Gerichtsverwaltung und Court Management in Deutschland und in den USA [1 ed.] 9783161594762, 9783161594779, 3161594762

Bestrebungen, die Verwaltung der Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland zu ökonomisieren und zu professionalisieren,

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German Pages [643] Year 2020

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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
A. Rechtsvergleich und Sprachbewusstsein
I. Methodik des Rechtsvergleichs
II. Sprachbewusstsein
B. Evolution und Revolution einer Reformdebatte
C. Gang der Untersuchung
Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen
A. Begriffliche Einordnung der Gerichtsverwaltung in Deutschland
I. Die Begriffe Verwaltung und Rechtsprechung
1. Rechtsprechung
a) Formeller Rechtsprechungsbegriff
b) Materieller Rechtsprechungsbegriff
c) Funktionaler Definitionsansatz
d) Kernbereiche der Judikative
2. Verwaltung
a) Verwaltungsbegriffe – Definitionsversuche
aa) Organisatorischer Verwaltungsbegriff
bb) Formeller Verwaltungsbegriff
cc) Materieller Verwaltungsbegriff
dd) Kombinierte Begriffsbestimmung
b) Kernbereiche der Exekutive
3. Abgrenzung von Rechtsprechung und Verwaltung
a) Möglichkeit einer trennscharfen Abgrenzung
aa) Verfassungsrechtliches Gebot zur Trennung
bb) Unterscheidungsmerkmale
b) Vorgehensweise in Grenzbereichen
II. Gerichtsverwaltung als Grenzgang zwischen Verwaltung und Rechtsprechung
1. Verwaltung durch Gerichte
a) Rechtsfürsorge
b) Justizverwaltung
aa) Justizverwaltung in materieller Perspektive
(1) Enges Verständnis der materiellen Justizverwaltung
(2) Verallgemeinerndes Verständnis der materiellen Justizverwaltung
bb) Justizverwaltung in formell-institutioneller Perspektive
2. Verwaltung der Gerichte
a) „Gerichtsverwaltung“
aa) Begriff und Inhalt der Gerichtsverwaltung
bb) Bereiche gerichtsverwaltender Tätigkeit
b) Bereich richterlicher Selbstverwaltung
B. Begriffliche Einordnung der Court Administration in den USA
I. Die Begriffe Rechtsprechung und Verwaltung in der amerikanischen Rechtsordnung
1. Rechtsprechung
2. Verwaltung
a) Grundlegendes zum Verwaltungsaufbau
b) Begriffsbestimmung
3. Abgrenzung
II. Gerichtsverwaltung als eigenes Feld gerichtlichen Tätigwerdens
1. Verwaltung durch Gerichte
2. Verwaltung der Gerichte
a) Court Administration und Judicial Administration
aa) Court Administration
bb) Judicial Administration
b) Court Management
aa) Der Management-Gedanke
bb) Aufgabenfelder des Court Managers
C. Begrifflicher Vergleich
Zweiter Teil: Grundlagen
A. Historischer Grundriss der Entwicklung von gerichtsverwaltender Tätigkeit
I. Entwicklung der Gerichtsverwaltung in Deutschland
II. Entwicklung der Gerichtsverwaltung in den USA
1. Die Ursprünge und Entwicklung der gerichtlichen Selbstverwaltung
2. Institutionelle Entwicklungen
a) Bundesebene
b) Staatenebene
3. Ursprünge und Entwicklung des modernen Court Managements
III. Ideengeschichtlicher Vergleich der Entwicklung gerichtsverwaltender Strukturen in beiden Rechtsordnungen
B. Rechtsquellen
I. Rechtsquellen des deutschen Rechts
II. Rechtsquellen des U.S.-amerikanischen Rechts
1. Allgemeine Rechtsquellenlehre des Common Law
a) Case Law
b) Statutory Law
2. Rechtsquellen des Gerichtsverwaltungsrechts
C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung in Deutschland und den USA
I. Demokratieprinzip
1. Demokratische Legitimation der Gerichtsverwaltung in Deutschland
a) Demokratie als Rechtsprinzip
b) Demokratische Legitimation der Gerichtsverwaltung
aa) Legitimationsmodelle
(1) Funktionell-institutionelle Legitimation
(2) Personell-organisatorische Legitimation
(3) Sachlich-inhaltliche Legitimation
(4) Kritik an dem hergebrachten Legitimationsmodell
bb) Demokratische Legitimation der dritten Gewalt
(1) Funktionell-institutionelle Legitimation
(2) Personell-organisatorische Legitimation
(a) Die Gestaltungsfreiheit der Bundesländer gem. Art. 98 Abs. 4 GG
(b) Probleme bei der Besetzung von Richterwahlausschüssen
(c) Kooptationsverbot
(d) Grenzen der richterlichen Unabhängigkeit
(3) Sachlich-inhaltliche Legitimation
(4) Fazit
cc) Demokratische Legitimation gerichtsverwaltender Tätigkeiten
2. Demokratische Legitimation gerichtsverwaltender Maßnahmen in den USA
a) Demokratie als Verfassungsprinzip in der ideengeschichtlichen Entwicklung
b) Legitimation der Gerichtsverwaltung
aa) Demokratische Verantwortung durch Kontrollinstrumente
bb) Probleme demokratischer Legitimation der Richter an den Gerichten der Einzelstaaten
(1) Auswahl nach dem Missouri-Plan
(2) Demokratisierende Direktwahl
cc) Normverwerfungskompetenz der U.S.-amerikanischen Gerichte
dd) Schlussfolgerungen für die demokratische Legitimation der Court Administration
3. Legitimationsketten und Democratic Accountability im Vergleich
II. Gewaltenteilungsprinzip
1. Das deutsche Prinzip der Gewaltenteilung und Gewaltenverschränkung
a) Funktionentrennung und Gewaltenverschränkung
b) Grenzen der Gewaltenverschränkung
c) Die besondere Stellung der dritten Gewalt im Gefüge des Trennungsdogmas
2. Das U.S.-amerikanische Prinzip der Gewaltenteilung und der Checks and Balances
a) Separation of Powers und Checks and Balances
b) Verhältnis der dritten Gewalt zu Exekutive und Legislative
aa) Die Gerichte und die Exekutive
bb) Die Gerichte und die Legislative
c) Die Gerichtsverwaltung im Gewaltengefüge
3. Gewaltenverschränkung vs. Checks and Balances
III. Justizgewährleistungsanspruch
1. Der allgemeine Justizgewährleistungsanspruch in Deutschland
2. Die Rechtsschutzgarantie in den USA
IV. Der gesetzliche Richter
V. Richterliche Unabhängigkeit
1. Die Garantie richterlicher Unabhängigkeit in Deutschland
a) Sachliche Unabhängigkeit
aa) Legislative
bb) Exekutive
(1) Dienstaufsicht
(2) Neues Steuerungsmodell
(a) Das Neue Haushaltswesen
(b) Moderne Gerichtsorganisation
cc) Judikative
dd) Sonstige Einwirkungen von außen
b) Persönliche Unabhängigkeit
c) Institutionelle Unabhängigkeit
2. Judicial Independence in den USA
a) Institutional Independence
b) Decisional Independence
aa) Unabhängigkeit von externen Einflüssen
(1) Legislative
(2) Exekutive
(a) Politisierung der Richterschaft
(b) Politisch-ideologische Beeinflussung durch die Regierung
(c) Einfluss gerichtsverwaltender Organe
(3) Judikative
(4) Sonstige Einwirkungen
bb) Unabsetzbarkeit und Gehälterstabilität
3. Vergleich von richterlicher Unabhängigkeit und Judicial Independence
D. Andere Internationale Vorgaben
I. Vorgaben des Völkerrechts
II. Vorgaben des Unionsrechts
E. Geographische Eingrenzung der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten von Amerika
Dritter Teil: Gerichtsaufbau
A. Überblick über den Aufbau der deutschen Gerichtsbarkeit
I. Verschiedene Gerichtszweige
II. Struktureller Aufbau der deutschen Justiz
1. Bundesgerichte
a) Ordentliche und Fachgerichtsbarkeit
b) Bundesverfassungsgericht
2. Landesgerichte
a) Ordentliche Gerichtsbarkeit
b) Fachgerichtsbarkeit
c) Landesverfassungsgerichte
B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit
I. Jury Trial
II. Struktureller Aufbau der amerikanischen Justiz
1. Gerichte des Bundes – Aufbau des Bundesgerichtswesens
a) Constitutional Courts: Die von der Verfassung vorgesehenen Gerichte
aa) U.S. District Courts
bb) U.S. Courts of Appeals
cc) U.S. Supreme Court
(1) Verfassungsrechtliche Grundlagen: Aufgaben, Funktionen und Besetzung des U.S. Supreme Courts
(a) Aufgaben und Funktionen
(aa) Original Jurisdiction – Erstinstanzliche Zuständigkeit
(bb) Appellate Jurisdiction – Rechtsmittelzuständigkeit
(b) Besetzung
(2) Historische Entwicklung und Judicial Review bis hin zu Marbury v. Madison
(a) Historische Betrachtung: Die Anfänge der Judicial Review in den USA
(b) Der Einfluss von Chief Justice Marshall: Marbury v. Madison
(aa) Inhalt
(bb) Rechtliche Würdigung
(3) Politisierung der Justiz: Judicial (Self-)Restraint und Judicial Activism als Folgeproblem der Judicial Review
(4) Countermajoritarian Difficulty
(5) Court Packing
(6) Kritik an der Organisation des U.S. Supreme Courts
b) Legislative Courts: Spezielle Gerichte des Bundes
aa) U.S. Bankruptcy Courts
bb) U.S. Courts of Special Jurisdiction
2. Staatengerichte
a) Gerichtsorganisation in den Einzelstaaten – gemeinsame Schnittstellen
aa) Trial Courts
bb) Intermediate Appellate Courts
cc) Courts of Last Resort
b) Struktur der einzelnen amerikanischen Staatengerichte
3. Abgrenzung der Zuständigkeiten
C. Abschließender Vergleich
I. Die einfachen Gerichte
II. Die Verfassungsgerichte
Vierter Teil: Gerichtsverwaltung
A. Die Verwaltung deutscher Gerichte
I. Gegenstand der Gerichtsverwaltung
II. Organe der Gerichtsverwaltung
1. Allgemeine Zuständigkeitsregeln
2. Gerichtsverwaltende Organe auf zwei Stufen
a) Organe der Verwaltung der Bundesgerichte
aa) Verwaltungsstruktur des Bundesverfassungsgerichts
bb) Verwaltungsstruktur der einfachen Bundesgerichte
(1) Aufgabenwahrnehmung durch die Exekutive
(2) Aufgabenwahrnehmung durch die Judikative
(a) Präsidien
(b) Präsidialräte
(c) Richterräte
(d) Richterdienstgerichte
(e) Bundespersonalausschuss
(f) Ausschuss der ehrenamtlichen Bundessozialrichter
(3) Legislative Einwirkungsmöglichkeiten auf die Gerichtsverwaltung
(4) Richterwahlausschuss
b) Organe der Verwaltung der Landesgerichte
aa) Verwaltungsstruktur der Landesverfassungsgerichte
bb) Verwaltungsstruktur der einfachen Landesgerichte
(1) Aufgabenwahrnehmung durch die Exekutive
(2) Aufgabenwahrnehmung durch die Judikative
(a) Präsidien
(b) Präsidialräte
(c) Richterräte
(d) Richterdienstgerichte
(3) Aufgabenwahrnehmung durch die Legislative
(4) Gerichtsverwaltung durch Richterwahlausschüsse
c) Zusammenfassung
III. Bereiche der Gerichtsverwaltung
1. Infrastrukturverwaltung
2. Ablaufverwaltung
3. Personalverwaltung
a) Richterbestellung: Wahl und Berufung
aa) Bundesverfassungsgericht
bb) Oberste Bundesgerichte
cc) Landesverfassungsgerichte
dd) Gerichte der Länder
b) Andere Personalangelegenheiten
aa) Beurteilung
bb) Beförderung
cc) Dienstaufsicht
dd) Disziplinarwesen
c) Geschäftsverteilung
4. Finanzverwaltung
IV. Selbstverwaltungsbestrebungen der Richterschaft vs. Justizmanagement
1. Selbstverwaltungsmodelle
a) Diskussionsentwurf des DRB
b) Diskussionsentwurf der NRV
2. Gerichtsmanagement
3. Kombination aus Selbstverwaltung und Gerichtsmanagement
B. Die Verwaltung der Gerichte in den USA
I. Gegenstand der Court Administration
II. Organe der Gerichtsverwaltung in den USA
1. Allgemeine Zuständigkeitsverteilung
2. Föderative Aufteilung der Gerichtsverwaltung
a) Verwaltung der Gerichte des Bundes
aa) U.S. Department of Justice
bb) Der Chief Justice und sein Verwaltungsstab
cc) Administrative Office of the United State Courts
dd) Federal Judicial Center
ee) Judicial Conference of the United States
ff) Judicial Councils
b) Verwaltung der Gerichte der Einzelstaaten
aa) Verwaltungszuständigkeit der Supreme Courts
bb) Clerks of Court und Court Administrators
cc) State Court Administrative Offices
dd) Judicial Councils und Judicial Conferences
III. Bereiche der Gerichtsverwaltung
1. Infrastrukturverwaltung
2. Ablaufverwaltung
3. Personalverwaltung
a) Richterbestellung
aa) Das U.S.-amerikanische Verständnis vom Richterberuf
bb) Einstellungsverfahren der Bundes- und Staatenrichter
(1) Bundesrichter
(2) Einzelstaatliche Richter
(a) Modelle der Richterbestellung – Auswahlsysteme
(aa) Darstellung der Auswahlmethoden
α) Richterwahl durch das Volk
β) Leistungsbasierte Wahl nach dem Missouri-Plan
γ) Legislative und Gubernative Richterauswahl
δ) Zuordnungsprobleme
(bb) Rechtspolitische Würdigung
(b) Praktizierte Auswahlsysteme an den Supreme Courts der Einzelstaaten
b) Andere Personalauswahlangelegenheiten
aa) Beurteilungen
bb) Beförderung
cc) Aufsichts- und Disziplinarmaßnahmen
dd) Haftung
4. Finanzverwaltung
C. Abschließender Vergleich
I. Organstruktur
II. Gerichtsverwaltende Tätigkeitsfelder
1. Infrastruktur- und Ablaufverwaltung
2. Geschäftsordnungsautonomie
3. Richterbestellung
4. Richterbeurteilung und Beförderungsmechanismen
5. Kontrolle richterlichen Handelns: Dienstaufsicht und Disziplinarmaßnahmen
6. Geschäftsverteilung
7. Finanzverwaltung
Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells auf die deutsche Gerichtsbarkeit
A. Schwächen der amerikanischen Selbstverwaltung
I. Strukturprobleme
II. Konfliktpotenzial zwischen Richtern und Court Managern
III. Konzentration auf Effizienzgesichtspunkte
IV. Eigenes Budgetrecht
V. Inhaltliche Kontrolle der Rechtsprechung
VI. Politisierung der Justiz
B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung der Gerichtsverwaltungselemente aus deutscher Perspektive
I. Court Manager oder Gerichtsverwalter für deutsche Gerichte?
1. Aufgabenspektrum
2. Strukturelle Anforderungen an eine zweite Lenkungsebene
3. Konfliktpotenzial
4. Dennoch: Grundsätzliche Notwendigkeit betriebswirtschaftlicher Orientierung
a) Erfordernis erweiterter Kenntnisse
b) Umfang der Aufgabenwahrnehmung
c) Umdenken im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit
II. eJustice
III. Caseflow Management
1. Ausgestaltung des Caseflow Managements im Vergleich zur deutschen Gerichtsverwaltung
2. Eingeschränkte Übertragbarkeit des Caseflow Management-Gedankens auf die deutsche Gerichtsverwaltung
a) Vollständigkeitsprinzip
b) Vorauswirkungsprinzip
c) Der Bestimmtheitsgrundsatz als Bewertungsmaßstab für eine Übertragbarkeit
aa) Bestimmtheit und Änderung des Geschäftsverteilungsplanes
bb) Änderung der Auslegungstradition des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG
(1) Historische Überlegungen
(2) Dogmatische Überlegungen
(3) Gefahr einer justizinternen Manipulation
(4) Rechtspolitische Erwägungen
IV. Evaluationen
1. Das „Wie“ der Qualitätsmessung
a) Das „Produkt“-Kriterium als Bewertungsdeterminante
b) Das „Kunden“-Kriterium als Bewertungsdeterminante
c) Zusammenfassung
2. Institutionelle Einkleidung
3. Gefährdung der richterlichen Unabhängigkeit
a) Ausarbeitung eines effektiven Evaluationssystems
b) Unabhängigkeitskriterium als partielles Interpretationsphänomen
V. Budgetierung
1. Probleme der selbstständigen Budgetierung deutscher Gerichte
2. Partielle Einbindung der Gerichte als Mittelweg
3. Anspruchshaltung im Hinblick auf finanzielle Freiheiten
VI. Richterbestellung
1. Volkswahl und Bestätigungswahl
a) Auswahlprozedere
b) Bestätigungswahl
2. Richterliche Beteiligung an der Richterbestellung nach dem Missouri-Plan
3. Verstärkung der Parlamentswahl
C. Fazit
Sechster Teil: Schlussbetrachtung
A. Erster Teil
B. Zweiter Teil
C. Dritter Teil
D. Vierter Teil
E. Fünfter Teil
F. Ausblick
English Summary
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Gerichtsverwaltung und Court Management in Deutschland und in den USA [1 ed.]
 9783161594762, 9783161594779, 3161594762

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Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung herausgegeben von der

Gesellschaft für Rechtsvergleichung e.V.

72

Saskia Michel

Gerichtsverwaltung und Court Management in Deutschland und in den USA

Mohr Siebeck

Saskia Michel, geboren 1988; Studium der Rechtswissenschaften in Münster; 2013 Erste Juris­tische Prüfung; Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Öffentliches Recht und Politik der Universität Münster; Rechtsreferendariat im OLG-Bezirk Düsseldorf mit Stationen in Hanoi und London; 2020 Zweite Juristische Prüfung; seit 2020 Rechtsanwältin; 2020 Promotion.

D6, Zugleich Dissertation Universität Münster (Westf.), Rechtswissenschaftliche Fakultät ISBN  978-3-16-159476-2 / eISBN  978-3-16-159477-9 DOI 10.1628/978-3-16-159477-9 ISSN  1861-5449 / eISSN  2569-426X (Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbib­ liographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde Anfang des Jahres 2019 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen. Aktuelle Rechtsprechung und Literatur konnten bis Ende April 2020 berücksichtigt werden. Mein Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Fabian Wittreck, der die Arbeit nicht nur angeregt, sondern auch wohlwollend betreut hat. Bei der Anfertigung der Arbeit ließ er mir stets alle Freiräume und stand doch für kritische Diskussionen jederzeit zur Verfügung. Die Zeit, die ich als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Politik verbracht habe, hat mich fachlich und menschlich geprägt. Nicht nur die wissenschaftliche Akribie Herrn Professor Wittrecks, sondern auch das kollegiale Miteinander der Lehrstuhl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden mir immer in guter Erinnerung bleiben. Für die zügige und sorgfältige Erstellung des Zweitgutachtens sowie für konstruktive Anmerkungen danke ich ferner ganz herzlich Herrn Professor Dr. ­Oliver Lepsius, LL.M. Dem Verlag Mohr Siebeck und der Gesellschaft für Rechtsvergleichung e.V., vertreten durch Generalsekretär Herrn Professor Dr. Martin Schmidt-Kessel, danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung. Dank gebührt ferner dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für die großzügige Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Mein ganz besonderer Dank gilt – auch stellvertretend für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Politik – Viktoria Kempf und Kathrin Albrecht, die mir zu guten Freundinnen geworden sind. Ihre aufmunternden Worte und ihre Diskussionsbereitschaft (ob im Büro oder am heimischen Küchentisch) haben einen unermesslichen Anteil am Gelingen dieser Doktorarbeit. Danken möchte ich ferner den vielen wichtigen Menschen, die sich als geduldige Zuhörer/innen und fleißige Korrekturleser/innen erwiesen haben. Heraus ragen hier meine Freundinnen Dr. Nora Brosent und Dr. Lisa-­ Karen Mannefeld, mit denen ich zahlreiche Stunden in der juristischen Bibliothek und in der Mensa der HHU Düsseldorf verbracht habe. Sie haben mich

VI

Vorwort

nicht nur durch das Korrekturlesen unterstützt, sondern mir meinen Start in Düsseldorf auch mehr als erleichtert. Mein Dank gebührt ferner Dr. Jan Urban, der mir als kritischer Gesprächspartner mit konstruktiven Hinweisen aus praktischer Sicht unermüdlich zur Seite stand. Einen unermesslichen Teil zum Gelingen dieser Arbeit haben ferner die Menschen beigetragen, die stets ein offenes Ohr hatten und mir mit gutem Rat zur Seite standen. Für ihren moralischen Beistand möchte ich daher von Herzen Carolin Schlütter-Lückel, LL.M. und Sarah Kassen, LL.M. danken, deren Freundschaft mich seit dem ersten Semester an der WWU Münster begleitet. Für die Unterstützung in den zeitweilen recht kräftezehrenden Monaten vor der Veröffentlichung dieser Arbeit danke ich sehr herzlich meinen Freundinnen Johanna Beermann und Judith Dany. Sie haben mir über das Referendariat hinaus zur Seite gestanden, als die Endkorrektur meiner Doktorarbeit mich stark gefordert hat. Ein besonderer Dank gebührt schließlich Jean Pascal Slotwinski, LL.M. – Ohne dich wäre so vieles nicht möglich gewesen; du hast mich durch die Höhen und Tiefen dieser Promotion begleitet, Diskussionen geführt, Korrektur gelesen, technische Notfall-Hilfe geleistet und meine Moral immer wieder aufgebaut. Dass du so fest an mich glaubst, bedeutet mir unendlich viel. Zuletzt gilt mein ganz aufrichtiger Dank meinen Eltern, Sigrid und Frank Michel, die mich geduldig gefördert und mir stets Raum zur Entfaltung gegeben haben. Mein familiäres Umfeld – und auch die Unterstützung meiner Groß­ eltern Liane und Friedhelm Michel – hat mich während der Anfertigung dieser Arbeit begleitet und motiviert. Widmen möchte ich die Arbeit meinem kleinen Neffen Felix – weil man schließlich mit der wissenschaftlichen Nachfuchsförderung nicht früh genug beginnen kann. Düsseldorf, den 31. August 2020

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Rechtsvergleich und Sprachbewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . 5 B. Evolution und Revolution einer Reformdebatte . . . . . . . . . . . . 10 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen . . . . . . . . 17 A. Begriffliche Einordnung der Gerichtsverwaltung in Deutschland . . 18 B. Begriffliche Einordnung der Court Administration in den USA . . . 50 C. Begrifflicher Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

Zweiter Teil: Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 A. Historischer Grundriss der Entwicklung von gerichtsverwaltender Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 B. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung in Deutschland und den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 D. Andere Internationale Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 E. Geographische Eingrenzung der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

Dritter Teil: Gerichtsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 A. Überblick über den Aufbau der deutschen Gerichtsbarkeit . . . . . . 245 B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit . . . 254 C. Abschließender Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310

VIII

Inhaltsübersicht

Vierter Teil: Gerichtsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 A. Die Verwaltung deutscher Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 B. Die Verwaltung der Gerichte in den USA . . . . . . . . . . . . . . . 383 C. Abschließender Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442

Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen ­Gerichtsverwaltungsmodells auf die deutsche Gerichtsbarkeit . 453 A. Schwächen der amerikanischen Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . 454 B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung der Gerichtsverwaltungselemente aus deutscher Perspektive . . . . . 459 C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514

Sechster Teil: Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 A. Erster Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 B. Zweiter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 C. Dritter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 D. Vierter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 E. Fünfter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 F. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534

English Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Rechtsvergleich und Sprachbewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . 5 I. Methodik des Rechtsvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 II. Sprachbewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 B. Evolution und Revolution einer Reformdebatte . . . . . . . . . . . . 10 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen . . . . . . . . 17 A. Begriffliche Einordnung der Gerichtsverwaltung in Deutschland . . 18 I. Die Begriffe Verwaltung und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . 18 1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 a) Formeller Rechtsprechungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . 21 b) Materieller Rechtsprechungsbegriff . . . . . . . . . . . . . 22 c) Funktionaler Definitionsansatz . . . . . . . . . . . . . . . 22 d) Kernbereiche der Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 a) Verwaltungsbegriffe – Definitionsversuche . . . . . . . . . 25 aa) Organisatorischer Verwaltungsbegriff . . . . . . . . . 25 bb) Formeller Verwaltungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . 25 cc) Materieller Verwaltungsbegriff . . . . . . . . . . . . . 26 dd) Kombinierte Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . 27 b) Kernbereiche der Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3. Abgrenzung von Rechtsprechung und Verwaltung . . . . . . 30 a) Möglichkeit einer trennscharfen Abgrenzung . . . . . . . 30 aa) Verfassungsrechtliches Gebot zur Trennung . . . . . . 31 bb) Unterscheidungsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Vorgehensweise in Grenzbereichen . . . . . . . . . . . . . 33

X

Inhaltsverzeichnis

II. Gerichtsverwaltung als Grenzgang zwischen Verwaltung und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Verwaltung durch Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 a) Rechtsfürsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 b) Justizverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 aa) Justizverwaltung in materieller Perspektive . . . . . . 42 (1) Enges Verständnis der materiellen Justizverwaltung 42 (2) Verallgemeinerndes Verständnis der materiellen ­Justizverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 bb) Justizverwaltung in formell-institutioneller Perspektive 44 2. Verwaltung der Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 a) „Gerichtsverwaltung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 aa) Begriff und Inhalt der Gerichtsverwaltung . . . . . . . 45 bb) Bereiche gerichtsverwaltender Tätigkeit . . . . . . . . 46 b) Bereich richterlicher Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . 49 B. Begriffliche Einordnung der Court Administration in den USA . . . 50 I. Die Begriffe Rechtsprechung und Verwaltung in der amerikanischen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 a) Grundlegendes zum Verwaltungsaufbau . . . . . . . . . . 55 b) Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 II. Gerichtsverwaltung als eigenes Feld gerichtlichen Tätigwerdens 62 1. Verwaltung durch Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2. Verwaltung der Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 a) Court Administration und Judicial Administration . . . . 66 aa) Court Administration . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 bb) Judicial Administration . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 b) Court Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 aa) Der Management-Gedanke . . . . . . . . . . . . . . . 68 bb) Aufgabenfelder des Court Managers . . . . . . . . . . 72 C. Begrifflicher Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

Zweiter Teil: Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 A. Historischer Grundriss der Entwicklung von gerichtsverwaltender Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 I. Entwicklung der Gerichtsverwaltung in Deutschland . . . . . . . 77 II. Entwicklung der Gerichtsverwaltung in den USA . . . . . . . . 82

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XI

1. Die Ursprünge und Entwicklung der gerichtlichen Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2. Institutionelle Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 b) Staatenebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3. Ursprünge und Entwicklung des modernen Court Managements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 III. Ideengeschichtlicher Vergleich der Entwicklung gerichtsverwaltender Strukturen in beiden Rechtsordnungen . . 95 B. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 I. Rechtsquellen des deutschen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . 96 II. Rechtsquellen des U.S.-amerikanischen Rechts . . . . . . . . . . 98 1. Allgemeine Rechtsquellenlehre des Common Law . . . . . . . 98 a) Case Law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) Statutory Law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Rechtsquellen des Gerichtsverwaltungsrechts . . . . . . . . . 104 C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung in Deutschland und den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 I. Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Demokratische Legitimation der Gerichtsverwaltung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Demokratie als Rechtsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . 108 b) Demokratische Legitimation der Gerichtsverwaltung . . . 111 aa) Legitimationsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (1) Funktionell-institutionelle Legitimation . . . . . . 113 (2) Personell-organisatorische Legitimation . . . . . . 115 (3) Sachlich-inhaltliche Legitimation . . . . . . . . . . 116 (4) Kritik an dem hergebrachten Legitimationsmodell 118 bb) Demokratische Legitimation der dritten Gewalt . . . . 125 (1) Funktionell-institutionelle Legitimation . . . . . . 125 (2) Personell-organisatorische Legitimation . . . . . . 126 (a) Die Gestaltungsfreiheit der Bundesländer gem. Art.  98 Abs.  4 GG . . . . . . . . . . . . . 127 (b) Probleme bei der Besetzung von ­Richterwahlausschüssen . . . . . . . . . . . . . 128 (c) Kooptationsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (d) Grenzen der richterlichen Unabhängigkeit . . . 135 (3) Sachlich-inhaltliche Legitimation . . . . . . . . . . 136 (4) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

XII

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cc) Demokratische Legitimation gerichtsverwaltender Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2. Demokratische Legitimation gerichtsverwaltender Maßnahmen in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 a) Demokratie als Verfassungsprinzip in der ideengeschichtlichen Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . 144 b) Legitimation der Gerichtsverwaltung . . . . . . . . . . . . 145 aa) Demokratische Verantwortung durch Kontrollinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 bb) Probleme demokratischer Legitimation der Richter an den Gerichten der Einzelstaaten . . . . . . . . . . . . 148 (1) Auswahl nach dem Missouri-Plan . . . . . . . . . 149 (2) Demokratisierende Direktwahl . . . . . . . . . . . 150 cc) Normverwerfungskompetenz der U.S.-amerikanischen Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 dd) Schlussfolgerungen für die demokratische Legitimation der Court Administration . . . . . . . . . . . . . . . . 160 3. Legitimationsketten und Democratic Accountability im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 II. Gewaltenteilungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. Das deutsche Prinzip der Gewaltenteilung und ­Gewaltenverschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 a) Funktionentrennung und Gewaltenverschränkung . . . . . 165 b) Grenzen der Gewaltenverschränkung . . . . . . . . . . . . 168 c) Die besondere Stellung der dritten Gewalt im Gefüge des Trennungsdogmas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2. Das U.S.-amerikanische Prinzip der Gewaltenteilung und der Checks and Balances . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a) Separation of Powers und Checks and Balances . . . . . . 172 b) Verhältnis der dritten Gewalt zu Exekutive und Legislative 176 aa) Die Gerichte und die Exekutive . . . . . . . . . . . . . 177 bb) Die Gerichte und die Legislative . . . . . . . . . . . . 179 c) Die Gerichtsverwaltung im Gewaltengefüge . . . . . . . . 180 3. Gewaltenverschränkung vs. Checks and Balances . . . . . . . 182 III. Justizgewährleistungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. Der allgemeine Justizgewährleistungsanspruch in Deutschland 185 2. Die Rechtsschutzgarantie in den USA . . . . . . . . . . . . . . 188 IV. Der gesetzliche Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 V. Richterliche Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Die Garantie richterlicher Unabhängigkeit in Deutschland . . 192

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XIII

a) Sachliche Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 aa) Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 bb) Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (1) Dienstaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 (2) Neues Steuerungsmodell . . . . . . . . . . . . . . 202 (a) Das Neue Haushaltswesen . . . . . . . . . . . . 203 (b) Moderne Gerichtsorganisation . . . . . . . . . 205 cc) Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 dd) Sonstige Einwirkungen von außen . . . . . . . . . . . 210 b) Persönliche Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 c) Institutionelle Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 214 2. Judicial Independence in den USA . . . . . . . . . . . . . . . 215 a) Institutional Independence . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 b) Decisional Independence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 aa) Unabhängigkeit von externen Einflüssen . . . . . . . . 218 (1) Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 (2) Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (a) Politisierung der Richterschaft . . . . . . . . . 223 (b) Politisch-ideologische Beeinflussung durch die Regierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (c) Einfluss gerichtsverwaltender Organe . . . . . 227 (3) Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 (4) Sonstige Einwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . 231 bb) Unabsetzbarkeit und Gehälterstabilität . . . . . . . . . 232 3. Vergleich von richterlicher Unabhängigkeit und Judicial Independence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 D. Andere Internationale Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 I. Vorgaben des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 II. Vorgaben des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 E. Geographische Eingrenzung der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

Dritter Teil: Gerichtsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 A. Überblick über den Aufbau der deutschen Gerichtsbarkeit . . . . . . 245 I. Verschiedene Gerichtszweige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 II. Struktureller Aufbau der deutschen Justiz . . . . . . . . . . . . . 246 1. Bundesgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 a) Ordentliche und Fachgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . 248 b) Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

XIV

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2. Landesgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 a) Ordentliche Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 b) Fachgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 c) Landesverfassungsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit . . . 254 I. Jury Trial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 II. Struktureller Aufbau der amerikanischen Justiz . . . . . . . . . 257 1. Gerichte des Bundes – Aufbau des Bundesgerichtswesens . . 258 a) Constitutional Courts: Die von der Verfassung vorgesehenen Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 aa) U.S. District Courts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 bb) U.S. Courts of Appeals . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 cc) U.S. Supreme Court . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 (1) Verfassungsrechtliche Grundlagen: Aufgaben, Funktionen und Besetzung des U.S. Supreme Courts 268 (a) Aufgaben und Funktionen . . . . . . . . . . . . 268 (aa) Original Jurisdiction – Erstinstanzliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 269 (bb) Appellate Jurisdiction – Rechtsmittelzuständigkeit . . . . . . . . . 271 (b) Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 (2) Historische Entwicklung und Judicial Review bis hin zu Marbury v. Madison . . . . . . . . . . . . . 275 (a) Historische Betrachtung: Die Anfänge der Judicial Review in den USA . . . . . . . . . . . 276 (b) Der Einfluss von Chief Justice Marshall: Marbury v. Madison . . . . . . . . . . . . . . . 277 (aa) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 (bb) Rechtliche Würdigung . . . . . . . . . . . 279 (3) Politisierung der Justiz: Judicial (Self-)Restraint und Judicial Activism als Folgeproblem der Judicial Review . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 (4) Countermajoritarian Difficulty . . . . . . . . . . . 285 (5) Court Packing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 (6) Kritik an der Organisation des U.S. Supreme Courts 290 b) Legislative Courts: Spezielle Gerichte des Bundes . . . . 290 aa) U.S. Bankruptcy Courts . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 bb) U.S. Courts of Special Jurisdiction . . . . . . . . . . . 293 2. Staatengerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295

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XV

a) Gerichtsorganisation in den Einzelstaaten – gemeinsame Schnittstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 aa) Trial Courts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 bb) Intermediate Appellate Courts . . . . . . . . . . . . . 299 cc) Courts of Last Resort . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 b) Struktur der einzelnen amerikanischen Staatengerichte . . 301 3. Abgrenzung der Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 308 C. Abschließender Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 I. Die einfachen Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 II. Die Verfassungsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314

Vierter Teil: Gerichtsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 A. Die Verwaltung deutscher Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 I. Gegenstand der Gerichtsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . 321 II. Organe der Gerichtsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 1. Allgemeine Zuständigkeitsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . 322 2. Gerichtsverwaltende Organe auf zwei Stufen . . . . . . . . . 324 a) Organe der Verwaltung der Bundesgerichte . . . . . . . . 324 aa) Verwaltungsstruktur des Bundesverfassungsgerichts . 324 bb) Verwaltungsstruktur der einfachen Bundesgerichte . . 326 (1) Aufgabenwahrnehmung durch die Exekutive . . . 327 (2) Aufgabenwahrnehmung durch die Judikative . . . 330 (a) Präsidien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 (b) Präsidialräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 (c) Richterräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 (d) Richterdienstgerichte . . . . . . . . . . . . . . 332 (e) Bundespersonalausschuss . . . . . . . . . . . . 333 (f) Ausschuss der ehrenamtlichen Bundessozialrichter . . . . . . . . . . . . . . . 333 (3) Legislative Einwirkungsmöglichkeiten auf die Gerichtsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . 333 (4) Richterwahlausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . 334 b) Organe der Verwaltung der Landesgerichte . . . . . . . . 336 aa) Verwaltungsstruktur der Landesverfassungsgerichte . 336 bb) Verwaltungsstruktur der einfachen Landesgerichte . . 337 (1) Aufgabenwahrnehmung durch die Exekutive . . . 337 (2) Aufgabenwahrnehmung durch die Judikative . . . 339 (a) Präsidien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 (b) Präsidialräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340

XVI

Inhaltsverzeichnis

(c) Richterräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 (d) Richterdienstgerichte . . . . . . . . . . . . . . 342 (3) Aufgabenwahrnehmung durch die Legislative . . . 343 (4) Gerichtsverwaltung durch Richterwahlausschüsse 344 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 III. Bereiche der Gerichtsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 1. Infrastrukturverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 2. Ablaufverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 3. Personalverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 a) Richterbestellung: Wahl und Berufung . . . . . . . . . . . 350 aa) Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . 350 bb) Oberste Bundesgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 cc) Landesverfassungsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . 354 dd) Gerichte der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 b) Andere Personalangelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . 356 aa) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 bb) Beförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 cc) Dienstaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 dd) Disziplinarwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 c) Geschäftsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 4. Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 IV. Selbstverwaltungsbestrebungen der Richterschaft vs. ­Justizmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 1. Selbstverwaltungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 a) Diskussionsentwurf des DRB . . . . . . . . . . . . . . . . 371 b) Diskussionsentwurf der NRV . . . . . . . . . . . . . . . . 373 2. Gerichtsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 3. Kombination aus Selbstverwaltung und Gerichtsmanagement 380 B. Die Verwaltung der Gerichte in den USA . . . . . . . . . . . . . . . 383 I. Gegenstand der Court Administration . . . . . . . . . . . . . . . 384 II. Organe der Gerichtsverwaltung in den USA . . . . . . . . . . . . 384 1. Allgemeine Zuständigkeitsverteilung . . . . . . . . . . . . . . 384 2. Föderative Aufteilung der Gerichtsverwaltung . . . . . . . . . 385 a) Verwaltung der Gerichte des Bundes . . . . . . . . . . . . 386 aa) U.S. Department of Justice . . . . . . . . . . . . . . . 386 bb) Der Chief Justice und sein Verwaltungsstab . . . . . . 387 cc) Administrative Office of the United State Courts . . . 389 dd) Federal Judicial Center . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 ee) Judicial Conference of the United States . . . . . . . . 391 ff) Judicial Councils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393

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XVII

b) Verwaltung der Gerichte der Einzelstaaten . . . . . . . . . 393 aa) Verwaltungszuständigkeit der Supreme Courts . . . . 394 bb) Clerks of Court und Court Administrators . . . . . . . 395 cc) State Court Administrative Offices . . . . . . . . . . . 397 dd) Judicial Councils und Judicial Conferences . . . . . . 399 III. Bereiche der Gerichtsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 1. Infrastrukturverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 2. Ablaufverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 3. Personalverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 a) Richterbestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 aa) Das U.S.-amerikanische Verständnis vom Richterberuf 410 bb) Einstellungsverfahren der Bundes- und Staatenrichter 411 (1) Bundesrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 (2) Einzelstaatliche Richter . . . . . . . . . . . . . . . 414 (a) Modelle der Richterbestellung – Auswahlsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 (aa) Darstellung der Auswahlmethoden . . . . 417 α) Richterwahl durch das Volk . . . . . . . 417 β) Leistungsbasierte Wahl nach dem Missouri-Plan . . . . . . . . . . . . 418 γ) Legislative und Gubernative Richterauswahl . . . . . . . . . . . . . . 420 δ) Zuordnungsprobleme . . . . . . . . . . . 421 (bb) Rechtspolitische Würdigung . . . . . . . . 422 (b) Praktizierte Auswahlsysteme an den Supreme Courts der Einzelstaaten . . . . . . . . . . . . . 425 b) Andere Personalauswahlangelegenheiten . . . . . . . . . . 429 aa) Beurteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 bb) Beförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 cc) Aufsichts- und Disziplinarmaßnahmen . . . . . . . . . 434 dd) Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 4. Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 C. Abschließender Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 I. Organstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 II. Gerichtsverwaltende Tätigkeitsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . 444 1. Infrastruktur- und Ablaufverwaltung . . . . . . . . . . . . . . 444 2. Geschäftsordnungsautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 3. Richterbestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 4. Richterbeurteilung und Beförderungsmechanismen . . . . . . 449

XVIII

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5. Kontrolle richterlichen Handelns: Dienstaufsicht und ­Disziplinarmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 6. Geschäftsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 7. Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452

Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen ­Gerichtsverwaltungsmodells auf die deutsche Gerichtsbarkeit . 453 A. Schwächen der amerikanischen Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . 454 I. Strukturprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 II. Konfliktpotenzial zwischen Richtern und Court Managern . . . 455 III. Konzentration auf Effizienzgesichtspunkte . . . . . . . . . . . . 456 IV. Eigenes Budgetrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 V. Inhaltliche Kontrolle der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . 457 VI. Politisierung der Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung der Gerichtsverwaltungselemente aus deutscher Perspektive . . . . . 459 I. Court Manager oder Gerichtsverwalter für deutsche Gerichte? . 460 1. Aufgabenspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 2. Strukturelle Anforderungen an eine zweite Lenkungsebene . 462 3. Konfliktpotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 4. Dennoch: Grundsätzliche Notwendigkeit betriebswirtschaftlicher Orientierung . . . . . . . . . . . . . . 465 a) Erfordernis erweiterter Kenntnisse . . . . . . . . . . . . . 466 b) Umfang der Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . 466 c) Umdenken im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit 467 II. eJustice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 III. Caseflow Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 1. Ausgestaltung des Caseflow Managements im Vergleich zur ­deutschen Gerichtsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 2. Eingeschränkte Übertragbarkeit des Caseflow Management-­ Gedankens auf die deutsche Gerichtsverwaltung . . . . . . . 475 a) Vollständigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 b) Vorauswirkungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 c) Der Bestimmtheitsgrundsatz als Bewertungsmaßstab für eine Übertragbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 aa) Bestimmtheit und Änderung des Geschäftsverteilungsplanes . . . . . . . . . . . . . 478 bb) Änderung der Auslegungstradition des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479

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XIX

(1) Historische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . 480 (2) Dogmatische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . 481 (3) Gefahr einer justizinternen Manipulation . . . . . 483 (4) Rechtspolitische Erwägungen . . . . . . . . . . . . 484 IV. Evaluationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 1. Das „Wie“ der Qualitätsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . 487 a) Das „Produkt“-Kriterium als Bewertungsdeterminante . . 488 b) Das „Kunden“-Kriterium als Bewertungsdeterminante . . 490 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 2. Institutionelle Einkleidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 3. Gefährdung der richterlichen Unabhängigkeit . . . . . . . . . 493 a) Ausarbeitung eines effektiven Evaluationssystems . . . . . 496 b) Unabhängigkeitskriterium als partielles Interpretationsphänomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 V. Budgetierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 1. Probleme der selbstständigen Budgetierung deutscher Gerichte 501 2. Partielle Einbindung der Gerichte als Mittelweg . . . . . . . . 502 3. Anspruchshaltung im Hinblick auf finanzielle Freiheiten . . . 504 VI. Richterbestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 1. Volkswahl und Bestätigungswahl . . . . . . . . . . . . . . . . 505 a) Auswahlprozedere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 b) Bestätigungswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 2. Richterliche Beteiligung an der Richterbestellung nach dem Missouri-Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 3. Verstärkung der Parlamentswahl . . . . . . . . . . . . . . . . 513 C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514

Sechster Teil: Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 A. Erster Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 B. Zweiter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 C. Dritter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 D. Vierter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 E. Fünfter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 F. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534

English Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609

Abkürzungsverzeichnis a. A. anderer Ansicht a. a. O. am angegebenen Ort a. E. am Ende a. F. alte(r) Form, alte(r) Fassung ABA American Bar Association AcP Archiv für die civilistische Praxis Abs. Absatz ADR Alternative Dispute Resolution AEMR Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948 AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union vom 1.12.2009 AG Amtsgericht AK-GG Erhard Denninger/Wolfgang Hoffmann-Riem/Hans-Peter Schneider/Ekkehart Stein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 3 Bde., 3.  Aufl. Neuwied/ Kriftel 2001 ff. (Stand: 2. Ergänzungslieferung August 2002) AKV Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeit Alt. Alternative amtl. amtlich AMRK Amerikanische Menschenrechtskonvention vom 22.11.1969 (Inkrafttreten am 18.7.1978) Anm. Anmerkung Anschl. Anschluss AnwBl. Anwaltsblatt AO Administrative Office of the United States Courts AöR Archiv des öffentlichen Rechts APA Federal Administrative Procedure Act ArbGG Arbeitsgerichtsgesetz Art. Artikel, Article ATJ Access to Justice Aufl. Auflage B.R. The United States Bankruptcy Court Reporter (Fallsammlung) BayAGVwGO Bayerisches Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung BayVBl. Bayerische Verwaltungsblätter BayVerfGH Bayerischer Verfassungsgerichtshof BayVerfGHG Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof (Verfassungsgerichtshofgesetz) BBG Bundesbeamtengesetz

XXII BbgRiG

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Richtergesetz des Landes Brandenburg (Brandenburgisches Richtergesetz) BbgVerf. Verfassung des Landes Brandenburg BbgVerfGG Gesetz über das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg (Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg) Bd. Band BDG Bundesdisziplinargesetz BDVR Bund Deutscher Verwaltungsrichter BeckOK Beck´scher Online-Kommentar BerlRiG Berliner Richtergesetz BerlVerf. Verfassung von Berlin BerlVerfGHG [Berliner] Gesetz über den Verfassungsgerichtshof Beschl. Beschluss BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHSt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BK-GG Rudolf Dolzer/Klaus Vogel/Karin Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Loseblattsammlung, Hamburg 1950–1989, 12 Bde., Heidelberg 1989 ff., 25 Bde. (Stand: 183. Ergänzungslieferung März 2017) BLV Verordnung über die Laufbahnen der Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten BMJV Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz BPersVG Bundespersonalvertretungsgesetz BR-Drs. Bundesratsdrucksache BremRiG Bremisches Richtergesetz BremStGHG [Bremisches] Gesetz über den Staatsgerichtshof (Staatsgerichtshofgesetz) BremVerf. Verfassung der Freien Hansestadt Bremen bspw. beispielsweise BT-Drs. Bundestagsdrucksache BT-PlPr. Plenarprotokoll des Bundestags BverfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGG Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (Bundesverfassungs­ gerichtsgesetz) BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts B-WRiStaG Richter- und Staatsanwältegesetz Baden-Württemberg B-WVerf. Verfassung des Landes Baden-Württemberg B-WVerfGHG [Baden-Württembergisches] Gesetz über den Verfassungsgerichtshof (Verfassungsgerichtshofsgesetz) bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise CBO Congressional Budget Office CCJE Consultative Council of European Judges

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XXIII

CDU Christlich-demokratische Union cert. den. certiorari denied Cir. Circuit CM/ECF Case Management/Electronic Case Files Co. Company COSCA Conference of the State Court Administrators CSM Consiglio Superiore della Magistratura (Oberster Rat der Gerichtsbarkeit, Italien) CSP Court Statistics Project Ct. Cl. The United States Court of Federal Claims Reporter (Fallsammlung) D.C. District of Columbia (Washington, Regierungssitz der Vereinigten Staaten von Amerika) DBG Deutsches Beamtengesetz von 1937 D.C. Code District of Columbia Code DDR Deutsche Demokratische Republik De-MailG De-Mail-Gesetz ders. derselbe DGH Dienstgerichtshof dies. Dieselbe(n) Digifax Digitales Telefax DÖD Der öffentliche Dienst DÖV Die öffentliche Verwaltung DRB Deutscher Richterbund DRiG Deutsches Richtergesetz DRiZ Deutsche Richterzeitung DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt E Entscheidung e.V. eingetragener Verein ebda. ebenda Ed. Edition EDV Elektronische Datenverarbeitung EGGVG Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGVP Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach Einl. Einleitung EL Ergänzungslieferung EMRK Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grund­ freiheiten vom 4.11.1950 (Inkrafttreten in Deutschland am 3.9.1953) etc. et cetera EU Europäische Union EuGH Europäischer Gerichtshof (amtl. Gerichtshof) EuGRZ Europäische Grundrechte Zeitschrift EvStL³ Roman Herzog/Hermann Kunst/Klaus Schlaich/Wilhelm Schneemacher (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, 2 Bde., 3.  Aufl. Stuttgart 1987 evtl. eventuell f. folgende(r) F.3d Federal Reporter, Third Series

XXIV F. Supp. FamFG

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Federal Supplement (U.S.-amerikanische Fallsammlung) Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegen­ heiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Fed.Cir. United States Court of Appeals for the Federal Circuit Fed.R.App.P. Federal Rules of Appellate Procedure Fed.R.Civ.P. Federal Rules of Civil Procedure Fed.R.Crim.P. Federal Rules of Criminal Procedure Fed.R.Ev. Federal Rules of Evidence bzw. Criminal Rules of Evidence ff. fortfolgende FGO Finanzgerichtsordnung FJC Federal Judicial Center Fn. Fußnote Frhr. v. Freiherr von FS Festschrift GAO General Accounting Office GBO Grundbuchordnung gem. gemäß GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GGK Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 3 Bde., Tübingen; Bd.  I: 3.  Aufl. 2013; Bd.  II: 3.  Aufl. 2015; Bd.  III: 2.  Aufl. 2008 GKÖD Walther Fürst (Hrsg.), Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht, Bd.  I /4, Berlin 1973 ff. (Stand: Ergänzungslieferung 13/2017) GO BReg Geschäftsordnung der Bundesregierung GO BVerfG Geschäftsordnung des Bundesverfassungsgerichts GRCh Charta der Grundrechte der Europäischen Union GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GSA General Services Administration (Unabhängige Bundesbehörde der Vereinigten Staaten zur Unterstützung der Bundesbehörden) GStO NW Geschäftsstellenordnung für die Gerichte und die Staatsanwaltschaften des Landes Nordrhein-Westfalen GVG Gerichtsverfassungsgesetz GVVO Verordnung zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20.3.1935 h. M. herrschende Meinung HambRiG Hamburgisches Richtergesetz HambVerf. Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg HambVerfGG Gesetz über das Hamburgische Verfassungsgericht HessRiG Hessisches Richtergesetz HessStGHG [Hessisches] Gesetz über den Staatsgerichtshof (Staatsgerichtshofgesetz) HessVerf. Hessische Verfassung HGB Handelsgesetzbuch HGR Detlef Merten/Hans-Jürgen Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Band  V III, Heidelberg 2017 Hrsg. Herausgeber hrsgg. herausgegeben

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XXV

Hs. Halbsatz Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts HStR1 der Bundesrepublik Deutschland, Bd.  III, 1.  Aufl. Heidelberg 1988 HStR² Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd.  I V, 2.  Aufl. Heidelberg 1999 HStR³ Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3.  Aufl. Heidelberg (Bd.  II: 2004; Bd.  III: 2005; Bd.  IV: 2006, Bd.  V: 2007; Bd.  VI: 2008; Bd.  VIII: 2010) HVerfR² Ernst Benda/Werner Maihofer/Hans-Jochen Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2.  Aufl. Berlin/New York 1994 HWPhil Joachim Ritter/Karlfried Gründer/Gottfried Gabriel (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, 12 Bde., Basel u. a. 1972 i. d. R. in der Regel i. E. Im Erscheinen i. S. d. im Sinne des/der i. S. v. im Sinne von i. V. m. in Verbindung mit IBA International Bar Association inkl. inklusive insbes. insbesondere InsO Insolvenzordnung IPbpR Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (Inkrafttreten in Deutschland am 23.3.1976) IuK Informations- und Kommunikationstechnik JA Juristische Arbeitsblätter jM Juris – Die Monatszeitschrift JöR Jahrbuch des öffentlichen Rechts JOR Jahrbuch für Ostrecht JPE Judicial Performance Evaluation JR Juristische Rundschau JuS Juristische Schulung JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel KLR Kosten- und Leistungsrechnung KritJ Kritische Justiz KritV Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft L.Ed. Lawyers’ Edition (Entscheidungssammlung) LEAA Law Enforcement Assistance Administration LHO NW Landeshaushaltsordnung Nordrhein-Westfalen lit. littera (Buchstabe) LJSvG Landesjustizselbstverwaltungsgesetz LKV Landes- und Kommunalverwaltung lt. laut LTO Legal Tribune Online LVerf. Landesverfassung LVO NW Verordnung über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen (Laufbahnverordnung)

XXVI m. N. m. w. N. Mass. MDR MMR M-VStGHG

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mit Nachweisen mit weiteren Nachweisen Massachusetts Supreme Judicial Court Monatsschrift für Deutsches Recht MultiMedia und Recht [Mecklenburg-Vorpommersches] Gesetz über den Staatsgerichtshof (Staatsgerichtshofgesetz) M-VVerf. Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern n. F. neue(r) Form, neue(r) Fassung N.Y. Court of Appeals of the State of New York / New York State N.Y.U. New York University NACA National Association for Court Administration NACM National Association for Court Management NATCA National Association of Trial Court Administrators NCCAO National Conference of State Court Administrative Officers NCSC National Center for State Courts Nds. Niedersachsen, niedersächsisch NdsStGHG [Niedersächsisches] Gesetz über den Staatsgerichtshof (Staats­ gerichtshofgesetz) NdsVerf. Niedersächsische Verfassung NdsVBl. Niedersächsische Verwaltungsblätter NJ Rev. Stat. New Jersey Revised Statutes NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-Beil. Neue Juristische Wochenschrift – Beilage NK Neue Kriminalpolitik Nr. Nummer NRV Neue Richtervereinigung NRW Nordrhein-Westfalen NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSM Neue(s) Steuerungsmodell(e) NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-RR Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungsreport NWRiG Richtergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen NWRiStaG Richter- und Staatsanwältegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen NWVBl. Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter NWVerf. Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen NWVerfGH Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen NWVerfGHG Gesetz über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-­ Westfalen (Verfassungsgerichtshofgesetz) NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZWiSt Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht NZZ Neue Züricher Zeitung o. ä. oder ähnlich OHCHR Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte)

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XXVII

OLG Oberlandesgericht OVG Oberverwaltungsgericht OVGE Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster und für das Land Niedersachsen in Lüneburg PACER Public Access to Court Electronic Records PEBB§Y Personalberechnungssystem RGBl. Reichsgesetzblatt resp. respektive RiDiszR Richterdisziplinarrecht RiWahlG Richterwahlgesetz Riz (R) Registerzeichen beim Bundesgerichtshof für Revisionen in Versetzungs- und Prüfungsverfahren nach dem Deutschen Richtergesetz Rn. Randnummer R-PRiG [Rheinland-Pfälzisches] Richtergesetz R-PVerf. Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz R-PVerfGHG [Rheinland-Pfälzisches] Gesetz über den Verfassungsgerichtshof (Verfassungsgerichtshofgesetz) Rspr. Rechtsprechung RuP Recht und Politik S. Seite, Satz S.Ct. Supreme Court Reporter (Entscheidungssammlung) S.D.N.Y. The United States District Court for the Southern District of New York s. o. siehe oben s. u. siehe unten SaarlVerf. Verfassung des Saarlandes SaarlVerfGHG [Saarländisches] Gesetz über den Verfassungsgerichtshof ­( Verfassungsgerichtshofgesetz) SächsVerf. Verfassung des Freistaates Sachsen SächsVerfGHG Gesetz über den Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen (Sächsisches Verfassungsgerichtshofgesetz) S-AVerf. Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt S-AVerfGG Gesetz über das Landesverfassungsgericht [für Sachsen-Anhalt] (Landesverfassungsgerichtsgesetz) SCAO State Court Administrative Office(s) Schl.-HRiG Schleswig-Holsteinisches Richtergesetz (Landesrichtergesetz) Schl.-HVerf. Verfassung des Landes Schleswig-Holstein Schl.-HVerfGG Gesetz über des Schleswig-Holsteinische Landesverfassungs­gericht (Landesverfassungsgerichtsgesetz) SchlHA Schleswig-Holsteinische Anzeigen SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SGG Sozialgerichtsgesetz sog. sogenannt(e/er) SozSich Soziale Sicherheit SPON Spiegel Online Stat. Statute

XXVIII

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StGB Strafgesetzbuch StGHG Gesetz über den Staatsgerichtshof (Staatsgerichtshofgesetz) StPO Strafprozessordnung StWStP Staatswissenschaften und Staatspraxis ThürRiG Thüringer Richtergesetz ThürVBl. Thüringer Verwaltungsblätter ThürVerf. Verfassung des Freistaates Thüringen ThürVerfGHG Gesetz über den Thüringer Verfassungsgerichtshof (Thüringer Verfassungsgerichtshofgesetz) u. a. unter anderem U.C.C. Uniform Commercial Code U.C.L.A. University of California, Los Angeles ÜVerfBesG Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren U.S. United States Reports (Entscheidungssammlung des U.S. Supreme Courts) / United States U.S.C. United States Code U.S. Supreme Court Supreme Court of the United States of America (Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten von Amerika) U.S.-Verf. Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika UAG Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz) Urt. Urteil USA United States of America (Vereinigte Staaten von Amerika) UT Code Utah Code u.v.m. und viele(s) mehr v. von, versus (gegen) VG Verwaltungsgericht VGHG NRW Gesetz über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-­ Westfalen (Verfassungsgerichtshofgesetz) vgl. vergleiche Vorb. Vorbemerkung(en) vs. versus VVDStRL Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechts­ lehrer VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz WAZ Westdeutsche Allgemeine Zeitung WissR Wissenschaftsrecht WJP World Justice Project ZaöRV Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht ZBR Zeitschrift für Beamtenrecht ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZInsO Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht ZPO Zivilprozessordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik Zs. f. Rechtssoz. Zeitschrift für Rechtssoziologie ZZP Zeitschrift für Zivilprozess

Einleitung „The administration of justice is the firmest pillar of government.“ – George Washington, Erster Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. „Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein.“ – Philip Rosenthal, Deutscher Industrieller und Politiker.

Im Vordergrund moderner Rechtsprechung steht der Anspruch der Gerichte, qualitativ gute Rechtsprechung für den Bürger zu gewährleisten1, das Rechts­ schutzbedürfnis des Einzelnen zu wahren und Rechtsfrieden sowie Rechts­ sicherheit herzustellen 2. Ein gerichtlicher Prozess wird primär durch die streit­ entscheidenden Normen bestimmt. Nicht weniger entscheidungserheblich ist indessen die Beeinflussung des Ablaufs der Verhandlung durch justizinterne Werte sowie die Praktiken und Vorgaben der Gerichtsverwaltung, insbesondere der Geschäftsverteilung und der gesamten Arbeitsorganisation3. Reformen, die dort in Ansehung einer steigenden Arbeitsbelastung der Gerichte ansetzen4, 1  Zur Frage der Messbarkeit von Rechtsprechungsqualität siehe G. Mackenroth, DRiZ 2000, S.  301 (404); K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 (228 f.); U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (325 f.); E. Alt, Betrifft Justiz 97 (2009), S.  28 ff. 2  Gleichsinnig BVerfGE 1, 433 (437); 107, 395 (401); G. Roellecke, DRiZ 1996, S.  174 (175 f.). – Siehe allgemein auch zu den Zwecken der Rechtsprechung, die als zentrales Ele­ ment die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes als Voraussetzung für Rechtsfrieden in der Gemeinschaft beinhalten, E. Bernatzik, Rechtsprechung und materielle Rechtskraft. Verwaltungs­rechtliche Studien, 1886, S.  18 f.; aus historischer Perspektive siehe eingehend E. Kocher, Funktionen der Rechtsprechung. Konfliktlösung im deutschen und englischen Verbraucherschutzrecht, 2007, S.  276 ff.; M. Payandeh, Judikative Rechtserzeugung, 2017, S.  23 ff.; H. Schul­ze-­Fielitz, in: H. Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd.  III, 3.  Aufl. 2018, Art.  92 Rn.  17. 3 Gleichsinnig G.-P. Calliess, NJW-Beil. 2014, S.  27 (27). 4  Siehe zur steigenden Arbeitsbelastung aufgrund von Personalmangel und steigenden Erledigungszahlen C. Balzer, DRiZ 2007, S.  88 ff.; E. Sift, DRiZ 2013, S.  120 f.; zur Lage an den Zivilgerichten siehe F. O. Fischer, DRiZ 2015, S.  392 ff.; zum Erledigungsdruck, unter dem häufig besonders Proberichter leiden, C. Grade, Betrifft Justiz 120 (2014), S.  165 (169). – Beklagt wird „die strukturelle Hinrichtung der Justiz“ überdies vom DRB NRW, vgl. ­https:// www.drb-nrw.de/component/content/article/345 (19.3.2020). In der Presse wird das Thema

2

Einleitung

müssen stets den entscheidenden Richter überzeugen und einbeziehen5. Die richterliche Unabhängigkeit ist als Grundvoraussetzung für die Rechtsprechung tragender Maßstab für die Richter in Deutschland. Art.  97 Abs.  1 GG garantiert ihre alleinige Unterwerfung unter das Gesetz6. Die Unabhängigkeitsgarantie ist mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben demokratischer Legitimation im ge­ waltenteilenden Verfassungsstaat in einen angemessenen Ausgleich zu brin­ gen7. Ansonsten verkommt die ständig wiederkehrende, schon routinemäßige Berufung der Richterschaft auf ihre Unabhängigkeit zum Selbstzweck und als Totschlagargument gegen jede Modernisierung8. in regelmäßigen Abständen aufgegriffen, so bspw. jüngst K. Johann, Arbeitsbelastung für die Sozialrichter nimmt stetig zu, in: WAZ, 28.3.2017 (abrufbar unter https://www.waz.de/staedte/ bottrop/stress-fuer-sozialrichter-nimmt-zu-id210084471.html, 19.3.2020). – Zu steigenden Eingangszahlen selbst am BVerfG siehe H. Sodan/J. Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, 7.  Aufl. 2016, §  16 Rn.  11. 5  So auch S. Weth, ZZP 120 (2007), S.  135 (156); zum Zusammenhang von richterlicher Ethik und der Ökonomisierung der Justiz bei qualitativer Zunahme gerichtlicher Verfahren und gleichzeitigem Sparzwang U. Schneider, Richterliche Ethik im Spannungsfeld zwischen richterlicher Unabhängigkeit und Gesetzesbindung, 2017, S.  32 ff. 6  Siehe im ersten Zugriff zu richterlichen Unabhängigkeit als tragendes Strukturprinzip im gewaltengliedernden Verfassungsstaat BVerwGE 78, 216 (219); weiterhin U. Di Fabio, HStR³ II, §  27 Rn.  27 ff.; S. Haberland, DRiZ 2002, 301 ff. mit Hinweisen auf die Rechtspre­ chung des BGH; S. Detterbeck, in: M. Sachs (Hrsg.), GG-Kommentar, 8.  Aufl. 2018, Art.  97 Rn.  1; H. D. Jarass/B. Pieroth, GG-Kommentar, 15.  Aufl. 2018, Art.  97 Rn.  2 ff.; H. Schulze-­ Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GGK III (Fn.  2), Art.  97. – Siehe mit weiteren Details Kap.  2 C. V. 1. 7  E.-W. Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl. Dargestellt anhand der Geset­ zesentwürfe zur Einführung der Richterwahl in Nordrhein-Westfalen, 2.  Aufl. 1998, S.  72 f.; W. Hoffmann-Riem, Modernisierung von Recht und Justiz. Eine Herausforderung des Ge­ währleistungsstaates, 2001, S.  307; H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2587); U. Berlit, Be­ trifft Justiz 70 (2002), S.  319 (324 f.), der insbesondere die Rejustierung der Reichweiter der Unabhängigkeitsgarantie diskutiert; K. Fuchs, Verfassungsmäßigkeit und Umsetzbarkeit von Modellen für eine selbstverwaltete Justiz in Deutschland, 2013, S.  115; F. Brosius-Gersdorf, VVDStRL 74 (2015), S.  169 (217 f.); M. Minkner, Die Gerichtsverwaltung in Deutschland und Italien, 2015, S.  1 f., 50 ff. – Zur Bedeutung des Spannungsverhältnisses zwischen Judicial Independence und Accountability U.S.-amerikanischer Richter siehe J. Zätzsch, Richterliche Unabhängigkeit und Richterauswahl in den USA und Deutschland, 2000, S.  176 ff.; C. G. Geyh, When Courts and Congress Collide. The Struggle for Control of America’s Judicial System, 2006, S.  6 ff. 8  Gleichsinnig R. Voss, DRiZ 1998, S.  379 (381); W. Hoffmann-Riem, DRiZ 2000, S.  18 (19). Als Selbstzweck darf die richterliche Unabhängigkeit nicht verstanden werden, eine solche Tendenz ist in der richterlichen Argumentation allerdings zu beobachten, siehe dazu R. Voss, DRiZ 1998, S.  379 (381). Sie wird im Übrigen auch nicht als Grundrecht oder grundrechts­ gleiches Recht angesehen, sodass sich Richter zur Durchsetzung ihrer Unabhängigkeit nicht mit Verweis auf Art.  97 Abs.  1 GG mit einer Verfassungsbeschwerde an das Bundes­ verfassungsgericht wenden können; es bleibt allerdings die Möglichkeit unbenommen, eine

Einleitung

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In Ansehung von Bestrebungen, die Verwaltung der Gerichte in der Bundes­ republik Deutschland zu ökonomisieren und zu professionalisieren, hat der Rechtsbereich der Gerichtsverwaltung eine teils konfliktbeladene Beachtung in der Forschung gefunden9. Angesichts der Größe, Komplexität und des Stellen­ werts der deutschen Justiz stellt sich insofern die Frage, ob eine moderne und professionalisierte Gerichtsverwaltung am Vorbild der Gerichtsverwaltung in den USA die Effizienz der deutschen Gerichte verbessern könnte10. Die steigen­ den Anforderungen in der Justiz, finanzieller Druck, hohe Erledigungszahlen und das zunehmende Erfordernis der Orientierung an Qualitäts- sowie Effi­ zienzgesichtspunkten könnten zumindest mittelfristig ein professionelleres Jus­ tizmanagement erfordern11. Vor allem der optimale Einsatz von Ressourcen sollte hier im Vordergrund stehen12. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Ausge­ staltung der Court Administration in den USA einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Dies muss vor allem unter Berücksichtigung des hohen Stellen­ Verletzung von Art.  33 Abs.  5, 3 Abs.  1 GG zu rügen. Siehe hierzu BVerfGE 27, 211 (217); Detterbeck (Fn.  6), Art.  97 Rn.  7. 9  Siehe aus der Literatur zu den NSM als Reformmodell für die Gerichtsverwaltung im Spannungsfeld mit der richterlichen Unabhängigkeit M. Eifert, Die Verwaltung 30 (1997), S.  75 ff.; M. Bertram, DRiZ 1998, S.  506; R. Voss, DRiZ 1998, S.  379 ff.; J. Grotheer, DRiZ 1999, S.  458; F.-J. Mehmel, Betrifft Justiz 63 (2000), S.  324 ff.; B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 ff.; dies., NJW 2001, S.  3449 ff.; J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 ff.; C. Schütz, Der ökonomisierte Richter. Gewaltenteilung und richterliche Unabhängigkeit als Grenzen Neuer Steuerungs-modelle in den Gerichten, 2005; K. F. Röhl, Ökonomisierung der Justiz und rich­ terliche Unabhängigkeit, in: Sächsisches Staatsministerium der Justiz und für Europa (Hrsg.), Impulse für eine moderne und leistungsstarke Justiz, 2009, S.  103 ff. – Siehe für einen umfas­ senden Gesamtüberblick zur Verwaltung deutscher Gerichte F. Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, 2006. 10  Siehe hier bereits zu der Frage nach der Einführung eines Gerichtsmanagers W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1997, S.  290 ff.; H. Leeb, DRiZ 1997, S.  287 ff.; K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 ff.; ders., JZ 2002, S.  838 ff.; U. Karpen, Brauchen wir einen Gerichtsmanager?, in: J. Isensee/H. Lechner (Hrsg.), FS Walter Leisner, 1999, S.  989 ff. Ausführlich zu dieser Frage­ stellung siehe Kap.  5 B. I. – Siehe allgemein zur ökonomischen Effizienzanalyse des Rechts in den USA H. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 3.  Aufl. 2005, S.  404 ff. – Zum Quali­ tätsmanagement in den USA siehe hier nur R. J. Stupak/P. M. Leitner, Quality Improvement, in: dies. (Hrsg.), Handbook of Public Quality Management, 2001, S.  2 ff.; S. W. Hays/J. W. Doug­las, Judicial Administration. Modernization the Third Branch, in: J. Rabin/W. B. Hildreth/­­ G. J. Miller (Hrsg.), Handbook of Public Administration, 3.  Aufl. 2007, S.  983 (1014 ff.). – Zu einem europäischen Vergleich der Justizen, in dem Deutschland zumindest nicht als „Sor­ genkind“ abschneidet, siehe R. Gaier, NJW 2013, S.  2871 (2872 f.). 11  Ähnlich auch A. Lienhard/D. Kettiger, Einleitung, in: A. Lienhard u. a. (Hrsg.), Justiz zwischen Management und Rechtsstaat. Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt „Grundla­ gen guten Justizmanagements in der Schweiz, 2016, S.  1 (10). 12  D. Winkler/A. Müller/A. Lienhard/D. Kettiger, Ressourcen, in: Lienhard u. a., Justiz (Fn.  11), S.  57 ff.

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wertes der richterlichen Unabhängigkeit in beiden Rechtsordnungen13 und ih­ rem Verhältnis zur demokratischen Verantwortlichkeit14 der Richter erfolgen, da sich hieraus die Relevanz der Argumentation um die organisatorische Stel­ lung der Gerichte ergibt15. Insofern werden immer wieder die europäischen Rechtsordnungen als Ver­ gleichsmodelle für Modernisierungen der deutschen Gerichtsverwaltung (vor allem im Hinblick auf die Einführung einer selbstverwalteten Justiz16) herange­ zogen17. Rechtsvergleichende Darstellungen mit dem Gerichtssystem in den USA finden sich hingegen deutlich seltener18, obwohl sich gerade das U.S.-ame­ 13  Den Zusammenhang zwischen Qualität und Effizienz sowie richterlicher Unabhängig­ keit deutet unter anderem I. Werner, DRiZ 2015, S.  128 f. an. Die richterliche Unabhängigkeit der U.S.-amerikanischen Richter ergibt sich nicht wie in Deutschland ausdrücklich aus der Verfassung, sondern wird auf Grundlage der Art.  I bis III der U.S.-Verf. aus der Eigenstän­ digkeit der Justiz hergeleitet. 14  Zum spannungsgeladenen Verhältnis von richterlicher Unabhängigkeit und demokrati­ scher Verantwortlichkeit im Sinne der Judicial Accountability U.S.-amerikanischer Richter siehe hier zunächst nur Zätzsch, Unabhängigkeit (Fn.  7), S.  176 ff. 15  Siehe hierzu M. Eifert, Die Verwaltung 30 (1997), S.  75 ff.; H. Weber-Grellet, DRiZ 2003, S.  303 (308). 16  Im europäischen Vergleich kommt der deutschen Rechtsordnung (neben der finnischen, der österreichischen und der tschechischen) eine Soderstellung zu, da sich in den meisten Ländern der EU ein System der Selbstverwaltung der Gerichte etabliert hat. Siehe M. Jeschke, KritV 93 (2010), S.  233 ff.; R. Poseck, Selbstverwaltung der Justiz Zukunft oder Irrweg?, in: M. Demels/S. Heck/T. Schäfer (Hrsg.), FS Christean Wagner, 2013, S.  177 (182); Minkner, Gerichtsverwaltung (Fn.  7), S.  5. – Wittreck, Verwaltung (Fn.  9), S.  611 ff. stellt Tschechien als den „Prototyp einer exekutiven Gerichtsverwaltung“ dar. 17  Siehe bspw. N. Behrend, Betrifft Justiz 47 (1996), S.  348 ff.; H. Häuser, Betrifft Justiz 72 (2002), S.  426 ff.; G. Oberto, ZRP 2004, S.  207 ff. Insbesondere die italienische Gerichtsver­ waltung gilt hier zum Teil als Maß aller Dinge, was die vergleichsweise beachtliche Fülle an rechtsvergleichender Literatur angeht. Monographien sind indessen vergleichsweise margi­ nal vorhanden. Siehe beispielhaft die Untersuchung von Minkner, Gerichtsverwaltung (Fn.  7), S.  5 m. w. N. Ein Exot im europäischen Rechtsvergleich stellt überdies die Arbeit von A. v. Bernstorff, Die Gerichtsverwaltung in Deutschland und England, 2018 dar, der als einer von wenigen die englische Gerichtsverwaltung untersucht. Siehe rechtsvergleichend zur französischen Verwaltung der Gerichte L. C. Faissner, Die Gerichtsverwaltung der ordentli­ chen Gerichtsbarkeit in Frankreich und Deutschland, 2018. Zahlreiche Sammelbände unter­ suchen überdies vor allem Einzelfragen der Gerichtsverwaltung im europäischen Vergleich, so bspw. M. Jeschke, Justizielle Autonomie in Europa, 2016, S.  19 ff.; S. Taal u. a., Prozesse, in: Lienhard u. a., Justiz (Fn.  11), S.  77 (80 ff.); siehe auch die entsprechenden Beiträge in englischer Sprache in A. Seibert-Fohr (Hrsg.), Judicial Independence in Transition, 2012. 18 Entsprechende Monographien beschränken sich regelmäßig auf die Darstellung der verfassungsrechtlich prekären Frage der Richterwahl oder beschäftigen sich mit Einzelfra­ gen der Verfassungsgerichtsbarkeit, siehe U. Kayser, Die Auswahl der Richter in der engli­ schen und amerikanischen Rechtspraxis, 1969; Zätzsch, Unabhängigkeit (Fn.  7); S.-P. Hwang, Verfassungsgerichtlicher Jurisdiktionsstaat? Eine rechtsvergleichende Analyse zur Kompe­

A. Rechtsvergleich und Sprachbewusstsein

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rikanischen Modell der Gerichtsverwaltung mit Blick auf die stetig wieder auf­ keimende Qualitätsdiskussion in der deutschen Rechtsliteratur anbietet (B.). Die intervallartigen Reformmodelle der deutschen Gerichtsverwaltung dienen als Ausgangspunkt für den Rechtsvergleich mit den Gerichtsverwaltungsstruktu­ ren in den USA, um konkrete Sachprobleme und Einzelfragen im Rahmen eines Mikrovergleichs zu beleuchten (A.). Schließlich bietet die Darstellung des Gangs der Untersuchung einen ersten Einblick in den strukturellen Aufbau der vorliegenden Arbeit (C.).

