bei VW, Hermann Oetting, erklärte bei der zuvor angesprochenen Tagung des VDI in Wolfsburg, in fünf Jahren werde der Diesel einen wichtigen Beitrag zur Senkung des Kohlendioxidaus­ stoßes leisten 73 Dieses Argument griff der VD A gezielt auf und versuchte dem Diesel über seine Sparsamkeit erneut das Attribut der Umweltfreund­ lichkeit zu verleihen. Als Beleg dienten die offiziellen Verbrauchsmessungen. Sie zeigten auf, dass der Kraftstoffverbrauch der deutschen Autos zwischen

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72 73

Vgl. ebd., 276f. Vgl. Treibhaus, 3. Vgl. Wieviel Schuld hat das Auto, 53; Goblirsch, Rentiert sich jetzt der Diesel, 6 1 . Ähn­ liche Argumente wurden auch später immer wieder präsentiert. V gl. Goblirsch, Sieger, 46-50. Vgl. Wieviel Schuld hat das Auto, 53. Vgl. Linke, Abgastrübung, 53.

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1978 und 1986 kontinuierlich gesunken war. Die Abnahme beruhte laut VDA vor allem auf der stärkeren Verbreitung von Dieselautos. Das kehrte sich je­ doch mit deren Absatzeinbruch im Jahr 1987/88 um. Im Jahresbericht Auto 89/90 nahm der Verband dazu wie folgt Stellung und argumentierte, dass der Verbrauchsanstieg von 1987 bis 1989 "durch Einführung der gemischgere­ gelten Katalysatortechnik und die Diskriminierung der Dieselfahrzeuge"74 hervorgerufen worden sei. Der Jahresbericht der Automobilindustrie nannte den Dieselmotor weiterhin die sinnvollste Strategie zur Erzielung von Ver­ brauchseinsparungen. Deswegen müsse er erneut gesellschaftsfahig gemacht werden 75 Die Automobilindustrie und die Automobilzeitschriften waren sich jetzt also in ihrem positiven Urteil über das Dieselauto einig. Die Entwick­ lung wurde vom Konzept der sparsamen direkteinspritzenden Pkw-Diesel­ motoren weiter vorangetragen. Noch war diese Technologie jedoch nicht se­ rienreiU6 Es dauerte schließlich bis 1988, ehe Fiat im Modell Croma den ersten direktein spritzenden Dieselmotor im Pkw anbot. 77 Auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) 1989 in Frankfurt zog Audi nach und präsen­ tierte nach 13 Jahren Entwicklungszeit ebenfalls einen Pkw-Dieselmotor mit Direkteinspritzung. Mit seinem sparsamen Verbrauch, seiner Motorleistung und bedingt auch mit seiner Laufruhe erfüllte er die Wünsche der Autofah­ rer.78 Der große Audi 100 fuhr nach Darstellung der Automobilzeitschriften damit genauso sparsam wie ein Golf Diesel. Dafür waren gleichzeitig mit 1 20 PS Leistung und einem Drehmoment von 265 Nm eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in weniger als zehn Sekunden sowie eine Höchstge­ schwindigkeit von 200 km/h möglich 79 "Da fallt es schwer, unter der Mo74 75 76 77

78 79

Verband der Automobilindustrie, Jahresbericht (1990), 72. VgI. ebd., 71-74. VgI. Hätten Sie's gewußt, Herr Diesel, 28ff. VgI. Sauer, Spritzer, 22. Ford hatte zuvor bereits einen 2,5-Liter-Motor mit Kraftstoff­ direkteinspritzung im Lieferwagen Transit angeboten. V gl. König, Kammerjäger (1984), 78. VgI. Hack, Direttissima, 96ff. VgI. ebd., 98. Um die Vorgaben der Motorenentwickler zu erreichen, stiegen bei der Direkteinspritzung die Anforderungen an die Hersteller der Kraftstoffpumpen. Die von Bosch konstruierte Pumpe erreichte Spritzdrücke von max. 900 bar, dem beinahe drei­ fachen Wert der Pumpen bei indirekt einspritzenden Dieselmotoren. Gleichzeitig war die Einspritzmenge um 20 Prozent niedriger. V gI. ebd. Zur Vorstellung des Audi 100 vgI. Direkt wenig, 41. Details zum Motor finden sich in folgenden Artikeln: Basshuy­ sen/Stock, Audi-Turbodiesel, 43-47; Basshuysen u.a., Audi Turbodieselmotor mit Di­ rekteinspritzung. Teil 1 , 458-465; Basshuysen u.a., Audi Turbodieselmotor mit Direkt­ einspritzung. Teil 2, 566-573; Basshuysen u.a., Audi Turbodieselmotor mit Direktein­ spritzung. Teil 3, 4-1 1 . Eine ausführliche Darstellung über Akustik und Vibrationen des Motors sowie deren Reduktion findet sich bei Basshuysen u.a., Akustik, 14-21. Zur Vorgeschichte eines direkteinspritzenden Dieselmotors im Pkw vgl. Basshuysen u.a., Entwicklung, 289-295. Für die überarbeiteten schadstoffarmen Motoren vgI. Bauder

4.2 Kohlendioxid, sparsame Pkw-Dieselmotoren und Rentabilität

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torhaube einen Diesel zu vermuten"SO, urteilte infolgedessen der Journalist Hack. Die Direkteinspritztechnologie bei den Verbrennungsmotoren garantierte nach Auto Motor und Sport einen sparsameren Verbrauch, was wiederum die Umwelt infolge der niedrigeren Kohlendioxidemissionen schone. Verbrauchs­ einsparungen waren für Auto Motor und Sport oberstes Gebot, um dem Treib­ hauseffekt zu begegnen. In diesem Zusammenhang wurden Dieselautos von Automobilherstellern, Politikern und Automobilzeitschriften gleichermaßen wegen ihrer Sparsamkeit angepriesen 81 Den in Serie gefertigten Audi 100 TDI stellte Auto Motor und Sport schließlich Anfang 1990 vor. Der Wagen sollte zum "Sparchampion der obe­ ren Mittelklasse werden"s2 ohne Einbußen am Fahrspaß. Wolfgang König proklamierte, im Kampf gegen den Treibhauseffekt ist der Diesel des Autofahrers bester Freund. Weil er weniger fossile Energie verbrennt als jede andere Maschine vergleichbarer Leistung, erzeugt er bekanntlich auch weniger treibhausfördemdes CO2 (Kohlendioxid). Schon bald könnten wir ihn deshalb bitter benötigen. 83

Diesel-Pkw mit Kraftstoffdirekteinspritzung galten fortan als die "sparsa­ men" Diesel und wurden in den Automobilzeitschriften auch so in Szene ge­ setzt, wie im Januar 1994 in der ADAC Motorwelt, wo Journalisten von einer Rekordfahrt mit einem in Serie gefertigten Audi 80 TDI berichteten. Sie leg­ ten mit einer Tankfüllung eine Distanz von 2.021,3 km zurück, was einem Verbrauch von 3,39 Litern auf 100 km entsprach 84 Unter alltäglichen Be­ dingungen im Straßenverkehr ließ sich ein solcher Verbrauchswert sicherlich nicht erreichen, dessen war sich der ADAC durchaus bewusst. Er hielt seine Leser aber auf jeden Fall zu einer sparsamen Fahrweise an und gab hierfür Tipps. Allgemein sollte vorausschauend gefahren werden. Im Stadtverkehr empfahl es sich, niedertourig im 4. oder 5. Gang zu fahren. Es sollte früher hochgeschaltet und im Verkehr bei niedriger Drehzahl mitgeschwommen werden, was gerade der Dieselmotor mit seinem bereits bei niedriger Dreh­ zahl verfügbarem Drehmoment erfüllte 85 Im Laufe der 1 990er Jahre setzten neben Audi und Fiat noch weitere Hersteller auf das wegen seiner Sparsam­ keit geschätzte Prinzip der Kraftstoffdirekteinspritzung beim Diesel-Pkw. Ihr

80 81 82 83 84 85

u.a., Audi Turbodieselmotor, 354-360; DemellBauder, Direkteinspritz-Dieselmotor, 2lff.; Demel u.a., Audi Turbodieselmotor, 420-428. Hack, Direttissima, 98. Vgl. Direkt in die Zukunft, 83-86. König, Fahr, 26. Ebd., 27. Vgl. Stratrnann, Weg, 22. Vgl. ebd., 22-25. Weitere Tipps lauteten, man solle bei längeren Wartezeiten den Motor abstellen bzw. mit korrektem Luftdruck oder 0,2 bar zu viel in den Reifen fahren.

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Die Rückkehr der Dieselautos, 1989-2005

Marktanteil bei den verkauften Dieselautos stieg von 26 Prozent 1994 auf 44 Prozent 1997 an 86 Von 1989 an wurde der vom Menschen verursachte Kohlendioxidausstoß verstärkt im öffentlichen Diskurs thematisiert, weil er als eine der Hauptursa­ chen für den Treibhauseffekt erkannt worden war. Eine Reglementierung des CO -Ausstoßes folgte aber nicht. Vielmehr galt es, den Kohlendioxidausstoß 2 freiwillig zu reduzieren. Insbesondere den Dieselmotor präsentierten die Au­ tomobilzeitschriften und die Automobilhersteller in diesem Zusammenhang als Lösung. Beim Aufkommen der Partikeldebatte um das Jahr 1987 hatten die Vertreter der Automobilindustrie das Dieselauto aufgrund seiner Ver­ brauchsvorteile als umweltfreundlich dargestellt, doch erst jetzt erlangten sie zusehends die Deutungshoheit in der öffentlichen Diskussion. Die Debatte über den Treibhauseffekt rückte die Partikel- und Krebsdebatte allmählich in den Hintergrund, da insbesondere mit den Kat-Dieselwagen "saubere" und mit der Kraftstoffdirekteinspritzung sparsame Dieselautos auf dem Markt er­ hältlich waren. Letztere priesen die Zeitschriften als Lösung für den vom Menschen ver­ ursachten Treibhauseffekt an. Entscheidend war bei der Dieselmotortechno­ logie, dass sie bei den vier Bewertungskriterien für die Qualität eines Motors, Leistung, Laufkultur, Abgasemissionen und vor allem Verbrauch, durchweg überzeugte. Nach Meinung der Automobiljournalisten kombinierte ein Die­ selauto mit Kraftstoffdirekteinspritzung hohe Motorleistung, angenehmes Laufgeräusch, niedrige Schadstoffemissionen und niedrigen Verbrauch. Da­ durch lieferte es seinen Besitzern viel Fahrfreude. Sparsamkeit durfte jedoch nicht auf Kosten von Motorleistung und Laufkultur erreicht werden. Selbst als die Debatte über den Treibhauseffekt an Eigendynamik gewann, blieb der Wunsch der Autofahrer nach einem "starken" und "laufruhigen" Motor, der zusätzlich noch sparsam war, bestehen. Genau das versprachen Dieselmoto­ ren mit Kraftstoffdirekteinspritzung. Es war für die Dieselautos von Vorteil, dass der Kraftstoffverbrauch in Litern und nicht in Kilogramm gemessen wurde. Dadurch erschien das Einsparpotenzial der Diesel gegenüber den Benzin-Pkw größer, als es tatsächlich war, und verbreitete die Rationalitäts­ fiktion vom sparsamen Diesel-Pkw weiter.

Die Relevanz von niedrigem Kraftstoffverbrauch und Kostenkalkulation In Deutschland bekam im Zuge der öffentlichen Debatte über den Treibhaus­ effekt der Faktor Sparsamkeit beim Automobil erneut eine soziale Dimen­ sion. Da die Debatte über Kohlendioxidausstoß und Klimaveränderung die

86

Vgl. Leyrer, Leisewagen, 39.

4.2 Kohlendioxid, sparsame Pkw-Dieselmotoren und Rentabilität

201

Öffentlichkeit bewegte, untersuchte Auto Motor und Sport im Jahr 1990, wie viel Kraftstoff Autos im Alltagsbetrieb verbrauchten, wie sich das vom DIN­ Verbrauch unterschied und ob ein sparsames Auto auch Fahrspaß vermitteln konnte. In die richtige Richtung zu noch sparsameren Autos, so Auto Motor und Sport, weise der vorgestellte direkteinspritzende Dieselmotor im Audi 100 TDr. Daneben gebe es aber noch weitere Autos, die als sparsam galten. Die Zeitschrift bewertete die nach Werksangaben sparsamsten Autos der je­ weiligen Klasse; sechs mit Diesel- und fünf mit Ottomotor. Vor Testbeginn stand fest, dass die DIN-Werte "unverbesserliche Tiefstapler"87 seien, weil dort der Verbrauch bei konstanter Geschwindigkeit ermittelt würde 88 Trotz allen Lobes für den sparsamen Kraftstoffverbrauch betonte Sauer in Auto Motor und Sport, dass die Fahrer ein Sparen "durch Kastrieren der Fahrleistungen"89 eindeutig ablehnen würden. Sparsamkeit um jeden Preis konnte also nicht begeistern. Gleichwohl gewann Sparsamkeit um 1 989/90 gesellschaftlich an Bedeu­ tung. Das beruhte einerseits auf ökonomischen Aspekten, andererseits wurde es aber auch ganz eindeutig wegen der "Verantwortung gegenüber Umwelt und Energievorräten"90 relevant. So sollte nach Darstellung von Clauspeter Becker in Auto Motor und Sport das Automobil seine Zukunft selbst sichern: Das gründlich aufgeweckte Umweltbewußtsein der Autofahrer wird den Trend zum sparsameren Auto flankieren. So wie es heute schon mit einem sozialen Makel behaftet ist, eine Dreckschleuder ohne Katalysator zu fahren, kann es morgen gesellschaftlich nicht mehr vertretbar sein, ein Auto mit hohem Verbrauch und entsprechendem Ausstoß an CO2 zu fahren und den Treibhaus-Effekt zu verstärken 91

Da das Auto mittlerweile in der Kritik stand, hoffte Becker, durch Sparsam­ keit und niedrigeren Kohlendioxidausstoß könne eine drohende Einschrän­ kung der Nutzung des Autos abgewendet werden. Auch vermutete er, dass ein hoher Kraftstoffverbrauch eine soziale Ächtung erfahren werde. Der Au­ tor ging sogar so weit zu fragen, ob ein Wertewandel, der Sparsamkeit zum Ideal machte, möglich sei. Nach Becker musste dafür vor allem das vorherr­ schende Ideal der Sportlichkeit durch Sparsamkeit abgelöst werden. Als ei­ nen ersten Schritt in diese Richtung betrachtete er die freiwillige Verpflich­ tung der Hersteller, den Kohlendioxidausstoß bis 2010 um 25 Prozent zu sen­ ken n 87

88 89 90

91 92

Sauer, Tropfen, 86. Erst um 1998 änderte sich die Einstufung der offiziellen Testzyklen, denn laut ADAC sei der Neue Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) äußerst praxisnah. V gl. Goblirsch, Wer schluckt arn wenigsten, 40. Vgl. Sauer, Tropfen, 84ff. Ebd., 90. Becker, Sparsamkeit, 41. Zwei Jahre später machte Sparsamkeit laut Klaus Westrup nicht nur ökonomisch Sinn, sondern galt als "eine ökologische Mission". Vgl. Westrup, Liter-Leistung, 189. Becker, Sparsamkeit, 4 1 . Vgl. ebd., 4lf. Später sollte dieses Ziel bereits 2008 erreicht werden. Vgl. Goblirsch,

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Die Rückkehr der Dieselautos, 1989-2005

Der direkteinspritzende Diesel galt wegen seiner Sparsamkeit als zu­ kunftsweisende Technologie. Der Entwicklungschef bei Mercedes-Benz, Wolfgang Peter, sah den Diesel ebenfalls als Möglichkeit, den Kraftstoffver­ brauch und den CO -Ausstoß zu verringern 93 Zum gleichen Urteil kamen in 2 Interviews mit Auto Motor und Sport der Hauptabteilungsleiter für den Die­ sel-Versuch bei Mercedes-Benz, Fortnagel, und der Entwickler des direktein­ spritzenden Dieselmotors bei Audi, Richard van Basshuysen 94 1992 dachte auch Bundesumweltminister Klaus Töpfer über ein Gesetz nach, welches Autos einen maximalen Verbrauch von fünf Litern pro 100 km vorschrieb. Dadurch sollten die Kohlendioxidemissionen verringert und gleichzeitig die Erdölvorräte geschont werden. Die Umsetzung galt aber vorab als äußerst schwierig. In der Europäischen Gemeinschaft stand selbst ein Verbrauchslimit von fünf Litern zur Diskussion, das jedoch auf dem ab 1993 gültigen EG-Fahrzyklus und nicht auf dem leichteren DIN-Drittelmix beruhte. Auch auf technischer Seite traf man auf Skepsis. Das wurde den Le­ sern der Automobilzeitschriften ausführlich erklärt. Für die Ingenieure sei die Entwicklung eines Fünfliterautos an sich schon schwierig, so Hack, da die Ansprüche der Autofahrer an Komfort und Sicherheit gestiegen seien 95 Das Entwicklungsziel Sparsamkeit durfte nach dieser Argumentation nicht auf Kosten von Annehmlichkeit, Sicherheit und insbesondere von Motorleistung gehen. Nach Ansicht des Ingenieurs und Vorstandsvorsitzenden der Audi AG sowie designierten Vorstandsvorsitzenden von VW, Ferdinand Piech, galt, ,, [d]ie Leute wollen keine kleineren Autos, sondern sparsamere."96 Damit schloss er eine Reduzierung der Wagengröße und des Gewichts aus, was eine Möglichkeit gewesen wäre, den Verbrauch zu senken. Einen erneuten Überblick über die sparsamen Autos lieferte Auto Motor und Sport seinen Lesern 1992. Bei den Kleinwagen und in der Kompakt­ klasse waren vier von fünf Autos Dieselmodelle; bei der unteren und oberen Mittelklasse waren alle fünf Dieselautos; in der Oberklasse war immerhin der Mercedes-Benz 300 SD als Diesel vertreten und erreichte als einziger Wagen seiner Klasse einen Verbrauch von weniger als zehn Litern 97 Bis 1994 än­ derte sich nichts an der Dominanz der Dieselautos. Die Einschätzung galt für Kleinwagen und Luxusautos gleichermaßen, denn fünf der acht sparsamsten Autos aus den verschiedenen Wagenklassen waren Diesel-Pkw 98 Den Die­ sel-Pkw schrieb die Öffentlichkeit die Rationalitätsfiktion, sparsam zu sein

93 94 95 96 97 98

Wer schluckt am wenigsten, 40. Vgl. Becker, Sparsamkeit, 42f. Vgl. Das Drei-Liter-Auto wird ein Diesel sein, 48; Ein schöner Motor ist der Diesel trotzdem, 32f. Vgl. Hack, Make Five, 78ff. Ebd., 80. Vgl. Westrup, Liter-Leistung, 188-192. Vgl. Leyrer, Und so weiter, 24-29.

4.2 Kohlendioxid, sparsame Pkw-Dieselmotoren und Rentabilität

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zu, wobei sie nicht notwendigerweise einen Dieselmotor mit Direkteinsprit­ zung haben mussten, um das Prädikat verliehen zu bekommen. Neben der Frage der Sparsamkeit blieb im Zeitraum von 1989 bis 1997 die Rentabilitätsfrage ebenfalls omnipräsent. Sie ließ sich nicht eindeutig be­ antworten. Die Autofahrer konnten aufgrund der sich in regelmäßigen Ab­ ständen ändernden Bestimmungen kaum mittel- oder langfristig planen. "Was der Gesetzgeber zur Zeit mit dem Diesel macht, ist ein Skandal"99, urteilte 1994 der VW-Entwicklungsvorstand, Rerbert Schuster, in einem Interview in Auto Motor und Sport. Nach seiner Einschätzung müssten verbrauchsgüns­ tige Autos, welche einen Betrag zum Umweltschutz leisteten, eigentlich steu­ erlich gefördert werden lOO Er bezog sich keinesfalls auf die "Töpfer-Norm", welche eine steuerliche Erleichterung für besonders schadstoffarme Diesel­ autos bringen sollte, sondern auf die sukzessive Anhebung der Kfz-Steuer für Dieselautos. Demgegenüber wurde bei Ottokraftstoffen die Mineralölsteuer angehoben, ein Schritt, der beim Dieselkraftstoff nicht bzw. nur in geringe­ rem Umfang vollzogen wurde lOl Die höhere Kfz-Steuer ließ die Fixkosten ansteigen und machte Dieselautos eigentlich für die Masse der Autokäufer ab dem Jahr 1989 unattraktiver, weil 1 2.000 km pro Jahr gefahren werden muss­ ten, um allein die im Mittel 500 DM teurere Kfz-Steuer zu kompensieren.I02 Die Beurteilung der Diesel änderte sich 1997, denn laut Bundesverkehrsmi­ nisterium und Bundesumweltministerium war nun die Förderung der Diesel­ autos vonseiten der Politik explizit gewollt. Auslöser war ein von der Auto­ und Ölindustrie zusammen mit der EU-Kommission erarbeitetes Programm, das für eine finanzielle Förderung von Dieselwagen eintrat, weil es, so ihre Argumentation, wesentlich kostspieliger sei, einen Dieselmotor schadstoff­ arm zu machen als einen Ottomotor 103 Für die Autofahrer bedeuteten die Veränderungen, dass die anfallenden Kosten zwischen ca. 1989/90 und 1997 - wenn überhaupt - nur schwer kal­ kulierbar waren. Die Situation gestaltete sich unübersichtlich, weil die Verän­ derungen vorab nicht antizipiert werden konnten. Das spiegelte sich auch in den zahlreichen Artikeln der Automobilzeitschriften wider. Kennzeichnend ist, dass sich die Unübersichtlichkeit in einer Vielzahl von Informationen äu­ ßerte, die manchmal durchaus widersprüchlich waren. Es galt also, zahlrei­ che, sich ständig verändernde Aspekte zu beachten und zugleich zu wissen, welches Dieselauto denn tatsächlich sparsam im Verbrauch und günstig bei

99 Herbert Schuster zit. n.: Was der Gesetzgeber mit dem Diesel macht ist ein Skandal, 2 1 . 100 Vgl. ebd. 101 Für eine Zusarmnenfassung der Entwicklung der Kfz- und Mineralälsteuer bis 1997 vgl. Kunert, Kfz-Steuerreform, 63 1 . 102 Vgl. ebd., 627. Für eine Berichterstattung zur Kfz-Steuer 1997 in der ADAC Motorwelt vgl. Der Schlüssel zum Sparen, 74-79; Ökosteuer. Bonn bessert nach, 24; Ökosteuer. Was Bonnjetzt plant, 48f.; Ökosteuer. Was Sie jetzt wissen, 52-57. 103 Vgl. Die neuen Diesel fahren gut, 76f.; Kunert, Kfz-Steuerreform, 63lf.

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Die Rückkehr der Dieselautos, 1989-2005

den Kosten war. Hilfestellung boten hierbei die Aufschlüsselungen der Auto­ mobilzeitschriften.104 "Wer nur auf den Tankstellenpreis schielt, macht eine Milchmädchen­ rechnung auf'IOS, schlussfolgerte der ADAC 1991 aus seinen Berechnungen. Nach diesen Kalkulationen rentierten sich Dieselautos für "Familienväter"I06 mit einer Jahreskilometerleistung von 1 2.000 km bis 15.000 km in der Regel nicht. Dafür waren Diesel für Vielfahrer, die auf bis zu 30.000 km pro Jahr kamen, durchaus rentabel. Gerade diesen Fahrern empfahl der ADAC aber, die Trägheit der Dieselwagen zu berücksichtigen. Folglich durften sie nicht allein die Preise in die Rechnung einfließen lassen, sondern mussten auch die technischen Eigenschaften der Diesel beachten. Beim Fazit des ADAC waren nicht nur Kostenpunkte ausschlaggebend. Für die Mehrzahl der Autofahrer besagten die Rationalitätsfiktionen, dass Dieselautos zwar sparsam dafür aber nicht rentabel seien. Mit der Rationali­ tätsfiktion krebserregend zu sein, kam ein weiterer entscheidender Grund in der Beurteilung hinzu, der gegen den Kauf eines Diesels sprach. Letzteres wurde auch den Vielfahrern nahegelegt. Für sie waren Dieselautos zwar durchaus rentabel, doch gerade wegen ihrer hohen Jahreskilometerleistung gaben die Diesel wesentlich mehr der schädlichen Rußpartikel an die Um­ welt ab. Deswegen empfahl der ADAC, den Faktor "Umweltfreundlichkeit" stärker als die "Kosten" zu gewichten. Selbst der im Vergleich zum Benzin­ Pkw niedrigere Kohlendioxidausstoß wog das - zumindest 1991 - noch nicht auf. Der ADAC gewichtete in seinem Urteil die Umweltfreundlichkeit also durchaus stärker als eine ökonomische Rentabilität. Das galt für Wenig- und Vielfahrer gleichermaßen. Ersteren riet der Automobilclub vom Diesel ab, weil sie weder umweltfreundlich noch rentabel waren. Letzteren legte er den Kauf eines Benzin-Pkw nahe, weil die Diesel zwar rentabel waren, dafür aber die Umwelt wesentlich stärker verschmutzten. Gleichwohl ist auch in der ADAC Motorwelt eine Tendenz zur wohlwollenderen Haltung gegenüber den Diesel-Pkw zu erkennen, je weiter die Partikeldebatte zurücklag. Auto Motor und Sport war diesbezüglich durchweg weniger kritisch.

104 V gl. Goblirsch, Rentiert sich jetzt der Diesel, 56-6 1 . Ausgeklannnert wurden bei der Kalkulation der Wertverlust der Wagen, Reparaturkosten, Inspektionsintervalle sowie Ölverbrauch, weil darüber keine exakten Aussagen gemacht werden konnten. 105 Ebd., 6 1 . 106 Ebd.

4.3 Der Leistungssprung der Dieselmotoren seit 1997

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4.3 DER LEISTUNGSSPRUNG DER DIESELMOTOREN SEIT 1997 1997 traf das Vorurteil vom trägen, rußenden und lauten Dieselauto nicht mehr zu. Die Zeiten, als Dieselautos die Überholspuren auf den Autobahnen über viele Kilometer hinweg blockierten und von den Besitzern eines Ben­ zin-Pkw als "Heizöl-Ferrari"lo7 beschimpft wurden, waren laut Auto Motor und Sport vorbei. Vielmehr schätzte eine wachsende Zahl von Dieselenthusi­ asten die Motoren wegen ihres flach verlaufenden und starken Drehmoments. Dadurch fuhren die Dieselautos wesentlich elastischer als Autos mit Ottomo­ tor. Mitunter empfanden Autofahrer den Dieselmotor mittlerweile sogar als den besseren Motor. 1998 mutmaßte der Journalist König in Auto Motor und Sport, dass zukünftig wesentlich mehr Autofahrer einen Diesel wählen wür­ den, weil die Diesel den Benzinern mittlerweile in allen Belangen entweder ebenbürtig seien oder gelegentlich sogar besser abschneiden würden. lOS Die gewandelte Wahrnehmung beruhte vor allem auf den technischen Verbes­ serungen, welche in den Jahren zuvor erzielt worden waren. Dazu zählten die Kraftstoffdirekteinspritzung, die Common-Rail-Dieselmotoren und das Pumpe-Düse-Konzept von Volkswagen.

Common-Rail- und Pumpe-Düse-Technologie und das Leistungsrennen am Beispiel der V8-Dieselmotoren "Der Sprung in die Zukunft"109 kam nach Meinung der Automobilzeitschrif­ ten mit der Einführung der Common-Rail-Technologie im Personenwagen. Bei dieser Technologie wurde der Kraftstoff aus einer Speicherleitung mit einem Druck von 1.300 bar in die Zylinder gespritzt llO Bereits 1993 unter107 Besten Tank, 69. Der ADAC argumentierte fünf Jahre später ähnlich und sagte, dass die drei "L" (laut, lahm, luftverschmutzend) weitgehend überwunden worden seien. Vgl. Allgemeiner Deutscher Automobil Club, Diesel gegen Benziner (2002), 1 . 108 Vgl. König, Du darfst, 34-40. 109 Der Sprung in die Zukunft, 23. Neben dem Mercedes kam der Alfa Romeo 156 eben­ falls mit einem Common-Rail-Dieselmotor auf den Markt. V gl. Backhaus, Alfa Romeo 156, 220ff. Zur Common-Rail-Einspritztechnologie bei Mercedes vgl. Hoffmann u.a., Common-Rail-Einspritzsystem, 572-582; KlingmannlBrüggemann, Vierzylinder-Die­ selmotor, 652-659; PeterslPütz, Vierzylinder-Dieselmotor, 760-767. Für die Common­ Rail-Motoren von Fiat vgl. Maiorana u.a., Common-Rail-Motoren, 582-588. 110 Um das Jahr 2003 war der Einspritzdruck mittlerweile auf 1 .600 bar angestiegen und es war noch eine weitere Erhöhung auf 1 .800 bis 2.000 bar geplant. Zur schnellen und genauen Dosierung der Kraftstoffeinspritzung wurde ein physikalisches Phänomen nutzbar gemacht, das von Pierre und Jacques Curie im Jahr 1880 entdeckt worden war; der piezoelektrische Effekt. Ein anfangs nach außen elektrisch neutraler Kristall, wie Quarz, wird gedrückt und so das Kristallgitter verformt. So kommt es zu einer Verschie­ bung der Ionen, was elektrische Spannung entstehen lässt. Umgekehrt kann auch Span-

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Die Rückkehr der Dieselautos, 1989-2005

suchte Daimler-Benz, welche Dieseltechnologie die größten Zukunftschan­ cen hatte. Bedingung war, dass zwischen Diesel- und Ottomotoren eine mög­ lichst große Vereinheitlichung der Produktion erzielt werden sollte. Als Ent­ wicklungskonzepte standen damit zur Auswahl: magnetventilgesteuerte Pumpe-Düse, magnetventilgesteuerte Verteilerpumpe oder ein Common­ Rail-Einspritzsystem. Am besten geeignet erschien Letzteres, weil es den besten Geräuschkomfort, was für Mercedes Kunden als äußerst wichtig er­ achtet wurde, sowie gute Abgaswerte erzielte.!!! Für den Verantwortlichen bei der Dieselmotorentwicklung von Daimler­ Benz, Rainer Bachschmid, war klar, die Zukunft lag bei der Common-Rail­ Einspritzung. An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass der weltweit erste Common-Rail Diesel-Pkw von der Fiat Tochter Alfa Romeo stammte und nicht von Daimler-Benz. Die Technologie war vom Fiat Kon­ zern in Zusammenarbeit mit Magneti Marelli und der Fiat Tochter Elasis 1993 entwickelt worden. Die Serienreife wurde erst erlangt, als Bosch die Firma Elasis übernahm und sein Know-how einbrachte.112 Als Gert Hack im Winter 1997 in Auto Motor und Sport den neuen Mer­ cedes-Benz C 220 CDr vorstellte, vermerkte er, durch die Common-Rail­ Technologie fuhren "Dieselmotoren wieder auf der technologischen Über­ holspur. "113 Der Fahrer spürte nach Darstellung der Automobilzeitschriften den Vorteil der neuen Dieseltechnologie unmittelbar beim Anlassen. Hack vermerkte, dass der Motor problemlos starte und "sofort in einen niedertouri­ gen vibrationsarmen Leerlaufd!4 übergehe. Der Dieselmotor des C 220 CDr erreichte eine Nennleistung von 125 PS bei 4.200 U/min. Schon bei 1 . 800 Umdrehungen stand sein maximales Dreh-

III 112 113 114

nung angelegt und so das Kristall verformt werden. Nach Meldung von Auto Motor und Sport fand dieses Konzept erstmals 2001 beim Motor des Peugeot 307 HDi Anwen­ dung. Über Piezo-Injektoren von Siemens VDO Automotive wurde die Kraftstoffein­ spritzung gesteuert. Nach Ansicht von Auto Motor und Sport schöpfte der Peugeot­ Motor das Potenzial der Piezo-Technologie noch nicht voll aus, denn es sei möglich, statt einer Vor- und der Haupteinspritzung, wie beim Peugeot, bis zu fünf Einspritzvor­ gänge pro Zyklus zu initiieren. Würden zwei Voreinspritzungen verwendet, ließe sich das Laufgeräusch des Motors verbessern, die mechanische Belastung reduzieren und in Kombination mit einer Nacheinspritzung die Abgasemissionen senken. Vgl. Stappen, Druck-Welle, 38f. In der dritten Generation der Common-Rail Einspritztechnologie bot auch Bosch erstmals statt der Magnetventile Piezo-Injektoren an. Vgl. Hack, Spritzen­ Job, 52ff. Zu den Piezo-Inline-Injektoren von Bosch vgl. Hummel u.a., Generation, 180-189. Einen Einblick in die Entwicklung von Siemens VDO findet sich bei Egger u.a., Common-Rail-Einspritzsystem, 696-704. Eine weitere Erläuterung der Technolo­ gie findet sich bei Bartsch, Einspritzdüsen, 22f.; Basshuysen, Effekt, 789. Vgl. Hoffrnann u.a., Common-Rail-Einspritzsystem, 572ff. Vgl. Hack, Druck-Erzeugnisse, 38. Ähnlich bei Kaiser, Bosch, 9lff.; Kash/Auger, Craftsmen, 30f. Hack, Rail-Way, 30. Ebd.

4.3 Der Leistungssprung der Dieselmotoren seit 1997

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moment von 300 Newtonmetern zur Verfügung und blieb auf diesem Niveau konstant bis 2.600 Umdrehungen. Das Drehmoment des 2,2-Liter-Motors mit CDI-Technologie entsprach dem des 2,9-Liter-Fünfzylinderottomotors der E­ Klasse und lag doppelt so hoch wie beim 2,2-Liter-Saugdieselmotor. Der Dieselfahrer konnte seinen Wagen schnell fortbewegen und musste dabei nur selten Schalten. Der Motor zog also selbst im höchsten Gang noch kräftig an und beschleunigte den Mercedes zügig auf die Höchstgeschwindigkeit von 198 km/h. Gleichzeitig wurde beim Euro-Test ein Verbrauch von 6,1 Litern ermittelt, was für ein 1.415 kg schweres Automobil als "günstiger Wert"115 galt 116 Von 1989 bis 1997 hatten die TDI-Diesel als die wirtschaftlichen, sparsa­ men und leistungsstarken Dieselmotoren gegolten, doch 1 997/98 lösten sie die Common-Rail-Motoren von Mercedes-Benz und Alfa ab. Die Autofahrer erkannten diese neuen Motoren an den Kürzeln CDI (Common-Rail Direct Injection) bzw. JTD (Unijet Turbodiesel), die am Heck der jeweiligen Wagen angebracht waren. Auto Motor und Sport fasste den Übergang von den TDI­ zu den Common-Rail-Motoren wie folgt zusammen: "Plötzlich wirken die eben noch als revolutionär geltenden TDI-Motoren wie Relikte aus der auto­ mobilen Uhrzeit: laut und lahm."1l7 Zwischen den Common-Rail Diesel- und Ottomotoren gab es bei der Laufkultur nur noch kleine Unterschiede. Ihren Fahrer überzeugte die neue Dieselmotorengeneration "mit bulliger Kraft­ entfaltung"118 und mit sauberen Abgasemissionen sowie geringem Kraft­ stoffverbrauch.ll9 Im Lob der Testfahrer wog die Motorleistung mit Sicher­ heit am meisten, gefolgt von einer hohen Laufruhe und einem niedrigen Ver­ brauch. Die Abgaszusammensetzung spielte bei der Bewertung keine Rolle. Einen allgemeinen Einblick, wie sich das Fahrgefühl der Diesel zum Po­ sitiven gewandelt hatte und wie es mit dem individuellen Fahrverhalten der Autofahrer harmonierte, liefert ein Artikel aus der Zeitschrift SZ Wissen aus dem Jahr 2005. Laut dem Leiter der Antriebsforschung von Volkswagen, Wolfgang Steiger, sei bei der Konzeption der modernen Motoren geplant ge­ wesen, dass die Motoren bereits bei niedriger Drehzahl eine enorme Kraft­ entfaltung entwickelten. Ein Wagen, der "schaltfaul" und niedertourig gefah­ ren wurde, war nach seiner Argumentation nicht nur aus Verbrauchsaspekten zu favorisieren, sondern auch für den Verkehrsfluss die bessere Option. Auch verdeckte diese Charakteristik, wenn der Autofahrer beim Schalten den fal­ schen Gang wählte oder den optimalen Schaltzeitpunkt verpasste, da der Die­ selmotor stets die gewünschte Beschleunigung lieferte. Ein Ottomotor be­ strafte dagegen solche Fahrfehler, da der Motor nicht schon bei 2.000 Um115 116 117 118 119

Ebd. Vgl. ebd. Fischer, Meister, 36. Ebd. V gl. ebd.

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Die Rückkehr der Dieselautos, 1989-2005

drehungen sein Drehmoment entfaltete, sondern erst bei 4.000 Umdrehun­ gen.120 Um die gesellschaftliche Akzeptanz der Diesel weiter zu steigern, müssten sich die Fahrer bei "Tresengesprächen" nicht mehr über PS und Zy­ linderzahl unterhalten, sondern über Drehmoment. Steiger wurde mit den Worten zitiert: "Drehmoment ist das, was die Leute eigentlich wollen, es ist für die Beschleunigung verantwortlich."121 Folglich durften nicht mehr die Pferdestärken als Leistungsnachweis dienen, sondern das wuchtige Drehmo­ ment sollte die Güte eines Dieselautos dokumentieren. Es müsste also ein Wandel bei den Bewertungskriterien der Autos Einzug halten. Gleicherma­ ßen steht obige Aussage auch dafür, dass die Leute primär eine hohe Motor­ leistung bzw. ein schwungvolles Beschleunigungsverhalten faszinierte. An­ dere Verbesserungen, wie eine Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und der Abgasemissionen, konnten die Autofahrer dagegen weitaus weniger begeis­ tern. Verhalten fielen die Emotionen aus, wenn einer der beiden Aspekte auf die Motorleistung eines Autos drückte. Nach Ansicht der Autofahrer und der Hersteller durften sauberere Emissionen auch nicht zulasten des Verbrauchs gehen. Die Krebsdiskussion der frühen 1 990er Jahre war dagegen endgültig verebbt. Ein weiteres Hochdruckeinspritzsystem war das von Volkswagen angebotene Pumpe-Düse-Konzept, das mit Einspritzdrücken von bis zu 2.000 bar operierte. 122 Die Auto Zeitung verglich im Jahr 2002 beide Systeme auf ihre Vor- und Nachteile. Für die Pumpe-Düse-Technologie sprach die kompakte Bauweise, weil so keine Druckleitungen verlegt werden mussten. Auch arbeitete das System mit sehr hohen Drücken, die eine extrem feine Kraftstoffzerstäubung garantierten. Dadurch waren die Pumpe-Düse-Motoren sparsam und spontan im Ansprechverhalten. Eine bessere Zerstäubung des Kraftstoffs senkte zu­ dem den Schadstoffausstoß. Allerdings liefen Pumpe-Düse-Motoren wesent­ lich lauter als Common-Rail-Motoren und waren gerade bei der Herstellung von Motoren mit sechs bzw. mehr Zylindern erheblich teurer. Da bei den Common-Rail-Motoren nicht die gleichen Einspritzdrücke wie bei der Pumpe-Düse-Technologie erreicht wurden, zerstäubte hier der Kraftstoff nicht genauso fein, wodurch die Verbrennung nicht ebenso effizient verlief. Dafür war der Systemdruck drehzahlunabhängig und die Dosierung der Kraftstoffeinspritzung fein abstimmbar. Zudem verbesserte eine Mehrfach­ Voreinspritzung die Laufkultur des Motors 123 Andere Automobilhersteller schlossen sich Mercedes-Benz und Fiat an und boten sukzessive Common­ Rail Diesel an. Der Volkswagen Konzern blieb der einzige Hersteller, der auf die Pumpe-Düse-Technologie setzte, offerierte aber zugleich Common-Rail­ Motoren. Der Hersteller plante schließlich 2005, "seinen jahrelangen 120 121 122 123

V gl. Schrader, Ideen, 18-21. Wolfgang Steiger zit. n.: Schrader, Ideen, 18. Vgl. Hack, Druck-Erzeugnisse, 38. Vgl. Ippen, Einspritzer, 77f.

4.3 Der Leistungssprung der Dieselmotoren seit 1997

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Sonderweg"124 im Jahr 2007 zu beenden, weil nach offiziellen Angaben die Entwicklung von zwei Dieseltechnologien in einem Konzern zu teuer und kommende Möglichkeiten der Abgasreinigung bei Common-Rail-Motoren leichter umzusetzen seien.125 Im Winter 1998 widmete sich auch der Spiegel dem Dieselauto und sei­ nem Imagewandel. Der Diesel hatte sich " [vJom mauerblümelnden Held des Transports zum schillernden Techno-Star für betuchte Herrenfahrer"126 ent­ wickelt. Polemisch bediente der Artikel die Klischees, mit denen die Halter eines Diesels zu kämpfen gehabt hatten. Einst seien die Dieselmotoren, als "Low-Tech-Aggregat für betuliche Fortschrittsverweigerer und als exzellente Möglichkeit, sich die Freude am Autofahren zu verderben"127, verschrien ge­ wesen. An flachen Steigungen hätten sie den Verkehrsfluss gebremst und an­ dere Verkehrsteilnehmer in schwarze Rußwolken eingehüllt. Offensichtlich hätten sie nur eine ganz bestimmte Gruppe von Autofahrern angesprochen: "Sie waren maßgeschneiderte Vehikel für die ländliche Bevölkerung, die im gemächlichen Rhythmus der Fruchtfolgen lebte und mit tannengrünen Gum­ mistiefeln in tannengrünen Mercedes 200 D durch die Fluren zockelte."128 Ihren Einsatz fanden die Diesel vornehmlich als "phlegmatische, aber unver­ wüstliche Passagierdampfer im Taxiverkehr". Auch galten sie als "gutmütige Arbeitstiere, deren penetrant hämmerndes Geräusch (,Nageln') beim Anlas­ sen die Anwohner aus dem Schlaf schreckte."129 Während der 1 990er Jahre entwickelte sich das Dieselauto "endgültig zum flotten Antrieb sparsam den­ kender, statusneutraler Kunden und damit klassenlos."13o Das zeigte sich, als Dieselmotoren in allen Marktsegmenten, vom Kleinwagen bis zur Luxusli­ mousine, angeboten wurden. Als mit der Markteinführung der Common­ Rail- und Pumpe-Düse-Technologie ein enormer Leistungssprung bei den Dieselmotoren einsetzte, wuchs ihre Attraktivität im Pkw-Bereich. Zugleich wandelten sich in diesen Jahren die Rationalitätsfiktionen zu Dieselautos, die fortan als leistungsstark, sparsam im Verbrauch und laufruhig galten. Ein weiterer Vorteil der Diesel resultierte aus ihrem vergleichsweise niedrigen Kraftstoffverbrauch. Diese Eigenschaft ermöglichte es ihnen, mit einem entsprechenden Kraftstofftank, unabhängig lange Strecken nonstop zurückzulegen. Dadurch konnten große Distanzen sogar schneller als mit ei­ nem Sportwagen gefahren werden. 1998 erklärte ein Audi-Sprecher diesbe­ züglich, so der Spiegel, dass ein Porsche auf der Strecke von Hamburg nach München zweimal tanken müsse und so langsamer als der neue Audi A8 Die-

124 125 126 127 128 129 130

Direkteinspritzung. Vgl. ebd. Heizöl für Herrenfahrer, 240. Ebd. Ebd., 240ff. Ebd., 242. Ebd.