A. Rechtsvergleich und Sprachbewusstsein Im Gegensatz zu einem Makrovergleich, der allgemeine Methoden einer Rechts­ ordnung im Hinblick auf Streitbeilegung und Entscheidungsfindung sowie der generellen juristischen Arbeit untersucht19, bezieht sich der Rechtsvergleich der vorliegenden Arbeit auf die Betrachtung konkreter Einzelprobleme der Ge­ richtsverwaltung. Ob die Modelle der Court Administration vor dem Hinter­ grund verfassungsrechtlicher Unterschiede in der deutschen und der U.S.-ame­ rikanischen Rechtsordnung in die deutsche Gerichtsverwaltung implementiert werden können, ist im Wege eines Mikrovergleichs zu analysieren. Die Lösung der Frage nach der Ausgestaltung gerichtsverwaltender Strukturen und Mecha­ nismen führt jedoch über die Makroperspektive der verfassungsrechtlichen Grundkonzeption beider Rechtsordnungen 20. Die verfassungsrechtlichen Vor­ tenzabgrenzung von Verfassungsgericht und Gesetzgeber in den USA und der Bundesrepu­ blik Deutschland, 2005; S. v. Hoff, Die Rolle des US-Supreme Court im Prozess der Verfas­ sungsänderung in den Vereinigten Staaten von Amerika, 2008; M. Kau, United States Supre­ me Court und Bundesverfassungsgericht. Die Bedeutung des United States Supreme Court für die Errichtung und Fortentwicklung des Bundesverfassungsgerichts, 2007; E.-M. Steinberger, Umfang und Grenzen der Kritik an Richtern in Deutschland, den Vereinigten Staaten von Amerika und in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrech­ te, 2010; N. Schreier, Demokratische Legitimation von Verfassungsrichtern, 2016. – Aus der allgemeinen Literatur zur Gerichtsverwaltung in den USA sticht die recht veraltete, aber bei­ spiellose Analyse von K. F. Röhl, Gerichtsverwaltung und Court-Management in den USA – Vom Effizienzmanagement zum Qualitätsmanagement, 1993 hervor, der sich allerdings auf deskriptive Schilderungen der Gerichtsverwaltungsstrukturen in den USA beschränkt, ohne ein dezidiertes Übertragungsmodell zu entwickeln. 19 Vgl. M. Rheinstein/R. v. Borries/H.-E. Niethammer, Einführung in die Rechtsverglei­ chung, 1987, S.  33 ff.; K. Zweigert/H. Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 3.  Aufl. 1996, S.  4. 20  Siehe zu der fließenden Grenze zwischen Makro- und Mikrovergleich in der Rechts­ vergleichung Rheinstein/v. Borries/Niethammer, Einführung (Fn.  19), S.  31; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (Fn.  19), S.  5.

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Einleitung

gaben für die in die Gerichtsverwaltung involvierten Staatsgewalten siedeln sich im Spannungsfeld von Demokratieprinzip und richterlicher Unabhängig­ keit sowie der Garantie des gesetzlichen Richters an 21. Zunächst müssen jedoch die methodischen (I.) und sprachlichen (II.) Parameter der rechtsvergleichenden Untersuchung abgesteckt werden. I. Methodik des Rechtsvergleichs Obwohl sich die moderne Rechtsvergleichung als Bestandteil der Rechtswissen­ schaft seit dem Beginn des 20.  Jahrhunderts etabliert hat und stetig weiterent­ wickelt22 , ist eine einheitliche Methodik nicht ersichtlich 23. Vielmehr streiten sich die Vertreter der traditionellen funktionalen Methode und diejenigen der postmodernen Methode um den methodischen Ansatz einer internationalen rechtsvergleichenden Untersuchung24. Die (auch im öffentlichen Recht) herr­ schende25 funktionale Methode hält nur solche Rechtsinstitute für vergleichbar, die in den zu vergleichenden Rechtsordnungen die gleichen Funktionen bzw. Aufgaben erfüllen 26. Es ist mithin ein gleiches Grundproblem erforderlich 27, von dem ausgehend das Ziel der Suche nach „besserem Recht“ verfolgt wird 28. Postmoderne Ansätze jedoch lehnen die Lehre des Funktionalismus ab und be­ 21 Ähnlich auch die methodischen Vorüberlegungen bei Minkner, Gerichtsverwaltung (Fn.  7), S.  23, der überdies darauf hinweist, dass die Beobachtungsperspektive im Rechtsver­ gleich nicht stringent einzuhalten ist. 22  Siehe im Überblick zur historischen Entwicklung der Rechtsvergleichung Rheinstein/ v. Borries/Niethammer, Einführung (Fn.  19), S.  37 ff.; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (Fn.  19), S.  2 ff., 47 ff. 23  Zum Methodenproblem siehe U. Kischel, Rechtsvergleichung, 2015, §  3 Rn.  1 f.; aus­ führlich auch C.-D. Busse, Die Methoden der Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht als richterliches Instrument der Interpretation von nationalem Recht, 2015, S.  28 f.; Schreier, Le­ gitimation (Fn.  18), S.  281 ff., 327 ff. 24  Siehe im Überblick zu den unterschiedlichen methodischen Ansätzen in der Rechtsver­ gleichung Kischel, Rechtsvergleichung (Fn.  23), §  3 Rn.  6 ff.; Schreier, Legitimation (Fn.  18), S.  17 ff. 25 So A. Tschentscher, JZ 2007, S.  807 (811); Busse, Rechtsvergleichung (Fn.  23), S.  28 f.; Schreier, Legitimation (Fn.  18), S.  341. 26  Untrennbar mit der funktionalen Rechtsvergleichungsmethode verbunden sind Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (Fn.  19), S.  33; siehe weiterhin Kischel, Rechtsvergleichung (Fn.  23), §  3 Rn.  3 ff.; Schreier, Legitimation (Fn.  18), S.  18. 27 Dem tertium comparationis liegt die Vorstellung zugrunde, dass in allen Rechtsord­ nungen für dieselben sozialen Probleme auch zumindest ähnliche Problemlösungen bereit­­­ge­ stellt werden, vgl. Busse, Rechtsvergleichung (Fn.  23), S.  28 f.; Schreier, Legitimation (Fn.  18), S.  18. 28  Zum Begründungsansatz der funktionellen Methode Busse, Rechtsvergleichung (Fn.  23), S.  342 ff.; Schreier, Legitimation (Fn.  18), S.  18.

A. Rechtsvergleich und Sprachbewusstsein

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ziehen den politischen, sozialen und kulturellen Kontext einer Rechtsnorm im Sinne einer „organischen Rechtsauffassung“29 in den Rechtsvergleich ein30. Die eigene kulturelle und juristisch-dogmatischen Vorprägung im Rahmen eines Rechtsvergleichs unberücksichtigt zu lassen – wie von der Lehre des Funktionalismus gefordert31 –, stellt sich als nahezu unlösbares Problem heraus. Eine neutrale Vergleichbarkeit von zwei Rechtsordnungen ist daher fast unmög­ lich32 , sodass im Folgenden lediglich die Annäherung an eine objektive Verglei­ chung im Rahmen einer kaum auszumerzenden „dogmatischen Befangenheit“33 erfolgen wird, ohne sich völlig von der funktionalen Methode zu entfernen34. Die Einflüsse der deutschen Rechtskultur35 geben dabei zumindest das Raster des folgenden Rechtsvergleichs vor, ohne dass allerdings selbstkritische Hinter­ fragungen der eigenen Rechtsordnung ausbleiben werden, um dem Problem des „rechtskulturellen Imperialismus“ vorzubeugen36. Insbesondere Ausführungen zum U.S.-amerikanischen Richterwahlsystem sowie zur Bedeutung des Ver­ hältnisses von richterlicher Unabhängigkeit und demokratischer Legitimation richterlichen Handelns in der U.S.-amerikanischen Rechtsordnung erfolgen zwangsläufig aus deutscher Sicht, die durch eine eigene Subjektivität geprägt ist37. Die Einbettung der zu begutachtenden Rechtsinstitute in einen sozio-poli­ tischen, philosophischen und vor allem historischen Kontext ist dabei unerläss­ lich38. Die Organisation der Justiz birgt insbesondere stets auch einen rechts­ 29 So

D. Richers, ZaöRV 67 (2007), S.  509 (521 ff.); siehe ferner Kischel, Rechtsverglei­ chung (Fn.  23), §  3 Rn.  28. 30 Zur postmodernen Kritik am Funktionalismus siehe Kischel, Rechtsvergleichung (Fn.  23), §  3 Rn.  23 ff.; Schreier, Legitimation (Fn.  18), S.  19. 31 Vgl. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (Fn.  19), S.  34. 32  Vgl. auch Kischel, Rechtsvergleichung (Fn.  23), §  3 Rn.  186 ff.; Minkner, Gerichtsver­ waltung (Fn.  7), S.  23; zur Bedeutung der eigenen kulturellen und juristischen Sozialisation siehe auch Schreier, Legitimation (Fn.  18), S.  20. 33 Im Sinne von Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (Fn.  19), S.  34 muss es Ziel des Rechtsvergleichers sein, sich von dieser Befangenheit zu lösen und die „Brille seiner eigenen Rechtsordnung“ abzulegen (letzteres Zitat auf S.  33). Dies kann m. E. jedoch nur bis zu einem bestimmten Grad gelingen. 34  Für eine methodisch pluralistische Vorgehensweise setzt sich auch Busse, Rechtsver­ gleichung (Fn.  23), S.  387 ff. ein. 35 Kritisch Kischel, Rechtsvergleichung (Fn.  23), §  3 Rn.  227 f., §  4 Rn.  45 f. 36  Diese Terminologie ist geprägt durch die Problematisierung von Kischel, Rechtsver­ gleichung (Fn.  23), §  2 Rn.  11, der davor warnt, „die eigene Lösung, das eigene Recht grund­ sätzlich und kurzerhand für besser, sinnvoller, sachgerechter“ zu halten (Zitat in Rn.  11). 37 Instruktiv zu dieser Perspektive auch Schreier, Legitimation (Fn.  18), S.  20 f.; siehe überdies den Ansatz bei S. Baer, ZaöRV 64 (2004), S.  735 (745). 38  Dies wird auf den Punkt gebracht von Schreier, Legitimation (Fn.  18), S.  22: „Die Ein­ bettung der Norm in ihren Kontext ermöglicht es, die Verzerrung der Normbedeutung durch die subjektive Interpretation des ausländischen Betrachters einzuschränken.“ Dies gilt im

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Einleitung

politischen Charakter, da sie das Verhältnis vom Staat zum Bürger betrifft. Eine verfassungsrechtliche Bewertung der Implementierung von Selbstverwaltungsund Betriebswirtschaftsstrukturen in die Justiz ist mithin auch verfassungs­ politischer Natur39. Insbesondere birgt die starre Beharrlichkeit der funktiona­ len Rechtsvergleichung die Gefahr, Problemkreise zu übersehen, die nicht unter derselben Funktion firmieren40. Ein Verständnis verfassungsrechtlicher Unter­ schiede in der deutschen und U.S.-amerikanischen Rechtsordnung kann an­ derweitig kaum geschaffen werden. Nur so ist es möglich, den rechtswissen­ schaftlichen Blick für alternative rechtliche Zugriffsmodelle auf die Gerichts­ verwaltung und eine etwaige Übertragbarkeit gerichtsverwaltungsrechtlicher Strukturen in den USA zu schärfen41. Eine Rechtsvereinheitlichung intendiert die vorliegende Untersuchung indessen nicht 42. II. Sprachbewusstsein Ein dem internationalen Rechtsvergleich gleichermaßen innewohnendes Prob­ lem ist die sprachliche Barriere zwischen zwei Rechtsordnungen, deren Ver­ gleichbarkeit eine Präzisierung des eigenen Sprachbewusstseins notwendig macht 43. Die Bedeutung, die der Verfasser eines Rechtsvergleichs einem Termi­ nus beimisst, der in einer anderen Sprache niedergeschrieben ist, ist stets auch

Übrigen nicht nur für explizite Rechtsnormen, sondern gleichermaßen für Verfassungsprin­ zipien als Ganzes. – Siehe zum Zusammenhang von Rechtsvergleichung und Rechtshistorie eingehend Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (Fn.  19), S.  8 ff.; Kischel, Rechtsvergleichung (Fn.  23), §  1 Rn.  27 ff. – Siehe überdies zur Notwendigkeit der Berücksichtigung rechtsphilo­ sophischer Fragestellungen Rheinstein/v. Borries/Niethammer, Einführung (Fn.  19), S.  18 ff. 39  Gleichsinnig S. Müller-Franken, Verfassungsvergleichung, in: O. Depenheuer/C. Graben­ warter (Hrsg.), Verfassungstheorie, 2010, §  26 Rn.  45; Minkner, Gerichtsverwaltung (Fn.  7), S.  22. 40  Ähnlich auch Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (Fn.  19), S.  33. 41  Siehe zum Stichwort der Selbstreflexion S. Baer, ZaöRV 64 (2004), S.  735 (751 f.). – Zu der grundsätzlichen Möglichkeit eine Rechtsübernahme siehe instruktiv Kischel, Rechtsver­ gleichung (Fn.  23), §  2 Rn.  34 ff. 42  Siehe zur Vereinheitlichung bzw. Harmonisierung des Rechts als eines der Ziele von rechtsvergleichenden Untersuchungen Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (Fn.  19), S.  23 ff.; F. Fromholzer, Considerations. US-amerikanisches Recht im Vergleich zum deutschen, 1997, S.  1 ff.; Kischel, Rechtsvergleichung (Fn.  23), §  2 Rn.  41 ff. – Siehe beispielhaft zur Idee der „Wiederbelebung eines gesamteuropäischen ius commune“ nach U.S.-amerikanischem Vorbild M. Reimann, Amerikanisches Privatrecht und europäische Rechtseinheit – Können die USA als Vorbild dienen?, in: R. Zimmermann (Hrsg.), Amerikanische Rechtskultur und europäisches Privatrecht. Impressionen aus der neuen Welt, 1995, S.  132 ff. 43  Siehe hierzu und zum Folgenden eingehend Kischel, Rechtsvergleichung (Fn.  23), §  1 Rn.  20 ff.; Schreier, Legitimation (Fn.  18), S.  22 ff.

A. Rechtsvergleich und Sprachbewusstsein

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durch die Bedeutung in der eigenen Sprache eingefärbt 44. Es muss berücksich­ tigt werden, dass jede Terminologie in einen in der Rechtsordnung verankerten spezifischen sprachlichen Bedeutungszusammenhang eingebettet ist und von diesem nur schwer gelöst werden kann. Eine Übersetzung von U.S.-ame­ri­kanischen Begriffen in Rechtsnormen und von Rechtsinstituten ist also nicht im­ mer ratsam. Durch eine Übersetzung wird nicht selten der Sinnzusammenhang eines ausländischen Begriffs verkürzt oder ein Begriff in einen neuen, unzutref­ fenden Bedeutungszusammenhang eingefügt45. Eine Übersetzung der U.S.-ame­ rikanischen Terminologie der Court Administration mit dem deutschen Begriff der Gerichtsverwaltung ist unter anderem beispielsweise bereits schon deshalb zu vermeiden, da die rechtstheoretischen und rechtskulturellen Vorgaben beider Rechtsinstitute verschieden sind. Es würde möglicherweise der falsche Ein­ druck entstehen, dass sich die Ausgestaltung von Zuständigkeit und Kompeten­ zen decken. Die Arbeit mit englischsprachigen Originalquellen aus der Binnen­ perspektive ist daher ebenso unerlässlich wie der Verzicht auf eine wortwört­ liche Übersetzung von Fachbegriffen, um einen Zugang zu sprachkontextuellen und kulturellen Hintergründen von Rechtsinstituten zu kreieren46. Eine Erläute­ rung von missverständlichen Begriffen wird sich im Verlauf der Arbeit stets finden, sofern diese im Original belassen oder übersetzt wurden. Im Original belassen werden überdies die in den USA üblichen Zitierweisen von Gesetzesbestimmungen47 und Gerichtsentscheidungen48. Lediglich die in 44  Siehe zu dem linguistischen Problemkreis der Rechtsvergleichung anschaulich R. Sacco/P. Rossi, Einführung in die Rechtsvergleichung, 3.  Aufl. 2017, S.  40 ff. 45  B. Großfeld, Macht und Ohnmacht der Rechtsvergleichung, 1984, S.  149 ff.; Kischel, Rechtsvergleichung (Fn.  23), §  3 Rn.  203; zu den Grenzen juristischer Übersetzungen auch anschaulich Sacco/Rossi, Einführung (Fn.  44), S.  52 ff. 46  Vgl. Kischel, Rechtsvergleichung (Fn.  23), §  3 Rn.  210 ff.; Schreier, Legitimation (Fn.  18), S.  23. 47  Die Vorgehensweise in den USA gibt zunächst die Nummer des Bandes, dann den Na­ men des Gesetzes und sodann den konkreten Paragraphen an. Im Bundesrecht finden sich bspw. die einschlägigen Vorschriften der Gerichtsorganisation in 28 U.S.C. §§  1 ff. Die Ver­ wendung entsprechender Kürzel wie „ff.“ ist in den USA indessen unüblich, sodass es sich insofern um eine deutsche Anpassung handelt, vgl. auch T. Reinbacher, Das Strafrechtssys­ tem der USA. Eine Untersuchung zur Strafgewalt im föderativen Staat, 2010, S.  18, 21. 48 Entscheidungen werden zunächst unter Nennung der beteiligten Parteien zitiert, es folgt die Nummer des Bandes, die Entscheidungssammlung, die Anfangsseite und durch ein Komma getrennt die konkrete Fundstelle sowie in Klammern das Entscheidungsjahr. So bspw. eine der wichtigsten Entscheidungen des U.S. Supreme Courts, von dem die mit An­ stand am häufigsten rezipierten Urteile stammen, Roe v. Wade, 410 U.S.  113, 15 (1973). Ist eine Entscheidung bisher nicht in einer der amtlichen Sammlungen (wie S.Ct. oder L.Ed.) veröffentlicht, wird dies durch einen langen Unterstrich anstelle einer Seitenangabe gekenn­ zeichnet, vgl. Trump. v. International Refugee Assistance Project,582 US __ (2017). – Siehe zum Gewicht der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung in den USA im Vergleich zur juris­

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Zeitschriften veröffentlichten Literaturbeiträge weichen in ihrer Zitierweise von der in den USA üblichen Art ab49, um sie für den deutschen Leser nachvollzieh­ bar und besser auffindbar zu gestalten50. Wenn möglich wird überdies auf die Verortung bestimmter (verfassungs-)rechtlicher Problemschwerpunkte in den Rechtsordnungen hingewiesen, da es bisweilen auffällig sein kann, welches Ge­ wicht eine Rechtsordnung im Vergleich zu einer anderen bestimmten Rechts­ problemen einräumt51.

B. Evolution und Revolution einer Reformdebatte Zentraler Punkt der Reformdebatten der deutschen Gerichtsverwaltung ist die Forderung nach einer sich selbstverwaltenden Richterschaft52. Das forcierte Be­ dürfnis der Justiz nach Selbstverwaltung wird seit den 1950er-Jahren regelmä­ ßig durch verschiedene Kontrapunkte begleitet, die scheinbar konsequent auf das im Fokus stehende Thema zurückleiten53. Inzwischen haben entsprechende Forderungen längst eine politische Dimension erreicht54. Der DRB fordert in seinem Positionspapier vom November 2011 die Herauslösung der Gerichtsver­ waltung aus der Exekutive und einen Justizverwaltungsrat als Selbstverwal­ tungsorgan auf Landesebene55. Auch die NRV sieht die strukturelle und institu­ tischen Sekundärliteratur im ersten Zugriff E.D. Re, St. Thomas Law Review 15 (2002), S.  265 (267 ff.); G. P. Fletcher/S. Sheppard, American Law in a Global Context. The Basics, 2005, S.  8. 49  Anschaulich im Gesamten zu den Zitierkonventionen in Deutschland und den USA Reinbacher, Strafrechtssystem (Fn.  47), S.  17 ff. 50 In der U.S.-amerikanischen Zitierweise wird nach der Nennung des Verfassers die Nummer der Ausgabe der Zeitschrift, dann der verkürzte Name der Zeitschrift, die An­ fangsseite, die konkrete Seite und schließlich das Erscheinungsjahr in Klammern aufgeführt. Abweichend ist die an deutsche Zitierkonvention angepasste Zitierweise folgendermaßen: E.D. Re, St. Thomas Law Review 15 (2002), S.  265 (265 ff.). Sie enthält insbesondere eine ausgeschriebene Form des Zeitschriftentitels. 51  Hinzuweisen sei an dieser Stelle nur auf die treffende Feststellung von S. Baer, ZaöRV 64 (2004), S.  735 (741): „Wissensarchitektur entscheidet über Wahrnehmung und Wertung“. 52  Im ersten Zugriff zu den Selbstverwaltungsmodellen aus einer kritischen Perspektive siehe Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Fn.  7), S.  26 f., 137 ff. 53  Statt vieler hier nur G. Mackenroth/H. Teetzmann, ZRP 2002, S.  337 ff.; siehe einge­ hend Kap.  4 A. IV. III. 54  Siehe zu den Reformprojekten bezüglich der Selbstverwaltung der Gerichte in Schles­ wig-Holstein und Hamburg T. Steffen, KritV 91 (2008), S.  354 ff.; G. Mackenroth, DRiZ 2009, S.  79 (81 ff.); Poseck, Selbstverwaltung (Fn.  16), S.  184; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Fn.  7), S.  26 f. fasst das Politikum der Selbstverwaltungsdebatte anschaulich zusammen; ähnlich auch Minkner, Gerichtsverwaltung (Fn.  7), S.  2 ff. 55  Der „Entwurf für ein Landesgesetz zur Selbstverwaltung der Justiz“ (Landesjustiz­

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tionelle Unabhängigkeit der Judikative als eines ihrer Kernanliegen an56. Man muss es nicht so drastisch formulieren wie van Husen, der den „Weg zur Unab­ hängigkeit der Gerichte […] über die Leiche des Justizministers“ bestreiten wollte57. Dennoch könnte das Selbstverwaltungsmodell der amerikanischen Gerichte unter Umständen für die von den Richterverbänden geforderten Los­ lösung der deutschen Gerichte von der durch die Exekutive gesteuerten Ge­ richtsverwaltung als Modell dienen58. Überdies gibt es – angelehnt an die Modernisierung der Öffentlichen Verwal­ tung im Sinne des Neuen Steuerungsmodells59 – Ideen zur Ökonomisierung des Justizapparats: Auch die Justiz soll eingedenk aktueller Überlastungsdebatten und steigender Erledigungszahlen für den einzelnen Richter bei sinkenden Haushaltsmitteln für die Gerichte60 kostensparender und effizienter geführt werden61. Der Kostendruck, der auf der Justiz lastet, macht ein effektiveres Ar­ selbstverwaltungsgesetz – LJSvG) (Stand: 1. Februar 2010) ist abrufbar unter https://www. drb.de/fileadmin/DRB/pdf/Selbstverwaltung/100325_DRB-Gesetzentwurf_Selbstverwal tung_der_Justiz.pdf (19.3.2020). Vgl. dazu hier nur G. Mackenroth, DRiZ 2009, S.  79 (80). 56  Siehe hierzu den „Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes – Her­ stellung der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz“ (BT-Drs. 17/11701) sowie den „Ent­ wurf eines Gesetzes zur Herstellung der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz“ (BT-Drs. 17/11073) der Fraktion im Bundestag „Die Linke“ vom 28. November 2012. 57  P. v. Husen, AöR 78/N.F. 39 (1952/53), S.  49 (59). 58  Die Autonomie der U.S.-Gerichte wird als mögliches Vorbild für eine Selbstverwaltung der deutschen Gerichte beleuchtet bereits von Fritz, DJZ 1927, Sp.  1589 (1590 f.); siehe zu diesem Problem auch den englischsprachigen Beitrag mit rechtsvergleichenden Ansätzen von A. Seibert-Fohr, Judicial Independence in Germany, in: dies., Independence (Fn.  17), S.  447 (508 ff.). 59  Siehe im ersten Zugriff: S. Dahm, Das Neue Steuerungsmodell auf Bundes- und Län­ derebene sowie die Neuordnung der öffentlichen Finanzkontrolle in der Bundesrepublik Deutschland, 2004. 60  Zum Zusammenhang von finanzieller Ausstattung der Gerichte, Richteralimentation und Erledigungsdruck siehe instruktiv F. Wittreck, Betrifft Justiz 118 (2014), S.  67 (67 ff.). Bereits an dieser Stelle sei zudem erwähnt, dass der Rückgang von Klageeingangszahlen und eine „Prozessebbe“ nicht zwangsläufig auch mit einem sinkenden Arbeitspensum des einzel­ nen Richters einhergeht. Dies liegt u. a. auch an der steigenden Verfahrensdauer insbesonde­ re im zivilgerichtlichen Verfahren, vgl. B. Hirtz, NJW 2014, S.  2529 (2529); R. Greger, Post­ kutsche auf der Autobahn – Ist der Zivilprozess noch zeitgemäß?, in: A. Höland/C. Meller-­ Hannich (Hrsg.), Nichts zu klagen? Der Rückgang der Klageeingangszahlen in der Justiz, 2016, S.  138 (139); zu den Zahlen bis 2019 siehe die Zusammenstellung zur Geschäftsent­ wicklung bei Gerichten und Staatsanwaltschaften des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz, abrufbar unter https://www.bundesjustizamt.de/DE/SharedDocs/Publi kationen/Justizstatistik/Geschaeftsentwicklung_Gerichte_Staatsanwaltschaften.pdf?__blob =publicationFile&v=13 (zuletzt abgerufen am 19.3.2020). 61  Siehe zur Ökonomisierungswelle in der Justiz Schütz, Richter (Fn.  9), S.  329 ff.; Wittreck, Verwaltung (Fn.  9), S.  24 ff.; explizit zu einem „Gerichtsmanagement“ den Bericht

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Einleitung

beiten unverzichtbar62. Fraglich ist jedoch, ob ein an Kosten- und Leistungs­ rechnung angelehntes Controlling in der Justiz gangbar wäre. Controlling ist in anderen Organisationen, die den Gerichten zumindest ähnlich sind63, verbreitet. So in Krankenhäusern, in denen sich ein operatives Controlling bereits flächen­ deckend durchgesetzt hat, um den steigenden Ausgaben im Gesundheitswesen zu begegnen64. Die Übertragung wirtschaftlicher Verantwortung für Leistungs­ prozesse könnte auch für Gerichte ein gangbares Konzept zur Problemlösung sein65. Insofern hat die Verwaltung der amerikanischen Gerichte unter Zugrun­ delegung des Management-Gedankens, der sich in den USA seit der Mitte des 20.  Jahrhunderts durchgesetzt hat66, möglicherweise eine gewisse Modellfunk­ tion für ein adäquates Gerichtsmanagement67. Beim Court Management handelt es sich um einen in den USA inzwischen nahezu flächendeckend professionali­ sierten Berufszweig der Gerichtsverwaltung, der unter den Gesichtspunkten von Effizienz und Produktivität sowie nach neueren Entwicklungen im Hinblick auf Qualitätssicherung zu entscheidender Bedeutung gelangt ist68. Die Diskus­ sion zu Management-Modellen wurde vor allem seit der Jahrtausendwende zum Teil heftig geführt69, ohne dass dabei ansatzweise ein Managementmodell ent­ standen ist70. der Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg vom 15.5.1997, Projekt „Justiz 2000“ – Ziele und Stand des Projekts, in: W. Hoffmann-Riem (Hrsg.), Reform der Justizverwaltung. Ein Beitrag zum modernen Rechtsstaat, Baden-Baden 1998, S.  37 (104 ff.); siehe weiterhin K. Weber-Hassemer, Professionelles Justizmanagement: Voraussetzung für eine dezentrale Aufgaben- und Ressourcensteuerung, ebda., S.  149 ff. – Im Detail zur den Paradigmen des NSM im Zusammenhang mit Reformen in der Justiz siehe Kap.  4 A. IV. 3. 62  Vgl. im Hinblick auf den notwendigen Technologiefortschritt in der Justiz B. Klasen/ B. Spaniol, DRiZ 2016, S.  96 f. 63  Röhl, Gerichtsverwaltung (Fn.  18), S.  13 ff.; R. Pitschas, DÖV 1998, S.  907 (913 ff.). 64  D. Adam, Krankenhausmanagement im Wandel, in: J. Hentze/B. Huch/E. Kehres (Hrsg.), Krankenhaus-Controlling, 3.  Aufl. 2005, S.  53 (53 ff.). 65  Siehe zum Operativen Controlling als Managementkonzept für Krankenhäuser B. Huch/­ I. Lenz, Operatives Controlling im Krankenhaus, in: Hentze/Huch/Kehres, Controlling (Fn.  64), S.  69 (69 ff.). 66  H. Lawson/D. Howard, The Justice System Journal 15 (1991), S.  580 ff.; Röhl, Gerichts­ verwaltung (Fn.  18), S.  63 ff. 67  Mit dieser Frage beschäftigen sich K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 ff.; ders., Gerichtsverwaltung (Fn.  18); ders., DRiZ 1998, S.  241 ff.; W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1997, S.  290 ff.; H. Leeb, DRiZ 1997, S.  287 ff.; T. Groß, Die Verwaltung 34 (2001), S.  371 (378 f.). Siehe für eine detaillierte Untersuchung der Modellfunktion m. w. N. unten Kap.  5 B. 68  Siehe aus der deutschen Rezeptionsliteratur hier nur Röhl, Gerichtsverwaltung (Fn.  18), S.  63 ff., 95 ff. – Siehe eingehend zu den Ursprüngen des Court Managements in den USA Kap.  2 A. II. 3. sowie zu den Aufgabenfeldern eines Court Managers Kap.  1 B. II. 2. b) bb). 69  Siehe dazu das Buch von Hoffmann-Riem, Modernisierung (Fn.  7). 70  Lienhard/Kettiger, Einleitung (Fn.  11), S.  2.

B. Evolution und Revolution einer Reformdebatte

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Die Qualitätssicherung der deutschen Rechtsprechung durch ein flächen­ deckendes Qualitätsmanagement war zumindest zeitweise seit der Jahrtausend­ wende ein leitender Aspekt im Rahmen der Reformdiskussionen der Gerichts­ verwaltung71. Programme zur rein quantitativen Datenerhebung machen die Erledigungszahlen einzelner Richter und ganzer Gerichte inzwischen vergleich­ bar72. Qualitative Paradigmen zur Ermittlung von Rechtsprechungsqualität ha­ ben sich indessen mangels Definierbarkeit dessen, was als qualitativ hochwerti­ ge Rechtsprechung zu gelten hat, nicht durchgesetzt73. Insbesondere von Seiten der Richter ist die Qualitätsdiskussion in Ansehung ihrer richterlichen Unab­ hängigkeit i. S. d. Art.  97 GG scharfer Kritik ausgesetzt74. Der Umgang der U.S.-amerikanischen Justiz mit verbreitet durchgeführten Judicial Performance Evaluations muss daher vor dem Hintergrund des Verständnisses der richter­ lichen Unabhängigkeit in den USA untersucht werden75. Neben der richterlichen Unabhängigkeit steht das deutsche Verfassungsprin­ zip der Garantie des gesetzlichen Richters im Fokus der folgenden Untersu­ chung76, da sich die Geschäftsverteilung als Angriffsfläche für ein ökonomisier­ tes Gerichtsmanagement anbietet. Unter Zweckmäßigkeits- und Effektivitäts­ gesichtspunkten ist das bestehende System der Geschäftsverteilung durch die Präsidien ausbaufähig. Um Belastungen flexibel auszugleichen, könnte das U.S.-­­amerikanische Caseflow Management als Inspiration fungieren77. Bisher scheitern entsprechende Flexibilisierungsversuche jedoch an einem recht alt­

71  Dies zeigt unter anderem die Fülle der in diesem Zeitraum erschienenen Beiträge zum Thema Qualität in der Justiz, vgl. hier nur G. Mackenroth, DRiZ 2000, S.  301 ff.; T. Schulte-­ Kellinghaus, Betrifft Justiz 84 (2005), S.  198 ff.; H. Addicks, Betrifft Justiz 87 (2006), S.  363 ff. 72  Siehe zum flächendeckend verwendeten Programm PEBB§Y L. Sprickmann Kerkerinck, DRiZ 2015, S.  242 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Fn.  7), S.  212 f. 73  Instruktiv zur Definitionsproblematik der Rechtsprechungsqualität H. Sodan, DÖV 2005, S.  764 ff.; Schütz, Richter (Fn.  9), S.  380 ff.; S. Fleck, NJW 2007, S.  1427 ff.; E. Alt, Be­ trifft Justiz 97 (2009), S.  28 ff.; Taal u. a., Prozesse (Fn.  17), S.  77 ff. 74  Siehe mit Kritik an der Messbarkeit von Qualität in der Justiz nur DRB (Hrsg.), Thesen­ papier zur Qualität der Arbeit in Gerichten und Staatsanwaltschaften, 2014, S.  5 (abrufbar unter http://docplayer.org/43891585-Thesenpapier-zur-qualitaet-der-arbeit-in-gerichten-­u ndstaatsanwaltschaften.html, 19.3.2020); zusammenfassend auch Schütz, Richter (Fn.  9), S.  38 ff.; Taal u. a., Prozesse (Fn.  17), S.  77 ff. 75  Siehe hier nur zum Charakter der richterlichen Unabhängigkeit U.S.-amerikanischer Richter R. R. Wheeler, Judicial Independence in the United States of America, in: Seibert-­ Fohr, Independence (Fn.  17), S.  521 (521). 76  Siehe zur Garantie des gesetzlichen Richters eingehend Kap.  2 C. IV. 77  Siehe zum Caseflow Management als „Kernstück des Court Managements“ K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (243).

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Einleitung

modischen Verständnis des gesetzlichen Richters i. S. d. Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG78. Nachdem zwischenzeitlich die R-Besoldung der Richter für einen gewissen Aufruhr und verfassungsrechtliche Klärung sorgte79, ist die jüngste Ausgeburt der Modernisierungswelle des Justizwesens die – aus richterlicher Perspektive abermals kritisch beäugte80 – Einführung elektronischer Justizkommunikation sowie der elektronischen Akte81. Unter Berufung auf die richterliche Unabhän­ gigkeit werden auch insofern erhebliche Bedenken geäußert. Kontradiktorisch werden Selbstverwaltungsbestrebungen als scheinbarer Kompromiss in Reform­ diskussionen angeboten82. Das ständige Rekurrieren auf die Selbstverwaltungs­ debatte durch die Richterschaft droht zumindest Reformdebatten anderer Art bisweilen zu verschleiern, was zu einer Bedrohung von Modernisierungsmaß­ nahmen führen könnte.

C. Gang der Untersuchung Teil eines Rechtsvergleichs ist zwar nach abgeschlossener Vornahmen sog. Län­ derberichte nicht notwendigerweise, jedoch sinnvollerweise auch eine Be­ wertung der vorgefundenen rechtlichen Modelle83. Grundlage der folgenden Untersuchung sind umfassende Länderberichte zu deutschen sowie zur U.S.-­ amerikanischen Gerichtsverwaltung, die jeweils anhand der verschiedenen 78 

K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (244, 248 f.); ähnlich Wittreck, Verwaltung (Fn.  9), S.  636; C. D. Classen, Demokratische Legitimation im offenen Rechtsstaat, 2009, S.  52. 79  Vgl. aus der Rezeptionsliteratur zu BVerfG NJW 2015, S.  1935 ff. hier nur T. Hebeler, JA 2015, S.  718 (719 f.) sowie F. Hufen, JuS 2016, S.  90 (91 f.). 80  Siehe beispielhaft mit leider teils etwas überzogener Kritik G. Gundlach, DRiZ 2015, S.  96 (99 ff.). 81  Einen guten Überblick zur Entwicklung des sog. eJustice-Gesetzes, das zum 1.1.2018 in Kraft getreten ist, verschafft H. Müller, JuS 2015, S.  609 ff.; ders., JuS 2018, S.  1193 ff. Für einem knappen Überblick über die Modernisierungsmaßnahmen in der Jutiz siehe E. Natter, NZA 2018, S.  473 (476 f.). N. Fischer, ZAP 2019, S.  147 ff. prägte in der jüngsten Vergangen­ heit in diesem Zusammenhang den Begriff der „Elektronifizierung“; G. Starosta, DÖV 2020, S.  216 ff. konstatiert, man befinde sich auf dem „Weg zum elektronischen Richterarbeitsplatz“ und legt die Probleme der richterlichen Unabhängigkeit im Zeitalter der Digitalisierung an­ schaulich dar. 82  Vgl. bspw. U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (324 f.); zur Diskussion um die Implementierung des NSM J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 (460 f.), der die Modernisierer denklogisch als „Traditionalisten“ bezeichnet, da diese auf die Beibehaltung der exekutiven Steuerung beharren. 83  So auch A. Tschentscher, JZ 2007, S.  807 (812); siehe zu dieser Vorgehensweise auch Kischel, Rechtsvergleichung (Fn.  23), §  1 Rn.  3 ff., §  3 Rn.  97 ff.

C. Gang der Untersuchung

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Themenkomplexe dargestellt werden. Es erfolgt zunächst eine begriffliche Ein­ ordnung der Gerichtsverwaltung bzw. der Court Administration (Erster Teil), bevor insbesondere die historischen, verfassungsrechtlichen, normativen und internationalen Grundlagen und Vorgaben für die Gerichtsverwaltung beider Rechtsordnungen analysiert wird (Zweiter Teil). Die Darstellung der Gerichts­ strukturen in Deutschland und den USA (Dritter Teil) dient als unmittelbarer Anknüpfungspunkt für die präzise Bearbeitung der Organe sowie der Aufgaben der Gerichtsverwaltung (Vierter Teil). Abschließend werden insbesondere die gesammelten Erkenntnisse zu den Gerichtsverwaltungsstrukturen in den USA bewertet und analysiert sowie auf ihre Übertragbarkeit auf das deutsche Ge­ richtsverwaltungsmodell überprüft (Fünfter Teil). Es erfolgt abschließend eine Zusammenfassung in Thesenform (Sechster Teil).

Erster Teil

Überblick und Begriffsbestimmungen Zentrale Begriffe dieser Untersuchung sind die Gerichtsverwaltung in Deutsch­ land und das U.S.-amerikanische Äquivalent der Court Administration. Die Ge­ richtsverwaltung ist in Deutschland kein ausgeprägtes Forschungsfeld; gleich­ wohl gibt es inzwischen einige nennenswerte Untersuchungen1. In den USA ist die Gerichtsverwaltung als eigener Gegenstand der Forschung vor dem Hinter­ grund der Court Administration und der Entwicklung modernen Court Manage­ ments vor allem spätestens seit den 1980er Jahren ausgeprägt, während die ju­ ristische Rezeption in der jüngeren Vergangenheit eher abebbte2. Ihre Berück­ sichtigung in der deutschen Rechtsliteratur fällt bisher dagegen eher spärlich 1  Zu

nennen ist hier zunächst die umfangreiche Habilitationsschrift von Wittreck, Ver­ waltung (Einl., Fn.  9). Aus rechtsvergleichender Perspektive sind die Darstellungen von Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7) und Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7) sowie v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17) hervorzuheben. Siehe weiterhin A. Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter. Zur Integration der Dritten Gewalt in das verfassungsrecht­ liche Kontrollsystem vor dem Hintergrund des Art.  19 Abs.  4, 1993; M. Reinhardt, Konsis­ tente Jurisdiktion. Grundlegung einer verfassungsrechtlichen Theorie der rechtsgestaltenden Rechtsprechung, 1997; Böckenförde, Richterwahl (Einl., Fn.  7); D. Ehlers, Verfassungsrecht­ liche Fragen der Richterwahl, 1998; C. v. Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005; Schütz, Richter (Einl., Fn.  9); A. Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, 2006; D. Remus, Präsidialverfassung und gesetzlicher Richter, 2008; C. Fischer, Disziplinarrecht und Richteramt, 2012; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7); D. Zeller, Maßnahmen der Gerichtsverwaltung – Gefährdungen für die richterliche Unabhängigkeit?, 2014. Insbesondere zur richterlichen Unabhängigkeit ist der Literaturbestand dichter, so bspw. in englischer Sprache Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  447 ff. 2  Ein ähnlicher Befund findet sich bei M. Fabri, Selected Issues of Judicial Administra­ tion in a Comparative Perspective, in: M. Fabri/P. M. Langbroek (Hrsg.), The Challenge of Change for European Judicial Systems. Developing a Public Administration Perspective, 2000, S.  187 (189 f.). Siehe aus der seit 2000 erschienenen Literatur hervorstechend die Bei­ träge von H. J. Abraham, The Pillars and Politics of Judicial Independence in the United States, in: P. H. Russell/D. M. O’Brien (Hrsg.), Judicial Independence in the Age of De­ mocracy. Critical Perspectives from around the World, 2001, S.  25 ff.; A. B. Aikman, The Art and Practice of Court Administration, 2007; M. Tushnet, Judicial Selection, Removal and Discipline in the US, in: H. P. Lee (Hrsg.), Judiciaries in Comparative Perspective, 2011, S.  134 ff.; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  521; D. W. Neubauer/S. S. Meinhold, Judi­ cial Process. Law, Courts, and Politics in the United States, 7.  Aufl. 2017, S.  70 ff., 150 ff.

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

aus3. Ausgangspunkt des Rechtsvergleichs aus terminologischer Perspektive ist die deutsche Gerichtsverwaltung (A.), die als Grundlage für die Begutachtung des U.S.-amerikanischen Äquivalents der Court Administration und der Beson­ derheit des Court Managements dient (B.). Im Fokus steht die terminologische und strukturelle Ausgestaltung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Institute (C.).

A. Begriffliche Einordnung der Gerichtsverwaltung in Deutschland Die Gerichtsverwaltung als internes Justizmanagement ist der zentrale Begriff dieser Arbeit. Es handelt sich hierbei in der deutschen Rechtsordnung um Exeku­ tivaufgaben, welche nicht der rechtsprechenden Tätigkeit als solcher zugeordnet werden, jedoch über einen wesentlichen Anteil richterlicher Weisungs­tätigkeit verfügen4. Die Gerichtsverwaltung bewegt sich – nicht nur aus terminologischer Perspektive –in einem Grenzbereich zwischen Verwaltung und Recht­sprechung (II.), deren begriffliche Abgrenzung bereits eine erste Hürde ist (I.). I. Die Begriffe Verwaltung und Rechtsprechung Unter der Prämisse des grundsätzlichen Gebots der Trennung von Rechtspre­ chung und Verwaltung5, welches durch Art.  92 i. V. m. Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG verfassungsrechtlich verankert ist und einfach-gesetzliche Konkretisierungen in §  4 DRiG sowie §§  1, 39 VwGO findet, sind Rechtsprechungstätigkeit und

3  Ein etwas älterer Jahrgang, wenngleich überwiegend nach wie vor aktuell ist der Beitrag von Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18) sowie ders., Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 ff. Siehe weiterhin P. J. Glauben, DRiZ 1991, S.  260 ff.; informativ ist auch der Beitrag von Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  617 ff. sowie im Hinblick auf den Bereich der Personal­ verwaltung Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7). 4  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  16; E. Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 4.  Aufl. 2007, Rn.  250; M. Jacobs in: F. Stein/M. Jonas (Hrsg.), ZPO-Kommentar, Bd.  10, 22.  Aufl.ge 2011, §  1 GVG Rn.  8; W. Zimmermann in: W. Krüger/T. Rauscher (Hrsg.), MüKo ZPO, Bd.  III, 5.  Aufl. 2017, §  1 GVG Rn.  7; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  15; O. Kissel/H. Mayer, GVG, 9.  Aufl. 2018, §  12 Rn.  85. Siehe im Detail zur Aufteilung der Aufgaben der Gerichtsverwaltung Kap.  4 A. II. 2. 5  Siehe BVerfGE 10, 200 (216), in der das Bundesverfassungsgericht die strengen Anfor­ derungen an die Trennung von Justiz und Verwaltung bekräftigt; vgl. aus der umfangreichen Kommentar-Literatur C. Hillgruber, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art.  92 (2007), Rn.  21; Jarass/Pieroth, GG (Einl., Fn.  6), Art.  92 Rn.  11; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  42.

A. Begriffliche Einordnung der Gerichtsverwaltung in Deutschland

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exekutive Verwaltungstätigkeit voneinander abzugrenzen6. Während das Ab­ grenzungsproblem beider Gewalten früher schlechterdings als unlösbar galt7, gibt es heute zahlreiche Definitionsansätze für beide Funktionen – Rechtspre­ chung (1.) und Verwaltung (2.) – sowie für den Versuch einer trennscharfen Abgrenzung (3.). 1. Rechtsprechung Art.  92 GG steht zu Beginn des IX. Abschnittes des Grundgesetzes über die Rechtsprechung und besagt im 1. HS, dass „die rechtsprechende Gewalt […] den Richtern anvertraut“ ist. Insofern greift Art.  92 GG inhaltlich die in Art.  1 Abs.  3, Art.  20 Abs.  2 S.  2, Abs.  3 und Art.  20a GG angelegte Gewaltenteilung auf und gilt damit nicht nur als „Grundnorm der rechtsprechenden Gewalt“8, sondern auch als eine grundgesetzliche Ausgestaltung des Funktionentren­ nungsgrundsatzes9. Im Gegensatz zur Ausgestaltung von Gesetzgebung und Verwaltung sind Tätigkeit und Organe der Rechtsprechung zusammen in einem einzigen Abschnitt geregelt. Überdies findet keine Aufteilung der Sachbereiche zwischen Bund und Ländern statt10. Die Gewaltenteilung ist mithin bezüglich der Judikative strenger als bei Exekutive und Legislative durchgesetzt11. Terminologisch hält das Grundgesetz trotz seiner zahlreichen begrifflich un­ terschiedlichen Anknüpfungen12 für die Rechtsprechung keine konkrete Defini­ 6 

Siehe aus verfassungsrechtlicher Perspektive hierzu insbesondere unten Kap.  2 C. II. 1. H. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, 1925, S.  260; ders., Justiz und Verwaltung, 1929, S.  6 f.; A. Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1927, S.  21, 31. 8  Siehe im ersten Zugriff P. Badura, Staatsrecht. Systematische Erläuterung des Grund­ gesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, 7.  Aufl. 2018, S.  794 ff. 9  N. Achterberg, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), BK-GG, Art.  92 (1981), Rn.  54, 57 ff.; H. A. Wolff, in: D. C. Umbach/T. Clemens (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd.  II, 2002, Art.  92 Rn.  4; Hillgruber (Fn.  5), Art.  92 Rn.  13; W. Meyer, in: I. v. Münch/P. Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd.  II, 6.  Aufl. 2012, Art.  92 Rn.  4. 10 Vgl. D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S.  200; Reinhardt, Jurisdiktion (Fn.  1), S.  216; Wolff (Fn.  9), Art.  92 Rn.  5; C. D. Classen, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/C. Starck (Hrsg.), Das Bonner GG, Bd.  III, 7.  Aufl. 2018, Art.  92 Rn.  5. 11  BVerfGE 10, 200 (216); 7, 183 (188); K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd.  II, 1980, S.  893; Wolff (Fn.  9), Art.  92 Rn.  5; D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  38; A. Hopfauf, in: B. Schmidt-Bleibtreu/H. Hofmann/H.-G. Henneke (Hrsg.), GG-Kom­ mentar, 14.  Aufl. 2017, Vorb. v. Art.  92 Rn.  6 f. – Meyer (Fn.  9), Art.  92 Rn.  7 weist u. a. darauf hin, dass dieses System allerdings im Hinblick auf Art.  10 Abs.  2 S.  2 GG ein wenig inkon­ sistent zu sein scheint. 12  Art.  20 Abs.  2 S.  2 , Abs.  3 und Art.  1 Abs.  3 GG ordnen die Rechtsprechung in die Tri­ nität der Gewaltenteilung als dritte Gewalt ein und sprechen hier ebenso wie der IX. Ab­ schnitt des Grundgesetzes von „Rechtsprechung“, wohingegen Art.  92 die „rechtsprechende Gewalt“ benennt. 7 

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

tion bereit. In Rechtsprechung und Literatur finden sich dementsprechend zahl­ reiche Definitionsansätze, die versuchen, Inhalt und Abgrenzung der recht­ sprechenden Gewalt näher zu umreißen13. Es hat sich dennoch kein Ansatz vollständig durchsetzen können14. Gemeinhin wird unter Rechtsprechung jegli­ che staatliche Tätigkeit gefasst, die zur verbindlichen Entscheidung von Rechts­ streitigkeiten in einem rechtlich geregelten Verfahren in Anwendung des gelten­ den Rechts durch unbeteiligte Rechtspflegeorgane, namentlich Gerichte, dient15. Um dem Ursprung einer solchen Definition der rechtsprechenden Gewalt weiter auf den Grund zu gehen, bieten sich verschiedene Perspektiven der Un­ tersuchung an. Wenig Aufschluss gibt letztlich die Begutachtung der rechts­ historischen Entwicklung der Rechtsprechung16. Neben den im Wesentlichen zu unterscheidenden formellen (a.) und materiellen (b.) Versuchen zur Begriffs­ bestimmung17, wird auch ein funktionaler Definitionsansatz (c.) vertreten. Trotz 13 

Siehe zum Begriff der Rechtsprechung im Überblick: BVerfGE 22, 49 (73); 64, 175 (179); 103, 111 (137). Bereits mit einem historischen Zugriff auf die Begrifflichkeiten der „Rechtsprechung“, „rechtsprechenden Gewalt“ sowie „Dritten Gewalt“: D. Brüggemann, Die rechtsprechende Gewalt. Wegmarken des Rechtsstaats in Deutschland. Eine Einführung, 1962, S.  1 ff.; P. Kirchhof, Der Auftrag des Grundgesetzes an die rechtsprechende Gewalt, in: Hochschullehrer der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg (Hrsg.), FS Juristische Fakultät Heidelberg, 1986, S.  11 ff.; Wolff (Fn.  9), Art.  92 Rn.  4 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  5 ff.; D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  56 ff.; Hillgruber (Fn.  5), Art.  92 Rn.  18 ff.; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  25 ff.; J. Singer, Rechtsklarheit und Dritte Gewalt. Zur Vorhersehbarkeit arbeitsteiliger Rechtserzeugung am Beispiel des Rechtsmittelrechts, 2010, S.  119 ff. zum Verhältnis zwischen Rechtsprechung und Rechtserzeugung; Meyer (Fn.  9), Art.  92 Rn.  15 ff.; Jarass/Pieroth (Fn.  5), Art.  92 Rn.  2. Eine besonders ausführliche Auswertung der Vielfalt der in der Literatur zu findenden Deutungen des (materiellen) Recht­ sprechungsbegriffes bietet N. Achterberg, Der Begriff „Rechtsprechung im materiellen Sin­ ne“, in: H.-U. Erichsen/W. Hoppe/A. v. Mutius (Hrsg.), FS Christian-Friedrich Menger, 1985, S.  125 (130 ff.). Auch durch die Verfassungsrechtsprechung ist der Begriff nicht abschließend geklärt, vgl. BVerfGE 103, 111 (136 ff.). 14  Siehe hier im Überblick nur Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  5 ff. 15  Vgl. BVerfGE 103, 111 (136 ff.); K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts des Bundes­ republik Deutschland, 20.  Aufl. 1995, Rn.  548 f.; Stern, Staatsrecht II (Fn.  11), S.  898; E. Schmidt-­ Aßmann, HStR³ II, §  26 Rn.  52; Sodan/Ziekow, Grundkurs (Einl., Fn.  4), §  19 Rn.  3. 16  Zum ideengeschichtlichen Hintergrund der Judikative als eigenständige Gewalt siehe ausführlich Achterberg (Fn.  9), Art.  92 Rn.  64; Hillgruber (Fn.  5), Art.  92 Rn.  22 ff., 28 f. 17  Zum früher vorherrschenden dualistischen Gesetzesbegriff in der Funktionenlehre mit Bezug zur Dichotomie des Rechtsprechungsbegriffes siehe Achterberg, Begriff (Fn.  13), S.  125 m. w. N.; R. Thoma, Grundbegriffe und Grundsätze, in: G. Anschütz/ders. (Hrsg.), ­HdbDSt, Bd.  2, 1932, §  71 S.  127 ff. sowie ders., Der Vorbehalt der Legislative und das Prin­ zip der Gesetzmäßigkeit von Verwaltung und Rechtsprechung, ebda., §  76 S.  221 ff. Der Ver­ such Achterbergs, eine eigene Rechtsprechungslehre zu etablieren, war nicht von Erfolg ge­ krönt, zeigt sich allerdings u. a. in folgendem Beitrag: N. Achterberg, DVBl. 1984, S.  1093 (1093 f., 1095 ff.).

A. Begriffliche Einordnung der Gerichtsverwaltung in Deutschland

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dieser zahlreichen Ansätze, existiert keine einhellige Definition, sodass man sich schließlich mit der Umschreibung der Kernbereiche der Judikative (d.) be­ helfen kann. a) Formeller Rechtsprechungsbegriff Nach dem formellen Rechtsprechungsbegriff wird all’ das als Rechtsprechung eingeordnet, was in einer gesetzlichen Regelung als richterliche oder gericht­ liche Entscheidung vorgesehen ist18. Nach der formalen Aufgabenbestimmung handelt es sich also bei der Rechtsprechung um die Summe der dem Richter gesetzlich oder verfassungsrechtlich zugewiesenen Tätigkeiten, ohne Rücksicht auf den Inhalt der Aufgaben19. Nach diesem Verständnis der Rechtsprechung obliegen den Richtern neben der Wahrnehmung der originären Rechtsprechungs­ funktion auch Verwaltungsaufgaben. Insbesondere unterfallen der Rechtspre­ chung im formellen Sinne auch Aufgaben der Rechtsprechungsverwaltung, wel­ che den Richtern in autonomer Selbstverwaltung zugewiesen sind 20. Während in der Weimarer Reichsverfassung noch die Idee vorherrschte, die rechtspre­ chende Gewalt sei als die Summe der den Spruchgerichten einfachrechtlich zu­ gewiesenen Funktionen auszulegen 21, wird diese rein formelle Betrachtungs­ weise heute einhellig und zurecht abgelehnt. Im Ergebnis würde nämlich ein solch ausschließlich formales Verständnis dazu führen, dass nicht mehr die Ver­ fassung selbst, sondern rangniedrigeres einfaches Recht die Aufgaben der Justiz definieren würde. Letztlich würde Art.  92 GG damit einem einfachen Gesetzes­ vorbehalt unterliegen, durch den der Gesetzgeber über den Umfang der recht­ sprechenden Gewalt disponieren könnte22.

18 

Meyer (Fn.  9), Art.  92 Rn.  16; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  10. Siehe BVerfGE 8, 207; vgl. auch H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober/W. Kluth, Verwal­ tungsrecht. Ein Studienbuch, Bd.  I, 13.  Aufl. 2017, §  20 Rn.  43. 20  Vgl. BVerfGE 64, 179; K.-A. Bettermann, HStR1 III, §  73 Rn.  7 ff., 47 f.; H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2588); zu den Reformvorschlägen im Zusammenhanghang mit einer sich selbst verwaltenden Justiz siehe H. Mertin, ZRP 2002, S.  332 ff. sowie in Bezugnahme auf den Beitrag von Mertin auch G. Mackenroth/H. Teetzmann, Mehr Selbstverwaltung der Jus­ tiz. Markenzeichen zukunftsfähiger Rechtsstaaten, in: ZRP 2002, S.  337 ff. 21  Vgl. RGZ 107, 320 (323 f.). 22  BVerfGE 22, 49 (74 f.); Voßkuhle, Rechtsschutz (Fn.  1), S.  70 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  6; D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  57; Classen (Fn.  10), Art.  92 Rn.  6; A. Hopf­ auf, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG (Fn.  11), Art.  92 Rn.  9; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  33; Hillgruber hingegen verwendet den Begriff „formell“ in einem anderen Sinnzusammenhang und verfremdet damit das vom Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 103, 111 (137) sowie in E 22, 49 (74 ff.) zugrunde gelegte Verständnis von der Rechtsprechung im materiellen Sinne (Hillgruber [Fn.  5], Art.  92 Rn.  32). 19 

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

b) Materieller Rechtsprechungsbegriff In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird der Begriff der Rechtsprechung in materieller Hinsicht ausgehend von der konkreten sachli­ chen Tätigkeit bestimmt23. Es wird überwiegend auf eine Vielzahl von Kriterien abgestellt, die für das Arbeitsfeld der Rechtsprechung als konstituierend gelten sollen 24. Diese Kriterien haben sich entweder aus der Aufgabenzuweisung des Grundgesetzes an die Gerichte zu ergeben 25 oder beruhen auf einem „vorverfas­ sungsrechtlichen Wesenskern“26, namentlich der letztverbindlichen Entschei­ dung durch eine unabhängige dritte Person, die neutral agiert und dabei an gel­ tendes Recht gebunden ist27. In der Literatur haben diese zwei Kompetenzkom­ plexe weitgehend Zustimmung gefunden 28. c) Funktionaler Definitionsansatz Ergänzt wird diese begriffliche Annäherung häufig durch ein funktionales Ele­ ment, das die Definition zu einem materiell-funktionellen Rechtsprechungs­ begriff verdichtet. Im Prinzip bleibt es bei einer materiellen Betrachtung der 23 

BVerfGE 22, 49 (73 ff.); 103, 111 (137). Siehe hierzu nur Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  6; von „Fallgruppen“ spricht in diesem Zusammenhang G. Morgenthaler, in: V. Epping/C. Hillgruber (Hrsg.), GG-Kommen­ tar, 2.  Aufl. 2013, Art.  92 Rn.  6. 25  Deklaratorische Bedeutung von Art.  92 GG: Hier sind insbesondere die verschiedenen Rechtsweggarantien bzw. Rechtswegzuweisungen sowie die verfassungsrechtlichen Richter­ vorbehalte zu nennen. Art.  92 GG gewinnt insofern als Organisationsnorm Bedeutung, vgl. BVerfGE 22, 49 (76 f.); aus der Literatur hierzu D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  81 ff.; Meyer (Fn.  9), Art.  92 Rn.  14; Morgenthaler (Fn.  24), Art.  92 Rn.  7 ff.; Jarass/Pieroth (Fn.  5), Art.  92 Rn.  2; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  26, 30. Teilweise wird die Fallgruppe der Rechtswegzuweisungen als Kern des materiellen Rechtsprechungsbegriffs angesehen, wäh­ rend die konkreten Richtervorbehalte eine neuere Entwicklung verkörperten (siehe hierzu Wolff [Fn.  9], Art.  92 Rn.  13 ff.). 26 So U. Hochschild, Gewaltenteilung als Verfassungsprinzip, 2010, S.  35; ähnlich auch L. C. Faissner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  46. 27  Konstitutive Bedeutung von Art.  92 GG: Zu dieser „traditionellen Qualifizierung“ zäh­ len Bereiche, die bei Erlass des Grundgesetzes allgemein als Aufgabenbereich der Rechtspre­ chung anerkannt waren. Hierzu gehören die bürgerliche Rechtspflege sowie die Strafrechts­ pflege. Vgl. BVerfGE 22, 29 (73 ff., 77 f.); 14, 56 (66); 4, 74 (92 f.); siehe ferner Voßkuhle, Rechtsschutz (Fn.  1), S.  65 ff., 84; Wolff (Fn.  9), Art.  92 Rn.  28 f.; Morgenthaler (Fn.  24), Art.  92 Rn.  7 ff.; S. Detterbeck, in: Sachs, GG (Einl., Fn.  6), Art.  92 Rn.  9; Jarass/Pieroth (Fn.  5), Art.  92 Rn.  3; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  33. 28 So Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  7. Vor allem Bettermann widmete sich ausge­ prägt dem Rechtsprechungsbegriff und entwickelte eine ähnliche Definition, deren Fokus ganz maßgeblich auf der Neutralität des rechtsprechenden Funktionsorgans liegt, vgl. K. A. Bettermann, HStR1 III, §  73 Rn.  33 f.; aufgegriffen von D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  59 ff. 24 

A. Begriffliche Einordnung der Gerichtsverwaltung in Deutschland

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Rechtsprechung, jedoch werden unter die rechtsprechende Gewalt i. S. d. Art.  92 GG auch solche Sachbereiche gefasst, die aus funktioneller Perspektive auf­ grund ihrer Ausgestaltung nur der Rechtsprechung unterfallen können 29. Unter diesen Begriff sind auch solche Tätigkeitsfelder zu fassen, „für die der Gesetz­ geber in funktioneller Hinsicht ein gerichtsförmiges Verfahren mit hoheitlicher Streitbeilegung und Letztverbindlichkeitskompetenz vorgesehen hat“30. Die verschiedenen Teilelemente verdichten sich zu einer Beschreibung des materiel­ len Rechtsprechungsbegriffs31. Dieser definiert die Rechtsprechung als die in besonders geregelten Entscheidungsverfahren zu letztverbindlicher (und rechts­ kräftiger) Entscheidung führende rechtliche Beurteilung von konkreten Sach­ verhalten in Anwendung des geltenden Rechts durch den Richter als ein unab­ hängiges und am Ausgangskonflikt unbeteiligtes (neutrales) Staatsorgan32. d) Kernbereiche der Judikative Zu den traditionellen Kernbereichen der Rechtsprechung zählen die Entschei­ dung über bürgerliche Rechtsstreitigkeiten sowie die Strafgerichtsbarkeit. Sie können der Rechtsprechung nicht durch Gesetz entzogen werden33. Die Zuord­ nung zur rechtsprechenden Gewalt wird teilweise nicht nur für den eigentlichen Entscheidungsvorgang vorgenommen, sondern auch für Handlungen des Rich­ ters, die dieser im Vorfeld der gerichtlichen Entscheidung tätigt und die im un­ mittelbaren Zusammenhang mit der Rechtsfindung stehen34. Hierzu zählen bei­ spielsweise die Entscheidungen über die Sitzungsterminierung, die Ladung von 29 

BVerfGE 103, 111 (137); D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  75. Hopfauf (Fn.  22), Art.  92 Rn.  8, 20; so auch BVerfGE 103, 111 (136 ff.); Schilken, Ge­ richtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  52; Detterbeck (Fn.  27), Art.  92 Rn.  21a f.; Schulze-­ Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  29; ablehnend und mit einer kritisch fundierten Betrach­ tungsweise D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  75 ff.: „Diese Kombinationslehre […] ist mit der Deutung dieser Vorschrift als eines Rechtsprechungsmonopols kaum verträglich.“ (Zitat Rn.  75). Kritisch zum funktionellen Rechtsprechungsbegriff auch G. Hermes, JZ 2001, S.  873 (875 f.); W. Schmidt, JuS 2001, S.  545 (547). 31  Im ersten Zugriff hierzu E. Friesenhahn, Über Begriff und Arten der Rechtsprechung, in: FS Richard Thoma, 1950, S.  21 ff.; Achterberg, Begriff (Fn.  13), S.  125 ff. 32  Stern, Staatsrecht II (Fn.  11), S.  898; anschaulich Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  7 sowie Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  33; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwal­ tungsrecht (Fn.  19), §  20 Rn.  40. 33  Laut BHGSt 47, 105 (110) „gebietet es das Interesse an einer wirksamen Gewährleis­ tung der richterlichen Unabhängigkeit, auch die der Rechtsfindung nur mittelbar dienenden, sie vorbereitenden und ihr nachfolgenden Sach- und Verfahrensentscheidungen in den Schutzbereich [scil. der richterlichen Unabhängigkeit, S. M.] einzubeziehen.“ Vgl. Hopfauf (Fn.  22), Art.  92 Rn.  16; Jarass/Pieroth (Fn.  5), Art.  92 Rn.  3; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  33. 34  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  7; Classen (Fn.  10), Art.  92 Rn.  32; Schulze-Fie30 

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

Verfahrensbeteiligten, die Ermittlung des Sachverhaltes35 sowie die dazu not­ wendige Entscheidung über zu erhebende Beweismittel. Ferner zählen Ent­ scheidungen während der Sitzung wie die Vernehmung von Zeugen36, die Ge­ schäftsverteilung sowie prozessleitende Maßnahmen (wie die Sitzungspolizei i. S. d. §§  175 ff. GVG) zum Rechtsprechungskern37. Auch die sich der Rechtsfin­ dung anschließenden organisatorischen Maßnahmen werden zum Teil zur Rechtsprechung gezählt – beispielsweise Entscheidungsberichtigungen38. Eine extensive Ausweitung des Rechtsprechungsbegriffs führt jedoch zu einer An­ näherung an den abzulehnenden formellen Begriff der rechtsprechenden Ge­ walt39. 2. Verwaltung Der Begriff der Verwaltung ist vielseitig und entzieht sich aufgrund seiner Viel­ schichtigkeit einer belastbaren Definition. Die Diskussion um eine eindeutige Definition der Verwaltung nimmt im Verwaltungsrecht einen breiten Raum ein40. Dabei entstanden sich teils ergänzende Ansätze41, deren Praktikabilität für die Einordnung der Gerichtsverwaltung in Frage zu stellen ist (a.). Indessen ist der Kernbereich der Exekutive (b.) einer einfachen Deskription (noch) weni­ ger zugänglich als die Kernaufgaben der Judikative.

litz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  37. Besonders dieser vorgelagerte Bereich macht eine Abgren­ zung zu Tätigkeiten der Gerichtsverwaltung schwierig. 35  Speziell zur Sachverhaltsermittlung: J. Pietzcker, NVwZ 1996, S.  313 (316); Detterbeck (Fn.  27), Art.  92 Rn.  9; Jarass/Pieroth (Fn.  5), Art.  92 Rn.  4. 36  Speziell zur Zeugenvernehmung siehe R. Herzog, in. T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG-­ Kommentar, Art.  92 (1971), Rn.  64 f.; J. Schmidt-Räntsch, DRiG, 7.  Aufl. 2016, §  25 Rn.  8. 37  Vgl. ähnliche Auflistungen bei Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  8; SchmidtRäntsch (Fn.  36), §  25 Rn.  10; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  37; zu Einzelfällen, die nicht Aufgabe der rechtsprechenden Gewalt sind, vgl. Jarass/Pieroth (Fn.  5), Art.  92 Rn.  5. 38  Vgl. hierzu BGHZ 42, 163 (169); H.-J. Papier, NJW 1990, S.  8 (9). 39 So Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  8. 40  Siehe im ersten Zugriff H. J. Wolff/O. Bachof, Verwaltungsrecht. Ein Studienbuch, Bd.  1, 9.  Aufl. 1974, S.  6, 72 ff.; W. Thieme, Verwaltungslehre, 4.  Aufl. 1984, Rn.  1 ff.; W. Leisner, Die undefinierbare Verwaltung. Zerfall der vollziehenden Gewalt, 2002; zur Herkunft des Begriffs Verwaltung siehe insbesondere G. Püttner, Verwaltungslehre. Ein Studienbuch, 4.  Aufl. 2007, Rn.  11 ff. 41  C. Möllers, Gewaltengliederung. Legitimation und Dogmatik im nationalen und inter­ nationalen Rechtsvergleich, 2005, S.  112 ff.; T. Groß, Verwaltungsorganisation als Teil orga­ nisierter Staatlichkeit, in: W. Hoffmann-Riem/E. Schmidt-Aßmann/A. Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd.  I, 2.  Aufl. 2012, §  13 Rn.  6; Wolff/Bachof/Stober/ Kluth, Verwaltungsrecht (Fn.  19), §  3 Rn.  1 ff.

A. Begriffliche Einordnung der Gerichtsverwaltung in Deutschland

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a) Verwaltungsbegriffe – Definitionsversuche Forsthofft stellte bereits treffend fest, dass sich der Begriff der Verwaltung nicht definieren, sondern lediglich beschreiben lasse42. In der Verwaltungsrechtswis­ senschaft haben sich drei Ansätze der Begriffsbestimmung herausgebildet 43. Die Begriffsbestimmungen in organisatorischer (aa.), formeller (bb.) und mate­ rieller (cc.) Hinsicht entfalten ihre Bedeutung in ihrer sich ergänzenden Wir­ kung (dd.). aa) Organisatorischer Verwaltungsbegriff Unter Verwaltung im organisatorischen Sinne versteht man die Verwaltungs­ organisation, die aus der Gesamtheit der Verwaltungsträger, Verwaltungsorga­ ne sowie den sonstigen Verwaltungseinrichtungen besteht, sofern sie vom Staat getragen und hauptsächlich materiell verwaltend tätig werden44. Der Anknüp­ fungspunkt der Organisation ist indessen unbefriedigend, da es auch im Bereich der Legislative (bei den Parlamenten und den Regierungen) sowie der Justiz verwaltendes Tätigwerden gibt 45. bb) Formeller Verwaltungsbegriff Verwaltung im formellen Sinne ist die gesamte von der staatlichen Verwaltung ausgeübte Tätigkeit im organisatorischen Sinne ohne Rücksicht darauf, ob sie inhaltlich per se verwaltender Art ist oder nicht (oder ob beispielsweise die Re­ gierung oder Gesetzgebung tätig werden)46. Auch diese Definition ist im Rah­ men der vorliegenden Untersuchung nicht zielführend und sorgt letztlich nicht für Klarheit, da auch die zu untersuchenden Gerichte verwaltend tätig werden. 42  E. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd.  1, 10.  Aufl. 1973, S.  1; siehe hierzu auch recht prägnant und mit der Bezeichnung der Verwaltung als „selbstreferentielles Sys­ tem“: A. Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, 2000, S.  75 f. 43  Im Überblick siehe Thieme, Verwaltungslehre (Fn.  40), Rn.  5 ff.; D. Ehlers, Verwaltung und Verwaltungsrecht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, in: H.-U. Erichsen/ders. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 14.  Aufl. 2010, §  1 Rn.  3 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19.  Aufl. 2017, Rn.  2. 44  Ehlers, Verwaltung (Fn.  43), Rn.  4; Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht (Fn.  43), Rn.  2; F.-J. Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11.  Aufl. 2014, Rn.  27; S. Detterbeck, Allgemei­ nes Verwaltungsrecht. Mit Verwaltungsprozessrecht, 18.  Aufl. 2020, Rn.  9 mit einer differen­ zierenden Definition, die auf die überwiegende Ausübung von materieller Verwaltungstätig­ keit durch Verwaltungsträger abstellt. 45  Peine, Verwaltungsrecht (Fn.  4 4), Rn.  27; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  11; J. Ipsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11.  Aufl. 2019, Rn.  48. 46  Ehlers, Verwaltung (Fn.  43), Rn.  13; Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht (Fn.  43), Rn.  2; Peine, Verwaltungsrecht (Fn.  44), Rn.  28; Detterbeck, Verwaltungsrecht (Fn.  44), Rn.  9.