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seI sei. Nach dieser Darstellung waren die modernen, leistungsstarken und sparsamen Diesel-Pkw also selbst einem Sportwagen überlegen. l3l Ohne die Fortschritte bei der Laufruhe der Dieselmotoren wäre noch ein paar Jahre zuvor der Einbau in einen Oberklassewagen nicht denkbar gewe­ sen. Ein Hinweis auf die USA, wo Mercedes-Benz 1978 einen S-Klasse Tur­ bodiesel angeboten hatte, fand sich in dem Spiegel-Artikel allerdings nicht. Der Bezug blieb ganz klar auf Deutschland beschränkt. Dort war es somit die Kombination von Laufruhe, Leistungsstärke und Sparsamkeit des Dieselmo­ tors, was, aus der Perspektive des Herstellers, den Einbau in Limousinen er­ möglichte. Erstmals war der Schritt in Deutschland in der ersten Hälfte der 1 990er Jahre erfolgt, als Mercedes-Benz sein S-Klasse Modell S 350 Turbo­ diesel auf den Markt gebracht hatte. 132 1999 präsentierte Auto Motor und Sport die neuen V8-Dieselmotoren von Audi, BMW und Mercedes, die eine Nennleistung zwischen 225 und 245 PS sowie ein Drehmoment von 480 Nm bis 560 Nm erreichten. Sie etablier­ ten den Dieselmotor endgültig im Luxussegment und lieferten den Fahrern die nötige Leistung und den gewünschten Komfort.133 Bei der Beurteilung der Testfahrer überwog sicherlich die Begeisterung für die enorme Leistung der Motoren gegenüber deren Verbrauch. Es war nicht das Entwicklungsziel gewesen, einen äußerst sparsamen Motor herzustellen. Vielmehr war es da­ rum gegangen, einen extrem leistungsstarken Dieselmotor mit relativ niedri­ gem Verbrauch zu konstruieren. Die Steigerung zu einem V8-Dieselmotor stellte Auto Motor und Sport im Winter 2002 vor: den Sport Utility Vehicle (SUV) Volkswagen Touareg mit V lO-TDI-Motor und Pumpe-Düse-Techno­ logie sowie fünf Litern Hubraum. Der Motor erreichte eine Nennleistung von 3 13 PS bei 3.750 U/min und ein maximales Drehmoment von 750 Nm bei 1 3 1 V gl. Heizöl für Herrenfahrer, 240ff. 132 Vgl. Sauer, Riese, 72. Ähnlich in folgendem Artikel vgl. Mercedes-Benz S 350 Turbo­ diesel, 17. Etwas verhaltener wurde der Mercedes 300 SD in der Auto Zeitung aufge­ nommen. Vgl. Kacher, Vernunft, 52f. Zum Dieselmotor in diesem S-Klasse Modell vgl. Hanauer u.a., Mercedes-Benz, 18lf. In der Auto Zeitung wurde der Mercedes S 350 Turbodiesel als Auto für Fahrer empfohlen, die Wert auf ein ruhiges Gemüt des Motors legten und bei zahlreichen Langstreckenfahrten Geld sparen wollten. Der Mercedes S 280 Fahrer bevorzugte eher ein "ausgewogenes" Temperament und einen niedrigeren Kaufpreis. Vgl. Peitzmeier, Idee, 38-41. Zunächst lief der S-Klasse Turbodiesel unter der Bezeichnung 300 SD und ab Juni 1993 unter S 350 Turbodiesel. Vgl. Engelen, Mercedes-Benz, 532. 133 Vgl. Hack, D-Moment, 92ff. Mit den Motoren endete keineswegs das Leistungsrennen der Hersteller. Im Jahr 2003 lieferten z.B. der neue V8-Dieselmotor von BMW im Mo­ dell 740 d und ein überarbeiteter Motor im Mercedes S 400 CDI mehr Leistung und Drehmoment. Vgl. Riegsinger, Daniel Dieseltrieb, 58-63. Der BMW-Motor kam auf 258 PS bei 4.000 Ulmin und 600 Nm bei 1 .900 Ulrnin und der Mercedes Dieselmotor auf 250 PS bei 4.000 Ulrnin und 560 Nm bei 1.700 Ulrnin. Bei einer Beschleunigung auf 100 kmfh in gut sieben Sekunden überraschte die Testfahrer ein Testverbrauch von 10,6 Litern beim BMW und von 10,5 Litern beim Mercedes.

4.3 Der Leistungssprung der Dieselmotoren seit 1997

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2.000 U/min 134 Auch hier sollte - wie bei den V8-Motoren - eine sehr hohe Motorleistung mit vergleichsweise niedrigem Verbrauch realisiert werden. Mit den Innovationen Common-Rail- und Pumpe-Düse-Technologie be­ gann ein Leistungsrennen, für das exemplarisch die V8-Dieselmotoren ste­ hen, das aber durchaus auch bei kleineren Motoren zu erkennen ist. Die neuen Dieselmotoren überzeugten ihre Fahrer in allen Belangen, boten sie doch ge­ nügend Drehmoment und PS-Leistung bei vergleichsweise niedrigem Ver­ brauch. In der Summe erreichten die Diesel-Pkw mit Common-Rail- oder Pumpe-Düse-Motoren die Leistungscharakteristik der Ottomotoren oder übertrafen diese bisweilen sogar und verbrauchten zugleich wesentlich weni­ ger Kraftstoff. Aber nicht nur für sportliche Autofahrer stellten die Diesel nun eine attraktive Option dar, denn aufgrund des hohen Drehmoments, der be­ reits bei niedriger Drehzahl zur Verfügung stand, kaschierten die Dieselmoto­ ren individuelle Schaltfehler der Autofahrer. Zugleich präferierten einkom­ mensstarke Konsumenten das Dieselauto und schafften bevorzugt leistungs­ starke Dieselwagen aus der Oberklasse an. Die Summe der Veränderungen trug maßgeblich zur Verbreitung der Rationalitätsfiktionen bei, die Diesel seien durchzugs stark bzw. einem Benzin-Pkw ebenbürtig und dabei wesent­ lich sparsamer.

Extreme Sparsamkeit und das Dreiliterauto Die Verbesserungen der Dieselmotoren wurden nicht nur genutzt, um die Motorleistung zu steigern. Sie dienten auch dazu, extrem sparsame Autos zu produzieren. Das war insofern relevant, weil der Diskurs über das Thema Sparsamkeit nie völlig verschwand. Bereits bevor das Dreiliterauto auf den Markt kam, sprachen die Automobilzeitschriften das Thema Kraftstoffver­ brauch immer wieder an. Das Interesse der Autofahrer an sparsamen Model­ len schien jedoch nur bedingt vorhanden zu sein. 135 Eng verknüpft mit der Debatte über die Sparsamkeit der Diesel war die freiwillige Selbstverpflichtung der Vereinigung der europäischen Automobil­ hersteller (ACEA) gegenüber der EU, bis 2008 den Kohlendioxidausstoß der Autos im Vergleich zu 1995 um 25 Prozent zu senken. Das Verbrauchsziel entsprach einer Reduzierung des CO -Ausstoßes von 1 86 g/km auf 140 g/km. 2 Da im Schnitt 1 5 Prozent mehr Kohlendioxid entsteht, wenn ein Liter Diesel­ kraftstoff verbrannt wird, entspricht ein CO -Ausstoß von 140 g/km einem 2 Verbrauch von sechs Litern Benzin und 5,3 Litern Diesel pro 100 km. Der Schritt der Hersteller war einfach zu erklären. Sie wollten laut ADAC so eine noch stärkere Reglementierung durch die EU verhindern. In der Kalkulation

134 Vgl. König, Dreckster, 42-48. 135 Vgl. Weslrup, D von gestern, 90f.

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enthalten war zudem die Annahme, dass die EU die Nutzung von Dieselautos nicht weiter regulieren werde. Um das anvisierte CO -Ziel erreichen zu kön­ 2 nen, müsste zudem, so die Hersteller, der Dieselautoanteil im Pkw-Bereich in Europa auf 40 Prozent ansteigen. 136 Ein Artikel im Wochenbericht des DIW Berlin von 2006 setzte sich de­ tailliert mit dem allgemeinen Rückgang des Kraftstoffverbrauchs und der Fahrleistungen sowie dem anhaltenden Dieselboom unter Berücksichtigung der von den Herstellern anvisierten 140 g/km CO auseinander. Die Wissen­ 2 schaftler stellten dabei eine Annäherung des Verbrauchs der Autos mit Otto­ und Dieselmotor fest. Der Verbrauchsvorteil der Diesel betrug 2005 lediglich noch 1 Liter/ lOO km. Aufgrund des höheren Kohlenstoffgehalts im Diesel­ kraftstoff fiel die Differenz beim emittierten Kohlendioxid sogar noch deut­ lich geringer aus. Sie war von 20 g/km auf 3,5 g/km rückläufig. 137 Seit 2001 war der CO -Ausstoß der Dieselautos sogar angestiegen, der der Pkw mit 2 Ottomotor dagegen weiter abgefallen, da die Verbraucher tendenziell größere Dieselautos kauften und der technische Fortschritt nicht genutzt wurde, um Verbrauchseinsparungen zu erzielen. Das Ziel von 140 g/km Kohlendioxid für 2008 war somit in weite Ferne gerückt, denn 2005 emittierten Dieselautos im Schnitt noch 1 7 1 g/km. Das klimapolitische Ziel war nach Meinung des Autorenteams vom DIW allein mit einem steigenden Anteil der Dieselautos nicht erfüllbar, sondern erschien nur durch eine Änderung im Kaufverhalten und weitere technische Innovationen realistisch.138 Zudem hatte schon 2002 eine andere Untersuchung gezeigt, dass ein höherer Dieselanteil nur wenig an Energieersparnissen bringe bzw. nur einen minimalen Effekt für die Reduk­ tion des Kohlendioxidausstoßes habe, weil die Fahrer mit den Dieselwagen weitere Strecken zurücklegten. 139 Dass das klimapolitische Ziel verfehlt wer­ den würde, war in den späten 1 990er Jahren aber noch nicht klar. Vielmehr wurden die Dieselautos in der Presse und in den offiziellen Verlautbarungen der Hersteller nach wie vor als Mittel gesehen, das Ziel von 140 g/km CO 2 Ausstoß zu erreichen. In diese Richtung zielte das erste Dreiliterauto, der VW Lupo 3L TDI, der in der Augustausgabe 1999 der ADAC Motorwelt vorgestellt wurde. Der Lupo war mit einem 61 PS-starken 1 ,2-Liter-Dreizylinderturbodieselmotor mit Pumpe-Düse-Technologie bestückt. Das maximale Drehmoment von 140 Nm stand bei 1 .800 bis 2.400 U/min zur Verfügung.l40 Wenn nach der Euro-3

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V gl. Goblirsch, Wer schluckt am wenigsten, 40ff. Vgl. Kalinowska u.a., Rückgang, 458. Vgl. ebd., 459. Vgl. Schipper u.a., Diesels, 305. Vgl. Hack, Liter-Leistung, 38; Leyrer, Ich bin so Drei, 3 l f.; Stratmann, Sparen, 13. 1998 nannte Hack sogar ein Leergewicht von nur 800 kg. Vgl. Hack, Liter-Leistung, 38. Zu den technischen Details vgl. WinterkomIBohne, Drei-Liter-Auto. Teil 1 , 390-400; WinterkomIBohne, Drei-Liter-Auto. Teil 2, 562-570.

4.3 Der Leistungssprung der Dieselmotoren seit 1997

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Norm gemessen wurde, d.h. inklusive Kaltstart sowie eines zusätzlichen Au­ tobahnzyklus von 140 km/h, dann erreichte der Lupo nicht die von VW be­ worbenen 2,99 Liter. Dieser Wert war nach Euro-2 Norm und mit einem niedrigeren Leergewicht erzielt worden. Nach den Messungen des ADAC verbrauchte das Dreiliterauto tatsächlich durchschnittlich 3,8 Liter/lOO km. Die Frage, ob das Resultat enttäuschend sei, verneinte der ADAC, denn schließlich war der Lupo damit noch immer das verbrauchsgünstigste Auto­ mobil auf dem Markt. Zugleich gelang es im Praxisbetrieb, die Werte zu un­ terbieten, sofern sparsam gefahren wurde. Auf einer Sparfahrt mit gedrückter Eco-Taste verbrauchte der Drei1iter-Lupo sogar nur 2,8 Liter beim ADAC und 2,7 Liter bei Auto Motor und Sport. Im Sparmodus wartete der Lupo für den Fahrer allerdings mit einigen Überraschungen auf. Der Motor schaltete im Stand bei getretener Bremse nach vier Sekunden ab und sprang wieder an, wenn der Fuß vom Bremspedal genommen wurde. Außerdem arbeitete der Motor im günstigsten Bereich des Kennfeldes. Aus dem Grund schaltete der Lupo zum frühestmöglichen Zeit­ punkt hoch und versuchte, die Drehzahl zwischen 1 .000 und 2.000 Umdre­ hungen zu halten. Ferner kuppelte der Motor im Schiebebetrieb aus und der Lupo rollte dahin. Die von Bridgestone entwickelten schmalen Reifen redu­ zierten den Rollwiderstand um 30 Prozent 141 Die Reifen wurden deswegen jedoch keineswegs durchweg positiv aufgenommen, denn nach Darstellung der Testfahrer bargen sie auch Nachteile. So verlängerte sich der Bremsweg und vor allem bei regennasser Fahrbahn untersteuerte der Lupo wegen der " dürren Reifen" . 142 Für die Journalisten Hack und Götz Leyrer war es vom Fahrverhalten sinnvoller, auf den Sparmodus zu verzichten, weil dann die Getriebesteue­ rung bei einer höheren Drehzahl schaltete und der Motor sich im Stand nicht abschaltete. Leyrer kritisierte ebenfalls, dass auf kurvenreichen Strecken ständig hin und her geschaltet wurde. Für den Fahrer fühle sich das andau­ ernde Schalten hektisch an und lasse keine rechte Ruhe aufkommen. Beim Hochschalten gehe der Oberkörper zudem stets nach vorne, weil es zu einer Unterbrechung der Zugkraft komme. Das Fahren im konventionellen Betrieb war somit angenehmer. Unter dem Sparmodus litt zusätzlich das Beschleuni­ gungsverhalten, weil schon bei 3 .000 U/min geschaltet wurde, was einen Überholvorgang langwierig und somit geHihr1ich machte. Umgehen konnten die Fahrer das nur durch einen Kick-down, dann war jedoch das ökonomisch­ ökologische Verbrauchsziel von drei Litern nicht mehr machbar. 143 Für Ley­ rer stand fest, bei einem solchen Betriebsverhalten hatten "nur noch Öko141 Vgl. Leyrer, Ich bin so Drei, 3 l f., 34; Stratmann, Sparen, 13f. Auto Motor und Sport ermittelte auf der Autobahn bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 146 km/h ei­ nen Verbrauch von 5,7 Litern. V gl. Leyrer, Ich bin so Drei, 3 1 . 142 Leyrer, Ich bin s o Drei, 37. 143 Vgl. Hack, Liter-Leistung, 38; Leyrer, Ich bin so Drei, 32ff.

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Die Rückkehr der Dieselautos, 1989-2005

Freaks Spaß" am Autofahren und er würde ,,[d]erart zaghaft [ . . . ] nur bei ei­ ner finalen Ölkrise fahren."144 Alternativ war ihm dieser Spar-Lupo nur recht, wenn er mitternachts im "Drogenbezirk von Los Angeles" mit lediglich ei­ nem Liter Kraftstoff im Tank unterwegs gewesen wäre.145 Die Gangschal­ tung galt nach Einschätzung des ADAC als ungeeignet für hektische Fahrer, weil das Gaspedal sanft betätigt werden müsse, um ein ruckelndes Beschleu­ nigen und Schalten zu vermeiden. Er kritisierte weiter, der Lupo fahre nur träge an, wenn das Gaspedal normal durchgedrückt werde. Sobald jedoch das Pedal stärker betätigt wurde, setzte das Drehmoment zügiger ein und ließ die Vorderräder durchdrehen. Die dünnen Reifen hatten also noch einen weiteren Nachteil. Das Fahrverhalten des Lupo überzeugte die Testfahrer von Auto Motor und Sport und ADAC Motorwelt genauso wenig wie sein Preis von 26.900 DM.146 Im Vergleich zum konventionellen Modell Lupo SDI mit Saugdiesel­ motor betrug der Aufpreis 4.000 DM. "Nichts für kühle Rechner", urteilte Leyrer in Auto Motor und Sport, dafür "aber für Menschen, die den technolo­ gischen Fortschritt zu würdigen wissen" und über die notwendigen finanziel­ len Mittel verfügten.147 Ähnlich äußerte sich der ADAC: "Wir ziehen den Hut vor der Ingenieursleistung und warten gespannt ab, wie viele Käufer so viel Geld fürs Sparen ausgeben werden.'o!48 Auch Hack merkte an, dass mit diesem Preis ein Verkaufserfolg wohl ausbleiben werde. Volkswagen komme es jedoch entgegen, da das Unternehmen zum Zeitpunkt der Einführung über nicht genügend Produktionskapazitäten verfügte und nur 5.000 Spar-Lupos pro Jahr vom Band rollen konnten 149 In einem Interview bestätigte Piech, es sei das Ziel, 3 .000 bis 5.000 Einheiten pro Jahr zu verkaufen l50 Einen weg­ weisenden Einfluss auf den Dieselmarkt konnte das Dreiliterauto also nicht haben. Im Laufe des Jahres 1999 änderte sich jedoch die anfangliche Kalkula­ tion von Volkswagen. Der Hersteller peilte nun eine Verkaufszahl von 10.000 Autos an, die um 4.000 Einheiten verfehlt wurde. Die Autohändler berichte­ ten, dass die Kunden zwar großes Interesse am Dreiliter-Lupo zeigten, sich aber nur selten dafür entschieden. Der Wagen kostete mit einigen Extras im­ merhin 30.000 DM; dafür wählten die Autokäufer lieber einen Polo. Manche Volkswagenhändler konnten den Dreiliter-Lupo gar nicht verkaufen und be­ trachteten ihn lediglich als Prestigeobjekt. Die Interessenten zeigten sich bei Testfahrten von der Stopp-Start-Automatik irritiert, manchmal sogar überfor-

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Leyrer, Ich bin so Drei, 34. Vgl. ebd. Vgl. ebd., 34; Stratrnann, Sparen, 14. Vgl. Leyrer, Ich bin so Drei, 37. Stratrnann, Sparen, 14. Vgl. Hack, Liter-Leistung, 39. Vgl. Viele haben dieser revolutionären Idee keine Chance gegeben, 39.

4.3 Der Leistungssprung der Dieselmotoren seit 1997

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dert. Zudem war enttäuschend, dass es weder Servolenkung noch Klimaan­ lage als Extras gab. Andere VW-Händler berichteten, dass das Dreiliterauto Autofahrern mit wenigen Jahreskilometern nichts brachte und Vielfahrer es einfach nicht haben wollten 151 Trotz des geringen Erfolgs verschwanden verbrauchsgünstige Autos nicht aus dem Diskurs in den Automobilzeitschrif­ ten. Nach dem Lupo kam 200 1 der Audi A2 1.2 TDI als zweites Dreiliterauto auf den Markt 152 Auf eine positive Resonanz stießen die Dreiliterautos des VW-Konzerns trotz ihrer diskursiven Verhandlung aber nicht. Wie dem Lupo war auch dem Audi A2 kein Erfolg in den Zeitschriften beschert. Über den Wagen wurde geurteilt, "Freude am Sparen will in ihm nicht so recht aufkommen"153, da zu viele Kompromisse gemacht worden seien, um einen Verbrauch von drei Li­ tern zu erreichen. Erneut wurden also die zuvor laut gewordenen zahlreichen Kritikpunkte zu beiden Autos artikuliert 154 Die beiden Dreiliterautos entwi­ ckelten sich wegen ihrer nicht überzeugenden Fahreigenschaften und wegen der anhaltenden Kritik nicht zum Verkaufsschlager. Beide galten nach einer Darstellung auf Spiegel Online als "spießige Öko-Kutschen"155, weshalb sich die Hersteller entschlossen, die Produktion einzustellen. Vom Lupo 1 .2 TDI 3L wurden im Zeitraum von 1999 bis 2005 28.000 Einheiten und vom Audi A2 1 .2 zwischen 2001 und 2005 lediglich 6.450 Stück produziert 156 Somit war das Ende des Dreiliterautos schon wenige Jahre nach dessen Marktein­ führung beschlossen. Weitaus mehr Interesse weckten die weiteren Leis­ tungssteigerungen bei den modernen Dieselmotoren. Technische Innovationen lösten bei den Autofahrern letztlich wenig Be­ geisterung aus, wenn sie dazu genutzt wurden, den Kraftstoffverbrauch ext­ rem zu senken. Ein niedriger Verbrauch war durchaus eine wichtige Größe. Verbrauchseinsparungen durften aber nicht auf Kosten des Fahrverhaltens und der Annehmlichkeiten gehen. Das erklärt auch den geringen Markterfolg der Dreiliterautos, bei denen nach Ansicht der Autofahrer zu viele Zugeständ­ nisse gemacht worden waren. Auch wegen des Wunsches nach großen, leis­ tungsstarken und damit auch "durstigen" Dieselmotoren rückte das von der Automobilindustrie anvisierte Ziel der CO -Reduktion in weite Ferne. Si­ 2 cherlich hatte diese Zielvorgabe den Dieselabsatz in Deutschland oder Eu­ ropa vorangetrieben, aber ohne die positiven Rahmenbedingungen bzw. ohne den Leistungssprung im Jahr 1997/98 wäre ein Dieselanteil bei den Neuzu­ lassungen von um die 50 Prozent nicht möglich gewesen.