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

cc) Materieller Verwaltungsbegriff Für den dieser Arbeit zugrundeliegenden Untersuchungsgegenstand – die Ge­ richtsverwaltung – könnte der Verwaltungsbegriff im materiellen Sinne prakti­ kabel sein, welcher die Wahrnehmung von negativ oder positiv zu bestimmen­ den Verwaltungsaufgaben zum Gegenstand hat 47. Ausgehend von dem aus Art.  1 Abs.  3, 20 Abs.  2 S.  2 GG hergeleiteten Gewaltenteilungsprinzip48 lässt sich die Verwaltungstätigkeit im Rahmen der vollziehenden Gewalt zumindest in Abgrenzung zu den anderen zwei Gewalten negativ als die Handlungsform beschreiben, die gerade nicht unter die Rechtsprechung oder Gesetzgebung fällt49. Die Verwaltung wird durch diese Form der Abgrenzung zu einem um­ fangreichen Sammelbegriff für das Handeln staatlicher Akteure, das neben den engeren Gegenständen von Legislative und Judikative besteht50. Klassischer­ weise wird die Verwaltung demgemäß als „Tätigkeit des Staates oder eines sonstigen Trägers öffentlicher Gewalt außerhalb von Rechtsetzung und Recht­ sprechung“ definiert (Subtraktionsmethode)51. Die Subtraktionsmethode führt jedoch nur zu eindeutigen Ergebnissen, wenn sich auch die anderen Staatsfunk­ tionen zweifelsfrei definieren lassen. Dies ist allerdings schon deshalb nicht möglich, da es innerhalb der drei Gewalten zum Teil nicht unerhebliche Über­ lappungen gibt52. Selbst wenn Judikative und Legislative konturenscharf zu de­ finieren wären, würde die Subtraktionsmethode letztlich zu nicht mehr als einer 47  Siehe zu der Begrifflichkeit instruktiv Ehlers, Verwaltung (Fn.  43), Rn.  5; Minkner, Ge­ richtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  11 f. 48  Siehe hierzu unten Kap.  2 C. II. 1. 49  So die grundlegende, aber heute noch genauso vertretene Lehre, vgl. O. Mayer, Deut­ sches Verwaltungsrecht, Bd.  I, 3.  Aufl. 1924, S.  7; darauf basierend W. Jellinek, Verwaltungs­ recht, 3.  Aufl. 1931, Nachdr. 1948, S.  6; siehe auch Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht (Fn.  43), Rn.  6; Detterbeck, Verwaltungsrecht (Fn.  44), Rn.  1 ff.; Ipsen, Verwaltungsrecht (Fn.  45), Rn.  51 mit Ergänzung der Subtraktionsmethode um das Merkmal der „Regierung“, sodass auch politische Führungsaufgaben aus dem Verwaltungsbegriff herausfallen; so auch bereits Thieme, Verwaltungslehre (Fn.  40), Rn.  5. Kritisch Ehlers, Verwaltung (Fn.  43), Rn.  7 f. Gegen die Differenzierung innerhalb der Exekutive zwischen Regierung und Verwal­ tung W. Frotscher, Regierung als Rechtsbegriff. Verfassungsrechtliche und staatstheoreti­ sche Grundlagen unter Berücksichtigung der englischen und französischen Verfassungsent­ wicklung, 1975, S.  222 ff., 235. 50 Siehe H. Wißmann, Verfassungsrechtliche Vorgaben der Verwaltungsorganisation, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen (Fn.  41), §  15 Rn.  4. 51  So bereits Bernatzik, Rechtsprechung (Einl., Fn.  2), S.  20; Jellinek, Verwaltungsrecht (Fn.  49), S.  6; vgl. auch Ipsen, Verwaltungsrecht (Fn.  45), Rn.  51. 52  Die Aufteilung der Staatsfunktionen auf drei Gewalten nach Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG darf nicht als strikte Gewaltenteilung verstanden werden, sondern als bloßes Rechtsprinzip mit nicht ausschließlich definitivem Charakter. So nehmen bspw. Gerichte nicht nur originär rechtsprechende, sondern auch organisatorische sowie verwaltende Aufgaben wahr, um ihre

A. Begriffliche Einordnung der Gerichtsverwaltung in Deutschland

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Bestimmung dessen führen, was nicht Verwaltungstätigkeit sein kann. Über den expliziten Kerngehalt der Verwaltung sagt die negative Definition mithin zu wenig aus53. Verwaltung im materiellen Sinne muss mithin positiv definiert werden. Sie wird als diejenige Staatstätigkeit angesehen, welche die Wahrneh­ mung der Verwaltungstätigkeiten zum Gegenstand hat54. Weder die Beschrei­ bung typischer Merkmale der Verwaltung55, noch die Entwicklung dezidierter Definitionsformeln mit hohem Abstrahierungsgrad56 können indessen abschlie­ ßend Klarheit schaffen57. dd) Kombinierte Begriffsbestimmung Stern stellt indes anschaulich heraus, dass es mitunter notwendig ist, eine Kom­ bination von negativer und positiver Definitionsmethode anzuwenden58. Als primärer Anknüpfungspunkt kann demnach die Subtraktionsmethode heran­ gezogen werden, wobei auf die typischen Merkmale der anderen Staatsfunktio­ nen – Gesetzgebung, Rechtsprechung, Regierung – abstellt wird 59. Unter Ge­

Funktionsfähigkeit zu gewährleisten, vgl. auch Möllers, Gewaltengliederung (Fn.  41), S.  398; Ehlers, Verwaltung (Fn.  43), Rn.  8. 53 Vgl. M. Trockels, Die öffentliche Verwaltung als Teil der öffentlichen Gewalt, in: R. Schweickhardt/U. Vondung/A. Zimmermann-Kreher (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungs­ recht, 10.  Aufl. 2018, Rn.  6. 54  Eingeleitet wurde der Wandel hin zur positiven Begriffsbestimmung von H. Peters, Lehrbuch der Verwaltung, 1949, S.  4; siehe überdies mit einem umfangreichen Überblick Stern, Staatsrecht II (Fn.  11), S.  735; Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht (Fn.  43), Rn.  2. 55 Vgl. Forsthoff, Verwaltungsrecht (Fn.  42), S.  6; G. Winkler, Orientierungen im Öffent­ lichen Recht. Ausgewählte Abhandlungen, 1979, S.  3 f.; Stern, Staatsrecht II (Fn.  11), S.  735; F. Fleiner, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, 8.  Aufl. 1928, S.  4 hebt die Ver­ wirklichung des gesetzgeberischen Willens hervor; F. Giese, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3.  Aufl. 1952, S.  6 sieht den Einsatz hoheitlicher Mittel als konstituierend und spricht in seiner Definition daher von „öffentlichen Mitteln“; N. Luhmann, Theorie der Verwaltungswissen­ schaft. Bestandsaufnahme und Entwurf, 1966, S.  67 betont die Herstellung bindender Ent­ scheidungen. 56 Etwa Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht (Fn.  40), S.  12 mit einer Definition, nach der die öffentliche Verwaltung im materiellen Sinne als „mannigfaltige, konditional oder nur zweck­ bestimmte, also insofern fremdbestimmte, nur teilplanende, selbstbeteiligt entscheidend aus­ führende und gestaltende Wahrnehmung der Angelegenheiten von Gemeinwesen und ihrer Mitglieder als solcher durch die dafür bestellten Sachwalter des Gemeinwesens“ zu um­ schreiben sei; siehe ferner Scherzberg, Öffentlichkeit (Fn.  42), S.  75 f. 57  Kritisch Ehlers, Verwaltung (Fn.  43), Rn.  6 sowie Winkler, Orientierungen (Fn.  55), S.  6 ff. 58  Stern, Staatsrecht II (Fn.  11), S.  736. 59  Ehlers, Verwaltung (Fn.  43), Rn.  11; vgl. auch die Übersicht zur Verwaltung als „Ad­ ministrative“ vor allem in Abgrenzung zur Regierung als „Gubernative“ im Gefüge der staat­ lichen Gewalten bei Detterbeck, Verwaltungsrecht (Fn.  44), Rn.  3 f.

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

setzgebung versteht man die verbindliche Setzung von Rechtsnormen60. Es han­ delt sich um eine Form politischer Willensbildung über solch grundlegende Fragen, dass diese einer rechtsverbindlichen und stabilen Entscheidung mit ex­ terner Wirkung bedürfen61. Der Rechtsprechungsbegriff ist zwar an sich nicht eindeutig definierbar, lässt sich jedoch zumindest zusammenfassen62. Regie­ rung ist die vom Politischen her bestimmte richtungsgebende und führende (Staats-)Leitung der Verwaltung63. Aus der Aufgabenzuteilung des Grundgeset­ zes und im Sinne einer Trennung von Rechts- und Kompetenzsphären konstitu­ ierender Kernbereiche64 ergibt sich ein sehr weiter Verwaltungsbegriff, der ins­ titutionelle und handlungsorientierte Ansätze verbindet und aus dem gefolgert wird, dass dem Parlament als Legislative die verfassungsrechtliche Aufgabe der abstrakt-generellen Normsetzung zukommt, der Verwaltung hingegen die Voll­ ziehung von Gesetzen im Einzelfall65. Im Zweifelsfall ist ergänzend auf die positiven Begriffsmerkmale zurückzu­ greifen66. In Anlehnung an Stern ist dabei auf die eigenverantwortliche Erledi­ gung staatlicher Aufgaben durch Maßnahmen in rechtlicher Gebundenheit nach vorgegebener Zwecksetzung abzustellen67. Letztendlich muss allerdings der 60 

N. Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2.  Aufl. 1986, §  3 Rn.  10 f.; H. Schneider, Gesetzgebung. Ein Lehr- und Handbuch, 3.  Aufl. 2002, Rn.  29 f.; zur historischen Entwick­ lung der Legislativfunktion siehe E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt. Von den Anfängen der deutschen Staatsrechtslehre bis zur Höhe des staatsrechtlichen Positivis­ mus, 2.  Aufl. 1981, S.  14. 61  E. Schmidt-Aßmann, HStR³ II, §  26 Rn.  52; ähnlich Hesse, Grundzüge (Fn.  15), Rn.  502 ff. 62 Ähnlich Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht (Fn.  19), §  20 Rn.  40. 63  Wie häufig bei Leitungs- und Führungsaufgaben entzieht sich die Staatsleitung einer trennscharfen oder abschließenden Begriffsbestimmung. Mit Definitionsversuchen M. Schrö­ der, HStR³ V, §  106 Rn.  3 f.; Achterberg, Verwaltungsrecht (Fn.  60), §  8 Rn.  2; W. Hoffmann-­ Riem, Eigenständigkeit der Verwaltung, in: ders./Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen (Fn.  41), §  10 Rn.  48; siehe weiterhin U. Scheuner, Der Bereich der Regierung (1952), in: J. Listl/­W. Rüfner (Hrsg.), Staatstheorie und Staatsrecht. Gesammelte Schriften, 1978, S.  455 (477 f.); F. Knöpfle, DVBl. 1965, S.  857 (861); P. Badura, Art.  Regierung, in: EvStL³ II, Sp.  2951 (2954); Stern, Staatsrecht II (Fn.  11), S.  674 ff. 64  Siehe auch E. Schmidt-Aßmann, HStR³ II, §  26 Rn.  56. 65  BVerfGE 95, 1 (15); Wißmann, Verwaltungsorganisation (Fn.  50), Rn.  4.; B. Grzeszick, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art.  20 V (2013) Rn.  52. 66 Vgl. Ehlers, Verwaltung (Fn.  43), Rn.  11. 67  Stern, Staatsrecht II (Fn.  11), S.  738 fasst schließlich folgende Definition zusammen: „Verwaltung kann zunächst negativ bestimmt werden […]. Positiv bedeutet Verwaltung die den Organen der vollziehenden Gewalt und bestimmten diesen zuzurechnenden Rechtssubjekten übertragene selbstverantwortliche ständige Erledigung der Aufgaben des Gemein­ wesens durch konkrete Maßnahmen in rechtlicher Bindung nach (mehr oder weniger spezifiziert) vorgegebener Zwecksetzung.“ Diese Definition mündet jedoch in einem Zirkelschluss, da sie stets auch die Definitionen anderer öffentlicher Hoheitsgewalt voraussetzt. Gleichsin­

A. Begriffliche Einordnung der Gerichtsverwaltung in Deutschland

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Definitionsversuch mit dem auch geheimhin konsentierten Fazit abgeschlossen werden, dass die Verwaltung nicht abschließend definiert werden kann. Viel­ mehr muss man sich im Einzelfall auf eine Beschreibung einzelner Tätigkeits­ bereiche, Aufgabenstellungen, Strukturen und Handlungsformen verlassen68. b) Kernbereiche der Exekutive Jede der drei Gewalten wird letztlich durch Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG ein Kern­ bereich gewährleistet, in dem sie unbeeinflusst Entscheidungen treffen kann69. Einen festen Kernbestand an originären und zwingenden Verwaltungstätigkei­ ten auszumachen, ist eingedenk eines Mangels an einer hinreichenden begriff­ lichen Abgrenzung der Verwaltung (zumindest in materieller Hinsicht) kaum möglich70. Das, was den Kernbereich der Exekutive ausmacht, wird zum Teil als Verwaltungsvorbehalt bzw. Exekutivvorbehalt bezeichnet71. Die Existenz eines solchen Exekutivvorbehalts ist jedoch höchst umstritten und stößt auf ­flächendeckende Skepsis; insoweit ist lediglich ein „faktischer“ Verwaltungs­ vorbehalt anerkannt72. nig F. Mayer, Neuzeitliche Entwicklung der öffentlichen Verwaltung, in: F. Morstein Marx (Hrsg.), Verwaltung. Eine einführende Darstellung, 1965, S.  2 (7); siehe weiterhin Ehlers, Verwaltung (Fn.  43), Rn.  11. 68 Abschließend hier noch einmal Forsthoff, Verwaltungsrecht (Fn.  42), S.  1; so auch H. Maurer, Staatsrecht I, 7.  Aufl. 2018, §  1 Rn.  8 ff. mit einer anschaulichen Auflistung der typischen Merkmale der Verwaltung. 69  Vgl. BVerfGE 34, 52 (59); 95, 1 (15). – Siehe ausführlich zum Grundsatz der Gewalten­ teilung unten in Kap.  2 C. II. 1. 70  Wenngleich u. a. in BVerfGE 67, 100 (139) ein notwendiger „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ vorausgesetzt wird. Siehe auch Grzeszick (Fn.  65), Art.  20 V Rn.  103 f. 71  Im ersten Zugriff H. Rieckhoff, Der Vorbehalt des Gesetzes im Europarecht, 2007, S.  19; siehe auch F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S.  187 ff.; N. Achterberg, Probleme der Funktionenlehre, 1970, S.  190 ff. mit Blick auf die Grenzen der Funktionenverschränkungen der Gewalten; T. Kuhl, Der Kernbereich der Exekutive, 1993, S.  17 ff.; E. Schmidt-Aßmann, HStR³ II, §  26 Rn.  57. 72  Es handelt sich um eine Eigenständigkeit in Bezug auf Handlungsmuster, Verfahren und Organisation. Vgl. hierzu Jarass/Pieroth, GG (Einl., Fn.  6), Art.  20 Rn.  35. Vgl. beispiels­ weise die Bemühungen von H. Maurer, VVDStRL 43 (1985), S.  135 (140 f.); zum Verwal­ tungsvorbehalt (ablehnend) als Begleitaufsatz zur Staatsrechtslehrertagung 1984 siehe C. Degenhart, NJW 1984, S.  2184 (2186 ff.); ablehnend auch W. Schmidt, NVwZ 1984, S.  545 (550); anerkennend hingegen R. Stettner, DÖV 1984, S.  611 (620 f.); es wurde auf der 43. Staatsrechtslehrertagung lediglich ein „faktischer“ Verwaltungsvorbehalt anerkannt, u. a. wird dies anschaulich von F. E. Schnapp, VVDStRL 43 (1985), S.  172 (189 f.) hergeleitet; vgl. aus der neueren Literatur H. Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, 1991, S.  182 ff.; Kuhl, Kernbereich (Fn.  71), S.  19; M. Schröder, HStR³ V, §  106 Rn.  23 ff.; P. Kirchhof, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art.  83 (2009), Rn.  37 ff.

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

Der zweiten Gewalt muss dementsprechend ein „Kernbereich exekutiver Ei­ genverantwortung“ verbleiben, der sich auf die „zentralen Gestaltungsbereiche der Exekutive“ bezieht und nach „unverzichtbaren Elementen exekutiver Eigen­ ständigkeit“ verlangt73. Es lässt sich im Ergebnis allerdings nur einzelfallabhän­ gig beurteilen, wann ein gewaltenteilungswidriger Eingriff in eben diese zentra­ len Bereiche exekutiver Gestaltungshoheit anzunehmen ist74. Nichtsdestotrotz ist weithin anerkannt, dass der Exekutive in ihren behördlichen Strukturen je­ denfalls keine zentralen, geschweige denn ausnahmslos alle Verwaltungsan­ gelegenheiten entzogen werden dürfen75. Kuhl konkretisiert diese Annahme zutreffend im Hinblick auf den „faktischen“ Verwaltungsvorbehalt. Danach be­ inhaltet „[d]er Kernbereich der Exekutive diejenigen Kompetenzen, für die die Qualitäten Flexibilität, unmittelbare Sachkunde und Sachnähe sowie die Möglichkeit zu tatsächlichem Handeln, persönlicher Präsenz und Vertraulichkeit allein maßgeblich sind“76. Mit Blick auf die Gerichtsverwaltung ist in diesem Zusammenhang eine gewichtige Differenzierung vorzunehmen: Organisatori­ sche Maßnahmen des Ministerpräsidenten beispielsweise, die den Bereich der Gerichtsverwaltung – und somit auch mittelbar die materielle Rechtsprechungs­ tätigkeit – angehen, sind ausdrücklich nicht diesem Kernbereich der Exekutive zuzurechnen77. 3. Abgrenzung von Rechtsprechung und Verwaltung Im Hinblick auf die Einordung der Gerichtsverwaltung muss zumindest der Versuch einer trennscharfen Abgrenzung von Rechtsprechungstätigkeit und Verwaltungstätigkeit unternommen werden (a.). Eine Abgrenzung ist in Grenz­ bereichen besonders schwierig, jedoch ungleich wichtiger (b.). a) Möglichkeit einer trennscharfen Abgrenzung Fraglich ist eingedenk bereits erörterter Definitionsschwierigkeiten, ob eine trennscharfe Abgrenzung von Verwaltung und Justiz möglich ist. Die von Ver­ fassung wegen gebotene Trennung der Gewalten (aa.), gebietet es, Merkmale zur Unterscheidung von Verwaltung und Rechtsprechung zu finden (bb.).

73  Vgl. BVerfGE 68, 1 (87); siehe auch E. Schmidt-Aßmann, HStR³ II, §  26 Rn.  57 sowie Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  89. 74  So auch Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  89. 75  Siehe allgemein zur Funktionentrennung und den Kernbereichen der Gewalten Grzeszick (Fn.  65), Art.  20 V Rn.  86 f.; weiterhin Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  89. 76  Kuhl, Kernbereich (Fn.  71), S.  149; siehe auch Grzeszick (Fn.  65), Art.  20 V Rn.  103 f. 77  Vgl. NWVerfGH NJW 1999, S.  1243 (1245); J. Brauneck, NJW 2014, S.  602 (603).

A. Begriffliche Einordnung der Gerichtsverwaltung in Deutschland

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aa) Verfassungsrechtliches Gebot zur Trennung Die Notwendigkeit einer Abgrenzung ergibt sich aus der Erwägung, dass insbe­ sondere die Eigenständigkeit der dritten Gewalt gewährleistet werden muss. Dies folgt nicht nur aus Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG, sondern auch aus dem Richter­ vorbehalt in Art.  92 GG, dem daraus resultierenden Rechtsprechungsmonopol, der organisatorischen Selbständigkeit der Gerichte sowie der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit der Richter (Art.  97 GG)78. An die Trennung von Judikative und Exekutive werden im Grundgesetz bedeutend strengere Anfor­ derungen gestellt als in Bezug auf die Abgrenzung in allen sonstigen Konstel­ lationen der drei Gewalten79. Das Gewaltenteilungsprinzip fordert indessen ­keine vollständige Trennung, vielmehr sind Durchbrechungen und Austausch­ beziehungen möglich80. Aus praktischen Erwägungen der Zweckmäßigkeit gibt es vielfach Funktionsüberschneidungen der drei Gewalten81. Die rechtsprechen­ de Gewalt muss i. S. d. Art.  20 Abs.  2, 3 GG in gewissen Bereichen von der Ex­ ekutive unterschieden werden, „weil Rechtsprechen nicht nur Anwenden des vom Gesetzgeber gesetzten Rechts, sondern auch das Ausprägen und Verdeut­ lichen einer konkretisierungsbedürftigen Regel in einem mitwirkungsbedürf­ tigen Verfahren ist“82. Eine verfassungsrechtliche Konkretisierung dieses Tren­ nungsgebotes enthält §  4 Abs.  1 DRiG, der ein an die Richter adressiertes um­ fassendes Verbot der gleichzeitigen Wahrnehmung von rechtsprechender und gesetzgebender sowie vollziehender Gewalt statuiert83. Das Verbot des §  4 Abs.  1 DRiG entspricht erkennbar der Systematik der Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG sowie Art.  92 GG und versteht sich als unmittelbare Folge der Gewaltentren­ nung84. Das Gebot der Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung bezieht sich insofern darauf, dass Funktionsträger der Verwaltung keine rechtsprechen­ den Tätigkeiten ausüben dürfen85. Darüber hinaus folgt aus Art.  20 Abs.  2 S.  2 78  BVerfGE 7, 183 (188); 10, 200 (216); D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  15, 23, 38 f.; Jarass/ Pieroth (Fn.  72), Art.  20 Rn.  36; Jarass/Pieroth (Fn.  5), Art.  92 Rn.  11. 79  BVerfGE 10, 200 (216); D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  15, 23, 38. 80  Wolff (Fn.  9), Art.  92 Rn.  33; E. Schmidt-Aßmann, HStR³ II, §  26 Rn.  46; U. Di Fabio, HStR³ II, §  27 Rn.  31 ff.; S. Huster/J. Rux in: Epping/Hillgruber, GG (Fn.  24), Art.  20 Rn.  160; H. Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/ders./Henneke, GG (Fn.  11), Art.  20 Rn.  53; K.-P. Sommermann, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/C. Starck, Das Bonner GG, Bd.  II, 7.  Aufl. 2018, Art.  20 Rn.  210 ff. 81  F. Czermak, DÖV 1967, S.  673 (674). 82  Vgl. zur konkreten Bedeutung von Art.  20 Abs.  2 , 3 GG in diesem Zusammenhang Kirchhof, Auftrag (Fn.  13), S.  12. 83  Siehe hierzu D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  34; Jarass/Pieroth (Fn.  5), Art.  92 Rn.  11. 84  Vgl. BT-Dr 3/516, S.  33 zum Entwurf des Deutschen Richtergesetzes. 85  BVerfGE 10, 200 (216); 18, 2241 (254); 54, 159 (166); 103, 111 (136); siehe auch Stern, Staatsrecht II (Fn.  11), S.  892 ff.; W. Heyde, HVerfR², §  33 Rn.  6; Wolff (Fn.  9), Art.  92 Rn.  5;

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

GG auch der Grundsatz, dass den Gerichten im Interesse der Wahrung der rich­ terlichen Unabhängigkeit keine wesentlichen Aufgaben zugewiesen werden dürfen, die originär der vollziehenden Gewalt obliegen. Es muss neben der ver­ fassungsrechtlich konstituierten dritten Gewalt stets auch einen verwaltungs­ behördlichen Gesetzesvollzug geben86. bb) Unterscheidungsmerkmale Die Eigenständigkeit der rechtsprechenden Gewalt in Abgrenzung zur gesetz­ gebenden und vollziehenden Gewalt ergibt sich vor allem aus ihrer Ausgestal­ tung im Hinblick auf Aufgaben, Verfahren und Entscheidungsmacht87. Im Ein­ zelfall können Rechtsprechung und Verwaltung nur mit Blick auf ihre innere Perspektive und ihre Zielsetzung im Staatengefüge abgegrenzt werden. Wäh­ rend die Rechtsprechung „streitentscheidende Rechtsanwendung“88 durch einen Dritten in fremder Angelegenheit ist, handelt die Verwaltung ganz im Gegen­ satz dazu in eigener Sache und in Eigeninitiative89. Eine verfassungsrechtlich trennscharfe Kompetenzverteilung zwischen Judikative und Exekutive wird durch diesen Ansatz nicht möglich90. Die Rechtsprechung zeichnet sich in Ab­ grenzung zur Verwaltung darüber hinaus durch ihren besonderen Anspruch auf Verbindlichkeit aus, den die von ihr getroffenen Entscheidungen für sich erhe­ ben91. Während Entscheidungen der Judikative letztverbindlich sind und in Rechtskraft erwachsen, mündet zwar auch die Verwaltungstätigkeit in aller Re­ D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  33 f.; Hopfauf (Fn.  11), Vorb. v. Art.  92 Rn.  27; Jarass/Pieroth (Fn.  5), Art.  92 Rn.  11; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  42. 86  Enge Grenzen setzt insofern §  39 VwGO, der normiert, dass Verwaltungsgerichten kei­ nerlei allgemeine Verwaltungsgeschäfte (abgesehen von der Gerichtsverwaltung, und insbe­ sondere auch der Aufgaben der gerichtlichen Selbstverwaltung) übertragen werden dürfen. Vgl. hierzu: Stern, Staatsrecht II (Fn.  11), S.  900; J. Lüdemann, DÖV 1996, S.  870 (872 ff.); Hillgruber (Fn.  5), Art.  92 Rn.  59; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  43; H. Geiger, in: E. Eyermann (Hrsg.), VwGO, 15.  Aufl. 2019, §  39 Rn.  1; J. Ruthig, in: F. O. Kopp/W.-R. Schenke (Hrsg.), VwGO, 25.  Aufl. 2019, §  39 Rn.  1. 87  Vgl. im ersten Zugriff Hopfauf (Fn.  11), Vorb. v. Art.  92 Rn.  23 ff. 88  Mit dieser Terminologie auch Friesenhahn, Begriff (Fn.  31), S.  29 ff. („Streitentschei­ dende Gesetzesanwendung“, Zitat auf S.  29); C.-F. Menger, Moderner Staat und Rechtspre­ chung. Eine historische u. systematische Studie über die Stellung u. Bedeutung der Dritten Gewalt im modernen Staate, 1968. 89  Im Überblick hierzu Forsthoff, Verwaltungsrecht (Fn.  42), S.  6; Achterberg (Fn.  9), Art.  92 (42. EL 1981) Rn.  136; W. Leisner, Das letzte Wort. Der Richter späte Gewalt, 2003, S.  48 f.; Classen (Fn.  10), Art.  92 Rn.  15, der allerdings aufgrund der grundrechtlichen Schutz­aufträge Zweifel daran äußert, dass die Rechtsprechung anders als die Verwaltung keine eigenen Zwecke verfolgen dürfe. 90  Achterberg (Fn.  9), Art.  92 Rn.  136. 91  Classen (Fn.  10), Art.  92 Rn.  15; anders Voßkuhle, Rechtsschutz (Fn.  1), S.  56, 77 f.

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gel in wirksamen Entscheidungen, allerdings können die Verwaltungsentschei­ dungen nach Bestandskraft immer noch geändert werden92. Nach dem Vorstehenden lassen sich in perspektivischer Hinsicht folgende Unterscheidungsmerkmale in Erwägung ziehen: Als Kontrollorgan ist ein Rich­ ter auf die Entscheidung anhand rechtlicher Vorgaben beschränkt und arbeitet insofern retrospektiv, da er rückblickend über abgeschlossene Sachverhalte ur­ teilt. Die Verwaltung entscheidet indessen auch unter politischen Gesichtspunk­ ten und prospektiv, also zukunftsgerichtet, und von sich aus93. b) Vorgehensweise in Grenzbereichen Unproblematisch gelingt die Zuordnung von Tätigkeiten zur Rechtsprechung in den klassischen Bereichen der richterlichen Spruchtätigkeit im Rahmen der or­ dentlichen und der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der Rechtsprechung sollen hin­ gegen grundsätzlich keine Aufgaben übertragen werden, bei deren Erfüllung ihre Organe, respektive die jeweils zuständigen Richter94, weisungsgebunden sind95. Es ist dem Gesetzgeber aber – trotz des grundsätzlichen Gebotes der Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung – unbenommen, der dritten Ge­ walt neben den originären Rechtsprechungsaufgaben auch Aufgaben zuzuwei­ sen, die nicht als materielle Rechtsprechung i. S. d. Art.  20 Abs.  2 S.  2, 92 GG zu qualifizieren sind96. Gerade mit Blick auf das Thema der vorliegenden Arbeit müssen Zuord­ nungsmethoden für grenznahe Aufgabenzuweisungen an Gerichte entwickelt werden97. Für die Einordnung strittiger Aufgaben, mit denen Richter außerhalb 92  Stern, Staatsrecht II (Fn.  11), S.  896; S. Smid, Rechtsprechung. Zur Untersuchung von Rechtsfürsorge und Prozeß, 1990, S.  153 ff.; Hillgruber (Fn.  5), Art.  92 Rn.  63; Hopfauf (Fn.  11), Vorb. v. Art.  92 Rn.  29; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  27. 93 Eingehend M. Piazolo, „Ein politisch Lied! Pfui! Ein garstig Lied?“. Das BVerfG und die Behandlung von politischen Fragen, in: R. C. van Ooyen/M. H. W. Möllers (Hrsg.), Das BVerfG im politischen System, 2006, S.  293 (298); siehe auch Hopfauf (Fn.  11), Vorb. v. Art.  92 Rn.  28. 94  Zur exklusiven Zuweisung der Rechtsprechung an den Richter und zur Stellung des Richters nach dem Grundgesetz: W. Heyde, HVerfR², §  33 Rn.  73 ff.; Wolff (Fn.  9), Art.  92 Rn.  47 ff.; Hillgruber (Fn.  5), Art.  92 Rn.  64 ff.; ders., in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art.  97 (2008), Rn.  20; Meyer (Fn.  9), Art.  92 Rn.  12; Detterbeck (Fn.  27), Art.  92 Rn.  25; Kissel/Mayer (Fn.  4), §  1 Rn.  28; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  43, Art.  97 Rn.  14 ff. Siehe auch ganz allgemein G. Barbey, HStR1 III, §  74. 95  Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  42. 96  BVerfGE 21, 139 (144); Wolff (Fn.  9), Art.  92 Rn.  30; Hillgruber (Fn.  5), Art.  92 Rn.  58; Meyer (Fn.  9), Art.  92 Rn.  6; Detterbeck (Fn.  27), Art.  92 Rn.  13; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  43. 97  So auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  9.

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

ihrer originären Spruchtätigkeit betraut werden98, gibt es bisher kein einhelliges Konzept der Zuordnung. Die Relevanz dieser weithin noch ungeklärten Zuord­ nung folgt aus der verfassungsrechtlich in Art.  97 GG verankerten Bestimmung der richterlichen Unabhängigkeit99. Die entsprechende hoheitliche Tätigkeit wird demgemäß je nach Qualifizierung in richterlicher Unabhängigkeit und da­ mit frei von jeglichen Weisungen (Rechtsprechung) oder in Bindung an die Wei­ sungen der Dienstaufsichtsbehörde (Verwaltung als Auftragsverwaltung) aus­ geführt100. Es ist zumindest einhellig anerkannt, dass nicht lediglich die richterliche (End-) Entscheidung selbst zur Rechtsprechung gehört, sowie auf der anderen Seite, dass nicht „alles, was der Richter tut“ automatisch als rechtsprechende Tätigkeit i. S. d. Art.  92 GG zu qualifizieren ist101. Die Rechtsprechung tendiert in extensiver Auslegung der richterlichen Unabhängigkeitsgarantie gem. Art.  97 GG dazu, Tätigkeiten aus dem Grenzbereich tendenziell als Vorbereitungsakt der Rechtsprechung zu qualifizieren102. Man kann im Hinblick auf die generel­ len Extensionstendenzen der Rechtsprechung103 von einer „Vermutung für die Unabhängigkeit“ sprechen104. Dass Richter selbst indessen weite Teile der von ihnen übernommenen Aufgaben der richterlichen Unabhängigkeit unterstellen wollen, ist gleichwohl nicht verwunderlich. Eine andere zu diesem Problem vertretene Methode zur Einordnung strittiger Tätigkeiten basiert auf einer „legitimatorischen Vermutung zugunsten der Ge­ 98  Eine beispielhafte Auflistung von Tätigkeiten, die sich im Grenzbereich zwischen rechtsprechender und verwaltender Tätigkeit bewegen und bei denen eine eindeutige Zuord­ nung zum Teil noch offen ist, findet sich bei Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  10: „die Geschäftsverteilung durch das Präsidium, die Tätigkeit des für Schöffenfragen zuständigen Richters beim Amtsgericht im Schöffenwahlausschuss (§  40 Abs.  2 GVG), die Mitgliedschaft bzw. Mitwirkung von Richtern in Berufsrichterwahlausschüssen, die Veröffentlichen von Gerichtsentscheidungen durch die beteiligten Richter, die Verhängung strafrechtlicher Auf­ lagen zugunsten gemeinnütziger Einrichtungen, die Bestellung des Insolvenzverwalters gem. §  56 Insolvenzordnung sowie […] die Repräsentationsaufgaben von Gerichtspräsiden­ ten bei juristischen Fachveranstaltungen oder dem Empfang ausländischer Gäste“. 99  Siehe zur richterlichen Unabhängigkeit ausführlich unten in Kap.  2 C. V. 1. 100  BVerfGE 22, 49 (78); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  9; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  48; siehe auch zu den praktischen Schwierigkeiten der Abgrenzungen und Zuordnungen D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  41 ff. sowie instruktiv T. Franz, Prüfungen des Bundesrechnungshofes bei den Gerichten des Bundes, in: H. Schulze-Fielitz (Hrsg.), Fort­ schritte der Finanzkontrolle in Theorie und Praxis, 2000, S.  75 (76 ff.). 101  Achterberg (Fn.  9), Art.  92 Rn.  66; Franz, Prüfungen (Fn.  100), S.  78. 102 Entweder ordnet man diese „Vorbereitungsakte“ direkt der Rechtsprechung i.  S. d. Art.  92 GG zu oder überträgt ihnen per Gesetz einen Sonderstatus, durch den sie im End­ effekt weisungsfrei gestellt werden. Vgl. hierzu Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  10. 103  Siehe eingehend Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  176 ff., 192 ff. 104  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  11.

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richtsverwaltung“105. Grenzfälle sollen aufgrund einer Sicherstellung der Kon­ trollierbarkeit richterlichen Handelns außerhalb der Rechtsprechung im Zweifel der Gerichtsverwaltung unterstellt und damit der Exekutive zugerechnet wer­ den. Strittige Aufgaben unterfallen im Zweifel der Ausübung vollziehender Ge­ walt und gehen infolgedessen mit einer Weisungsabhängigkeit einher, da die Garantie der richterlichen Unabhängigkeit für Verwaltungstätigkeit nicht gilt. Ihren Ursprung nimmt diese Vermutung zugunsten der Gerichtsverwaltung in solchen Bereichen der Verwaltung, wo die Tätigkeit des Richters selbst (perso­ nelle) Legitimation vermitteln soll106. Letztlich wird durch diese Vermutung der demokratischen Legitimation richterlicher Tätigkeit gegenüber der Unabhän­ gigkeitsgarantie i. S. d. Art.  97 GG Vorrang eingeräumt107. Es handelt sich bei beiden Ansichten um Vermutungen – auf der einen Seite zugunsten der richterlichen Unabhängigkeit und auf der anderen Seite zuguns­ ten einer Weisungsabhängigkeit. Dass die Rechtsprechung der Dienstgerichte in diesem Zusammenhang zu einer umfangreichen Zuordnung von Tätigkeiten zur richterlichen Unabhängigkeit tendiert, vermag unter dem Gesichtspunkt der be­ ruflichen Stellung der in diesem Zusammenhang zuständigen Richter nicht ver­ wundern108. Beide Methoden bergen allerdings die Gefahr einer Rechtsun­ sicherheit durch ihren zum Teil einseitigen Abgrenzungscharakter in die eine oder andere Richtung109. Um dennoch eine möglichst umfangreiche Kontrollier­ barkeit richterlichen Handelns außerhalb der Spruchtätigkeit zu gewährleisten, soll im ersten Zugriff grundsätzlich mit der von Wittreck formulierten Vermu­ tung zugunsten der Verwaltung110 gearbeitet werden. Eingedenk der Frage, ob 105  Diese Ansicht wird anschaulich entwickelt von Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  11; siehe ferner Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  13. 106 Vgl. Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  11, S.  115 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  11 mit dem Hinweis auf die Wahlentscheidung von Richtern im Wahlaus­ schuss und das Legitimationskonzept des Bundesverfassungsgerichts. Nach BVerwGE 70, 270 (272) „dürfen dem Richter […] solche Aufgaben zur Wahrnehmung zugewiesen werden, die eine sachliche Nähe zu seiner richterlichen Tätigkeit haben. Das ist für die Wahrnehmung der Aufgaben im Richterwahlausschuss [sic] der Fall“. Das Bundesverwaltungsgericht unter­ stellt hier die Tätigkeit des Richters im Richterwahlausschuss, die nach §  4 Abs.  2 Nr.  2 DRiG eine „zulässige Aufgabe[n] aus dem Bereich einer anderen Gewalt“ darstelle, mithin als zu­ lässige Ausnahme vom Gewaltenteilungsgrundsatz der Unabhängigkeitsgarantie anzusehen ist (Zitate S.  273). 107  So auch Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  13 f. 108  Eine Tendenz der Richterschaft zu einer gewissen beruflichen Grundhaltung, vor al­ lem in Bezug auf größtmögliche richterliche Freiheit resp. Unabhängigkeit, ist nicht von der Hand zu weisen. Vgl. R. Enzian, DRiZ 1974, S.  118 (120); W. Hassemer, DRiZ 1998, S.  391 (395). 109  So auch Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  13 ff. 110  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  11. – Zur demokratischen Legitimation siehe Kap.  2 C. I. 1.

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

gewisse strittige Tätigkeitsfelder im Grenzbereich zwischen diesen beiden Ge­ walten womöglich der Unabhängigkeitsgarantie des Art.  97 GG unterfallen und mithin als Judikativakt zu qualifizieren sind, kann darüber hinaus eine an den Rechtsprechungsbegriffen orientierte Herangehensweise zweckmäßig sein. Eine solche erweiterte Einordnung führt gerade im Bereich gerichtsverwalten­ der Aufgabenerfüllung, in dem es zu Funktionsüberschneidungen kommt, zu differenzierten Ergebnissen111. Falls zu diesem Zweck eine eindeutige Zuord­ nung der Tätigkeit anhand des materiellen Rechtsprechungsbegriffs nicht ge­ lingt, soll nach verbreiteter Auffassung112 der funktionelle Rechtsprechungs­ begriff herangezogen werden, sodass es im Ergebnis zu einer mehrstufigen Prü­ fung strittiger Tätigkeitsfelder kommt113. Im Fall der Geschäftsverteilung (§§  21a ff. GVG) kommt diese Vorgehensweise nach teilweise vertretener An­ sicht beispielsweise unter finaler Zuhilfenahme der Subtraktionsmethode zum gleichen Ergebnis wie die legitimatorische Vermutung zugunsten der Verwal­ tung, mithin einer Zuordnung zur Gerichtsverwaltung114. Richtigerweise sind die Fälle der richterlichen Selbstverwaltung jedoch differenziert zu betrachten: Bei der Geschäftsverteilung handelt es sich um einfach-gesetzlich weisungsfrei gestellte richterliche Tätigkeit, die zwar systematisch zur Gerichtsverwaltung gehören würde, allerdings der richterlichen Unabhängigkeit sowie der Garantie des gesetzlichen Richters unterworfen wird115. Deshalb bedarf sie – ebenso wie die originäre Rechtsprechungstätigkeit – einer demokratischen Legitimation, da sie den Organen der Rechtsprechung zugeordnet ist116. Die Erstellung des Ge­ 111 

Siehe auch Voßkuhle, Rechtsschutz (Fn.  1), S.  85 f. BVerfGE 103, 111 (136); siehe zur Kritik im Überblick vor allem D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  75 ff. 113  Gleichermaßen ging das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 116, 1 (10) kürzlich vor, als es entschied, dass die dem Richter vorbehaltene Bestellung des Insolvenzverwalters nicht in Ausübung rechtsprechender Gewalt geschieht, da die „Auswahlentscheidung […] nicht zu Rechtsprechung im materiellen Sinne [zählt], insbesondere lässt sie sich nicht dem traditionellen Kernbereich der Rechtsprechung zuordnen. Auch im funktionalen Sinn kann die Auswahl des Insolvenzverwalters nicht als Rechtsprechung angesehen werden“. Vgl. auch Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  91; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  13. 114 So M. C. G. Marquardt, Die Rechtsnatur präsidialer Geschäftsverteilungspläne gemäß §  21e GVG und der Rechtsschutz des Richters, 1998, S.  20 f.: „Weder formal noch funktional liegen Parameter von Rechtsprechung vor“ (Zitat S.  20); Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  14 f. 115 Vgl. Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  92. – Siehe zur Garantie des gesetzlichen Richters (vgl. Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG, §  16 GVG) Kap.  2 C. IV. 116  Teilweise wird sogar vertreten, dass von der Gerichtsverwaltung die zur Rechtspre­ chung zählenden Aufgaben der richterlichen Selbstverwaltung, welche dem Geltungsbereich des §  1 GVG unterfallen, ausgenommen sind. Siehe Schilken, Gerichtsverfassungsrecht 112 

A. Begriffliche Einordnung der Gerichtsverwaltung in Deutschland

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schäftsverteilungsplans ist demnach nicht als Tätigkeitsbereich der Gerichtsoder Justizverwaltung zu qualifizieren, sondern nimmt am Schutz der Unab­ hängigkeit teil (als richterliche Selbstverwaltungsangelegenheit)117. Die richter­ liche Unabhängigkeit schließt die Weisungsbefugnis des Dienstvorgesetzten im Übrigen weitgehend aus118. Vor allem im Bereich der richterlichen Selbstver­ waltung bereitet eine eindeutige Abgrenzung also nach wie vor Schwierigkei­ ten. Im Allgemeinen kann jedoch regelmäßig davon ausgegangen werden, dass strittige Aufgabenbereiche der vollziehenden Gewalt – mit Ausnahme der rich­ terlichen Selbstverwaltungsangelegenheiten – als Verwaltungsangelegenheit zuzuordnen sind. Für die präsidialen Geschäftsverteilungspläne sollte mit Blick auf die Modernisierung der Justiz und unter Effizienzgesichtspunkten mögli­ cherweise eine Anpassung der verfassungsrechtlichen Zuordnung erwogen wer­ den, um diesen organisatorischen Bereich der Rechtsprechungstätigkeit für Maßnahmen eines modernen Gerichtsmanagements zu öffnen119. II. Gerichtsverwaltung als Grenzgang zwischen Verwaltung und Rechtsprechung Ausgehend vom terminologischen Grundverständnis stellt sich die Gerichtsver­ waltung grundsätzlich als Grenzgang zwischen Judikative und Exekutive dar120. Sie ist von der Rechtsprechungstätigkeit abzugrenzen. Rechtsprechung ist im Kern jeder Organisationsgewalt irgendeines Dienstherrn oder Vorgesetzten ent­ zogen121. Umgekehrt unterfallen die Verwaltungsaufgaben, die den Gerichten als Behörden zugeteilt werden, nicht unter das „Rechtsprechungsmonopol“ des Art.  92 GG122. Als anerkannte Durchbrechungen des Gewaltentrennungsdog­ (Fn.  4), Rn.  251; Zimmermann (Fn.  4), §  1 GVG Rn.  8, 9; Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  86. – Für die Zuordnung der richterlichen Selbstverwaltung zur Rechtsprechung (etwas wider­ sprüchlich): Kissel/Mayer (Fn.  4), §  1 Rn.  34; tendenziell so auch Stern, Staatsrecht II (Fn.  11), S.  912 (Rechtsprechungsvorbereitung). 117 So M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht aller Verfahrenszweige, 6.  Aufl. 1987, S.  54, 136 ff.; im Ergebnis ähnlich Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  86, 92. 118  Zur notwendigen richterlichen Unabhängigkeit BVerfGE 17, 252 (256); siehe auch H.-J. Papier, NJW 1990, S.  8 (9); D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  40; W.-R. Schenke, JZ 2005, S.  116 (120); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  125; Hillgruber (Fn.  94), Art.  97 Rn.  20; Zimmermann (Fn.  4), §  21e GVG Rn.  6; Kissel/Mayer (Fn.  4), §  1 Rn.  26; ebda. §  12 Rn.  92. 119  Es bleiben Fragen der richterlichen Unabhängigkeit sowie der Garantie des gesetz­ lichen Richters zu klären, siehe dazu hier nur K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (244, 248 f.) und genauer in Kap.  5 B. III. 120  Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  117), S.  4 4 f.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  9 ff. 121  BVerfGE 38, 139 (151); vgl. auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  17 m. w. N.; H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1090); Detterbeck (Fn.  27), Art.  92 Rn.  14. 122 Vgl. Meyer (Fn.  9), Art.  92 Rn.  23; Hopfauf (Fn.  22), Art.  92 Rn.  36 f.

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

mas werden zwei Komplexe der Verwaltung der Judikative unterschieden: Die Verwaltung durch die Gerichte (1.) sowie die Verwaltung der Gerichte (2.)123. Gegenstand dieser Untersuchung ist vornehmlich die innere Organisation der Gerichte, die im Gegensatz zur Verwaltung durch die Gerichte auch im Rahmen rechtswissenschaftlicher Diskurse einen gewissen Stellenwert hat, da zumin­ dest gewissen Tätigkeiten im Rahmen der Gerichtsverwaltung Beeinflussungs­ möglichkeiten der eigentlichen Rechtsprechung innewohnen124. 1. Verwaltung durch Gerichte Die dritte Gewalt ist als Kompetenzinhaber zur Rechtserkenntnis und -überprü­ fung von der Rechtsfürsorge, der Freiwilligen Gerichtsbarkeit abzugrenzen so­ wie von der Gerichtsverwaltung und der Justizverwaltung zu unterscheiden125. Bei Verwaltungsaufgaben, die den Gerichten in Form der Rechtsfürsorge (a.) und im Rahmen der Justizverwaltung (b.) übertragen sind, handelt es sich um solche Tätigkeiten, die zunächst mit dem Gericht als Organisationseinheit nichts zu tun haben126. a) Rechtsfürsorge Im Rahmen der Rechtspflege im Sinne von Rechtsfürsorge handeln Richter als Vertreter des Staates zur Verwirklichung der ihnen aufgetragenen öffentlichen Interessen. Hierzu zählen etwa die Aufgaben im Bereich der Freiwilligen Ge­ richtsbarkeit127. Die Freiwillige Gerichtsbarkeit besteht als eigenständiger Zweig der ordentlichen Gerichtsbarkeit neben den bürgerlichen Streitigkeiten, der Ge­ richtsbarkeit in Familiensachen und den Strafsachen (§  13 GVG)128. §  1 FamFG setzt zwar den Begriff der „Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit“ voraus, eine Legaldefinition enthält die Norm allerdings nach einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers aufgrund der Unterschiedlichkeit der Verfah­ 123 

Diese Untergliederung geht findet sich bei F. Wittreck, BayVBl. 2005, S.  385 ff.; ders., Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  11 ff. sowie Meyer (Fn.  9), Art.  92 Rn.  23; siehe auch Wolf, Ge­ richtsverfassungsrecht (Fn.  117), S.  55. 124  Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  245 spricht bspw. in Bezug auf die Ordnungsprinzipien der Gerichtsorganisation von „einem engen Zusammenhang und zu­ gleich Spannungsverhältnis zu den Aufgaben der Rechtsprechung und Rechtspflege“; siehe dazu auch Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  117), S.  44 f., 45 f. 125  Vgl. im ersten Zugriff hier nur Meyer (Fn.  9), Art.  92 Rn.  23. 126  Im Gegensatz zur Gerichtsverwaltung handelt es sich hier um Aufgaben, die nicht in erster Linie das Funktionieren des Gerichts als Organisationseinheit sicherstellen sollen, ­siehe Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  11 f.; Meyer (Fn.  9), Art.  92 Rn.  23. 127  Vgl. ausführlich Smid, Rechtsprechung (Fn.  92), S.  397 ff.; siehe auch Meyer (Fn.  9), Art.  92 Rn.  23; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  44. 128 Siehe S. Pabst, in: T. Rauscher (Hrsg.), MüKo FamFG, 3.  Aufl. 2019, §  1 Rn.  1.

A. Begriffliche Einordnung der Gerichtsverwaltung in Deutschland

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rensgegenstände nicht129. Überwiegend wird der Begriff der Freiwilligen Ge­ richtsbarkeit durch eine rein formelle Definition ausgefüllt. Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit sind danach solche Materien, die vom Gesetz­ geber dem Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit konstitutiv unterstellt sind130. Dass hingegen ein umfassender materieller Definitionsansatz als un­ möglich zu verwirklichen gilt131, ist heute einhellige Meinung132. Nichtsdesto­ trotz wird teilweise eine Erweiterung des grundsätzlich rein formellen Begriffs der Freiwilligen Gerichtsbarkeit vertreten. Wenn der Gesetzgeber beispielswei­ se keine eindeutige gesetzliche Zuordnung vornimmt133, sind auch solche Sach­ bereiche als Freiwillige Gerichtsbarkeit anzuerkennen, die dem materiellen Be­ griff untergeordnet werden können134, es sei denn, sie wurden vom Gesetzgeber ausdrücklich einer anderen Gerichtsbarkeit zugewiesen135. 129  Vgl. hierzu BT-Drucks. 16/6308, S.  175: „Was Angelegenheiten der freiwilligen Ge­ richtsbarkeit sind, […] wird daher allein durch die Zuweisung kraft Gesetzes bestimmt“. Die in §  23a GVG erfolgte Definition der Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ent­ faltet aus diesem Grund auch keine über §  23a Abs.  2 Nr.  2 GVG hinausgehende Wirkung, siehe BT-Drucks. 16/6308, S.  397; Pabst (Fn.  128), §  1 Rn.  6; U. Bumiller/D. Harders/ W. Schwamb, FamFG, 12.  Aufl. 2019, §  1 Rn.  4. – Zu einer historischen Aufarbeitung des Begriffs siehe W. Sternal, in: T. Keidel u. a. (Hrsg.), FamFG, 19.  Aufl. 2017, §  1 Rn.  10. 130  So enthält §  23a Abs.  2 GVG enumerativ aufgezählte Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit. Siehe näher auch Sternal (Fn.  129), §  1 Rn.  13; Pabst (Fn.  128), §  1 Rn.  8; M. Schöpflin, in: K. Schulte-Bunert/G. Weinreich (Hrsg.), FamFG-Kommentar, 6.  Aufl. 2019, §  1 Rn.  3. Was zu den Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit gehört, ist abschlie­ ßend aufgrund der Vielzahl der teilweise sehr unterschiedlichen Angelegenheiten zwar nicht bestimmbar (vgl. BT-Drucks. 16/6308, S.  175), allerdings findet sich eine sehr umfassende Auflistung bei Bumiller/Harders/Schwamb (Fn.  129), §  1 Rn.  6 f. sowie Sternal a. a. O., §  1 Rn.  24 ff. Siehe weiterhin H. Prütting, in: ders./T. Helms, FamFG-Kommentar, 4.  Aufl. 2018, Einl. Rn.  52, §  1 Rn.  3. 131  In der Wissenschaft gab es lange Zeit Versuche, eine Definition der Freiwilligen Ge­ richtsbarkeit ohne Rückgriff auf die gesetzliche Zuweisung zu finden. Eine Zusammenstel­ lung dieser verschiedenen Versuche findet sich bei J. Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit und Notarrecht, 1968, S.  27 ff.; W. J. Habscheid/F. Lent, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 7.  Aufl. 1983, S.  20 ff.; Sternal (Fn.  130), §  1 Rn.  12. 132  So bereits J. Bärmann, AcP 154 (1955), S.  373 (378, 418); Habscheid/Lent, Gerichts­ barkeit (Fn.  131), S.  22; Pabst (Fn.  128), §  1 Rn.  10 ff.; Sternal (Fn.  130), §  1 Rn.  12; vgl. dazu auch BGHZ 6, 248 (254). 133  Bspw. wird die Bewilligung der öffentlichen Zustellung einer Willenserklärung (§  132 Abs.  2 S.  2 BGB) zur oder die Veröffentlichung der Kraftloserklärung einer Vollmachts­ urkunde (§  176 Abs.  2 BGB) unstreitig als eine Angelegenheit der Freiwilligen Gerichtsbar­ keit behandelt, obwohl eine klare Zuweisung gerade nicht zu erkennen ist. Beispiele nach Sternal (Fn.  130), §  1 Rn.  17. 134  So weit wohl bereits J. Goldschmidt, Zivilprozessrecht, 2.  Aufl. 1932, S.  68; W. Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 4.  Aufl. 2014, §  1 Rn.  8, 11 f.; Pabst (Fn.  128), §  1 Rn.  18. 135 Auch wenn Angelegenheiten materiell der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzuordnen sind, können diese vom Gesetzgeber einer anderen Gerichtsbarkeit zugewiesen werden. So

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

Mit Blick auf das Rechtsprechungsmonopol des Art.  92 GG stellt sich die Frage, ob die Freiwillige Gerichtsbarkeit als Rechtsprechung anzusehen ist136. Ihrem sachlichen Gehalt nach ist die Freiwillige Gerichtsbarkeit zwar keine Rechtsprechung im materiellen Sinne, sie wird jedoch unter Berücksichtigung formeller Aspekte als Rechtsprechung i. S. d. Art.  92 GG angesehen137. Recht­ sprechung und Literatur sind sich im Wesentlichen darüber einig, dass es dem Gesetzgeber letztlich unbenommen ist, den Gerichten weitere Aufgaben zu übertragen. Dies ist im Hinblick auf die Zivilgerichte mit der Freiwilligen Ge­ richtsbarkeit geschehen138. Als Konsequenz der Zugehörigkeit zur Recht­ sprechung im formellen Sinne gelten auch für das Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit die Art.  97 und 101 Abs.  1 S.  2 GG139. Zu beachten bleibt al­ lerdings, dass es nicht zu einer Überfrachtung der dritten Gewalt mit Aufgaben der Freiwilligen Gerichtsbarkeit kommen darf. Zum einen ist die Leistungs­ fähigkeit des originären Rechtsprechungsbetriebs zuoberst schützenswert, zum anderen muss ein Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung140 gewahrt bleiben141. war bis zum 1.9.2009 das Aufgebotsverfahren (nunmehr §§  433 ff. FamFG) in den §§  946 ff. ZPO als Teil der streitigen Gerichtsbarkeit geregelt, obwohl es materiell als Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit anerkannt wurde. Siehe D. Eickmann, in: Krüger/Rauscher, MüKo ZPO (Fn.  4), §  946 Rn.  2 m. w. N. 136  Vgl. zu dieser Frage im ersten Zugriff Bärmann, Gerichtsbarkeit (Fn.  131), S.  33 ff.; L. Kroiß, Ausgewählte Zuständigkeitsprobleme der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1992, S.  11 ff.; Brehm, Gerichtsbarkeit (Fn.  134), §  1 Rn.  26. 137  So ganz herrschend: BVerfGE 21, 139 (145); 22, 29 (78); K. A. Bettermann, Die Unab­ hängigkeit der Gerichte und der gesetzliche Richter, in: ders./H. C. Nipperdey/U. Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte. Handbuch der Theorie und Praxis der Grundrechte, Bd.  III/2, 2.  Aufl. 1972, S.  523 (541); Lorenz, Rechtsschutz (Fn.  10), S.  199; Wolf, Gerichtsverfassungs­ recht (Fn.  117), S.  56; Kroiß, Zuständigkeitsprobleme (Fn.  136), S.  24 ff.; Wittreck, Verwal­ tung (Einl., Fn.  9), S.  13; Hillgruber (Fn.  5), Art.  92 Rn.  56; Schmidt-Räntsch (Fn.  36), §  25 Rn.  10; Sternal (Fn.  130), §  1 Rn.  21; Kissel/Mayer (Fn.  4), §  1 Rn.  41. 138  Aus dem Kreis der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung hierzu: BVerfGE 21, 139 (144); 64, 175 (179); 76, 100 (106). Das Schrifttum teilt diese Ansicht, vgl. Hillgruber (Fn.  5), Art.  92 Rn.  58; Sternal (Fn.  130), §  1 Rn.  21. Für die Verwaltungsgerichtsbarkeit schließt §  39 VwGO explizit aus, dass den Gerichten abgesehen von gerichtsverwaltenden Tätigkeiten weitere Aufgaben zugewiesen werden. 139  BVerfGE 21, 139 (145); 22, 49 (78); Sternal (Fn.  130), §  1 Rn.  21; Hillgruber (Fn.  5), Art.  92 Rn.  60; T. Maunz, in: ders./G. Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art.  101 (1976), Rn.  11. 140  Trotz einhelliger Zuordnung der Freiwilligen Gerichtsbarkeit zur Rechtsprechung i. S. v. Art.  92 GG ist zumindest auch anerkannt, dass es „sich bei der Tätigkeit der Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit zumindest in deren klassischem Anwendungsbereich um ‚Verwaltungstätigkeit in justizieller Form‘ [handele]“, so Herzog (Fn.  36), Art.  92 Rn.  53. 141  Siehe zu den Grenzen der Übertragbarkeit von anderen Aufgaben als der Rechtspre­ chung Hillgruber (Fn.  5), Art.  92 Rn.  59; vgl. hierzu auch BVerfGE 64, 175 (177).

A. Begriffliche Einordnung der Gerichtsverwaltung in Deutschland

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b) Justizverwaltung Die Gerichtsverwaltung als primär innere Organisationseinheit ist von der Jus­ tizverwaltung abzugrenzen, mit der eine Außenwirkung gegenüber dem Bürger verbunden ist142. Innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit wurden viele Ange­ legenheiten der Gerichtsverwaltung früher noch als Justizverwaltung bezeich­ net, jedoch ersetzte der Entwurf des DRiG vom 9. Juli 1958 in §  4 Abs.  2 diese Bezeichnung durch den Ausdruck „Gerichtsverwaltung“, um damit einen ein­ heitlichen weiten Begriff für alle Gerichtszweige einzuführen143. Häufig werden die Begriffe der Gerichtsverwaltung und der Justizverwaltung in irreführender Weise synonym verwendet144. Insgesamt zeigt dieser Umstand bereits die prin­ zipielle Unschärfe des Begriffes der Justizverwaltung, der aufgrund seines un­ terschiedlichen Gebrauchs und seiner Mehrdeutigkeit an dieser Stelle einer Dif­ ferenzierung bedarf145. Eine einhellige Definition existiert auch für den Bereich der Justizverwaltung nicht, aufgrund der Nähe zur Gerichtsverwaltung ist eine trennscharfe Abgrenzung gleichwohl umso wichtiger. Es werden – vor allem in der Literatur – unterschiedliche Ansätze zur Begriffsbestimmung verwendet146. Fraglich ist, welcher der Ansätze für die vorliegende Arbeit am zweckmäßigs­ 142 

Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  117), S.  55; F. Weiss, Zielvorgaben für die Justiz­ verwaltung – Intention und Wirklichkeit, in: Der Rechtspfleger und die Justizverwaltung, Evangelische Akademie Bad Poll, Protokolldienst 13/90, S.  17 (17); K. F. Röhl, JZ 2002, S.  838 (840); F. Wittreck, BayVBl. 2005, S.  385 (386); ders., Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  11 ff.; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  254 ff.; Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  85. 143  Vgl. BT-Dr 3/516, S.  33: „Der Begriff ‚Gerichtsverwaltung‘ wird in einem weiten Sinn verwandt. Er umfaßt nicht nur die Bereitstellung der sachlichen und persönlichen Mittel für die Tätigkeit der Gerichte, sondern auch alle anderen Verwaltungsaufgaben, die den Gerich­ ten übertragen sind, wie die Erteilung von Genehmigungen, die Wahrnehmung von Auf­ sichtsrechten, den Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland“; siehe auch Schmidt-Räntsch (Fn.  36), §  4 Rn.  30. 144  Vgl. zum uneinheitlichen Gebrauch der Begriffe „Justizverwaltung“ und „Gerichts­ verwaltung“ unter Berücksichtigung des Problems der Bearbeitung von Dienstaufsichts­ beschwerden BGH NJW 1988, S.  417 (417 f.); OVGE 47, 280 (287); D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  40; Zimmermann (Fn.  4), §  1 GVG Rn.  12 f.; Schmidt-Räntsch (Fn.  36), §  4 Rn.  30 ff.; ­Kissel/Mayer (Fn.  4), §  1 Rn.  26, 87, §  12 Rn.  84 ff.; mit Kritik an der ungenauen und mehr­ deutigen Terminologie W. Fürst, in: ders. (Hrsg.), GKÖD, Bd.  I /4, §  4 (1989), Rn.  40. Von „Justizverwaltung“ i. S. d. §  4 Abs.  2 Nr.  1 DRiG spricht irreführenderweise auch Detterbeck (Fn.  27), Art.  92 Rn.  14. 145 Zur Mehrdeutigkeit eingehend: H. K. J. Ridder, Empfiehlt es sich, die vollständige Selbstverwaltung aller Gerichte im Rahmen des Grundgesetzes gesetzlich einzuführen?, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des 40. Deutschen Juristentages Hamburg 1953, Bd.  I 1953, S.  91 (96 ff.); siehe dazu auch F. Wittreck, BayVBl. 2005, S.  385 (385); ders., Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  13; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  249 ff. 146  Siehe im ersten Zugriff nur Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  13 ff.

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

ten erscheint. In Betracht kommt sowohl ein materielles Begriffsverständnis (aa.) als auch eine formell-institutionelle Herangehensweise (bb.). aa) Justizverwaltung in materieller Perspektive Es empfiehlt sich zunächst eine terminologische Annäherung an den Begriff der Justizverwaltung, indem man perspektivisch von den jeweiligen Verwal­ tungsaufgaben ausgeht, mithin inhaltlich den Tätigkeitsbereich der Justizver­ waltung umreißt. Dabei wird überwiegend eine enge Abgrenzung der Justiz­ verwaltung verwendet (1), früher wurde der Begriff allerdings verallgemeinernd gebraucht (2). (1) Enges Verständnis der materiellen Justizverwaltung Vor allem in der neueren Literatur wird die begriffliche Eingrenzung der Justiz­ verwaltung im materiellen Sinne vorgenommen. Danach ist Justizverwaltung die Verwaltungstätigkeit von Gerichten sowie Justizbehörden mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber dem Bürger außerhalb eines anhängigen gerichtli­ chen Verfahrens, für die im Übrigen der Rechtsschutz nach §§  23 ff. EGGVG gewährt wird147. Als Justizverwaltungsmaßnahmen sind zumindest solche Tä­ tigkeiten einzustufen, die offenkundig nicht zur Rechtsprechungsverwaltung gehören, da sie in keinerlei Verbindung zur materiellen Rechtsprechung stehen bzw. keinen Bezug zur Rechtsprechungsorganisation „Gericht“ haben148. Auf­ gaben der Justizverwaltung werden dementsprechend auch nicht in richterlicher Unabhängigkeit ausgeführt, es handelt sich stattdessen um weisungsgebundene Verwaltungstätigkeit, selbst wenn sie von Richtern erledigt wird149. Die Justiz­ verwaltung als Bestandteil der Verwaltung nimmt zwar auf der einen Seite in ihrer Funktion als Dienstleister Aufgaben für die rechtsprechende Gewalt wahr, sie muss aber auf der anderen Seite als Teil der Exekutive auch politische Belan­ ge berücksichtigen bzw. mittragen und dementsprechend agieren – diesbezüg­ 147 

Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  117), S.  55; Schmidt-Räntsch (Fn.  36), §  4 Rn.  16; K. F. Röhl, JZ 2002, S.  838 (840); Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  85, 106. 148  Stern, Staatsrecht II (Fn.  11), S.  902 mit einigen Beispielen; Wolf, Gerichtsverfassungs­ recht (Fn.  117), S.  55; siehe auch Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  254; Meyer (Fn.  9), Art.  92 Rn.  23; Zimmermann (Fn.  4), §  1 GVG Rn.  12 f. 149 Vgl. Herzog (Fn.  36), Art.  92 Rn.  60; Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  117), S.  55; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  14; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  257; Schmidt-Räntsch (Fn.  36), §  4 Rn.  14 ff., §  25 Rn.  9; Detterbeck (Fn.  27), Art.  92 Rn.  14; Jarass/Pieroth (Fn.  5), Art.  92 Rn.  12; Kissel/Mayer (Fn.  4), §  1 Rn.  26, 41; Schulze-­ Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  47; P. Stelkens, in: F. Schoch/J.-P. Schneider/W. Bier (Hrsg.), VwGO-Kommentar, §  38 (2019), Rn.  12.

A. Begriffliche Einordnung der Gerichtsverwaltung in Deutschland

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lich kann es durchaus zu einer Konfrontation zwischen exekutiven und judika­ tiven Interessen kommen150. In den Bereich der materiellen Justizverwaltung werden insgesamt äußerst viel­ fältige Maßnahmen eingeordnet, die allerdings kaum zu systematisieren sind151. Im Großen und Ganzen herrscht über die Einordnung der meisten Tätigkeitsfelder Einigkeit. Hingegen wird die Bearbeitung von Dienstaufsichtsbeschwerden teil­ weise kontrovers diskutiert und je nach Standpunkt als Aufgabe der Gerichts-152 oder Justizverwaltung153 eingeordnet. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es sich bei den Aufgaben der Justizverwaltung nach dem materiellen Ver­ ständnis um Aufgaben der öffentlichen Verwaltung handelt, die schließlich aber aus Erwägungen der Zweckmäßigkeit, aus Gründen der Sachkunde oder aus ei­ nem Traditionsgedanken bzw. aufgrund eines anderen inneren Zusammenhangs zur Judikative den Gerichten übertragen werden154. Es handelt sich hierbei um ein enges Verständnis der Justizverwaltung im materiellen Sinne, welches als „Ge­ genbegriff zur Gerichtsverwaltung“ dieser Arbeit zugrunde gelegt wird155. (2) Verallgemeinerndes Verständnis der materiellen Justizverwaltung Ein veraltetes Begriffsverständnis legt darüber hinaus einen weiten materiellen Maßstab zur Bestimmung dessen zugrunde, was als Justizverwaltung zu gelten habe156. Diese Kombination aus Justiz- und Gerichtsverwaltung überträgt ab­ 150 

T. Schulte-Kellinghaus, NJW 2004, S.  477 (477). Es handelt sich u. a. bei folgenden Tätigkeiten um Angelegenheiten der Justizverwal­ tung: Die Befreiung vom Ehefähigkeitszeugnis für Ausländer nach §  1309 Abs.  2 S.  1 BGB, die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen nach §  107 Abs.  2 S.  1 FamFG, die Gestattung mündlichen Verhandelns vor Gericht bzw. die Zulassung von Prozessagenten nach §  157 Abs.  3 ZPO, die Gewährung von Akteneinsicht nach §  299 ZPO, die Bestellung und Beeidigung von Dolmetschern gem. §  189 Abs.  2 GVG. Siehe ausführlich die Auflistun­ gen bei Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  14 sowie Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  254 und Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  108 ff. Vgl. beispielhaft (an anhand eines Falles zur Verweigerung der Akteneinsicht in Verwaltungsvorgänge der Justizverwaltung) den schmalen Grat der Einordnung bei OLGZ 1988, 49 (50 f.). 152  Differenzierend Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  129. 153  Aufgrund der ihr innewohnenden Außenwirkung ist eine Zuordnung zur Justizver­ waltung überzeugender, so auch Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  117), S.  55; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  14; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  254. 154  Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  254; P. Stelkens/N. Panzer, in: Schoch/ Schneider/Bier, VwGO (Fn.  149), §  1 (2013), Rn.  31; Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  106. Durch diese Übertragungen werden die entsprechenden Aufgaben nicht auch zu einem Teil der Rechtsprechung, vgl. bereits RGZ 82, 39 (43). 155  Ähnlich auch bei F. Wittreck, BayVBl. 2005, S.  385 (385); ders., Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  13, 15. 156  So sprach der mit Wirkung vom 25.4.2006 aufgehobene §  4 EGGVG in Satz  1 der alten 151 

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

gesehen von der Freiwilligen Gerichtsbarkeit alle Verwaltungsaufgaben auf Or­ gane der Exekutive und Judikative157. Ein solch extensives Verständnis von den Aufgaben der Justizverwaltung kann eine Abgrenzung kann eine Abgrenzung zu den Tätigkeitsbereichen der Gerichtsverwaltung nicht herbeiführen und soll daher dieser Arbeit explizit nicht zugrunde gelegt werden. bb) Justizverwaltung in formell-institutioneller Perspektive Unter dem Begriff der Justizverwaltung im formellen bzw. institutionellen Sin­ ne werden herkömmlicherweise die gerichtsverwaltenden Organe unterhalb der Ebene von Gesetzgeber oder Tarifvertragsparteien verstanden158. Die Perspek­ tive der formell-institutionellen Betrachtungsweise widmet sich der Justiz­ verwaltung ausgehend von der „Justiz als Apparat“159 als Gesamtorganisation. Daher versteht man insofern unter der Justizverwaltung die Gesamtheit der Be­ schäftigten und für die Verwaltung der ordentlichen Gerichte zuständigen Mi­ nisterien und Richter160. Die jeweiligen Zuständigkeitsbestimmungen bzw. Zu­ weisungen legen fest, durch welches Organ die verschiedenen Einzelaufgaben der Justizverwaltung im formellen Sinne ausgeübt werden (z. B. Haushalts­ gesetzgeber, Regierung, Ministerium oder die ihm nachgeordneten Behörden bzw. Instanzen der Justizverwaltung wie der Gerichtspräsident)161.

Fassung noch verallgemeinernd von „Geschäften der Justizverwaltung“, ebenso die ältere Vorschrift des §  13 GVVO. Zur historischen Bedeutung von §  4 EGGVG a. F. siehe Kissel/ Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  85, §  4 EGGVG Rn.  1 ff. Aus der älteren Literatur vgl. F. Riß, DRiZ 1915, Sp.  520 (525 f.); Jellinek, Verwaltungsrecht (Fn.  49), S.  11; E. Kern, DRiZ 1956, S.  214 (218 f.); A. Sträter, Die Dritte Gewalt, 1964, Nr.  6, S.  1 (1); K. E. Claussen, Justizverwaltung 1867–1918, in: K. G. A. Jeserich u. a. (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd.  III, 1984, S.  452 (452); A. v. Arnauld, AöR 124 (1999), S.  658 (667 ff.); Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Ver­ waltungsrecht (Fn.  19), §  20 Rn.  54. 157 So F. Wittreck, BayVBl. 2005, S.  385 (386); ders., Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  16; Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  90. 158  Eine allgemeine Verteilung der Zuständigkeiten der Gerichtsverwaltung lässt sich nicht bestimmen, vgl. Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  15; Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  87. 159  So die Zusammenfassung von F. Wittreck, BayVBl. 2005, S.  385 (389). 160  F. Wittreck, BayVBl. 2005, S.  385 (386); ders., Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  15; Kissel/ Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  85; vgl. auch Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  257. Man kann insofern auch von Justiz als „organisatorisch-ressortmäßigem“ Begriff sprechen, da alle Behörden unter diesen Bereich fallen, die typischerweise dem Justizministerium un­ terstehen, so Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht (Fn.  19), §  20 Rn.  46. 161  Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  117), S.  57; H. Schnellenbach, NJW 1989, S.  2227 (2277); Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  257; Schmidt-Räntsch (Fn.  36), §  4 Rn.  30; Stelkens/Panzer (Fn.  154), §  1 Rn.  30; Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  89, 107.