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Vgl. Drei-Liter-Lupo, 156. Vgl. Hack, Weltspartag, 36f. Ebd., 4 1 . Vgl. ebd. Rehwald, Drei-Liter-Autos. V gl. ebd.

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Die Rückkehr der Dieselautos, 1989-2005

Der Dieselboom als europäisches Phänomen Das Phänomen eines europaweit steigenden Dieselabsatzes war bereits in den 1980er Jahren zu beobachten gewesen. Mit den zuvor geschilderten tech­ nischen Veränderungen setzte ein bis dahin nie da gewesener Dieselboom ein, deren Träger laut dem DIW Berlin um das Jahr 2005 vor allem Privat­ leute waren, nachdem die gewerblichen Halter zuvor schon auf Dieselautos umgestellt hatten 157 Mitten in diesem Boom standen die deutschen Herstel­ ler, welche neben den italienischen und französischen Automobilproduzenten stark im Dieselsegment vertreten waren. Auf ganz Europa verteilt waren im Jahr 2001 35,8 Prozent aller Neuwagen Dieselautos. Davon produzierten wiederum die deutschen Automobilhersteller, die vor allem in der Oberklasse stark vertreten waren, 53,6 Prozent. In Deutschland stellten sie sogar 82,3 Prozent aller Neuzulassungen 158 Bis ins Jahr 2002 änderte sich an der Markt­ dominanz deutscher Automobilproduzenten nichts; 78,9 Prozent aller neuen Dieselautos in Deutschland und die Top 1 5 Modelle stammten aus deutscher Produktion. Darüber hinaus stellten Dieselautos in Deutschland - das hier stellvertretend für Europa angeführt wird - in vier von zehn Segmenten mehr als 50 Prozent bei den Neuzulassungen 159 Der Dieselanteil stieg in Europa im Zeitraum von 200 1 bis 2006 weiter an und lag 2005 mit 49,5 Prozent noch knapp unter der magischen 50 Pro­ zentmarke, welche im darauffolgenden Jahr erstmals überschritten wurde. In den Ländern Italien, Frankreich, Spanien, Österreich und Belgien wurden durchweg überproportional viele Dieselautos verkauft. Der Dieselanteil bei den Neuwagen lag in Österreich von 2003 bis 2004, in Belgien von 2004 bis 2006 und in Frankreich 2006 sogar über 70 Prozent. In Deutschland schwankte der Dieselanteil zwischen 34,6 Prozent und 44,3 Prozent und war damit stets unter dem europäischen Durchschnitt 160 Dem Diesel-Phänomen in Europa widmete sich im Jahr 2004 eine ameri­ kanische Studie, die vier Faktoren für den Dieselboom identifizierte: 1) die Innovationen bei der Dieseltechnologie, 2) die Mineralöl- und Kraftfahrzeug-

157 V gl. Kalinowska u.a., Rückgang, 457. Die Umschichtung von gewerblichen zu privaten Dieselnutzern seit 1998 war laut Jutta Kloas, Hartmut Kuhfeld und Uwe Kunert vom DIW die Folge von vier Faktoren: Erstens führte die Reform der Kfz-Steuer 1997 zu sinkenden Fixkosten bei Dieselautos. Ferner wurde das Angebot an Dieselautos erwei­ tert und attraktiver. Aufgrund gestiegener Benzinpreise wurden Dieselautos wegen des niedrigeren Preises für Dieselkraftstoff und ihres niedrigeren Verbrauchs selbst für Leute mit einer normalen Jahreskilometerleistung ökonomisch attraktiver. Insbesondere im Gewerbe fand schnell ein Wechsel zu Dieselautos statt. Nach kurzer Nutzungszeit gingen diese Fahrzeuge in den Gebrauchtwagenmarkt, wo sie dann Privatleute erwar­ ben. V gl. Kloas u.a., Straßenverkehr, 604. 158 Vgl. Verband der Automobilindustrie, Jahresbericht (2002), 22,42. 159 Vgl. Verband der Automobilindustrie, Jahresbericht (2003), 46ff. 160 V gl. Koerdt, Diesel, 5; Verband der Automobilindustrie, Jahresberichte (2001-2006).

4.3 Der Leistungssprung der Dieselmotoren seit 1997

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steuer, 3) die für Dieselautos wohlwollende Abgasgesetzgebung, 4) die frei­ willige Selbstverpflichtung der Hersteller, den Kohlendioxidausstoß pro ge­ fahrenen Kilometer von 1995 bis 2008 um 25 Prozent zu senken. Letzteres wurde als Schlüssel des Dieselbooms angesehen 161 Besonders erwähnens­ wert schien den Autoren die Leistungssteigerung bei den Autos, denn [tJhe increase in size and power results from both the introduction of new models as wen as incremental increases among existing models as manufacturers continue to dis­ tinguish their products from competitors by offering additional power, space, and ame­ nities for the same price. 162

Aufgrund dieses Trends seien Dieselautos bezüglich ihrer Leistung nun eben­ bürtig zu Modellen mit Ottomotor und verbrauchten wesentlich weniger Kraftstoff. Die Studie konnte allerdings nicht identifizieren, ob für den Trend zum Dieselauto die Nachfrage der Konsumenten oder das Marketing der Hersteller verantwortlich war. Fest stehe auf jeden Fall, dass die modernen Dieselmotoren den Wunsch der Autofahrer nach einem leistungsstarken und zugleich laufruhigen, sauberen und sparsamen Motor erfüllten 163 Umfragen im Rahmen der Studie ergaben, welch große Rolle die Kraft­ stoffkosten für die Befragten in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden und Spanien spielten. Die Autoren Belinda Chen und Sperling schlussfolgerten daraus: "a rational consumer would choose to purchase a diesel when the higher fixed initial costs of the vehicle can be off­ set by the lower operating costs in the long run."164 In der Tat gewann in Deutschland der Diesel-Pkw zum Beispiel durch die Änderung der Kfz­ Steuer 1997 an Attraktivität, weil durch einen ermäßigten Steuersatz bei Neu­ fahrzeugen die Fixkosten im Schnitt um 160 DM zurückgingen. Dadurch mussten pro Jahr ca. 3.500 km weniger gefahren werden, um im Unterhalt genauso teuer wie ein Pkw mit Ottomotor zu sein 165 Gleichwohl konnte nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass sich das Dieselauto auf jeden Fall rentierte. 2001 musste der BMW 530 d Touring pro Jahr ca. 40.000 km zurücklegen, damit er wirtschaftlich rentabel war. Anders sah die Kalku­ lation in der Mercedes C-Klasse aus. Das Modell C 270 CDI war gegenüber einem C 240 bereits nach 10.000 Jahreskilometern das wirtschaftlich günsti­ gere Automobil. Der Dreiliter-Lupo rentierte sich nach 1 5.000 km gegenüber dem Modell mit 1 ,4-Liter-Hubraum im Ottomotor. Jedoch war der günstigere Lupo in der Anschaffung um 7.000 Mark teurer. Fest stand also, dass bei we­ nigen Jahreskilometern zahlreiche Dieselautos keinesfalls die günstigere Wahl darstellten 166 Demgemäß waren Dieselautos für Vielfahrer wesentlich 161 162 163 164 165 166

V gl. ehen/Sperling, Analysis, VI. Ebd., 9. Vgl. ebd. Ebd., 10. Vgl. Kunert, Kfz-Steuerreform, 633. Vgl. Busse, Freude, 142f.

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Die Rückkehr der Dieselautos, 1989-2005

attraktiver als für den durchschnittlichen Autofahrer. Letztere entschieden sich aber durchaus auch für einen Diesel. Die Autokäufer schienen die Kosten nicht rational durchzukalkulieren. Schließlich stellte Auto Motor und Sport im Jahr 2003 fest, dass Dieselautos oft gekauft wurden, obwohl sie sich eigentlich ökonomisch nicht rentierten. Die Wenigfahrer argumentierten hierbei, dass der höhere Anschaffungspreis nur einmal anfalle, aber dafür regelmäßig an der Tankstelle weniger bezahlt werden müsse 167 Schon 1992 hatte Hack in Auto Motor und Sport dieses Phänomen angesprochen: Für den Privatmann spielen solche Buchhalterrechungen [Abschreibung etc., C.N.] eine untergeordnete Rolle. TIm erfreut das immer wiederkehrende, preiswerte Tankstellener­ lebnis auch dann noch, wenn er die höheren Anschaffungskosten längst vergessen hat. 168

Autofahrer rechneten folglich oftmals nicht rational durch, ob sich ihr Auto wirtschaftlich rentierte. Für sie war es wichtig, mit einem Dieselauto an der Tankstelle jedes Mal weniger als der Halter eines Wagens mit Ottomotor be­ zahlen zu müssen. Eben das war seit der Änderung der Mineralölsteuer der Fall und sprach für den Kauf eines Dieselautos. Für Deutschland scheint das von ehen und Sperling aufgestellte ratio­ nale Kostenargument folglich vor allem aus zwei Gründen nicht zuzutreffen. Einmal war es aufgrund der ständigen Änderungen bei der Mineralölsteuer und der Kfz-Steuer in den 1 990er Jahren nicht möglich, langfristig zu kalku­ lieren. Das wäre aber für eine Rentabilitätsberechnung notwendig gewesen, weil sich ein Dieselauto schließlich nur auf lange Sicht rational rechnete. Zum anderen wog für viele Autofahrer der an der Zapfsäule günstigere Preis für Dieselkraftstoff im Vergleich zum Normalbenzin die versteckten Mehr­ kosten der Diesel, wie den höheren Anschaffungspreis und die höhere Kfz­ Steuer, auf. Für die Autofahrer war es also wichtig, dass sich der Mehrwert des Dieselautos bei jedem Tankvorgang in Form einer niedrigeren Rechnung einstellte. Nachrangig schien dagegen, ob sich der Diesel tatsächlich ren­ tierte. In Deutschland war es wohl primär die Kombination von mehr Motor­ leistung bei nach wie vor vergleichsweise relativ günstigem Kraftstoffver­ brauch und neuer Kostenrelation, welche den Dieselanteil von 14,9 Prozent im Jahr 1997 auf 44 Prozent im Jahr 2004 bei den Neuzulassungen anschwel­ len ließ 169 In diesem Zeitraum wuchs der Dieselanteil gemessen an allen verkauften Fahrzeugen bei den Herstellern Audi, BMW, Mercedes-Benz, Ford, Opel, Peugeot und Volkswagen also erheblich an. Die Hersteller Audi, Volkswagen und Mercedes-Benz verkauften durchweg überproportional

167 Vgl. Steiger, Nagelprobe, 64. 168 Hack, Drei D, 43. 169 Vgl. Kraftfahrt-Bundesamt, Mitteilungen (1012006), 68.

219

4.3 Der Leistungssprung der Dieselmotoren seit 1997

viele Diesel, wogegen Opel und Ford, wie schon in den 1980er Jahren, am Absatz unterproportional beteiligt waren. Peugeot gelang es von 200 1 bis 2003 nicht, durch seinen Partikelfilter, auf den später noch eingegangen wird, im Dieselsegment seinen Absatz nachhaltig voranzutreiben. Demgegenüber nahm beim Hersteller BMW der Dieselabsatz zwischen 2003 und 2004 so zu, dass er zu den Branchenführern aufschloss. Außerdem erlebte BMW keinen Einbruch in Folge der Partikeldiskussion von 2004 auf 2005, die Audi leicht, Mercedes, Volkswagen und Opel jedoch härter traf. Peugeot schien von der Debatte zu profitieren, denn 2005 stieg bei diesem Hersteller der Dieselanteil an. Grafik 5: Dieselanteil ausgewählter Hersteller bei den Neuzulassungen in Deutschland, 1996-2006

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Quelle: Ward's Cornmunication, Ward's Automotive Yearbook (1991-2006).

oder SUV erhältlich. In der Kategerie der Class 2a Fahrzeuge konnten die Käufer drei Dieselmodelle wählen; den Chevro1et C/K 1500 (GMC Sierra C/K 1500), den Chevro1et Suburban (GMC Suburban) und den Chevro1et Tahoe (GMC Yukon). Erst bei den Class 2b Light Trucks stand den Konsu­ menten eine größere Auswahl an Dieselmodellen offen. In diese Kategorie von Fahrzeugen fielen zum Beispiel die Pick-up Trucks Ford F250 und Dodge BR2500 Ram. Allerdings wurden diese Fahrzeuge primär kommerziell ge­ nutzt und nicht vorrangig von Privatpersonen erworben 279 Der Dieselmotor zog im Marktsegment der Light Trucks insgesamt gese­ hen wenig Käufer, da Privatpersonen eine starke Präferenz für Modelle mit Ottomotor hatten. In den SUV der Kategorie einer Mercedes M-K1asse, eines BMW X5 oder eines VW Touareg dominierte klar der Ottomotor, wohinge­ gen deutsche Konsumenten bei diesen Fahrzeugen eindeutig einen Dieselmo­ tor präferierten.28o Interessant erscheint, dass in etwa zeitgleich mit dem Ab-

ger als 2.720 kg (6.000 Pfund), zur Class 2a Wagen zwischen 2.720 kg und 3.855 kg (6.000 und 8.500 Pfund) und zur Class 2b Fahrzeuge zwischen 3.855 kg und 4.535 kg (8.500 und 10.000 Pfund). Vgl. DavisrIruett, Investigation, IX. 279 Vgl. TruettlHu, Diesel Engine, 20-25. 280 Wenn zum Beispiel im Jahr 2004 der Dieselanteil bei den Modellen Mercedes M­ Klasse, BMW X5 und VW Touareg untersucht wird, liegt dieser ungefähr zwischen 86 und 93 Prozent. In den Jahren 2005 und 2006 änderte sich nichts daran. Vgl. Kraftfahrt-

242

Die Rückkehr der Dieselautos, 1989-2005

satzeinbruch bei den Dieselautos während der 1 980er Jahre die Verkaufszah­ len der Light Trucks in den USA anstiegen. In Light Trucks wurden große V8-0ttomotoren und auch Sechszylindermotoren eingebaut, die in Personen­ wagen aufgrund des zulässigen Flottenverbrauchs nicht mehr angeboten wer­ den konnten. Eben diese Motoren lieferten die von den Autofahrern ge­ wünschten Eigenschaften, wie hohe Motorleistung und Laufruhe. Sicherlich trug aber die Kombination von Motorleistung, äußerem Erscheinungsbild der SUV wie auch die mit ihnen assoziierten Images von "Outdoor" und "Sicher­ heit" maßgeblich zum Light Truck Boom in den USA bei.

Bundesamt, Mitteilungen (2004), 9, 12, 15; Kraftfahrt-Bundesamt, Mitteilungen (1212005), 7, 10, 13; Kraftfahrt-Bundesamt, Mitteilungen (1212006), 7, 10, 13.

5.

ABSCHLIESSENDE BEMERKUNGEN

Im Folgenden werden zunächst die zentralen Ereignisse des Betrachtungs­ zeitraums zusammengefasst und im Anschluss der theoretische Ansatz der Rationalitätsfiktionen mit den empirischen Befunden verknüpft.

5 . 1 ZUSAMMENFASSUNG Der Dieselmotor im Personenwagen entwickelte sich in Deutschland aus der Perspektive der Konsumenten im Untersuchungszeitraum von 1 949 bis 2005 zu einer gleichwertigen Alternative zum Ottomotor, wohingegen in den USA seit 1981 eine ablehnende Haltung zur Dieseltechnologie vorherrscht. Die Entscheidung für oder gegen ein Dieselauto beruhte nicht nur auf dessen äu­ ßerem Erscheinungsbild, seinem Kraftstoffverbrauch und dem Markenimage des Herstellers, sondern war zugleich mit seinen technologischen Charakte­ ristika, aber auch mit dem kulturellen Umfeld, mit den politischen und ge­ sellschaftlichen Konstellationen sowie mit den wirtschaftlichen Faktoren Kraftstoffpreise, Kfz-Steuer und Anschaffungspreis eng verknüpft. Im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts wandelten sich sowohl die Eigen­ schaften und Funktionen der Dieselautos wie auch die Nutzungsweisen. Be­ reits beim Anlassen und Abstellen offenbarte sich der Unterschied zwischen einem Mercedes 220 D von 1968 und dem Modell C 220 CDI von 1998. Ein Mercedes 220 D musste umständlich mit einem Hebel neben dem Lenkrad gestartet bzw. abgestellt werden, zuvor hatte der Fahrer aber die obligatori­ sche "Dieselgedenkminute" abzuwarten. Ein Mercedes C 220 CDI dagegen sprang, ohne dass sein Fahrer vorglühen müsste, problemlos nach dem Dre­ hen des Zündschlüssels an 1 Diese Annehmlichkeiten schätzten die Fahrer eines Mercedes C 220 CDI durchaus, aber seine Motorleistung begeisterte sie weitaus mehr, wie den Journalisten Klaus Westrup, der 1998 in Auto Motor und Sport rekapitulierte: Die Diesel-Welt ist eine andere geworden, der Fortschritt unter der Motorhaube unver­ kennbar. Aus der Lalunheit wurde Dynamik, aus dem Lautsein Kultiviertheit. Nur die alte Gemütlichkeit, die gibt es nicht mehr. Auch der CDr will mit den rasanten Otlos um die Wette fahren [sic !j2

1 2

Vgl. Westlup, D von gestern, 90. Ebd., 9 1 .

244

5. Abschließende Bemerkungen

Der Dieselmotor eignete sich mittlerweile auch für Autofahrer, die sich selbst als sportliche Fahrer beschrieben 3 Das resultierte aus der Motorleistung und aus dem Drehmoment des Common-Rail-Diesels und spiegelte sich nicht nur im subjektiv gefühlten Fahrverhalten wider, sondern zeigte sich ebenfalls auf dem Datenblatt. Der Common-Rail-Motor erreichte eine Nennleistung von 125 PS Leistung bei 4.200 U/min und maximales Drehmoment von 300 Nm bei 1 . 800 U/min. Der Saugdieselmotor im Mercedes 220 D kam dagegen nur auf 60 PS bei 4.200 U/min und 126 Nm bei 2.400 U/min. Bei den Fahrleis­ tungen triumphierte folglich der neue Diesel-Pkw. Der alte Mercedes 220 D beschleunigte in 28,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 134 km/h. Die maximale Geschwindigkeit des C 220 CDI lag demgegenüber bei 198 km/h und die Beschleunigungszeit belief sich auf 10,7 Sekunden. Bei der Messung eines simulierten Überholvorgangs, bei dem von 60 km/h auf 100 km/h beschleunigt werden musste, offenbarte sich ebenfalls die enorme Diskrepanz. Der ältere Mercedes benötigte 19,1 Sekunden und das 1998er Modell 8,2 Sekunden 4 Sicherlich steigerte der Leistungssprung die Attraktivität der Diesel für das Marktsegment der Oberklasse. Ohne Verbesserungen bei den Geräusch­ immissionen, wie sie zum Beispiel durch eine Voreinspritzung erfolgte, wel­ che den Verbrennungsvorgangs behutsam initiierte, wäre jedoch in diesem Kundensegment ein Markterfolg nicht möglich gewesen. In die gleiche Rich­ tung zielte die Erhöhung des Einspritzdrucks, wodurch der Kraftstoff besser zerstäubte und damit das Verbrennungsgeräusch von den Ingenieuren zusätz­ lich gesenkt wurde. Auto Motor und Sport ermittelte bei den Geräuschpegel­ messungen nach dem Kaltstart 45 dBA beim Common-Rail-Diesel und 5 1 dBA beim Saugdiesel, der damit gut doppelt so laut war wie sein Pendant. Selbst wenn bei einer Fahrtgeschwindigkeit von 50 km/h der Unterschied zwischen beiden Modellen mit 63 dBA respektive 65 dBA nicht so gravie­ rend ausfiel, änderte sich das bei höheren Geschwindigkeiten. Bei 100 km/h war das Modell C 220 CDI mit 67 dBA erneut gut halb so laut wie der 220 D mit 74 dBA 5 Zugleich reduzierten die Modifikationen bei der Einspritzung den Schad­ stoffausstoß der Diesel-Pkw. Niedrigere Schadstoffemissionen waren zwar primär vom Gesetzgeber vorgeschrieben, gleichwohl forderten dies durchaus die Autofahrer, denn die schwarzen Ruß wolken waren nicht nur für alle Ver­ kehrsteilnehmer deutlich zu sehen, sondern galten sowohl in den USA wie auch in Deutschland als krebserregend. Die Verbesserungen führten überdies zu Verbrauchseinsparungen, die ebenfalls die Attraktivität der Diesel steigern

3 4 5

Vgl. Volk, Niet- und nagelfest, 125. Vgl. Weslrup, D von gestern, 9 1 . Vgl. ebd.