A. Begriffliche Einordnung der Gerichtsverwaltung in Deutschland

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2. Verwaltung der Gerichte Die Verwaltung der Gerichte ist das zentrale Thema der vorliegenden Arbeit. Ausgangspunkt ist die deutsche Gerichtsverwaltung, deren begriffliche und rechtliche Grundzüge hier nun dargestellt werden sollen. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf den gerichtsverwaltenden Tätigkeiten i. S. d. §  4 Abs.  2 Nr.  1 DRiG (a.), welche dem Rechtsprechungsmonopol nicht unterliegen, wohingegen die Aufgaben richterlicher Selbstverwaltung (b.) weisungsfrei durchgeführt werden162. a) „Gerichtsverwaltung“ Neben einer rein abstrakten begrifflichen Bestimmung der Gerichtsverwaltung (aa.) sorgt insbesondere die Zuordnung einzelner Bereiche gerichtsverwaltender Tätigkeit (bb.) für Klarheit in der Zuordnungsproblematik. aa) Begriff und Inhalt der Gerichtsverwaltung Die §§  4 Abs.  2 Nr.  1 und 42 DRiG erlauben dem Richter die Wahrnehmung von Aufgaben der Gerichtsverwaltung im Sinne einer gewaltenüberschneidenden Nebentätigkeit – nicht aber einer sonstigen Verwaltungstätigkeit163. In termino­ logischer Hinsicht wird der Begriff der „Gerichtsverwaltung“ einhellig aufge­ griffen und gemeinhin verwendet164. Sie wird als die Gesamtheit der verwalten­ den Aufgaben zusammengefasst, welche die für die Gerichte zur adäquaten Durchführung von Rechtsprechung und Justizverwaltung notwendigen sach­ lichen, organisatorischen und personellen Mittel bereitstellen und aufrechter­ halten165. Gerichtsverwaltung sorgt innerorganisatorisch für ein reibungsloses 162 Siehe

Meyer (Fn.  9), Art.  92 Rn.  23. Dieser Grundsatz findet sich schon in §  4 S.  2 EGGVG. Er ist vom Bundesverfassungs­ gericht gebilligt worden (Beschl. vom 9. November 1955 – BVerfGE 4, 331 [347]) und wird jetzt für alle Gerichtszweige übernommen. Siehe BT-Dr 3/516, S.  33. 164  Stern, Staatsrecht II (Fn.  11), S.  902 f. verwendet stattdessen, aber bedeutungsgleich den Begriff der „Rechtsprechungsverwaltung“ – das Aufgabenfeld der Verwaltung der Ge­ richte reicht aber über eine bloße Verwaltung der materiellen Rechtsprechungstätigkeit hin­ aus, weil schließlich die Gerichtsverwaltung durch Bereitstellung materieller und personeller Mittel für die Rechtsprechungsorgane die Rechtsprechung an sich erst ermöglicht. Meyer (Fn.  9), Art.  92 Rn.  8 sprach in der Vorauflage ähnlich auch noch etwas despektierlich von „gerichtlicher Hilfsverwaltung“. D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  40 verwendet die Terminolo­ gie der „Intendanturverwaltung“, und differenziert darüber hinaus nicht sauber zwischen Gerichts- und Justizverwaltung. 165  Siehe bereits Peters, Lehrbuch (Fn.  54), S.  236; E. Kern, DRiZ 1956, S.  214 (218). Weiter­ hin Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  117), S.  53; D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  40; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  250; Schulze-Fielitz, Eigenständigkeit (Fn.  63), Rn.  38; 163 

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

Funktionieren der Rechtsprechung, ohne dabei den Bürger unmittelbar zu tan­ gieren. Sie hat das „Rechtspflegeorgan zum Objekt“166. Es handelt sich ferner um Exekutivaufgaben, welche nicht der rechtsprechenden Tätigkeit als solcher zugeordnet werden167 und den Gerichten mithin nicht als Organen der Recht­ sprechung zugewiesen sind168. Die Gerichtspräsidenten sind Verwaltungsbe­ hörden, soweit sie die ihnen zugewiesenen Aufgaben der Gerichtsverwaltung wahr­ nehmen, hinsichtlich derer eine Weisungsabhängigkeit besteht169. Der Richter agiert in diesem Zusammenhang als „Verwaltungsorgan des Staates“ in Verwirklichung der von diesem formulierten Allgemeininteressen170. Gerichte und Richter handeln insofern als weisungsabhängige Amtswalter in einer hier­ archischen Organisationsstruktur, die schließlich auf einen Minister bzw. Sena­ tor an der Spitze zuführt. Es wird in diesem Zusammenhang auch vom „inner­ staatlichen Charakter der Gerichtsverwaltung“ gesprochen171. Die Verwaltung der Gerichte wirkt daher auch im Gegensatz zur Justizverwaltung im engen materiellen Sinne nur innerhalb des Gerichtsaufbaus und entfaltet mithin keine Außenwirkung172. bb) Bereiche gerichtsverwaltender Tätigkeit Die Verwaltung der Gerichte sorgt dafür, dass die für die Funktionsfähigkeit und den reibungslosen Ablauf der Rechtsprechung notwendig erachteten finan­ ziellen und sachlichen Ressourcen vorhanden sind, die zu der Rechtsprechung einen sachlichen Bezug haben173. Die Tätigkeitsfelder der Gerichtsverwaltung an deutschen Gerichten sind mannigfaltig und zahlreich. Konkret kann man Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  19 f.; Zimmermann (Fn.  4), §  1 GVG Rn.  6; Hopfauf (Fn.  22), Art.  92 Rn.  36; Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  85; Stelkens (Fn.  149), §  38 Rn.  8, 10. 166  Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  20; Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  85. 167  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  16; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  250; Jacobs (Fn.  4), §  1 GVG Rn.  8; Zimmermann (Fn.  4), §  1 GVG Rn.  7; Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  85. 168  Zimmermann (Fn.  4), §  1 GVG Rn.  7; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  250; Jacobs (Fn.  4), §  1 GVG Rn.  8; Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 GVG Rn.  85. 169  Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht (Fn.  19), §  20 Rn.  45, §  45 Rn.  27. – Siehe zum Gerichtspräsidenten als Organ der Gerichtsverwaltung unten Kap.  4 A. II. 2. a) bb) (1). 170  Meyer (Fn.  9), Art.  92 Rn.  23. 171  Prägnant hierzu Schulze-Fielitz, Eigenständigkeit (Fn.  63), Rn. Rn.  38. 172  Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  117), S.  54; F. Wittreck, BayVBl. 2005, S.  385 (385); ders., Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  11; Schmidt-Räntsch (Fn.  36), §  4 Rn.  16; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  19; Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  85. 173 Vgl. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  117), S.  53; D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  40; Schmidt-Räntsch (Fn.  36), §  4 Rn.  30; Schulze-Fielitz, Eigenständigkeit (Fn.  63), Rn.  38.

A. Begriffliche Einordnung der Gerichtsverwaltung in Deutschland

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zunächst übersichtshalber die Personal-, Infrastruktur-, Ablauf- sowie die Fi­ nanz- und Haushaltsverwaltung nennen174. Im Bereich der Sachmittel zählen hierzu zum Beispiel die Bereitstellung, Organisation und Renovierung von Ge­ bäuden und Räumen sowie deren Inventar und Zubehör (Inneneinrichtung, Mo­ biliar usw.)175. Überdies ist auch das Beschaffen der erforderlichen Arbeits- und Kommunikationsmittel (wie Schreibgeräte und Bürobedarf aller Art) sowie der Dienstfahrzeuge zur Sachmittelbeschaffung zu rechnen176. Des Weiteren zählt zur Gerichtsverwaltung generell die Verwaltung und die Renovierung von Dienstgebäuden sowie die Administration der Bibliotheken und Dokumenta­ tionsstellen177. Im Bereich personeller Verwaltung gehören zur Verwaltung der Gerichte zunächst aus der Natur der Sache der Gerichtsverwaltung heraus die gesamte Personalverwaltung wie Ernennung, Einstellung, Entlassung, Verset­ zung und Beförderung sowie Disziplinargewalt in Bezug auf sämtliches Ge­ richtspersonal – hierzu zählen sämtliche Richter, Beamte sowie Angestellte der Gerichtsbarkeit178. Im Bereich der Personalverwaltung nimmt die Dienstauf­ sicht (soweit diese vom Gericht und nicht beispielsweise vom Ministerium durchgeführt wird) einen hohen Stellenwert ein. Ferner obliegt dem Richter im Rahmen seiner Nebentätigkeit in der Gerichtsverwaltung die Aus- und Fortbil­ dung der Referendare und des Justizpersonals179. Da der Begriff der Gerichtsverwaltung in einem „weiten“ Sinne verstanden wird, zählen hierzu auch alle anderen Verwaltungsaufgaben, die den Gerichten übertragen sind180 – so die Erteilung von Genehmigungen und die Wahrneh­ 174 

Eingehend hierzu Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  266 ff.; siehe im Detail zu den einzelnen Bereichen Kap.  4 A. III. 175  So auch D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  40; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  251; Meyer (Fn.  9), Art.  92 Rn.  23; Hopfauf (Fn.  22), Art.  92 Rn.  36; Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  86. 176 Ähnlich Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  117), S.  54; D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  40; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  251. 177  Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  251 f.; J.-F. Staats, DRiG-Kommentar, 2012, §  4 Rn.  13; Meyer (Fn.  9), Art.  92 Rn.  23; Hopfauf (Fn.  22), Art.  92 Rn.  36. 178  Vgl. mit dem Hinweis auf die Einschränkung der Personalverwaltung, die sich aus der Gewährleistung der richterlichen Unabhängigkeit ergibt, Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  117), S.  54; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  251; Minkner, Gerichtsverwal­ tung (Einl., Fn.  7), S.  20; Hopfauf (Fn.  22), Art.  92 Rn.  36; Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  86. 179 Zur Ausbildung des oder der einem Richter zugewiesenen Referendare vgl. BGH, DRiZ 1989, 462 f.; DGH Hamm, DRiZ 1974, 232 f.: „Die Leitung der Ausbildung ist nach §  21 JAG dem Oberlandesgerichtspräsidenten übertragen. Damit ist sie als Gegenstand der Justizverwaltung gekennzeichnet“; Ähnlich auch Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  117), S.  54; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  251; Schmidt-Räntsch (Fn.  36), §  4 Rn.  30; Hopfauf (Fn.  22), Art.  92 Rn.  36. 180  Vgl. BT-Dr 3/516, S.  33.; siehe auch Schmidt-Räntsch (Fn.  36), §  4 Rn.  30.

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

mung von Aufsichtsrechten181. Außerdem unterfallen dem Aufgabenfeld der Gerichtsverwaltung ganz allgemein die Regelung und die konkrete Durchfüh­ rung des Dienstbetriebes bzw. die Organisation der Arbeitsabläufe (durch Ak­ tenordnung, Geschäftsbestimmungen und Bereitstellung von Vordrucken usw.) sowie die Zuteilung der Sitzungssäle182. Unter die Regelung des Dienstbetriebes fallen zahlreiche organisatorische Maßnahmen, so ist beispielhaft auf die ab­ strakte Einrichtung von Spruchkörpern nach dem gesetzgeberischen Haushalts­ plan hinzuweisen sowie auf das Haushalts- und Kassenwesen. Die Erstellung und Pflege von Statistiken und Erhebungen zu Erledigungszahlen stellt ein in­ zwischen wichtiges Feld der Gerichtsverwaltung dar183. Ebenso werden in die­ sem Zusammenhang Stellungnahmen an das Ministerium zu Gesetzesentwür­ fen verfasst184, und es erfolgt die Amtshilfe der Gerichte gegenüber anderen Behörden (Art.  35 GG)185. Die Gerichtsverwaltung ist ferner verantwortlich für IT-Fragen sowie für die Erstellung vorbereitender Gutachten zu Verwaltungs­ fragen. Hinzu kommt weiterhin die Vertretung des Gerichts nach außen und fachliche sowie protokollarische Repräsentation, außerdem die Bearbeitung von Eingaben der Bürger186. Im Bereich der Hausverwaltung ist die Ausübung des Hausrechts ein wesentlicher Aspekt187. Nicht zur Gerichtsverwaltung in diesem Sinne gehört zum Beispiel die Be­ aufsichtigung der Klausuren in der ersten juristischen Staatsprüfung. Unterricht und Prüfungsverfahren im Rahmen der Ausbildung des juristischen Nachwuch­ ses sind insofern mangels Eingliederung der zu Prüfenden in die Justiz der Jus­ 181 

Schmidt-Räntsch (Fn.  36), §  4 Rn.  30. Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  251; Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  86; Stelkens (Fn.  149), §  38 Rn.  10. 183 Vgl. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  117), S.  54; Schilken, Gerichtsverfassungs­ recht (Fn.  4), Rn.  251; Schmidt-Räntsch (Fn.  36), §  4 Rn.  30; Staats (Fn.  177), §  4 Rn.  13; Kissel/­Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  86. 184 Siehe Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  251. 185  Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  252; Meyer (Fn.  9), Art.  92 Rn.  23; R. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG (Fn.  11), Art.  35 Rn.  11 ff.; Hopf­auf (Fn.  22), Art.  92 Rn.  36; D. Hömig, in: ders./H. A. Wolff (Hrsg.), GG-Kommentar, 12.  Aufl. 2018, Art.  35 Rn.  2; Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  86. 186  Meyer (Fn.  9), Art.  92 Rn.  23; Hopfauf (Fn.  22), Art.  92 Rn.  36. 187  Die Aufrechterhaltung der Ordnung gehört indes nur zum Bereich gerichtsverwalten­ der Tätigkeit im Sinne des Hausrechts, sofern nicht im eigentlichen Sinne die Ordnungsge­ walt dem vorsitzenden Richter als sog. Sitzungspolizei gehört oder bspw. durch die Wahrung des Hausrechts der Öffentlichkeitsgrundsatz tangiert wäre. Siehe hierzu Wolf, Gerichtsver­ fassungsrecht (Fn.  117), S.  54; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  251; Kissel/ Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  86, 93. – Zum empfindlichen Bereich rund um den Öffentlichkeits­ grundsatz, das Recht auf Gehör sowie die richterliche Unabhängigkeit in der Gemengelage des Hausrechts siehe Zimmermann (Fn.  4), §  1 GVG Rn.  9. 182 Dazu

A. Begriffliche Einordnung der Gerichtsverwaltung in Deutschland

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tizverwaltung zuzurechnen188. Ferner ist die Rechtshilfe mit dem Ausland der Justizverwaltung zuzurechnen und die Bearbeitung von Rechtshilfeersuchen im Sinne der §§  156 ff. GVG als formelle Rechtsprechung zu qualifizieren189. Gerichtsverwaltung und Rechtsprechung sind nichtsdestotrotz aufgrund der Funktion der Rechtsprechungsverwaltung als Grundlage funktionierender Rechtsprechungstätigkeit eng miteinander verknüpft190. Bei der Abgrenzung der Tätigkeiten im Rahmen der Justiz- und Gerichtsverwaltung gegenüber den rechtsprechenden Aufgaben der Gerichte ergeben sich zuweilen bedeutende Schwierigkeiten, weil die Gerichte einige Aufgaben als Organe der Rechtspre­ chung übernehmen, die der Gesetzgeber ihnen anvertraut hat, die allerdings nicht als materielle Rechtsprechung zu qualifizieren sind. In solchen Fällen herrscht die einhellige Überzeugung, dass nicht die jeweilige Bezeichnung der Tätigkeit im Gesetz ausschlaggebend für die Qualifizierung der jeweiligen Auf­ gabe ist, sondern der materielle Charakter der zugewiesenen Tätigkeit191. So­ weit zweifelhaft ist, ob eine Angelegenheit ihrer Natur nach zur Gerichtsver­ waltung gehört, können diese Zweifel durch eine ausdrückliche Zuweisung gem. §  4 Abs.  2 Nr.  2 DRiG ausgeräumt werden192. b) Bereich richterlicher Selbstverwaltung Das interne Gerichtsmanagement in Form der Gerichtsverwaltung darf indes­ sen nicht zu einer Aufhebung des Gewaltenteilungsrundsatzes führen. Die von Verfassung wegen gebotene Eigenständigkeit der Gerichte als organisatorische Einheit würde untergraben, falls die Gerichte im Rahmen verwaltender Maß­ nahmen des Staates restlos in einen behördlichen Instanzenzug eingegliedert würden193. Die Selbständigkeit der Gerichte wird deshalb unter anderem durch die Erfüllung von Aufgaben gewahrt, die in gerichtlicher Selbstverwaltung von 188  Laut Nds. DGH DRiZ 1997, S.  63 f. besteht keine Verpflichtung für einen Richter zur Beaufsichtigung von Klausuren der ersten juristischen Staatsprüfung; siehe weiterhin zu den genannten Punkten Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  17; Meyer (Fn.  9), Art.  92 Rn.  23; Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  86. 189  So auch Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  117), S.  54; Meyer (Fn.  9), Art.  92 Rn.  23; Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  86. 190  Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  9. 191  Vgl. RGZ 82, 39 (43); Zimmermann (Fn.  4), §  1 GVG Rn.  13; Kissel/Mayer (Fn.  4), Einl. Rn.  145 ff. 192  Siehe BT-Drs. 3/516, S.  33. 193  Dies wird verdeutlich durch die Verknüpfung der richterlichen Unabhängigkeit mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung, so auch T. Groß, DRiZ 2003, 298 (299 ff.). – Eine enge­ re Auslegung findet sich bei H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2587), der sich aber auf die von der Richterschaft verfolgten Ziele zur Selbstverwaltung der Gerichte ausgehend von dem NSM bezieht, und nicht auf die bereits bestehenden Felder richterlicher Selbstverwaltung.

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

den Richtern selbst und weisungsfrei erledigt werden, um ihre richterliche Un­ abhängigkeit abzusichern194. Daraus folgt, dass von der Gerichtsverwaltung im obigen Sinne die zur Rechtsprechung zählenden Aufgaben der richterlichen Selbstverwaltung ausgenommen sind, welche dem Geltungsbereich des §  1 GVG unterfallen195. Die Verteilung der richterlichen Rechtsprechungsangele­ genheiten beispielsweise erfolgt nach §§  21e ff. GVG durch den Geschäftsver­ teilungsplan im Wege richterlicher Selbstverwaltung. Sie ist letztlich aus dem generellen Mechanismus der Gerichtsverwaltung ausgegliedert, um sie den Ab­ sicherungen der richterlichen Unabhängigkeit unterstellen zu können196. Mitun­ ter kann in diesem Bereich bereits bestehender richterlicher Selbstverwaltung der Eindruck entstehen, dass unter dem Deckmantel der Unabhängigkeitsgaran­ tie die Selbstverwaltungsaufgaben schlicht ausgeweitet werden sollen, indem Tätigkeitsfelder der „Gerichtsverwaltung“ in die der „Selbstverwaltung“ über­ tragen werden197. Was zunächst wie ein unspektakulärer bürokratischer Akt anmutet, hätte weitreichende Folgen für die Weisungsgebundenheit der han­ delnden Richter198.

B. Begriffliche Einordnung der Court Administration in den USA Die Gerichtsverwaltung in den USA muss ebenfalls die sachlichen, organisato­ rischen und personellen Voraussetzungen schaffen, die für den alltäglichen Rechtsprechungsbetrieb an den Gerichten unabdingbar sind199. Jedes einzelne Gericht in den Vereinigten Staaten hat irgendeine Form von Verwaltungsstruk­ tur, die darauf abzielt, die Arbeit der Richter zu verbessern und es Anwälten und 194 

Stets muss beachtet werden, dass der Rechtsprechung eine „besondere Eigenständig­ keit und Unabhängigkeit der Willensbildung im System der Gewaltenteilung“ zukommt, vgl. BVerfGE 103, 111 (137); siehe auch D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  11, 40. 195  Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  364; Zimmermann (Fn.  4), §  1 GVG Rn.  8, 9; Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  92. 196 Vgl. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  117), S.  54, 136 ff.; T. Groß, DRiZ 2003, 298 (299 ff.); Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Fn.  4), Rn.  366 ff.; C. Degenhart, HStR³ V, §  114 Rn.  40; Zimmermann (Fn.  4), §  1 GVG Rn.  8; Kissel/Mayer (Fn.  4), §  12 Rn.  92. – Zum Präsi­ dium als Selbstverwaltungsorgan siehe Zimmermann (Fn.  4), §  21a GVG Rn.  2 ff. 197  So bspw. die Übertragung der Auswahl der zu veröffentlichenden Entscheidungen auf das Gerichtspräsidium, vgl. Art.  8 S.  2 BayAGVwGO. Siehe die Zusammenfassung bei P. Stelkens/B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO (Fn.  149), §  4 (2010), Rn.  38. 198  Siehe zu den Forderungen nach mehr Selbstverwaltung unten Kap.  4 A. IV. 1. 199  Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  137. Siehe mit einer Einordnung der Auf­ gabenfelder der Court Administration in die maslowsche Bedürfnishierarchie (Maslow’s ­Hierarchy of Needs), die in diesem Zusammenhang dann als „Court Administration Hierarchy of Needs“ bezeichnet wird, Aikman, Administration (Fn.  2), S.  9 ff.

B. Begriffliche Einordnung der Court Administration in den USA

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Bürgern zu erleichtern, das Justizsystem zu nutzen 200. Die begrifflichen Unter­ schiede von Rechtsprechung und Verwaltung (I.) sind mit Blick auf die Einord­ nung der Court Administration im Gefüge der Gewalten vermutlich nicht an­ nähernd so prekär wie in Deutschland. Es sei vorweggenommen, dass es sich tatsächlich primär um eine terminologische Verquickung von „Court“ und „Administration“ handelt und insofern eher auf gerichtsinterner Ebene zu Abgren­ zungsschwierigkeiten kommen kann (II.). I. Die Begriffe Rechtsprechung und Verwaltung in der amerikanischen Rechtsordnung Um die Eigenheiten des Rechtsprechungs- und Verwaltungsbegriffs in den USA nachzuzeichnen, darf man nicht der vereinfachenden Vorstellung nachhängen, man könne diese Rechtsbegriffe wortwörtlich aus dem Deutschen übersetzen. Selbst für den Fall, dass sich ein dem Deutschen ähnlicher Ausdruck finden ließe, muss zumindest teilweise konstatiert werden, dass der entsprechende amerikanische Begriff im Kern nicht selten eine andere Bedeutung hat. Vor al­ lem in den Feinheiten von Definitionen finden sich signifikante Unterschiede; in ihren Facetten lassen sie sich selten eins zu eins auf das jeweils deutsche Pendant übertragen. Das Übertragbarkeitsproblem hat auch ganz generell zur Folge, dass sich amerikanische Begriffe – mangels eigener Definitionen in der Rechtsliteratur – nur schwer definieren lassen, ohne dass man wiederum auf gängige Definitionen deutscher Begriffe zurückgreifen müsste201. Es muss bei begrifflichen Vergleichsversuchen außerdem berücksichtigt werden, dass das juristische Denken in der deutschen und der amerikanischen Rechtsordnung aufgrund der vollkommen unterschiedlichen Tradition von Civil Law und Common Law bereits grundverschieden ist202. Hinzukommt weiterhin die offensicht­ 200 Es deutet sich in diesem serviceorientierten Ansatz zur Aufgabenbestimmung die stark auf den Management-Gedanken bezogene Einstellung zur Court Administration an, siehe dazu auch D. J. Saari, American Court Management. Theories and Practices, 1982; H. O. Lawson/D. Howard, The Justice System Journal 15 (1991), S.  580 (604); Röhl, Gerichts­ verwaltung (Einl., Fn.  18), S.  63, 95 ff. 201  Siehe zu diesem Befund auch O. Lepsius, Verwaltungsrecht unter dem Common Law. Amerikanische Entwicklungen bis zum New Deal, 1997, S.  19; zum idiomatischen Charakter der Rechtssprache auch D. Blumenwitz, Einführung in das anglo-amerikanische Recht. Rechtsquellenlehre, Methode der Rechtsfindung, Arbeiten mit praktischen Rechtsfällen, 7.  Aufl. 2003, S.  142. 202  Siehe zu dieser Feststellung im Ergebnis auch C. H. Fulda, Einführung in das Recht der USA, 1966, S.  31 ff. („Nach deutscher Theorie ist der Gesetzgeber die Hauptquelle allen Rechts“, Zitat S.  31); J. Gordley, ZEuP 1993, S.  498 (498 f.) stellt indessen auch Aufweichun­ gen in den Rechtstraditionen heraus; R. Zimmermann, „Common law“ und „civil law“, Ame­ rika und Europa – Zu diesem Band, in: ders., Rechtskultur (Einl., Fn.  42), S.  1 ff.; H. P. Stumpf,

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

lich schiere Abneigung der amerikanischen Rechtslehre gegen theoretische Be­ griffserklärungen und Definitionen 203. Eine beispielhafte Umschreibung der Begriffe Rechtsprechung (1.) und Ver­ waltung (2.) im amerikanischen Rechtsverständnis dient der Bewältigung des Definitionsproblems. Es liegt jedoch der allgemeine Befund nahe, dass sich eine abstrakte Definition nur schwerlich wird finden lassen wird, sodass beide Be­ griffe über eine Abgrenzung zueinander zu bestimmen sind (3.). 1. Rechtsprechung Die Bedeutung der begrifflichen Eingrenzung der Rechtsprechungstätigkeit er­ gibt sich bereits aus dem Gewicht, das Gerichte in den Vereinigten Staaten auf­ grund ihrer herausragenden Stellung in der Bevölkerung sowie ihrer weitrei­ chenden Kompetenz haben 204. Über ihre allgemeine Reputation hinaus nehmen die Gerichte zwischen Exekutive und Legislative eine besondere Stellung ein, nicht nur wegen weitreichender Befugnisse des U.S. Supreme Courts205, son­ dern auch aufgrund der Rule-Making Power (Rechtsetzungskompetenz in eige­ nen Angelegenheiten) von Richtern 206, die den Gerichten im Gewaltengefüge gegenüber Exekutive und Legislative einen teilweisen Vorteil einbringt. American Judicial Politics, 2.  Aufl. 1998, S.  61 ff.; mit einer hierarchischen Darstellung D. S. Clark, The Sources of Law, in: ders./A. Tuğrul (Hrsg.), Introduction to the Law of the United States, 2.  Aufl. 2002, S.  35 (36 ff.); Blumenwitz, Einführung (Fn.  201), S.  12 ff.; knapp zur ­Terminologie P. Hay, US-Amerikanisches Recht. Ein Studienbuch, 6.  Aufl. 2015, Rn.  16; ­Kischel, Rechtsvergleichung (Einl., Fn.  23), §  5 Rn.  1 ff. 203  Um einen seltenen Ausnahmefall handelt es sich bspw. bei den Ausführungen von M. L. Buenger/P. J. De Muniz, American Judicial Power. The State Court Perspective, 2015, S.  32 f. – Siehe zu diesem Faktum als Gegenstand der Rechtsvergleichung S. Baer, ZaöRV 64 (2004), S.  735 (741). 204  Zu den einzelnen Gerichten und ihren Befugnissen siehe ausführlich Kap.  3 B. II. 205  Siehe zur Entscheidung Marbury v. Madison, durch die sich der U.S. Supreme Court die Befugnis zur Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen übertragen hat, Kap.  3 B. II. 1. a) cc) (2). Zur Machtfülle amerikanischer Richter siehe instruktiv C. E. Smith, Judicial Self-Interest. Federal Judges and Court Administration, 1995, S.  1 ff. Siehe zur Einordnung der Judikative in das Gewaltengefüge mit der Einschätzung, die dritte Gewalt sei als „balan­ ce wheel“ die wichtigste, U.S. Supreme Court Justice Willis Van Devanter, in: Evans v. Gore, 253 U.S.  245, 251 f. (1920); dazu P. B. Weston/K. M. Wells, The Administration of Justice, 5.  Aufl. 1987, S.  74. 206 Siehe zur herausragenden Bedeutung des amerikanischen Rechtssystems D. Herz, USA verstehen, 2011, S.  321 f.; W. Heun, Rechtssystem und Gerichtsbarkeit, in: J. Jäger/C. M. Haas/W. Welz (Hrsg.), Regierungssystem der USA, 3.  Aufl. 2007, S.  229 ff.; W. Gellner/ M. Kleiber, Das Regierungssystem der USA, 2.  Aufl. 2012, S.  109 ff. – Zur Rule-Making ­Power siehe 28 U.S.C. §  2071 sowie aus der Literatur R. Pound, ABA Journal 12 (1926), S.  599 ff.; J. H. Friedenthal, Stanford Law Review 27 (1975), S.  673 ff.

B. Begriffliche Einordnung der Court Administration in den USA

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Das große Hindernis einer konsistenten Definition der Rechtsprechung nach U.S.-amerikanischen Recht liegt bereits im Ursprung an der Schwierigkeit einer belastbaren und tauglichen Übersetzung. Einen dem deutschen Begriff der „Rechtsprechung“ zweifelsfrei äquivalenten Terminus gibt es in der amerikani­ schen Rechtssprache schlicht nicht. Jurisdiction beschreibt beispielsweise nicht den richterlichen Entscheidungsakt, sondern erfasst die Zuständigkeitsvertei­ lung innerhalb der Gerichtsorganisation bzw. die Staatsgewalt der Judikative selbst207. Jurisprudence wäre ein belastbarer Terminus, da er kaum anderweitig konnotiert ist. Seine Verwendung ist allerdings derart begrenzt und verschieden vom hier zugrunde gelegten Verständnis von „Jurisprudenz“, dass die Taug­lich­ keit zur Begriffsbestimmung mehr als angezweifelt werden muss208. Ähn­liches gilt für den Terminus Judicature, der zwar inhaltlich belastbar ist und auf die eigentliche Rechtsprechungstätigkeit rekurriert, ohne hierüber jedoch inhaltlich zweifelsfreie Aussagen zu treffen 209. Art.  III der U.S.-Verf. bestimmt den Status der Judikative210 und spricht dabei von der Judicial Power. Der Verfassungstext nimmt dabei lediglich eine Funktionenzuweisung vor, ohne den Inhalt der rechtsprechenden Gewalt näher zu erläutern. Eine konkrete Auf­gabenzuweisung im Sinne eines Definitionsansatzes findet sich in der amerikanischen Rechts­ lehre hingegen nicht211. Ähnliches gilt für den Terminus Judi­ciary212. Nichts­ 207  Siehe für einen ersten Zugriff „Jurisdiction“ in: E. A. Martin (Hrsg.), A Dictionary of Law, 4.  Aufl. 1997; B. S. Byrd, Einführung in die Anglo-Amerikanische Rechtssprache, Bd.  I, 3.  Aufl. 2011, S.  391. In aller Regel beschränken sich die einschlägigen Fall- bzw. Lehrbücher in den USA auf die Darstellung der Gerichtsbarkeit (des Bundes), ohne die Rechtsprechungs­ funktionen oder Begriffe zu erläutern. Siehe unter vielen Weston/Wells, Administration (Fn.  205), S.  80; R.A Carp/R. Stidham/K. L. Manning, The Federal Courts, 5.  Aufl. 2010, S.  29 ff.; J. E. Nowak/R. D. Rotunda, Constitutional Law, 8.  Aufl. 2010, S.  22 ff.; G. A. Stone u. a., Constitutional Law, 7.  Aufl. 2013, S.  25 ff. 208  Für eine begriffliche Unterscheidung von „Jurisprudenz“ und „Jurisprudence“ siehe G. Radbruch, Law Quarterly Review 52 (1936), S.  530 (530). Der Terminus Jurisprudence wird mitunter (aber selten) in dem Sinne verwendet, dass die „Rechtsprechung“ in eine gewisse Richtung tendiert, ohne allerdings auf die Aufgaben der Rechtsprechung an sich einzugehen. Siehe bspw. die Verwendung des Begriffs bei A. H. Harrison, Supreme Court Juris­prudence in Times of National Crisis, Terrorism, and War. A Historical Perspective, 2011, S.  61, 83. 209  Siehe „Judicature“, in: B. Y. Garner u. a. (Hrsg.), Black’s Law Dictionary, 9.  Aufl. 2009. 210  Siehe B. Oldopp, Das politische System der USA. Eine Einführung, 2.  Aufl. 2013, S.  88 ff.; E. Hübner/U. Münch, Das politische System der USA, 7.  Aufl. 2013, S.  156; E. Chemerinsky, Federal Jurisdiction, 7.  Aufl. 2016, S.  1 ff. 211  Eine beispielhafte Aufzählung der Rechtsprechungsaufgaben sowie Ansätze einer Be­ griffserklärung findet sich bei Weston/Wells, Administration (Fn.  205), S.  80 ff. („Judges are the judiciary. […] The function of the judiciary in the judicial process is responsible super­ vision“ [Zitat auf S.  81]); mit Tendenzen hin zu Definitionsansätzen Buenger/De Muniz, Judi­ cial Power (Fn.  203), S.  32 f. 212  Mit Konkretisierungen Byrd, Einführung (Fn.  207), S.  390 f.

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

destoweniger können die Funktionen der Judikative im Gewaltengefüge Auf­ schluss über den Begriff der Rechtsprechung an sich geben. Neben der dem deutschen Rechtsanwender grundsätzlich fremden rechtsetzenden sowie der politischen Funktion als Korrektiv der anderen Gewalten nimmt die Judikative in erster Linie schiedsrichterliche Funktionen wahr213. Mit diesem Fokus auf der „ad­judikativen“ Funktion kann ein materieller Ansatz des Inhaltes rechtspre­ chender Tätigkeit verknüpft und diese auf die letztverbind­liche Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten verdichtet werden, wobei wiederum (wie im deutschen materiellen Rechtsprechungsbegriff214) der Schiedsspruch durch unabhängige Gerichte erfolgen muss215. Im Kern geht es bei der Rechtsprechung um die Ent­ scheidung von Fällen in Zivil- oder Strafsachen 216. Die Rechtsprechung an sich umfasst nach amerikanischen Verständnis, im Vergleich zu der in dieser Arbeit vertretenen deutschen Ansicht des Rechtspre­ chungsbegriffs, lediglich einen vergleichbar kleinen Bereich des richterlichen Tätigkeitsfeldes. Unter die originär rechtsprechende Funktion fällt insofern le­ diglich der Trial selbst, also die mündliche Hauptverhandlung217. Die Pretrial-­ Phase, die mit den Magistrate Judges häufig Hilfsrichtern obliegt, ist hiervon zu unterscheiden 218. Nicht zum Kernbereich richterlicher Tätigkeit gehören dem­ 213  Bei dieser gestelzten Formulierung offenbart sich einmal mehr das Übertragungspro­ blem englischer Begriffe. Im Englischen ist hier die Rede von Adjudicative Functions. Siehe J. D. Cameron/I. M. Zimmerman/M. S. Dowling, The Chief Justice and the Court Administra­ tor: The Evolving Relationship, in: Federal Rules Decisions 113 (1987), S.  439 (444 mit Fn.  14); Weston/Wells, Administration (Fn.  205), S.  73 f.; E. L. Rubin, Independence as a Go­ vernance Mechanism, in: S. B. Burbank/B. Friedman (Hrsg.), Judicial Independence at the Crossroads, 2002, S.  56 (69); Buenger/De Muniz, Judicial Power (Fn.  203), S.  32. 214  Siehe Kap.  1 A. I. 1. b). 215  Ähnlich auch Buenger/De Muniz, Judicial Power (Fn.  203), S.  32 f. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist durch Art.  III §  1 S.  2 der U.S.-Verf. garantiert: „The Judges, both of the sup­ reme and inferior Courts, shall hold their Offices during good Behavior, and shall, at stated Times, receive for their Services a Compensation which shall not be diminished during their Continuance in Office.“ Vgl. aus der Rechtsprechung Northern Pipeline Construction Co. v. Marathon Pipeline Co., 458 U.S.  50, 58 (1982): „The Federal Judiciary was therefore designed by the Framers to stand independent of the Executive and Legislature – to maintain the checks and balances of the constitutional structure and also to guarantee that the process of adjudication itself remained impartial.“ Dazu ähnlich I. R. Kaufman, Columbia Law Review 80 (1980), S.  671 (692); im Überblick auch Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  53 ff. 216  Die Funktionenzuweisung sowie der Inhalt der Funktion gehen zurück auf Cameron/ Zimmerman/Dowling, Justice (Fn.  213), S.  444 mit Fn.  14. 217  So auch Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  47; ders., DRiZ 1998, S.  241 (243). Siehe zur Unterscheidung der pre-Trial und der Trial Phase Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  102 f.; Hay, Recht (Fn.  204), Rn.  195 ff. 218  Vgl. 29 U.S.C. §§  631 ff.; H. Koch, Rechtsvergleichende Fragen zum „Gesetzlichen Richter“, in: A. Heldrich/T. Uchida (Hrsg.), FS Hideo Nakamura, 1996, S.  281 (293).

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nach Prozessvorbereitungsmaßnahmen, die zwischen dem Einreichen der Kla­ ge und dem Termin der Verhandlung liegen 219. Selbst sonstige Entscheidungen, die im Vorfeld einer gerichtlichen Verhandlung gefällt werden, sind demnach nicht der Rechtsprechung im eigentlichen Sinne zuzuordnen, auch wenn sie theo­retisch im Zusammenhang zur Rechtsfindungstätigkeit des Gerichts stehen. Dies muss, wenn man weiterdenkt, logischerweise auch für solche organisato­ rischen Maßnahmen gelten, die sich zeitlich der Verhandlung anschließen 220. Es handelt sich um einen streng restriktiven Rechtsprechungsbegriff, der im Ge­ gensatz zu der deutschen extensiven Auslegung viele Organisationsmaßnahmen aus dem Kern der Rechtsprechung von Vornherein ausklammert und so gleich­ zeitig einen Zugriff der Gerichtsverwaltung ermöglicht. 2. Verwaltung Der grundlegende Verwaltungsaufbau ist durch eine Gleichrangigkeit der Exe­ kutive im Gefüge der staatlichen Gewalten geprägt (a.). Eine begriffliche Be­ stimmung von verwaltungshandeln stellt sich als ungemein schwierig dar (b.). a) Grundlegendes zum Verwaltungsaufbau In der Bundesverfassung der Vereinigten Staaten ist die Verwaltung lediglich im Ansatz geregelt. Die entscheidenden Bestimmungen sind Art.  II §  1 Abs.  1221, Art.  II §  2 Abs.  2222 und Art.  II §  3223 der U.S.-Verf. Deutlich wird durch diese Bestimmungen, dass die U.S.-Verf. zwischen der Verwaltung und der Regie­ rung keine Unterschiede macht. Im Common Law-Sprachgebrauch wird mit 219 Siehe Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  47; Koch, Richter (Fn.  218), S.  293. – Es muss überdies berücksichtigt werden, dass es eine der deutschen Kernbereichslehre entsprechende Eingrenzung der Rechtsprechung in den USA nicht gibt, vgl. siehe Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  201. 220  Siehe im Vergleich zu der deutschen Ausweitung des Rechtsprechungsbegriffs auf vor­ bereitende Maßnahmen und organisatorische Maßnahmen nach der gerichtlichen Verhand­ lung im Überblick Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  37. 221  „The executive Power shall be vested in a President of the United States of America“. 222  „He shall have Power, by and with the Advice and Consent of the Senate, to make Treaties, provided two thirds of the Senators present concur; and he shall nominate, and by and with the Advice and Consent of the Senate, shall appoint Ambassadors, other public Ministers and Consuls, Judges of the supreme Court, and all other Officers of the United States, whose Appointments are not herein otherwise provided for, and which shall be estab­ lished by Law: but the Congress may by Law vest the Appointment of such inferior Officers, as they think proper, in the President alone, in the Courts of Law, or in the Heads of Depart­ ments.“ 223  „[H]e shall take Care that the Laws be faithfully executed, and shall Commission all the Officers of the United States“.

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

dem Begriff Administration sowohl der gesamte Regierungsapparat unterhalb des Präsidenten als auch der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika bezeichnet; es sind also nicht nur die Verwaltungsbehörden selbst gemeint224. Die vollziehende Gewalt liegt beim Präsidenten, der die Exekutive verfassungs­ rechtlich vertritt225. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass die Gesetze gewissenhaft vollzogen werden. Weiterhin obliegt ihm in Ausübung seiner Exekutivgewalt die Ernennung von Ministern und sonstigen Beamten der Vereinigten Staaten, die der Senat allerdings bestätigen muss226. Es existiert lediglich eine bundes­ eigene Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau227. Die Verwaltung der Einzelstaaten regelt die jeweilige Gliedstaatenverfassung. Die streng föderative Struktur des U.S.-amerikanischen Regierungssystems bringt insofern auch die völlige Trennung von Bundes- und Landesverwaltung mit sich, sodass zwei un­ abhängige, rechtlich selbständige Verwaltungsebenen nebeneinanderstehen, die nicht aufeinander zurückgreifen können 228. b) Begriffsbestimmung In einem juristischen Kontext wurde der Begriff Verwaltung erstmals 1874 er­ wähnt229. Es fehlte allerdings bis ins späte 19.  Jahrhundert aufgrund der Über­ zeugung, das Common Law-System stünde dem Verwaltungsrecht als Rechts­ gebiet an sich schon entgegen, an einer greifbaren verwaltungsrechtlichen ­Materie230. Verbreitet herrschte die Auffassung, die Verwaltung sowie die Ver­ 224 Siehe Lepsius, Verwaltungsrecht (Fn.  201), S.  16. – Allgemein zur Stellung des Präsi­ denten im Regierungssystem der USA Oldopp, System (Fn.  210), S.  135 ff. 225  Siehe hierzu Fulda, Einführung (Fn.  202), S.  27; instruktiv Lepsius, Verwaltungsrecht (Fn.  201), S.  15 f. 226  Aus Art.  I §  8 Abs.  18 der U.S.-Verf. ergibt sich (neben Art.  I I §  2), dass der Kongress die Kompetenz zur Errichtung und Organisation der Bundesbehörden innehat; die Exekutiv­ gewalt behält der Präsident. Dazu Lepsius, Verwaltungsrecht (Fn.  201), S.  16. 227 Vgl. so auch Fraenkel, Regierungssystem (Fn.  206), S.  131 ff.; Fulda, Einführung (Fn.  202), S.  27; N. Meister, Die Reformen der amerikanischen Bundesverwaltung unter dem Leitgedanken „Economy and Efficiency“, 1970, S.  12. 228  Fulda, Einführung (Fn.  202), S.  27; Lepsius, Verwaltungsrecht (Fn.  201), S.  16. 229  In der Entscheidung Wenzler v. People of the State of N.Y., 58 N.Y. 516, 539 (1874) de­ finierte ein Richter in einer abweichenden Meinung erstmals den Begriff der Verwaltung: „Administration is the act of administering – of conducting the office, or in this case the execution of the powers and duties of the courts named; the administering the laws by those courts in their application to particular persons or cases.“ Siehe dazu insbesondere J. Fairlie, Public Administration and Administrative Law, in: C. G. Haines/M. E. Dimock (Hrsg.), Es­ says on the Law and Practice of Governmental Administration. A Volume in Honor of Frank Johnson Goodnow, 1935, S.  3 (24 mit Fn.  32). 230  Siehe die instruktiven begrifflichen Vorklärungen zum Verwaltungsrecht in den USA bei Lepsius, Verwaltungsrecht (Fn.  201), S.  23 f.; siehe aus der U.S.-amerikanischen Literatur

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waltungswissenschaft setze die grundsätzliche Idee von verschiedenen Staats­ aufgaben voraus, die in den USA allerdings erst nach dem Bürgerkrieg aufge­ kommen ist und als Errungenschaft der Industrialisierung gilt231. Willoughby versuchte 1927 zumindest zwischen Regierung und Verwaltung institutionell eine Trennlinie zu ziehen und unterschied daher die „executive function“ von der „administrative function“232. Obwohl sich das Verwaltungsrecht (Administrative Law) inzwischen als Rechtgebiet einigermaßen etabliert hat233, mangelt es im Kern nach wie vor an einer brauchbaren Definition dessen, was Administration bedeutet. So konzentriert sich die einschlägige Fachliteratur zumeist ohne Umschweife auf das Wesen und das Verfahrensrecht der Administrative Agencies234, während deutsche Lehrbücher zum Verwaltungsrecht den Leser üblicherweise mit Ausführungen zur Begriffsabgrenzung der Verwaltung in die Materie einführen 235. Es kann daher zunächst nur auf die einschlägigen Vor­ schriften des Federal Administrative Procedure Act (APA)236 zurückgegriffen A. Dunsire, Administration. The Word and Science, 1973, S.  87 ff.; B. Schwartz, Administra­ tive Law, 3.  Aufl. 1991, S.  1 ff. – Zur Verwaltungsrechtsgeschichte in den USA siehe R. B. Stewart, N.Y.U. Law Review 78 (2003), S.  437 ff. 231 So F. J. Goodnow, Comparative Administrative Law. An Analysis of the Administra­ tive Systems, National and Local, of the United States, England, France and Germany, Bd.  I, 1893, Nachdr. 1970, S.  6 ff.; ähnlich W. Wilson, Political Science Quaterly 2 (1887), S.  197 ff.; zusammenfassend Schwartz, Administrative Law (Fn.  230), S.  29 ff.; Lepsius, Verwaltungs­ recht (Fn.  201), S.  24; Hay, Recht (Fn.  204), Rn.  81. 232  W. F. Willoughby, Principles of Public Administration, 1927, S.  10 ff.; dazu Meister, Reformen (Fn.  227), S.  13. 233  Zu den Schwierigkeiten der Bildung eines eigenständigen systematisierten Verwal­ tungsrechts siehe Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht (Fn.  40), S.  64; zur Vielschichtigkeit und Verwendung des Verwaltungsbegriffs in den USA siehe hier nur Dunsire, Administration (Fn.  230), S.  87 ff. 234  So bspw. B. Schwartz/R. L. Corrada/J. R. Brown, Administrative Law. A Casebook, 6.  Aufl. 2006, S.  1 ff.; anders hingegen Schwartz, Administrative Law (Fn.  230), S.  1 ff., der zu Beginn eine kurze Definition liefert. Siehe 5 U.S.C. §  551: „‚agency‘ means each authority of the Government of the United States, whether or not it is within or subject to review by ano­ ther agency, but does not include—(A) the Congress; (B) the courts of the United States; (C) the governments of the territories or possessions of the United States;(D) the government of the District of Columbia;“. Zu Begriffserklärung und den Anfängen der Träger der Bundes­ verwaltung siehe J. H. Reese, Administrative Law. Principles and Practice, 1995, S.  6 ff., 9 ff.; Lepsius, Verwaltungsrecht (Fn.  201), S.  19 ff.; S. Bredt, Die demokratische Legitimation un­ abhängiger Institutionen. Vom funktionalen zum politikfeldbezogenen Demokratieprinzip, 2006, S.  137 ff. 235 Siehe bspw. aus der deutschen verwaltungsrechtlichen Fachliteratur Wolff/Bachof/­ Stober/Kluth, Verwaltungsrecht (Fn.  19), §  3 Rn.  1 ff.; Maurer/Waldhoff, Verwaltungsrecht (Fn.  43), §  1 Rn.  1 ff. 236  Die aus dem APA hervorgegangenen Gesetze finden sich heute größtenteils in 5 U.S.C. §§  551 ff. Zum APA im Überblick siehe H. Klückmann, DVBl. 1976, S.  470 ff.; Reese, Law

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werden, die in Anlehnung an die Definition einer Agency zumindest eine nega­ tive Definition der Administration ermöglichen 237. Verwaltung ist demgemäß im Gefüge der Staatsfunktionen jedes Handeln einer staatlichen Behörde – auf Bundes-, Staaten- oder lokaler Ebene –, das nicht einer anderen Staatsgewalt zugeordnet werden kann, insbesondere nicht dem Kongress oder den Gerich­ ten 238. Da auch der Terminus der Rechtsprechung wiederum durch Unklarheiten und eine mangelnde Begriffsbestimmung gekennzeichnet ist, kann eine solche Negativbestimmung insgesamt nur bedingt als Definition fungieren. Weder der formelle noch der organisatorische Blickwinkel zur Bestimmung von Verwal­ tungstätigkeit sind indessen zielführend, da die Agencies – neben originär exe­ kutiver Aufgabenwahrnehmung – weitere mannigfaltige Tätigkeiten ausführen, die zum Teil quasi-legislativ und quasi-judikativ sind 239. Eine materielle Be­ griffsbestimmung (ähnlich der deutschen Subtraktionsmethode240) ist folglich bestenfalls annäherungsweise zielführend. Im Ergebnis redundant, aber zumin­ dest in Ergänzung hilfreich ist insofern überdies die Heranziehung des weiten Begriffs, den White geprägt hat: „Public Administration consists of all those operations having for their purpose the fulfillment or enforcement of public policy“241. Die Exekutive übernimmt im U.S.-amerikanischen Gefüge der Staats­ gewalten mithin eine unterstützende Rolle zur Erfüllung staatlicher Aufgaben. Es kann nur der Befund erhoben werden, dass eine explizite Definition der Administration in der U.S.-amerikanischen Rechtspraxis, die annähernd so aus­ gegoren ist wie die Diskussion um die Bestimmung des deutschen Verwaltungs­ begriffs, nicht existiert. 3. Abgrenzung Wenngleich eine brauchbare Definition von Rechtsprechung und Verwaltung in der U.S.-amerikanischen Verfassungstheorie fehlt, muss die Abgrenzbarkeit (Fn.  234), S.  92 ff.; M. N. Schmidt, Die Klagebefugnis im US-amerikanischen Verwaltungs­ prozeß, S.  14 f.; D. Hall, Administrative Law. Bureaucracy in a Democracy, 6.  Aufl. 2014, S.  3, 400 ff.; Hay, Recht (Fn.  204), Rn.  82. 237  Siehe 5 U.S.C. §  551. Dazu Reese, Law (Fn.  234), S.  9 f., 94. – Da der Gegenstand des Verwaltungsrechts nach wie vor allerdings in erster Linie durch Gerichtentscheidungen und nicht durch Gesetz bestimmt wird, ist auch dieser Definitionsversuch nicht im Sinne einer star­ ren, abstrakten Festlegung zu verstehen, siehe hierzu Hall, Administrative Law (Fn.  236), S.  3. 238  Mit einer ähnlichen Tendenz, aber terminologisch recht vage, F. Morstein Marx, Ame­ rikanische Verwaltung. Hauptgesichtspunkte und Probleme, 1963, S.  15 ff.; Hall, Adminis­ trative Law (Fn.  236), S.  2 ff. 239  Lepsius, Verwaltungsrecht (Fn.  201), S.  83 ff., 105 f. 240  Siehe oben Kap.  1 A. I. 2. a) cc). 241  L. D. White, Introduction to the Study of Public Administration, 4.  Aufl. 1955, Nachdr. 1962, S.  1; Meister, Reformen (Fn.  227), S.  14.

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beider Begriffe jedoch nicht vollkommen negiert werden. Die Abgrenzung er­ folgt lediglich anhand der Grenzen der Gewaltenteilung, wobei beide Gewalten in Beziehung zueinander gesetzt werden 242. Weil in den USA der Rechtsprechungsbegriff sehr eng ausgelegt wird, sind der Gerichtsverwaltung und dem Court Management vor allem im prozessvor­ bereitenden Bereich viele Möglichkeiten zum Tätigwerden ohne Beteiligung eines Richters eröffnet, ohne dass im Kern die Rechtsprechungsfunktion tan­ giert wird 243. In einer Grauzone zwischen Verwaltung und Rechtsprechung be­ findet sich nach Einschätzung Röhls vor allem das Aufgabenfeld des Caseflow Management244. Vor diesem Hintergrund sind im Bereich der Kompetenzauf­ teilung zwischen Court Managern bzw. Court Administrators und Richtern Konflikte über die Reichweite ihrer jeweiligen Aufgabenbereiche vorhanden 245. Es handelt sich insofern um ein offenkundiges gerichtsinternes Problem 246. Es wird dagegen zumindest für die Wahrung des Grundsatzes der Gewaltenteilung kaum von Bedeutung sein, da es weniger um einen Konflikt zwischen Judika­ tive und Exekutive in Ansehung ihrer Aufgabenwahrnehmung geht, sondern um die Kompetenzbereiche von Richtern und dem Court Manager: Letzterer ist rein formal betrachtet ebenfalls der Judikative zuzuordnen, obwohl er aus­ schließlich verwaltend tätig wird. Im Hinblick auf das Caseflow Management muss man das Abgrenzungspro­ blem spezifizieren. Verfassungsrechtlich betrachtet entfaltet die Konzeption des 242  In den USA herrscht ein flexibles Gewaltenverständnis vor, das von der Unvermeid­ barkeit gewisser Durchmischungen der Gewalten ausgeht. Zum Teil besteht die Überzeu­ gung, dass eine strikte Trennung der Gewalten eine moderne Regierung lähmen würde. Vgl. F. Frankfurter, The Public and Its Government, 1930, S.  78; Lepsius, Verwaltungsrecht (Fn.  201), S.  195. 243  Vgl. so auch Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  47, 137. 244  Siehe zu dieser Einschätzung Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  47; ders., DRiZ 1998, S.  241 (243); ferner allgemein zum Konfliktpotenzial zwischen Chief Justice und Court Administrator siehe W. A. Taggert/G. L. Mays/D. Hamilton, The Justice System Journal 19 (1985), S.  19 (33); Cameron/Zimmerman/Dowling, Justice (Fn.  213), S.  439 ff. – Es sei hier bereits angemerkt, dass das Caseflow Management zwar am ehesten dem Anforderungsspek­ trum der Geschäftsverteilung entspricht, damit allerdings unzureichend beschrieben wäre, vgl. K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (243). 245 Instruktiv W. A. Taggert/G. L. Mays/D. Hamilton, The Justice System Journal 19 (1985), S.  19 ff.; es wird daher eine kollegiale Abstimmung für notwendig erachtet von R. B. Hoffman, The Justice System Journal 15 (1991), S.  652 ff.; D. S. Steelman/J. A. Goerdt/J. E. McMillan, Caseflow Management. The Heart of Court Management in the New Millennium, 3.  Aufl. 2004, S.  63. – Siehe zu der Notwendigkeit einer starken Führung durch einen „key judge“ M. M. Solomon/D. K. Somerlot, Caseflow Management in The Trial Court. Now and for the Future, 1987, S.  8 f. 246  Siehe näher zum Konfliktpotenzial, das der Kompetenzaufteilung von Richtern und Court Managern innewohnt, Kap.  5 B. I. 3.

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

Court Managements innerhalb der gerichtlichen Selbstverwaltung ein Problem für die richterliche Unabhängigkeit, wenn der rechtsprechenden Tätigkeit des Richters ausufernde Vorgaben durch die Organe der Gerichtsverwaltung ge­ macht werden 247. Bei einer engen Auslegung des Rechtsprechungsbegriffs wie im amerikanischen Recht kann die richterliche Unabhängigkeit nicht einen ähn­ lich restriktiven Umfang haben, da sie leerlaufen würde, wenn man sie lediglich auf die streitige mündliche Verhandlung beziehen würde. Sie muss daher not­ wendigerweise, um überhaupt eine Wirkung entfalten zu können, ausgedehnt werden auf aus amerikanischer Sicht nicht-klassische Rechtsprechungsaufga­ ben, die mithin nach dieser Definition in den Bereich der Court Administration fallen. Dies geschieht dadurch, dass der Court Administrator ausnahmslos den Weisungen des Richters unterliegt248. Auch wenn sich der Court Administrator in seiner Management-Funktion innerhalb des Gefüges der Justiz befindet, birgt seine mögliche Einflussnahme auf den Richter und eine damit einhergehende potenzielle Beschränkung der Entscheidungsfreiheit Risiken für die vollum­ fängliche Gewährleistung richterlicher Unabhängigkeit. Dass sich die amerika­ nischen Richter zunehmend vom Ökonomisierungsdruck der Court Manager bedroht und in ihrer richterlichen Unabhängigkeit beschränkt fühlen, ist nach­ vollziehbar249. Dieses Bedrohungspotenzial durch die Übermacht des Court Managements wird von U.S.-amerikanischen Richtern womöglich als ähnlich repressiv empfunden, wie die von deutschen Richtern vermehrt geäußerte Kri­ tik an der Fremdbestimmung ihrer Gerichte durch die Exekutive250. Die ameri­ kanische Rechtsprechung wird allerdings – im Gegensatz zur deutschen – tradi­ tionsgemäß restriktiv bestimmt, sodass der einzelne Richter tatsächlich im 247  Siehe zu dem Problem im ersten Zugriff C. J. Wallace, Brigham Young University Law Review 1978, S.  39 (56 f.); R. Wheeler, Judicial Administration. Its Relation to Judicial In­ dependence, 1988, S.  40 ff.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  130 ff.; R. W. Tobin, Creating the Judicial Branch. The Unfinished Reform, 2004, S.  146 ff. – Aus lobbyistischer und somit etwas einseitiger Perspektive, im Kern aber richtig M. Miller-Byrnes, Judicial In­ dependence, Interdependence, and Judicial Accountability. Management of the Courts From The Judges’ Perspective, 2006, S.  3 f. (abrufbar unter https://www.ncsc.org/~/media/Files/ PDF/Education%20and%20Careers/CEDP%20Papers/2006/MillerByrnesMelissaCEDP Final0506.ashx, 19.3.2020). 248 So B. Mahoney/H. E. Solomon, Court Administration, in: F. J. Klein (Hrsg.), The Im­ provement of the Administration of Justice, 6.  Aufl. 1981, S.  35 (46 ff.); Röhl, Gerichtsverwal­ tung (Einl., Fn.  18), S.  130. 249  Siehe zu dem Konfliktpotenzial zwischen Court Management und Richtern B. W. Butler, The Justice System Journal 3 (1977), S.  181 ff.; Cameron/Zimmerman/Dowling, Justice (Fn.  213), S.  452 ff.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  125 f. 250  Die Fremdverwaltung durch die Exekutive wird von Seiten der Justiz in Deutschland insbesondere als Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit verstanden, vgl. H. Weber-­ Grellet, DRiZ 2006, S.  22 (24 f.); ders., ZRP 2003, S.  145 ff.

B. Begriffliche Einordnung der Court Administration in den USA

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Kern in der Rechtsfindung agiert251. So ist sonstigen, verwaltenden Maßnahmen rund um die eigentliche Rechtsprechungstätigkeit ein großer Spielraum ein­ geräumt, der sich im Rahmen der Verfassungsordnung bewegt. Tatsächliche Grauzonen und Grenzbereiche zwischen Exekutive und Judikative im Hinblick auf die Gerichtsverwaltung gibt es formal in der Selbstverwaltung der Justiz nicht. So muss die Geschäftsverteilung konsequenterweise dem Bereich der Court Administration zugeordnet werden; auch wenn sie in enger Beziehung zur Rechtsprechung an sich steht, diese erst ermöglicht und fördert sowie einen nicht unerheblichen Einfluss auf sie ausübt252. Das Caseflow Management ob­ liegt zumeist nicht den Richtern, sondern dem Hilfspersonal253. Außerhalb des Tätigkeitsfeldes der Gerichtsverwaltung deutet die sonstige Vorgehensweise in Grenzbereichen zwischen Exekutive und Judikative indes­ sen eine gewisse Zuordnungsflexibilität an, die mitunter auch auf die Defini­ tionsaversion in der U.S.-amerikanischen Rechtsordnung zurückgeht254. Wer­ den einzelne Funktionen von Staatsgewalten nicht zweifelsfrei festgelegt und definiert, sind Aufgabenverschränkungen und Kompetenzüberlagerungen die Folge. So zeigt sich ein mitunter hoher Grad an Toleranz in Bezug auf die Ein­ haltung der Gewaltenteilung zwischen Judikative und Exekutive. Als Beispiel soll an dieser Stelle nur das Aufgabenspektrum der Interstate Commerce Commis­sion (ICC) fungieren, deren Tätigkeitsfeld über das einer Behörde stark hinausgeht, obwohl sie formal der Exekutive zugeordnet wird und dennoch norm­setzend tätig wird 255. Agencies sind zwar formal der Exekutive zugeord­ 251 

Siehe zur engen Auslegung dessen, was nach amerikanischem Verständnis in den Be­ reich der eigentlichen Rechtsprechung fällt, bereits Kap.  1 B. I. 1. 252  Instruktiv zu Bedeutung und Einfluss des Caseflow Managements siehe S. Flanders u. a., Case Management and Court Management in United States District Courts, 1977, S.  17 ff.; Solomon/Somerlot, Caseflow (Fn.  245), S.  33 ff.; B. Mahoney, Changing Times in Trial Courts. Caseflow Management and Delay Reduction in Urban Trial Courts, 1988, S.  45 ff. (zum Zusammenhang zwischen der Geschäftsverteilung und der Verfahrensdauer), 71 ff.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  83 ff.; M. M. Solomon, Fundamental Issues in Caseflow Management, in: S. W. Hays/C. Blease Graham, Jr. (Hrsg.), Handbook of Court Administration and Management, 1993, S.  369 ff.; Steelman/Goerdt/McMillan, Caseflow Ma­ nagement (Fn.  245). 253 Vgl. Mahoney, Times (Fn.  252), S.  72 f.; zur Aufteilung gerichtsverwaltender Maßnah­ men an den amerikanischen Gerichten und zu ihrer Vielfalt siehe Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  77 ff. 254  Zur Rechtsstellung der ICC im Gewaltengefüge Lepsius, Verwaltungsrecht (Fn.  201), S.  70 ff., insbes. 105 f. 255 Die ICC ist neben einer eigenen autonomen Rechtsetzungsbefugnis weiterhin mit zum Teil selbst erteilten Rechtsprechungsbefugnissen ausgestattet: Sie ist im Laufe der Zeit regel­ recht im Schmelztiegel der Gewalten zerlaufen und inzwischen kaum mehr einer Gewalt zuzuordnen. Siehe dazu Fulda, Einführung (Fn.  202), S.  28 f.; Meister, Reformen (Fn.  227),

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

net, nehmen aber oft weitreichend gewaltenfremde Aufgaben wahr. Es lässt sich daher ganz allgemein für die amerikanischen Agencies ein schwieriger Befund in der Abgrenzung zu den anderen Staatsgewalten stellen 256. Dass sie zum Teil auch rechtsprechende Funktionen wahrnehmen, ist nicht von Bedeutung. Da die Agencies gerichtsverwaltend nicht tätig werden, ist eine trennscharfe Abgren­ zung zu Rechtsprechungstätigkeit der Gerichte in der vorliegenden Arbeit ab­ schließend nicht von Nöten. Rein formal betrachtet ist die Einflussnahme sol­ cher Träger der Exekutive auf die Rechtsprechung aufgrund der Selbstverwal­ tung der Gerichte naturgemäß gering257. Die reine Rechtsfindungsarbeit der Richter wird höchstens gerichtsintern konterkariert, weil die Court Administration in den USA management-orientiert ausgestaltet ist. Im Ergebnis ist erneut zu befinden, dass ein dem deutschen ähnliches Kon­ fliktpotenzial zwischen Judikative und Exekutive im Feld der Gerichtsverwal­ tung den Gerichten der USA insgesamt fremd ist. Gleichwohl muss konstatiert werden, dass auch der Bereich der Geschäftsverteilung bzw. des Caseflow ­Management einen Reibungspunkt zwischen Richtern und der Verwaltung der Gerichte darstellt. Während allerdings in Deutschland dieses Problem in seiner Tragweite verfassungsrechtlicher Natur ist und den Grundsatz der Gewaltentei­ lung tangiert, bleibt es in den USA gerichtsintern und lässt im Prinzip lediglich Kritik an der internen Aufgabenverteilung der Gerichtsmitarbeiter sowie der Richter zu, die sich allerdings nichtsdestoweniger in ihrer richterlichen Unab­ hängigkeit beschränkt sehen dürfen 258. II. Gerichtsverwaltung als eigenes Feld gerichtlichen Tätigwerdens In der U.S.-Verf. gibt es zunächst wenig Anhaltspunkte zur Verwaltung der Bundesgerichte. Im Prinzip existieren lediglich vier grobe Anhaltspunkte in der Verfassung, die sich auf die Gerichtsverwaltung beziehen: Die Einrichtung des S.  32 („in dem Verfassungssystem ein Fremdkörper“); G. Albert, Stellung, Funktion und ver­ fassungsrechtliche Problematik der Independent Regulatory Commissions in den Vereinig­ ten Staaten von Amerika, 1971, S.  65 ff. 256  So das Fazit bei Lepsius, Verwaltungsrecht (Fn.  201), S.  106. Siehe auch Fulda, Ein­ führung (Fn.  202), S.  28: „Das wesentliche Merkmal der Kommission ist, daß sie eine für den Dogmatiker unglaubliche Mischung von Funktionen ausübt, die dem Grundsatz der Dreitei­ lung der Gewalten spottet.“ 257 Siehe allgemein zur Selbstverwaltungsorganisation der amerikanischen Gerichte S. Shetreet, Judicial Independence: New Conceptual Dimensions and Contemporary Chal­ lenges, in: ders./J. Deschênes (Hrsg.), Judicial Independence. The Contemporary Debate, 1985, S.  590 (644 f.). 258  Zur richterlichen Unabhängigkeit und dem Konfliktpotenzial im Bereich der Court Administration siehe ausführlich Kap.  2 C. V. 2. b) aa) (2) (c).

B. Begriffliche Einordnung der Court Administration in den USA

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U.S. Supreme Courts, die Errichtung unterer Gerichte durch den Kongress259, die Richterbestellung260 sowie deren gesichertes Einkommen 261. Belastbare An­ gaben zur Court Administration lassen sich den Verbürgungen zur Rechtspre­ chung in der Verfassung allerdings nicht entnehmen. Vergleichsgegenstand der vorliegenden Untersuchung ist die Verwaltung der Gerichte; insofern steht die Frage nach einer terminologischen Eingrenzung innerhalb der gerichtlichen Gemengelage aus. Neben der Frage nach dem „Wie“ und „Was“ der alleinig durch die Judikative selbst verwalteten Gerichte (2.), stellt sich aber zuvor die Frage, wann und inwieweit auch in den USA eine Verwaltung durch die Gerich­ te erfolgt (1.). Die Aufgabenfelder dieses zum Teil etwas schwer zu umreißen­ den Feldes decken sich im Übrigen maßgeblich mit denen der deutschen Ver­ waltung der Gerichte. 1. Verwaltung durch Gerichte Den Kernbereich der Justiz bildet an den U.S.-amerikanischen Gerichten die Wahrnehmung der originären Rechtsprechungsaktivität in streitigen Angelegen­ heiten. Hinzukommen Aufgaben in den Randbereichen der Justiz, die – wenn man mit der deutschen Terminologie arbeiten will – rechtsfürsorgenden und verwaltenden Charakter haben 262. Hierzu gehören Angelegenheiten der Freiwil­ ligen Gerichtsbarkeit (im Kernbereich geht es um Vormundschafts- und Nach­ lasssachen), die Vollstreckung sowie Justizverwaltungsangelegenheiten 263. Es sei abermals darauf hingewiesen, dass grundsätzlich die Verwendung deutscher Begriffe im Versuch der Darstellung amerikanischer Rechtsinstitute eher hin­ derlich als förderlich für diesen Zweck ist, da die meisten deutschen Begriffe mit ihrer originär deutschen Verwendung derart stark konnotiert sind, dass leicht der Eindruck entstehen könnte, die Termini würden in den USA gleich­ sinnig verwendet werden.

259 

Art.  III §  1 S.  1, 1. und 2. Hs. der U.S.-Verf. Art.  II §  2 Abs.  2 S.  2 der U.S.-Verf. Die Richterbestellung ist der Gerichtsverwaltung jedoch weitgehend entzogen. Siehe im Detail hierzu Kap.  4 B III. 3. a). 261  Art.  I II §  1 S.  2 , 2. Hs. der U.S.-Verf. Siehe Smith, Self-Interest (Fn.  205), S.  5. 262  Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  38 ff. 263  Letztere dürfen keinesfalls mit den Aufgaben der Judicial Administration verwechselt werden. Das deutsche Wort Justizverwaltung hat insofern einen beschreibenden Charakter solcher Aufgaben, die sich in den USA üblicherweise mit denen der deutschen Justizverwal­ tung decken. 260 

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

Zu den „Special Services“264, welche die Justiz übernimmt, gehören neben den Vollstreckungssachen – also der Vollstreckung von Geldstrafen 265, der Ju­ gendstrafvollzug (Juvenile Detention)266 und die Beitreibung von Unterhalts­ ansprüchen (Child Support Enforcement)267 – viele Randbereiche des gericht­ lichen Geschehens. Dies sind zahlreiche Fürsorgeangelegenheiten, so die Be­ währungshilfe (Probation)268, die Rechtshilfe (Legal Aid)269, die Jugendfürsorge (Child Care)270 und zum Teil auch ein psychiatrischer sowie medizinischer Dienst271. Hinzu kommen Nebenaufgaben der Court Clerks272 sowie die Tätig­ keitsfelder des Sherifs, die in der Regel sicherheitsrelevanter Natur sind 273. 264  Siehe zur Terminologie und Inhalt die Zusammenstellung bei Röhl, Gerichtsverwal­ tung (Einl., Fn.  18), S.  38 ff. 265  Da zu der Vollstreckung von Geldsachen auch die Geltendmachung von Geldbußen aus Verkehrssachen zählt, und die Gerichte zum Teil mit einem erheblichen Arbeitsaufwand der zahlreichen Bußgeldverfahren überlastet sind, zählt auch dieser Bereich zu einem der Faktoren, die eine management-orientierte Gerichtsorganisation sinnvoll erscheinen lassen. Siehe dazu S. T. Hillsman, The Justice System Journal 13 (1988), S.  5 ff. 266  Allgemein zum Jugendstrafvollzug siehe B. Krisberg/J. F. Austin, Reinventing Juvenile Justice, 1993, S.  178 ff.; F. M. Wong, Judicial Administration and Space Management. A Guide for Architects, Court Administrators, and Planners, 2001, S.  191 f. sowie M. Schaerff, Die Behandlung junger Straftäter in den USA. Von der Kolonialzeit bis zum 21.  Jahrhundert, 2015. 267  Hierzu knapp R. W. Tobin/J. K. Hudzik, The Status and Future of State Financing the Courts, in: Hays/Graham, Court Administration (Fn.  252), S.  327 (340). 268  Es handelt sich hierbei um einen personalintensiven Bereich, in den die Court Mana­ ger aber selten involviert sind. Siehe so auch D. J. Saari/M. D. Planet/M. W. Reinkensmeyer, The Modern Court Managers. Who They Are and What They Do in the United States, in: Hays/Graham, Court Administration (Fn.  252), S.  237 (249). 269  In Strafsachen besteht ein Anspruch auf Beiordnung eines Verteidigers, vgl. Gideon v. Wainwright, 372 U.S.  335 (1963). Siehe dazu Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  39 f.; allgemein zur Rechtshilfe E. Johnson, To Establish Justice for All. The Past and Future of Civil Legal Aid in the United States, Bd.  1, 2014. 270  Es handelt sich um Aufgaben, die in Deutschland in aller Regel das Jugendamt über­ nimmt. Siehe zur Jugendfürsorge allgemein Tobin/Hudzik, Financing (Fn.  267), S.  340. 271  Als Beispiel kann der Bundesstaat Illinois angeführt werden, in dessen Bundesstaat Cook County (in dessen erstem Bezirk liegt Chicago) die Justiz eine Psychiatrie unterhält. Dazu Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  40; G. C. Klein, Law and the Disordered. An Explanation in Mental Health, Law, and Politics, 2009, S.  45 ff. 272  Solche Nebenaufgaben der Court Clerks sind heute eher selten, was mitunter wohl auch an ihrer schrumpfenden Zahl und der Ersetzung durch Court Administrators an vielen Gerichten liegt. Die Nebenaufgabe sind verschiedenartiger Natur und haben mit dem eigent­ lichen Rechtsprechungsprozess fast nichts zu tun. In Deutschland werden entsprechende (justizfremde) Aufgaben – wie bspw. die Führung des Grundstücksregisters – unter anderem von Justizfachangestellten übernommen. Siehe dazu Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  40; Tobin/Hudzik, Financing (Fn.  267), S.  340. 273  Vgl. die Aufzählung bei Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  40 f. sowie die im Wesentlichen gleichen Fallgruppen bei Tobin/Hudzik, Financing (Fn.  267), S.  340 f.

B. Begriffliche Einordnung der Court Administration in den USA

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2. Verwaltung der Gerichte Im amerikanischen Sprachgebrauch werden im Zusammenhang mit gerichts­ verwaltenden Tätigkeiten unterschiedliche Begriffe verwendet, insbesondere finden folgende Termini Verwendung: Judicial Administration, Court Administration und Court Management274. Dabei entspricht der Ausdruck Court Administration wohl am ehestem dem der deutschen Gerichtsverwaltung und vermag diesen auch inhaltlich zumindest in weiten Teilen widerzuspiegeln. Einen ge­ nauen Vergleich zu ziehen, gestaltet sich allerdings schwierig; eine direkte Übersetzung verbietet sich. Insbesondere das Institut des Court Managements ist der deutschen Rechtspraxis fremd. Es wird oft synonym zur Gerichtsverwal­ tung verwendet, aber häufig nur unter dem Aspekt des Space Management275 sowie des Caseflow Management276 beleuchtet. Außerdem kann das Institut der Judicial Administration mit der deutschen Justizverwaltung nicht gleichgesetzt werden – im amerikanischen Rechtwesen gibt es keinen äquivalenten inhalt­ lichen Unterschied in der Aufgabenzuweisung zwischen Court Administration und Judicial Administration; beide Begriffe müssen dennoch voneinander un­ terschieden werden, da sie unterschiedliche Zielsetzungen haben 277. Dem U.S.-amerikanischen Prinzip der dualen Staatsmacht folgend, ist die Gerichtsverwaltung zweigliedrig aufgebaut und entsprechend der föderalisti­ schen Staatsstruktur getrennt zu betrachten 278. Wie der Bund seine Gerichte verwaltet, ist von der Gerichtsverwaltung der einzelnen Bundesstaaten abzu­ 274  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  617, Fn.  595 mit zahlreichen Nachweisen zum Überblick; siehe zur Court bzw. Judicial Administration im Überblick aus der an sich eher spärlichen Literatur, die sich spezifisch mit gerichtsverwaltenden Fragen beschäftigt, W. F. Willoughby, Principles of Judicial Administration, 1929; C. A. Foster/D. Machunze/R. Blanchard, Introduction to the Administration of Justice, 2.  Aufl. 1979; Mahoney/Solomon, Court Administration (Fn.  248), S.  35 ff.; Weston/Wells, Administration (Fn.  205); S. Goldman, ­Federal Judicial Recruitment, in: J. B. Gates/C. A. Johnson (Hrsg.), The American Courts. A Critical Assessment, 2.  Aufl. 1991, S.  189 ff.; die Beiträge in: Hays/Graham, Handbook (Fn.  335); Smith, Self-Interest (Fn.  205), S.  1 ff., 15 ff., 95 ff.; Fabri, Issues (Fn.  2), S.  188 ff.; Abraham, Pillars (Fn.  2); Aikman, Administration (Fn.  2); J. A. Gazell, Five Great Issues in Judicial Administration, in: Rabin/Hildreth/Miller, Handbook (Fn.  10), S.  1029 (1044 ff.); Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  521 ff.; Tushnet, Selection (Fn.  2), S.  134 ff. 275  Es zeigt sich hier abermals, wie Begriffe zum Teil synonym verwendet, zumindest aber nicht trennscharf abgegrenzt werden. Dies schlägt sich auch in der Überzeugung nieder, die verschiedenen gerichtsverwaltenden Bereiche seien eigenständig und untrennbar mitein­ ander verknüpft. So bspw. Wong, Administration (Fn.  266), S. xvii ff., 8. 276  So bspw. bei Fabri, Issues (Fn.  2), S.  190; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  635. 277 Siehe Aikman, Administration (Fn.  2), S.  5 ff. 278  Zum dualen Gerichtsaufbau in den Vereinigten Staaten siehe H. J. Abraham, The Judi­ cial Process. An Introductory Analysis of the Courts of the United States, England, and France, 7.  Aufl. 1998, S.  151; D. Halberstam, RabelsZ 66 (2002), S.  216 (226 ff.); Neubauer/Meinhold,

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

grenzen – die bundesstaatliche Vielfalt kann daher nur in ihren Ansätzen und im Hinblick auf zu verallgemeinernde Strukturen nachgezeichnet werden 279. Judicial Administration bzw. Court Administration (a.) sowie das Court Management (b.) beziehen sich auf dasselbe Aufgabenfeld. Während die Verwal­ tung das Tätigkeitsfeld umschreibt, ist der Aspekt des Managements inzwischen zur avisierten Umsetzungskomponente geworden 280. a) Court Administration und Judicial Administration Die U.S.-amerikanische Rechtslehre nimmt ebenso wie die deutsche im Hin­ blick auf die Begriffe der Gerichts- und Justizverwaltung eine prinzipielle Tren­ nung von Court Administration und Judicial Administration vor und misst der Unterscheidung einen ähnlichen, eher untergeordneten Stellenwert bei281. Ihre Unterscheidung fußt dabei allerdings weniger auf der Abgrenzung von Aufga­ benfeldern nach Innen- oder Außenwirkung, sondern ist vielmehr eine Frage der Zielsetzung beider Handlungsarten, die bei der Court Administration denen der öffentlichen Verwaltung ähnelt (aa.) und bei der Judicial Administration ­politologischer Natur ist (bb.)282. Nichtsdestoweniger können Überschneidun­ gen nicht von der Hand gewiesen werden, was bisweilen an der regelrecht sym­ biotischen Verbindung von Court Administration und Judicial Administration liegen kann 283; möglicherweise deshalb werden die Begriffe oftmals (fälschlich) synonym verwendet. aa) Court Administration Court Administration fasst die Gesamtheit aller unterstützenden, insbesondere der infrastruktursichernden Aufgaben zusammen, die den Justizbeamten einen reibungslosen Arbeitsablauf und die Wahrung der Rechtsprechungsfunktion er­ möglichen sowie den Gerichten selbst als Institutionen dazu verhelfen, ihren Process (Fn.  2), S.  49 ff. – Siehe zur Gerichtsorganisation und den Hierarchien der Gerichte im Detail Kap.  3 B. II. 279  Siehe zu diesem Befund auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  618. 280  Konkreter gesprochen umreißen Court bzw. Judicial Administration das „Was“ der amerikanischen Gerichtsverwaltung, während sich der Aspekt des Court Managements auf das „Wie“, also die Umsetzung bezieht. Siehe im ersten Zugriff zu den Begrifflichkeiten ­Aikman, Administration (Fn.  2), S.  5 ff. 281 Siehe zur Court bzw. Judicial Administration als Untersuchungsgegenstand der Rechtswissenschaft instruktiv Smith, Self-Interest (Fn.  205), S.  2 f., 11, dessen Befund über die „Gerichtsverwaltung“ als Thema rechtswissenschaftlicher Untersuchungen recht negativ ausfällt (S.  11). 282  Siehe im ersten Zugriff zu dieser Analyse Aikman, Administration (Fn.  2), S.  5 f. 283  So auch Aikman, Administration (Fn.  2), S.  5, 7.

B. Begriffliche Einordnung der Court Administration in den USA

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Verpflichtungen im Gefüge der Staatsgewalten nachzukommen 284. In personel­ ler Hinsicht ist Court Administration das, was Court Administrators als profes­ sionelle Gerichtsverwalter, Justizangestellte (beispielsweise Clerks of Court) und weiteres Hilfspersonal285 tun, damit die Richter ihren Rechtsprechungsauf­ gaben nachkommen können 286. Ziel der Court Administration muss dabei sein, unter Berücksichtigung der steigenden anhängigen Verfahren vor den Gerichten bei gleichzeitig schrumpfendem Budget die Arbeit der Gerichte so effektiv und effizient wie möglich auszugestalten und so die Wahrung des Gemeinwohls ­sicherzustellen 287. Im Zusammenhang mit der Entwicklung des Court Managements kann die Court Administration eine engere sowie eine weitere Wirkung entfalten, wobei das engere Aufgabenfeld die Ausführung klassischer Aufgaben der Verwaltung der Gerichte erfasst, während die weitere Auslegung des Be­ griffes die Funktionen der Justizverwaltung meint288. bb) Judicial Administration Judicial Administration umfasst prozedurale und verwaltungsrechtliche Fragen, die im Ergebnis über das Aufgabenfeld der Court Administration noch hinaus­ gehen. Die Belange der Judicial Administration werden in der Regel von politi­ schen Entscheidungsträgern wahrgenommen und beeinflussen die Arbeit der Richter im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung indirekt – ähnlich dem Court Management289. Im Zusammenhang mit der Judicial Administration sollte der Hintergrund des Policy-Making bestenfalls mit „Planung“ übersetzt werden; sie steht allgemein für Justizpolitik oder sogar für Rechtspolitik 290.

284 

Siehe mit deskriptiven Definitionsversuchen Wheeler, Administration (Fn.  247), S.  23 f. Hierzu zählen neben Case Processing Staff (Mitarbeiter zur Fallbearbeitung) und dem Courtroom Staff (am ehesten: Gerichtsmitarbeiter im Gerichtssaal) die Court Reporters (Ge­ richtsschreiber bzw. Protokollführer) sowie Dolmetscher, darüber hinaus die sog. Jury Clerks (am ehesten: die Angestellten für die Jury), weiterhin technisches Fachpersonal, Per­ sonalverantwortliche, Mitarbeiter in der Buchhaltungsabteilung. Eine ähnliche Auflistung findet sich bei Aikman, Administration (Fn.  2), S.  7. 286 Siehe Aikman, Administration (Fn.  2), S.  7. 287  Aikman, Administration (Fn.  2), S.  8. 288  Siehe zu dieser Analyse der Bedeutungen Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  17. 289  Aikman, Administration (Fn.  2), S.  6. Siehe zu den Entwicklungslinien an den Gerich­ ten des Bundes S. L. Wasby, Judicial Administration in the Federal Courts, in: Hays/Graham, Court Administration (Fn.  252), S.  121 ff. 290  So auch Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  17 sowie 77. 285 

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

b) Court Management Court Management ist professionelle, spezialisierte Court Administration291. Streng genommen ist der Begriff des Court Managements nicht als eigener, ge­ richtsverwaltender Bereich einzuordnen. Es soll hier weniger eine Unterschei­ dung zur Court Administration als vielmehr eine Qualifizierung des Court Managements vorgenommen werden, die das Ziel hat, zu zeigen, dass der Manage­ mentgedanke im Bereich der Gerichtsverwaltung nicht nur in quantitativer Hinsicht eine Zusammenstellung von Aufgaben ist, sondern in erster Linie der Qualitätssicherung oder sogar -steigerung der rechtsprechenden Tätigkeit an den Gerichten dient292. Zunächst sollen die eigentlichen Ziele des Managements dargestellt werden (aa.). Sodann wird das Berufsfeld des Court Managers, welches im Übrigen nicht durchgehend und starr begrifflich austariert ist, umrissen (bb.)293 – es fin­ den sich daher unter dem Oberbegriff des modernen Court Managers zahlreiche Berufsbezeichnungen, die zumindest eine gleichsinnige kompetenzielle Auf­ gabenausrichtung haben. aa) Der Management-Gedanke In den späten 60er Jahren hat sich in den USA eine stark professionalisierte Form der Gerichtsverwaltung entwickelt, die als Reaktion auf eine regelrechte Prozessflut den stark ansteigenden Geschäftsanfall an den Gerichten unter Kon­ trolle zu bringen versuchte294. Unter der Bezeichnung Court Management wur­ de neben dem Effizienzmanagement die Qualitätskontrolle der Justiz zum ober­ 291  Siehe zum Court Management im Überblick H. O. Lawson/D. E. Howard, The Justice System Journal 15 (1991), S.  580 (599 ff.); K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (242, 243 f.); Aikman, Administration (Fn.  2), S.  197 ff. sowie zum Berufsfeld S. Echaore-McDavid, Career Oppor­ tunities in Law and the Legal Industry, 2.  Aufl. 2007, S.  140 f. 292  Im Überblick hierzu P. J. Glauben, DRiZ 1991, S.  260 ff. Eine adäquate Übersetzung des Begriffs Court Management und Court Manager existiert im Deutschen nicht, siehe auch K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (217 f. mit Fn.  1). 293  Untersuchungen haben ergeben, dass es für den Beruf des Court Managers über 30 verschiedene Bezeichnungen gibt. Am weitaus häufigsten sind die Bezeichnungen „Court Administrator“ und „Court Clerk“. Siehe zu einer nach wie vor brauchbaren „Job Profile“-­ Analyse Saari/Planet/Reinkensmeyer, Court Managers (Fn.  268), S.  242 f.; zur „Karriere“ als Court Administrator siehe weiterhin Echaore-McDavid, Career (Fn.  291), S.  140 f. sowie zum Court Management als Profession H. O. Lawson/D. E. Howard, The Justice System Journal 15 (1991), S.  580 (599 ff.). 294  Zur Explosion der Anzahl der Rechtsstreitigkeiten in den 1960er Jahren siehe H. J. Friendly, Federal Jurisdiction: A General View, 1973, S.  15 ff. Zur Entwicklung des Court Managements infolgedessen H. O. Lawson/D. Howard, The Justice System Journal 15 (1991), S.  580 ff.

B. Begriffliche Einordnung der Court Administration in den USA

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sten Ziel erklärt295. Begrifflich handelt es sich beim Management um einen Pro­ zess, durch den versucht wird, mittels einer möglichst effizienten Nutzung der Ressourcen bestimmte Ziele zu erreichen 296. Der Prozess des Managements lässt sich in vier Managementfunktionen aufteilen: Planung, Kontrolle, Perso­ nalführung und Organisation 297. Das Management bezieht sich stets auf ein ­soziotechnisches System, das mit Zielen ausgestattet ist, welche wiederum den genannten Funktionen die Richtung weisen 298. In funktionaler Hinsicht versteht sich das Management auf eine Verbesserung von Effizienz und Effektivität299, welche nur gesteigert werden können, wenn die Zielerreichung auch einer Er­ gebniskontrolle unterliegt300. Während sich die deutsche Justiz gegen die Übernahme betriebswirtschaft­ licher Elemente des sog. Neuen Steuerungsmodells vehement wehrt301, hat sich in den USA früh die Überzeugung durchgesetzt, dass auch die Gerichte Dienst­ leistungen erbringen und im Sinne eines Qualitätsmanagements zumindest ­einer strukturierten, spezialisierten Organisation bedürfen302. Die umfängliche 295  Die Entwicklung wird instruktiv nachgezeichnet von K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 ff.; aufgegriffen von D. Strempel, Die Bedeutung der empirischen Rechts­ forschung für die Rechtspolitik und die Rechtsdogmatik am Beispiel der Forschungen im Rahmen der Strukturanalyse der Rechtspflege in der Bundesrepublik Deutschland, in: H. G. Leser (Hrsg.), FS Hyung-Bae Kim, 1995, S.  291 (299 f.). – Zur deutschen Entwicklung des Gerichtsmanagements siehe K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 ff. 296  K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (218 f.); ders., DRiZ 1998, S.  241 (241); R. J. Baldegger, Management. Strategie – Kultur – Struktur, 2007, S.  26 f. 297  Die unterschiedlichen Funktionen können nicht unabhängig voneinander betrachtet werden, sondern sind voneinander abhängig und befinden sich in einer zyklischen Wechsel­ wirkung. Siehe Baldegger, Management (Fn.  296), S.  26, 28 f. – Vor dem Hintergrund der besseren Nutzung der Ressourcen eines Gerichts werden diese Funktionen beleuchtet von C. B. Graham, Jr., Reshaping the Courts. Traditions, Management Theories, and Political Realities, in: Hays/ders., Court Administration (Fn.  252), S.  3 (19); K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (241 f.). 298  Baldegger, Management (Fn.  296), S.  27. 299  Unter Effizienz ist der Grad der Zielerreichung zu verstehen („doing things right“), mit Effektivität umschreibt man die zunächst erforderliche richtige Zielsetzung („doing the right things“). So P. F. Drucker, Management. Tasks, Responsibilities, Practices, 1973, Nachdr. 1993, S.  39 ff. zu den Dimensionen von Management; dazu Baldegger, Management (Fn.  296), S.  27. Mit Blick auf die Verwaltung von Gerichten Saari, Management (Fn.  200), S.  35 ff.; R. Barberet/R. y Cajal, NK 16 (2004), S.  23 ff.; Aikman, Administration (Fn.  2), S.  8. 300  Vgl. Gerichte K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (219). 301 Siehe mit einer ähnlichen Feststellung auch M. Eifert, Die Verwaltung 30 (1997), S.  75 ff. 302  B. A. Curran, The Legal Needs of the Public. The Final Report of a National Survey. A Joint Undertaking by the American Bar Association Special Committee to Survey Legal Needs and the American Bar Foundation, 1977, S.  1 ff., 259 ff.; P. J. Glauben, DRiZ 1991, S.  260 ff.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  96; allgemein zum Qualitätsmanage­

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

Qualitätsverbesserung schließt dabei mit Blick auf die Fed.R.Civ.P. nicht nur die Gerechtigkeitsqualität der Rechtsprechung ein, sondern fokussiert auch die Erledigungszahlen, die Prozessdauer sowie die verursachten Kosten der Justiz­ tätigkeit303. Die Frage, wie die Gesamtqualität in der Justiz verbessert werden kann, ver­ suchen unterschiedliche Management-Theorien zu beantworten, die jeweils an­ dersgeartete Konsequenzen für das praktische Court Management haben sol­ len304. Von Frederick W. Taylor wurde mit dem Ziel der optimalen Nutzung menschlicher Ressourcen und vorhandener Leistungspotenziale das sog. Scientific Management (wissenschaftliche Betriebsführung) geschaffen. Es lässt sich in der Theorie primär durch eine Zerlegung des Produktionsprozesses in klein­ ste Arbeitsschritte sowie eine Entlastung der Arbeiter von geistigen Tätigkeiten kennzeichnen305. Aufgrund naheliegender humanistischer Gründe wird der Taylorismus inzwischen weithin abgelehnt. Saari hat sich – auch unter Beto­ nung, dass die Idee des Scientific Management abzulehnen sei – der Rezeption der Management-Theorien im Hinblick auf das Court Management gewid­ met306. Im Fokus steht dabei die Erkenntnis, dass die Gerichte als professionelle (passive) Organisationen angesehen werden, da sich hieran die Art der Führung der Justiz orientiert307. Unterschieden werden nunmehr drei verschiedene An­ ment S. Koch, Einführung in das Management von Geschäftsprozessen, 2011, S.  22 ff. – Siehe im Zusammenhang mit Bürokratisierung und Professionalisierung zu den Gerichten als Or­ ganisationen H. Fix-Fierro, Courts, Justice and Efficiency. A Socio-Legal Study of Economic Rationality in Adjudication, 2003, S.  139 ff. 303  Ziel der Justiz ist es nach Rule 1 „to secure the just, speedy, and inexpensive determi­ nation of every action and proceeding“. Dazu Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  96 f. 304  Allgemein zu den Management-Theorien, die seit dem beginnenden 20.  Jahrhunderts die Folgen der Industrialisierung zu bewältigen versuchten, G. A. Cole, Management Theory and Practice, 6.  Aufl. 2004, S.  3 ff. Siehe auch die Zusammenstellung bei M. M. Harmon/R. T. Mayer, Organization Theory for Public Administration, 1986, S.  67 ff.; Röhl, Gerichtsverwal­ tung (Einl., Fn.  18), S.  123 f. 305  F. W. Taylor, The Principles of Scientific Management, 1911, Nachdr. 1964; auf Deutsch erschienen als F. W. Taylor/R. Roesler, Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung, 1913, Nachdr. 1977. Aus der Rezeptionsliteratur dazu H. G. J. Aitken, Taylorism at Watertown Arsenal, 1960; Harmon/Mayer, Organization (Fn.  304), S.  83 ff.; R. Kanigel, The One Best Way. Frederick Winslow Taylor and the Enigma of Efficiency, 2015; D. H. Rosenbloom/R. S. Kravchuk/R. M. Cherkin, Public Administration. Understanding Management, Politics, and Law in the Public Sector, 8.  Aufl. 2015, S.  154 ff. Zur Kritik am Taylorismus zusammenfas­ send W. Hebeisen, F. W. Taylor und der Taylorismus. Über das Wirken und die Lehre Taylors und die Kritik am Taylorismus, 1999, S.  119 ff. 306  Saari, Management (Fn.  200), S.  31 ff. Siehe weiterhin G. Gallas, The Justice System Journal 2 (1976), S.  35 ff.; Graham, Reshaping (Fn.  297), S.  8 f. 307 Vgl. J. A. Martin/N. C. Maron, The Justice System Journal 14 (1991), S.  268 (270): „By now it is hardly a secret that how one sees the judicial system or sees any organization has a

B. Begriffliche Einordnung der Court Administration in den USA

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sätze mit unterschiedlichem Blickwinkel auf die Justiz als Objekt des Manage­ ments: Das Maschinenmodell, das Systemmodell und das Netzwerkmodell308. Das Maschinenmodell309 sieht die Gerichte als komplexe und autarke „Maschi­ nen“ an. Gerichte können in diesem Sinne aber nur dann effizient arbeiten, wenn sie ordnungsgemäß konstruiert und strukturiert sind sowie angemessen gepflegt und überwacht werden. Diese Theorie geht im Wesentlichen zurück auf die ver­ altete Lehre des Scientific Management und entspricht dem klassischen Büro­ kratiemodell von Max Weber310. Eine zweite Management-Perspektive (das Sys­ temmodell311) erkennt die anderen wichtigen Rollen von anderen Organisatio­ nen und Parteien an, die mit dem Gericht in Interaktion treten. Hier wird das Gericht als die Spitze eines komplexen und dynamischen Justizsystems ange­ sehen, das aus zahlreichen Komponenten besteht312. In vielerlei Hinsicht ist die dritte Theorie, das Netzwerkmodell, dem Systemmodell ähnlich. Auch wenn das Gericht als ein Akteur unter vielen angesehen wird und besondere Aufga­ ben für die Koordinierung der Justiz übernimmt, ist es indessen nicht die her­ ausragende Komponente innerhalb des Systems313. Die beiden letzten Theorien geben Aufschluss über die mögliche Herangehensweise und Arbeitsweise der Court Manager, die sich jeweils in ein ausdifferenziertes System einzufügen haben und mit der Führung einer komplexen Organisation betraut sind. Es deu­ tet vieles darauf hin, dass Court Manager die Gerichte in der Regel als eine nicht strikt hierarchische Organisation sehen, in denen sie selbst eine neben der eigentlichen Rechtsprechungsfunktion tragende Rolle einnehmen können. great impact on how one decides to manage it“; siehe grundlegend auch Harmon/Mayer, Organization (Fn.  304), S.  5 ff.; K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (227); ders., DRiZ 1998, S.  241 (241); B. J. Ostrom u. a., Trial Courts as Organizations, 2007, S.  1 ff. – Zum organisatorischen Kontext der öffentlichen Verwaltung siehe mit einer Organisationsdefiniti­ on Harmon/Mayer, Organization (Fn.  304), S.  16 ff. 308  Siehe im ersten Zugriff J. A. Martin/N. C. Maron, The Justice System Journal 14 (1991), S.  268 ff.; die Begriffe gehen in dieser Übersetzung zurück auf Röhl, Gerichtsverwal­ tung (Einl., Fn.  18), S.  123. 309  Im Englischen genannt: The Big Court Machine Perspective, siehe dazu J. A. Martin/­ N. C. Maron, The Justice System Journal 14 (1991), S.  268 (271 ff.). 310  J. A. Martin/N. C. Maron, The Justice System Journal 14 (1991), S.  268 (271); Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  13, 123; Graham, Reshaping (Fn.  297), S.  8 ff. – Zu We­ bers Bürokratiemodell im Allgemeinen siehe M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 5.  Aufl. 1972, Nachdr. 1980, S.  126 ff.; Harmon/Mayer, Organization (Fn.  304), S.  68 ff.; S. Paetz, Büro­k ratie, in: H.-P. Müller/S. Sigmund, Max Weber. Handbuch, 2014, S.  38 ff. 311  J. A. Martin/N. C. Maron, The Justice System Journal 14 (1991), S.  268 (274 ff.), danach firmiert es unter dem Titel „The Court As The Apex Of A Hierarchical Judicial System“. 312 Siehe Saari, Management (Fn.  200), S.  23 f. 313  Dieses Modell – im Englischen Interorganizational Perspective – geht zurück auf den Beitrag von J. A. Martin/N. C. Maron, The Justice System Journal 14 (1991), S.  268 (278 ff.).

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

Richter hingegen werden sich selbst und ihre ureigene Rechtsprechungstätigkeit an der Spitze des komplexen Organisationapparates Justiz sehen und das Court Management als eine von ihnen angeleitete Tätigkeit betrachten314. Die letzten beiden Theorien bestimmen mithin die Arbeitsweise und Organisation der Ge­ richtsverwaltung an den U.S.-amerikanischen Gerichten, und insofern insbe­ sondere der einzelstaatlichen Justiz. bb) Aufgabenfelder des Court Managers Im Rahmen der Herausbildung einer professionalisierten Gerichtsverwaltung wurde die hierfür erforderliche Position zunächst als Court Administrator be­ zeichnet. Der erste Court Administrator wurde 1950 ernannt315, und obwohl es bereits 1924 in Boston den ersten „Court Manager“ gab316, entwickelte sich die Profession als solche erst seit den 1960er Jahren zunehmend zu einem eigenen Berufsbild 317. Zwar gibt es – vor allem in den einzelnen Bundestaaten – keine vereinheitlichten Aus- oder Weiterbildungsprogramme für angehende Court Manager, jedoch hat sich inzwischen das Court Management als festes Berufs­ bild etabliert, sodass es nebst eigener universitärer Studiengänge und Ausbil­ dungsprogramme sogar originäre Fachzeitschriften gibt318. Obwohl es bei Wei­ tem nicht an allen Gerichten den Beruf des Court Managers gibt, decken sich die Aufgaben eben derer zumeist erheblich mit denen der (früheren) Court Clerks319. Nicht alle Aufgabenfelder des Court Managements lassen sich kategorisieren, allerdings kann grob zwischen operativen, fiskalischen und sonstigen Tätig­ keiten unterschieden werden. Erschwert wird eine überschaubare Darstellung 314  Zum Konflikt zwischen Richtern und Court Managern siehe W. A. Taggert/G. L. Mays/D. Hamilton, The Justice System Journal 19 (1985), S.  19 ff. 315  Edward E. Gallas wurde als Court Executive Officer am Los Angeles Superior Court ernannt. So Foster/Machunze/Blanchard, Introduction (Fn.  274), S.  170; Saari/Planet/Reinkensmeyer, Court Managers (Fn.  268), S.  237; Aikman, Administration (Fn.  2), S.  2. 316  Fabri, Issues (Fn.  2), S.  188 ff. 317 Siehe Foster/Machunze/Blanchard, Introduction (Fn.  274), S.  170; Wittreck, Verwal­ tung (Einl., Fn.  9), S.  634; Aikman, Administration (Fn.  2), S.  157 f. 318 Siehe Foster/Machunze/Blanchard, Introduction (Fn.  274), S.  170; K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (223); Saari/Planet/Reinkensmeyer, Court Managers (Fn.  268), S.  245 ff.; R. W. Tobin, An Overview of Court Administration in the United States, 1997, S.  13 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  634; Gazell, Issues (Fn.  274), S.  1044 ff. – Zu den Ausbildungsmöglichkeiten für Court Manager siehe Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  71; Echaore-McDavid, Career (Fn.  291), S.  140 f. 319  Vgl. Im Detail zu den Aufgabenportfolios L. Berkson/S. W. Hays, University of Miami Law Review 30 (1976), S.  499 ff.; dies., The Traditional Managers. Court Clerks, in: dies./S. J. Carbon (Hrsg.), Managing the State Courts, 1977, S.  175 ff.; Foster/Machunze/Blanchard, In­ troduction (Fn.  274), S.  170; S. W. Hays, The Traditional Managers: Judges and Court Clerks, in: ders./Graham, Court Administration (Fn.  252), S.  221 (230 ff.).

B. Begriffliche Einordnung der Court Administration in den USA

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ferner durch die Tatsache, dass im Bereich des Court Managements verschiede­ ne Akteure zum Einsatz kommen und vor allem in den einzelnen Bundesstaaten die den Court Managern anvertrauten Maßnahmen der Gerichtsverwaltung stark variieren320. Diesem Trend versuchen die Aufgabenbeschreibungen der ABA-Standards mit ihren Musterentwürfen entgegenzuwirken, in denen sie von der Justizorganisation und der Verwaltung ein stark zentralisiertes Bild zeich­ nen321. Eine hinreichend belastbare, theoretisch fundierte Analyse und Beschrei­ bung der Aufgaben des Court Managements gibt es allerdings nach wie vor nicht322. Die Aufgabenschwerpunkte der Gerichtsverwaltung können insofern nur beispielhaft aufgezählt werden: Zu den übertragbaren Aufgaben des Court Managers gehören die Betreuung des nichtrichterlichen Gerichtspersonals323, die Aufrechterhaltung der Infrastruktur am Gericht sowie die Ausstattung mit Räumlichkeiten324. Hinzu kommen organisatorische Aufgaben hinsichtlich in­ terner Arbeitsabläufe, die Erstellung von Statistiken und beruflicher Evaluatio­ nen325 sowie ganz allgemein fiskalische Tätigkeiten, zu denen auch der höchst sensible Bereich der Budgetierung des Haushaltsjahres gehören326. 320  Eine sinnvolle Kategorisierung findet sich bei Saari/Planet/Reinkensmeyer, Court Ma­ nagers (Fn.  268), S.  253 ff.; ähnlich Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  87 ff. Siehe zu den einzelnen Aufgabenfeldern im Detail Kap.  4 B. III. – Eine umfangreiche Aufzählung der Aufgabenfelder der Gerichtsverwaltung geordnet nach Wichtigkeit und Dringlichkeit findet sich bei Aikman, Administration (Fn.  2), S.  197 ff.; siehe zu einer übersichtlichen Darstellung der Bereiche des Court Managements an den Gerichten der Einzelstaaten die Zusammenstel­ lung des NCSC unter http://www.ncsc.org/topics/court-management.aspx (22.11.2017). 321  Ausführlich hierzu Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  73 ff. 322  So bereits Wheeler, Administration (Fn.  247), S.  23 f. 323  Richterpersonalsachen sind dem Court Management im Wesentlichen nicht zuzuord­ nen, da insbesondere die Richterbestellung aus der Gerichtsverwaltung ausgelagert ist, vgl. K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (225); ders., Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  79. 324  Siehe die Auflistungen bei Foster/Machunze/Blanchard, Introduction (Fn.  274), S.  170; Mahoney/Solomon, Court Administration (Fn.  248), S.  36 ff.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  77 ff.; Saari/Planet/Reinkensmeyer, Court Managers (Fn.  268), S.  247 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  634. – Die adäquate Ausstattung mit Räumlichkeiten in den Gerichten wird als Space Management bezeichnet, siehe dazu J. Gazell, The Principle Facts and Goals of Court Management. A Sketch, in: Berkson/Hays/Carbon, Managing (Fn.  319), S.  24 (31); allgemein Wong, Administration (Fn.  266). 325  Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  82; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  634; Aikman, Administration (Fn.  2), S.  335 ff. – Siehe zu den Judicial Performance Evaluations als Aufgabe der Gerichtsverwaltung im Detail Kap.  4 B. III. 3. b) aa). 326  Zur wichtigen Funktion, welche die Court Clerks im Bereich der Budgetierung der Gerichte bereits einnehmen, siehe Hays, Managers (Fn.  319), S.  231. Siehe allgemein Saari/ Planet/Reinkensmeyer, Court Managers (Fn.  268), S.  255 f. sowie Mahoney/Solomon, Court Administration (Fn.  248), S.  40 ff.; Aikman, Administration (Fn.  2), S.  238 ff.

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

Darüber hinaus übernehmen Court Manager im Hinblick auf die Jurys orga­ nisatorische Aufgaben327. Ferner gehören zu den operativen Aufgaben zum Teil auch Recherchetätigkeiten328. Zu nennen sind der Vollständigkeit halber ebenso die Öffentlichkeitsarbeit sowie Informationsdienstleistungen für Strafverfol­ gungs- und sonstige Behörden329. Wenig greifbar ist das Aufgabenfeld der Sys­ temanalyse, das bereits vermuten lässt, dass die Kompetenzen des Court Managers zum Teil kryptisch formuliert sind und überdies tief in die Justiztätigkeit eingreifen. Eine erhebliche Einflussnahme ermöglicht dem Court Manager inso­ fern speziell die Beteiligung an der Aufstellung bzw. Bearbeitung der sog. Court Rules330. Dies gilt auch für das sog. Calendar Management und insbesondere für das bereits erwähnte Caseflow Management; die Geschäftsverteilung ermöglicht dem Court Manager im Ergebnis eine weitereichende Einflussnahme und ist schließlich ein Hauptgrund für seine Einführung, gleichzeitig aber auch größter Problemfaktor331. Es kristallisiert sich hier das profilspezifische Problem der Profession des Court Managements heraus: Der Court Manager untersteht zwar rechtlich dem Chief Justice und ist bei der Kompetenzverteilung an dessen Wei­ sungen gebunden, die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen den Akteuren der Gerichtsverwaltung ist allerdings nicht immer eindeutig332.

C. Begrifflicher Vergleich Abschließend bleibt festzustellen, dass ein direkter begrifflicher Vergleich der deutschen Gerichtsverwaltung und der amerikanischen Court Administration schwierig ist. Dies fängt bereits mit den begrifflichen Ursprüngen und der Ein­ ordnung des Begriffs an, der sich in Deutschland – zumindest an den ordentli­

327 

Zu den organisatorischen Aufgaben im Hinblick auf eine Jury gehört zum einen die Sicherstellung der Akquise von repräsentativen Jury-Mitgliedern aus geeigneten Listen re­ gistrierter Führerschein-Inhaber und Wähler; hinzukommen bspw. auch die Ermöglichung der Teilnahme von Juroren mit Behinderungen. Siehe Gazell, Facts (Fn.  324), S.  34; Saari/ Planet/Reinkensmeyer, Court Managers (Fn.  268), S.  256. 328  Siehe insbesondere die tabellarische Übersicht bei Saari/Planet/Reinkensmeyer, Court Managers (Fn.  268), S.  253 f. 329  Foster/Machunze/Blanchard, Introduction (Fn.  274), S.  170. 330  K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (224). 331 Vgl. A. Taggart/G. L. Mays/D. Hamilton, The Justice System Journal 10 (1985), S.  19 ff. 332 Mit Empfehlungen hinschlichen der klaren und eindeutigen Aufteilung von Kom­ petenzen siehe Cameron/Zimmerman/Dowling, Justice (Fn.  213), S.  481 f.; siehe weiterhin E. C. Friesen/E. C. Gallas/N. M. Gallas, Managing the Courts, 1971, S.  133 ff.; Röhl, Ge­ richtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  125 f.; Tobin, Overview (Fn.  318), S.  19.

C. Begrifflicher Vergleich

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chen Gerichten333 – als Grenzgang zwischen Exekutive und Judikative entpuppt, während sich die amerikanischen Gerichte in völliger Eigenständigkeit verwal­ ten. Nichtsdestoweniger bleiben ähnliche Konfliktfelder wie im Rahmen der deutschen Geschäftsverteilung. Wenngleich die Konflikte sich an den Gerichten der Vereinigten Staaten auf den innerorganisatorischen Bereich beschränken, sehen sich die Richter in beiden Rechtsordnungen fast gleichermaßen durch eine – zumindest subjektive – Fremdverwaltung bedroht. Gleichermaßen ist dieses Leid auch selbst verschuldet. Direkte Übersetzungen von Begriffen ver­ bieten sich; dies gilt nicht nur für die Termini „Verwaltung“ und „Rechtspre­ chung“, sondern insbesondere auch für die wesentlichen Begriffe der „Gerichts­ verwaltung“ und der „Justizverwaltung“. Abgesehen von der bereits in Deutschland existierenden unscharfen Tren­ nung der Verwaltungsaufgaben wäre eine wortwörtliche Übertragung auf die in den USA verbreiteten Begriffe von Court Administration und Judicial Administration äußerst hinderlich. Auch die Annahme, es müssten zumindest grund­ sätzlich ähnliche verfassungstheoretische Streitigkeiten zur Begriffserklärung und Abgrenzung dieser Termini existieren, stellt sich als falsch heraus. Es über­ rascht insofern umso mehr, dass sich die gerichtsverwaltenden Maßnahmen im weitesten Sinne an den U.S.-amerikanischen Gerichten ebenso wie die deut­ schen in die zwei Muster der Verwaltung durch Gerichte sowie der Verwaltung der Gerichte pressen lassen. Insgesamt sind die Aufgabenbeschreibungen durchaus ähnlich, obschon die allgemeinen Definitionsansätze in der amerika­ nischen Rechtsliteratur mehr als spärlich sind. Hier kann man ein eingeschränk­ tes Problembewusstsein der rechtswissenschaftlichen Fachwelt ausmachen, das sich jedoch als Folge des Common Law-Systems darstellt, in dem weitreichende rechtliche Flexibilisierungen generell möglich sind. Man konzentriert sich hier vielmehr auf spezielle Bereiche der Gerichtsverwaltung. Auch die vergleichba­ ren Konflikte der deutschen und amerikanischen Richterschaft bezüglich der Finanzierung der Gerichte sowie der Geschäftsverteilung bzw. des Caseflow Managements verleiten zumindest zu der Arbeitshypothese, dass eine Verbes­ serung der Gerichtsverwaltung aus richterlicher Perspektive in Deutschland un­ ter starrer Fokussierung auf das Vorbild des Court Managements rein praktisch nicht zu erreichen wäre334. Dennoch darf nicht vorschnell über die Nachteile einer Implementierung des Management-Gedankens in den wissenschaftlichen Diskurs zur Gerichtsverwaltung geurteilt werden. Das Court Management stellt sicherlich eine U.S.-amerikanische Besonderheit dar, ist jedoch auch in dieser 333  Das

Bundesverfassungsgericht nimmt freilich in der Gerichtsverwaltungslandschaft der Bundesrepublik Deutschland eine Sonderstellung ein. Dazu ausführlich Kap.  3 A. II. 1. b). 334  Im Detail siehe hierzu unten Kap.  5 B. I.

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Erster Teil: Überblick und Begriffsbestimmungen

Rechtsordnung nicht frei von Kritik geblieben335. Überdies vermag der Gedan­ ke einer Übertragbarkeit auf die deutsche Gerichtsverwaltung aufgrund des in den USA verbreiteten Bildes von einem Gericht als Organisation befremdlich wirken336. Es lassen sich allerdings möglicherweise Leitideen des Managements unter Effizienzgesichtspunkten extrahieren337, ohne die deutschen Gerichte als Organisationen wie Krankenhäuser oder Universitäten zu betrachten 338. Daher stellt das Berufsbild des Court Managers möglicherweise sogar einen Kompro­ miss zwischen der in Deutschland vorherrschenden überwiegenden Gerichts­ verwaltung durch die Exekutive und der durch die Richterschaft geforderten vollständigen Selbstverwaltung mittels eben dieser Richter selbst dar, wenn man ein Bindeglied in Form eines professionellen „Gerichtsverwalters“ unter Führung durch den Gerichtspräsidenten etablieren würde339.

335 

Vgl. vor allem A. Rosett, The Judicial Career in the United States and Its Influence on the Substance of American Law, 1992, S.  19; K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (229 f.). – Positiv äußert sich hingegen Tobin, Overview (Fn.  318), S.  20 ff. 336  Siehe abermals Gerichte K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (218 ff.); ders., Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  13 ff.; Fix-Fierro, Courts (Fn.  302), S.  139 ff. Zu den hiermit verbundenen Gefahren Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  635 f. 337  So im Wesentlichen auch die Einschätzung im Bericht der Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg vom 15.5.1997, Projekt „Justiz 2000“ – Ziele und Stand des Pro­ jekts (Einl., Fn.  61), S.  107 f. 338  K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (218). 339  Siehe genauer Kap.  5 B. I. 2.

Zweiter Teil

Grundlagen Neben historischen (A.) und normativen (B.) Grundlagen sind für die Gerichts­ verwaltungsstrukturen in der deutschen wie in der U.S.-amerikanischen Rechts­ ordnung die verfassungsrechtlichen Parameter für die Reichweite und die Funk­ tionen der gerichtsverwaltenden Tätigkeitsfelder ausschlaggebend (C.). Auch internationales Recht enthält zumindest im Hinblick auf die Rechtsprechung etwaige Vorgaben (D.). Mit Blick auf die territorialen Gebiete der Vereinigten Staaten von Amerika ist eine geographische Eingrenzung des Beurteilungsrah­ mens vorzunehmen (E.).

A. Historischer Grundriss der Entwicklung von gerichtsverwaltender Tätigkeit Die Idee vollständiger Unabhängigkeit der Gerichte von den anderen Gewalten in Fragen der Court Administration sowie die professionelle Ausgestaltung der Gerichtsverwaltung durch modernes Court Management hängen mit dem Selbstverständnis der Selbstverwaltung der U.S.-amerikanischen Gerichte zu­ sammen. In Deutschland hingegen ist die Gerichtsverwaltung in ein gewalten­ verschränktes Modell eingebettet, das durch die Exekutive dominiert wird1. Die historischen Grundlagen können Aufschluss darüber geben, woher eventuelle Unterschiede in Bezug auf die Administration der Gerichte in Deutschland und den USA herrühren. Die deutsche Gerichtsverwaltung kann traditionell auf eine deutlich ausgeprägtere Historie zurückblicken (I.), während die amerikanische Court Administration erst mit der Unabhängigkeitserklärung Relevanz erlangte und schließlich im späten 19.  Jahrhundert zu einiger Bedeutung fand (II.). I. Entwicklung der Gerichtsverwaltung in Deutschland Die Entwicklung der Gerichtsverwaltung in Deutschland geht bis in das Alter­ tum zurück, da Gerichte in ihrer ursprünglichen Form bereits verwaltet werden 1  Siehe im Detail zur Ausgestaltung der Gerichtsverwaltung in beiden Rechtsordnungen, zu den beteiligten Organen und den Aufgabenfeldern ausführlich unten in Kap.  4 (S.  264 ff.).

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Zweiter Teil: Grundlagen

mussten, seitdem es Richter im weitesten Sinne gab2. Aus Gründen einer prak­ tikablen Vergleichbarkeit mit der Entwicklung gerichtsverwaltender Tätigkeiten in den USA muss für den Zeitraum der Darstellung der historischen Entwick­ lung auf eine Herausbildung moderner staatlicher und gewaltenteilender Struk­ turen abgestellt werden. Die frühmoderne Staatsbildung setzte im 15./16.  Jahrhundert in der frühen Neuzeit mit der Entfaltung typisch ständestaatlicher Institutionen und deren Dominieren über ältere Staatsstrukturen ein3. Mit der Entwicklung der Landes­ herrschaften zu Territorial-„Staaten“ bildete sich ein Gewaltmonopol des Staa­ tes bzw. die Souveränität des Fürsten heraus4. Die Gerichte fügten sich in eine hierarchisch organisierte Behördenstruktur ein und unterlagen dabei nicht sel­ ten der Leitung durch den Herrscher selbst5. Die Verwaltung der Gerichte er­ folgte in der Regel durch einen Hofrat mit untergeordneten Hilfsorganen. Die Trennung von administrativer und judikativer Gewalt war dem Obrigkeitsstaat bisher fremd6. Bis weit ins 18.  Jahrhundert war es üblich, dass der Landesherr und sein Kabinett durch (Einzel-)Befehle, Machtsprüche, Drohungen oder mit­ tels der Bestrafung von Richtern Einfluss auf die Rechtsprechung nahmen, um eine Rechtszersplitterung zu verhindern; da im Herrscher alle Gewalten vereint waren, konnte dieser mithin auch die Justizhoheit für sich beanspruchen7. Seit Mitte des 18.  Jahrhunderts nahmen die Einflussmöglichkeiten der Landes­herrn in Form der „Kabinettsjustiz“ zunehmend ab. Aufgrund der im Vergleich zu den Landesherrn höheren Qualifikation der Richter, zunehmen­den Kodifikationen sowie durch den Einfluss der Gedanken der Aufklärung musste nunmehr der Wille des Herrschers hinter dem des Gesetzes zurückste­ 2  Siehe zu diesem Ansatz und einer umfangreichen Darstellung der historischen Grund­ lagen der Gerichtsverwaltung unter der Fragestellung „Justizverwaltung durch die Exekutive als deutscher Sonderweg?“ Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  37 ff. 3  D. Willoweit, Die Entwicklung und Verwaltung der spätmittelalterlichen Landesherr­ schaft, in: K. G. A. Jeserich u. a. (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd.  I, 1985, S.  66 ff.; ders., Allgemeine Merkmale der Verwaltungsorganisation in den Territorien, ebda., S.  289 ff.; ders., Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom Frankenreich bis zur Wiedervereini­ gung Deutschlands, 7.  Aufl. 2013, §  17 Rn.  1. 4  Siehe allgemein J. Bahlke, Landesherrschaft, Territorien und Staat in der frühen Neu­ zeit, 2012, S.  12 ff. 5  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  38 f.; Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  11. 6 Siehe Willoweit, Verfassungsgeschichte (Fn.  3), §  17 Rn.  2 ff. 7  Näher hierzu E. Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S.  40 f.; E. Bussi, Zur Geschichte der Machtsprüche, in: H. Lentze/P. Putzer (Hrsg.), FS Ernst Carl Hellbling, 1971, S.  51 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  75; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  42; M. Kotulla, Machtsprüche, strafgerichtliche Bestätigungsvorbehalte und die richter­ liche Unabhängigkeit, in: F. Kirchhof/H.-J. Papier/H. Schäffer (Hrsg.), FS Detlev Merten, 2007, S.  199 (202 f.); Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  11.

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hen8. Die Ideen der richterlichen Unabhängigkeit und die auf Montesquieus Ge­ walteinteilungsansatz zurückgehende Trennung von Justiz und Verwaltung setz­ ten sich im 19.  Jahrhundert weiter durch und bildeten so die „Weichen­stellung“ für die heutige Verwaltung der Gerichte in Deutschland9. Der von Montesquieu formulierte Grundsatz der Aufteilung der Staatsgewalt auf drei verschiedene ­Organe regte bereits Friedrich den Großen an, 1748 die richter­liche Unabhängig­ keit anzuerkennen und auf eine Einflussnahme auf die Gerichte zu verzichten10. Auch im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 finden sich Anfänge, die richterliche Unabhängigkeit auszubauen, wenngleich es kein Machtspruchverbot enthielt11. Die liberalen Ideen des Bürgertums führten ab 1818 zu einer stetigen Implementierung des Gedankens der richterlichen Unab­ hängigkeit – vor allem in sachlicher Hinsicht als Weisungsfreiheit – in die ver­ schiedenen Verfassungen12. Das Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 enthielt darüber hinaus auch Ansätze der persönlichen Unabhängigkeitsgarantie13. Dies führte schließlich auch zu einer beachtlichen Vereinheitlichung der Justizver­ waltungsorganisation der Länder. Neben der Gerichtsstruktur wurde quasi au­ tomatisch auch die Justizverwaltung angepasst. Das im Wesentlichen heute noch existierende Modell der Verwaltung der Gerichte durch die Exekutive bil­ dete sich durch die Übertragung gerichtsverwaltender Aufgaben auf die zweite Gewalt im Gerichtsverfassungsgesetz heraus14. 8 

Siehe dazu im Überblick H. Weber-Grellet, DRiZ 2003, S.  303 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  42 f.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  25 f. – Zu den verblei­ benden Einflussnahmemöglichkeiten des Landesherrn siehe abermals Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  44 m. w. N. 9 So Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  45 ff. (Zitat S.  45). Siehe weiterhin instruktiv G. Siegel, Zur Entwicklung der Unabhängigkeit der Rechtsprechung, in: Annalen des Deut­ schen Reichs für Gesetzgebung, Verwaltung und Statistik, 1898, S.  221 (241). 10  Solche Selbstverpflichtungen wurden allerdings nicht selten wieder gebrochen. Vgl. H. Sendler, JuS 1989, S.  759 (761); Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  12. 11 Siehe F. Baur, Justizaufsicht und Richterliche Unabhängigkeit, 1954, S.  7; Kotulla, Machtsprüche (Fn.  7), S.  209 f.; Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  13. 12  Die Garantie der sachlichen Unabhängigkeit wird im Frühkonstitutionalismus zunächst in die bayerische sowie die badische Verfassung (jeweils 1818) aufgenommen, sie wird wei­ terhin der preußischen Verfassung von 1848 geregelt. Die Verfassung der Paulskirche von geht beinahe selbstverständlich von einer Unabhängigkeitsgarantie aus. Siehe dazu M. Kotulla, DRiZ 1992, S.  285 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  45 f.; Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  14; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  26. Speziell zur Selbständig­ keit der Gerichte in der Paulskirchenverfassung, die als Ganze nie in Kraft trat, siehe J.-D. Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2.  Aufl. 1998, S.  344 ff. 13  Namentlich wären hier §§  1, 8 GVG (sachliche und persönliche Unabhängigkeit) sowie §  4 EGGVG (Behördentrennung) zu nennen. Siehe allgemein dazu Kern, Geschichte (Fn.  7), S.  93 ff., 101 ff.; O. R. Kissel, NJW 1979, S.  1953 ff. 14 Siehe Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  49 f. – Zur Entstehung des Gerichtsverfas­

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Zweiter Teil: Grundlagen

Zum Ende des 19.  Jahrhunderts gab es zwar immer wieder Reformtenden­ zen15, umso mehr überrascht es indessen, dass auch nach 1918 in der Weimarer Republik das bisherige Gerichtsverwaltungsmodell nahezu unverändert erhal­ ten blieb16. Ein ähnlicher Befund kann für die Zeit unter der Herrschaft des Nationalsozialismus (1933–1945) gestellt werden, in der die Institution der „Jus­ tizverwaltung“ als solche zunächst fortbestand. Die Verwaltung der Gerichte wurde zwar dem Reichsjustizministerium unterstellt, blieb aber in bürokrati­ scher Hinsicht weiter erhalten17. Lediglich Angelegenheiten der richterlichen Selbstverwaltung – wie namentlich die Geschäftsverteilung – wurden durch das Gesetz über die Geschäftsverteilung bei den Gerichten vom 24. November 1937 aufgehoben18. Solche bisher weisungsfreien Tätigkeiten wurden nunmehr in Anlehnung an das „Führerprinzip“ durch den jeweiligen Gerichtspräsidenten oder Vorsitzenden vorgenommen19. Es überrascht freilich nicht, dass neben die­ se tatsächlichen Elemente des Fortbestands einige Faktoren gravierender, dikta­ torischer Veränderungen traten 20, die im Ergebnis zwar nicht zu einer rein na­ tionalsozialistischen Justizverwaltung reiften, aber dennoch eine indirekte Wir­ kung entfalteten. Es kam vor allem durch personalpolitische Maßnahmen zu tiefgreifenden Einschränkungen der persönlichen Unabhängigkeit der Richter unter der totalitären Herrschaft21. Das neue Selbstverständnis von der richter­ sungsgesetzes mit zahlreichen Quellen siehe W. Schubert, Die deutsche Gerichtsverfassung (1869–1877). Entstehung und Quellen, 1981. 15  Siehe hierzu Kern, Geschichte (Fn.  7), S.  135 ff. 16  So auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  53 ff. Siehe im Detail zu dieser Kontinu­ ität C. Gusy, Die Weimarer Reichsverfassung, 1997, S.  203 sowie detailliert K. E. Claussen, Justizverwaltung 1918–1932, in: K. G. A. Jeserich u. a. (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsge­ schichte, Bd.  I V, 1985, S.  1032 ff. 17  Siehe hierzu Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  59 ff. (insbes. S.  61 f.). 18  Ausführlich hierzu Kern, Geschichte (Fn.  7), S.  221 ff. 19  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  62. 20  Siehe hierzu das Erklärungsmodell des Nebeneinanders von Elementen der Kontinuität und Elementen des Rechtszerfalls von H. Dreier, Rechtszerfall und Kontinuität, in: D. Gose­ winkel (Hrsg.), Wirtschaftskontrolle und Recht in der nationalsozialistischen Diktatur, 2005, S.  39 (40 ff., 58 ff., 60 ff.). Dieses wird aufgegriffen und auf die Gerichtsverwaltung zwischen 1933 und 1945 übertragen von Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  58 ff. sowie Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  26. 21  Zu den repressiven Maßnahmen der Personalpolitik des nationalsozialistischen Regi­ mes gehörten Zwangsentlassungen auf Grundlage des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums sowie Beförderungsentscheidungen, die faktisch nur auf Empfehlung der NSDAP erfolgten. Siehe Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  17; M. Herbers, Organi­ sationen im Krieg. Die Justizverwaltung im Oberlandesgerichtsbezirk Köln 1939–1945, 2012, S.  82 ff.; B. Manthe, Richter in der nationalsozialistischen Kriegsgesellschaft, 2013, S.  32 f., 94 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  26 f. – Siehe zu den weitreichen­

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lichen Unabhängigkeit war gesetzlich verankert22 und lässt sich anhand zeitge­ nössischer Quellen nachvollziehen 23. Auch die sachliche Unabhängigkeit exis­ tierte bald aufgrund einer unverhohlen vollzogenen Direktion der Rechtspre­ chung durch die Justizverwaltung in Form von vereinheitlichenden Weisungen nur noch in der Theorie24. §  1 GVG bestand auch während des Nationalsozialis­ mus formal fort25. Der „Rechtszerfall“26 wurde vor allem durch eine massive Verdrängung der Justiz durch Sonder- und Polizeigerichte befeuert. Der Ausbau dieser Paralleljustiz wird als eigentliches Charakteristikum der Justiz während der Herrschaft des Nationalsozialismus angesehen 27. Ein ähnliches Gegenbild zur heutigen richterlichen Unabhängigkeit zeichne­te auch die DDR-Justiz28. Die Gerichtsverwaltung wies im SED-Regime der DDR nach Kriegsende eine zunächst frappierende Ähnlichkeit zu der Weimarer Tradition auf29, musste sich aber unter der kommunistischen Führung einer ­umfangreichen Umgestaltung unterziehen. Sie war durch eine zentralisierte – vermeintlich demokratische30 – Anleitung und vollkommene Kontrolle der Recht­sprechung durch die Organe der Justiz geprägt31. An der Spitze der Ge­ den Lenkungsmaßnahmen der Rechtsprechung abermals Herbers, Organisationen (Fn.  21), S.  175 ff. 22  Siehe §  3 Abs.  2 S.  1 DBG 1937 vom 26.1.1937 (RGBl. I S.  39): „Der Beamte hat jeder­ zeit rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat einzutreten und sich in seinem gesam­ ten Verhalten von der Tatsache leiten zu lassen, daß die Nationalsozialistische Deutsche Ar­ beiterpartei in unlöslicher Verbundenheit mit dem Volke die Trägerin des deutschen Staats­ gedankens ist.“ Dies gilt gem. §  171 DBG 1937 auch für den Richter. 23  Siehe bspw. M. Fauser, AöR 26 (1935), S.  129 (149). 24  Zur Steuerung der Rechtsprechung durch die Justizverwaltung siehe L. Gruchmann, Justiz im Dritten Reich 1933–1940, 3.  Aufl. 2001, S.  1091 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  64 f.; Herbers, Organisationen (Fn.  21), S.  175 ff.; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  6. 25  Siehe S. Schädler, „Justizkrise“ und „Justizreform“ im Nationalsozialismus. Das Reichs­ ­justizministerium unter Reichsjustizminister Thierack (1942–1945), 2009, S.  29 f. m. w. N.; Herbers, Organisationen (Fn.  21), S.  41. 26 Eingehend Dreier, Rechtszerfall (Fn.  20), S.  40 ff., 58 ff., 66 ff. 27  So die Einschätzung bei Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  66 f. Siehe zu den Son­ dergerichten im Überblick K. E. Claussen, Justizverwaltung 1933–1945, in: Jeserich u. a., Verwaltungsgeschichte IV (Fn.  16), S.  1044 (1047 f.). – Zur „tatsächlichen Lage der deutschen Justiz unter dem Nationalsozialismus“ siehe instruktiv Kern, Geschichte (Fn.  7), S.  274 ff. 28  Siehe ausführlich im Gesamten A. Baer, Die Unabhängigkeit der Richter in der Bundes­ republik Deutschland und in der DDR, 1999; im Überblick Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  7. 29  Siehe im Überblick Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  73 ff. 30  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  82 spricht insofern von einem „(fiktive[n]) demo­ kratische[n] Zentralismus in Form der Hinordnung aller Staatsgewalt auf das Parlament als der sich dahinter verbergende Monopolanspruch der Einheitspartei SED“. 31 Siehe H. Rottleuthner, Zur Steuerung der Justiz in der DDR, in: ders. (Hrsg.), Steuerung

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richtsverwaltung der DDR stand das Justizministerium32. Nach der Wiederver­ einigung übernahmen die ostdeutschen Länder das Modell der westdeutschen Gerichtsverwaltung unter wiederum umfangreichen personellen Veränderun­ gen. Die Westzone unter der Führung der alliierten Besatzungskräfte versuchte zunächst eine richterliche Selbstverwaltung zu etablieren. Das Scheitern einer selbstverwalteten Justiz vollzog sich parallel zu den missglückten Versuchen einer Entnazifizierung, sodass die Besatzungsmächte auf das exekutive Modell der Gerichtsverwaltung nach dem Weimarer Vorbild zurückgreifen mussten 33. Dieses gilt seit 1989/1990 in der gesamten Bundesrepublik Deutschland. Vor allem seit der zweiten Hälfte des 20.  Jahrhunderts gab es eine stetig anschwel­ lende (richterliche) Bewegung, die bis heute eine Selbstverwaltung der Gerichte einfordert34. Seit der Jahrhundertwende setzte sich darüber hinaus die im ge­ samten öffentlichen Sektor verbreitete Implementierung betriebswirtschaft­ licher Modelle durch die Neuen Steuerungsmodelle auch in der Justiz und ins­ besondere in Ansehung der Verbesserung der Gerichtsverwaltung durch35. II. Entwicklung der Gerichtsverwaltung in den USA Die Ursprünge der Entwicklung der Gerichtsverwaltung in den USA gehen nicht so weit zurück wie die historischen Entwicklungen in Deutschland (1.) und verbuchen erst im späten 19.  Jahrhundert eine Institutionalisierung (2.). Die He­ rausbildung des modernen Court Managements ist zudem eine der jüngsten Entwicklungen (3.). 1. Die Ursprünge und Entwicklung der gerichtlichen Selbstverwaltung Als ehemals englische Kolonie geht die kultur- und ideengeschichtliche sowie rechtshistorische Entwicklung in den USA auf das britische Mutterland zurück. Bereits im mittelalterlichen England existierte eine archaische Form der Ge­

der Justiz in der DDR. Einflußnahme der Politik auf Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwäl­ te, 1994, S.  9 ff. 32  Siehe speziell zum Justizministerium W. Künzel, Das Ministerium der Justiz im Me­ chanismus der Justizsteuerung 1949–1976, in: H. Rottleuthner (Hrsg.), Steuerung der Justiz in der DDR. Einflußnahme der Politik auf Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte, 1994, S.  167 (169 ff.); H. Amos, Justizverwaltung in der SBZ, DDR, 1996, S.  5 ff., 31 ff. 33 Siehe Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  69 ff. 34  Zu den Selbstverwaltungsmodellen der zwei großen deutschen Richtervereinigungen (DRB und NRV) siehe hier nur F. Wittreck, VVDStRL 74 (2015), S.  115 (152 ff.). Siehe zu einer ausführlicheren Darstellung der Selbstverwaltungsbewegung unten Kap.  4 A. IV. 1. 35  Siehe hier nur B. Kramer, NJW 2001, S.  3449 ff. Vgl. im Detail zum NSM im Zusam­ menhang mit der richterlichen Unabhängigkeit Kap.  2 C. V. 1 a) bb) (2).

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richtsverwaltung, die in den Händen sog. Prothonotaries (Protonotare)36 lag. Diese gelten gemeinhin als Vorgänger der heutigen Clerks of Court, also der heutigen Gerichts- bzw. Justizangestellten, die mit Gerichtsverwaltungsauf­ gaben betraut sind 37. Bis zu den Reformgesetzen von 1879, mit denen das Amt des Prothonotary abgeschafft wurde, verwaltete dieser alleine das ihm zuge­ wiesene Gericht, da es bis dato weder ein einheitliches Gerichtssystem noch eine Verwaltungsaufsicht über die Gerichte gab38. Während der Kolonialzeit und nach der Unabhängigkeitserklärung war die Arbeit der Gerichte in den Vereinigten Staaten noch so spärlich und dezentral organisiert, dass es keine Notwendigkeit für eine separate oder zentrale Ge­ richtsverwaltung gab. Die Gerichte waren nicht Teil einer größeren Gerichts­ organisationsstruktur und wurden daher lokal verwaltet39. Die einzige Bezie­ hung zwischen den Berufungsgerichten und den unteren Gerichten lag in der bindenden Wirkung von Gerichtsentscheidungen. Administrative Funktionen wurden in aller Regel durch den Clerk of Court, den Richter und seinen Sekretär durchgeführt40. Ein Konzept, das es einem Gericht ermöglicht hätte, sich in die Verwaltung eines der unteren Gerichte einzumischen, wäre als eine Bedrohung der richterlichen Unabhängigkeit angesehen worden41. Die Ursprünge der gerichtlichen Selbstverwaltung amerikanischer Gerichte gehen auf die bis zur Unabhängigkeitserklärung vorherrschende Dominanz der 36  Das

englische Wort „Prothonotary“ sowie das deutsche Wort „Protonotar“ stammen aus dem Griechischen (protos) und dem Lateinischen (notarius). Siehe M. Hastings, The Court of Common Pleas in Fifteenth Century England. A Study of Legal Administration and Procedure, 1947, Nachdr. 1971, S.  117; R. W. Bentham/J. M. Bennett, Sydney Law Review 3/5 (1959), S.  47 (48); Cameron/Zimmerman/Dowling, Justice (Teil  1, Fn.  213), S.  443 mit Fn.  2. 37  Im Bundesstaat Pennsylvania bspw. werden diese nach wie vor als Prothonotary be­ zeichnet und als solche auch unter anderem auf der offiziellen Gerichtshomepage ausgewie­ sen, siehe Cameron/Zimmerman/Dowling, Justice (Teil  1, Fn.  213), S.  443; ferner http://www. pacourts.us/judicial-administration/ (16.2.2017). 38 Vgl. Cameron/Zimmerman/Dowling, Justice (Teil  1, Fn.  213), S.  4 43. – Zu den Aufga­ ben der Prothonotaries siehe R. W. Bentham/J. M. Bennett, Sydney Law Review 3/5 (1959), S.  47 (49 ff.). 39  Saari, Management (Teil  1, Fn.  200), S.  32; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  48; ähnlich L. M. Friedman, A History of American Law, 3.  Aufl. 2005, S.  7 ff., 16 ff. 40  Siehe zu der Entwicklung und der zunächst mit der Verwaltung der Gerichte betrauten Personen P. R. Baier, Vanderbilt Law Review 26 (1973), S.  1125 (1129 ff.); D. J. Saari, Court Management Journal 1980, S.  6 (6); speziell zu den Law Clerks auch R. A. Posner, The Fe­ deral Courts. Challenge and Reform, 1999, S.  102 ff. 41  So die Schlussfolgerung von A. T. Vanderbilt, University of Cincinnati Law Review 26 (1957), S.  155 (203), der leise Kritik an der Schlussfolgerung übt, aus der richterlichen Un­ abhängigkeit müsse auch eine institutionelle Unabhängigkeit der Gerichte folgen, durch die wiederum ihre Selbstverwaltung gerechtfertigt wird; Cameron/Zimmerman/Dowling, Jus­ tice (Teil  1, Fn.  213), S.  444.

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Zweiter Teil: Grundlagen

englischen Krone in sämtlichen Belangen des kolonialen Rechtswesens zurück. Hierin liegt der Umstand begründet, dass die Judikative bis ins späte 19.  Jahr­ hundert als eigenständige Gewalt kaum anerkannt war42. Die Judikative hatte sich bis ins 18.  Jahrhundert hinein als eigenständige Gewalt nicht von der eng­ lischen Krone lossagen können. Die Verwaltung der Gerichte erfolgte dement­ sprechend ebenfalls in enger Verquickung mit der Exekutive, die dem engli­ schen Monarchen oblag43. In den Kolonien gelangte man schnell zu der Über­ zeugung, dass die Abhängigkeit der Richter von der Exekutive per se eine Gefahr für die Freiheit der Rechtsprechung darstellte44. Ein Ursprung dieser ablehnenden Haltung gegenüber der richterlichen Unab­ hängigkeit sowie einer – vermeintlich den Staat finanziell belastenden – starken und effektiven Justiz liegt in der Demokratievorstellung der Präsidenten Thomas Jefferson und Andrew Jackson45 – genannt „Jecksonian Democracy“46. Den Gegensatz zu dieser Idee von lediglich lokal gebundenen Gerichten und kurzen Amtszeiten der Richter bildet die Vorstellung Alexander Hamiltons, der in den Federalist Papers als einer der Verfasser für eine zentralisierte, rational durchorganisierte Justiz eintrat 47. Damit antizipierte er ein Organisationssche­ ma, das erst viele Jahrzehnte später wieder an Aktualität gewann, als die kon­ servativen Kräfte die Unausweichlichkeit einer Modernisierung des Gerichts­ wesens einsahen. Während im englischen Mutterland bereits 1761 der Weg in die richterliche Unabhängigkeit bereitet worden ist, drangen vergleichbare Inno­ vationen zunächst nicht in die amerikanischen Kolonien vor48. Es herrschte 42 

Die Kontrolle durch die englische Krone ging so weit, dass die kolonialen Richter Recht stets zur Zufriedenheit des englischen Königs zu sprechen hatten. Im Übrigen war das letzt­ instanzliche Gericht sozusagen ausgeklammert, seine Funktionen wurde vom Privy Council übernommen; dieser Kronrat übernahm inzwischen in aller Regel nur noch zeremonielle Aufgaben, war aber nach wie vor in einigen Angelegenheiten in den Commonwealth-Staaten die Letztentscheidungsinstanz. Siehe dazu Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  1 ff.; G. S. Wood, The Creation of the American Republic 1776–1787, 1998, S.  159; P. M. Shane, Law and Contemporary Problems 61 (1998), S.  22 (27). – Siehe instruktiv zu der Ära bis 1900 Hays/Douglas, Administration (Einl., Fn.  10), S.  986 ff. 43 Siehe P. M. Shane, Law and Contemporary Problems 61 (1998), S.  22 (27). 44  M. M. Klein, The William and Mary Quarterly 17 (1960), S.  439 ff.; Wood, Creation (Fn.  42), S.  160. 45 Vgl. R. E. Ellies, The Jeffersonian Crisis, Courts and Politics in the Young Republic, 1971. 46  Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  1; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  49. 47  So die Analyse von P. Nejelski, Judicature 64 (1981), S.  450 ff.; siehe auch Röhl, Ge­ richtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  49. 48  E. Haynes, The Selection and Tenure of Judges, 1944, Nachdr. 2005, S.  78 f.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  68 ff.

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vielmehr der Konsens, dass die Judikative – wenn überhaupt – lediglich vor den Einmischungen durch die Regierung geschützt werden müsse. Im Zuge dessen übertrugen die Gouverneure der meisten Staaten im Jahr 1776 die Befugnis zur Richterauswahl auf die Legislative49. Die intendierte Emanzipation von der Re­ gierung glückte somit nur um den Preis einer steigenden Abhängigkeit der Ge­ richte von der Legislative50. Entsprechend musste in den Vereinigten Staaten mit Erklärung der Unabhängigkeit eine rigorose Freisprechung von der Ein­ flussnahme der britischen (Mutter-) Monarchie erfolgen. Es war selbstverständ­ lich, dass auch die Verfassung von 1787 in Art.  III ein Statut enthielt, welches die Richter aus der Abhängigkeit vom englischen König George III. herauslösen sollte51. In Art.  III der neuen U.S.-Verf. von 1787 hieß es demgemäß: „The judges, both of the supreme court and the inferior courts, shall hold their offices during good behaviour, and shall, at stated times, receive for their services, a compensation, which shall not be diminished during their continuance in office.“52 Deutlich wird hierdurch zweierlei: Erstens stand die Verwaltung der Justiz nach wie vor noch nicht im Zentrum der justiziellen Erwägungen; die Bedeu­ tung verwaltungstechnischer Fragen war kein entscheidender Faktor in der amerikanischen Vorstellung von der Unabhängigkeit der Justiz53. Erst als die Gerichte zu komplexen und komplizierten Organisationen erwuchsen, wurde die Verwaltung der Gerichte zum Thema54. Zweitens lag der Fokus der Verfas­ sungsväter zunächst auf einer Gewaltentrennung55, die letztlich den Zweck ei­ ner unabhängigen Justiz gewährleisten und fördern sollte. Wesentliches Mittel hierzu war die Unabsetzbarkeit der Richter56. Die Amtszeit „during good behaviour“ verkam indessen zur bloßen Phrase, da die Richter teilweise durch einfa­ 49  In keinem Staat oblag nunmehr die Bestimmung über Fragen wie die Amtszeit noch dem obersten Richter, vgl. Wood, Creation (Fn.  42), S.  160. 50  Es zeigt sich hier eine regelrechte Versessenheit des kolonialen Amerika auf geschrie­ bene Gesetzestexte. So auch die Einschätzung bei P. M. Shane, Law and Contemporary Pro­ blems 61 (1998), S.  22 (28). 51  Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  48; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  69 ff. 52  Die heutige entsprechende Regelung des Art.  I II §  1 S.  2 der U.S.-Verf. ist gleichlau­ tend. Siehe dazu S. D. Gerber, A Distinct Judicial Power. The Origins of an Independent Ju­ diciary, 1606–1787, 2011, S.  30 ff. 53  Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  48. 54  So auch Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  2; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  48; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  70. 55  Gemäß der Einschätzung von Gordon lagen in den 1780er Jahren nahezu alle verfas­ sungsrechtlichen Reformen in den Bestrebungen nach möglichst strikter Gewaltenteilung. Siehe Wood, Creation (Fn.  42), S.  452; dazu weiterhin P. M. Shane, Law and Contemporary Problems 61 (1998), S.  22 (28); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  71. 56  Siehe zeitgenössisch J. Madison, The Federalist No.  47, in: B. Zehnpfennig (Hrsg.), The

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che Wahl in der Volksvertretung auch wieder abgesetzt werden konnten57. In gerichtsverwaltungsrelevanter Hinsicht spielten sowohl auf Staaten- als auch auf Bundesebene zunächst nur die Auswahl der Richter sowie deren Amtszeit eine Rolle58, weitere Aspekte wurden nicht berücksichtigt. 2. Institutionelle Entwicklungen Die heutige gerichtliche Selbstverwaltung war ursprünglich keine klassische Vorstellung der U.S.-amerikanischen Justiz59. Die Verwaltung der Gerichte des Bundes erfolgte zunächst durch die einzelnen Richter an den Gerichten, war aber gekennzeichnet durch vielschichtige Abhängigkeiten60. Der institutionel­ len Loslösung von der Exekutive auf Bundesebene (a.) folgte eine ähnliche Ent­ wicklung bei den Gerichten auf einzelstaatlicher Ebene (b.). a) Bundesebene Mit der Gründung des U.S. Department auf Justice (Justizministerium der Ver­ einigten Staaten) im Jahre 1870 ging die Gerichtsverwaltung der Bundesgerich­ te auf den Attorney General61 über und lag damit zunächst in der Hand der Ex­ ekutive62. Erst 1939 wurde auf Bestrebungen einiger Bundesrichter sowie des Generalstaatsanwaltes eine gesonderte Gerichtsverwaltungsbehörde eingerich­ tet, das Administrative Office of the United State Courts (Verwaltungsamt der Bundesgerichte), und damit die Selbstverwaltung der Bundesgerichte etab­ liert63. Der Direktor des Administrative Office wird vom Chief Justice des U.S. Federalist Papers, 2007, S.  301 ff.; vgl. hierzu Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  48; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  70. 57  Zumindest gab es aber keine kurzen Amtszeiten mehr – auch nicht in den Einzelstaa­ ten. Vgl. M. L. Volcansek/J. L. Lafon, Judicial Selection. The Cross Evolution of French and American Practices, 1988, S.  22 f. 58 Siehe Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  68 ff., 70 f. 59  Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  523. 60  Dies zunächst spärlich ausgestaltete Gerichtsverwaltung folgte im Wesentlichen dem englischen Vorbild. Hierzu v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  212 ff. 61 Der Attorney General vereinigte in seinem Amt die Funktionen eines Justizministers sowie des Generalstaatsanwaltes und befand sich mit den zusätzlichen Aufgaben der Ge­ richtsverwaltung in einer mächtigen Position. Dazu Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  49; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  631. 62  P. G. Fish, The Politics of Federal Judicial Administration, 1973, S.  91 ff.; Cameron/ Zimmerman/Dowling, Justice (Teil  1, Fn.  213), S.  445; K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (221); Wasby, Administration (Fn.  289), S.  126. 63  Fish, Administration (Fn.  62), S.  125 ff.; Tobin, Overview (Teil  1, Fn.  318), S.  11 f.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  49 f.; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  523; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  70 f. – Zum Administrative Office Act von 1939

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Supreme Courts ernannt. Er agiert unter der Aufsicht der Judicial Conference of the United States64. Mit dem Administrative Office Act (28 U.S.C. §§  331–333) wurde die Zuständigkeit für die Bundesjustizverwaltung auf die Judikative übertragen65. In personeller Hinsicht obliegt die Durchführung der Verwal­ tungsaufgaben hiernach in der Regel dem jeweiligen Chief Justice, der grund­ sätzlich mit dem Court Clerk zusammen agiert. Die Zentralisierung der ge­ richtsverwaltenden Strukturen auf diese beiden Personen gilt im Bund wie in den Einzelstaaten als essentielles Ziel66. Einen weiteren Meilenstein in der Entwicklung der Court Administration markiert die Gründung des Federal Judicial Center in den 1960er Jahren; die Institution nahm ihren vollen Betrieb in den 1970er Jahren auf67. Darüber hin­ aus wurden in diesem Zeitraum weitere große nationale Organisationen zur Un­ terstützung der gerichtlichen Verwaltung gegründet – beispielsweise das Institute for Court Management68. Maßgeblich war der Einfluss von Chief Justice Warren E. Burger, der sich der Verbesserung der archaischen und ineffizienten Strukturen der Verwaltung an den amerikanischen Gerichten widmete69. In die­ sem Zusammenhang hervorzuheben ist die von Burger ausdrücklich geforderte und seit 1971 durchgesetzte Bestellung eines Circuit Executives jeweils für je­ den Berufungsgerichtsbezirk, um eine professionelle, dezentralisierte Verwal­ tung der Courts of Appeals durchzusetzen70. Die Verwaltung des U.S. Supreme C. J. Wallace, Brigham Young University Law Review 1978, S.  39 (45); K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (221); Graham, Reshaping (Teil  1, Fn.  297), S.  13 ff. – Zu seinen Ursprüngen siehe C. A. McCarthy/T. Treacy, The History of the Administrative Office of the United States Courts. Sixty Years of Service to the Federal Judiciary, 2000, S.  3 ff. 64  Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  120; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  631; mit Bezug zu Ernie Friesen weiterhin Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  27; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  523 f. 65  Siehe zur Entwicklung allgemein Fish, Administration (Fn.  62), S.  125 ff.; R. B. McKay, Use of Judicial Councils and Judicial Conferences, in: Klein, Improvement (Teil  1, Fn.  248), S.  113 (120 f.); R. R. Wheeler, Law & Contemporary Problems 51 (1988), S.  31 (33 ff.); ders., Independence (Teil  1, Fn.  75), S.  523. 66 So Mahoney/Solomon, Court Administration (Fn.  248), S.  4 4; Tobin, Overview (Teil  1, Fn.  318), S.  20; siehe auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  633. 67  Siehe zu der tragenden Rolle von Chief Justice Warren Burger in diesem Zusammen­ hang Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  24. 68 Siehe Mahoney/Solomon, Court Administration (Teil  1, Fn.  248), S.  43; Röhl, Gerichts­ verwaltung (Einl., Fn.  18), S.  68. 69 Zu Burgers „Vermächtnis“ im Allgemeinen C. W. Tobias, Villanova Law Review 41 (1996), S.  505 ff.; siehe zum U.S. Supreme Court in der Ära Burger W. Brugger, Demokratie, Freiheit, Gleichheit. Studien zum Verfassungsrecht der USA, 2002, S.  111 ff.; R. J. Regan, A Constitutional History of the U.S. Supreme Court, 2015, S.  171 ff. 70  28 U.S.C. §  332 (e) und (f) (1976); Act of Jan. 5, 1971, Publ. L. No.  91-647, 84 Stat. 1907. Siehe zum Circuit Executive Act und der zunächst schleppenden Akzeptanz der Circuit Exe-

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Courts sowie der meisten U.S. District Courts erfolgte weiterhin organisato­ risch autonom71. Maßgeblich beeinflusst wurden diese Entwicklungen überdies durch Arthur T. Vanderbilt, dem es mitunter zu verdanken ist, dass vereinheit­ lichende Standards hinsichtlich Judicial Administration durch die ABA in ihren Standards Relating Court Organization aufgenommen worden sind72. b) Staatenebene Trotz weiterhin bestehender einzelstaatlicher Vielfalt schlossen sich seit Mitte des 20.  Jahrhunderts auch die Einzelstaaten der beispielhaften Selbstverwaltungs­ struktur des Bundes an, sodass inzwischen nahezu alle Gerichte Teil einer gewis­ sen Justizverwaltungseinheit sind73. Auch in den Einzelstaaten sind schließlich seit 1948 State Court Administrative Offices mit einem State Court Administrator an der Spitze entstanden, die den jeweiligen Supreme Courts bzw. dem jeweiligen Chief Justice für die Verwaltung der Gerichte zur Seite gestellt werden74. Die Einrichtung der State Court Administrative Offices bildet ein wesentliches Ele­ ment der Justizreform, welche maßgeblich auf eine Ver­einheitlichung der Ge­ richtsstrukturen der Einzelstaaten zielte. Ziel war ein mit der Struktur auf Bun­ desebene vergleichbares dreistufiges Justizmodell75. New Jersey war der erste Bundesstaat, der mit der Einrichtung eines State Court Administrative Offices cutives vor allem durch die Richter J. T. McDermott/S. Flanders., The Impact of the Circuit Executive Act, 1979, S.  1 ff., 32 ff., 73 ff.; J. W. Macy, The First Decade of the Circuit Court Executive. An Evaluation, 1985; P. L. Dubois, The Justice System Journal 11 (1986), S.  209 ff.; K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (221); ders., Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  50 ff.; P. L. Dubois/K. O. Boyum, Court Reform. The Politics of Institutional Change, in: Hays/Graham, Court Administration (Teil  1, Fn.  252), S.  27 (33): „Court executives faced ­similar resistance from appointed clerks“. – Siehe zu den Aufgaben, die an einen Court Executive delegiert werden können, Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  122 f. 71  P. L. Dubois, The Justice System Journal 7 (1982), S.  180 ff.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  50 f. 72  Siehe zu dem berechtigten Verweis auf diese zwei markanten Persönlichkeiten (statt der ansonsten einhellig auf gegründete Organisationen beschränkten Darstellung) im Rah­ men der Etablierung einer organisierten Gerichtsverwaltung in der zweiten Hälfte des 20.  Jahrhunderts Mahoney/Solomon, Court Administration (Teil  1, Fn.  248), S.  44. 73  Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  524. 74  A. T. Vanderbilt, University of Cincinnati Law Review 26 (1957), S.  155 (206 ff.); H. O. Lawson/D. E. Howard, The Justice System Journal 15 (1991), S.  580 (585 ff.); K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (222); ders., Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  52 ff.; Tobin, Overview (Teil  1, Fn.  318), S.  18 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  633. 75  Ein solches Vorhaben blieb jedoch aufgrund des stark ausgeprägten Föderalismus und auch wegen des historisch gewachsenen Traditionalismus in einigen Einzelstaaten utopisch, vgl. dazu auch K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (222); ders., Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  52, 138; siehe auch Tobin, Overview (Teil  1, Fn.  318), S.  13 f.