5 . 1 Zusammenfassung

245

sollten. Bei den Testfahrten verbrauchte der Common-Rail-Diesel durch­ schnittlich 7,5 Liter/IOO km und der 220 D 10,4 Liter/ IOO km 6 Dieselautos glichen sich zwischen den 1 970er und den 1990er Jahren in ihrer Handhabung und ihrem Fahrverhalten allmählich an Autos mit Benzin­ motor an und behielten zugleich ihren Verbrauchsvorteil. Damit entwickelte sich der Diesel-Pkw von einer technischen Besonderheit zu einem alltägli­ chen Konsumgut des vornehmlich männlichen Nutzers, das "idiotensicher" in seiner Handhabung war. Der Antrieb für diese Veränderungen ging primär auf die Wünsche der Konsumenten zurück. Zugleich hatten die gesetzlichen Rahmenbedingungen, wie die Mineralöl- oder die Kfz-Steuer in Europa so­ wie die Flottenverbrauchsbestimmungen in den USA und die Abgasgesetzge­ bung auf beiden Kontinenten Einfluss auf die Marktstrategie der Hersteller und damit auch auf die Verbreitung der Dieselmodelle. Nachdem in den USA in den späten 1970er Jahren die Dieselmodelle, insbesondere die Wagen von Mercedes, als Luxusgut gegolten hatten, erschlossen die Diesel während der 1 990er Jahre allmählich das Marktsegment der Oberklasse in Deutschland. Verstärkt wurde der Trend mit dem Leistungssprung und der Reduktion der Geräuschimmissionen um das Jahr 1997/98. In den 1 960er und 1970er Jah­ ren waren die Dieselkäufer in einem anderen Marktsegment anzutreffen. Neben Taxifahrern und Landwirten bildeten in Deutschland vor 1973 Privatleute einen wichtigen Kundenstamm bei den Mercedes-Benz Dieselau­ tos. Für Taxiunternehmen war die Kaufentscheidung für einen sparsamen Mercedes-Benz Diesel primär wirtschaftlich begründet, da es für sie darum ging, durch niedrigere Kosten höhere Gewinne zu erzielen. Außerdem präg­ ten sie das Stadtbild in Deutschland mit ihren Diesel-Taxen. Infolgedessen galt im öffentlichen Bewusstsein ein Taxifahrer als der typische Dieselfahrer. Die Landwirte rückte man in die Nähe der Diesel, da sie, so der Vorwurf, steuerbegünstigten Traktortreibstoff illegal für ihre Diesel-Pkw verwendeten und so die Unterhaltskosten drückten. Für Privatleute waren die Mercedes Dieselautos eine Möglichkeit, einen oberen Mittelklassewagen zu besitzen, der dann auf dem Niveau eines herkömmlichen Mittelklassewagens unterhal­ ten werden konnte. Darüber hinaus waren sie gewillt, die mit dem Diesel verbundenen Unannehmlichkeiten, wie die geringere Motorleistung, die um­ ständliche Startprozedur, die "Dieselgedenkminute" und das lautere Moto­ rengeräusch, auf sich zu nehmen. Das Statussymbol Mercedes-Benz und der damit verbundene soziale Aufstieg kompensierten die offensichtlichen Nach­ teile. Außerdem galten die Dieselautos als langlebig und zuverlässig, wo­ durch sich der eingekaufte Erlebniswert des Fahrens eines Mercedes über einen langen Zeitraum und ohne Komplikationen immer wieder einstellte. Auch in den USA fand sich vor 1973 eine kleine Gruppe männlicher Auto­ fahrer, die Dieselautos wegen der oben genannten Eigenschaften schätzte. Zu

6

Vgl. ebd.

246

5. Abschließende Bemerkungen

der Gruppe gehörten Rentner, ehemalige Lastwagenfahrer und Vertreter. Die Masse der Autofahrer stand den Diesel-Pkw jedoch durchweg ablehnend ge­ genüber. In ihren Augen lieferten sie nicht die gewünschte Motorleistung und der geringere Verbrauch im Vergleich zu einem Benzin-Pkw wog keineswegs die lange Liste der Nachteile auf. In der ersten Hälfte der 1 970er Jahre kam im Zuge der Umweltschutzbe­ wegung mit den umweltbewussten Autofahrern eine weitere Gruppe zu den Dieselanhängern. Obwohl für seine Rauchernissionen bekannt, attestierten die Regierungen und die Verbraucher in Deutschland und in den USA dem Diesel, er sei umweltfreundlich, weil er - im Unterschied zu einem Wagen mit Ottomotor - die US-Grenzwerte ohne Abgasnachbehandlung einhielt. Selbst die Verweise einiger "Dieselgegner" auf die rußigen Abgaswolken trübte dies nicht. Die Ölkrise von 1973 ließ in den USA dem Kraftstoffverbrauch eine bis dahin nicht gekannte Bedeutung zukommen. In Deutschland waren die mit dem Autofahren verbundenen Kosten bereits vor der Ölkrise im öffentlichen Diskurs präsent. Ihre Bedeutung stieg nach 1973 aber noch weiter an. In bei­ den Ländern sahen Dieselfahrer infolgedessen sparsamen Verbrauch nicht mehr nur ausschließlich als wirtschaftliches Argument, sondern er bekam auch eine soziale Komponente. Sie erachteten einen geringen Kraftstoffver­ brauch als gesellschaftlich wichtig, denn damit leisteten sie einen Beitrag zum schonenden Umgang mit der Ressource Erdöl. Für das gestiegene Anse­ hen der Dieselautos kam in den USA eine weitere Eigenschaft zum Tragen. Sie vermittelten ihren Fahrern ein Gefühl von Unabhängigkeit, da pro Tank­ füllung nicht nur weitere Strecken gefahren werden konnten, sondern auch der Kraftstoff an den Zapfsäulen ohne Warteschlangen ungehindert zugäng­ lich war. In den USA ging in diesem Zeitraum außerdem die Motorleistung der Pkw mit Ottomotor infolge der Abgasregulierung zurück. Gleichzeitig stieg deren Benzinverbrauch an. Die positive Eigenschaft der Dieselautos, ihre Sparsamkeit im Verbrauch, hatte nun mehr Gewicht, während der nega­ tive Aspekt, ihre geringere Motorleistung, weniger relevant wurde. Durch diese Angleichung wandelte sich das Image der Dieselwagen Mitte der 1 970er Jahre allmählich. Zu einem Massenphänomen entwickelte sich das Dieselauto in den USA dennoch nicht, da sich das Angebot im Wesentlichen auf Importwagen be­ schränkte und die Eigenschaften der Diesel den Ansprüchen der meisten US­ Autofahrer nicht genügten. So stellten insbesondere die noch immer geringe Motorleistung und das träge Beschleunigungsverhalten genauso wie das laute Motorengeräusch zentrale Kritikpunkte dar. In Deutschland war erstmals in der zweiten Hälfte der 1 970er Jahre eine breitere Bevölkerungsschicht bereit, ein Dieselauto zu kaufen. Voraussetzung hierfür war, dass zum einen die Her­ steller das Angebot an Dieselautos erweiterten und zum anderen die Motoren die von den Autofahrern gewünschten Eigenschaften lieferten.

5 . 1 Zusammenfassung

247

Der Luxushersteller Daimler-Benz orientierte sich 1974 mit dem Merce­ des-Benz 300 D an diesen Wünschen. Erstmals beschrieben selbst überzeugte Kritiker der Dieselwagen die Fahrleistung und das Motorengeräusch eines Mercedes Diesels als ansprechend und angenehm. Die dieseltypischen positi­ ven Eigenschaften, wie Sparsamkeit und Langlebigkeit, blieben bestehen. Für den US-amerikanischen Fahrer eines Mercedes, der im Unterschied zum deutschen mehr Leistung forderte, brachte Mercedes-Benz 1978 eine S­ Klasse mit einem Fünfzylinderturbodieselmotor auf den Markt. Dieses Auto verstärkte das positive Image der Dieselautos noch zusätzlich und avancierte in den USA zu einem Trendauto. Der erste Volkswagen Diesel, das Modell Golf, entwickelte sich ebenfalls zum Verkaufsschlager und traf den Geist der Zeit. Das ermöglichte der Motor, den die Autofahrer als genauso durchzugs­ stark, drehfreudig, spontan im Ansprechverhalten und agil wie einen Ottomo­ tor empfanden. Darüber hinaus hatte der Golf Diesel einen äußerst geringen Kraftstoffverbrauch und einen nach den damals gültigen Abgasgesetzen um­ weltfreundlichen Schadstoffausstoß. Der Golf als Kleinwagen mit einem Vierzylinderdieselmotor war zwar für Europa durchaus typisch, doch in den USA zielte dieser kleinvolumige Motor nur auf eine kleine Käufergruppe. Die Masse der amerikanischen Autofahrer erreichte erstmals der 5,7-Liter­ V8-Dieselmotor von General Motors, der 1977 zunächst in der Marke Olds­ mobile erhältlich war. Dieser Wagen bediente mit seinem leistungs starken und laufruhigen Motor die Wünsche der Autofahrer nach einem amerikani­ schen Fabrikat mit wenig Kraftstoffverbrauch in allen Landesteilen. Die Die­ selautos aus deutscher Produktion verkauften sich demgegenüber primär in Kalifornien und an der Ostküste. Darüber hinaus konnten mit den Dieselwa­ gen aufgrund der Kombination von großem Tankvolumen und sparsamem Verbrauch weite Strecken nonstop zurückgelegt werden. Gerade als die zweite Ölkrise 1979 begann, stellte dies erneut einen entscheidenden Vorteil dar, da sich die Dieselfahrer immun gegenüber den externen Bedrohungen fühlten, wie Versorgungsengpässen mit Rohöl. Die großen Oldsmobile Li­ mousinen verstärkten das Gefühl noch zusätzlich, da sie ihre Insassen gewis­ sermaßen von der Außenwelt abschotteten. Eine Zeitlang wog dieser Vorteil die Nachteile des Dieselkraftstoffs auf. Besonders niedrige Temperaturen machten dem Dieselmotor jedoch schwer zu schaffen, wenn sich der Kraftstoff über Nacht verfestigte und das Auto infolgedessen nicht mehr gestartet werden konnte. Insbesondere in den kalten Regionen im Norden der USA war dieser Umstand kritisch. Dieses Problem ließ sich nur umgehen, wenn die Autofahrer bereit waren, sich selbst mit der Konsistenz des Dieselkraftstoffs zu beschäftigen und ihn gegebenenfalls mit Benzin oder Petroleum zu verdünnen. Oder der Wagen musste in einer war­ men Garage abgestellt werden. Diese aktive Teilnahme der Besitzer hielt die deutschen und mehr noch die amerikanischen Autokäufer davon ab, sich für einen Diesel-Pkw anstelle eines Benziners zu entscheiden. Zu den weiteren

248

5. Abschließende Bemerkungen

Nachteilen des Dieselkraftstoffs gehörten sein unangenehmer Gestank und seine ölige Konsistenz. Eine direkte Berührung sollte daher in jedem Fall vermieden werden. Das war allerdings beim Selbsttanken nur schwer mög­ lich. Wenig attraktiv war auch die Tanksituation selbst, da sich die Die­ selzapfsäulen in den USA meistens auf den ungeteerten, schmutzigen Hinter­ höfen der Tankstellen befanden oder aber die Dieselfahrer einen Fernfahrer­ rastplatz aufsuchen mussten. Die Dieseltankstellen waren im Westen der USA oftmals so weit voneinander entfernt, sodass es - trotz der langen Reich­ weite - kritisch werden konnte, die Distanz zwischen zwei Tankstellen mit einer Tankfüllung zu überbrücken. Die Fahrer mussten sich bei der Planung ihrer Wegstrecke nach der Lage der Dieseltankstellen richten, was wiederum die Unabhängigkeit etwas einschränkte. Auch als der Dieselabsatz gegen Ende der 1 970er Jahre anzog, verschwanden die beiden letztgenannten Prob­ leme im Westen nicht vollständig. Schließlich war gerade für die US-Auto­ fahrer das Vorglühen der Dieselmotoren eine ungeliebte, zeitraubende und vielfach kritisierte Tätigkeit. Bis 198 1/82 gestaltete sich die Absatzentwicklung in beiden Ländern ähnlich positiv. Als zusätzlicher, den Absatz fördernder Effekt wirkte die Öl­ krise, denn mit steigenden Kraftstoffkosten schwenkten verstärkt auch kos­ tensensible Benzinfahrer auf die Dieselwagen um. Von einer tatsächlichen Rentabilität konnten die Dieselwagenkäufer gleichwohl weder in den USA noch in Deutschland ausgehen. Dies belegen die vielen Kostenrechnungen in den Zeitschriften. Trotzdem waren insbesondere die US-Autofahrer bereit, enorme Aufpreise, die weit über dem regulären Listenpreis lagen, für einen Diesel-Pkw zu bezahlen. In vielen Fällen konnte die Gewinnschwelle nicht erreicht werden. Die wirtschaftliche Rentabilität stieß gleichwohl nicht allein wegen der Kosten an ihre Grenzen. Die Autofahrer waren in der Regel nur gewillt, einen sparsamen Diesel zu kaufen, wenn dieser die gewünschten Motoreigenschaften, insbesondere bezüglich der Leistungsentfaltung und der Laufruhe, lieferte. Demgemäß waren gerade die Fahrzeuge, die den Wagen mit Ottomotor als ebenbürtig erschienen, auf dem Markt erfolgreich. Den Wunsch nach mehr Leistung erfüllten vor allem die Turbodieselautos der späten 1 970er und frühen 1980er Jahre. Bei ihnen ging es niemals darum, dass sich der Wagen wirtschaftlich rechnete. Neben den in Deutschland marktbeherrschenden Herstellern Volkswagen und Mercedes-Benz traten um das Jahr 1980 verstärkt Opel und Ford sowie französische und italienische Dieselautos in Erscheinung. Allerdings ver­ kauften sich die Opel und Ford Diesel anfangs nur schleppend, und der deut­ sche Dieselmarkt blieb bis zum Ende der Dekade die Domäne der beiden Hersteller Mercedes und VW. In den USA übertraf General Motors 1978 den Absatz der anderen Hersteller und dominierte den Markt bis 1983. In Deutschland lieferten viele der angebotenen Dieselautos die von den Kunden gewünschten Eigenschaften. In den USA sah es anfangs zwar ähn-

5 . 1 Zusammenfassung

249

lich aus, doch wandelte sich um das Jahr 1980/81 das Bild nachhaltig. Vor allem die Volumenmodelle der Hersteller Volkswagen und General Motors waren hiervon betroffen. Hatte der VW Golf mit seinem Dieselmotor zu­ nächst durchweg die Autofahrer durch seine positiven Eigenschaften über­ zeugt und begeistert, standen bald prominent der schmutzige Dieselkraftstoff, der Leistungseinbruch bei neueren Modellen - eine Folge der verschärften Abgasgrenzwerte, des größeren Wagengewichts sowie der von den eingebau­ ten Extras benötigten Leistung - und das laute Motorengeräusch in der Kri­ tik. Ähnlich verhielt es sich bei den GM-Dieselautos. Sie hatten ebenfalls ab 1980 einen Leistungseinbruch zu verzeichnen, der dem Dieselauto erneut das Prädikat eintrug, träge zu sein. Weitaus gravierender waren jedoch die anhal­ tenden Motorenprobleme der GM-Dieselmotoren. Dem Hersteller gelang es nicht, die Probleme unter Kontrolle zu bringen. Die Halter mussten ihre Wa­ gen immer wieder in die Werkstatt bringen, wo viele und vor allem teure Reparaturen anfielen. Selbst der Einbau eines neuen Dieselmotors brachte keine Lösung, da er unter den gleichen Defekten litt. Dieselmotoren galten in den USA fortan als unzuverlässig. Zudem kam es zu mehreren Sammelkla­ gen von frustrierten GM-Dieselfahrern gegen den Konzern, die sich bis in die frühen 1990er Jahre hinzogen und dem Image der Diesel-Pkw als langlebige und zuverlässige Autos ein Ende setzten. In den USA schadete noch eine weitere Entwicklung dem Ruf des Die­ selmotors. Bereits 1977 rückten US-Zeitungsartikel den Motor in die Nähe des Krebsverdachts. Laut Forschungsergebnissen, so hieß es in den Printme­ dien, galten Dieselmotoren als gesundheitsschädlich. Diese Wahrnehmung verstärkte sich weiter, weil der öffentliche Diskurs, im Unterschied zum wis­ senschaftlichen Diskurs, den Zusammenhang zwischen Dieselabgasen und Krebs als gesichert darstellte. Als dann die EPA erstmals Abgasgrenzwerte für Partikelemissionen festschrieb, war für die Autofahrer die Verbindung zwischen Dieselabgas und Krebs amtlich. Entscheidend ist hier, dass die Grenzwerte die Dieselautos keineswegs verboten, sondern vielmehr die Au­ tokäufer davon abkamen, Dieselwagen zu wählen, weil sie diese aus ihrer subjektiven Betrachtungsweise als schmutzig und krebserregend einstuften. Diese Haltung beruhte auf den deutlich sichtbaren schwarzen Rauchwolken, welche einige Dieselautos in großen Mengen an die Umwelt abgaben. Hierzu trug auch die schlechte Kraftstoffqualität in den USA bei. Ganz abgesehen von den negativen Effekten für Geruchs- und Geräuschemmissionen bei der Dieselverbrennung war - im Unterschied zu Deutschland - der Ausstoß der als kanzerogen klassifizierten Rußpartikel viel stärker als Rußwolke wahrzu­ nehmen. Noch gravierender wirkte es sich aus, dass eine technologische Lö­ sung, wie der anvisierte Partikelfilter, lange Zeit nicht in die Serienreife über­ führt werden konnte. Ohne entsprechende Maßnahmen waren die Autofahrer, die aufgrund der anhaltenden öffentlichen Auseinandersetzung zwischen Herstellern, Wissenschaftlern und Politikern für dieses Thema sensibilisiert

250

5. Abschließende Bemerkungen

waren, nicht mehr gewillt, einen schmutzigen, krebserregenden Dieselwagen zu kaufen oder zu fahren. In Kalifornien war aufgrund der strengeren Parti­ kelgrenzwertgesetzgebung vorzeitig ein Mercedes-Benz mit Partikelfilter im Einsatz. Diese Entwicklung erwies sich allerdings als technischer Fehlschlag, sodass Mercedes seine luxuriösen Dieselautos vom Markt nehmen musste. Als schließlich GM die Produktion seiner Dieselwagen wegen des fehlenden Interesses der Käufer einstellte, war das Dieselzeitalter in den USA 1985 endgültig vorbei. In Deutschland rezipierten die Medien und die Verbraucher die Proble­ matik der Partikelemissionen zwar vereinzelt, aber ein Wandel in der Wahr­ nehmung der Dieselautos setzte nicht ein. Sie galten weiterhin als "umwelt­ freundlich". Selbst als die Debatte über das Waldsterben und die verschiede­ nen Varianten der Katalysatorabgastechnik für Benzinautos den öffentlichen Diskurs prägte, änderte sich das nicht. Das "umweltfreundliche" Dieselauto wurde sogar - genau wie das Kat-Auto - steuerlich gefördert. Viele Autokäu­ fer entschieden sich zwischen 1984 und 1986 für einen Diesel, weil dieser für sie eine sichere und ebenfalls umweltfreundliche Alternative zum Kat-Benzi­ ner darstellte. In den Augen der Autokäufer barg die unbekannte Katalysator­ technologie noch Risiken, abgesehen davon, dass Europa noch nicht ausrei­ chend mit Bleifrei-Tankstellen versorgt war. Noch war der Diesel beliebter als der Kat-Benziner. Nachdem aber die Zeitungen und selbst die Automobil­ zeitschriften ausführlich über die vom Dieselabgas ausgehende Krebsgefahr berichtet hatten und Dieselpartikel offiziell als krebserregend eingestuft wor­ den waren, wandelte sich die Situation im Jahr 1987. Die PR-Maßnahmen der Automobilindustrie konnten weder den Meinungsumschwung noch den folgenden Absatzeinbruch der Dieselautos aufhalten, zumal die politischen Entscheidungsträger mittlerweile die Dieselabgase als Auslöser von Lungen­ krebs klassifizierten. Um das Jahr 1989 wendete sich das Blatt erneut, und der Bundesumwelt­ minister übernahm genauso wie die Zeitschriften die Argumente der Diesel­ hersteller, die zugleich den Schadstoffausstoß ihrer Dieselmotoren gesenkt hatten und infolgedessen neue "saubere" und "umweltfreundliche" Modelle präsentierten. Interessanterweise betonten sie insbesondere seit 199 1192, dass der alte Königsweg, der Partikelfilter, lediglich die zweitbeste Lösung sei. Die neuen Erfolgsrezepte, die den Schadstoffausstoß reduzierten, hießen Ka­ talysator für Diesel-Pkw und innermotorische Maßnahmen. Auch das wach­ sende öffentliche Interesse am Thema Klimawandel ließ den Diesel-Pkw in einem neuen Licht erscheinen. Im Zuge der Treibhausdebatte handelten die Automobilhersteller und die Automobilzeitschriften in Deutschland die Die­ selautos als Möglichkeit, den Kohlendioxidausstoß zu senken. Als sich so­ wohl die Regierung wie auch die Konsumenten dieser Sichtweise ange­ schlossen hatten, erhielt der Diesel somit erneut - im Unterschied zu den USA - ein positives Attribut. Eine weitere Voraussetzung für den Absatzer-

5 . 1 Zusammenfassung

251

folg war die Kraftstoffdirekteinspritzung im Diesel-Pkw-Segment, die im Jahr 1988/89 auf den Markt kam und den Verbrauchsvorteil der Diesel ge­ genüber Wagen mit Ottomotor vergrößerte. Spätestens mit der Markteinführung der Common-Rail- und der Pumpe­ Düse-Technologie im Jahr 1 997/98 machte die Dieseltechnologie einen wei­ teren Sprung nach vorn, und zwar die Motorleistung, den Kraftstoffverbrauch und den Schadstoffausstoß betreffend. Diese Innovationen ermöglichten es endgültig, in allen Wagensegmenten leistungsstarke, laufruhige und spar­ same Dieselautos anzubieten. Die Konsumenten konnten nach dem Fehl­ schlag des V8-Dieselmotors von General Motors erstmals wieder V8-Diesel­ motoren, wie die Motoren von Audi, BMW und Mercedes-Benz, im Luxus­ segment wählen. Für die Autofahrer lieferten zum einen die starke Motorleis­ tung und zum anderen das hohe Drehmoment bei niedriger Drehzahl einen doppelten Vorteil. Entweder konnten sie den Diesel sportlich und dynamisch fortbewegen, selbst bei eventuellen Schaltfehlern, oder sie wählten eine ge­ mütliche Fahrweise mit wenigen Schaltvorgängen. In beiden Fällen war ein reibungsloses Einfadeln in Schnellstraßen oder Überholen problemlos mög­ lich, da der Motor stets willig beschleunigte, während bei älteren Dieselfahr­ zeugen in solchen Manövern immer ein erhöhter Konzentrationsaufwand notwendig gewesen war. Parallel zur Leistungssteigerung bedienten die Hersteller auch den Wunsch nach Sparsamkeit. Im Kleinwagensegment boten Volkswagen und später auch Audi das Dreiliterauto an. Allerdings zeigte sich, dass die Kun­ den diese auf extreme Sparsamkeit ausgerichtete Technologie nicht annah­ men, da ihrer Ansicht nach zu viele Kompromisse eingegangen worden wa­ ren. Darüber hinaus waren sie weitaus weniger gewillt, viel Geld für einen sparsamen Motor auszugeben, zumal das öffentliche Interesse am Klimawan­ del abflaute; hohe Kosten bei leistungsstarken Motoren wirkten dagegen nicht abschreckend. Gegen Ende der 1 990er Jahre stand erneut das Krebsri­ siko im Mittelpunkt des öffentlichen Diskurses. Da der Dieselabsatz von 1997 an sprunghaft angestiegen war, kam diesem Umstand eine völlig neue Dimension zu. In der Debatte lehnten die deutschen Hersteller vehement die Einführung des mittlerweile serienreifen Rußpartikelfilters ab. Allerdings sprachen sich die Umweltschutzverbände, zahlreiche Forscher und die Bun­ desregierung für dessen Markteinführung aus. Letztlich zwangen die Fein­ staubmesswerte im Jahr 2005 und die wachsende Ablehnung der Verbraucher die deutschen Autohersteller zum Umdenken. Der Absatzeinbruch bei den Dieselneuzulassungen war nur kurzzeitig; denn nach dem Einbau der Rußp­ artikelfilter waren die kritischen Argumente der Wissenschaftler zu den Die­ selabgasen entkräftet. Sowohl die Verbraucher als auch die Bundesregierung attestierten den Diesel-Pkw erneut ein positives, umweltfreundliches Image.

252

5. Abschließende Bemerkungen

5.2 DIE DIESELAUTOS UND IHRE RATIONALITÄTSFIKTIONEN Bis 1980/81 war die Situation für Dieselautos in beiden Ländern ähnlich. Sie galten als sparsam, umweltfreundlich, zuverlässig und langlebig. Um das Jahr 1980/81 veränderten sich allerdings die Rationalitätsfiktionen zu den Dieselautos in den USA. Es setzte sich die Meinung durch, dass Dieselautos untermotorisiert, krebserregend, unzuverlässig und laut waren. Demgegen­ über schrieb man ihnen in Deutschland weiterhin positive Attribute wie Zu­ verlässigkeit, Umweltfreundlichkeit und Sparsamkeit zu. Mit den techni­ schen Verbesserungen der späten 1 970er bzw. frühen 1 980er Jahre sowie der 1 990er Jahre bekamen Dieselmotoren noch zwei weitere Eigenschaften, die vormals für Ottomotoren reserviert gewesen waren. Sie galten jetzt auch als leise und leistungs stark. Gerade der Leistungssprung in der zweiten Hälfte der 1 990er Jahre ermöglichte den Dieselboom in Deutschland. In den USA nahmen die Konsumenten diese Veränderungen bei der Dieseltechnologie weder in den 1 990er Jahren noch im frühen 2 1 . Jahrhundert wahr. Aus die­ sem Grund herrschten auch 2005 noch die negativen Rationalitätsfiktionen vor, welche sich in den frühen 1980er Jahren durchgesetzt hatten. Dieselau­ tos blieben in den USA ein Randprodukt. Die Diskurse über die Dieselautos zeigen, dass sie in doppelter Hinsicht trivialisiert sind. Zum einen simplifizieren die vermittelnden Instanzen, wie Zeitschriften, die Inhalte, damit sie für die Konsumenten verständlich blei­ ben; zum anderen engen sie die Vielfalt und Komplexität eines Themas auf einige wenige Argumente ein, damit sie für die Leser oder Konsumenten ver­ ständlich und überschaubar bleiben. Die Verbreitung der Rationalitätsfiktio­ nen erfolgt durch die drei Konstellationsarten; Beobachtungs-, Beeinflus­ sungs- und Verhandlungskonstellation. Wenn sich der gesellschaftliche Ak­ teur - hier der Dieselautokäufer - bei seiner Entscheidung auf die Diskurse der Experten beruft, dann wird seine Entscheidung außerdem sozial legiti­ miert. Dadurch entstehen Rationalitätsfiktionen, die es den Konsumenten er­ möglichen, normative Aussagen zu treffen, ob ein Dieselauto "gut" oder "schlecht" ist. Sie dienen den Akteuren als Rechtfertigungsgrundlage für ihre Entscheidung für oder gegen ein Konsumgut. Bestimmte symbolisch überhöhte Größen prägten den Diskurs über den gesamten Betrachtungszeitraum. Für die Autofahrer war relevant, wie viel PS Leistung7 oder wie viel Nm DrehmomentS der Motor hatte und wie hoch der Kraftstoffverbrauch in Litern war. Letzteres floss zusammen mit den Kraftstoffpreisen sowie den laufenden Kosten und den Anschaffungskosten 7

8

Als Leistung wird zudem die Einheit Kilowatt (kW) verwendet. Im öffentlichen Dis­ kurs dominiert jedoch weiterhin die Bezeichnung .,Pferdestärken" (PS). Außerdem wurden in dieser Arbeit nicht die US-Größen, wie bhp, lb.-ft. und mpg, thematisiert. Zu Beginn des Untersuchungszeitraurns wurde das Drehmoment in rnkg angegeben.

5.2 Die Dieselautos und ihre Rationalitätsfiktionen

253

in die Rentabilitätsrechnung ein. Außerdem waren die Zylinderzahl und die Hubraumgröße zwei weitere zentrale Bewertungskriterien. Zur Legitimie­ rung der subjektiven Geräuschwahrnehmung zogen die Automobiljournalis­ ten und die Verbraucher ferner die objektiven Geräuschpegelmessungen in dBA heran. Der Diskurs über die emittierten Schadstoffe drehte sich primär um die Größen Kohlenwasserstoffe, Kohlenmonoxide, Stickoxide und Parti­ kel. In diesen Primärdiskursen diskutierten Medien und Konsumenten das Fachwissen trivialisiert. Bei der Motorleistung und dem Drehmoment erklär­ ten die Zeitschriften nicht etwa, wie Leistung, Drehmoment und Drehzahl zusammenhängen. Entscheidend für die Beurteilung war vielmehr, dass ein neues Modell mehr Leistung als der direkte Konkurrent auf dem Markt, wie etwa ein älteres Modell beim gleichen Hersteller oder das Modell eines ande­ ren Automobilproduzenten, haben musste. Ähnlich verhielt es sich beim Thema Kraftstoffverbrauch. Zielvorgabe war ein möglichst geringer Ver­ brauch in Litern auf 100 Kilometer. Dass es physikalisch sinnvoller ist, den Verbrauch in Kilogramm und nicht in Litern zu messen, war für die Konsu­ menten irrelevant. Vereinzelt durchbrachen die Journalisten in den Zeitschrif­ ten oder Zeitungen diesen Diskurs, wenn sie den Energiegehalt der Kraft­ stoffarten und den damit verbundenen Kohlendioxidausstoß erläuterten und darstellten. Erstmals diskutierten die Automobilzeitschriften den Kohlendi­ oxidausstoß verstärkt während der späten 1980er und frühen 1 990er Jahre, also während der Debatte über die globale Erwärmung infolge des Klima­ wandels und den durch den Menschen verursachten CO -Ausstoß. Dieses 2 Thema verschwand jedoch nach wenigen Jahren aus dem öffentlichen Dis­ kurs, ehe es 2007 zurückkehrte 9 Gleichwohl ist der Kraftstoffverbrauch ein Paradebeispiel für die triviale Darstellung der technischen Zusammenhänge. Die Bewertung der Motorengeräusche war ebenfalls stark simplifiziert, da in der Regel die Automobiltester in den Publikumszeitschriften die Ge­ räuschpegelmessungen nur bei konstanten Geschwindigkeiten durchführten. Folglich dokumentierten sie nicht, wie sich das Motorengeräusch bei einem Lastwechsel oder beim Hochbeschleunigen unter Volllast verhielt. Das sub­ jektive Geräuschempfinden floss neben der Geräuschpegelmessung ebenfalls in die Bewertung ein. Unter Umständen schrieben die Testfahrer, aber auch die Verbraucher, dieser Wahrnehmung sogar mehr Gewicht zu als der objek­ tiven Validierung in dBA. Das führte dazu, dass ein nach dBA gemessener Wagen als leise erschien, aber dennoch Wageninsassen, wie Testfahrer, oder Passanten das Motorengeräusch als vergleichsweise laut empfanden. In die­ sem Fall rieten beide Seiten aufgrund ihres subjektiven Befindens vom Kauf eines solchen Wagens ab. Selbstverständlich konnte auch der umgekehrte

9

Exemplarisch für die CO2-Debatte 2007 vgl. Becker, Zweck, V211; Wichtig ist, was unter der Haube steckt, 17.

254

5. Abschließende Bemerkungen

Fall eintreten und Autofahrer beschrieben ein nach den Geräuschpegelmes­ sungen relativ lautes Auto als leise. Die jeweiligen Schadstoffe, die das Auto an die Umwelt abgab, stellten die Medien und die Konsumenten im öffentlichen Diskurs ebenfalls als sym­ bolisch überhöhte Kerngrößen dar. Insbesondere bei Partikel- bzw. Feinstau­ bemissionen, aber auch bei den anderen Schadstoffen, präsentierten die Jour­ nalisten die physikalischen und chemischen Eigenschaften nicht im Detail. Auch die biologischen, medizinischen und ingenieurwissenschaftlichen Er­ gebnisse fanden keinen oder kaum Eingang in die Publikumszeitschriften und Tageszeitungen. Vielmehr galten zunächst die Schadstoffe CO und HC als schädlich und deren Ausstoß musste daher reduziert werden. Später traten NOx- und Partikelemissionen hinzu. Bei den beiden ersten Schadstoffarten war der Dieselmotor gegenüber einem Ottomotor ohne Katalysator überlegen und mit einem Ottomotor mit Katalysator zumindest gleichwertig. Gelegent­ lich wiesen die Ingenieure und die Journalisten explizit darauf hin, dass der Ottomotor modifiziert worden war, um die Grenzwerte einzuhalten, der Die­ sel demgegenüber nicht. Damit präsentierten sie den Dieselmotor erneut als die "bessere" Alternative. Letztlich galt der Diesel im öffentlichen Diskurs als das überlegene Antriebsaggregat. Erst als sich der Fokus auf die beiden anderen Schadstoffarten verschob, wandelte sich die Darstellung, da in die­ sem Fall der Dieselmotor schlechter abschnitt und zunächst keine effektiven Methoden der Schadstoffreduzierung zur Verfügung standen. Die erste öf­ fentliche Debatte über die Krebsgefahr des Dieselabgases setzte in den USA im Jahr 1977 ein und hielt bis Mitte der 1 980er Jahre an. Mit zeitlicher Ver­ zögerung erreichte die Krebsdebatte in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre auch Deutschland und dauerte von 1987 bis 1989. Schließlich kam es - er­ neut in Deutschland - 2005 zu einer weiteren Feinstaubdebatte. Während der ersten öffentlichen Auseinandersetzung über die Krebsrisi­ ken klassifizierten in den USA die politischen Entscheidungsträger EPA und die US-Regierung um Präsident Carter die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe als krebsauslösende Stoffe im Dieselabgas. Mit der Ver­ öffentlichung der ersten Forschungsergebnisse um das Jahr 1977 setzte dort eine intensive öffentliche Diskussion ein, die sich verschärfte, als Wissen­ schaftler den Zusammenhang zwischen Krebs und Dieselabgas bei öffentli­ chen Anhörungen oder Kongressen ansprachen. In den Augen der Öffentlich­ keit führte dieser kausale Nexus zu der Festsetzung von Partikelgrenzwerten bei Dieselwagen mit dem Modelljahr 1982. Dass die EPA die Grenzwerte aber wegen der Clean Air Act Amendments von 1977 erließ und sowohl die US-Regierung wie die US-Umweltschutzbehörde eine Entscheidung bei der Krebsgefahr vertagt hatten, wurde im öffentlichen Diskurs in diesem Zusam­ menhang nicht rezipiert. Selbst als die Reagan-Administration und die EPA die Krebsrisiken von Dieselabgas in den frühen 1980er Jahren verneinten, blieb die US-Bevölkerung besorgt. Das hing auch mit der Haltung des CARB

5.2 Die Dieselautos und ihre Rationalitätsfiktionen

255

zusammen, welches Diesel-Pkw als Gesundheitsrisiko einstufte. Verheerend war für die Hersteller, dass der Rußfilter nicht in die Serienreife überführt werden konnte und damit den Diesel das Stigma des Krebserregers weiter anhaftete. Als die Krebsdebatte im Jahr 1987 nach Deutschland schwappte, zeigte sich auch dort die Öffentlichkeit besorgt. Da die Benzin-Pkw mittlerweile keine Bleipartikel mehr an die Umwelt abgaben, waren Partikelemissionen fortan ein spezifisches Problem der Dieselautos. Neueste Forschungsergeb­ nisse betonten das krebsauslösende Potenzial von Dieselabgas und Wissen­ schaftler traten für eine Reglementierung der Partikelemissionen ein. Dieser Sichtweise schloss sich die Bundesregierung um Bundesumweltminister Töpfer zumindest zwischen 1987 und 1 989/90 an. In der Auseinandersetzung zwischen den Befürwortern der Diesel, wie den Herstellern, dem VDA und den ihnen nahestehenden Forschern, und den Gegenspielern im öffentlichen Diskurs, wie etwa dem Wissenschaftler Friedrich Pott und dem Umweltbun­ desamt, setzten auf beiden Seiten Konstruktions- und Dekonstruktionspro­ zesse ein. Dabei kam es nicht nur zu einem Aufeinandertreffen von Expertise und Gegenexpertise, sondern auch zu einer völlig entgegengesetzten Inter­ pretation derselben Forschungsergebnisse. Daraus leiteten die Akteure wie­ derum unterschiedliche Handlungsoptionen ab. Für die Hersteller brachten eine innermotorische Optimierung der Verbrennung und der Einbau eines Katalysators den gewünschten Effekt. Dieselautos seien, so ihre Argumenta­ tion, sauber und nicht mehr krebserregend. Im öffentlichen Diskurs gewan­ nen diese Rationalitätsfiktionen um 1989/90 erneut die Deutungshoheit. Auch die Bundesregierung schloss sich ihrer Sicht der Dinge an, später folgten die Konsumenten. Zu diesem Zeitpunkt deuteten aktuellste Forschungsergebnisse darauf­ hin, dass nicht die PAH die Krebsauslöser waren, sondern der Rußkern selbst. Es dauerte allerdings bis in die zweite Hälfte der 1990er Jahre, ehe sich diese Sichtweise im öffentlichen Diskurs mehrheitlich durchsetzte. Von nun an standen die beiden technologischen Lösungen Verbrennungsoptimierung und Katalysator verstärkt in der Kritik, da sie den Partikelausstoß nicht auf "null" reduzierten. Erneut kehrte das Krebsproblem der Dieselpartikel zurück in das öffentliche Bewusstsein. Die deutschen Hersteller weigerten sich aber noch, den Rußfilter serienmäßig einzubauen, da er nicht benötigt wurde, um die offiziellen EU-Grenzwerte einzuhalten. Erst die regelrechte Krebspanik wäh­ rend der Feinstaubdebatte 2005 und der daraus resultierende Ruf der deut­ schen Autofahrer nach Dieselfahrzeugen mit Partikelfilter zwangen die Her­ steller zum Einlenken. Damit waren zugleich zumindest die Dieselneuwagen vom Krebs-Stigma befreit. Neben diesen Primärdiskursen fanden Sekundärdiskurse über technolo­ gische Eigenschaften der Dieselautos statt. Sie waren zwar in den Zeitschrif­ ten stets präsent, erreichten aber nicht die gleiche Tragweite innerhalb der

256

5. Abschließende Bemerkungen

Gesellschaft. Hierzu gehörten insbesondere die Diskurse über den Diesel­ kraftstoff, die Ölwechsel und die Vorglühfunktion. Zahlreiche Artikel infor­ mierten die Dieselfahrer, dass Dieselkraftstoff nur bedingt kältefest war und wie sie auch bei kalten Außentemperaturen ihren Wagen fahrtauglich halten konnten. Auch vor dem Dieselgeruch und dem ölig-schmutzigen Kraftstoff, der beim Tanken stark schäumte, warnten die Zeitschriften. Zugleich präsen­ tierten sie effektive Wege, wie sich die Dieselbesitzer davor schützen konn­ ten. Viele der analysierten Diskurse waren zwar über den gesamten Betrach­ tungszeitraum vorhanden, hatten aber nur zu spezifischen Zeiten die Deu­ tungshoheit; währenddessen überlagerten sie andere Themen, wie die öffent­ liche Auseinandersetzung mit den Themenkomplexen Motorleistung und Drehmoment sowie Verbrauch und Kosten. Insbesondere in den USA war die Motorleistung, egal zu welchem Zeitpunkt, das ausschlaggebende Bewer­ tungskriterium für ein Auto. Allerdings spielte es während der Versorgungs­ engpässe mit Kraftstoff zumindest für kurze Zeit eine untergeordnete Rolle, da Dieselkraftstoff ohne Einschränkungen verfügbar war. Im Gegensatz zu einem Pkw mit Ottomotor blieb die Mobilität gesichert. In der Tat war ein geringerer Kraftstoffverbrauch in den USA von der ersten Ölkrise bis zum Ende der zweiten Ölkrise sowohl wirtschaftlich wie kulturell bzw. sozial re­ levant. Das resultierte aus den gestiegenen Kraftstoffpreisen und der Vorstel­ lung der Endlichkeit der Erdölreserven bzw. der Verwundbarkeit gegenüber den erdölfördernden arabischen Staaten. Den Kraftstoffkosten kam in Deutschland, wie auch in Europa generell, eine wesentlich größere Bedeutung zu als in den USA, da die Kraftstoffe in Europa höher besteuert wurden. Unter dem Eindruck der Erdölkrisen verbreitete sich des Weiteren die Vorstellung von der Knappheit der Ressourcen in der Gesellschaft. Das wertete den Aspekt "Verbrauch" auf und die Bedeutung der "Leistung" ab. Nach dem Ende der zweiten Ölkrise drehte sich das Ka­ russell der Argumente erneut. Die Akteure Hersteller, Automobilzeitschriften und Autofahrer räumten während der 1 980er Jahre dem Kriterium der Leis­ tung wieder Priorität vor dem des Verbrauchs ein. Allerdings verschwand die Vorstellung vom Ende des Erdölzeitalters - ganz im Gegensatz zu den USA - in diesem Zeitraum nicht vollständig aus dem Bewusstsein der Öffentlich­ keit. Als der Treibhauseffekt Einzug in den öffentlichen Diskurs hielt, war daher ein erneutes Umschwenken der Prioritäten möglich. Die Bundesregie­ rung und die breite Öffentlichkeit maßen dem Thema Verbrauch erneut große Aufmerksamkeit zu. Auch dieser Wandel war keineswegs nachhaltig und mit dem Leistungssprung der Diesel, der bekanntlich mit weiteren Verbrauchs­ einsparungen einherging, entwickelten sich wiederum die Motorleistung und das Drehmoment zu den wichtigsten Bewertungskriterien. Bei den reglementierten und nicht reglementierten Schadstoffen findet sich ebenfalls die doppelte Trivialisierung. Die Debatte drehte sich zunächst

5.2 Die Dieselautos und ihre Rationalitätsfiktionen

257

primär um die Kerngrößen HC, CO und NOx ' Ab 1977 wandelte sich der öf­ fentliche Diskurs und die drei Schadstoffe wurden in der Berichterstattung nur noch am Rande angesprochen. Im Zentrum des öffentlichen Interesses stand jetzt die Auseinandersetzung über die Partikelemissionen und deren Karzinogenität. Mitte der 1980er Jahre kam es in Deutschland zu einer ähnli­ chen Entwicklung, als auch hier zunächst Wissenschaftler und Umweltver­ bände, später die politischen Entscheidungsträger und Konsumenten, Diesel­ abgas mit Krebs in Verbindung brachten. Die einsetzenden Debatten über den CO -Ausstoß und den Treibhauseffekt überlagerten den Diskurs über die 2 Krebsgefahr der Partikelemissionen, die in der zweiten Hälfte der 1 990er Jahre wieder zum omnipräsenten Medienthema wurden. Das Fallbeispiel Dieselauto zeigt im transatlantischen Vergleich Deutsch­ land - USA auf, wie Rationalitätsfiktionen entstehen und sich verändern. Im Lauf der Untersuchung stellte sich heraus, dass Dieselautos in Deutschland wie in den USA zunächst ähnlichen Kriterien ausgesetzt waren, während sie von 198 1/82 an diametral entgegengesetzt wahrgenommen wurden. Seitdem besagen die in den USA gültigen Rationalitätsfiktionen, Dieselautos seien insbesondere träge, laut, unzuverlässig, schmutzig und nicht umweltfreund­ lich bzw. krebserregend. In Deutschland hieß es dagegen, Dieselautos seien sparsam, langlebig, zuverlässig umweltfreundlich und mittlerweile auch leis­ tungsstark. Eine Trivialisierung und kulturelle Prägung der Diskurse, wie sie an diesem Beispiel exemplifiziert wurden, ist für Artefakte der komplexen Alltagstechnik letztlich typisch. Sie stellen eine Rationalisierungsstrategie der Konsumenten dar, um überhaupt normative Aussagen zu hoch technisier­ ten Konsumgütern machen zu können. Der "aufgeklärte Konsument" stößt gegenüber der verwissenschaftlichten Alltagstechnik schnell an seine Gren­ zen.