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eine zentrale Gerichtsverwaltung einsetzte und konti­nuierlich weiterentwickelte, bis sich auch andere Staaten diesem Vorbild anschlossen76. Chief Justice Vanderbilt war wiederum treibende Kraft für die Durchsetzung einer straffen Zentrali­ sierung und Hierarchisierung der Gerichtsverwaltung77. Immer mehr Vereinigungen entstanden nunmehr zur Unterstützung einer flä­ chendeckenden Anstellung von professionellen Court Managern; so beispiels­ weise die bis 1982 existierende Law Enforcement Assistance Administration (LEAA) zur Unterstützung der Staatengerichte in Fragen der Anstellung ihres ersten Court Managers oder die National Conference of State Court Administrative Officers (NCCAO), die National Association of Trial Court Administrators (NATCA), das National Center for State Courts (NCSC) oder die National Association for Court Administration (NACA)78. Nichtsdestotrotz besteht wei­ terhin eine recht unübersichtliche Vielzahl an verschiedenen Kommissionen und Gremien in den unterschiedlichen Einzelstaaten, die unterschiedlichste Einzelaufgaben der Gerichtsverwaltung übernehmen79. 3. Ursprünge und Entwicklung des modernen Court Managements Um die Etablierung des Court Managements in den USA nachvollziehen zu können, muss man sich vergegenwärtigen, dass die einzelnen Gerichte in den Vereinigten Staaten zunächst für sich autonome Einheiten bildeten, ohne in eine größere Gerichtsorganisation eingegliedert zu sein80. Mit dem Einsetzen des industriellen Wachstums in den Vereinigten Staaten wurden auch die Gerichte zum Objekt genereller Reformen81. Von den progressiven Kräften des Landes wurde bereits früh eine spezialisierte, an wissenschaftlichen Gesichtspunkten 76 

Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  34 f.; E. C. Friesen, Constraints and Conflicts in Court Administration, in: Berkson/Hays/Carbon, Managing (Teil  1, Fn.  319), S.  38 (43 f.); H. O. Lawson/D. E. Howard, The Justice System Journal 15 (1991), S.  580 (587 f.); Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  54 f. 77 Vgl. Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  54 f. 78  Siehe im Überblick und mit weiteren inhaltlichen Erläuterungen, die hier im Detail nicht nachgezeichnet werden können H. O. Lawson/D. E. Howard, The Justice System Jour­ nal 15 (1991), S.  580 (588 f.); Graham, Reshaping (Teil  1, Fn.  297), S.  15 ff.; Röhl, Gerichtsver­ waltung (Einl., Fn.  18), S.  62; Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  25, 30 ff. 79 Vgl. Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  633; nachgezeichnet wird dies am Beispiel des Bundesstaates Illinois von Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  56 ff. – Siehe zu den einzelnen Aufgabenbereichen der Gerichtsverwaltung unten in Kap.  4 B. III. 80 Siehe Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  48. 81  Es kam infolgedessen zu einer regelrechten „Caseload Explosion“, vgl. Graham, Res­ haping (Teil  1, Fn.  297), S.  11 f.; Posner, Challenge (Fn.  40), S.  60 ff., 94 ff.; allgemein L. C. Berkson, A Brief History of Court Reform, in: ders./Hays/Carbon, Managing (Teil  1, Fn.  319), S.  7 (7 ff.); Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  120.

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orientierte Gerichtsverwaltung propagiert, die von den anderen Staatsgewalten unabhängig sein sollte82. Im Rahmen der Reformentwicklungen wurden die Ideen Taylors zu Betriebsführung83 auf sämtliche Bereiche, so auch die Ge­ richtsverwaltung, ausgedehnt und durch Webers Modell der Bürokratie beka­ men die Gerichte ein an Effizienz orientiertes Vorbild, das den heutigen Model­ len zur Verwaltungsorganisation stark ähnelt84. Die Entwicklung des modernen Court Managements geht unmittelbar auf eine berühmte Rede von Roscoe Pound zurück – dem späteren Dekan der Har­ vard Law School – aus dem Jahre 1906 vor dem Jahreskongress der ABA, in der er deutlich die Missstände der in seinen Augen veralteten Justiz anprangerte85. Die Quintessenz der Ausführungen war der Vorwurf einer im Allgemeinen zu ineffizient agierenden Justiz. Pound’s Vision hinsichtlich der Gerichtsverände­ rung war mehr als eine wiederbelebte Haltung für gerichtliche Entscheidungs­ träger; er trat für eine neue Struktur der Gerichte ein, um die vielfältigen Ar­ beitsbelastungen der Reformagenda zu bewältigen86. Dies führte schließlich zur Errichtung einer speziellen ABA-Kommission, die sich mit einer Gesetzesre­ form für die Judikative beschäftigte. Diese Kommission wurde als Special Committee to Suggest Remedies and Formulate Proposed Laws to Prevent Delay and Unnecessary Cost in Litigation bezeichnet; als solche identifizierte sie, was ihre Bezeichnung bereits vermuten lässt: Die Effektivität der Rechtspre­ chung erfordere die Existenz eines obersten Gerichts mit untergeordneten Zwei­ gen in allen Einzelstaaten, welche eine organisierte Gerichtsverwaltung haben sollten, um eine Verschwendung der Ressourcen zu verhindern87. Den ermittel­ 82  So bereits W. Wilson, Political Science Quaterly 2 (1887), S.  197 (209): „The field of administration is a field of business. It is removed from the hurry and strife of politics“. 83 Vgl. Taylor, Principles (Teil  1, Fn.  305). 84  Wesentliche Elemente für eine effiziente Verwaltung sind demnach Arbeitsteilung, Hierarchien, beständige Bürokratie-Strukturen, Karriereleitern, breite Spezialisierungs­ ­ spektren. Siehe zu Webers Bürokratiemodell A. Kieser, Max Webers Analyse der Bürokratie in: ders./M. Ebers (Hrsg.), Organisationstheorien, 7.  Aufl. 2014, S.  43 ff.; Rosenbloom/­ Kravchuk/Cherkin, Administration (Teil  1, Fn.  305), S.  147 ff. Siehe zu einem ähnlichen Ver­ gleich mit Webers Model Graham, Reshaping (Teil  1, Fn.  297), S.  9 f. 85  R. Pound, Judicature 20 (1937), S.  178 ff.: „that our system of courts is archaic and our procedure behind the times“ (Zitat auf S.  183). Kontextualisierend dazu Friesen/Gallas/­ Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  6 f.; Berkson, History (Fn.  81), S.  7 f.; C. J. Wallace, Brig­ ham Young University Law Review 1978, S.  39 (44); D. J. Saari, Court Management Journal 1980, S.  6 (7); Graham, Reshaping (Teil  1, Fn.  297), S.  6; mit einer Bilanz T. Nafisi, The ­Justice System Journal 27 (2006), S.  223 ff.; Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  22. 86  Dazu im Detail S. W. Hays, Court Reform. Ideal or Illusion?, 1978, S.  2 f.; Graham, Reshaping (Teil  1, Fn.  297), S.  8; Gazell, Issues (Teil  1, Fn.  274), S.  1030 ff. 87  Siehe Special Committee to Suggest Remedies and Formulate Proposed Laws to Pre­ vent Delay and Unnecessary Cost in Litigation, Report, 1909, S.  589.

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ten Faktoren zur Reorganisation der Gerichtsstrukturen ist das in den Vereinig­ ten Staaten heute existierende Unified Court System zu verdanken88. 1913 wur­ de daraufhin die American Judicature Society gegründet, um eine effiziente Gerichtsverwaltung zu fördern89. Bis in die 1930er Jahre gab es in einer ersten Reformphase weitere Entwicklungen, in deren Zentrum die Reorganisation des Gerichtssystems sowie die Professionalisierung der Gerichtsverwaltung an sämtlichen Gerichten standen90. Eine zweite wesentliche Phase in der Entwicklung eines professionellen Court Managements zeichnet sich seit 1930 ab und ist eng verbunden mit Arthur T. Vanderbilt, der als Präsident der ABA die Einrichtung einer Abteilung für Judicial Administration umsetzte91. Bereits in der ersten Hälfte des 20.  Jahrhunderts wurden originär gerichtsverwaltende Positionen an Gerichten geschaffen. Die erste Person, die jemals eingestellt worden ist, um einem Chief Justice im Be­ reich der professionellen Gerichtsverwaltung zu assistieren, war Edward McConnell im Jahre 1947, der für Chief Justice Arthur T. Vanderbilt in New Jersey arbeitete92. Allerdings existiert die erste genuin management-orientierte Stelle erst seit 1950. Sie wurde in Los Angeles geschaffen und mit deutlich weitreichen­ deren Kompetenzen ausgestattet als vergleichbare Positionen zu dieser Zeit93.

88  Dazu im Detail F. Frankfurter/J. M. Landis, The Business of the Supreme Court. A Study in the Federal Judicial System, 2009, S.  223 mit Fn.  18. Zum Unified Court System siehe D. C. Dahlin, Normative Models of Court Organization and Management, in: Hays/ Graham, Court Administration (Teil  1, Fn.  252), S.  53 (55 ff.). 89  Berkson, History (Fn.  81), S.  8; C. J. Wallace, Brigham Young University Law Review 1978, S.  39 (44 f.); Graham, Reshaping (Teil  1, Fn.  297), S.  11; Frankfurter/Landis, Business (Fn.  88), S.  223. 90  Siehe den tabellarischen Überblick bei Graham, Reshaping (Teil  1, Fn.  297), S.  12; sie­ he allgemein zur Bedeutung der Professionalisierung an Gerichten Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  149 ff. 91  Siehe zum Einfluss Vanderbilts im Überblick Berkson, History (Fn.  81), S.  9 f.; Graham, Reshaping (Teil  1, Fn.  297), S.  13. 92  Wenngleich es falsch wäre, zu behaupten, McConnell wäre der erste bundesstaatliche Court Administrator gewesen, war er dennoch der erste mit einer Position, die in professio­ neller Hinsicht dem Chief Justice in Fragen einer Budget- und Organisationsreform half – eine Position, die er nicht nur wegen seines juristischen Abschlusses, sondern vor allem auf­ grund seines Studiums der Public Administration erhielt. Siehe dazu E. B. McConnell, The Justice System Journal 15 (1991), S.  710 ff.; Steelman/Goerdt/McMillan, Caseflow Manage­ ment (Teil  1, Fn.  245), S. xii f.; Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  2, 22. 93  Siehe zu den ersten – weniger erfolgreichen – Versuchen der Beauftragung von Ge­ richtspersonal mit gerichtsverwaltenden Aufgabe Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  5 f.; dazu weiterhin Saari/Planet/Reinkensmeyer, Court Managers (Teil  1, Fn.  268), S.  237 ff. – Ed Gallas war der erste an einem Eingangsstaatengericht ernannte pro­ fessionelle Manager. 1950 wurde er Executive Officer am Los Angeles Superior Court. Siehe

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Trotz vereinzelt geschaffener Positionen blieb die Idee des spezialisierten Court Managers bis in die Mitte des 20.  Jahrhunderts eine Ausnahme94. Seit den 1960er Jahren kristallisierte sich eine dritte Phase in der Entwick­ lung des Court Managements heraus, welche die Profession auf ein neues Ni­ veau hob und insgesamt zu einem enormen Anstieg von entsprechend speziali­ sierten Berufen führte, die direkt oder indirekt mit der Verwaltung der Gerichte in Verbindung standen95. Gerichte gerieten zunehmend in den Fokus der Öffent­ lichkeit, da Medien und Wissenschaft massive Kritik an der überlasteten Justiz übten96. Seit der zweiten Hälfte der 1960er Jahre hielt der Managementgedanke flächendeckend Einzug in die Justizverwaltung der USA97. Grund für die Pro­ fessionalisierung der Verwaltung der Gerichte war unter anderem die in dieser Zeit aufkommende Prozessflut, die zum Teil auf eine zunehmende soziale Desorganisation zurückzuführen war und nunmehr eine komplexere Organisa­ tion unter dem Aspekt des Court Managements notwendig machte98. Als Stein des Anstoßes der Professionalisierung wird in aller Regel die Ansprache von Chief Justice Warren E. Burger angesehen, der 1969 vor dem Institute of Judicial Administration in Dallas speziell ausgebildete Gerichtsadministratoren und Gerichtsmanager für die Gerichte des Landes verlangte99. Neben der Professio­ nalisierung der Verwaltungsstrukturen standen in dieser Phase auch die Förde­ dazu Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  2, 27; R. Y. Schauffler, Utrecht Law Review 3 (2007), S.  112 (117). 94  Zu dieser Einschätzung siehe H. O. Lawson/D. E. Howard, The Justice System Journal 15 (1991), S.  580 (584); Steelman/Goerdt/McMillan, Caseflow Management (Teil  1, Fn.  245), S. xiii. 95  Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  149 ff. 96  Siehe eindringlich H. O. Lawson/D. E. Howard, The Justice System Journal 15 (1991), S.  580 (591); Graham, Reshaping (Teil  1, Fn.  297), S.  15. 97  Für einen Überblick siehe B Mahoney/Solomon, Court Administration (Teil  1, Fn.  248), S.  43 ff.; H. O. Lawson/D. E. Howard, The Justice System Journal 15 (1991), S.  580 ff.; dazu weiterhin G. Gallas/E. C. Gallas, The Justice System Journal 15 (1991), S.  605 ff.; Röhl, Ge­ richtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  63; ders., DRiZ 1998, S.  241 (242 ff.); mit weiteren Bei­ spielen siehe Steelman/Goerdt/McMillan, Caseflow Management (Teil  1, Fn.  245), S. xiii f. – Treffend wurde die entscheidende Entwicklung zwischen 1950 und 1970 als „Seeds of Transition“ betitelt von D. J. Saari, Court Management Journal 1980, S.  6 (7). 98  Friendly, Jurisdiction (Teil  1, Fn.  294), S.  15 ff.; D. J. Saari, Court Management Journal 1980, S.  6 (8); H. O. Lawson/D. Howard, The Justice System Journal 15 (1991), S.  580 ff.; K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (222). Siehe mit einer tabellarischen Übersicht zu den Zivil- und Strafverfahren zwischen 1940 und 1995 und dem sich daraus ergebenden Wachs­ tum an Richterstellen Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  101. 99  W. E. Burger, Lincoln Law Review 5 (1969), S.  1 ff. Siehe mit dieser Einschätzung E. A. Tamm/P. C. Reardon, Brigham Young University Law Review 1981, S.  447 (455); K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217(222 f.); ders., Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  63 f.

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rung von Produktivität sowie eine erhöhte personelle Spezialisierung im Fokus der Reformen100. Während die Zeit zwischen den 50er und 70er Jahren durch das Aufkeimen der Idee einer professionalisierten Gerichtsverwaltung mit spezialisierten Court Managern und die Schaffung zahlreicher solcher expliziten Positionen verbun­ den war, wurde seit den 1970er Jahren in einer vierten Phase systematisch die erforderliche Infrastruktur für ein effektives Court Management geschaffen101 und bis in die 90er Jahre gefestigt102. Wegbereitend war unter vielen Reformen dabei die Bestrebung der Court Unification, die Gerichtsstrukturen der Einzel­ staaten zu vereinheitlichen103. Bedeutsam ist insbesondere, dass nunmehr nahe­ zu alle Bundesstaaten in den Vereinigten Staaten in verschiedenster Form die Anregungen zur Court Reform verwirklicht haben. Sinnbildlich für die Ent­ wicklung des professionellen Court Managements steht neben flächendecken­ den spezialisierten Positionen an den Gerichten auch die Tatsache, dass seit den frühen 70er Jahren knapp 40 Universitäten über einen Masterstudiengang zur Judicial Administration (MJA) verfügen. Dadurch ist es unter anderem auch zu erklären, dass es seither eine regelrechte Explosion an Forschungen zu Einzel­ fragen des Court Managements gibt104. Vor allem in der zweiten Hälfte des 20.  Jahrhunderts haben sich einige Be­ rufsorganisationen für Court Manager gebildet. Es gibt inzwischen darüber ­hinaus zahlreiche Forschungseinrichtungen105. Seit den 80er Jahren gab es aller­ dings nicht nur eine große Zunahme der Anzahl der Gerichtsverwaltungs­­posi­ tionen, vielmehr stiegen auch die beruflichen Anforderungen an einen Court Manager rapide, was der Profession wegen ihrer Fokussierung auf Effizienz und Effektivität mitunter Kritik einbrachte und zu einer Gesetzeswelle zur Reduzie­ rung von Kosten und langen Verfahrensdauern führte106. Trotz der Festigung des Berufsfeldes des Court Managements sind die Aufga­ benfelder und Berufsbezeichnungen solcher inzwischen professionell ausgebil­ 100 

Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  153 ff., 156 ff. Siehe hierzu mit reichlich zeitlicher Nähe zu der Entwicklung D. J. Saari, Court Ma­ nagement Journal 1980, S.  6 (27 f.); Graham, Reshaping (Teil  1, Fn.  297), S.  16 f.; Steelman/ Goerdt/McMillan, Caseflow Management (Teil  1, Fn.  245), S. xiv ff. 102  Graham, Reshaping (Teil  1, Fn.  297), S.  16 f. 103  Dies in einen historischen Kontext einbettend und zur Rolle der ABA Standards Relat­ ing to Court Organization von 1974 Hays/Douglas, Administration (Einl., Fn.  10), S.  1004 ff. 104  Siehe zu dieser Entwicklung bis in die neunziger Jahre anschaulich Graham, Re­ shaping (Teil  1, Fn.  297), S.  16 ff.; Hays/Douglas, Administration (Einl., Fn.  10), S.  1007 f. 105  Siehe im Detail K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (223) m. w. N.; ders., Ge­ richtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  68 ff. 106  H. O. Lawson/D. E. Howard, The Justice System Journal 15 (1991), S.  580 (593 ff.); den Judicial Improvements Act begutachtend Smith, Self-Interest (Teil  1, Fn.  205), S.  23 ff. 101 

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Zweiter Teil: Grundlagen

deten Court Manager vielseitig und bergen ein zum Teil nicht unerhebliches Konfliktpotenzial vor dem Hintergrund der internen Aufgabenverteilung am Gericht. Größtes Konfliktpotenzial entfaltet dabei der Sachbereich des Caseflow Management, welches ironischerweise als Gegenkonzept zur Prozessflut die Entstehung des Court Managements begünstigt hat, um auf steigende Pro­ zesszahlen mit einer flexiblen Verteilung dem anfallenden Geschäftsaufwand Herr zu werden107. Ziel waren ursprünglich eine rationelle und schnelle, mithin effiziente Behandlung von Fällen und ein zügiger Abschluss von Verhandlun­ gen, gekennzeichnet durch eine kurze Zeitspanne vom Eingang bis zur vollstän­ digen Beendigung bei gleichzeitig angemessener (also geringer) finanzieller Belastung108. Die Fixierung auf reine Effizienzgesichtspunkte bei der Verwal­ tung der Gerichte stößt auf die nachvollziehbare Kritik, auch die Rechtspre­ chung könne sich mit dem alleinigen Bestreben nach möglichst schneller Er­ ledigung der Fälle infizieren109. Entsprechende Bedenken bezüglich der Domi­ nanz der Court Manager110 führen inzwischen teilweise wieder zu einem Umdenken: Eine neue Stufe der amerikanischen Gerichtsverwaltung kristalli­ siert sich inzwischen im sog. Qualitätsmanagement111 heraus. Neben dem Effi­ zienzmanagement ist die Verbesserung der Quality of Justice nunmehr eine der aktuellen Herausforderungen der amerikanischen Justiz. Eingedenk moderner Entwicklungen wird die Justiz vermehrt als Dienstleister angesehen und in Form von Court Performance Evaluations (Evaluierung der Leistung ganzer Gerichte) und Judicial Evaluations (Evaluierung von Richtern) gewissen Quali­ tätskontrollen unterzogen112. Dabei spielt die Verfahrensdauer als Maßstab für die Qualität der Arbeit eines Gerichts nach wie vor eine übergeordnete Rolle113. 107 Siehe Steelman/Goerdt/McMillan, Caseflow Management (Teil  1, Fn.  245), S. xi: „Not coincidentally the principles of caseflow management were first articulated and tested […] when court management emerged as a distinct profession in the United States“; dazu weiter­ hin Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  635. 108  K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (243); Fabri, Issues (Teil  1, Fn.  2), S.  190; Steelman/ Goerdt/McMillan, Caseflow Management (Teil  1, Fn.  245), S. xii, xiv. 109  Dazu Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  132 ff. – A. A. Tobin, Overview (Teil  1, Fn.  318), S.  21, der einer professionalisierten Gerichtsverwaltung positiv gegenübersteht. 110 So Rosett, Career (Teil  1, Fn.  335), S.  19; Hays/Douglas, Administration (Einl., Fn.  10), S.  1011. 111  Zu den Grundlagen des Qualitätsmanagements siehe Stupak/Leitner, Quality (Einl., Fn.  10), S.  2 ff. 112  Diese Einwicklung wird nachgezeichnet von W. P. McLauchlan, Courts and Caseloads, in: Gates/Johnson, Courts (Teil  1, Fn.  274), S.  395 ff.; K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (223 f.); ders., Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  95 ff.; ders., DRiZ 1993, S.  301 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  208 f.; mit einem optimistischen Ausblick auch Hays/Douglas, Administration (Einl., Fn.  10), S.  1014 ff. 113  B. J. Ostrom/R. A. Hanson, Efficiency, Timeliness and Quality, 1999, S.  104 ff.

A. Historischer Grundriss der Entwicklung von gerichtsverwaltender Tätigkeit

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Ziel ist darüber hinaus der optimale Umgang mit einem immer komplexer wer­ denden Gerichtssystem, in dem die komplizierte Gemengelage aus sinkenden Budgets und steigenden Anforderungen für die Court Administrators vor allem vor dem Hintergrund zahlreicher bürokratischer Regularien flächendeckend als unberechenbare Herausforderung erscheint. Um diesem Trend entgegenzuwir­ ken, wird vor allem seit der Jahrtausendwende vermehrt auf besser ausgebildete Court Manager gesetzt, die primär langfristige Lösungen forcieren und für ei­ nen nachhaltigen, idealen Einsatz der Ressourcen eintreten114. Gerichte werden im Zuge dessen als Organisationen angesehen, die eine Ähnlichkeit zu Kran­ kenhäusern sowie Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen aufwei­ sen115. Das Management steuert diese Organisation, indem Handlungsziele fest­ gelegt werden und dem Ausführenden bei der Erreichung der Ziele maximale Freiräume belassen werden116. III. Ideengeschichtlicher Vergleich der Entwicklung gerichtsverwaltender Strukturen in beiden Rechtsordnungen Im historischen Kontext der deutschen Gerichtsverwaltung ist die richterliche Unabhängigkeit der tragende Leitgedanke der Entwicklung. Die Geschichte der Gerichtsverwaltung sowie der Rechtsprechung ist mit der Entwicklung der rich­ terlichen Unabhängigkeit eng verknüpft117. Auch in den USA entsprang die Idee der Selbstverwaltungsstrukturen zunächst in erster Linie dem Bedürfnis nach Absicherung der Unabhängigkeit der Richter von der englischen Krone; Aus­ gangspunkt war insofern die Durchsetzung des Gewaltenteilungsgrundsat­ zes118. Motor für die Gerichtsverwaltung, wie sie heute existiert, war seit der ersten Hälfte des 20.  Jahrhunderts vor allem ein der deutschen Gerichtsorgani­ sation eher (noch) fernliegender Effizienz- und Effektivitätsgedanke, der eine professionelle Gerichtsverwaltung aufgrund des explosionsartigen Anstiegs der gerichtlichen Arbeitsbelastung unverzichtbar machte. Die Entwicklung des mo­ 114  Siehe hierzu mit einem sehr praktischen Zugriff K. S. Burke/M. Labrosse, Court Ma­ nager 21 (2006), S.  17 ff. Mit Blick auf die Ausbildungsmöglichkeiten für professionelle Court Manager siehe W. E. Raftery, The Justice System Journal 26 (2005), S.  173 ff. 115  Grundlegend dazu Gerichte K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (218 ff.); ders., Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  13 ff.; Ostrom u. a., Courts (Teil  1, Fn.  307), S.  26 ff. 116  Dieses Konzept der Steuerung durch koordinierte Maßnahmen bei größtmöglicher Ausführungsfreiheit geht einher mit einer intensiven Ergebniskontrolle, vgl. Röhl, Gerichts­ verwaltung (Einl., Fn.  18), S.  15. 117  Achterberg (Teil  1, Fn.  9), Art.  92 (42. EL 1981) Rn.  11 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  75. 118  Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  1, 3 f. (zum Einfluss der richterlichen Unabhängigkeit).

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Zweiter Teil: Grundlagen

dernen Court Managements knüpft an die amerikanische Vorstellung von einer engen Verquickung von Recht und Politik an und einen im Kern tief veranker­ ten Wunsch der Aufrechterhaltung traditioneller Ideen: So lässt es sich auch erklären, dass die Justizreformen in Deutschland bereits im 19.  Jahrhundert Wellen schlugen, während die USA Veränderungen und Anpassungen an mo­ derne Entwicklungen ungleich später und faktisch bereits verspätet einleite­ ten119. Umgekehrt zeigt sich insbesondere im Hinblick auf die Modernisierung der Justiz, dass die U.S.-amerikanische Gerichtsverwaltung sich auf ansteigen­ de Verfahrenszahlen mit Modernisierungen eingestellt hat, während bisher auf die ähnlich steigende Arbeitsbelastung an den deutschen Gerichten nur schlep­ pend mit einer an Effizienz- und Qualitätsgesichtspunkten ausgelegten Justiz reagiert wurde. Der Rückgang anhängig gemachter Verfahren in der ordent­ lichen Gerichtsbarkeit kann über eine mangelnde Modernisierungs- und Reak­ tionsfreude in der Gerichtsverwaltung indessen kaum hinwegtäuschen.

B. Rechtsquellen Die formalen Vorgaben des Grundgesetzes bzw. der U.S.-Verf. und die sich da­ raus ergebenen Rechtsquellen für den Bereich der Gerichtsverwaltung sind im Folgenden kurz darzustellen. Es wird deutlich, dass die Rechtsquellen des deut­ schen Rechts (I.) insofern vergleichsweise übersichtlich sind. Die geschriebenen Quellen des amerikanischen Rechts sind bereits aufgrund der einzelstaatlichen Kodifizierungsvielfalt und wegen weitreichenden Gewohnheitsrechts schier un­ möglich darzustellen (II.). I. Rechtsquellen des deutschen Rechts Die für die deutsche Gerichtsverwaltung einschlägigen Vorschriften finden sich größtenteils in unterschiedlichen Gesetzen (in Haushaltsgesetzen, dem GVG, der VwGO u. a.), Verordnungen, Erlassen und Bekanntmachungen – dies bringt schon die Vielfalt der Verwaltungstätigkeit an den Gerichten mit sich120. Die Gesetzgebungskompetenz für den Bereich der Gerichtsverwaltung liegt gem. Art.  74 Abs.  1 Nr.  1 GG („Gerichtsverfassung“) als konkurrierende Zuständig­ keitsregel beim Bund121. Praktisch wird diese Kompetenz hauptsächlich durch 119 Ähnlich

Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  53. E. Oestreicher/A. Decker/C. Konrad, in: dies. (Hrsg.), PdK, Bd.  17, VwGO, §  38 (Juli 2002), 1. Allgemeines. 121  Siehe im Detail zu den von der Kompetenzklausel erfassten Bereichen Wittreck, Ver­ waltung (Einl., Fn.  9), S.  88 ff.; allgemein Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), 120 Vgl.

B. Rechtsquellen

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die Länder ausgeübt, die im Rahmen der föderalen Organisation des Gerichts­ wesens den dominanten Anteil in der Gerichtsverwaltung übernehmen (Art.  30 GG)122. Der Bund ist für die Verwaltung der Bundesgerichte zuständig, wäh­ rend die Länder mit den Landesgerichten die große Mehrzahl staatlicher Ge­ richte verwalten123. Die bundesrechtlichen Vorgaben für die Gerichtsverwal­ tung finden sich zum einen im Grundgesetz (siehe Art.  97 Abs.  1, 2 GG; Art.  20 Abs.  1, 2 GG; Art.  98 GG). Das Deutsche Richtergesetz enthält nahezu abschlie­ ßend die Vorschriften zum richterlichen Amtsrecht124. Zum anderen lassen sich zum Teil dem Gerichtsverfassungsgesetz sowie anderen Vorschriften in den Prozessordnungen Aussagen zur Gerichtsverwaltung entnehmen125. In den Län­ dern ist die Rechtssetzung in Form von Gesetzen und Verordnungen vielseitig und zum Teil etwas unübersichtlich126. In den Bundesländern gibt es neben lan­ desverfassungsrechtlichen Regelungen zur Gerichtsverwaltung Vorgaben in den Geschäftsverteilungsplänen oder -ordnungen127; darüber hinaus bestehen üblicherweise Landesrichtergesetze, Juristenausbildungsgesetze sowie Aus­ führungsgesetze zu den Gerichtsverfassungs- und Prozessregelungen des Bun­ des128. Außerdem existiert üblicherweise eine Vielzahl exekutiver Normset­ zung129.

Rn.  258; J. M. v. Bargen, DRiZ 2010, S.  133 (134); P. Kunig, in: v. Münch/ders., GG (Teil  1, Fn.  9), Art.  74 Rn.  16; L. C. Faissner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  67 ff. 122  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  92 f.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  42; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  63. 123  Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  257; C. Degenhart, HStR³ V, §  114 Rn.  14; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), Einl. Rn.  11. 124  Im Hinblick auf die Abgrenzung von Bundes- und Landeszuständigkeit sind insbeson­ dere die §§  72 ff. DRiG interessant, durch die den Ländern die Möglichkeit eröffnet wird, ei­ gene Regelungen zur richterlichen Selbstverwaltung in Form von Richter- und Präsidialräten zu erlassen. Siehe im Detail zu den einschlägigen Vorschriften Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  335. 125  Zum Präsidium und zur Geschäftsverteilung siehe §§  21a-21i GVG. Die Prozessord­ nungen für die Fachgerichte enthalten bspw. Vorgaben zur Dienstaufsicht, vgl. §  15 ArbGG, §  9 Abs.  2 SGG, §§  38 f. VwGO, §§  31 f. FGO. Siehe im Detail Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  335 f. 126  Eine Sammlung von Justizverwaltungsvorschriften in NRW bietet das Justizministe­ rium unter http://www.jvv.nrw.de/ (22.11.2017). 127  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  336. 128  Sehr detailliert und mit vielen Gesetzgebungsakten der einzelnen Bundesländer in den Fußnoten Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  336 ff. 129  Zur Frage nach der Reichweite des Vorbehaltes des Gesetzes im Bereich der Gerichts­ verwaltung instruktiv Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  95 ff.; sehr ähnlich Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  44 ff.; kompakt auch L. C. Faissner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  69.

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Zweiter Teil: Grundlagen

II. Rechtsquellen des U.S.-amerikanischen Rechts Die Rechtsquellen des amerikanischen Gerichtsverwaltungsrechts unterschei­ den sich von den deutschen Normen bereits durch die im Common Law-System relativ junge Kodifikationsidee (1.). Es kann in vielen Bereichen ein regelrechter Kodifikationswahn festgestellt werden, der zu einer enormen Vielfalt an Geset­ zen sowie einer Unübersichtlichkeit der Gesetzgebung im Bereich der Gerichts­ verwaltung führt (2.). 1. Allgemeine Rechtsquellenlehre des Common Law Obwohl das U.S.-amerikanische Rechtssystem mit den englischen Common Law- und Equity-Grundsätzen viel gemeinsam hat und mit den alten Traditio­ nen verquickt ist130, nahm das Rechtssystem in den USA vor allem seit der Un­ abhängigkeitserklärung eine ganz eigenständige Entwicklung131. In Bezug auf die Rechtsquellen der Vereinigten Staaten ist nunmehr zwischen Case Law (Richterrecht) und dem Statutory Law (geschriebenes Recht) zu unterschie­ den132. Dies ist deshalb eine wesentliche Differenzierung, da der Tradition des Case Law im Common Law-System der USA eine übergeordnete Bedeutung zukommt (a.). Aufgrund der dezentralen und föderalen Organisation der ameri­ kanischen Gerichtsbarkeit, hat nicht nur der Bund, sondern jeder Gliedstaat sein eigenes Common Law133. Vereinheitlichungstendenzen werden zwar immer wieder im Keim erstickt, gleichwohl gibt es zwischen den Common Law-Syste­ 130 

R. Pound, Law Quarterly Review 67 (1951), S.  46 ff.; ähnlich Hay, Recht (Teil  1, Fn.  204), Rn.  16; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  24 ff. 131  Zur historischen Entwicklung des U.S.-amerikanischen Rechts siehe R. David/G. Gras­ mann, Einführung in die großen Rechtssysteme der Gegenwart, 1966, S.  501 ff.; K. L. Pilny, Präjudizienrecht im anglo-amerikanischen und im deutschen Recht. Eine rechtsvergleichen­ de und rechtsmethodologische Analyse unter besonderer Berücksichtigung des Verfassungs­ rechts, 1993, S.  24 ff.; eingehend bezüglich der Rezeption des Common Law in den Vereinig­ ten Staaten G. Hughes, Common Law Systems, in: A. B. Morrison (Hrsg.), Fundamentals of American Law, 1996, S.  9 (12 ff.); Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (Einl., Fn.  19), S.  233 ff.; L. M. Friedman, American Law in the 20th Century, 2002, S.  15 ff.; ders., History (Fn.  39); Blumenwitz, Einführung (Teil  1, Fn.  201), S.  26 ff.; P. Melin, Gesetzesauslegung in den USA und in Deutschland, 2005, S.  7 ff.; A. T. von Mehren/P. L. Murray, Das Recht in den Vereinig­ ten Staaten von Amerika, 2008, S.  35 ff. 132  Siehe zu dieser Zweiteilung Fulda, Einführung (Teil  1, Fn.  202), S.  20 ff.; Zätzsch, Unab­ hängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  82 ff.; Clark, Sources (Teil  1, Fn.  202), S.  35 ff.; A. T. v. Mehren/ P. L. Murray, Law in the United States, 2.  Aufl. 2007, S.  7 ff.; W. Burnham, Introduction to the Law and Legal System of the United States, 6.  Aufl. 2016, S.  40 ff. 133 Vgl. Blumenwitz, Einführung (Teil  1, Fn.  201), S.  29 f.; A. Müller, Rechtlicher Rahmen für die Geschäftslastbewirtschaftung in der schweizerischen Justiz. Stand – Vergleich – For­ derungen, 2016, S.  182 f.; Burnham, Introduction (Fn.  132), S.  42.

B. Rechtsquellen

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men der einzelnen Gliedstaaten gewisse Interdependenzen, sodass zumindest grundsätzlich die Betonung der Einheit des Rechts Berechtigung hat134. Das geschriebene Recht der Vereinigten Staaten hat inzwischen auch einen nicht unwesentlichen Bedeutungszuwachs erhalten (b.). a) Case Law Das Case Law ist im Gefüge des Rechts der Vereinigten Staaten beharrlich von vergleichsweise übergeordneter Bedeutung und macht auch in der Rechtspre­ chung den größten Anteil aus135. Das Common Law zeichnet sich durch das von Gerichten gesetzte Recht aus, das weitestgehend nicht kodifiziert ist136. Es han­ delte sich klassischerweise um Traditionen und Überlieferungen, durch welche im Rahmen der Rechtsprechung Präzedenzfälle geschaffen worden sind. Aus­ gehend von diesen Precedents (Präjudizien137) werden die etablierten Rechts­ grundsätze von späterer Rechtsprechung adaptiert138. Nach dem Prinzip der Stare Decisis muss ein Gericht grundsätzlich den eigenen früheren Urteilen sowie Entscheidungen übergeordneter Gerichte im Instanzenzug folgen139. Die­ se starr anmutende Bindung verleitet schnell zu der Annahme, den amerikani­ schen Richtern stünden im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung keine eigenen Bewertungsspielräume zu. Dies ist allerdings bereits deshalb verkürzt, da nicht das vollständige Urteil, das dem zu entscheidenden Fall zu gleichen hat, der neuen Entscheidung zugrunde gelegt werden muss, sondern insofern nur die sog. Holding und Ratio Decidendi (die das Urteil tragenden Gründe) entschei­ 134 Gleichsinnig

B. Shartel, Our Legal System and How It Operates, 1951, S.  335 f.; David/ Grasmann, Rechtssysteme (Fn.  131), S.  516 f.; Blumenwitz, Einführung (Teil  1, Fn.  201), S.  30. – Ein eigenes und originäres Common Law des Bundes gibt es nicht, vgl. Erie Railroad Company v. Tompkins, 304 U.S.  64, 78 (1938): „There is no federal general common law.“ 135  Vgl. Fromholzer, Considerations (Einl., Fn.  42), S.  1 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  82, 84; E. D. Re, St. Thomas Law Review 15 (2002), S.  265 (267 ff.); Reinbacher, Strafrechtssystem (Einl., Fn.  47), S.  17 f., 19 f.; Hay, Recht (Teil  1, Fn.  204), Rn.  19 ff. 136  Reinbacher, Strafrechtssystem (Einl., Fn.  47), S.  17. – Einen begrifflichen Einstieg bie­ ten Hughes, Common Law (Fn.  133), S.  12 ff.; Fletcher/Sheppard, Law (Einl., Fn.  48), S.  15 ff.; Byrd, Einführung (Teil  1, Fn.  207), S.  5 ff.; Müller, Rahmen (Fn.  133), S.  183. 137  Zu den Grundlagen und der Entwicklung des Präjudizienrechts in der anglo-amerika­ nischen Rechtstheorie siehe Pilny, Präjudizienrecht (Fn.  131), S.  18 ff., 47 ff.; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  25 ff. 138 Siehe E. Schlüchter, Mittlerfunktion der Präjudizien, 1986, S.  58 ff.; Hughes, Common Law (Fn.  133), S.  18 ff.; für eine knappe Darstellung Reinbacher, Strafrechtssystem (Einl., Fn.  47), S.  17; Müller, Rahmen (Fn.  133), S.  183; Burnham, Introduction (Fn.  132), S.  41 f. 139  Fulda, Einführung (Teil  1, Fn.  202), S.  32; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  82; Clark, Sources (Teil  1, Fn.  202), S.  38; Fletcher/Sheppard, Law (Einl., Fn.  48), S.  80; v. Mehren/Murray, Recht (Fn.  131), S.  11 ff., 53 ff.; Reinbacher, Strafrechtssystem (Einl., Fn.  47), S.  19; Hay, Recht (Teil  1, Fn.  204), Rn.  20; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  26 f.

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Zweiter Teil: Grundlagen

dend sind140. Die Urteilsgründe sind lediglich in ihrem Kern auf den neuen Fall zu übertragen, was dem Richter in der Regel gewisse Spielräume eröffnet, in­ dem er die Präjudizien im Hinblick auf das Ergebnis auslegt141. Hierbei steht der Prozess des Distinguishing im Mittelpunkt, bei dem analysiert wird, ob der zu entscheidende Fall sich von den bisherigen Präzedenzfällen unterscheidet. Wenn die Ratio Decidendi im aktuellen Fall eine völlig neue ist, dann muss der Richter sich an Präjudizien nicht halten und schafft neues Recht142. Hiervon zu unterscheiden ist der gegenteilige Prozess des Overruling, bei dem ein Präze­ denzfall nicht angewendet wird, obwohl die Tatsachen- und Rechtslage an sich passen würde143. Die Stare Decisis-Doktrin ist daher als flexibles Modell zur Rechtsfindung anzusehen144, sodass man die Gerichte berechtigterweise als „In­ terpretatoren des Rechts“ bezeichnen kann145. Da der Richter gefundene Präjudizien auslegen und auf seinen Fall anwenden kann, wird das Recht als solches im Ergebnis von der Judikative stetig weiter­ entwickelt146. Dies ist der Grund dafür, dass Gerichtsentscheidungen in der U.S.-amerikanischen Rechtspraxis eine große Bedeutung haben. Die Gerichte haben insofern eine nicht unerhebliche Entscheidungsfreiheit und üben dem­ gemäß durch die Schaffung neuer Präjudizien eine gewissermaßen legislative Funktion aus147. Daher ist auch der Terminus des Judge-Made Law geläufig148. 140  Schlüchter, Mittlerfunktion (Fn.  138), S.  87, die eine anschauliche Stufenfolge zwi­ schen Precedent und Ratio Decidendi entwickelt; mit einer instruktiven terminologischen Eingrenzung Pilny, Präjudizienrecht (Fn.  131), S.  35 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  82; Blumenwitz, Einführung (Teil  1, Fn.  201), S.  50; E. A. Farnsworth, An Introduction to the Legal System of the United States, 4.  Aufl. 2010, S.  59 ff.; Hay, Recht (Teil  1, Fn.  204), Rn.  22. 141 Vgl. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (Einl., Fn.  19), S.  254; Zätzsch, Unabhängig­ keit (Einl., Fn.  7), S.  83. – Siehe zur methodischen Vorgehensweise der Richter bei der An­ wendung von Präjudizien E. Wambaugh, The Study of Cases, 1892, S.  8 ff.; dazu Pilny, Prä­ judizienrecht (Fn.  131), S.  36 ff.; weiterhin Burnham, Introduction (Fn.  132), S.  72 ff. 142  E. H. Levi, An Introduction to Legal Reasoning, 1949, S.  1; Pilny, Präjudizienrecht (Fn.  131), S.  39 f.; Blumenwitz, Einführung (Teil  1, Fn.  201), S.  58 ff.; Hay, Recht (Teil  1, Fn.  204), Rn.  23; Kischel, Rechtsvergleichung (Einl., Fn.  23), §  5 Rn.  21 ff. 143  Die Regel bleibt jedoch die strikte Anwendung von Präjudizien, siehe Pilny, Präjudi­ zienrecht (Fn.  131), S.  41 f.; Blumenwitz, Einführung (Teil  1, Fn.  201), S.  51. 144 Siehe so auch Hertz v. Woodman, 218 U. S.  205, 212 (1910); Monroe v. Pape, 365 U.S.  167, 222 (1961); Farnsworth, Introduction (Fn.  140), S.  59, 64 f. 145  So auch Reinbacher, Strafrechtssystem (Einl., Fn.  47), S.  19; dazu E. D. Re, St. Thomas Law Review 15 (2002), S.  265 (267 ff.). 146 Vgl. P L. Strauss, Alabama Law Review 53 (2002), S.  891 (909); Hay, Recht (Teil  1, Fn.  204), Rn.  19 ff. 147  Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  83; siehe instruktiv zur Wirkung von Präju­ dizien und judikativer Rechtserzeugung Payandeh, Rechtserzeugung (Einl., Fn.  2), S.  46 ff. 148  Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  83.

B. Rechtsquellen

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Insofern hat die Frage nach der Bestellung der Richter im Rahmen der Gerichts­ verwaltung eine außerordentliche Relevanz. Im Endeffekt kommt den Richtern die Befugnis zu, Recht zu setzen. Richter nehmen damit im Gefüge der Ge­ waltenteilung in den USA zum Teil Aufgaben wahr, die regelmäßig der Legis­ lative als gesetzgebender Gewalt vorbehalten sind149. Die den amerikanischen Richtern zustehende Kompetenz des Law-Making darf allerdings nicht generell dazu verleiten, die Kompetenzen des Richters insgesamt zu überschätzen, da im alltäglichen Rechtsanwendungsgeschäft an den Gerichten die strikte Anwen­ dung von Präjudizien die Regel ist150. b) Statutory Law Die Feststellung, das Common Law bestehe heutzutage noch ausschließlich aus Fallrecht, wäre verfehlt151. Seinem Ursprung nach und in der Theorie ist das amerikanische Rechtssystem in seiner englischen Tradition zwar vornehmlich Fallrecht. Einschränkend muss jedoch Erwähnung finden, dass es seit dem 19.  Jahrhundert verstärkt aufkommende Rechtsgebiete gibt, in denen das Statutory Law das Fallrecht verdrängt152. Die große Mehrheit der Fälle wird inzwi­ schen sogar unter Anwendung oder zumindest teilweiser Berücksichtigung von Gesetzesrecht entschieden153. Vermehrt werden daher Gesetze erlassen, die al­ lerdings zumeist sehr eng umrissene Teilbereiche des Rechts erfassen und durch eine stark spezifizierte sowie konkrete Ausgestaltung zu einer erhöhten Bin­ 149  Dies

gilt vor allem für die Richter des U.S. Supreme Courts, denen es bisweilen ob­ liegt, eine Entscheidung aufzuheben und durch ein neues Präjudiz quasi zu überstimmen, vgl. Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  91. 150  So bereits B. N. Cardozo, The Nature of Judicial Process, 1941, S.  20; J. R. Grodin, Southern California Law Review 61 (1988), S.  1969 (1975); W. Fikentscher, Methoden des Rechts in vergleichender Darstellung, Bd.  II, 1975, S.  260; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  84. 151  Fletcher/Sheppard, Law (Einl., Fn.  48), S.  16; gleichsam differenzierend Hay, Recht (Teil  1, Fn.  204), Rn.  16; Burnham, Introduction (Fn.  132), S.  52. 152  Ausschließlich verwirklichtes Common Law und Form von reinem Case Law existiert dem Grunde nach nur in sehr weniger Rechtsgebieten, wie bspw. dem Deliktsrecht, siehe dazu P. J. Mishkin/C. Morris, On Law in Courts. An Introduction to Judicial Development of Case and Statute Law, 1965, S.  41 ff.; Hughes, Common Law (Fn.  133), S.  14 ff., 23 f.; Blumenwitz, Einführung (Teil  1, Fn.  201), S.  32; Hay, Recht (Teil  1, Fn.  204), Rn.  17, 19 ff. m. w. N.; Müller, Rahmen (Fn.  133), S.  183. – Zur Kodifikationsbewegung in den USA im Allgemeinen S. Herman, Schicksal und Zukunft der Kodifikationsidee, in: Zimmermann, Rechtskultur (Einl., Fn.  42), S.  45 ff.; G. A. Weiss, Yale Journal of International Law 25 (2000), S.  435 (498 ff.); Melin, Gesetzesauslegung (Fn.  131), S.  10 ff.; Reinbacher, Strafrechtssystem (Einl., Fn.  47), S.  17 f., 125 ff. 153  Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  84; Müller, Rahmen (Fn.  133), S.  183.

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Zweiter Teil: Grundlagen

dungswirkung führen sollen154. Die Kodifikationen sind ähnlich umfangreich wie die zahlreichen Präjudizien. Sie sind zumeist äußerst detailliert und haben den Anspruch, alle erdenklichen Fallgestaltungen zu erfassen155. In den Einzel­ staaten ist gleichwohl eine gewisse Harmonisierungstendenz in der Gesetz­ gebung zu beobachten156. Die Verfassung der Vereinigten Staaten ist zweifellos die wichtigste Quelle der amerikanischen Rechtsprechung. Sie steht schließlich – ähnlich dem deut­ schen Grundgesetz – hierarchisch über sämtlichen anderen Normen157. Das Constitutional Law158 beschäftigt sich demgemäß mit den in der U.S.-Verf. nie­ dergelegten Normen sowie der Auslegung durch den U.S. Supreme Court159. Dass der U.S. Supreme Court im Rahmen seiner Rechtsprechung wie die ihm untergeordneten Gerichte selbst auch an die eigene, vorangegangene Rechtspre­ chung gebunden sein soll und in diesem Sinne die Stare Decisis-Doktrin gilt, muss mit Blick auf die alleinige Maßgeblichkeit des Verfassungsrechts verneint werden160. In Zusammenhang mit diesem Problem steht die Frage der Reichwei­ te der Auslegung von Verfassungsrecht, an der sich seit nahezu hundert Jahren 154 

P. T. Atiyah/R. S. Summers, Form and Substance in Anglo-American Law. A Compara­ tive Study of Legal Reasoning, Legal Theory, and Legal Institutions, 1991, S.  96 ff.; J. Zekoll, Zwischen den Welten, in: Zimmermann, Rechtskultur (Einl., Fn.  42), S.  11 (22); Zätzsch, Un­ abhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  84. 155  Abstraktheit ist den U.S.-amerikanischen Kodifikationen i. d. R. fremd; der Civil Code in Louisiana ist daher in vielerlei Hinsicht eine Besonderheit, vgl. Zekoll, Welten (Fn.  154), S.  21; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  85; Blumenwitz, Einführung (Teil  1, Fn.  201), S.  63. 156  Als Beispiel kann der Uniform Commercial Code genannt werden, bei dem es sich um ein einheitliches Handelsgesetzbuch handelt, das von nahezu allen Bundesstaaten unverän­ dert übernommen worden ist. Als Modellgesetz (sog. Uniform Law) enthält der U.C.C. nach wie vor bewusste Lücken, die jeweils durch das Common Law geschlossen werden sollen. Siehe dazu aus historischer Perspektive W. A. Schnader, University of Miami Law Review 22 (1967), S.  1 (2 ff.); allgemein Pilny, Präjudizienrecht (Fn.  131), S.  28, 54; Zekoll, Welten (Fn.  154), S.  13, 26 ff.; P. C. Minuth, Der amerikanische Uniform Commercial Code und deut­ sches Recht, 2000, S.  67 ff., 126 ff.; G. A. Weiss, Yale Journal of International Law 25 (2000), S.  435 (520 ff.); Blumenwitz, Einführung (Teil  1, Fn.  201), S.  70 f.; Melin, Gesetzesauslegung (Fn.  131), S.  17 ff., 163 ff.; K. Linhart, Internationales Einheitsrecht und einheitliche Ausle­ gung, 2005, S.  126; Hay, Recht (Teil  1, Fn.  204), Rn.  18. – Zu weiterhin bestehenden Unter­ schieden im Hinblick auf die Strafrechtssysteme der Bundesstaaten Reinbacher, Strafrechts­ system (Einl., Fn.  47), S.  19, 127 ff. 157  Clark, Sources (Teil  1, Fn.  202), S.  43 f.; Burnham, Introduction (Fn.  132), S.  40. 158 Für eine ausführliche Darstellung zum Constitutional Law siehe E. Chemerinsky, Constitutional Law. Principles and Policies, 5.  Aufl. 2015. 159 Vgl. Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  158. 160  So auch Graves v. New York ex rel. O’Keefe, 396 U.S.  466, 491 f. (1939): „But the ulti­ mate touchstone of constitutionality is the Constitution itself, and not what we have said about it“; Schlüchter, Mittlerfunktion (Fn.  138), S.  81 führt hier treffend aus, dass den ge­

B. Rechtsquellen

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die Geister scheiden161. Es geht dabei um die Frage, ob bei der Verfassungsaus­ legung im Einzelfall der Wortlaut des Verfassungstextes maßgeblich sein soll und der Richter sich demgemäß nach dem Original Intent oder dem Original Meaning der Verfassungsväter zu richten habe (Originalism)162 oder ob es legi­ tim ist, auch die wandelbaren Wertevorstellungen der Gesellschaft im Sinne einer lebendigen Verfassung mit einzubeziehen163. Es ist der Lehre des Origi­ nalism sicherlich beizugeben, dass die Befugnisse des U.S. Supreme Courts ins­ besondere durch das Recht der Judicial Review164 über den Kern der eigent­ lichen Rechtsprechungstätigkeit im Sinne einer Rechtsanwendung hinausgehen und gewisse Friktionen mit dem Gewaltenteilungs- und Demokratieprinzip165 nicht ausbleiben. Allerdings beweisen vor allem aktuelle Fälle mit verfassungs­ rechtlichem Schwerpunkt aus der progressiven Warren-Court Ära166 recht ein­ richtlichen Entscheidungen daher keine bindende Wirkung, sondern vielmehr eine „überzeu­ gende Autorität“ zukommen könne; Pilny, Präjudizienrecht (Fn.  131), S.  70 ff. 161  Einen Überblick über das Problem verschaffen R. Berger, Federalism. The Founders’ Design, 1987, S.  193 ff.; D. A. Farber, Ohio State Law Review 49 (1989), S.  1085 ff.; W. Brugger, Grundrechte und Verfassungsgerichtsbarkeit in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1987, S.  345 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  88 ff.; K. E. Whittington, Constitu­ tional Interpretation. Textual Meaning, Original Intent, and Judicial Review, 1999, S.  1 ff., 34 ff.; Melin, Gesetzesauslegung (Fn.  131), S.  99 ff.; L. B. Solum, Constitutional Commentary 27 (2010), S.  95 (100 ff.); P. Finkelmann, Cardozo Law Review 37 (2015), S.  623 ff. 162  Als Galionsfigur der Bewegung des Originalism in seiner grammatisch-historischen Ausprägung im Sinne der Wortlautbedeutung nach den Verfassungsvätern (Original Mea­n­ ing bzw. Textualism) gilt der verstorbene höchst konservative Justice Antonin Scalia, vgl. A. Scalia, University of Cincinnati Law Review 57 (1988–1989), S.  849 ff. Zum Originalism im Allgemeinen siehe R. Berger, Cornell Law Review 73 (1988), S.  350 ff.; W. M. Treanor, University of Chicago Law Review 57 (1988), S.  1016 ff.; R. H. Bork, The Tempting of Ame­ rica. The Political Seduction of the Law, 1990, S.  143 ff., der auch als Verfechter des Original­ ism gilt; Whittington, Interpretation (Fn.  161), S.  2 ff., 34 ff.; mit weiteren Texten S. G. Calabresi, Originalism. A Quarter-Century of Debate, 2007; aus der deutschen Literatur Brugger, Grundrechte (Fn.  161), S.  247 ff.; W. Heun, Verfassung und Verfassungsgerichtsbarkeit im Vergleich, 2014, S.  213 ff. – Mit Kritik (vor allem an Bork) R. Dworkin, Freedom’s Law, 1996, S.  287 ff.; J. M. Balkin, Living Originalism, 2011, S.  100 ff. 163  Die personifizierte Gegenbewegung des Originalism wird in dem von den Justices Stephen Breyer und Ruth B. Ginsburg vertretenen Entwurf der Living Constitution gesehen. Siehe dazu B. A. Ackerman, Harvard Law Review 120 (2007), S.  1737 ff.; J. M. Balkin, Northwestern University Law Review 103 (2009), S.  549 (559 ff.); D. A. Strauss, The Living Constitution, 2010; W. H. Rehnquist, The Notion of a Living Constitution, in: D. M. O’Brien (Hrsg.), Judges on Judging. Views From The Bench, 4.  Aufl. 2013, S.  182 ff. 164  Siehe zum richterlichen Prüfungsrecht und der Entscheidung Marbury v. Madison, 5 U.S. (1 Cranch) 137 (1803) unten Kap.  3 B. II. 1 a) cc) (2). 165  Zu der demokratietheoretischen Begründung der Lehre des Original Intent siehe Heun, Verfassung (Fn.  162), S.  216 f. 166  Zu nennen sei hier beispielhaft die Entscheidung Griswold v. Connecticut, 381 U.S.  479 (1965), in der entschieden worden ist, dass ein Gesetz zum Verbot der Verwendung von Ver­

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Zweiter Teil: Grundlagen

drucksvoll, dass der Wille der Verfassungsväter niemals zweifelsfrei ermittelt werden kann. Darüber hinaus kann dem Schutz fundamentaler Bürgerrechte nur durch die Berücksichtigung sich verändernder Wertvorstellungen bei der Verfassungsauslegung Rechnung getragen werden kann167. Als die berühmteste Entscheidung in diesem Zusammenhang gilt das Urteil Brown v. Board of Education168, in der die Rassensegregation an Schulen in extensiver Auslegung der Equal Protection Clause und vermutlich gegen den ursprünglichen Willen der Verfassungsväter für verfassungswidrig erklärt worden ist169. Im Zusam­ menhang mit der methodischen Frage nach der Interpretationsreichweite der Verfassung steht auch der Streit, inwieweit Richter im Rahmen der Rechtspre­ chung ihre eigenen Wertvorstellungen einfließen lassen dürfen170. 2. Rechtsquellen des Gerichtsverwaltungsrechts Die einschlägigen Vorgaben für die amerikanische Gerichtsverwaltung finden sich neben dem Verfassungsrecht größtenteils in unterschiedlichen Gesetzen und Verwaltungsverordnungen – was sich als Folge der Vielfältigkeit und Un­ übersichtlichkeit gerichtsverwaltender Aufgaben darstellt171. Die Gesetz­ gebungskompetenz für den Bereich der Gerichtsverwaltung liegt – in streng föderalistischer Trennung – für die Bundesgerichte beim Bund, ansonsten er­ folgt in den einzelnen Bundesstaaten eine eigene Gesetzgebung für die jeweili­ gen Staatengerichte172. Es entsteht durch diese Aufteilung eine enorme Fülle hütungsmitteln durch verheiratete Paare diese in ihrem ungeschriebenen Right of Privacy verletze, welches aus dem 14. Zusatzartikel hergeleitet wird. Siehe dazu D. Helscher, Northern Illinois University Law Review 15 (1994), S.  33 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  90; Melin, Gesetzesauslegung (Fn.  131), S.  100 f.; J. W. Johnson, Griswold v. Connecticut: Birth Control and the Constitutional Right of Privacy, 2005, S.  53 ff., 198 ff. 167  So auch R. Dworkin, N.Y.U. Law Review 56 (1981), S.  469 (470 f.); L. H. Tribe/M. C. Dorf, University of Chicago Law Review 57 (1990), S.  1057 (1062 f.); C. R. Sunstein, Colum­ bia Law Review 106 (2006), S.  2234 (2236). – Aus der deutschen Literatur mit dieser Ein­ schätzung Brugger, Grundrechte (Fn.  161), S.  263 ff.; Pilny, Präjudizienrecht (Fn.  131), S.  83; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  90; S. G. Breyer, Our Democratic Constitution, in: O’Brien, Judges (Fn.  163), S.  276 ff. 168  347 U.S.  438 (1954). Dazu ausführlich Brugger, Grundrechte (Fn.  161), S.  144 ff. 169 Ausführlich R. Berger, Government by Judiciary, 2.  Aufl. 1997, S.  117 ff.; Melin, Ge­ setzesauslegung (Fn.  131), S.  100 f. 170  Gleichsinnig siehe K. D. Kmiec, California Law Review 92 (2004), S.  1441 (1466 ff.); Melin, Gesetzesauslegung (Fn.  131), S.  101, 315; Heun, Verfassung (Fn.  162), S.  213. Siehe zu dem Konflikt zwischen Judicial Activism und Judicial Restraint in Bezug auf den U.S. Supreme Court ausführlich Kap.  3 B. II. 1 a) cc) (2). 171 Gleichsinnig Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  70 ff. 172  Grundsätzlich ist die Gesetzgebungskompetenz in den Vereinigten Staaten ähnlich geregelt wie in Deutschland, was bedeutet, dass der Bund in enumerativ aufgezählten Fällen

B. Rechtsquellen

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unterschiedlichster Statuten. Der Bund ist für die Verwaltung der Bundesge­ richte zuständig, während die Einzelstaaten mit den einzelstaatlichen Gerichten die deutliche Überzahl an Gerichten verwalten173. Auf Bundesebene gibt es zu­ nächst die verfassungsrechtlichen Vorgaben, die für die Gerichtsverwaltung gelten (Art.  I bis III der U.S.-Verf. sowie entsprechend äquivalente Verbürgun­ gen in den Verfassungen der Einzelstaaten174). Über einzelne gerichtsverwal­ tende Aufgabenzuweisungen schweigt die Bundesverfassung. Darüber hinaus lassen sich zum Teil dem U.S. Code im 28. Titel verschiedenste Aussagen zur Gerichtsverwaltung entnehmen175. Canon 3 (B) des Code of Judicial Conduct enthält dezidierte Vorgaben für einzelne Richter, die mit gerichtsverwaltenden Aufgaben betraut sind176. In den einzelnen Bundesstaaten kann die Rechts­ setzung als unüberschaubar qualifiziert werden. Die Fülle an unterschiedlichen Gerichtsverwaltungssystemen allein in personeller Hinsicht führt zu einer Un­ übersichtlichkeit entsprechender Rechtsnormen177. Außerdem existiert üblicher­ weise eine Vielzahl judikativer Normsetzung, die vergleichbar ist mit den exe­ kutiven Vorschriften in Deutschland. Hier sind insbesondere die Rules of Court zu nennen, die von den Gerichten selbst erlassen werden178. Die Fed.R.Civ.P., die Fed.R.Crim.P., die Fed.R.Ev. und die Fed.R.App.P. entsprechen zusammen

zur Gesetzgebung zuständig ist, während die Länder dem Grunde nach eine unbeschränkte Gesetzgebungskompetenz haben (Siehe den 10. Zusatzartikel zur U.S.-Verf.). Dazu im Detail Berger, Federalism (Fn.  161), S.  77 ff.; W. Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, 2.  Aufl. 2001, S.  62 ff.; Blumenwitz, Einführung (Teil  1, Fn.  201), S.  67 ff. 173 Gleichsinnig Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  158; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  24. 174  Art.  V I §  6 Nr.  1 der Verf. von New Jersey enthält bspw. Vorgaben zur Richterauswahl, Art.  V I §  6 Nr.  3 der Verf. von New Jersey normiert Amtsdauer und gleichzeitig die Unab­ setzbarkeit während der laufenden Amtsperiode. Darüber hinaus enthält Art.  V I §  6 Nr.  4 der Verf. von New Jersey Vorgaben zur Amtsenthebung. 175  Siehe 28 U.S. Code Kapitel  16 (§§  351 ff.) zum Disziplinarrecht; die Budgetverantwort­ lichkeit des AO ergibt sich aus 28 U.S. Code Kapitel  41 (§§  601 ff.); 28 U.S.C. §§  5 (U.S. Supreme Court), 44(d) (U.S. Courts of Appeals), 135 (U.S. District Courts), 172 machen Vorga­ ben zur Richterbesoldung an den Bundesgerichten. 176  So der 1. Abs.: „A judge should diligently discharge administrative responsibilities, maintain professional competence in judicial administration, and facilitate the performance of the administrative responsibilities of other judges and court personnel“. 177  Die meisten Bundesstaaten-Verfassungen enthalten jedoch zumindest Vorschriften zum Leitung der Gerichtsverwaltung, die regelmäßig dem jeweiligen Chief Justice obliegt, so bspw. Art.  V I §  7 der Verf. von New Jersey. Siehe im Detail hierzu Kap.  4 B. II. 2 b) aa). 178  Die Autorität des U.S. Supreme Courts zur Aufstellung eigener Court Rules für die Bundesgerichte ergibt sich aus 28 U.S.C. §  2072. Siehe allgemein K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (224); ders., Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  57; gleichsinnig H. Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4.  Aufl. 2011, Rn.  27 f.

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Zweiter Teil: Grundlagen

den fünf deutschen Prozessordnungen179. Sie werden vom U.S. Supreme Court beschlossen, dem Kongress steht nur ein Veto-Recht zu180. Die Prozessrechtsau­ tonomie steht darüber hinaus jedem einzelnen bundes- und einzelstaatlichen Gericht zu; sie zählt zu den Inherent Powers der Gerichte und wird als der Justiz innewohnende Kompetenz zur Regelung der eigenen Angelegenheiten angese­ hen181. Die Rules of Court stellen als Innovationsgeber ein vielseitiges Instru­ ment für den Bereich der Gerichtsverwaltung dar182. Die Verfassungen der Ein­ zelstaaten enthalten zumeist dezidierte Vorgaben zur Gerichtsverwaltung: So wird die Aufsicht regelmäßig dem jeweiligen Supreme Court mit dem Chief Justice an der Spitze übertragen, regelmäßig wird durch Gesetz oder gar die Verfassung auch die Bestellung eines State Court Administrators angeordnet183.

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung in Deutschland und den USA Der verfassungsrechtliche Rahmen der Gerichtsverwaltung wird zunächst durch das Demokratieprinzip gebildet (I.), da jedes staatliche Handeln demo­ kratisch legitimiert sein muss. Ferner muss sich die Gerichtsverwaltung in das Gefüge der Gewaltenteilung eingliedern (II.), die überdies Vorgaben zur Vertei­ lung der gerichtsverwaltenden Aufgaben innerhalb der Staatsgewalten macht. Die Gerichtsverwaltung dient ferner dem Justizgewährleistungsanspruch (III.) und befindet sich insbesondere im Spannungsfeld mit der Garantie des gesetz­ lichen Richters (IV.) sowie der richterlichen Unabhängigkeit (V.). 179 Siehe

J. B. Weinstein, Rule-making by the courts, in: Klein, Improvement (Teil  1, Fn.  248), S.  127 ff.; Tobin, Overview (Teil  1, Fn.  318), S.  11, 17 f.; K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (224 f.); ders., DRiZ 1998, S.  241 (243); Clark, Sources (Teil  1, Fn.  202), S.  47 f.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  632 f.; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  558; gleichsinnig Müller, Rahmen (Fn.  133), S.  187. 180  Vgl. 28 U.S.C. §§  2071 ff.; dazu K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (243). 181  Zur Bedeutung der Rules of Court als Ausdruck einer gerichtlichen Autonomie im Gewaltengefüge siehe K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (243); Schack, Einführung (Fn.  178), Rn.  29. – Zur Haushaltsgesetzgebung als Implied Power der amerikanischen Gerichte siehe Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  205 mit Fn.  522. 182  Gleichsinnig (vor allem mit Bezug auf den technischen Innovationscharakter, welcher der Rule-Making Power innewohnt) K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (243 f.). 183  Eine Vorreiter-Rolle nimmt insofern der Bundesstaat New Jersey ein. Hier ist (wie in vergleichbarer Weise auch in anderen Bundesstaaten) in Art.  V I §  2 Nr.  3, §  7 Nr.  1 die wesent­liche Kompetenz der Gerichtsverwaltung dem Supreme Court übertragen. Siehe im Detail auch Kap.  4 B. II. zu den einzelnen Organen der Gerichtsverwaltung in den Einzel­ staaten.

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung

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I. Demokratieprinzip Demokratie bedeutet – dem griechischen Ursprung des Wortes184 gemäß – Volks­herrschaft185. Dieser Herrschaftsform bzw. diesem politischen System liegt die Idee politischer Selbstbestimmung eines menschlichen Verbandes zu­ grunde. Der Demokratiebegriff ist in seiner konkreten Ausgestaltung nicht in seiner Gänze erfassbar; er ist – vor allem für den staatenübergreifenden Bezug – durch eine Unschärfe, Weite und Entwicklungsoffenheit gekennzeichnet186. Demokratie als juristische Kategorie und als Ausprägung des Rechtsstaates gibt schließlich stets nur eine Richtung vor und ist als Staatsziel- oder Verfassungs­ prinzip vielmehr ein politisches Ideal, das es anzustreben gilt, dessen vollstän­ dige Verwirklichung allerdings nach seiner politischen Intention utopisch ist. Das Demokratieverständnis hat sich ständig an die sich verändernden Gegeben­ heiten anzupassen187. Alle Formen von Demokratie haben im Kern jedoch das 184  Zur Geschichte der Demokratie siehe P. Badura, HStR³ II, §  25 Rn.  45 ff.; L. Canfora, Eine kurze Geschichte der Demokratie. Von Athen bis zur Europäischen Union, 4.  Aufl. 2006, S.  15 ff., 34 ff. – Aus der amerikanischen Literatur hierzu W. M. Sloane, The American Historical Review 1 (1895), S.  1 ff. Zur Etymologie des Wortes vgl. G. Bien/H. Maier, Art.  De­ mokratie (I), in: HWPhil., Bd.  2, 1972, Sp.  50 (50 f.); C. Meier, Entstehung des Begriffs „De­ mokratie“. Vier Prolegomena zu einer historischen Theorie, 4.  Aufl. 1981, S.  7 ff., 40; H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd.  II, 3.  Aufl. 2015, Art.  20 (Demokratie), Rn.  2. 185 Vgl. Bien/Maier, Demokratie (Fn.  184), Sp.  83 f.; Meier, Entstehung (Fn.  184), S.  8 f.; M. L. Volcansek, Judicial Misconduct. A Cross-National Comparison, 1996, S.  1; E. W. Böckenförde, HStR³ III, §  34 Rn.  2; B. Grzeszick, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG-Kommen­ tar, Art.  20 II (2010), Rn.  2; H.-D. Horn, Demokratie, in: Depenheuer/Grabenwarter, Verfas­ sungstheorie (Einl., Fn.  39), §  22 Rn.  31. 186  Siehe aus der Rechtsprechung BVerfGE 107, 59 (91 Rn.  167). Vgl. auch F. K. Fromme, DÖV 1970, 518 (518); E. Denninger, Staatsrecht, Bd.  1, 1973, S.  55; K. Bugiel, Volkswille und repräsentative Entscheidung. Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit von Volksabstimmungen nach dem Grundgesetz, 1991, S.  29 ff.; Hesse, Grundzüge (Teil  1, Fn.  15), Rn.  127; S. Unger, Das Verfassungsprinzip der Demokratie, 2008, S.  85 f.; M. G. Schmidt, Demokratietheorien. Eine Einführung, 5.  Aufl. 2010, S.  19 ff.; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  60. – Siehe aus der amerikanischen Literatur R. A. Dahl, A Preface to Democratic Theory, 1956, Nachdr. 2006, S.  1 ff. 187  E. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S.  329 (334 ff.); P. Badura, HStR³ II, §  25 Rn.  41; C. Möllers, Demokratie – Zumutungen und Versprechen, 3.  Aufl. 2012, S.  9 f.; Horn, Demo­ kratie (Fn.  185), Rn.  1 ff., 5 ff.; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  60. – BVerfGE 107, 59 (91 Rn.  167) spricht von einer Staatszielbestimmung und einem Verfassungsprinzip, das in Art.  20 Abs.  2 GG enthalten sei. H. Hofmann, Legitimität und Rechtsgeltung. Verfas­ sungstheoretische Bemerkungen zu einem Problem der Staatslehre und der Rechtsphiloso­ phie, 1977, S.  77, 89 arbeitet instruktiv heraus, dass das Demokratieprinzip auf Veränderun­ gen und Fortschritt drängt. Mit Unger, Verfassungsprinzip (Fn.  186), S.  157 ff. muss aller­ dings darauf bestanden werden, dass das Demokratieprinzip bei aller programmatischen Offenheit und Flexibilität nicht zu einem bloßen Programmsatz verkommt.

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Grundverständnis der Volksherrschaft nach dem Mehrheitsprinzip gemein­ sam188. In den Rechtsordnungen von Deutschland und den USA herrscht ein grund­ sätzlich unterschiedlich ausgeprägtes Demokratieverständnis vor. Sowohl in Deutschland (1.) als auch in den USA (2.) besteht indessen Einigkeit über das grundsätzliche Erfordernis der Verwirklichung der Volkssouveränität. Die ge­ richtsverwaltende Tätigkeit bedarf mithin gleichermaßen einer demokratischen Legitimation. 1. Demokratische Legitimation der Gerichtsverwaltung in Deutschland Um demokratische Legitimation für sich beanspruchen zu können189, muss sich das Handeln der Gerichtsverwaltung entsprechend dem Demokratieprinzip (a.) auf den Willen des Volkes zurückführen lassen. Da das Volk allerdings als Ak­ teur hoheitlich nicht tätig wird, muss ein legimitatorischer Zusammenhang ­zwischen Volk und handelndem staatlichen Organ hergestellt werden190. Im Rahmen einer ausgeprägten Demokratiedogmatik werden hierzu verschiedene Legitimationsmodelle diskutiert, die es auch auf die Gerichtsverwaltung zu übertragen gilt (b.). a) Demokratie als Rechtsprinzip Das Demokratieprinzip folgt aus Art.  20 Abs.  1 GG und wird in Art.  20 Abs.  2 GG weiter konkretisiert191. Es handelt sich bei Art.  20 Abs.  2 S.  1 GG um die Fundamentalnorm demokratischer Ordnung, mit der das Prinzip der Volks­ souveränität kaum prägnanter und treffender hätte normiert werden können192. 188 

Siehe im Detail Dahl, Democratic Theory (Fn.  186), S.  34 ff.; J. H. Ely, Democracy and Distrust. A Theory of Judicial Review, 1980, Nachdr. 2002, S.  7; aus der deutschen Literatur siehe K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd.  I, 2.  Aufl. 1984, S.  592; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  213. 189  G. Roellecke, Zur demokratischen Legitimation der rechtsprechenden Gewalt, in: Isensee/Lecheler, FS Walter Leisner (Einl., Fn.  10), S.  553 ff.; C. D. Classen, JZ 2003, S.  693 (695); U. Di Fabio, HStR³ II, §  27 Rn.  25; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  17 f. In Bezug auf die rechtsprechende Gewalt wird praktisch ihre legitimatorische Rückführung auf das „Volk im Besonderen deutlich, da über jedem ihrer Urteile auch heute noch steht Im ‚Na­ men des Volkes‘“, siehe hierzu Brüggemann, Gewalt (Fn.  13), S.  67. 190  Vgl. so auch Tschentscher, Legitimation (Fn.  1), S.  17; siehe auch Grzeszick (Fn.  185), Art.  20 II Rn.  119; A. Janssen, DÖV 2010, S.  949 (949 ff.); Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demo­ kratie), Rn.  82. 191  Siehe im ersten Zugriff E. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, 1991, S.  34 ff.; E.-W. Böckenförde, HStR³ III, §  34; ders., HStR³ II, §  24 Rn.  10 ff.; Horn, Demokratie (Fn.  185), §  22. 192  H. Meyer, Repräsentation und Demokratie, in: H. Dreier (Hrsg.), Symposion für Hasso

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung

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Entsprechend dem Gebot der Gewaltenteilung sieht Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG für die mittelbare Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk besondere Organe vor193. Es handelt sich hier um die Ausgestaltung des Grundsatzes der Volkssou­ veränität194, der durch eine Darstellung der Legitimationsmodi ergänzt wird195. Um den hinreichenden Zusammenhang zwischen Volk und Staatsgewalt zu ­gewährleisten, muss zwischen dem Volk und dem agierenden Staatsorgan ein demokratischer Legitimationszusammenhang bestehen, der die Ausübung der Staatsgewalt durch das Organ hinreichend demokratisch legitimiert. Jegliche Akte des Organs der entsprechenden Staatsgewalt müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und sind ihm gegenüber zu verantworten196. Hofmann, 2005, S.  99 (104) findet ähnlich lobende Worte und stellt fest, dass man das Prinzip der Volkssouveränität „schöner und einfacher […] nicht [hätte] ausdrücken“ können; zur „no­ torischen Unschärfe“ des Demokratiebegriffs siehe v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  83 m. w. N. – Siehe auch M. Morlok, Demokratie und Wahlen, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG, 2001, Bd.  2, S.  559 (562 ff.); E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  2 ff.; P. Badura, HStR³ II, §  25 Rn.  27; ders., Staatsrecht, 6.  Aufl. 2015, Rn. D 6; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  82. 193  Vgl. BVerwG NJW 2002, S.  2263 (2264). – Die deutsche Staatsgewalt als Legitimations­ objekt i. S. d. Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG umfasst nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungs­ gerichts „alle Arten der Ausübung von Staatsgewalt“. Siehe BVerfGE 47, 253 (273); 77, 1 (40); 83, 60 (73). Näher dazu E. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S.  329 (338 ff.); M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung. Entscheidungsteilhabe Privater an der ­öffentlichen Verwaltung auf dem Prüfstand des Verfassungsprinzips Demokratie, 1993, S.  233 ff.; E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  12 f.; L. C. Faissner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  57. 194  So BVerfGE 83, 60 (71); Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn.  193), S.  205 ff.; ders., JuS 2004, S.  649 ff.; A. Janssen, DÖV 2010, S.  949 (949 f., 953 ff.). 195  Vgl. zur Begrifflichkeit E. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S.  329 (351 ff.). 196  Vgl. BVerfGE 47, 253 (275); 77, 1 (40); 83, 60 (71 f.); 93, 37 (66); 107, 59 (87, Rn.  156); 130, 76 (123 f., Rn.  156 ff.); E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  10 f.; E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2.  Aufl. 2006, S.  89 spricht insofern von einem „Zurechnungszusammenhang“; Grzeszick (Fn.  185), Art.  20 II Rn.  117; Horn, Demo­ kratie (Fn.  185), Rn.  30 ff.; F. E. Schnapp, in: I. v. Münch/P. Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd.  I, 6.  Aufl. 2012, Art.  20 Rn.  23. – Obwohl Art.  20 Abs.  2 GG in Bezug auf das „Volk“ ohne nähere Spezifizierung auskommt, gehen die Rechtsprechung des Bundesverfassungs­ gerichts sowie die Staatsrechtslehre einhellig davon aus, dass hiermit nur das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland gemeint ist. Vgl. aus der Rechtsprechung BVerfGE 83, 37 (50 f.); 83, 60 (71, 81). Zu den Abgrenzungsproblemen beim allgemeinen Volksbegriff in­ struktiv Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  64 ff.; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demo­ kratie), Rn.  90 ff. Siehe mit ähnlichen Ausführungen auch Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn.  193), S.  207 ff.; D. Ehlers, Die Staatsgewalt in Ketten – Zum Demokratiegebot im Sinne des Grundgesetzes, in: H. Faber (Hrsg.), FS Ekkehart Stein, 2002, S.  125 (126 f.); E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  26 ff., 46; R. Grawert, HStR³ II, §  16 Rn.  20, 30 ff.; M. Sachs, in: ders., GG (Einl., Fn.  6), Art.  20 Rn.  27 ff.

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Zweiter Teil: Grundlagen

In der ausgewiesenen Stellung des Volkes als Ursprung und Träger der Staats­ gewalt zeigt sich die Input-orientierte Grundvorstellung des Grundgesetzes von Demokratie197. Die Unterscheidung zwischen Input- und Output-orientierten Legitimationsmodellen ist der Politikwissenschaft entlehnt und inzwischen auch in der Rechtswissenschaft geläufig198. Unter Input-Legitimation versteht man die verfahrensmäßige Ableitung der Staatsgewalt vom Volk, also der Rück­ bindung an das Parlament199. Die „Herrschaft durch das Volk“ scheint im Grundgesetz in Art.  20 Abs.  2 S.  1 ausdrücklich angelehnt zu sein 200. Von sozi­ alwissenschaftlicher und ökonomischer Seite wird allerdings eingewandt, dass es maßgeblich auch auf die erzielten, im Vergleich demokratisch überzeugende­ ren Ergebnisse ankommt201. In diesem Sinne ist die Output-Legitimation an der Qualität sowie an den Ergebnissen staatlicher Entscheidungen orientiert, indem sie sich als „Herrschaft für das Volk“ nach Gemeinwohlbelangen richtet202. Zum Teil wird der Output-Legitimation allerdings abgesprochen, eine spezifisch de­ 197  K. F. Gärditz, DÖV 2010, S.  453 (457); M. Ludwigs, Die Verwaltung 44 (2011), S.  41 (49); siehe auch Möllers, Demokratie (Fn.  187), S.  43 ff.; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokra­ tie), Rn.  83; L. C. Faissner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  58 f. 198 Grundlegend zu dieser Unterscheidung F. W. Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, 2.  Aufl. 1972, S.  21 ff.; ders., Regieren in Europa. Effektiv und demo­ kratisch, 1999, S.  20 ff.; unter Bezug hierauf auch A. Peters, Elemente einer Theorie der Ver­ fassung Europas, 2001, S.  521 ff.; U. Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschafts­ gewalt. Die Weiterentwicklung von Begriffen der Staatslehre und des Staatsrechts im euro­ päischen Mehrebenensystem, 2004, S.  598 ff.; Bredt, Legitimation (Teil  1, Fn.  234), S.  248 ff., 273 ff.; K. F. Baltes, Die demokratische Legitimation und die Unabhängigkeit des EuGH und des EuG, 2011, S.  84 ff. Vgl. zur Adaption in der Rechtswissenschaft Classen, Legitimation (Einl., Fn.  78), S.  27 f.; N. Petersen, JöR n. F. 58 (2010), S.  137 (144 ff.); H.-H. Trute, Die demo­ kratische Legitimation der Verwaltung, in: Hoffman-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen (Teil  1, Fn.  41), §  6 Rn.  53 ff. 199  Scharpf, Demokratietheorie (Fn.  198), S.  16; J. Masing, Die Regulierungsbehörde im Spannungsfeld von Unabhängigkeit und parlamentarischer Verantwortung, in: H. Bauer u. a. (Hrsg.), FS Reiner Schmidt, 2006, S.  521 (525); M. Ludwigs, Die Verwaltung 44 (2011), S.  41 (49). 200  Zu den verschiedenen Ausprägungen der „klassischen“ Input-Legitimation, die vor allem im Rahmen der Rezeption und Problematisierung des organisatorisch-formalen Mo­ dells Anwendung findet, siehe Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  51 ff. – Siehe zu der These, das Grundgesetz sei Input-orientiert, auch N. Petersen, JöR n. F. 58 (2010), S.  137 (145). 201 Siehe Bredt, Legitimation (Teil  1, Fn.  234), S.  205 ff., 280 ff.; Classen, Legitimation (Einl., Fn.  78), S.  27 f.; Trute, Legitimation (Fn.  198), Rn.  53 f., 60; Minkner, Gerichtsverwal­ tung (Einl., Fn.  7), S.  70 ff., 85 ff. 202  Siehe hierzu Scharpf, Demokratietheorie (Fn.  198), S.  25 ff.; ders., Regieren (Fn.  198), S.  16; Classen, Legitimation (Einl., Fn.  78), S.  27 f.; differenziert Trute, Legitimation (Fn.  198), Rn.  53. – Kritik vor allem bei H. Brunkhorst, Globale Solidarität, in: L. Wingert/K. Günther (Hrsg.), FS Jürgen Habermas, 2001, S.  605 (621); Möllers, Gewaltengliederung (Teil  1, Fn.  41),

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mokratische Herrschaftsbegründung zu generieren 203. Tatsächlich legt der Wortlaut von Art.  20 Abs.  2 S.  1 GG ein anderes Demokratieverständnis mit primärer Rückbindung auf das Volk nahe, allerdings kann durch ergebnisorien­ tierte Elemente im Sinne von Effizienzgesichtspunkten indirekt auch eine Out­ put-Orientierung implementiert werden 204. b) Demokratische Legitimation der Gerichtsverwaltung Das Grundgesetz sieht in Art.  20 Abs.  2 S.  1 GG ein einheitliches Konzept der demokratischen Legitimation aller Staatsgewalt vor und differenziert hier nicht etwa zwischen den drei Gewalten 205. Die Notwendigkeit demokratischer Legiti­ mation gilt für alle der drei Staatsgewalten. In Form und Intensität kann sie je­ doch je nach Ausübungsbereich der öffentlichen Gewalt durchaus variieren 206. So verfügt die Legislative über das höchste Legitimationsniveau und hat gegen­ über der Exekutive und der Judikative einen „Legitimationsvorsprung“207 inne, da das Parlament als einziges Staatsorgan unmittelbar durch das Volk legiti­ miert ist208. Im Vergleich zur Judikative bereitet auch die demokratische Legiti­ mation der Exekutive wenig Schwierigkeiten, wenngleich sich insofern nicht unüberwindbare, aber doch erhebliche Probleme durch die Abwendung von der klassischen Ministerialverwaltung hin zur Selbstverwaltung ergeben 209. Unbe­ S.  37 f.; S. Müller-Franken, AöR 134 (2009), S.  542 (552 ff.); siehe auch Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  83. 203 Vgl. M. Jestaedt, Radien der Demokratie. Volksherrschaft, Betroffenenpartizipation und plurale Legitimation, in: H. M. Heinig/J. P. Terhechte (Hrsg.), Postnationale Demokratie, Postdemokratie und Neoetatismus, 2013, S.  3 (15 f.); zustimmend Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  83. 204  Siehe hierzu konkreter S.  97 ff. 205 Vgl. Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  1; so auch Böckenförde, Richterwahl (Einl., Fn.  7), S.  71. 206 Siehe Böckenförde, Richterwahl (Einl., Fn.  7), S.  71. 207 Gleichsinnig Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften (Teil  1, Fn.  71), S.  198 („besondere demokratische Weihe“); M. Papenfuß, Die personellen Grenzen der Autonomie öffentlich-­ rechtlicher Körperschaften, 1991, S.  148; E. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S.  329 (364); ders., Verwaltungsrecht (Fn.  196), S.  90; B. Pieroth, EuGRZ 2006, S.  330 (333); Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  116. 208  Es wird daher zum Teil auch als „Zentralorgan der Demokratie“ bezeichnet, vgl. M. Morlok/C. Hientzsch, JuS 2011, S.  1 (1). 209 Zumindest lässt sich für diesen Bereich eine beachtliche Bandbreite wissenschaft­ licher Forschung feststellen. Die Frage der demokratischen Legitimation von Verwaltungs­ handeln stand oft Im Fokus der Diskussion. – So auch Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  1. Siehe im Überblick zur demokratischen Legitimation der vollziehenden Gewalt Dreier, Verwaltung (Teil  1, Fn.  72), S.  108 ff., 129 ff., 141 ff.; E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  31; Schliesky, Souveränität (Fn.  198), S.  279; Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrecht

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Zweiter Teil: Grundlagen

stritten ist ferner, dass ein bestimmtes Legitimationsniveau im Sinne einer bi­ lanziellen Gesamtschau sicherzustellen ist210. Die gemeinhin in Rechtsprechung und Literatur hierzu vertretenen Legitimationsmodelle (aa.) müssen sich auch auf die Gerichtsverwaltung übertragen lassen (bb.), um eine lückenlose Rück­ führung der gerichtsverwaltenden Aufgabenwahrnehmung zum Volk sicher­ zustellen. aa) Legitimationsmodelle Das Volk als Legitimationsobjekt und Handlungsträger fällt mit der handelnden Staatsgewalt als Legitimationsobjekt logischerweise nicht in eins. Es stellt sich mithin die Frage, welche Anforderungen an den Legitimationszusammenhang211 zwischen Volk und den Staatsorganen zu stellen sind, damit eine ununterbroche­ ne Legitimationskette212 gewährleistet werden kann. Die herrschende Demokra­ tiedogmatik wird einhellig als organisatorisch-formales Modell bezeichnet213. Dieses Modell ist in der Rechtsprechung angelegt214. Es findet weitgehend An­ klang und Weiterentwicklung in der Literatur, sodass es nach wie vor – trotz (Fn.  196), S.  97; Classen, Legitimation (Einl., Fn.  78), S.  6 ff., 9 ff.; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  120 ff. 210  Emde, Legitimation (Fn.  191), S.  385; Schliesky, Souveränität (Fn.  198), S.  302; H.-G. Dederer, Korporative Staatsgewalt. Integration privat organisierter Interessen in die Aus­ übung von Staatsfunktionen. Zugleich eine Rekonstruktion der Legitimationsdogmatik, 2004, S.  160 ff.; S. Köller, Funktionale Selbstverwaltung und ihre demokratische Legitima­ tion. Eine Untersuchung am Beispiel der Wasserverbände Lippeverband und Emschergenos­ senschaft, 2009, S.  167 ff.; Schnapp (Fn.  196), Art.  20 Rn.  27; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (De­ mokratie), Rn.  113. – E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  14 spricht von einem „bestimm­ ten Gehalt an demokratischer Legitimation“. 211  Das Bundesverfassungsgericht greift in jüngster Zeit vermehrt die Terminologie eines erforderlichen „Zurechnungszusammenhanges“ auf: BVerfGE 130, 76 (123, Rn.  156); 135, 155 (221, Rn.  157); 136, 194 (261, Rn.  168). 212 Zu diesem Erfordernis siehe A. Rinken, KritV 79 (1996), S.  282 (298 ff.); Schnapp (Fn.  196), Art.  20 Rn.  23. – Siehe zum Begriff der Legitimationskette auch BVerfGE 47, 253 (275); 77, 1 (49); 83, 60 (73); 107, 59 (87); 119, 331 (366); E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  11 ff.; C. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, 2009, S.  314 ff.; A. Kley, VVDStRL 77 (2018), S.  125 (127 ff.). 213 Vgl. H. Schulze-Fielitz, Wirkung und Befolgung verfassungsgerichtlicher Entschei­ dungen, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG, 2001, Bd.  1, S.  385 (397); zu den Entwicklungslinien des organisatorisch-formalen Modells in der Rechtsprechung siehe Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  17, 28 ff., 98 ff. – Teils wird es auch als „monisti­ sches“, „klassisches“ oder „hierarchisches“ Modell bezeichnet, vgl. im Überblick Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  114. 214  BVerfGE 9, 268 (281 f.); 83, 60 (71 ff.); 93, 37 (66 ff.); 107, 59 (86 ff.). – Die Rechtspre­ chung macht sich das von Böckenförde (s. nächste Fn.) entwickelte Modell, das zum ersten Mal in BVerfGE 77, 1 (40 f.) sichtbar wird, regelrecht zu eigen, vgl. zu dieser Einschätzung

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vereinzelter Aufweichungstendenzen – als herrschende Meinung bezeichnet werden kann 215. Hervorgebracht hat diese Dogmatik drei unterschiedliche Legi­ timationsformen, die das Mindestniveau demokratischer Legitima­tion letztlich auch für Handlungen der Gerichtsverwaltung sicherstellen sollen. Es wird regel­ mäßig unterschieden zwischen der funktionelle-institutionellen (1), der personell-­ organisatorischen (2) sowie der sachlich-inhaltlichen Legitimation (3)216. (1) Funktionell-institutionelle Legitimation Die funktionell-institutionelle Legitimation 217 besteht aus zwei Spielarten: In funktioneller Hinsicht meint sie die in der Verfassung originär angelegte und sich unmittelbar aus dieser ergebende Konstituierung der drei Staatsgewalten und die der Legislative, Exekutive sowie Judikative zukommenden Funktionen. Überdies ist die institutionelle Legitimation auf die Errichtung bestimmter staatlicher Einrichtungen gerichtet, auf welche die Staatsgewalt schließlich übertragen wird 218. Verfassungsunmittelbare funktionelle und institutionelle Legitimation erlangen die so von der Verfassung geschaffenen und mit be­ stimmten Funktionen ausgestatteten staatlichen Institutionen, weil die Verfas­ sung ihrerseits auf das Volk als Verfassunggeber zurückgeht219. Als pouvoirs H. P. Bull, Hierarchie als Verfassungsgebot?, in: M. T. Greven/H. Münkler/R. Schmalz-­ Bruns (Hrsg.), FS Udo Bermbach, 1998, S.  241 (245 f.). 215  Von übergeordneter Bedeutung ist die von Böckenförde ausgearbeitete Demokratie­ dogmatik, die in die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung Einzug gehalten hat und als Entwicklungsstandard sowie Ausgangspunkt die verfassungsrechtliche Literatur prägt, vgl. E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  11 ff. Grundlage waren die Überlegungen von Herzog, Allgemeine Staatslehre, 1971, S.  208 ff. Eine komplexe Ausarbeitung dieser Dogma­ tik findet sich bei E. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S.  329 (355 ff.). Siehe dazu weiterhin Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  51 ff.; Schnapp (Fn.  196), Art.  20 Rn.  26 ff.; ­Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  52 ff.; Sachs (Fn.  196), Art.  20 Rn.  35 ff. 216  Grundlegend hierzu Emde, Legitimation (Fn.  191), S.  327 ff.; Dederer, Staatsgewalt (Fn.  210), S.  126 ff.; E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  14 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  114 ff.; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  17, 28 ff.; Schmidt-Aßmann, Ver­ waltungsrecht (Fn.  196), S.  88 ff.; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  109 ff.; Schreier, Legitimation (Einl., Fn.  18), S.  99 ff.; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  84 ff. 217  Aus der Rechtsprechung: BVerfGE 49, 89 (125); 68, 1 (87 f.). In der Literatur finden sich teilweise ablehnende Stimmen: Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn.  193), S.  279 („keine eigenständige Bedeutung“); V. Mehde, Neues Steuerungsmodell und Demokratieprinzip, 2000, S.  179 f., 503. 218  Vgl. zu diesen beiden Komponenten Schnapp (Fn.  196), Art.  20 Rn.  27. Siehe weiterhin H. H. v. Armin, AöR 113 (1988), S.  1 (6 ff.); E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  15; Classen, Legitimation (Einl., Fn.  78), S.  6; L. C. Faissner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  60. Zum Teil mit Kritik Schliesky, Souveränität (Fn.  198), S.  299 ff. 219  H. H. v. Armin, AöR 113 (1988), S.  1 (6).

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Zweiter Teil: Grundlagen

constitués sind alle Staatsorgane des gewaltenteilenden Verfassungsstaates durch den Akt der Verfassunggebung institutionell gleichermaßen legitimiert, wobei die Vermittlung der Legitimation unmittelbar auf dem pouvoir constituant, also der verfassunggebenden Gewalt des Volkes, beruht220. Die Autorisie­ rung der Staatsgewalten „ersetzt jedoch nicht die konkrete Legitimation der je­ weiligen Organwalter und ihres Handelns im zugewiesenen Funktionsbereich, die durch die organisatorisch-personelle und sachlich-inhaltliche demokratische Legitimation vermittelt wird“221. Die einzelnen Gewalten müssen auch in ihrer personellen Besetzung konkret und fortwährend legitimiert sein, damit ihre Tä­ tigkeit sich nicht zum Selbstläufer entwickelt222. Im Ergebnis wird daher häufig konstatiert, der funktionellen und institutionellen Legitimation komme keine eigene Bedeutung zu, da sie im Vergleich zur personell-organisatorischen sowie sachlich-inhaltlichen Legitimation auf einer anderen Stufe ansässig sei223. Un­ geachtet der (sicherlich berechtigten) Anerkennung als eigener Legitimations­ modus in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann alleine die abstrakte Feststellung, dass drei Staatsgewalten bestehen und wie diese ausge­ staltet sind, den ausreichenden und fortwährenden Verantwortungszusammen­ hang zum Volk letztlich nicht herstellen – hierfür ist zusätzlich eine persönliche und inhaltliche Zurechnung erforderlich 224. 220  Vgl. weiterhin Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften (Teil  1, Fn.  71), S.  198; Schliesky, Souveränität (Fn.  198), S.  299 f.; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  57; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  110. – Es soll mithin ein „Minimum demokratischer Legitimation“ für jede der drei Staatsgewalten garantiert werden, da die Gewalten jeweils für sich die demokratisch autorisierte Ausübung von Staatsgewalt beanspruchen, vgl. E.-W. ­Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  15; W. Heun, Die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, 2012, S.  42; Schreier, Legitimation (Einl., Fn.  18), S.  100; Sommermann (Teil  1, Fn.  80), Art.  20 Rn.  169. 221  E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  15. Siehe auch weiterhin Ossenbühl, Verwal­ tungsvorschriften (Teil  1, Fn.  71), S.  199; hierauf beziehen sich J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, 1986, S.  69; Schliesky, Souveränität (Fn.  198), S.  289; a. A. OVG Münster, NWVBl. 1996, 254 (256 ff.), nach dem eine intensive sachliche-­ inhaltliche Legitimation allein bereits ausreichen kann. 222  Vgl. instruktiv E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  15. Siehe auch Schliesky, Souve­ ränität (Fn.  198), S.  300. 223  Aus demokratietheoretischer Sicht Hofmann, Legitimität (Fn.  187), S.  53 f., 70, 83; sie­ he auch E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  15; W. Kahl, AöR 130 (2005), S.  225 (237); Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  59; Grzeszick (Fn.  185), Art.  20 II Rn.  124. – Ei­ nem „rein dualistische[n] Legitimationskonzept“ gegenüber verhalten A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (676). 224  Vgl. Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn.  193), S.  278 f.; Mehde, Steuerungsmodell (Fn.  217), S.  179 f., 500 ff.; E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  15; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  59; Köller, Selbstverwaltung (Fn.  210), S.  126 ff.; Sommermann (Teil  1, Fn.  80), Art.  20 Rn.  169.

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(2) Personell-organisatorische Legitimation Die personell-organisatorische Legitimation225 verlangt für den einzelnen Amts­ walter das Bestehen einer ununterbrochenen Legitimationskette, durch welche die Rückführbarkeit seines Amtes und allen Handelns auf das Volk als Legitima­ tionssubjekt gewährleistet ist226. Legitimiert ist insofern zunächst das vom Volk direkt gewählte Parlament. Eine Rückführbarkeit jeglichen staatlichen Handelns auf das Volk durch unmittelbare Volkswahl ist allerdings nicht zwingende Vor­ aussetzung. Ausreichend ist ein mittelbarer Zurechnungszusammenhang227. Dem Parlament kommt die Rolle des „Legitimationsspenders“ zu, von dem sich – in vermittelnden Vorgängen – schließlich sämtliche mit staat­lichen Aufgaben be­ traute Organe und Amtswalter ableiten lassen müssen228. Es gibt folglich auch Formen organisatorisch-personeller Legitimation, in denen das Parlament ledig­ lich als „Legitimationsmittler“ fungiert229. Stets ist eine individuelle Legitimation des einzelnen Handelnden erforderlich. Eine lediglich abstrakt-generelle Rege­ lung reicht nicht aus230. In organisatorischer Hinsicht muss „zu der individuellen Berufung der Person der organisatorische, sachlich-funktionsorientierte Aspekt in Form der Zuweisung eines bestimmten Funktionsbereichs“ hinzutreten231. 225 

Vgl. aus der Rechtsprechung BVerfGE 47, 253 (275 f.); 68, 1 (88); 77, 1 (40); 83, 60 (73); 107, 59 (87 f., Rn.  156 ff.); 130, 76 (124, Rn.  167); 136, 194 (262, Rn.  168). – Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts bedürfen alle Organe und Vertretungen, die mit der Aus­ übung staatlicher Gewalt betraut sind, einer personellen Legitimation, die sich auf das Staats­ volk zurückführen lässt. 226  Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn.  193), S.  267 ff.; Schliesky, Souveränität (Fn.  198), S.  290; E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  16; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  52 f.; Grzeszick (Fn.  185), Art.  20 II Rn.  121; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  111; Schreier, Legitimation (Einl., Fn.  18), S.  105 f.; L. C. Faissner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  61 ff.; A. Kley, VVDStRL 77 (2018), S.  125 (130 ff.) 227 Vgl. H. H. v. Armin, AöR 113 (1988), S.  1 (7); Schliesky, Souveränität (Fn.  198), S.  291; E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  16.; Grzeszick (Fn.  185), Art.  20 II Rn.  121; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  111. 228  Siehe hierzu H. H. v. Armin, AöR 113 (1988), S.  1 (7); B. Pieroth, EuGRZ 2006, S.  330 (333 f.); das Zitat stammt von Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  111. 229  Als wichtigstes Beispiel ist hier die Beamtenernennung durch den verantwortlichen (und demokratisch parlamentarisch legitimierten) Minister zu nennen, vgl. E.-W. Böcken­ förde, HStR³ II, §  24 Rn.  16. Siehe auch H. H. v. Armin, AöR 113 (1988), S.  1 (7). Schnapp (Fn.  196), Art.  20 Rn.  26 bezeichnet die hierarchisch organisierte Ministerialverwaltung gar als „Idealbild“ der personellen Legitimation. 230  Es ist insofern der Nachweis zu führen, dass eine bestimmte Person in ihrer bestimm­ ten Funktion in organisatorischer Hinsicht für ein bestimmtes Amt bestellt worden ist. So bereits Herzog, Staatslehre (Fn.  215), S.  210; siehe auch E. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S.  329 (361); Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn.  193), S.  269; Schliesky, Souveränität (Fn.  198), S.  291; E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  16; Grzeszick (Fn.  185), Art.  20 II Rn.  121. 231  Schliesky, Souveränität (Fn.  198), S.  291. Gleichsinnig Oebbecke, Räume (Fn.  221),

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Zweiter Teil: Grundlagen

Darüber hinaus muss die Vermittlungskette vom Volk zum jeweiligen Amts­ walter stets lückenlos sein. Die Legitimationskette ist dann als durchbrochen anzusehen, wenn über die Auswahl des Amtswalters nicht demokratisch legiti­ mierte Einheiten entscheiden, sondern ein nicht (hinreichend) legitimiertes Glied dazwischentritt. Es lässt sich konstatieren, dass die demokratische Digni­ tät mit der Länge der Legitimationskette in der Regel abnimmt232. Als einzelne Glieder im Rahmen der Legitimationskette sind die individuellen Einsetzungs­ akte anzusehen, durch die jeder Amtsträger jeweils mit staatlichen Aufgaben zu betrauen ist233. Hierbei treten teils immense praktische Schwierigkeiten auf. Ins­ besondere die demokratische Legitimation von Kollegialorganen bereitet Proble­ me, sofern diese (zumindest teilweise) mit Mitgliedern besetzt sind, die den An­ forderungen der personell-organisatorischen Legitimation nicht genügen 234 und somit als Vermittlungsglied in der Legitimationskette untauglich sind. (3) Sachlich-inhaltliche Legitimation Die sachlich-inhaltliche Legitimation 235 setzt die Notwendigkeit voraus, dass die Handlungen von Staatsorganen sich inhaltlich aus dem Willen des Volkes S.  84 m. w. N.; Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn.  193), S.  269; Mehde, Steuerungsmodell (Fn.  217), S.  180. 232 Vgl. Mehde, Steuerungsmodell (Fn.  217), S.  181; Schliesky, Souveränität (Fn.  198), S.  292; E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  16; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  53; Grzeszick (Fn.  185), Art.  20 II (57. EL 2010) Rn.  121; Sachs (Fn.  196), Art.  20 Rn.  38. 233 Siehe E. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S.  329 (361); S. Muckel, NZS 2002, S.  118 (119 f.). 234  Es gilt lt. BVerfGE 93, 37 (67 f.) das „Prinzip der doppelten Mehrheit“: „Sieht das Gesetz ein Gremium als Kreationsorgan vor, das nur teils aus personell legitimierten Amtsträgern zusammengesetzt ist, so erhält der zu Bestellende volle demokratische Legiti­ mation für sein Amt nur dadurch, dass [sic] die die Entscheidung mittragende Mehrheit sich ihrerseits aus einer Mehrheit unbeschränkt demokratisch legitimierter Mitglieder des Krea­ tionsorgans ergibt. Die Vermittlung personeller demokratischer Legitimation setzt weiterhin voraus, dass [sic] die personell demokratisch legitimierten Mitglieder eines solchen Krea­ tionsorgans bei ihrer Mitwirkung an der Bestellung eines Amtsträgers auch parlamentarisch verantwortlich handeln.“ Siehe zu dem Problem im ersten Zugriff E. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S.  329 (360 ff.); T. v. Roetteken, NVwZ 1996, S.  552 (553); A v. Mutius, Personal­ vertretungsrecht und Demokratieprinzip des Grundgesetzes, in: B. Ziemske u. a. (Hrsg.), FS Martin Kriele, 1997, S.  1119 ff.; Mehde, Steuerungsmodell (Fn.  217), S.  497 ff., 503 ff.; Ehlers, Staatsgewalt (Fn.  196), S.  139; Schliesky, Souveränität (Fn.  198), S.  292; W. Kahl, AöR 130 (2005), S.  225 (238); Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  79 ff.; B. Pieroth, EuGRZ 2006, S.  330 (334); Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  111. 235  Aus der Rechtsprechung hierzu BVerfGE 83, 60 (72); 93, 37 (67); 107, 59 (88, Rn.  157); 130, 76 (125 f., Rn.  171); 136, 194 (262, Rn.  168). – Teils auch materielle Legitimation ge­ nannt, so Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn.  193), S.  270 ff.

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung

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ab- bzw. herleiten lassen 236. Ein ausreichendes Legitimationsniveau ist dann si­ chergestellt, wenn das Volk auf den Inhalt der Ausübung der Staatsgewalt hin­ reichenden Einfluss nehmen kann 237. Eine solche sachlich-inhaltliche Rückbin­ dung wird auf zwei Arten gesichert238: Zum einen durch Gesetzesbindung und zum anderen durch demokratische Verantwortlichkeit der Amtsträger239. Kon­ kret bedeutet dies, dass dem Parlament exklusiv das Gesetzgebungsrecht zu­ kommt, durch das alle anderen staatlichen Organe im Sinne von Art.  20 Abs.  3 GG inhaltlich an die erlassenen Normen gebunden sind 240. Diese gesetzliche Steuerung ist mit einer parlamentarischen Kontrolle durch die Regierung ver­ bunden. Sie geht mit der Herstellung von Legitimation durch sanktionierte Ver­ antwortlichkeit der entsprechenden staatlichen Organe bzw. deren Mitglieder einher241. Da, wo Einflussmöglichkeiten bestehen, muss es mithin auch stets Kontrollmöglichkeiten geben, die sich in Form von Verantwortlichkeiten äu­ ßern. So entsteht idealiter eine ununterbrochene Legitimationsfolge242: Sie be­ ginnt beim Volk als Legitimationssubjekt, das durch unmittelbare Wahl das Parlament legitimiert und so umgekehrt (durch die Unterworfenheit unter das Gesetz) auch eine Verantwortlichkeit generiert243.

236  Vertiefend hierzu E. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S.  329 (357 ff.); Jestaedt, De­ mokratieprinzip (Fn.  193), S.  334 ff.; E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  21; Schliesky, Souveränität (Fn.  198), S.  295 ff.; W. Kahl, AöR 130 (2005), S.  225 (242 ff.); Trute, Legitimati­ on (Fn.  198), Rn.  10 ff.; Köller, Selbstverwaltung (Fn.  210), S.  139 ff.; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  112; L. C. Faissner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  63 f. 237 Vgl. Grzeszick (Fn.  185), Art.  20 II Rn.  122. 238  Zum Folgenden vgl. Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn.  193), S.  272 f.; Mehde, Steue­ rungsmodell (Fn.  217), S.  184 ff.; E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  21; Trute, Legitima­ tion (Fn.  198), Rn.  10 f.; Grzeszick (Fn.  185), Art.  20 II Rn.  122. 239 So E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  21. 240  Im Rahmen der parlamentszentrierten Legitimation nimmt das Gesetz eine Schlüssel­ rolle ein, wobei sich auch das Haushaltsrecht als wichtiges Steuerungsmittel (vor allem in der Verwaltung) auszeichnet, vgl. E. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S.  329 (358); siehe auch Mehde, Steuerungsmodell (Fn.  217), S.  204 ff.; Schliesky, Souveränität (Fn.  198), S.  295; ­Trute, Legitimation (Fn.  198), Rn.  11; J. Schmidt, Die demokratische Legitimationsfunktion parlamentarischer Kontrolle, 2007, S.  63 ff. – zu den Grenzen des Gesetzes als Steuerungs­ medium ausführlich Dreier, Verwaltung (Teil  1, Fn.  72), S.  164 ff. 241 Vgl. E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  21; W. Kahl, AöR 130 (2005), S.  225 (242); Köller, Selbstverwaltung (Fn.  210), S.  140 ff.; Grzeszick (Fn.  185), Art.  20 II Rn.  122; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  112. 242  Vgl. zu der folgenden Beschreibung auch die Grafik J. Schmidt, Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle, 2007, S.  39. Siehe auch Oebbecke, Räume (Fn.  221), S.  84. 243 Vgl. M. Kriele, VVDStRL 29 (1971), S.  46 (64), der allerdings organisatorisch-perso­ nelle und sachlich-inhaltliche demokratische Legitimation hier nicht unterscheidet. – Der

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Das Parlament wiederum ist durch seine Gesetzgebungsbefugnisse (parla­ mentarische Lenkung) mit Einfluss- und Kontrollmechanismen ausgestattet, die gegenüber der Exekutive bestehen und umgekehrt für diese mit Verantwort­ lichkeiten dem Parlament gegenüber verbunden sind. Diese mittelbare parla­ mentarische Kontrolle der Exekutive, bei der es sich um ein legislatorisches Steuerungsinstrument handelt, wird in einem Zwischenschritt über die parla­ mentarische Verantwortlichkeit der Regierung vermittelt244. Die Regierung ist überdies ihrerseits (im Rahmen parlamentarischer Kontrolle) dem Parlament nicht nur für eigenes, sondern gleichermaßen für das Tun nachgeordneter Stel­ len verantwortlich, denen gegenüber ihre Einflussnahme und Kontrollbefugnis­ se zugeordnet sind. Für diese nachgeordneten Organe und Behörden äußern sich Kontrollmöglichkeiten in Aufsichts-, Weisungs- und externen Rechtssetzungs­ befugnissen; es handelt ich hierbei um exekutive Steuerungsinstrumente245. Das Verantwortungsniveau ist am Ende der Legitimationskette am größten, da letzt­ lich auf jeder jeweils nächsthöheren staatlichen Stufe die Verantwortungslast addiert wird. Hier sind ferner die Kontrollmöglichkeiten am ausgeprägtesten. Es wird mithin sichergestellt, dass jegliches staatliche Handeln „im Geist der Volksvertretung“ durchgeführt wird 246. (4) Kritik an dem hergebrachten Legitimationsmodell Die unterschiedlichen Komponenten des organisatorisch-formalen Legitimations­ modells stehen dabei keineswegs statisch nebeneinander. Vielmehr sind die perso­ nelle und die inhaltliche Komponente als Bausteine zu verstehen, die sich wechsel­ seitig ergänzen, kompensieren und sogar (bedingt) substituieren können247. periodisch wiederkehrende Wahlakt kann insofern als „Sanktion“ angesehen werden, vgl. E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  21. 244  Da die staatliche Verwaltung insgesamt hierarchisch aufgebaut ist, kann das Parla­ ment über die parlamentarische Kontrolle der Bundesregierung mittelbar auch auf die Exe­ kutive zugreifen und deren Spitze mittelbar kontrollieren, vgl. F. Brosius-Gersdorf, Deut­ sche Bundesbank und Demokratieprinzip. Eine verfassungsrechtliche Studie zur Bundes­ bankautonomie vor und nach der dritten Stufe der europäischen Währungsunion, 1997, S.  45; Badura, Staatsrecht (Teil  1, Fn.  8), S.  569 ff. – Zur Legitimationsfunktion parlamentarischer Kontrolle siehe J. Schmidt, Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle, 2007, S.  63 ff. 245  Gleichsam Brosius-Gersdorf, Demokratieprinzip (Fn.  244), S.  45 ff.; Grzeszick (Fn.  185), Art.  20 II (57. EL 2010) Rn.  122. Vgl weiterhin Mehde, Steuerungsmodell (Fn.  217), S.  188 ff.; knapp A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (678); W. Kahl, AöR 130 (2005), S.  225 (242); Trute, Legitimation (Fn.  198), Rn.  13; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  112. 246 So L. v. Stein, Die Verwaltungslehre, Teil  I, 1. Halbbd., 2.  Aufl. 1869, S.  345 ff.; aufge­ griffen von E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  21. 247  S. Muckel, NZS 2002, S.  118 (119); W. Kahl, AöR 130 (2005), S.  225 (237); Dreier

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Im Idealfall kann der Zurechnungszusammenhang zum Volk durch alle drei Komponenten erreicht werden. Dies spricht gewiss für eine besonders starke Legitimationswirkung. Im Einzelfall kann es allerdings sogar zu einer totalen Ersetzung der Komponenten durch einen besonders stark verwirklichten Legi­ timationsmodus kommen 248. Über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der vollständigen Ersetzung einer der Legitimationsmodi herrscht gleichwohl Un­ einigkeit249. Mit Blick auf den Sinn und Zweck von Art.  20 Abs.  2 GG ist jedoch anzumerken, dass die vollständige Verwirklichung aller Legitimationskompo­ nenten nicht notwendig ist250, da der personelle und der sachliche Legitima­ tionsstrang gleichrangig nebeneinanderstehen und mit dem Willen des Volkes letztlich denselben verfassungsrechtlichen Ursprung haben 251. Eine Totalsubsti­ tution stellt indessen den Ausnahmefall dar. Da beide Formen das Ziel demokra­ tischer Legitimation verfolgen, stehen sie zwar gleichrangig nebeneinander, sind aber in der Regel miteinander verzahnt, sodass es im Ergebnis kaum zur vollständigen Ersetzung kommen wird 252. Schlussendlich kommt es darauf an, (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  113; Payandeh, Rechtserzeugung (Einl., Fn.  2), S.  227. – Trute, Legitimation (Fn.  198), Rn.  14 spricht hier plastisch von „der Saldierung der unter­ schiedlichen Legitimationsmodi“. 248 Vgl. W. Kahl, AöR 130 (2005), S.  225 (237); Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  114; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  113. 249  Das Bundesverfassungsgericht hat sich zu diesem Thema bisher nicht explizit und zweifelsfrei geäußert, allerdings lehnt die weitere Rechtsprechung eine sehr weitgehende oder vollständige Substitution überwiegend ab. Siehe BVerwG NVwZ 1999, S.  870 (873 ff.); ebenso Teile der Literatur, vgl. Böckenförde, Richterwahl (Einl., Fn.  7), S.  74; ders., HStR³ II, §  24 Rn.  23; Emde, Legitimation (Fn.  191), S.  46, 329 ff.; Papenfuß, Grenzen (Fn.  207), S.  161 f.; F. Ossenbühl, ZGR 3 (1996), S.  504 (509); Sommermann (Teil  1, Fn.  80), Art.  20 Rn.  170. – Siehe allgemein zur Kompensation E. Klein, DVBl. 1981, S.  661 ff. 250  Der „Rekurs auf Art.  20 Abs.  2 GG führt zu dem Ergebnis, dass zwischen personeller und materieller Legitimationskette auch eine vollständige Substitution bzw. Kompensation grundsätzlich zulässig sein kann“. So die weitgehende Ansicht von Grzeszick (Fn.  185), Art.  20 II (57. EL 2010) Rn.  130. Siehe auch Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  114. 251  Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn.  193), S.  281 f.; Brosius-Gersdorf, Demokratieprin­ zip (Fn.  244), S.  66 ff.; Mehde, Steuerungsmodell (Fn.  217), S.  197 ff.; E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  23; Grzeszick (Fn.  185), Art.  20 II (57. EL 2010) Rn.  130. 252  So die nahezu einhellige Meinung zur grundsätzlichen Notwendigkeit einer Wechsel­ bezüglichkeit von organisatorisch-personeller und sachlich-inhaltlicher demokratischer Le­ gitimation, vgl. E. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S.  329 (367 f.); Emde, Legitimation (Fn.  191), S.  385 („Bausteine, die in ihrer Zusammensetzung variiert werden können“); inst­ ruktiv Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn.  193), S.  281 ff.; A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002 S.  673 (675); E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  23; Trute, Legitimation (Fn.  198), Rn.  14; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  58; Schnapp (Fn.  196), Art.  20 Rn.  27; Sachs (Fn.  196), Art.  20 Rn.  35; Sommermann (Teil  1, Fn.  80), Art.  20 Rn.  170. – A. A. W. Kluth, Funktionale Selbstverwaltung. Verfassungsrechtlicher Status – verfassungsrechtlicher Schutz, 1997, S.  358 f. („gestuftes Verhältnis mit Vorrang der personellen vor der sachlichen

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dass insgesamt ein bestimmtes Legitimationsniveau sichergestellt ist253. Das Bundesverfassungsgericht drückt dies unverkennbar aus, indem es wiederholt feststellt: „Aus verfassungsrechtlicher Sicht entscheidend ist nicht die Form der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns, sondern deren Effektivi­ tät“254. Obwohl das Erfordernis eines bestimmten Legitimationsniveaus dynamisch ist und sich jeder statischen Deutung sperrt255, hat das Bundesverfassungsgericht das organisatorisch-formale Modell bisher starr gehandhabt. Dies musste schon deshalb zu Defiziten in der Übertragung auf sämtliches staatliche Handeln füh­ ren, da es erkennbar zunächst nur auf die Ministerialverwaltung zugeschnitten ist256. Die Kritik an der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung wurde unter anderem von Muckel zusammengefasst257. Die Kritik nahm dabei heftige und teils polemische Züge an. Beispielsweise war von „Legitimationskettenfeti­ schismus“258 oder „Ableitungspurismus“259 die Rede. Im Kern konzentrierte sich die Missbilligung der Kritiker auf die Beharrlichkeit des Bundesverfassungs­ gerichts, welches mit „einprägsamen Formeln“260 das Demokratieprinzip in ei­ Legitimation“); überzeugend gegen ein solches Über-Unterordnungsverhältnis Brosius-­ Gersdorf, Demokratieprinzip (Fn.  244), S.  67 ff. 253  Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass die Ausgestaltung des Legitimationsniveaus bei den verschiedenen Erscheinungsformen von Staatsgewalt sehr va­ riabel ist und daher allgemeingültige und verbindliche Aussagen schwierig sind, vgl. hier nur BVerfGE 83, 60 (72) sowie aus der Literatur Schliesky, Souveränität (Fn.  198), S.  306; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  113; Schreier, Legitimation (Einl., Fn.  18), S.  106 ff. 254  BVerfGE 83, 60 (72); 93, 37 (67); aufgegriffen und bestätigt weiterhin in E 107, 59 (87, Rn.  156); 119, 331 (366, Rn.  158); 130, 76 (124, Rn.  167); 135, 155 (221, Rn.  157). 255  Allein aufgrund des kompensatorischen Zusammenhangs zwischen organisatorisch-­ personeller und sachlich-inhaltlicher Legitimation kann das zu erreichende Legitimations­ niveau keine statische Größe sein; hinzukommt, dass Bedeutung und Reichweite sowie An­ zahl der vermittelnden Glieder im Rahmen einer Legitimationskette in jedem Fall differie­ ren. Vgl. so auch Sommermann (Teil  1, Fn.  80), Art.  20 Rn.  185 f. 256 Vgl. Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  56; Sommermann (Teil  1, Fn.  80), Art.  20 Rn.  193; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  114. 257  S. Muckel, NZS 2002, S.  118 (120 f.). Vgl. zu dieser grundsätzlichen Kritik auch B.-O. Bryde, StWStP 5 (1994), S.  305 (315 ff.); A. Fisahn, KritV 79 (1996), S.  267 ff.; A. Rinken, KritV 79 (1996), S.  282 (296 ff.); Bull, Hierarchie (Fn.  214), S.  241 ff.; T. Blanke, KritJ 31 (1998), S.  452 ff.; zusammenfassend Classen, Legitimation (Einl., Fn.  78), S.  24 ff.; moderat Schliesky, Souveränität (Fn.  198), S.  281 ff.; Trute, Legitimation (Fn.  198), Rn.  15; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  114. – Eine differenzierte Zusammenfassung von Stärken und Schwächen des Modells findet sich bei Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  74 ff. 258  B.-O. Bryde, in: StWStP 5 (1994), S.  305 (324). 259  T. Blanke, in: KritJ 31 (1998), S.  452 (468); anders hingegen Ehlers, Staatsgewalt (Fn.  196), S.  134 f. 260  T. Blanke, in: KritJ 31 (1998), S.  452 (455). Dies bettet in den Gesamtzusammenhang plausibel ein S. Muckel, NZS 2002, S.  118 (120).

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ner „weltfremden“261 Art und Weise unverändert beschwöre. Diese gleichartige Determination habe schließlich gar „fundamentalistische Züge“262 angenom­ men. Man muss dieser Kritik in der Gesamtschau sicherlich zugeben, dass das vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Legitimationsmodell in strikter Auslegung den Anforderungen des modernen Verfassungsstaates nicht mehr in allen Einzelheiten genügen kann 263. Nichtsdestotrotz ist eine möglichst strikte Bindung aller staatlichen Organe im Rahmen eines hierarchischen Staatsappara­ tes notwendiges Ziel einer Demokratie264. Insofern kommen zwar auch die kriti­ schen Stimmen überein, können allerdings insgesamt kein abschließend über­ zeugendes Gegenmodell präsentieren, um das Ziel demokratischer Legitimation anderweitig umzusetzen 265. Ob eine Neuinterpretation des Legitimationsmodells notwendig ist, bleibt trotz ambitionierter Versuche zweifelhaft. Wenngleich die oben genannte Kritik in einem wesentlichen Teil auf frag­ würdige Art und Weise postuliert worden ist, muss man ihr im Kern wenigstens in einem Punkt beipflichten: Die Legitimationskettendoktrin offenbart vor al­ lem bei autonomen und unabhängigen Formen von Staatsgewalt Schwächen 266. Das statische Denken in Legitimationsketten birgt ganz offensichtlich (und vor allem) bei langen Legitimationsketten die Gefahr der „Legitimationsverflüchti­ gung“267. Der in Deutschland herrschende Facettenreichtum staatlicher Akteure kann mit starren hierarchisch-bürokratischen Strukturen nicht mehr erfasst werden 268. Zumindest hilft insofern das Postulat des Bundesverfassungsge­ 261 So

T. Blanke, in: KritJ 31 (1998), S.  452 (467). T. Blanke, in: KritJ 31 (1998), S.  452 (452). 263  So auch das vorsichtige Fazit bei S. Muckel, NZS 2002, S.  118 (120). Beispielhaft kann hier das Ringen um die demokratische Legitimation des Selbstverwaltungskonzepts der Ex­ ekutive angeführt werden. 264  Ähnlich auch Dreier, Verwaltung (Teil  1, Fn.  72), S.  128; S. Muckel, NZS 2002, S.  118 (120). 265  Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  114. – Siehe zu Tschentschers alternativem Kontrollmodell Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  113 ff. 266 Vgl. Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  51. 267  Siehe hierzu M. Kleine-Cosack, Berufsständische Autonomie und Grundgesetz, 1986, S.  204 f.; Kluth, Selbstverwaltung (Fn.  252), S.  458; U. Volkmann, in: K.-H. Friauf/W. Höfling (Hrsg.), GG-Kommentar, Art.  20 (Demokratie, 2001), Rn.  47; S. Muckel, NZS 2002, S.  118 (120). – Vgl. aus der Rechtsprechung eingehend OVG Münster NWVBl. 1996, S.  254 (259): „Der Gedanke der ununterbrochenen Legitimationskette büßt jede Aussagekraft im Hinblick auf das Demokratiegebot ein, wenn der Legitimationsstrang des jeweiligen Amtswalters bzw. Organmitglieds vom Volk immer länger wird und je mehr der Legitimationsakt zeitlich zurückliegt. […] In derartigen Fällen kann sich die konkret personale Beziehung zum Volk in eine bloße Fiktion verflüchtigen, die eine reale Aussage über die demokratische Qualität amtlichen Handelns nicht mehr erlaubt.“ 268 Vgl. G. Haverkate, VVDStRL 46 (1988), S.  217 (219 ff.); S. Muckel, NZS 2002, S.  118 (120 f.). – Zu den Anforderungen des modernen Staates hat sich Dreier instruktiv geäußert 262 Abermals

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Zweiter Teil: Grundlagen

richts, es komme letztlich darauf an, ein gewisses Legitimationsniveau sicher­ zustellen, was zumindest eine „situationsangepasste Flexibilität der Legitima­ tionskonzeption verspricht“269. Um der Kritik in diesem Sinne entgegenzuwir­ ken, sollte generell erwogen werden, dem Demokratieprinzip durch mehr Offenheit und einen größeren gesetzgeberischen Gestaltungsfreiraum zu mehr Formbarkeit und Anpassbarkeit zu verhelfen 270. Dies kann zum einen bereits durch das wechselseitige Ergänzungs- und Kompensationsverhältnis im Rah­ men des organisatorisch-formalen Modells erreicht werden. Weiterhin erscheint die generelle Erweiterungsmöglichkeit der beschriebenen Legitimationskompo­ nenten durch andere, externe Faktoren zielführend 271. Hier kommen beispiels­ weise Wirtschaftlichkeit, Effizienz, Flexibilität und Akzeptanz in Betracht272. Es handelt sich bei diesem Konzept um den Ausdruck des Grundsatzes der Ent­ scheidungsrationalität, der in seinen Grundzügen als Legitimationsmechanis­ mus herangezogen werden kann, um – ähnlich der Sicherstellung eines be­ stimmten Legitimationsniveaus – die Demokratiemodi zu ergänzen 273. Ex ante274 soll eine wünschenswerte, optimale Entscheidungsqualität sichergestellt werden 275. Die Qualität von demokratischer Legitimation bemisst sich insofern nach ihrem Output. Die Entscheidungsrationalität basiert auf der Idee von der Entscheidungsrichtigkeit und meint im ersten Zugriff eine zweckorientierte und das Hierarchieprinzip insgesamt in seiner strengen Form als „zu starr, zu schematisch, zu monokausal, zu undifferenziert, kurz: zu sehr an dem mechanistischen Maschinenmodell des Absolutismus verhaftet“ bezeichnet, siehe Dreier, Verwaltung (Teil  1, Fn.  72), S.  159. 269  Schliesky, Souveränität (Fn.  198), S.  306. Siehe auch Mehde, Steuerungsmodell (Fn.  217), S.  515. 270  Trute, Legitimation (Fn.  198), Rn.  56 f., 60 ff.; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  114. 271 Vgl. Volkmann (Fn.  267), Art.  20 (Demokratie), Rn.  47; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (De­ mokratie), Rn.  114; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  86 ff. 272 So H. Schulze-Fielitz, Rationalität als rechtsstaatliches Prinzip für den Organisations­ gesetzgeber. Über Leistungsfähigkeit und Leistungsgrenzen „weicher“ Leitbegriffe in der Rechtsdogmatik, in: P. Kirchhof u. a. (Hrsg.), FS Klaus Vogel, 2000, S.  311 (314 f.); vgl. auch W. Hoffmann-Riem, Mehr Selbständigkeit für die Dritte Gewalt?, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des 64. Deutschen Juristentages Berlin 2002, Bd.  II/1, 2002, S. Q 11 (Q 16); Dederer, Staatsgewalt (Fn.  210), S.  251 ff.; Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrecht (Fn.  196), S.  101 ff.; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  114. 273  Zugrunde liegt diesem Konzept die Erkenntnis, dass die „demokratische Legitimation nicht allein durch eine formale Verknüpfung mit einem Parlamentsakt zu sichern“ sei, vgl. Hoffmann-Riem, Selbständigkeit (Fn.  272), S. Q 16; ähnlich auch schon Dreier, Verwaltung (Teil  1, Fn.  72), S.  277. 274  Peters, Elemente (Fn.  198), S.  517 ff., 567 ff.; Trute, Legitimation (Fn.  198), Rn.  53; N. Petersen, JöR n. F. 58 (2010), S.  137 (148 f.). 275 Vgl. Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  115 ff., der allerdings Kritik an die­ sem funktionalen Ansatz übt.

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Entscheidung276. Sie kann zwar nie alleinige Grundlage demokratischer Legiti­ mation werden 277, wohl aber denen der Volkssouveränität zugrundeliegenden Ambitionen, die Staatsgewalt agiere stets auch für das Volk 278, zu ausreichender und effizienter Geltung verhelfen. Auf dieser Grundlage entwickelte Tschentscher sein Kontrollmodell demo­ kratischer Legitimation 279, welches die potenzielle Inhaltskontrolle über staat­ liche Akteure als primäres Kriterium demokratischer Legitimation ausweist280 und somit in personell-organisatorischer Hinsicht zu einer Flexibilisierung im Sinne einer potenziellen legitimatorischen Entkoppelung führen kann 281. Im Er­ gebnis wird so eine Lossagung von dem durch das Bundesverfassungsgericht scheinbar auferlegten Zwang erreicht, sich stets von Glied zu Glied an der Legi­ timationskette entlang zu hangeln. Praktisch handelt es sich weniger um ein „neues“ Modell, sondern vielmehr um die konsequente Umsetzung einer demo­ kratiedogmatischen Flexibilisierung des organisatorisch-formalen Modells in der Hinsicht, dass nicht jede Legitimationskomponente strikt für unverzichtbar gehalten wird. So rückt in Zweifelsfällen die sachlich-inhaltliche Legitimation akut in den Vordergrund um ein hinreichendes Legitimationsniveau zu gewähr­ leisten 282. Ausgangspunkt hierfür ist oft die Absicht, Input- und Output-Demo­ kratie zu kombinieren oder zu vereinen 283. Es handelt sich hierbei um die Über­ 276 

Siehe eingehend Schulze-Fielitz, Rationalität (Fn.  272), S.  320 f. dazu F. Wittreck, ZG 26 (2011), S.  209 (218); ähnlich auch Jestaedt, Radien (Rn.  203), S.  15 f. 278 Dieser Gedanke geht zurück auf Abraham Lincolns Formulierung, Demokratie sei nicht (nur) Herrschaft durch das Volk, sondern (auch) Herrschaft für das Volk (dazu luzide K. Jünemann, JZ 2013, S.  1128 ff.). Siehe hierzu Möllers, Gewaltengliederung (Teil  1, Fn.  41), S.  37 f.; C. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, 2009, S.  281. Siehe aus der Rechtsprechung nur BVerfGE 107, 59 (91). – Hier allerdings verengt sich die juristi­ sche Lesart zusehends zu sehr auf nicht-juristische Legitimationsbegriffe, derer es für die vorliegende Arbeit nicht zwangsläufig bedarf. 279  Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  113 ff. 280  Während hingegen nach dem organisatorisch-formalen Modell insgesamt die personelle Legitimation im Vordergrund stehe, siehe Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  125 ff.; hierauf nimmt auch L. C. Faissner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  291, 299 Bezug. 281  Es kommt letztlich zu einer Relativierung der organisatorisch-persönlichen Legitima­ tionskomponente, vgl. Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  131 f., 143. Siehe auch Emde, Legitimation (Fn.  191), S.  331 f. 282  Für Fälle etwaiger Mängel kann schließlich auch die institutionelle und funktionelle Legitimation ausgleichend wirken, siehe so Köller, Selbstverwaltung (Fn.  210), S.  128. – Die Ansicht Ossenbühls allerdings, der annimmt, die verfassungsunmittelbare institutionell-­ funktionelle demokratische Legitimation sei allein hinreichende Rechtfertigung für den auf den Willen des Volkes zurückgehenden Richterspruch, geht deutlich zu weit, vgl. weiterhin Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften (Teil  1, Fn.  71), S.  199. 283  Möllers, Gewaltengliederung (Teil  1, Fn.  41), S.  37 f.; Trute, Legitimation (Fn.  198), 277 Vgl.

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nahme nicht-juristischer Legitimationsbegriffe in der Rechtswissenschaft, die zum Teil für nicht unerhebliche Skepsis sorgt284, derer es praktisch im Zusam­ menhang mit den Anforderungen demokratischer Legitimation aber auch nicht bedarf. Effizienzgesichtspunkte sind in diesem Zusammenhang empirisch nur schwerlich messbar und können so den Anforderungen an Legitimation nicht zugrunde gelegt werden 285. Dies bedeutet indessen nicht, dass gewisse Effi­ zienzstandards strikt von Legitimationsvorstellungen zu trennen sind – im Ge­ genteil sind diese unmittelbar in den Legitimationsbegriff einzubeziehen 286 und beanspruchen insofern einen gewissen Optimierungswert der prinzipiell In­ put-orientierten Legitimation. Die jüngere Judikatur287 zeigt überdies ein erhöhtes Maß an Akzeptanz im Hinblick auf ein flexibleres Legitimationsmodell, was im Übrigen gegenüber ansonsten zum Teil vertretenen gänzlichen Verwerfungen des organisato­ risch-formalen Modells vorzugswürdig erscheint288. Die umfassende und größt­ mögliche demokratische Legitimation staatlichen Handelns ist das Ziel. Die Entscheidungsrationalität ist abstrakt betrachtet der richtungsweisende Kom­ pass, der „richtige Weg“ dabei indessen mehr ein Ideal als eine starre Vorgabe; die Legitimationsmodi des organisatorisch-formalen Modells sind das erforder­

Rn.  53; Unger, Verfassungsprinzip (Fn.  186), S.  278 ff.; S. Müller-Franken, AöR 134 (2009), S.  542 (552 ff.); Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  83; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  70 ff. Kritisch Schliesky, Souveränität (Fn.  198), S.  289; Möllers, Gewalten­ gliederung (Teil  1, Fn.  41), S.  38. 284  Siehe zur Abgrenzung von Input- und Output-Legitimation oben Kap.  2 C. I. 1. a). 285  G. Teubner, Recht als autopoietisches System, 1989, S.  21 ff.; O. Lepsius, Steuerungs­ diskussion, Systemtheorie und Parlamentarismuskritik, 1999, S.  42 ff.; Möllers, Gewalten­ gliederung (Teil  1, Fn.  41), S.  38. 286  Im Sinne von Folgebetrachtungen ist die Bewertung hoheitlichen Handelns auch be­ züglich Qualitätsanforderungen und Nützlichkeit für das Volk durchführbar und legitim, siehe hierzu Eidenmüller, Effizienz (Einl., Fn.  10), S.  393 ff.; M. Morlok, Vom Reiz und vom Nutzen, von den Schwierigkeiten und den Gefahren der Ökonomischen Theorie für das Öf­ fentliche Recht, in: C. Engel/ders. (Hrsg.), Öffentliches Recht als Gegenstand ökonomischer Forschung, 1998, S.  1 (1 ff.); Möllers, Gewaltengliederung (Teil  1, Fn.  41), S.  38 f. 287  BVerfGE 107, 59; 135, 155 (223, Rn.  158); 136, 194 (261 ff., Rn.  167 ff.). – Zustimmend Trute, Legitimation (Fn.  198), Rn.  16 („zukunftsoffen und dynamisch“); eine umfangreiche Analyse findet sich bei Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  28 ff. 288  So auch das Fazit von Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  115 sowie Möllers, Gewaltengliederung (Teil  1, Fn.  41), S.  37 ff. – Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  131 ff. fasst im Ergebnis die verschiedenen Legitimationsmechanismen der Input- sowie Output-Legitimation zu einem eigenen Legitimationsmodell zusammen, wobei es sich auch hier wiederum eher um eine Ergänzung durch eine technische Komponente des organisato­ risch-formalen Modells nach dem Vorbild Italiens, denn um eine völlige Neuentwicklung eines Legitimationsmodells handelt.

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liche Rüstzeug, mit dem sich, je nach den gegebenen, und veränderbaren Bedin­ gungen, die Reise bestreiten lässt, wenn man sie anpasst und flexibilisiert289. bb) Demokratische Legitimation der dritten Gewalt Wenngleich das Bundesverfassungsgericht seine Überlegungen augenschein­ lich vornehmlich auf die Legitimation der Exekutive stützt290, erweist sich auch die Legitimation der Judikative als nicht unproblematisch 291. Nichtsdestotrotz soll hier mit dem klassischen organisatorisch-formalen Modell gearbeitet wer­ den, welches sich nach der hier vertretenen Ansicht unter gewissen flexiblen Modifikationen als durchaus handhabbar erweisen wird 292. Die demokratische Legitimation der dritten Gewalt bzw. jedes einzelnen Richters richtet sich nach den dargestellten Legitimationsmodi293. Es ist unter das funktionell-institutio­ nelle (1), das personell-organisatorische (2) sowie das sachlich-inhaltliche Mo­ dell (3) zu subsumieren. (1) Funktionell-institutionelle Legitimation Die Verfassung konstituiert die Rechtsprechung in Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG aus­ drücklich als eigenständige und auf das Volk zurückzuführende Staatsgewalt. Sie ist gem. Art.  92 GG ausschließlich den Richtern anvertraut294. Die Staats­ 289 

Dies ist zu erreichen durch die Berücksichtigung weiterer „weicher“ Legitimationsme­ chanismen, die in Zweifelsfällen die „alten“ Legitimationsmodi ergänzen, vgl. Schulze-Fielitz, Rationalität (Fn.  272), S.  312 ff.; A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (679 f.); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  125 ff.; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  114. 290 Die ausgiebige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist insofern ausrei­ chendes Indiz, beispielhaft können hier BVerfGE 107, 59 (92, 99) sowie E 111, 191 (216) an­ geführt werden. Siehe auch K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen im parlamentarischen Regierungssystem, 1994, S.  38; Classen, Legitimation (Einl., Fn.  78), S.  9, 19. 291 Vgl. Classen, Legitimation (Einl., Fn.  78), S.  19 f.; K. Rennert, JZ 2015, S.  529 (530) spricht gar von einem „Skandalon der richterlichen Unabhängigkeit“. 292  Vgl. aus der Literatur zur demokratischen Legitimation der Rechtsprechung Böckenförde, Richterwahl (Einl., Fn.  7), S.  71 ff.; Roellecke, Legitimation (Fn.  189), S.  553 ff.; P. Gros­si, JöR n. F. 50 (2002), S.  361 (365 ff.); A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 ff.; U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (327 ff.); C. D. Classen, JZ 2003, S.  693 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  114 ff.; Baltes, Legitimation (Fn.  198), S.  94 ff.; K. Rennert, JZ 2015, S.  529 ff.; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  139; v. Bernstorff, Gerichtsver­ waltung (Einl., Fn.  17), S.  86 ff.– Vgl. auch die Gegenentwürfe von Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  189 ff., 336 ff. sowie Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  131 ff. 293  Statt vieler anschaulich unter der Überschrift „Grundbausteine der demokratischen Legitimation des Richters“ A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (676 f.) sowie mit Modifi­ kationen Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  144 ff. 294  Zur Letztentscheidungskompetenz der Judikative Classen, Legitimation (Einl.,

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Zweiter Teil: Grundlagen

funktion der dritten Gewalt sowie ferner die Wahrnehmung der Rechtsprechung durch Richter sind aufgrund von Art.  20 Abs.  2, 92 GG grundsätzlich funktio­ nell-institutionell legitimiert295. Durch Tendenzen autonomer Verselbständi­ gung ist es allerdings möglich, dass der einzelne Richterspruch ggf. kein aus­ reichendes Legitimationsniveau mehr für sich beanspruchen kann 296. Allein die Tatsache, dass Art.  20 Abs.  2 GG die Rechtsprechung als dritte Gewalt im orga­ nisatorischen Sinne vorsieht, führt allerdings nicht gleichzeitig zur Legitima­ tion des einzelnen Richterspruchs297. Folglich kann die funktionelle und institu­ tionelle Legitimation für sich genommen nie ausreichen. Hinzutreten muss viel­ mehr die personell-organisatorische sowie die sachlich-inhaltliche Legitimation in Korrelation, auf die ergänzend die funktionell-institutionelle Legitimation einwirken kann 298. (2) Personell-organisatorische Legitimation Die personelle Legitimation kommt im Akt der Ernennung zum Richter sowie der Zuweisung des Richteramtes zum Ausdruck 299. Bedenken ergeben sich ins­ besondere im Hinblick auf die Vielfalt der Bestellungsverfahren der Richter in Bund und Ländern300, deren personelle Legitimation aufgrund des Erfordernis­ ses einer ununterbrochenen Legitimationskette zum Teil angezweifelt wird 301. Fn.  78), S.  20; ders. (Teil  1, Fn.  10), Art.  92 Rn.  11. Vgl. auch A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (676). 295 Siehe A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (676); E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  15; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  186, 263 f.; Fuchs, Verfassungsmäßig­ keit (Einl., Fn.  7), S.  114 f.; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  139. 296  Zu der Möglichkeit des „Verlustes“ eines notwendigen fortwährenden Legitimations­ zusammenhangs zum Volk A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (676). 297  Die sich allein aus der Verfassung ergebende Legitimation der rechtsprechenden Ge­ walt an sich ersetzt weder die personelle Legitimation der Richter an sich noch die inhaltliche Legitimation ihrer Tätigkeit, siehe Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  186; Grzeszick (Fn.  185), Art.  20 II (57. EL 2010) Rn.  244; Sommermann (Teil  1, Fn.  80), Art.  20 Rn.  169. 298  Andernfalls bestünde wohl die Gefahr, dass die einmal gebildete Staatsgewalt selbst­ läufig und vom Volk unabhängig wird und sich so der Legitimationszusammenhang zum Volk verflüchtigt, vgl. A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (676); E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  15; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  186; Sommermann (Teil  1, Fn.  80), Art.  20 Rn.  169. 299 Vgl. A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (676 ff.); Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  169; Grzeszick (Fn.  185), Art.  20 II (57. EL 2010) Rn.  235 ff.; Sommermann (Teil  1, Fn.  80), Art.  20 Rn.  169. 300  Vgl. im Überblick E. Teubner, Die Bestellung zum Berufsrichter in Bund und Län­ dern, 1984, S.  5 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  307 ff., 395 ff., 413 ff.; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  300 ff., 322 ff., 340 ff. 301  A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (676 f.); Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  139.