ABKÜRZUNGEN ACEA ADAC bhp BMW CAPE CARB CDI CDU cm3 CO CO2 CU CVS-CICVS-72 CVS-CH/CVS-75 CZ D.C. D dBA DISC DIW DM DOGMAD DOT EG EPA ERDA FEA FTC GM GSF HC HDi IAA

JTD kmIh

MAK MIT mkg mpg mph NEFZ

Vereinigung der europäischen Automobilhersteller I European Automobile Manufacturers' Association Allgemeiner Deutscher Automobil-Club brake horse power Bayerische Motorenwerke Corporate Average Fuel Economy I Flottenverbrauch Califomia Air Resources Board Conunon-Rail Direct Injection Christlich Demokratische Union Deutschlands Kubikzentimeter Kohlenmonoxid Kohlendioxid Consumers Union Constant-Volume-Sampler-Cold-Start-Methode Constant-Volume-Sampler-Cold-Hot-Start-Methode Cetanzahl District of Columbia Diesel Dezibel A-Bewertung Diesel Impacts Study Committee Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Deutsche Mark Dissatisfied Owners of General Motors Automotive Diesel Department ofTransportation Europäische Gemeinschaft Environmental Proteetion Agency Energy Research and Development Administration Federal Energy Administration Federal Trade Cornmission General Motors Gesellschaft für Strahlenforschungl seit 1990: Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in der Helmholtz-Gemeinschaft Kohlenwasserstoff High Pressure Direct Injection Internationale Automobilausstellung in Frankfurt am Main UniJet Turbodiesel Stundenkilometer Maximale Arbeitsplatz-Konzentration Massachusetts Institute of Technology Meter Kilogramm Miles per Gallon Miles per Hour Neuer Europäischer Fahrzyklus

260 Nm NOx °3 OM OPEC PAR Pb PM ppm PS ROZ SCOT S02 S03 H2S04 suv

TD TDI U/min UBA VCD VDA VDI

Abkürzungen

Newtonmeter Stickoxide Ozon Ölmotor Organization of Petroleum Exporting Countries polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe Blei Particulate Matter parts per million Pferdestärke Research-Oktanzahl Social Consttuction of Technology Schwefeldioxid Sulfat Schwefelsäure Sport Utility Vehicle Turbodiesel oder TouringlTransport Diesel Turbodiesel Direct Injection Umdrehungen pro Minute Umweltbundesarnt Verkehrsclub Deutschland Verband der Automobilindustrie Verein Deutscher Ingenieure

GRAFIK- UND TABELLENVERZEICHNIS GRAFIKEN Grafik 1 : Dieselanteil bei Neuzulassungen I Verkaufszahlen in Deutschland und in den USA, 1971-2006, Seite 1 1 Grafik 2 : Dieselneuzulassungen von Mercedes-Benz und Volkswagen in Einheiten (links) und ihr Anteil in Prozent (rechts) am Dieselrnarkt, 1974-1989, Seite 106 Grafik 3: Importzahlen Mercedes-Benz Dieselautos für die USA, 1977-1987, Seite 121 Grafik 4: Marktanteile am US-Dieselmarkt, 1977-1986, Seite 128 Grafik 5: Dieselanteil ausgewählter Hersteller bei den Neuzulassungen in Deutschland, 1996-2006, Seite 219 Grafik 6: Produktionsanteil von Personenwagen und Light Trucks mit Vier-, Sechs­ undAchtzylindermotoren bei US-Herstellem, 1970-2005, Seite 241

TABELLEN Tab. 1 : Tab. 2: Tab. 3:

US-Grenzwerte für Personenwagen mit Otto- und Dieselmotor, Modelljahre 1970-1976, Seite 58 Kraftstoffverbrauch Oldsmobile Delta Eighty-Eight Royale mit Diesel­ und Ottomotor, Seite 91 US-Grenzwerte für Personenwagen mit Otto- und Dieselmotor, Modelljahre 1975-1993, Seite 136

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS UNGEDRUCKTE QUELLEN Bundesarchiv Koblenz

Bundesarchiv Koblenz B 10811002 Bundesarchiv Koblenz B 295/27826 Bundesarchiv Koblenz B 295/67769 Daimler AG Finnenarchiv

Institut für Demoskopie. Gesellschaft zum Studium der Öffentlichen Meinung, Personenwagen. Bestand, Vergleiche, Kaufpläne. Roh-Ergebnis einer Umfrage unter Kraftfahrern in Westdeutschland, Allensbach arn Bodensee 1954. Produktionszahlen Mercedes-Benz Diesel-Pkw, 1936-2003. Detroit Pnblic Library National Automotive History Colleclion

Mercedes-Benz 1974-1979 Mercedes-Benz 1980-1985 Oldsmobile 1977-1980 Oldsmobile 1981-1985 Jimmy Carler Library

JC-AlNFL: Series Kaho's Subject Files JC-AlNFL: Series Ron B . Lewis' Subject Files JC-CEA: Series Charles L. Schultze's Subject Files JC-DPS: Series Kathryoe Bernick Files JC-DPS: Series Richard Neustadt Files JC-WHCF: Subject File, Series Business-Economics

ZEITSCHRIFTEN, ZEITUNGEN UND NACHSCHLAGEWERKE Zeitschriften

ADAC Motorwelt Auto Motor und Sport Auto Zeitung Automobil Revue Automobil-Industrie Automobiltechnische Zeitschrift Automotive Industries Automotive News AutoWeek Car and Driver Consumer Reports Der Spiegel

Zeitschriften, Zeitungen und Nachschlagewerke

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SACH- UND ORTSREGISTER Abgasemissionen siehe jeweiliges Diesel­ modell, Abgasgesetzgebung, Partikel­ emissionen Abgasgesetzgebung Deutschland, allgemein 167, 171ff., 190f., 223 Abgasgesetzgebung USA, allgemein 56-59, 135ff., 140ff., 149, 152f., 156f., 162, 167, 172f., 245 ACEA siehe Vereinigung der europäischen Automobilhersteller ADAC Motorwelt 29f., 46ff., 52, 56, 59, 76, 82, 107, 164, 168, 171, 182, 186, 197, 199, 204, 212, 214, 222ff. ADAC 13, 48f., 52, 56, 59, 76, 78f., 97f., 107- 1 1 1 , 113f., 164-170, 172-175, 185, 190, 197, 199, 204, 211, 213f., 223ff., 226, 228-232, 234f. Adenauer-Mercedes siehe Mercedes-Benz 300 d Agip 98 A1ameda County 102 A1aska 101, 139 A1fa Romeo 206f. Ames Test 143f. Amoco Oil Co. 138 Ara1 98, 104, 169, 219 Audi, allgemein und Modelle 66, 75, 198f., 20lf., 209f., 215, 218f., 229f., 251 Auflagenstärke Zeitschriften 29f. Auto Motor und Sport 29, 45, 52, 56, 59f., 68, 7 1 f. 89, 106, 1 1 1 , 115, 130, 171, 173, 175f., 180, 186, 188ff., 192, 195, 199, 201-207, 210, 213f., 218, 22lf., 224f., 227f., 230, 243f. Auto Zeitung 29, 67, 75, 104f., 1l0, 122, 167, 188, 208 Automatikschaltung 39, 74 Automobile Revue 29, 50, 179, 193 Automobiltechnische Zeitschrift 29 Automotive News 1 1 6 AutoWeek 92 Battelle Institut 174f. Belgien 12, 169, 216 Berliet 72

Berlin 38, 167, 174f., 212, 216, 232 Biomedica1 Science Department bei GM 155 Bleifreies Benzin 10, 65, 136, 169ff., 236, 250 BMW, allgemein und Modelle 28, 98, 112, 115, 172, 210, 217ff., 225, 229f., 233, 241 , 251 Bosch 78, 206, 223 Braunschweig 232 Brookhaven National Laboratory 155 Bundesgesundheitsministerium 59 Bundesregierung 165, 167f., 172, 177, 182, 187, 196, 25 1 , 255f. Bundesumwe1tministerium 168, 191, 203 (siehe auch K. Töpfer und W. Wallmann) Cadillac Seville Diesel 1 3 1 Cadillac, allgemein 32, 39 CAPE siehe Flottenverbrauch Ca1ifomia Air Resources Board 131, 136, 159, 254 Car and Driver 29f., 67, 8 1 , 85f., 92f., 95, 97ff., 118f., 141, 236f. CARB siehe Califomia Air Resources Board Carter-Administration siehe Carter­ Regierung Carter-Regierung 145-148, 150f., 152f., 160, 254 Caterpillar 86 Center for Auto Safety 130, 13 2 Cetänzah1 99, 137-140 Charleston, SC 133 Chevro1et, allgemein und Modelle 32, 86, 241 Chevron Research 99 Citroen, allgemein und Modelle 98, 223f., 227 Clean Air Act 1970 56-59 Clean Air Act Amendments 1977 141, 147, 154, 254 CO2-Ausstoß siehe Kohlendioxidausstoß Common-Rail-Diese1motor 27, 205-211, 239, 244f., 251

292

Sach- und Ortsregister

Consumer Reports 61, 64, 67f. 80, 8 1 , 84, 86, 9 1 , 92, 116, 119, 129, 130, 133, 154 Contra Costa County 102 Corporate Average Fuel Economy siehe Flottenverbrauch Daimler-Benz 98 Daimler-Benz siehe Mercedes-Benz Dallas 126 Dampfmotor 35, 65 Datsun B 210 75 Department of Commerce 86 Department of Defense 86 Department of Transportation (DOT) 86 Der Spiegel 29, 68, 102f., 114, 162, 174, 187, 196, 209f., 215, 220, 233 Detroit 80, 132 Deutsche Forschungsgemeinschaft 176, 183 DFG siehe Deutsche Forschungsgemeinschaft Diesel Impacts Study Committee 156 Dieselabsatz, Deutschland 1Of., 13f., 27f., 54, 103-106, 109ff., 171, 173, 175, 177f., 180, 193, 198, 215, 218f., 222, 226, 232-235, 248, 250f. Dieselabsatz, Europa 3 1 , 215-220 Dieselabsatz, USA 9ff., 13f., 27f., 54, 65f., 85, 98f., 1 1 6f., 120f., 123, 125-128, 133ff., 140, 142, 144, 146f., 153f., 161f., 235ff., 248 Dieselkraftstoff, Eigenschaften 76, 97-100, 114, 1 18f., 122f., 137-140, 186, 190, 197, 2 1 1 , 247f., 249, 256 Dieselkraftstoff, Lagerung 99f. Direkte Kraftstoffeinspritzung 36, 175, 196-203, 205-21 1 , 220f., 251 (siehe auch Common-Rail- und Pumpe-Düse­ Dieselmotoren) DISC siehe Diesel Impacts Study Cornmittee Dodge BR2500 Ram 241 Dreiliterauto 21 1-215, 230, 251 Düsseldorf 175, 179, 183, 232 EG siehe Europäische Gemeinschaft Elasis 206 Elektrofahrzeug siehe Elektromotor Elektromotor 35, 65, 237f. Energy Policy and Conservation Act 63f. Energy Research and Development Administration (ERDA) 86 Energy Tax Act 64

Entlüftung der Kraftstoffleitungen 90 Environmental Proteetion Agency 27f., 57, 64, 67, 75, 82, 86, 90ff., 95, 135f., 140f., 143ff., 146-155, 157ff., 16lf., 172, 176, 220, 237, 249, 254 EPA siehe Environmental Proteetion Agency Erdgasfahrzeug 13 Erlebnisgesellschaft 15f., 19 Esso 98, 169 EU siehe Europäische Union Euro-Norm 212f., 221, 224f., 228f., 231 Europa 12, 3lf., 39, 54, 57, 66, 68, 79, 84, 92, 94, 102f., 117, 150, 172, 176ff., 212, 215, 216, 222, 236, 245, 247, 250, 256 Europäische Gemeinschaft 165, 171ff., 175, 180f., 202 Europäische Union 203, 222, 232f., 255 Fahreigenschaften siehe jeweiliges Dieselmodell Faurecia 223f. Feder Trade Commission 130 Federal Energy Administration (FEA) 86 Feinstaubdebatte 27f., 231-235, 254f. Fiat, allgemein und Modelle 198f., 206, 208 Fiktionalismus siehe Philosophie des "Als-ob" Flottenverbrauch 64, 66, 86, 96, 1 18f., 121, 126, 129, 242, 245 Ford, allgemein und Modelle 34, 39, 86, 106, 109, 185, 218f., 229f. 233, 24 1 , 248 Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in der HeImholtz­ Gemeinschaft 222, 226, 231 Frankreich 12, 103, 1 1 1 , 169, 172, 216f. Fraunhofer Institut für Toxikologie und Aerosolforschung 174, 179, 183, 187, 193f., 221, 223 Fraunhofer Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme 232 FTe siehe Federal Trade Cornmission Fünfzylinderdieselmotor 7 l f. Fünfzylinderturbodieselmotor 94f., 162, 247 Garret AiResearch Turbolader 94 Gas Guzzler Tax 64 Gasoline Lines 63, 65, 90, lOOff. 118, 246 General Motors Diesel-Pkw siehe jeweiliges Dieselmodell von Oldsmobile, Cadillac

293 General Motors V8-Dieselmotoren 87f., 90, 93,129-133., 14lf., 247, 249, 251 (siehe auch Oldsmobile) General Motors, allgemein 26, 32f., 39, 46, 77, 85-89, 92f., 112, 119, 126, 129-134, 14lf., 146, 148ff., 152f., 155, 158, 160f., 239, 248ff. Gesellschaft für Strahlenforschung siehe Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in der Helrnholtz-Gemein­ schaft GM siehe General Motors Großbritannien 36, 217 GSF siehe Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in der Helrnholtz­ Gemeinschaft Hannover 174, 179, 183, 194, 221, 232 Hanomag Diesel-Pkw 38 Health Effects Institute 195f. Holland 62, 169, 217 Honda 237 Honda 237 Houston 126 Hybridmotor 65, 237f. IAA siehe Internationale Automobil­ ausstellung !biden 223 Indirekte Kraftstoffeinspritzung siehe VorkammverfahrenlWirbelkammer­ verfahren Institut für Demoskopie Allensbach 29, 41 Internationale Automobilausstellung in Frankfurt 198, 227ff. Iran 101 Italien 12, 103, 169, 216f. J. D. Power andAssociates 29, 129 Kalifomien 9, 57, 59, 84, 88, 100ff. 1 1 6f., 122f., 126, 13 lf., 136f., 158f., 161, 240, 247, 250 Katalysator 65f., 136ff., 152ff., 161, 164-172, 174, 177, 180f., 188-192, 194, 198, 200f., 229, 250, 254f. Kfz-Steuer siehe Kraftfahrzeugsteuer Klimaanlage 39, 74, 125, 215 Klimawandel 27, 196f., 199ff., 222, 250f., 253, 256f. Kohlendioxidausstoß 27, 3 1 , 188, 196f., 199f., 20lf., 204, 21 lf., 215, 217, 227, 234, 250, 253, 257 Konsum 12, 14-19, 24, 28f., 32f., 35, 39,

40, 43,45, 49, 52, 63ff., 72, 77, 9 1 , 96, 100, 105, 13 1-134, 142, 156, 171, 180f., 211, 217, 241, 243, 245, 250-257 Konsument siehe Konsum Konsumentscheidung siehe Konsum Kostenkalkulation Diesel-Pkw, Deutschland allgemein 110f., 203f., 217f., 248 Kostenkalkulation Diesel-Pkw, Europa allgemein 12ff., 216f. Kostenkalkulation Diesel-Pkw, USA allgemein 1Off., 62f., 9lf., 1 1 6ff., 120, 248 Kostenkalkulation siehe jeweiliges Diesel­ modell Kraftfahrzeugsteuer 12, 28, 94, 168f., 177, 180, 190f., 196, 203, 216ff., 220, 222, 23 1 , 243, 245 Kraftstoffverbrauch US-Pkw, allgemein 39f. Kraftstoffverbrauch siehe jeweiliges Dieselmodell Krebsgefahr siehe Partikelernissionen Lansing, MI 85, 126, 129, 133 Light Trucks 9f., 13, 87, 133, 146, 157, 210, 227, 239-242 London 59 Los Angeles 56, 100f., 126, 132, 214 Luftverschmutzung Deutschland, allgemein 26, 59f. (siehe auch Partikelemissionen, Feinstaubdebatte, Walsterben-Debatte) Luftverschmutzung USA, allgemein 26, 56-59 (siehe auch Partikelemissionen) Magneti Marelli 206 Maine 240 MAK-Kornmission 176, 182f. MAK-Werte-Liste 176, 178 Marin County 102 Massachusetts 240 Medizinisches Institut für Umwelthygiene 175, 183 Mercedes-Benz 170 D 40-43 Mercedes-Benz 170 40 Mercedes-Benz 190 D 2.5 113, 162 Mercedes-Benz 190 D 112ff., 189 Mercedes-Benz 200 D 43-53, 55, 108f., 113, 209 Mercedes-Benz 200 43, 45, 47, 105 Mercedes-Benz 220 D 43-53, 55f., 67f., 9lf., 108f., 243ff. Mercedes-Benz 220 41, 43, 45, 47, 53, 67, 9lf.

294

Sach- und Ortsregister

Mercedes-Benz 240 D 3.0 siehe Mercedes­ Benz 300 D Mercedes-Benz 240 D 48, 74ff., 92f., 113, 190 Mercedes-Benz 250 D 113, 185, 190 Mercedes-Benz 260 D 38f., 43 Mercedes-Benz 280 72, 92, 95 Mercedes-Benz 300 D 2.5 Turbo 236f. Mercedes-Benz 300 d 7 1 Mercedes-Benz 300 D 7 1-77, 84, 92, 95, 105, 113, 142, 236, 247 Mercedes-Benz 300 SD 76, 94-97, 120, 16lff., 202, 210, 247 Mercedes-Benz 300 41 Mercedes-Benz 450 SEL 89 Mercedes-Benz C 111 94, 114 Mercedes-Benz C 220 CDI 206f., 243ff. Mercedes-Benz C 270 CDI 217 Mercedes-Benz E 220 CDI 223 Mercedes-Benz E 320 CDI 238 Mercedes-Benz M-Klasse 227, 241 Mercedes-Benz S 320 CDI 225 Mercedes-Benz 350 Turbodiese1 21O Mercedes-Benz, allgemein 12, 26, 28, 41-45, 48, 53ff., 6 1 , 65f., 7 1 , 73f., 94, 96, 98, 105f., 109f., l l l ff., 120ff., 134, 146, 149, 16lff., 172, 177, 179f., 182f., 188f., 206ff., 218f., 228ff., 230, 233, 235f., 245, 247f., 251 Mineralälindustrie 65, 97f., 137f., 170, 186f., 227 Mineralälsteuer 12, 28, 54, 6 1 , 168f., 180, 203, 216, 218, 220, 222, 243, 245 Minnesota 84 Mobil 99 Motor Trend 29f., 85, 117, 126, 139 Motorengeräusch siehe jeweiliges Dieselmodell Motorleistung US-Pkw, allgemein 39f. Motorleistung siehe jeweiliges Dieselmodell Motortechnische Zeitschrift 29 München 170, 209, 222, 232 Nard" 94, 114 NASA 86 National Cancer Act 142 National Institute for Occupational Safety and Health 184 National Research Council 118, 139, 156f., 159

National Science Foundation 86 NEFZ-Fahrzyklus 223 Neoinstitutionalismus 22 New Jersey 117 New York 96, 102, 130, 132, 163, 240 Niederlande siehe Holland Nutzer, allgemein 18, 26, 32-36 Nutzer, Diesel-Pkw 3 1 , 33, 36, 38, 47f., 5 1 , 54ff., 68, 7 l ff., 77, 80, 90, 98, 104, 114, 1 1 6f., 120, 123, 127, 185, 199, 207ff., 2 1 1 , 219f., 245f., 248, 251, 256 Oak Ridge National Laboratory 10 Oktanzahl 66, 138 Oldsmobile, allgemein 86f., 92f., 95f. 117, 119, 121, 126ff., 132-135, 247 (siehe auch Oldsmobile Eighty-Eight, Ninety­ Eight und Cutlass Diesel) Oldsmobile Cutlass Diesel 119, 122, 126ff., 131 Oldsmobile Eighty-Eight Diesel 85-93, 95f., 117, 121, 129, 247 (siehe auch General Motors V8-Dieselmotoren, Oldsmobile, allgemein) Oldsmobile Ninety-Eight Diesel 85-93, 95f., 117, 119, 121, 126ff., 158, 247 (siehe auch General Motors V8-Diesel­ motoren, Oldsmobile, allgemein) Ölkrise 1973 14, 26, 36, 58, 62-65, 68, 70f., 75, 77, 89f., 118, 126, 246, 256 Ölkrise 1979 14, 100-103, 116, 118, 147, 160, 240, 247f., 256 Ölwechsel 50, 53, 113, 139f., 227, 256 OPEC 96, 103, 127, 160 Opel Kadett Diesel 109f. Opel Rekord Diesel 44, 48, 109 Opel, allgemein und ausgewählte Modelle 49, 55, 109f., 112, 115, 172, 218f., 229, 233, 248 Orange County 101 Österreich 103, 169, 216 Ottomotor, allgemein 35, 65 (siehe auch jeweiliges Dieselmodell) Partikelemissionen 26ff., 60ff., 67f., 89, 135ff., 141-196, 200, 204, 208, 220237, 239, 244, 246, 249ff., 252, 254f., 257 Partikelfilter 28, 144, 152f., 16lff., 167, 173f., 177f., 180, 188, 192-196, 219, 222-235, 240, 249ff., 255 Peterbilt 86

295 Peugeot 205 Diese1 1 1 1 f. Peugeot 504 Diese1 44, 48, 53 Peugeot ffJ7 2,2-1-HDi 223f., Peugeot, allgemein und ausgewählte Modelle 12, 44, 55, 88, 92, 98, 115, 146, 218f., 222ff., 227f. Philosophie des "A1s-ob" 20 Pick-up Trucks siehe Light Trucks Porsche 209 PSA-Konzem 223f., 230 (siehe auch Citroen und Peugeot) Pumpe-Düse-Diese1motor 27, 205-212, 239, 251 Rationalitätsfiktionen 14f., 18-27, 39, 42, 45, 62,72, 74, 80, 82, 85, 95ff., 107f., 1l0, 112, 114, 125, 132, 134f. 138ff., 145, 155, 157, 159, 171, 175, 177, 179, 1 8 1 , 183, 192, 200, 202, 204, 209, 2 1 1 , 220, 222, 235f., 239, 252-257 Reagan-Administration siehe ReaganRegierung Reagan-Regierung 157-161, 254 Reichweite siehe jeweiliges Dieselmodell Renault 115, 170 Repub1ican National Convention 160 Rhodia 223 Road & Track 29f., 47, 49, 55, 66, 68, 74f., 82, 84f., 88, 9lf., 95f., 117, 121-125, 160f., 237f. Rußernissionen siehe Partikelemissionen Rußpartikelfilter siehe Partikelfilter RWTÜV-Essen 223 Sachverständigemat für Umweltfragen 177 SAE Automotive Engineering 29, 67, 70, 74, 88 San Diego 101, 1 3 1 San Francisco 102 San Maleo County 102 Santa C1ara 102 Schwefel 53, 100, 139, 165, 170, 186, 188, 190, 227 Schweiz 29, 50, 169 SCOT siehe Socia1 Construction of Techno1ogy Shell 98, 109ff. Skandinavien 169 Smog 56, 178f. Socia1 Construction of Techno1ogy 32ff. Sonoma County 102 Spanien 169, 216f.

SI. Louis 126 Stanadyne 89 Standard Oil of Ca1ifornia 98f. Starten, Dieselmotor 42f., 44, 50f., 53, 60, 67f., 75, 78f., 8 l f., 84, 97f., 113, 116, 137, 206, 243ff., 247 Stirlingmotor 65 Strukturierungstheorie 34 Stuttgart 232 SUV siehe Light Trucks Tanken, Dieselauto 48, 54, 76f., 82, 90, 97f., 1 13f., 118, 122f., 246ff., 256 Technikgenese 35f. Techno1ogy Forcing 57f., 152, 172 Texaco 169 The Los Ange1es Times 143 The New York Times 100, 102, 117f., 134, 143, 151, 158, 163, 221 The Wall Street Journal 143 The Washington Post 144, 155, 158, 163, Tierversuche 144, 1 5 1 , 155f., 164, 174179., 182ff., 186, 194f. Treibhauseffekt 27, 197, 199ff., 222, 250, 256f. Trivia1isierung 18-20, 25, 45, 52, 64, 145, 147, 181, 252f., 256f. Turbodieselmotoren 94-97, 1 14ff., 129, 189f., 212f., 247 TÜV-Bayern 188 TÜV-Rhein1and 180 UBA siehe Umweltbundesarnt Umwe1t- und Prognoseinstitut 226 Umweltbundesarnt 167, 172, 174, 179-183, 185, 190, 195f., 221, 223, 225, 228, 232, 235, 255 Umweltschutz, allgemein, Aktivisten, Verbände 66, 151, 157f., 164, 166, 168, 186, 203, 223, 246, 251 US Air Force 139 V8-0ttomotor 39, 86ff., 92, 24lf. VCD siehe Verkehrsc1ub Deutschland VDA siehe Verband der Automobilindustrie VDI siehe Verein Deutscher Ingenieure Ventura County 101 Verband der Automobilindustrie 103, 170, 178ff., 183f., 186f., 197f., 224, 230, 233ff., 255 Verbrennungsmotor siehe Ottomotor Verein Deutscher Ingenieure 59, 164, 188, 197

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Sach- und Ortsregister

Vereinigung der europäischen Automobilhersteller 2 1 1 Verkehrsc1ub Deutschland 230 Vermont 240 Verwissenschaftlichung 16-19 257 Virginia 131 Volkswagen Golf Diesel 77-85, 92, 95f., 102, 105-109, 1 1 1 , 114, 117, 1 1 9-126, 134f., 142, 185, 198, 238, 247, 249 Volkswagen Golf GTI 114 Volkswagen Go1f Turbodiesel 1 14f., 188-191, 191 Volkswagen Go1f 75, 80, 1 1 1 Volkswagen Jetta Turbodiesel 115, 191, 237f. Volkswagen Jetta 1 1 1 , 237f. Volkswagen Käfer 46 Volkswagen Lupo 212-215, 217, 230 Volkswagen Passat Diesel 1 1 1 Volkswagen Passat Turbodiesel 115, 229, 237f. Volkswagen Passat 75, 1 1 1 Volkswagen Rabbit Diesel siehe Volkswa­ gen Golf Diesel Volkswagen Touareg Diese1 21Of., 227, 238f., 241 Volkswagen, allgemein und ausgewählte

Modelle 12, 26, 28, 44,66, 77ff., 85, 88, 9lf., 105ff., 108- 1 1 1 , 1 14f., 117, 123f., 128, 134f., 140, 144, 146, 152, 172f., 177, 180, 183, 188f., 191, 197, 202f., 205, 207f., 213f., 215, 218f., 224f., 228f., 230, 233, 235, 237f., 248f., 251 Vo1vo, allgemein 115, 149 Vorglühen 50, 84, 88, 243, 248, 256 Vorkammerverfahren 36, 43f., 87, 112, 167, 180, 220 Wahrnehmung Diesel-Pkw, allgemein 12, 25-28, 36ff., 4lff., 70, 79, 120, 209f. (siehe auch jeweiliges Dieselmodell, Nutzer und Rationalitätsfiktionen) Waldsterben-Debatte 1 64ff., 250 Wankelmotor 65 War on Cancer 142 Warteschlangen an den Tankstellen siehe gasoline lines Washington, D.C. 102, 132, 159 Westmoreland, PA 124 Wien 9 Wirbe1karmnerverfahren 44f., 78, 167 Wissensgesellschaft 16f., 19 Zuverlässigkeit der Diesel-Pkw siehe jeweiliges Dieselmodell und General Motors V8-Dieselmotoren

PERSONENREGISTER Alper, Joseph 163 Ancker-Johnson, B . 158 Austin, Thomas C. 1 3 1 Ball, Frank W. 129 Bar1ow, Roger 100, 117f., 129f. Barth, De1bert 143f. Basshuysen, Richard van 202 Baudrillard, Jean 17 B ecker, C1auspeter 115, 201 Beecroft, Robert 1 3 1 Berg, Wolfgang 137 Berger, Peter L. 22 Borg, Kevin 34, 101 Bradsher, Keith 240 Braun, Wemher von 7 1 Carter, Jimmy 146, 148, 1 5 1 , 153, 158, 160, 254 Chen, Be1inda 217f. Cordes, Eckhard 231 Costle, Doug1as M. 148f., 153f., 159 Cummins, C1essie 36 Diesel, Eugen 36, 38, 4 1 , 60 Diesel, Rudo1f 38 DiMaggio, Pau1 22f. Dirnick David 161 Dreyhaupt, F. J. 164 Dudenhöffer, Ferdinand 226 Eicker, Helmut 7 1 Eng1ert, Norbert 232 Estes, Elliott M. 142, 148, 1 5 1 Fabian, Robert J . 70 Fersen, 01afvon 69, 7 1 , 76 Fia1a, Ernst 114 Flink, James 61 Fonda, Jane 96 Fortnagel, Manfred 44, 19lf., 202 Frey, Peter 126f. Friedrich, Axel 221 Giddens, Anthony 34 Gob1irsch, Ruth 168 Goldstein, Eric A. 163 Gorsuch, Anne M. 157ff. Greene, David L. 10-14, 134

Hack, Gert 30, 78, 80, 83, 104f., 112, 167f., 199, 202, 206, 213f., 218, 225, 228 Hahn, Carl H. 191 Hirrd, Mikae1 35f. Haße, Armin 174 Haussmann, Helmut 187 Heinrich, Uwe 183f., 186f., 190, 193ff. Heyder, Joachim 23lf. Hofbauer, Peter 77f., 173 Hogg, Tony 117 Holzinger, Katharina 137, 169 Hyde, Laurin 130 Irving, John 9 Jasanoff, Sheila 150, 153 Jordan, Hans 120 Judt, Tony 39 Kahn, A1fred E. 148, 153 Kaiser, Walter 38 K1ine Rona1d 34 K1ingner, Matthias 232 Knie, Andreas 35f. König, Wolfgang, 190, 199, 205 Korp, Dieter 30, 47, 52, 56, 60 Kuhlmann, Albert 180 Lazarus, Haro1d 118 Lerebvre, Pascal 224 Lersner, Heinrich von 174, 195 Leyrer, Götz 213f. Luckmann, Thomas 22 Mandel, Leon 118, 141 McCarthy, Tom 63, 142, 240 McDona1d, Thomas 123, 134 Meyers, Lynn C. 134 Moghissi, Allan 155 Murphy, Thomas A. 148, 1 5 1 Neumann, Kar1-Heinz 224f. Nicho1s, Mary 159 Niefer, Werner 177, 191 Nixon, Richard M. 142 Norbye, Jan P. 1 1 6 Norc1man, Kar1fried 65 Nye, David E. 160 Ob1änder, Kurt 94, 98 Oetting, Hermann 197

298

Personenregister

Oldenziel, Ruth 33 Orwell, George 174 Ostrnann, Bemd 227, 230 Peter, Wolfgang 177, 202 Petersen, Rudolf 165 Pieeh, Ferdinand 66, 202, 214 Pinch, Trevor 34 Pischetsrieder, Bemd 229f. Pohle, Wolfgang 61 Pott, Friedrich 183f., 186, 190, 194f., 255 Powell, Walter W. 22f. Press, Frank 145, 147, 157 Reagan, Ronald 157f., 160 Reuter, Edzard 182 Roche, Jarnes M. 46 Rockefeller, Nelso 7 1 Sand, Darrel R . 129 Sauer, Heinrich 173, 175f., 186, 201, 221, 225 Schachter, Robert 132f. Scherenberg, Hans 66 Scheven, Wemer von 225, 229 Schimank, Uwe 19f., 22, 24 Schlipköter, Hans-Wemer 179 Schmücker, Toni 79 SchuItze, Charles 153 Schulze, Gerhard 15f. Schuster, Herbert 203 Seebohm, Hans-Christoph 61 Seidel, Günter H. 104

Seiffert, Ulrich 177 Sesser, Bill 1 3 1 Simanaitis, Dennis 238 Sperling, Daniel 120, 217f. Stehr, Nico 17 Steiger, Wolfgang 207f. Stöber, Wemer 179, 187, 194f. Thilly, Williarn 154f. Töpfer, Klaus 172, 176f., 180, 182, 187, 191, 202, 255 Trittin, Jürgen 224, 233 Troge, Andreas 195, 225 Vaihinger, Hans 20 Verboven, Frank 12ff. Verre, Charles 1 3 1 Volti, Rudi 39, 63 Vostal Jaroslav 1. 155 Wallmann, Walter 172, 174f., 179, 182 Walls, Margaret 13 Waxrnan, Henry A. 158 Wei, Edward 159 Weingart, Peter 16-20 Westheide, Eberhard 168 Westrup, Klaus 243 White, Larry 146 Wichmann, H.-Erich 222, 226, 232 Wirsching, Andreas 165, 169 Wüstenfeld, Thornas 219 Zimmermann, Friedrich 165, 187 Zimmermeyer, Gunter 224

TRANSATLANTISCHE HISTORISCHE STUDIEN

Veröffendichungen des Deutschen Historischen Instituts Washington, DC Herausgegeben von Hartmut Berghoff, Martin Klimke, Anke Ordepp und Corinna Vnger.

Franz Ste lner Verlag

".

ISSN

0941-0597

Anke Ortlepp "Auf denn, Ihr Schwestern"

18.

Deutschamerikanische Frauenvereine in Milwaukee, Wisconsin, 1844-1914 2004. 309 S" geb. ISBN 978-3-515-08405-5 Uwe Lübken

'9·

Die USA und die nationalsozialistische Herausforderung in Lateinamerika, 1937-1945 2004.438 S., geb. ISBN 978-3-515-08509-0 Manfred Berg/ Philipp Gassen (Hg.)

24·

Universität der Gelehrten Universität der Experten

Bedrohliche Nähe

Deutschland und die USA in der Internationalen Geschichte des 20. Jahrhunderts

Festschrift für Dedef Junker 2004.599 S., geb. ISBN 978-3-515-08454-3 20. Astrid M. Eckert

25·

2I.

Die Karriere des Hans Heinrich Dieckhoff (1884-1952) 2006. 289 S., geb. ISBN 978-3-515-08649-3 26. Cordula Grewe (Hg.) Die Schau des Fremden

27.

22.

Amerikaforschung in Deutschland

23·

2004. 239 S., geb. ISBN 978-3-515-08466-6 Ellen Latzin Lernen von Amerika?

Ausstellungskonzepte zwischen Kunst, Kommerz und Wissenschaft 2006. 376 S., geb. ISBN 978-3-515-08843-5 Claus-Dieter Krohn/ Corinna R. Unger (Hg.) Arnold Brecht, 1884-1977

Transatlantische Kulturkriege

Shepard Stone, die Ford-Stiftung und der europäische Antiamerikanismus 2004. 392 S., geb. ISBN 978-3-515-08422-2 Michael Dreyer / Markus Kaim / Markus Lang (Hg.)

Adaptionen deutscher Wissenschaft in den USA des neunzehnten Jahrhunderts 2005. 171 S., geb. ISBN 978-3-515-08647-9 Sylvia Taschka Diplomat ohne Eigenschaften?

Kampf um die Akten

Die Westalliierten und die Rückgabe von deutschem Archivgut nach dem Zweiten Weltkrieg 2004.534 S., geb. ISBN 978-3-515-08554-0 Volker Berghahn

Das US-Kulturaustauschprogramm für Bayern und seine Absolventen 2005.496 S" 4 Taf., geb. ISBN 978-3-515-08629-5 Philipp Löser / Christoph Strupp (Hg.)

28.

Demokratischer Beamter und politischer Wissenschafder in Berlin und NewYork 2006. 228 S., geb. ISBN 978-3-515-08883-1 Markus Lang Die politische Theorie Karl Loewensteins

Eine biographische Studie zur Ennvicklung des politischen Denkens und der Politihvissenschaft im 20. Jahrhundert 2007. 353 S., geb. ISBN 978-3-515-08930-2

29· Katja Wüstenbecker Deutsch-Amerikaner im Ersten Weltkrieg

US-Politik und nationale Identitäten im Mittleren Westen 2007. 428 S. mit 27 Abb., geb. ISBN 978-3-515-08975-3 30. Cornelia Wilhelm Deutsche Juden in Amerika

3I.

Bürgerliches Selbstbewusstsein undjüdische Identität in den Orden B'nai B'rith und Treue Schwestern, 1843-1914 2007. 372 S. mitIS Abb. geb. ISBN 978-3-515-08550-2 Uta Gerhardt Denken der Demokratie

32.

Die Soziologie im adantischen Transfer nach 1945. Vier Abhandlungen 2007.450 S., geb. ISBN 978-3-515-09007-0 Daniel Siemens

37.

Süden und die Außenpolitik der Konföderation 2009. 470 S . mit 16 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09334-7 Britta Waldschmidt-Nelson Christian Science im Lande Luthers

Eine amerikanische Religionsgemeinschaft in Deutschland, 1894-2009 2009. 296 S. mit 7 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09380-4 38. Thomas Adam / Simone Lässig/ Gabriele Lingelbach (Hg.) Stifter, Spender und Mäzene

USA und Deutschland im historischen Vergleich 2009. 341 S., geb. ISBN 978-3-515-09384-2 39· Anke Ordepp / Christoph Ribbat (Hg.) Mit den Dingen leben

Zur Geschichte der Alltagsgegenstände. Aus dem Englischen übersetzt von Dorothea Löbbermann 2010. 339 S. mit 45 Abb., geb.

Metropole und Verbrechen

33·

Die Gerichtsreportage in Berlin, Paris und Chicago 1919-1933 2007. 444 S. mit 23 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09008-7 Ursula Prutsch Creating Good Neighbors

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34·

Die Kultur- und Wirtschaftspolitik der USA in Lateinamerika, 1940-1946 2008. 476 S. mit 20 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09009-4 Johannes Dillinger

Die Politik der Sozialreform, 18701945. Aus dem Englischen übersetzt von Katharina Böhmer und Karl Heinz Siber 2010. 645 S., 20 Taf., geb. ISBN 978-3-515-08482-6 Victoria de Grazia

Die politische Repräsentation

35·

ISBN 978-3-515-09098-8 40. Daniel T. Rodgers

4I.

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Imperium

Medien und Politik in Deutschland und den USA

Kontrolle, Konflikt und Kooperation vom 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert 2009.449 S., geb. ISBN 978-3-515-09293-7 36. Holger Löttel Um Ehre und Anerkennung

Englandbilder im amerikanischen

42

Amerikas Siegeszug im Europa des 20. Jahrhunderts. Aus dem Englischen übersetzt von Karl Heinz Siber 2010. 592 S. mit 45 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09394-1 Maria Alexopoulou Ethnic Foreign Policy und Identitätsbildung

Die Griechisch-Amerikaner (1964-1978) 2010. 396 S., geb. ISBN 978-3-515-09629-4

US-Autofahrer sTufen auch heure noch

Dieselautos als rräge, laUl, unzuverlässig

DIesel-Pkw als absurdes Unding ein und

und nicht umweltfreundlich; in DeutSch­

favorisieren eindeUlig Pkw mit Onomo­

land werden sie dagegen als sparsam,

tor, wohingegen sich deUtsche Konsu­

langlebig, zuverlässig, umweltfreundlich

menten beim Kauf eines Neuwagens

und mittlerweile auch als leismngsstark

immer häufiger für ein Dieselauto ent­

wahrgenommen.

scheiden. Bisherige Erklärungsansätze gehen davon aus, dass hierfür aus·

Das Spektrum der analysierten Fallbei·

schließlich Kos[enargumente verant·

spiele spannt sich von einzelnen Diesel·

wortlich sind. Christopher Neumaier

modellen - wie dem ersten Mercedes­

zeigtjedoch, wie gerade kulturelle, tech·

Benz Thrbodiesel, dem VW Golf Diesel

nologische und politische Faktoren die

und den Dieselwagen von General Mo­

Konsumemscheidung für oder gegen ein

tors - bis hin zu den von Partikelemissio­

DieselautO beeinflussen, da sie die öf­

nen ausgehenden Krebsrisiken und der

fentliche Wahrnehmung der Diesel-Pkw

öffentlichen Debatte über den Treib­

maßgeblich prägen. In den USA gelten

hauseffekt.

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