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Es können in diesem Zusammenhang verschiedene Problemschwerpunkte aus­ gemacht werden, die es im Folgenden zu diskutieren gilt. Zunächst ist die Gestaltungsfreiheit der Bundesländer im Hinblick auf die Verfahren zur Richterbestellung durch Art.  98 Abs.  4 GG reguliert (a). Aus Art.  98 Abs.  4 GG ergibt sich weiterhin, dass zumindest unter anderem eine Richterbestellung durch Mitwirkung von Richterwahlausschüssen bestimmt werden kann. Allerdings ergeben sich bereits im Hinblick auf die Besetzung der Gremien Schwierigkeiten für die organisatorisch-personelle Legitimation der ausgewählten Richter (b). Das gemeinhin anerkannte Kooptationsverbot für Richter steht hiermit in einem engen Zusammenhang (c). Schließlich muss wei­ terhin Art.  97 Abs.  2 GG problematisiert werden (d). (a) Die Gestaltungsfreiheit der Bundesländer gem. Art.  98 Abs.  4 GG Art.  98 Abs.  4 GG besagt, dass die Länder bestimmen können, ob über die An­ stellung der Richter in den Ländern der Landesjustizminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuss entscheidet302. Es stellt sich grundlegend die Fra­ ge, ob daher der Landesjustizminister an der Richterbestellung zwingend zu beteiligen ist. Dass die Länder bei der Auswahl der Richter zu den Landesge­ richten im Hinblick auf das „Wie“ beschränkt sind und somit der Landesjustiz­ minister entweder nur alleine oder gemeinsam mit einem Richterwahlausschuss Entscheidungsträger sein kann, ist ganz überwiegender Konsens303. Aus Art.  98 Abs.  4 GG selbst ergebe sich eine entsprechende Festlegung des Modells auf ein „Kondomium von Richterwahlausschuss [sic] und Landesjustizminister gemäß dem Prinzip der Übereinstimmung“304. Unter der „gemeinsamen Entscheidung“ ist insofern eine maximal paritätische Mitentscheidungsgewalt des Richter­ 302  Folgende Bundesländer haben von dieser Befugnis Gebraucht gemacht und Richter­ wahlausschüsse eingerichtet: Baden-Württemberg (§§  46–61 B-WRiStaG), Berlin (§§  11–25 BerlRiG), Brandenburg (Art.  109 Abs.  1 BbgVerf. i. V. m. §§  11–25 BbgRiG), Bremen (Art.  136 Abs.  1 BremVerf. i. V. m. §§  7–17 BremRiG), Hamburg (Art.  63 Abs.  1 HambVerf. i. V. m. §§  14–27a HambRiG), Hessen (Art.  127 Abs.  3 HessVerf. i. V. m. §§  8 –24 HessRiG), Rheinland-Pfalz (§§  14–24 R-PRiG), Schleswig-Holstein (Art.  50 Abs.  2 Schl.-HVerf. i. V. m. §§  10–28 Schl.-HRiG), Thüringen (Art.  89 Abs.  2 ThürVerf. i. V. m. §§  13–38 ThürRiG). – Siehe zur Bedeutung der Norm bereits R. Enzian, DRiZ 1974, S.  118 (118 ff.). 303 Vgl. H. E. Rotberg, Zu einem Richtergesetz, 1950, S.  32; O. Uhlitz, DRiZ 1970, S.  219 (220); Stern, Staatsrecht II (Teil  1, Fn.  11), S.  504 f.; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  175 (allerdings latent kritisch, siehe S.  177); C. Hillgruber, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art.  98 (2010), Rn.  55; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  117 ff. – A. A. bei Teubner, Berufsrichter (Fn.  300), S.  50 f. sowie C. D. Classen, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG (Teil  1, Fn.  10), Art.  98 Rn.  11. 304  Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  175. So auch Hillgruber (Fn.  303), Art.  98 Rn.  56; S. Detterbeck, in: Sachs, GG (Einl., Fn.  6), Art.  98 Rn.  23; A. Heusch, in: Schmidt-­

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wahlausschusses (neben dem Minister) zu verstehen, sodass dem Wahlgremium praktisch keine Allein- oder Letztentscheidungsbefugnis eingeräumt werden darf305. Als Konsequenz folgt daraus, dass die Landesrichter im Regelfall durch den Minister ernannt werden müssen, die Wahl durch Richterwahlausschüsse allerdings ebenfalls zulässig ist, während eine andere Form der Bestellung aus­ geschlossen ist306. Unter dem in Art.  98 Abs.  4 GG bezeichneten „Landesjustizminister“ ist nach einhelliger Auffassung die oberste Landesbehörde zu verstehen, die für den jeweiligen Gerichtszweig bzw. die entsprechende Gerichtsbarkeit nach ent­ sprechendem Landesrecht zuständig ist307. Damit hat die Bezeichnung des Jus­ tizministers funktionalen und nicht etwa organisatorischen Charakter308. (b) Probleme bei der Besetzung von Richterwahlausschüssen Im Wesentlichen gibt es drei Grundmodelle zur Richterbestellung, die durchaus variabel sind und teilweise durch Vorschlags-, Beratungs- und sonstige Beteili­ gungsrechte gewissen Veränderungen unterliegen309: Neben der reinen Exeku­ tivernennung durch den zuständigen Minister bzw. eine ihm nachgeordnete Stel­ le310 existiert weiterhin die Bestellung durch Parlamentswahl bzw. einen Parla­ Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG (Teil  1, Fn.  11), Art.  98 Rn.  9; L. C. Faissner, Gerichtsver­ waltung (Einl., Fn.  17), S.  302 ff. 305 Siehe R. Enzian, DRiZ 1974, S.  118 (119); H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2590); Hillgruber (Fn.  303), Art.  98 (57. EL 2010) Rn.  56; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  117; Detterbeck (Fn.  304), Art.  98 Rn.  23; Heusch (Fn.  304), Art.  98 Rn.  9. 306  Grundgesetzwidrig ist bspw. eine Richterwahl durch das Landesparlament, vgl. Hillgruber (Fn.  303), Art.  98 (57. EL 2010) Rn.  56; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  118; Detterbeck (Fn.  304), Art.  98 Rn.  24. – Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  134 ff. stimmt diesem Ergebnis zwar insgesamt bei, dass der Sinn von Art.  98 Abs.  4 GG in seiner Funktion als Schutzvorschrift gegen Übergriffe durch das Bundesrecht liegt, postu­ liert aber eine umfassendere Gestaltungsfreiheit der Länder bei der Richterbestellung. 307 Vgl. D. Ehlers, Verfassungsrechtliche Fragen der Richterwahl, 1998, S.  51; Classen (Fn.  303), Art.  98 Rn.  11; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  117; Detterbeck (Fn.  304), Art.  98 Rn.  27 f.; H. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GGK III (Einl., Fn.  2), Art.  98 Rn.  44. – Kritisch Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  177. 308 Siehe Classen (Fn.  303), Art.  98 Rn.  11; Hillgruber (Fn.  303), Art.  98 (57. EL 2010) Rn.  55; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  117; Detterbeck (Fn.  304), Art.  98 Rn.  27; Schulze-Fielitz (Fn.  307), Art.  98 Rn.  44. 309  Siehe im Überblick A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (676); Tschentscher, Legi­ timation (Teil  1, Fn.  1), S.  269 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  126. 310  „Die Legitimationskette wird hier von der Wahl des Parlaments über die Wahl des Ministerpräsidenten und die Ernennung des Ministers hin zum einzelnen Richter geknüpft“, C. Sennekamp, NVwZ 2010, S.  213 (214 f.). Siehe auch R. Scholz, Die Wahl der Bundesrichter, in: E. Schmidt-Aßmann u. a. (Hrsg.), Festgabe 50 Jahre BVerwG, 2003, S.  151 (151).

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mentswahlausschuss (Art.  94 Abs.  1 S.  2 GG, §§  6 ff. BVerfGG für die Wahl der Richter am Bundesverfassungsgericht) sowie die kontroverse Wahl durch einen Richterwahlausschuss311, der sich aus verschiedenen Vertretern aller Gewalten zusammensetzen kann312. Als verfassungsrechtlich prekär erweist sich insofern die Zusammensetzung der Richterwahlausschüsse in ihrer Funktion als ent­ scheidungsbefugte Kollegialorgane auf Landesebene313, da für das „Ausgehen der Staatsgewalt vom Volk“ i. S. v. Art.  20 Abs.  2 S.  1 GG entscheidend ist, „dass die Kette individueller Berufungen nicht durch das Dazwischentreten eines un­ berufenen Organs unterbrochen wird“314. Um den auszuwählenden Landesrich­ tern im Ergebnis eine hinreichende organisatorisch-personelle Legitimation zu vermitteln, muss auch das Auswahlgremium selbst legitimiert sein315. Problema­ tisch ist insofern, dass einem Richterwahlausschuss theoretisch auch Mitglieder angehören können, die ihrerseits nicht individuell demokratisch legitimiert sind 316. Teilweise wird zwar mit Verweis auf die Entstehungsgeschichte des Art.  98 Abs.  4 GG vertreten, es dürften lediglich Mitglieder der Landesparla­ mente als Mitglieder der Richterwahlausschüsse fungieren317. Nach ganz über­ wiegender Auffassung steht die Besetzung der Richterwahlausschüsse allerdings den Ländern anheim, da die Vorschrift konkretere Vorgaben vermissen lässt318. Fraglich ist, ob die von einem solchen Gremium getroffenen Personalentschei­ dungen demokratische Legitimation vermitteln, ohne dass in jedem Fall alle an den Entscheidungen Beteiligte demokratisch legitimiert sind 319. 311 

Siehe zu Details der Richterauswahl in Deutschland Kap.  4 A. III. 3. a). A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (676); Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  246 ff. 313  F. Baur, DRiZ 1971, 401 (403 ff.); E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  17; instruktiv T. E. Dietrich, Richterwahlausschüsse und demokratische Legitimation, 2007; K. F. Gärditz, ZBR 2011, S.  109 ff.; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  139. 314 Siehe L. Lütgens, ZRP 2009, S.  82 (82). 315 Vgl. Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  121. 316  Dies ist etwa der Fall bei Gremienmitgliedern aus der Richter- oder Anwaltschaft und gilt namentlich für den Richterwahlausschuss in Baden-Württemberg, siehe hierzu Böckenförde, Richterwahl (Einl., Fn.  7), S.  82 f.; Teubner, Berufsrichter (Fn.  300), S.  76; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  400, 686; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  139. 317 So Hillgruber (Fn.  303), Art.  98 (57. EL 2010) Rn.  58 f. – Siehe allgemein zur Entste­ hungsgeschichte von Art.  98 Abs.  4 GG L. C. Faissner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  286 f. 318  Da es keine näheren Angaben zur Besetzung in Art.  98 Abs.  4 GG gibt, können mithin grundsätzlich auch Richter, Vertreter der Anwaltschaft sowie sonstige „Nichtparlamentari­ er“ als Gremienmitglieder fungieren, vgl. Ehlers, Richterwahl (Fn.  307), S.  51; Dietrich, Richterwahlausschüsse (Fn.  313), S.  85; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  121. 319  Vgl. zu dieser Fragestellung E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  17 sowie Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  121 ff. 312 Vgl.

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Eine Ansicht vertritt, dass alle an einer Entscheidung Beteiligten ihrerseits selbst individuell demokratisch legitimiert sein müssen320, was im Ergebnis bei solchen Richterwahlausschüssen, bei denen mindestens eines der Mitglieder (beispielsweise) von Richtern oder Richtervertretungen entsandt wird, dazu führt, dass ihnen die organisatorisch-personelle demokratische Legitimation gänzlich fehlt321. Vorzugswürdig erscheint es daher, zumindest ein Übergewicht demokratisch legitimierter Mitglieder in den Gremien zu verlangen322. So wird letztlich sichergestellt, dass zwar auch direkt demokratisch nicht legitimierte Mitglieder an einer Entscheidungsfindung mitwirken, im Endeffekt jedoch die demokratisch individuell legitimierten Mitglieder ihre Auffassung durchsetzen können323. Dies führt insgesamt zu einer demokratischen Legitimation des ­Gremiums selbst sowie der jeweilig getroffenen Entscheidung. Praktisch sinn­ voll ist dieser Ansatz deshalb, weil ein auf diese Weise einmal als personell-­ organisatorisch legitimiert angesehenes gemischtes Kollegialorgan auch in sei­ nen einzelnen Entscheidungen legitimiert ist, ohne dass es jeweils aufs Neue einer Berechnung der konkreten Einflussnahme einzelner Mitglieder bedarf324. Dies entspricht in den Grundzügen auch dem von der Rechtsprechung des Bun­ desverfassungsgerichts entwickelten Erfordernis einer „doppelten Mehrheit“325, 320  Siehe die Zusammenfassung bei E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  18; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  80 f.; weiterhin Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  122 f. – Diese Ansicht wird vertreten von G. Püttner, DVBl. 1984, S.  165 (167 f.); ders., DÖV 1988, S.  357 (359 f.); in etwas abgeschwächter Form siehe R. Herzog, in: T. Maunz/ G. Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art.  20 II (1980), Rn.  51 f. 321  Dies beträfe im Ergebnis die Richterwahlausschüsse folgender Bundesländer: Baden-­ Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Hol­ stein. Vgl. zur Vereinbarkeit der hamburgischen Regelung (§§  9 –11 RiG) mit dem Bundes­ recht BVerfGE 24, 268 (274); E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  18 mit Fn.  26. 322 Siehe zu dieser Ansicht, die maßgeblich von Böckenförde entwickelt worden ist, ­Böckenförde, Richterwahl (Einl., Fn.  7), S.  74 ff.; ders.; HStR³ II, §  24 Rn.  19. Vgl. weiterhin F. Baur, DRiZ 1971, 401 (403 f.); Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  81 ff.; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  123 f. 323  Die persönlich demokratisch legitimierten Mitglieder müssen positiv eine Entschei­ dung herbeiführen können (potentielle Gestaltungsfreiheit), ein Veto-Recht reicht hingegen nicht aus, vgl. K. Ipsen, DÖV 1971, S.  469 (474: „zumindest […] eine Sperrminorität“); Emde, Legitimation (Fn.  191), S.  329; E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  19; Tschentscher, Legi­ timation (Teil  1, Fn.  1), S.  81; weiterhin Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  123. 324 Siehe Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  82; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  123. – Aufgrund der Probleme, die sich ergeben, wenn sich die individuell demokratisch legitimierten Mitglieder des Gremiums selbst uneinig sind, wird zum Teil in der Literatur vertreten, die anderen Mitglieder lediglich anzuhören und beratend tätig wer­ den zu lassen, ihnen aber letztlich kein Stimmrecht zu übertragen, vgl. Jestaedt, Demokra­ tieprinzip (Fn.  193), S.  377. 325  BVerfGE 93, 37 (67 f.); ferner E 107, 59 (88); ähnlich bereits bei E.-W. Böckenförde,

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welches allerdings noch strengere Maßstäbe ansetzt. Danach besitzt ein Amts­ träger, der nur durch ein Gremium aus nur teilweise individuell legitimierten Mitgliedern gewählt wird, selbst uneingeschränkte „personelle Legitimation für sein Amt nur dadurch, dass [sic] die die Entscheidung tragende Mehrheit sich ihrerseits aus einer Mehrheit unbeschränkt demokratisch legitimierter Mit­ glieder des Kreationsorgans ergibt [… und die] Mitglieder eines solchen Krea­ tionsorgans bei ihrer Mitwirkung an der Bestellung eines Amtsträgers ihrerseits auch parlamentarisch verantwortlich handeln“326. Das „Prinzip der doppelten Mehrheit“ wird in der Literatur nachvollziehbarer Kritik unterzogen, die zum Teil methodischer Natur ist und bei der Entstehung des Prinzips ansetzt327. Allein methodische Bedenken allerdings können in ver­ fassungsrechtlicher Hinsicht nicht ausreichen, um das Theorem der „doppelten Mehrheit“ letztlich zu begraben. Vielmehr muss man sich grundlegend fragen, ob ein doppeltes Mehrheitserfordernis von Verfassung wegen geboten ist oder ob es nicht auf der anderen Seite ausreicht, dass in einem gemischten Kollegial­ organ die persönlich legitimierten Mitglieder die einfache Mehrheit gegenüber den lediglich autonom legitimierten Vertretern bilden328. Vergleichbar ist die Situation in personell gemischten Richterwahlgremien mit dem Prinzip der De­ legation von Kompetenzen. Wenn das Gremium selbst einmal demokratisch dadurch legitimiert ist, dass die (einfache) Mehrheit der Mitglieder aus persön­ lich uneingeschränkt legitimierten Vertretern besteht, kommt es im Ergebnis nicht mehr darauf an, ob zusätzlich jede einzelne Entscheidung mehrheitlich auch wiederum auf genau den Mitgliedern beruht, die individuell demokratisch legitimiert sind. Vielmehr ist die demokratische Legitimation der Einzelnen dem Gremium als Ganzem zuzuordnen. Der Richterwahlausschuss erlangt „al­ HStR³ II, §  24 Rn.  19 mit Fn.  28, bei dem das Theorem erstmals in einer Fußnote auftauchte und dann vom Bundesverfassungsgericht adaptiert wurde. 326  BVerfGE 93, 37 (67 f.). 327 Vgl. Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  121 f., der „mit dem faden Beigeschmack der Indienstnahme“ (Zitat S.  122) darauf hinweist, dass die Idee der „doppelten Mehrheit“ zunächst Erwähnung in einer Fußnote bei Böckenförde fand, der als Richter darüber hinaus bei der fraglichen Entscheidung mitwirkte (E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  19 mit Fn.  28; BVerfGE 93, 37 [67 f.]). Etabliert wurde das Konzept als „Prinzip“ schließlich als tragende Begründung in BVerfGE 107, 59 (88). 328  So wird in der Literatur kritisch angemerkt, aus Art.  20 Abs.  1 und 2 GG ergebe sich nicht, dass zusätzlich jede einzelne Entscheidung des Gremiums auch von der vollumfänglich demokratisch legitimierten Mehrheit zu treffen sei. Vgl. Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  121; siehe auch die Zusammenfassung bei Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  125 f. – Die Diskussion gewinnt vor allem im Rahmen der Bestrebungen nach mehr Selbst­ verwaltung der deutschen Justiz Bedeutung, da das Selbstverwaltungsmodell der NRV gera­ de keine institutionelle Sicherung des Prinzips der doppelten Mehrheit enthält, vgl. C. Sennekamp, NVwZ 2010, S.  213 (215).

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lein dadurch seine Legitimation […], unabhängig davon, ob der Vorschlag oder die für ihn entfallenden Stimmen von einem uneingeschränkt oder lediglich autonom legitimierten Mitglied stammen“329. Dies entspricht im Ergebnis dem Prinzip der Übertragung von Macht, durch das auf eine untergeordnete Ebene in Form eines staatlichen Akts nicht nur Befugnisse übertragen, sondern damit einhergehend auch demokratische Legitimation übermittelt und vermittelt wer­ den. Gleichermaßen vermittelt bereits die Mitwirkung, Beratung, Einflussnah­ me und sonstige Beteiligung der persönlich legitimierten Gremienmitglieder an der Entscheidungsfindung die demokratische Legitimation in personell-organi­ satorischer Hinsicht für das gesamte Kollegialorgan sowie dessen Entscheidun­ gen und den durch die Entscheidung gewählten Amtsträger in vollumfänglicher Weise. Die demokratische Legitimation der persönlich uneingeschränkt legitimierten Mitglieder entfaltet eine Art Ausstrahlungswirkung auf das gesamte Kollegial­ organ. Für diese Sichtweise spricht darüber hinaus der Einwand, es sei einhellig anerkannt, dass die Sachkunde der eingeschränkt (autonom) legitimierten Mit­ glieder als Kriterium für ihre Mitwirkung im Entscheidungsprozess aus­reiche und sich hieraus die Legitimität der getroffenen Entscheidung ohne Rückbezug auf das einzelne Stimmverhalten generiere330. Weiterhin kann die von Jestaedt angeführte und im eigentlichen Sinne nur bedingt brauchbare Ansicht, nicht in­ dividuell legitimierten Mitgliedern sei jegliches Mitentscheidungsrecht abzu­ sprechen, um ihnen lediglich beratende Einflussnahmemöglichkeiten zu belas­ sen331, umgedreht werden. Insofern treten nunmehr die individuell legitimierten Mitglieder in den Fokus. Nicht nur ihr Sachverstand allein, sondern auch jegliche Mitwirkung am Gremium alleine reicht bereits, um die eigene demokratische Legitimation auf die Gesamtheit der letztlich getroffenen Entscheidung zu über­ tragen. Anders gesprochen: Wenn Mitwirkungsrechte von nicht legitimierten Vertretern die demokratische Legitimation in negativer Hinsicht möglicherweise zu beeinflussen vermögen, dann muss arg. e. contrario der Einfluss individuell legitimierter Angehöriger eines Gremiums positiv die demokratische Legitima­ tion erhöhen. Aufgrund dessen geht auch der Einwand ins Leere, vor allem bei Richterwahlausschüssen sei aufgrund der legitimatorischen Nähe zum Volk und 329 

Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  124. Siehe zu dieser Kritik weiterhin K. Ipsen, DÖV 1971, S.  469 (474); U. Battis/J. Kersten, DÖV 1996, S.  584 (590 ff.); Tschentscher, Legi­ timation (Teil  1, Fn.  1), S.  40 ff., 80 ff.; im Überblick Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  150 ff. 330 Vgl. J.-F. Staats, DRiZ 2002, S.  338 (339); W. Hoffmann-Riem, DRiZ 2003, S.  284 (290); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  124; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  151. 331 Vgl. Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn.  193), S.  377.

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der schwindenden demokratischen Dignität das „Prinzip der doppelten Mehr­ heit“ aufrecht zu erhalten, um so die Legitimationskette bis hin zum eingesetz­ ten Richter zu optimieren, um vor allem auch die aus Demokratiegesichtspunk­ ten heikle Lebenszeiternennung auszugleichen332. Der Ansicht ist im Ergebnis zuzugeben, dass sich die demokratische Dignität eines Entscheidungsträgers unter anderem mit der Häufigkeit der Aktualisierung des Volkswillens auf dem Wege zur Bestellung des letztlich handelnden Amtswalters erhöht333. Auch der Optimierungsgedanke ist nicht völlig fernliegend. Allerdings verkennen die Ver­ treter dieser Ansicht, dass sich die durch das Demokratieprinzip verfassungs­ rechtlich geforderte Legitimation bereits in dem Gremium als solchem vollstän­ dig verwirklicht ist und dass ein gemischtes Gremium insofern einem solchen, das allein mit persönlich demokratisch legitimierten Mitgliedern besetzt ist, in nichts nachsteht. Die Tatsache, dass die Lebenszeiternennung die fortwährende und dauerhafte demokratische Legitimation einzelner Richter erschwert, ver­ mag durch ein Erfordernis „doppelter Mehrheit“ im Übrigen nicht ausgeräumt werden. Dieser Umstand muss als verfassungspolitische Bewertung der hohen Bedeutung der richterlichen Unabhängigkeit gewertet werden. Im Ergebnis ist somit auf die (einfache) Legitimation des Organs, mithin des Richterwahlaus­ schusses und seiner Entscheidungen abzustellen334. (c) Kooptationsverbot In engem Zusammenhang mit der problematischen Legitimation durch Richter­ wahlausschüsse steht das Verbot der Selbstergänzung der Gerichte durch rich­ terliche Wahl neuer Mitglieder (Kooptationsverbot)335. Die gebotene Aufrecht­ erhaltung der personellen Legitimationskette würde durch eine Richterbestel­ 332 Vgl. Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  126. – Siehe grundlegend zum dem sich aus Art.  33 Abs.  5 GG ergebenden Erfordernis der Lebenszeiternennung Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  161; C. Sennekamp, NVwZ 2010, S.  213 (214). 333  Vgl. weiterhin C. Sennekamp, NVwZ 2010, S.  213 (214). 334 So auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  124; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  151 f. 335  Zum Grundsatz des Kooptationsverbotes besteht Einigkeit in der Lehre: H.-P. Ipsen, Empfiehlt es sich, die vollständige Selbstverwaltung aller Gerichte im Rahmen des Grund­ gesetzes gesetzlich einzuführen?, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des 40. Deutschen Juristentages Hamburg 1953, Bd.  II, 1954, S. C 5 ff.; G. Reinschmidt, ZRP 1972, S.  160 (161); Böckenförde, Richterwahl (Einl., Fn.  7), S.  80 ff.; treffend auch E. G. Mahrenholz, DRiZ 1991, S.  432 (433): „Kooptation endet regel­ mäßig in Klüngelwirtschaft“; A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (677); H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2590); U. Berlit, DRiZ 2003, S.  292 (293); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  131 f.; B. Kramer, NJW 2009, S.  3079 (3082); C. Sennekamp, NVwZ 2010, S.  213 (214); v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  103. – Ausgehend vom so genann­

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lung durch andere Richter unterbrochen336. Die von richterlicher Seite zu vernehmende Forderung zur Verstärkung kooptiver Elemente im Rahmen der Richterbestellung, die durch eine Beteiligung von Richtern in Richterwahlaus­ schüssen sowie durch eine Stärkung der Funktion des Präsidialrats erreicht wer­ den solle337, muss daher kritisch beäugt werden338. Die demokratische Legitima­ tion der Judikative beschränkt sich für die Richter zunächst nur auf die eigent­ liche Rechtsprechung an sich und kann nicht auf die personelle Selbstergänzung übertragen werden339. Die Einführung kooptiver Elemente ist indessen nicht gemeinhin ausgeschlossen340, es muss allerdings differenziert werden: Richter, die für die Mitwirkung in Richterwahlausschüssen im Rahmen eines Judikativ­ aktes ausgewählt worden sind, unterliegen dem Kooptationsverbot und dürfen daher als berufsständische Vertreter weder die Mehrheit im Wahlgremium bil­ den noch über ein Vetorecht verfügen. Eine uneingeschränkte Mitwirkungs­ befugnis kommt hingegen solchen Richtern zu, die vom Parlament für die Mit­ wirkung in Wahlgremien gewählt worden sind. So ist die Legitimationskette nicht als unterbrochen anzusehen341. Es handelt sich in einem solchen Fall im eigentlichen Sinne dann nicht mehr um eine Selbstergänzung, da sich die Wah­ lentscheidung der parlamentarisch gesondert legitimierten Richter auf das Volk als Demokratieträger zurückführen lässt342. ten Kontrollmodell großzügiger Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  178 ff., 251 ff. Eine a. A. zumindest für Beförderungsentscheidungen vertritt T. Groß, ZRP 1999, S.  361 (363 f.). 336  R. Wassermann, in: E. Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, Art.  98 (2001), Rn.  34, der sich insbes. auf die Entsendung von Richtern in den Richterwahlausschuss bezieht; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  178 f.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  131. 337  Für eine Erweiterung der Wahlausschüsse durch eine von den Richtern selbst gewähl­ te „Richterbank“: G. Bertram, NJW 2001, S.  1838 (1839); G. W. Mackenroth, DRiZ 2001, S.  214; R. Voss, ZRP 2001, S.  183 (183 f.); J. Jahn, DRiZ 2001, S.  424. – Im Ergebnis stellt sich die Einhaltung des Kooptationsverbotes im Hinblick auf die richterlichen Mitwirkungsbe­ fugnisse in den Präsidialräten als weitaus problematischer dar als bei den Richterwahlaus­ schüssen, siehe hierzu eindringlich Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  180 f. 338  Ablehnend jeglicher Kooptation gegenüber: R. Wassermann, der politische Richter, 1972, S.  97; Böckenförde, Richterwahl (Einl., Fn.  7), S.  65, 80 ff.; Wassermann (Fn.  336), Art.  98 (2001), Rn.  34; A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002 S.  673 (677). 339 Vgl. A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (677); Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  252 f.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  148. 340 Vgl. Böckenförde, Richterwahl (Einl., Fn.  7), S.  102 ff., 115 ff.; Wassermann (Fn.  336), Art.  98 (2001), Rn.  34; A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (677); Minkner, Gerichtsver­ waltung (Einl., Fn.  7), S.  152 ff. 341 Vgl. Wassermann (Fn.  336), Art.  98 (2001), Rn.  34; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  180; Classen (Fn.  303), Art.  98 Rn.  15 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  148 f., 153. 342  Siehe BVerwGE 70, 270 (270 ff.). Siehe zur demokratischen Legitimation von Mitglie­ dern der Richterwahlausschüsse durch Parlamentswahl Böckenförde, Richterwahl (Einl.,

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(d) Grenzen der richterlichen Unabhängigkeit Grenzen werden der personellen Legitimation des einzelnen Richters schließlich bereits durch Art.  97 Abs.  2 GG gesetzt343. Ein Richter ist grundsätzlich – im Gegensatz zu einem Beamten – nicht versetzbar und kann, sofern er will, dauer­ haft an einem Gericht tätig bleiben344. Die persönliche Unabhängigkeit ist in Be­ zug auf die demokratische Legitimation des einzelnen Richters allerdings ein zweischneidiges Schwert345: Einerseits sichert die persönliche Unabhängigkeit des Art.  97 Abs.  2 GG in institutioneller Hinsicht die sachliche Unabhängigkeit des Richters ab und schützt ihn damit vor Eingriffen in seinen amtsrechtlichen Status346. Andererseits ist durch die Ernennung der Richter auf Lebenszeit von vornherein ausgeschlossen, die durch die Ernennung vermittelte persönliche Le­ gitimation in periodisch wiederkehrenden Abständen zu überprüfen und zu er­ neuern347. Nach der klassischen Idee des organisatorisch-formalen Legitima­ tionsmodells wird dem Richter durch seine Wahl die auf das Volk zurückgehen­ de demokratische Legitimation vermittelt. Art.  97 Abs.  2 GG gebietet allerdings, dass kein Richter persönlich für seine in sachlicher Unabhängigkeit getroffene Entscheidung persönlich verantwortlich gemacht werden darf348. Es handelt sich hier um ein prekäres verfassungsrechtliches Spannungsfeld349, da ausnahmswei­ Fn.  7), S.  84; D. Schefold, Gewaltenteilung und alternative Modelle demokratischer Legiti­ mation, in: Redaktion Kritische Justiz (Hrsg.), Demokratie und Grundgesetz. Eine Ausein­ andersetzung mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, 2000, S.  148 (149); G. Bertram, NJW 2001, S.  1838 (1839); A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (677); K. F. Gärditz, ZBR 2011, S.  109 (111); Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  148 f. 343  Differenzierend A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (677 f.); Tschentscher, Legiti­ mation (Teil  1, Fn.  1), S.  148 ff.; M. Weber, Europäisches Zivilprozessrecht und Demokratie­ prinzip. Internationale Zuständigkeit und gegenseitige Anerkennung im Gerichtssystem der Europäischen Union und der USA, 2009, S.  149 ff. – Ausführlich zur persönlichen Unabhän­ gigkeit siehe Kap.  2 C. V. 1. b). 344  Innerhalb des Gerichtsgefüges kann die richterliche Tätigkeit lediglich durch Ge­ schäftsverteilungsmaßnahmen beeinflusst werden, die allerdings wiederum der richterlichen Unabhängigkeit unterliegen, vgl. A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (677 f.); Classen, Legitimation (Einl., Fn.  78), S.  21; ders., in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG (Teil  1, Fn.  10), Art.  97 Rn.  4; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  51 ff. 345  A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (678) sprechen treffend von einem „ambivalen­ ten“ Charakter. 346  Siehe hierzu nur BVerfGE 14, 56 (69); 14, 156 (162); 30, 149 (160); Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 (52. EL 2008) Rn.  98; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  48 ff. 347 Vgl. A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (678). Zum Grundsatz der Inamovibilität siehe G. Barbey, HStR1 III, §  74 Rn.  71 f.; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  54. 348  Statt vieler vgl. hier nur Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 (52. EL 2008) Rn.  98. 349  Siehe zu den widerstreitenden Interessen auch H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2588); H. Sodan, NJW 2003, S.  1494 (1495).

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se mit der Vermittlung von demokratischer Verantwortung umgekehrt nicht die Verantwortlichkeit des Amtsträgers gegenüber einem Vorgesetzten einhergeht. Dies mag einem zunächst wie eine strukturelle Schwäche des Demokratie­ prinzips vorkommen, weil eine richterliche Kontrolle auch eingedenk der Wei­ sungsfreiheit der Richter nur bedingt möglich ist350. Allerdings bestärkt die Ga­ rantie der persönlichen Unabhängigkeit des Richters das Vertrauen auf eine unabhängige Rechtsprechung und somit auch die freiheitlich-demokratische Grundordnung, sodass dem Art.  97 Abs.  2 GG in seiner an sich demokratiever­ kürzenden Wirkung ein insgesamt verfassungsstärkender Auftrag beizumessen ist. Die demokratische Legitimation folgt hier als „Ersatz-Verantwortung“ aus der persönlichen Unabhängigkeit selbst, da diese den Richter zwar primär be­ günstigt, allerdings auch die Verpflichtung enthält, die ihm anvertraute Aufgabe bestmöglich im Interesse des Volkes, in dessen Namen er Recht spricht, zu er­ füllen351. In Anbetracht der Möglichkeit, gewisse Legitimationsmodi des orga­ nisatorisch-formalen Modells – hier explizit der personell-organisatorischen Komponente – durch andere Modi sowie Demokratie vermittelnde Elemente zu kompensieren, muss die richterliche Unabhängigkeit im Ergebnis nicht als Hemmnis demokratischer Legitimation betrachtet werden, sondern ist dieser aus inhaltlicher Perspektive insgesamt sogar förderlich. (3) Sachlich-inhaltliche Legitimation Aufgrund der beiden Komponenten der sachlich-inhaltlichen Legitimation – Übertragung von Verantwortung einhergehend mit Aufsichts- und Weisungs­ befugnissen – ist die so gewonnene Legitimation bei allen drei Staatsgewalten unterschiedlich ausgeprägt352. Die Eigenart der Rechtsprechung und die Siche­ rung der Rechtsprechungsfunktion machen die sachlich-inhaltliche Rückbin­ dung zwischen Verantwortlichkeit und Weisungsabhängigkeit allerdings un­ möglich353. 350  Als verfassungspolitische Grundsatzentscheidung enthält Art.  98 Abs.  2 u. 5 GG die Möglichkeit der Richteranklage, um den Missbrauch der richterlichen Unabhängigkeit zu verhindern bzw. zu ahnden und das Bestehen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung abzusichern. Siehe hierzu im ersten Zugriff BVerfGE 22, 387 (424); 39, 334 (346) zur richter­ lichen Treuepflicht; Hillgruber (Fn.  303), Art.  98 (57. EL 2010) Rn.  34. 351 Vgl. H. Sodan, NJW 2003, S.  1494 (1495); gleichsinnig Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn.  193), S.  295. 352 Siehe Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn.  193), S.  291 ff.; Köller, Selbstverwaltung (Fn.  210), S.  140 f. 353  M. Kriele, VVDStRL 29 (1971), S.  46 (63 f., 82); Böckenförde, Richterwahl (Einl., Fn.  7), S.  79; ders., HStR³ II, §  24 Rn.  22. Vgl. auch Waechter, Legitimation (Fn.  290), S.  39; T. Groß, ZRP 1999, S.  361 (363); K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 (227); H. Weber-Grellet, ZRP 2003, S.  145 (147), der die Eigenständigkeit der Judikative als Argument für die Abkopplung

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Begründet liegt dieses Problem in der mit der richterlichen Unabhängigkeit verbundenen Weisungsfreiheit und dem dadurch bedingten geringeren Grad de­ mokratischer Legitimation des einzelnen Richters. Daher wird im Rahmen der Judikative die sachlich-inhaltliche Legitimation durch die Gesetzesbindung des einzelnen Richters bewirkt und ist auf diese allein reduziert354. Im Rahmen der Judikative ersetzt die Bindung der Rechtsprechung an das parlamentarische Ge­ setz gem. Art.  20 Abs.  3 und Art.  97 Abs.  1 GG normativ betrachtet die Kon­ trollbefugnisse bzw. Weisungs- und Aufsichtsrechte. Der Gesetzesbindung kommt die legitimierende Kraft zu355. Die sachliche Unabhängigkeit des Rich­ ters i. S. d. Art.  97 Abs.  1 GG erweist sich mithin als ähnlich ambivalent wie die persönliche Unabhängigkeit: Einerseits schützt die Unabhängigkeitsgarantie den Richter in sachlicher Hinsicht vor jeglicher Einflussnahme von außen356, andererseits ist die Art und Weise seiner Aufgabenwahrnehmung keiner Kon­ trolle unterworfen357. Obwohl organisatorisch-personelle und sachlich-inhalt­ liche demokratische Legitimation im Rahmen der Rechtsprechung nicht aus­ reichend erfolgen, sind die Bindung des Richters an Recht und seine Unter­ worfenheit unter das Gesetz das notwendige Korrelat, um die richterliche Unabhängigkeit und gleichzeitig ein ausreichendes Legitimationsniveau zu ge­ währleisten358. von der Exekutive heranzieht; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  155; Classen, Le­ gitimation (Einl., Fn.  78), S.  20; L. C. Faissner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  65. 354  Der Verantwortungszusammenhang wird in diesem Sinne durch die Gesetzesbindung des Richters kompensiert. Vgl. Jestaedt, Demokratieprinzip (Fn.  193), S.  295; A. Voßkuhle/ G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (679); T. Groß, DRiZ 2003, 298 (301), der allerdings gleichzeitig auch Kritik an der Legitimation der Richter durch die Exekutive übt; E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  24; Hillgruber (Fn.  303), Art.  98 (57. EL 2010) Rn.  22; W. Heun, Die Ver­ fassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, 2012, S.  42; K. Rennert, JZ 2015, S.  529 (530); Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  140; Sommermann (Teil  1, Fn.  80), Art.  20 Rn.  169. 355  R. A. Rhinow, Rechtsetzung und Methodik. Rechtstheoretische Untersuchung zum ge­ genseitigen Verhältnis von Rechtsetzung und Rechtsanwendung, 1979, S.  184; A. Voßkuhle/­ G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (678); W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  24; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  140. 356  Vgl. BVerfGE 3, 213 (224); 4, 331 (344); 14, 56 (69); 26, 186 (198); 27, 312 (322); 30, 149 (160) – Sondervotum Leibholz, Geiger, Rinck; 31, 137 (140); 36, 174 (185); 60, 175 (214); 87, 68 (85). Siehe hierzu an dieser Stelle nur Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  19 ff.; zum Spannungsverhältnis der richterlichen Unabhängigkeit mit der Dienstaufsicht vgl. H.-J. Papier, NJW 1990, S.  8 ff. 357 Vgl. A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (679). 358  M. Kriele, VVDStRL 29 (1971), S.  46 (63 f.); Stern, Staatsrecht II (Teil  1, Fn.  11), S.  907; Böckenförde, Richterwahl (Einl., Fn.  7), S.  79; ders., HStR³ II, §  24 Rn.  22, 24; Hillgruber (Fn.  303), Art.  98 Rn.  22, 25.

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Zweiter Teil: Grundlagen

Die Gesetzesbindung als einzige Beschränkung der richterlichen Unabhän­ gigkeit bedeutet in der Gesamtschau, dass der Richter im Rahmen seiner recht­ sprechenden Tätigkeit den Willen des Gesetzgebers zu respektieren, ihn also weder zu ignorieren noch zu negieren hat359. In der Judikatur des Bundesverfas­ sungsgerichts ist hierzu deutlich zu vernehmen, dass dennoch auch die richter­ liche Rechtsfortbildung – neben der Anwendung und Auslegung der Gesetze – zu den Aufgaben rechtsprechender Tätigkeit gehört360. Wenngleich sie sich nie in der bloßen formal-logischen Subsumtion erschöpfen muss, ist die richterliche Rechtsfortbildung praeter oder contra legem dennoch vor allem im Hinblick auf die demokratische Legitimation diffizil361. Das Bundesverfassungsgericht hat dies erkannt und festgestellt, dass sich im Bereich richterlicher Rechtsfortbil­ dung ein besonderes Spannungsfeld zur demokratisch legitimierten Entschei­ dung des Gesetzgebers aufbauen kann, sofern die Entscheidung des Richters „keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder […] oder stillschweigend gebilligt wird“362. Daher hat sich der entscheiden­ de Richter stets an die anerkannten Auslegungsmethoden zu halten363, um im Wege einer rechtsstaatskonformen Fortbildung des Rechts den sich verändern­ den Verhältnissen gerecht zu werden364. Abermals wird im Zuge der Diskussion um die Rechtsschöpfungsbefugnis der Richter ihre umfassende Kompetenzausstattung deutlich, die ihrerseits we­ nig von Kontrollmechanismen flankiert wird 365. Um im Rahmen des organisa­ 359 

Siehe BVerfGE 132, 99 (17, Rn.  74); dazu Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  141. Erst kürzlich BVerfGE 138, 377 (391 f., Rn.  39): „Schöpferische Rechtsfindung durch gerichtliche Rechtsauslegung und Rechtsfortbildung ist praktisch unentbehrlich und wird vom Bundesverfassungsgericht seit jeher anerkannt“; eingehend dazu O. R. Kissel, Zur Funk­ tion der Rechtsprechung, in: M. Schlachter/R. Ascheid/H.-W. Friedrich (Hrsg.), FS Günter Schaub, 1998, S.  373 (377 ff.). 361 Vgl. J. Ipsen, Richterrecht und Verfassung, 1975, S.  169 ff.; B. Rüthers, JZ 2002, S.  365 (368 f.); J. Neuner, Rechtsfindung contra legem, 2.  Aufl. 2003, S.  85 ff., 140 ff.; E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  24; E. A. Kramer, Juristische Methodenlehre, 5.  Aufl. 2016, S.  183 ff., 239 ff.; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  140. 362  BVerfGE 128, 193 (210, Rn.  53). 363  Siehe hierzu BVerfGE 96, 375 (395); 113, 88 (104, Rn.  38); 128, 193 (210, Rn.  53); 132, 99 (128, Rn.  76). – Zum Teil ist der richterlichen Rechtsschöpfung contra legem allerdings eine großzügige Akzeptanz durch das Bundesverfassungsgericht widerfahren, siehe etwa BVerfGE 34, 269 (287). Es handelt sich hierbei allerdings um eine alte und inzwischen durch neuere Entscheidungen nahezu überholte Rechtsprechung, die daher auch berechtigter Kritik ausgesetzt ist, vgl. G. Hermes, NJW 1990, S.  1764 (1765); B. Rüthers/C. Fischer/A. Birk, Rechtstheorie. Mit juristischer Methodenlehre, 9.  Aufl. 2016, Rn.  156 ff., 640 ff., 696 ff.; siehe zusammenfassend auch Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  141. 364  Vgl. BVerfGE 128, 193 (210, Rn.  53). 365 Dazu ausführlich im Hinblick auf formale sowie informale Kontrollmechanismen Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  157 ff. 360 

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torisch-formalen Legitimationsmodells der demokratischen Legitimation des einzelnen Richters allerdings umfassende Bedeutung zu verleihen, muss auch die sachlich-inhaltliche Komponente berücksichtigt werden. Zwar ist es aner­ kannt, dass im Einzelfall Legitimationsmodi substituiert werden können, aller­ dings darf in diesem Zusammenhang die Tragweite rechtsprechender Tätigkeit nicht untergraben werden, sodass hier Vorsicht geboten ist. Daher sollte man erwägen, die sachlich-inhaltliche Legitimation partiell zu stärken366, ohne selbstverständlich die richterliche Unabhängigkeit zu schwächen. Es wird daher in Erwägung gezogen, „weiche“ Legitimationsfaktoren heranzuziehen, um die richterliche Tätigkeit in legitimatorischer Hinsicht abzustützen367. Wenn sich aus Art.  97 Abs.  1 GG die Gesetzesbindung der Richter ergibt, dann folgt schließlich aus dieser Unterworfenheit unter das Gesetz gleichzeitig auch die Möglichkeit zur Kontrolle der Richter im Hinblick auf die Einhaltung der Ge­ setzesbindung368. Aus Kontrollmechanismen durch die öffentliche Meinung369 sowie durch die richterliche Amtshaftung370 wird in sachlicher Hinsicht eine Legitimationsverstärkung bewirkt. Die richterliche Unabhängigkeit gilt mithin 366 

So auch Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  142. Siehe hierzu eingehend A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (680 ff.). Vgl. weiterhin Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  163 ff.; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  227. 368  Zu sehen ist dies bspw. an der oben diskutierten Frage der Rechtsschöpfung durch Richter, die ihre Grenzen im Wortlaut des Gesetzes sowie dem Willen des Gesetzgebers findet, der sich unmittelbar oder indirekt aus der Norm ergibt. Die verfassungsrechtlich nor­ mierte Gesetzesbindung ist Pflicht und Maßstab gleichzeitig, an der sich der einzelne Richter messen lassen muss. 369  Konkret gesprochen soll durch das Öffentlichkeits- und das Mündlichkeitsprinzip die Einhaltung der Gesetzesbindung kontrolliert werden. Hierbei steht inzwischen primär die mediale Öffentlichkeit im Vordergrund, wobei es logischerweise weniger um die Rückbin­ dung der Rechtsprechung an das Volk geht, sondern lediglich um die Rechtfertigung der staatlichen Gewalt in Form der Judikative. Siehe hierzu A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (680); v. Coelln, Medienöffentlichkeit (Teil  1, Fn.  1), S.  83 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  163 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  174 ff.: „Kontrolle durch die demokratische Öffentlichkeit“; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  142; grundlegend auch J. Scherer, Gerichtsöffentlichkeit als Medienöffentlichkeit. Zur Transpa­ renz der Entscheidungsfindung im straf- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren, 1979, S.  74 ff., 130 ff. Zur Bedeutung von Kritik als Ausprägung der Demokratie siehe Steinberger, Kritik (Einl., Fn.  18), S.  93 ff. 370  Die relevanten Normen sind Art.  34 GG (Amtspflichtverletzung) und §  839 Abs.  2 BGB (Richterprivileg). Vgl. aus der Literatur hierzu D. Merten, Zum Spruchrichterprivileg des §  839 Abs.  2 BGB, in: J. Tittel (Hrsg.), FS Wilhelm Wengler, Bd.  2, 1973, S.  519 ff.; C. Tombrink, NJW 2002, S.  1324 ff.; P. E. Sensburg, NVwZ 2004, S.  179 f.; Wittreck, Verwal­ tung (Einl., Fn.  9), S.  150 ff.; D. Remus, NJW 2012, S.  1403 ff.; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (De­ mokratie), Rn.  142; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  93 ff.; Fuchs, VIA 2019, S.  50 (51). 367 

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nicht ausnahmslos und ohne Grenzen. Vielmehr bewirken indirekte Kontroll­ mechanismen – wie auch der Instanzenzug371 sowie das Dienstaufsichts- und Disziplinarwesen372 – in verfassungsgemäßer Ausprägung eine inhaltliche Rückbindung des Richters. Verfassungsrechtliche Verantwortung vermittelt die Richteranklage i. S. d. Art.  98 Abs.  2 und 5 GG373, die sich allerdings nur einer mäßigen Beliebtheit und Anwendung erfreut374. Dies hat vermutlich wiederum mit der prekären verfassungsrechtlichen Spannungslage zu tun, in der sich die Kontrolle über Richter befindet375. Als fruchtbar erweist sich im Übrigen zur zusätzlichen Verfestigung der sachich-inhaltlichen Legitimation neben der Er­ gänzung durch externe Kontrollelemente auch die Stärkung der funktionell-­ institutionellen Komponente demokratischer Legitimation376. Indirekt wird durch solche Mechanismen die Gesetzesbindung des Richters gestärkt und so­ mit eine solide Rückbindung des Richters an das Volk gewährleistet, ohne ge­ gen Art.  97 Abs.  1 GG zu verstoßen377. (4) Fazit Die demokratische Legitimation der rechtsprechenden Gewalt stellt sich in ih­ ren Teilelementen als defizitär dar378. Die einzelnen Legitimationsmodi können 371 Vgl. Voßkuhle, Rechtsschutz (Teil  1, Fn.  1), S.  265 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  195 ff.; A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (679); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  140 f.; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  142; v. Bernstorff, Gerichtsver­ waltung (Einl., Fn.  17), S.  89 f. 372  Vgl. hierzu G. Seidel, RuP 38 (2002), S.  98 (103 f.); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  143 ff. (Dienstaufsicht über Richter), 147 ff. (Disziplinarrecht); Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  115 f.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  158 ff.; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  142; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  90 ff. 373  Im Überblick zur Richteranklage als verfassungspolitische Grundentscheidung des Grundgesetzes siehe Baur, Justizaufsicht (Fn.  11), S.  40 f.; G. C. Burmeister, DRiZ 1998, 518 ff.; Classen (Fn.  303), Art.  98 Rn.  7 f. (Bundesebene), 19 (Landesebene); Hillgruber (Teil  1, Fn.  5), Art.  92 Rn.  21; Detterbeck (Fn.  304), Art.  98 Rn.  12 ff.; Schulze-Fielitz (Fn.  307), Art.  98 Rn.  32 ff.; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  95 ff. Siehe aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 22, 387 (424); 28, 36 (48). 374  Zur praktischen Bedeutungslosigkeit der Richteranklage siehe R. Wassermann, NJW 1995, S.  303 ff. Zum Zusammenhang mit dem sog. Deckert-Urteil Voßkuhle, Rechtsschutz (Teil  1, Fn.  1), S.  286; G. C. Burmeister, DRiZ 1998, S.  518 (518); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  159; ders., VVDStRL 74 (2015), S.  115 (146); Detterbeck (Fn.  304), Art.  98 Rn.  12; Schulze-Fielitz (Fn.  307), Art.  98 Rn.  40. – Siehe zur Umsetzung von Art.  98 Abs.  5 S.  1 GG in den Bundesländern Fischer, Disziplinarrecht (Teil  1, Fn.  1), S.  225. 375  Siehe hierzu H.-J. Papier, NJW 1990, S.  8 ff. 376  K. Rennert, JZ 2015, S.  529 (530, 532 ff.); Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  142. 377  Siehe hingegen zum Spannungsfeld von richterlicher Unabhängigkeit und Dienstauf­ sicht Kap.  4 C. V. 1. a) bb) (1). 378  Dies gilt vor allem im Vergleich zu den anderen zwei Gewalten, siehe so auch Fuchs,

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jeweils für sich genommen nicht zur abschließenden Rückführung des Richter­ spruchs auf das Volk verhelfen, in Kombination entfalten sie jedoch eine prak­ tikable Effektivität. Dass die Judikative in funktionell-konstitutioneller Hinsicht gewährleistet sein muss, ist wichtig, stützt zunächst aber nicht ihre demokrati­ sche Legitimation. Diese wird wiederum unterstützt durch die Rückführbarkeit des Richteramtes auf das Volk, welche sich in personell-organisatorischer Hin­ sicht als prekär erweist. Der sachlich-inhaltlichen Komponente muss insofern umso größeres Gewicht zukommen. In verfassungsrechtlicher Hinsicht ausrei­ chend ist mithin nur eine Kombination aller Komponenten. Dennoch sollte man eine Ergänzung der Legitimationsmodi des organisatorisch-formalen Modells durch informale Kontrollmechanismen nicht vernachlässigen. Es handelt sich hier um anerkannte Rechtsinstitute, die jedoch nicht missbraucht werden dür­ fen, bei denen eine falsche Scheu in der Anwendung allerdings auch unange­ bracht ist, da sie das Triumvirat der Legitimationsmodi verstärken können379. Zumindest lässt sich konstatieren, dass die sog. weichen Legitimationsmecha­ nismen ergänzend herangezogen werden können, wo es ansonsten zu Lücken in der demokratischen Legitimation kommt. Basis muss schließlich stets die Rück­ führung des richterlichen Rechtsspruchs auf das Volk sein, welche durch infor­ male Legitimationsergänzung nicht vollständig kompensiert werden kann380. cc) Demokratische Legitimation gerichtsverwaltender Tätigkeiten Das Gebot der demokratischen Legitimation gilt gleichermaßen für die Ge­ richtsverwaltung381. Vor allem im Bereich der Richterauswahl und -ernennung sowie der Dienstaufsicht treten zuweilen Spannungen auf, welche die demokra­ tische Legitimation gerichtsverwaltender Tätigkeit betreffen382. Wie dargelegt, erweist sich die sachlich-inhaltliche Legitimation der Gerichtsverwaltung stets Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  127; gleichsinnig Payandeh, Rechtserzeugung (Einl., Fn.  2), S.  226 ff. 379  Namentlich wird eine Abstützung der demokratischen Legitimation des Richters durch informale Legitimationsmechanismen in Form des Öffentlichkeits- bzw. Mündlich­ keitsprinzips, des Begründungserfordernisses, der Professionalisierung bzw. der Auswahl der Richter anhand von Leistungskriterien, der Beteiligung ehrenamtlicher Richter sowie durch Akzeptanz sowie Partizipation der Betroffenen diskutiert, siehe ausführlich und nach­ vollziehbar E. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S.  329 (368 ff.); A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (680 ff.); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  163 ff.; Grzeszick (Fn.  185), Art.  20 II Rn.  242; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  127 f.; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  141 f. 380  Vgl. auch Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  128. 381  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  125; H.-J. Papier, ZRP 2009, S.  125 f.; F. Brosius-­ Gersdorf, VVDStRL 74 (2015), S.  169 (215). 382  Siehe zu dieser Erkenntnis Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  128.

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Zweiter Teil: Grundlagen

dann als problematisch, wenn es um richterliche Tätigkeiten gerichtsverwalten­ der Natur im weisungsfreien Raum geht, auf den die Exekutive mithin nicht zugreifen kann und ihr daher keine Einflussmöglichkeiten zustehen. Umgekehrt sind die Richter einer übergeordneten Stelle auch nicht verantwortlich, sondern unterliegen der Garantie richterlicher Unabhängigkeit. Fraglich ist, wie hier ein legitimatorischer Verantwortungszusammenhang zum Volk hergestellt werden kann383. Da in erster Linie lediglich ein bestimmtes Legitimationsniveau herzu­ stellen ist, müssen sachlich-inhaltliche Legitimationsdefizite nicht zwangsläufig zu einem generellen Legitimationsmangel führen. Vielmehr kann das sach­ lich-inhaltliche Defizit durch andere Komponenten kompensiert werden, was schließlich zu einer ausreichenden Legitimation führt384. Bei der Wahrnehmung von Aufgaben der Gerichtsverwaltung, deren Über­ tragung hingegen nicht unter einem besonderen Gesetzesvorbehalt steht (vgl. §  4 Abs.  2 Nr.  1 DRiG), muss sich auch der einzelne Richter der Dienstaufsicht unterordnen385; er unterliegt insofern ebenso einer allgemeinen dienstrechtli­ chen Gehorsamspflicht und ist an die Weisungen seines entsprechenden Vorge­ setzten gebunden386. Die Dienstaufsicht kann ihre legitimatorische Funktion als weicher Legitimationsfaktor indessen nur dann voll ausfüllen, wenn die ausfüh­ renden Organe ihrerseits demokratisch hinreichend legitimiert sind 387. Ähn­ liches gilt für die Richterauswahl nach Art.  98 Abs.  4 GG, da die auswählenden Gremienmitglieder bei der Mitwirkung an der Richterbestellung eine gerichts­ verwaltende Tätigkeit übernehmen und insofern schließlich eine demokratische Verantwortung tragen388. Das Demokratieprinzip des Art.  20 Abs.  2 GG unter­ stützt damit nicht nur die Richterbestellung durch Richterwahlausschüsse, son­ 383 Mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss davon ausgegangen werden, dass für sämtliche Entscheidungen einer Staatsgewalt „eine ununterbrochene Legi­ timationskette vom Volk zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswal­ tern“ zu bestehen habe, vgl. BVerfGE 107, 59 (87 f.); dazu F. Brosius-Gersdorf, VVDStRL 74 (2015), S.  169 (215). 384 Vgl. Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  113. 385  Würde man die Gerichtsverwaltung aus dem System der Weisungsgebundenheit völlig abkoppeln und die Richterschaft in eine Selbstverwaltung entlassen, hätte das schwerwiegen­ de Folgen für die sachlich-inhaltliche Legitimation der Gerichtsverwaltung, vgl. F. Brosius-­ Gersdorf, VVDStRL 74 (2015), S.  169 (215). Zu möglichen legitimatorischen Kompensa­ tionsmaßnahmen siehe Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  115. 386 Siehe so auch H.-J. Papier, NJW 1990, S.  8 (9); vgl. zum Regelungsinhalt des §  4 Abs.  2 Nr.  1 DRiG Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  4 Rn.  30; Staats (Teil  1, Fn.  177), §  4 Rn.  13. 387  Siehe hierzu Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  132 f. 388  Anzumerken ist an dieser Stelle, dass für die Mitglieder solcher Auswahlgremien im Übrigen nicht irgendein demokratischer Legitimationsakt ausreicht, sondern dass sie in ihrer jeweiligen Funktion explizit demokratisch legitimiert sein müssen, vgl. BVerfGE 93, 37 (68).

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung

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dern vor allem eine Personalauswahl durch unmittelbare Volks- und Parla­ mentswahl oder eine Ernennung durch die ministeriale Justizverwaltung389. Insofern kann die Mitwirkung von Präsidialräten (§§  55, 75 Abs.  1 S.  1 DRiG) durchaus prekär sein. Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ist sie dann nicht mehr mit dem Demokratieprinzip vereinbar, wenn eine Regelung beispielsweise vorsieht, dass bei den Richterpersonalentscheidungen der zu be­ teiligende Fachminister an den Beschluss des Präsidialrats gebunden sein soll, da der Minister so jeglichen Entscheidungsspielraumes beraubt wäre390. Die Akteure der gerichtsverwaltenden Tätigkeitsfelder müssen ihrerseits so­ mit ausreichend demokratisch legitimiert sein, da auch sie als Bindeglied der Legitimationskette fungieren und ihrerseits demokratische Legitimation wei­ tergeben. Die Gerichtsverwaltung leistet – vor allem mit ihrer Personalverwal­ tung – insgesamt einen substanziellen Beitrag zur Sicherstellung eines hinrei­ chenden Legitimationsniveaus der Rechtsprechung391. 2. Demokratische Legitimation gerichtsverwaltender Maßnahmen in den USA Die Vereinigten Staaten von Amerika gelten als eine der ersten Demokratien. Die Rückführbarkeit staatlichen Handelns nimmt einen besonderen Stellenwert ein; die Volkssouveränität und das Vertrauen in die Demokratie sind daher tra­ ditionell stark ausgeprägt392. So müssen auch hier sämtliche staatliche Akte – auch die der Gerichtsverwaltung – demokratisch legitimiert sein 393. In den USA wird das Demokratieprinzip beispielsweise häufig gleichgesetzt mit der Mehr­ heitsherrschaft und der Möglichkeit der Wahl bzw. Abwahl aller staatlichen Or­ gane394. Nach einer Darstellung der Entwicklung und des Inhaltes des Demo­ kratieprinzips in den USA (a.) ist daher auch ein Blick auf die Legitimation der Gerichtsverwaltung selbst zu werfen (b.). 389 Vgl.

B. Kramer, NJW 2009, S.  3079 (3082). – Siehe zu den Möglichkeiten der unmit­ telbaren Richterwahl durch das Volk in Deutschland unten in Kap.  5 B. VI. 1. 390  Vgl. BVerfGE 93, 37 (72 f.). – Siehe eingehend hierzu aus der Literatur Fuchs, Verfas­ sungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  131 f.; allgemein auch F. Brosius-Gersdorf, VVDStRL 74 (2015), S.  169 (215). 391  So die zentrale These bei Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  173 ff., 197 ff.; vgl. auch B. Kramer, NJW 2009, S.  3079 (3082); Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  142. 392  E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  85; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  223. 393  So mit Bezug auf die demokratische Legitimation richterlichen Handelns Dahl, De­ mocratic Theory (Fn.  186), S.  1 ff.; Volcansek, Misconduct (Fn.  185), S.  11 ff., 129. 394 Vgl. E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  85. Dass diese Sicht zu kurz greift, zeigt bereits der Blick auf die Unabsetzbarkeit der Bundesrichter gem. Art.  III §  1 der U.S.-Verf. Vgl. zunächst knapp Brugger, Einführung (Fn.  172), S.  12 f.

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Zweiter Teil: Grundlagen

a) Demokratie als Verfassungsprinzip in der ideengeschichtlichen Entwicklung In ideengeschichtlicher und konzeptueller Hinsicht nimmt die Entwicklung des Gedankens der Volkssouveränität sowie der demokratischen Repräsentation in den USA eine besondere Stellung ein395. Die Federalist Papers396 entwerfen ein Prinzip demokratischer Repräsentation. Die USA gelten auf dieser Grundlage seit der Entscheidung über die Annahme der Constitution im Jahre 1787 als Bei­ spiel einer „westlichen Demokratie“ mit parlamentarischer Repräsentation397. Be­ reits im Rahmen der Unabhängigkeitsbewegung des 18.  Jahrhunderts standen die Staatsziele von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit ganz oben auf der Agenda der Verfassungsväter398, die praktisch durch eine Verknüpfung des Repräsenta­ tionsgedankens mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz, dem Bundesstaatsprinzip und dem Rechtsstaatsprinzip gewährleistet werden sollten399. Die amerikanische Verfassung beruht wie die deutsche auf dem Prinzip der Popular Sovereignty, also der Herrschaft des Volkes im Sinne einer durch den Mehrheitswillen regier­

395  Vgl. zum Repräsentationskonzept der Federalists H. Dreier, AöR 113 (1988), S.  450 (458 ff.); E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  85; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  183 ff.; Bredt, Legitimation (Teil  1, Fn.  234), S.  129 ff.; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (Demokra­ tie), Rn.  11. 396  Siehe aus den Federalist Papers vor allem die relevanten Artikel 9, 10, 14, 51 und 52. Dazu B. Brunhöber, Die Erfindung „demokratischer Repräsentation“ in den Federalist Pa­ pers, 2010, S.  31 ff., 106 ff. 397  M. G. White, Philosophy, the Federalist, and the Constitution, 1987, S.  138 ff., 145 ff.; H. Dreier, AöR 113 (1988), S.  450 (458); A. Bleckmann, Vom Sinn und Zweck des Demokra­ tieprinzips. Ein Beitrag zur teleologischen Auslegung des Staatsorganisationsrechts, 1998, S.  38 ff.; Bredt, Legitimation (Teil  1, Fn.  234), S.  129 ff.; zum Werdegang der repräsentativen Demokratie Brunhöber, Erfindung (Fn.  396), S.  8 f., 13 ff. 398  Zu erkennen ist dies unter anderem an folgendem Auszug aus der Declaration of Independence (Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika): „We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happi­ ness.-That to secure these rights, Governments are instituted among Men, deriving their just powers from the consent of the governed, --That whenever any Form of Government becomes destructive of these ends, it is the Right of the People to alter or to abolish it, and to institute new Government, laying its foundation on such principles and organizing its powers in such form, as to them shall seem most likely to effect their Safety and Happiness.“ Siehe aus der Literatur zur amerikanischen Unabhängigkeitserklärung C. Becker, The Declaration of Inde­ pendence. A Study in the History of Political Ideas, 1922; A. Adams, Die Amerikanische Revolution und die Verfassung 1754–1791, 1987; P. Maier, American Scripture. Making the Declaration of Independence, 1998. 399 Vgl. Brugger, Grundrechte (Fn.  161), S.  3; Bleckmann, Demokratieprinzip (Fn.  397), S.  37; Brunhöber, Erfindung (Fn.  396), S.  75 ff., 85 ff., 109 ff.

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung

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ten Gemeinschaft400. Aus der Präambel sowie dem 10. Verfassungszusatz401 der Verfassung der Vereinigten Staaten geht die Herrschaft durch das Volk hervor, die eine demokratische Legitimation jeglichen staatlichen Handelns erforderlich macht402. Die bürgerschaftliche Beteiligung am politischen Entscheidungs­prozess steht dabei wesentlich im Vordergrund; die amerikanische Demokratie kenn­ zeichnet sich durch ein ausgeprägtes partizipatives Element 403. b) Legitimation der Gerichtsverwaltung Während es zur demokratischen Legitimation der klassischen Court Adminis­ tration an den amerikanischen Gerichten im rechtswissenschaftlichen Diskurs kaum Anhaltspunkte gibt, reibt sich die demokratische Legitimation der Ge­ richtsbarkeit in den USA an zwei Problemschwerpunkten, die denen der Bun­ desrepublik Deutschland sehr ähnlich sind404. Zunächst ist aus inhaltlicher Per­ spektive das sich aus der rechtlichen Bindung und der Kontrolle richterlichen Handelns ergebende Spannungsfeld zu beleuchten (aa.). Problematisch sind je­ weils die Richterberufungen: Zum einen ergeben sich demokratierelevante Pro­ blemfelder durch die Richterberufung in einigen Bundesstaaten der USA (bb.). Zum anderen erweist es sich als legitimatorisch prekär, dass in den USA nicht nur der U.S. Supreme Court, sondern theoretisch auch jedes andere Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig und mithin nichtig erklären kann405, und die Richter an den Bundesgerichten auf Lebenszeit ernannt werden, womit sie kei­ ner neuerlichen Legitimationswirkung unterstehen (cc). Die Schlussfolgerungen für die Gerichtsverwaltung fallen ansonsten eher knapp aus (dd.). aa) Demokratische Verantwortung durch Kontrollinstrumente Das deutsche Modell der lückenlosen Legitimationsketten findet in den USA kein Äquivalent. Statt auf der Weitergabe demokratischer Legitimation im 400  Powell v. McCormack, 395 U.S.  486, 547 (1969): „A fundamental principle of our re­ presentative democracy is, in Hamilton’s words, ‚that the people should choose whom they please to govern them‘.“ Siehe Bredt, Legitimation (Teil  1, Fn.  234), S.  161; im Detail ­Schreier, Legitimation (Einl., Fn.  18), S.  62 f. 401 Siehe zur Bedeutung des 10. Verfassungszusatzes United States v. Sprague, 282 U.S.  716, 733 (1931). 402 Siehe Steinberger, Kritik (Einl., Fn.  18), S.  225. 403 Siehe in Abgrenzung zum unitarischen oder monistischen Demokratiekonzept in Deutschland, Frankreich und Großbritannien Bredt, Legitimation (Teil  1, Fn.  234), S.  129. 404  Vgl. hierzu Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  164 ff., 210 ff.; Bredt, Legitima­ tion (Teil  1, Fn.  234), S.  155 ff. 405 Siehe P. W. Kahn, JöR n. F. 49 (2001), S.  571 (571); andeutungsweise auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  618 f.

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Zweiter Teil: Grundlagen

Wege von Legitimationsketten liegt der Fokus der Demokratietheorie auf der Democratic bzw. Judicial Accountability (demokratische Rechenschafts­ pflicht)406, die einer staatlichen Verantwortlichkeit gegenüber dem Bürger ent­ spricht407. Staatliche Vertreter erfahren eine demokratische Rückbindung an die politischen und sozialen Wertvorstellungen des Volkes vor allem durch Wahlen (bzw. durch Abberufung oder Amtsenthebung). Darüber hinaus binden be­ grenzte Amtszeiten, parteipolitische Loyalität, die Arbeit von Interessenverbän­ den, öffentliche Äußerungen sowie politische Versprechen innerhalb von Wahl­ kampagnen die Träger staatlicher Gewalt 408. Die Notwendigkeit der Rückbindung gilt grundsätzlich auch für Richter. Dem Verfassungsprinzip der Judicial Accountability liegt die Vorstellung zu­ grunde, der Richter müsse wie ein Abgeordneter dem Volke gegenüber Rechen­ schaft ablegen409. Dieses Verständnis staatlicher Kontrolle ist nicht ausschließ­ lich dem Gewaltenteilungsgrundsatz zuzuordnen, sondern betrifft – wie in Deutschland410 – auch in den USA vor allem die demokratische Abrufbarkeit von Staatsträgern, die bisweilen mit der Legitimation durch den Berufungsakt korreliert411. In den Vereinigten Staaten zeichnet sich ab, dass die Absetzbarkeit 406 

Mit Definitionen S. L. Wasby, Accountability of the Courts, in: S. A. Greer/R. D. Hed­ lund/J. L. Gibson (Hrsg.), Accountability in Urban Society. Public Agencies under Fire, 1978, S.  143 (145); ders., The Supreme Court in the Federal Judicial System, 3.  Aufl. 1988, S.  6; Volcansek, Misconduct (Fn.  185), S.  11; D. Kosař, Perils of Judicial Self-Government in Transitional Societies. Holding the Least Accountable Branch to Account, 2016, S.  25 ff.; aus englischer Perspektive v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  113 f. 407  Zum Spannungsfeld der Court Administration mit der Democratic Accountability sowie der richterlichen Unabhängigkeit siehe P. H. Russell, Toward a General Theory of Judi­cial In­ dependence, in: ders./O’Brien, Independence (Teil  1, Fn.  2), S.  1 (19 f.); C. C. H. Sheldon/N. P. Lovrich, State Judicial Recruitment, in: Gates/Johnson, Courts (Teil  1, Fn.  274), S.  161 (165); Geyh, Courts (Einl., Fn.  7), S.  113 ff.; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  113. 408  Siehe zu den unterschiedlichen Formen der Rückbindung von Richtern an das Volk Wasby, Accountability (Fn.  406), S.  146 ff.; Sheldon/Lovrich, Recruitment (Fn.  408), S.  165. 409 Vgl. Wasby, Accountability (Fn.  406), S.  155 ff.; M. Cappelletti, The American Journal of Comparative Law 31 (1983), S.  1 (3 f.); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  175; ähn­ lich v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  114. Siehe aus historischer Perspek­ tive E. J. Schoenbaum, Chicago-Kent Law Review 54 (1977), S.  1 ff. 410  Siehe zu den Kontrollmechanismen zur Gewährleistung demokratischer Legitimation der Richter in Deutschland im Spannungsfeld der richterlichen Unabhängigkeit Minkner, Ge­ richtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  154 ff. 411 Siehe H. F. Pitkin, The Concept of Representation, 1967, S.  55 ff.; Shetreet, Indepen­ dence (Teil  1, Fn.  257), S.  654 f.; L. M. Seidman, Southern California Law Review 61 (1988), S.  1571 ff.; Geyh, Courts (Einl., Fn.  7), S.  176 ff.; M. V. Tushnet, Judicial Accountability in Comparative Perspective, in: N. Bamforth/P. Leyland (Hrsg.), Accountability in the Contem­ porary Constitution, 2013, S.  57 ff.; Schreier, Legitimation (Einl., Fn.  18), S.  133; Kosař, ­Perils (Fn.  406), S.  25 ff., 57 ff.

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung

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der Richter nicht ausschließlich als Sanktionsmaßnahme für fehlerhaftes oder mangelhaftes Verhalten gilt, sondern sogar primär eine eigene Legitimations­ wirkung entfaltet412. So ermöglichen Wiederwahlen, wie sie vielen Richter­ wahlmethoden inhärent sind, eine regelmäßige Überprüfung der Richter413. Richterwahlen fallen daher mit der demokratischen Kontrolle zusammen und erhöhen die Judicial Accountability richterlichen Handelns414. Hinzu kommen Kontrollmechanismen durch die Öffentlichkeit 415 sowie weitere disziplinarische Maßnahmen416 und insbesondere die Möglichkeit der Absetzbarkeit von Rich­ tern im Wege des sog. Impeachment-Verfahrens417. Diese Institute stellen letzt­ lich sicher, dass trotz der Gemengelage aus richterlicher Unabhängigkeit und der Tatsache der Normverwerfungskompetenz, die in den Vereinigten Staaten jedem Gericht an sich zusteht, eine ausreichende demokratische Legitimation der Rechtsprechung gewährleistet ist, obwohl es bisweilen durch das stark aus­ geprägte Richterrecht zu einer abgeschwächten Gesetzesbindung kommt418. Die 412  Siehe im Gesamten (allerdings aus der Perspektive disziplinarischer Maßnahmen, was durchaus ein unüblicher Anknüpfungsgegenstand in der amerikanischen Literatur vor dem Hintergrund der demokratischen Legitimation ist) Volcansek, Misconduct (Fn.  185), S.  1 ff.; mit rechtsvergleichenden Bezügen Kosař, Perils (Fn.  406), S.  25 ff. (insbes. S.  27). 413  So kürzlich Caperton v. A. T. Massey Coal Co. 129 S. Ct. 2252 (2009); dazu P. S. Karlan, Harvard Law Review 123 (2009), S.  80 ff.; L. Epstein/T. G. Walker, Constitutional Law for a Changing America. A Short Course, 6.  Aufl. 2015, S.  64; R. D. Gill, Do Judicial Performance Evaluations Influence Retention Election Results?, in: C. W. Bonneau/M. G. Hall (Hrsg.), Ju­ dicial Elections in the 21st Century, 2017, S.  175 (175 f.). – Zur Kontextualisierung: In insge­ samt 39 Bundesstaaten der USA gibt es – trotz an sich unterschiedlicher Methoden zur Aus­ wahl der Richter – irgendeine Form der Wahl, so S. M. R. Cravens, Regulating Judges in the United States. Concerns for Public Confidence, in: R. Devlin/A. Dodek (Hrsg.), Regulating Judges. Beyond Independence and Accountability, 2016, S.  390 (399 f.). 414  Sheldon/Lovrich, Recruitment (Fn.  408), S.  165; C. Stelzenmüller, Direkte Demokratie in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1994, S.  125 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  175 f.; Tushnet, Accountability (Fn.  411), S.  62 f. 415  Wasby, Accountability (Fn.  406), S.  158 ff.; zum gesteigerten Interesse und dem korre­ lierenden Zugangsrechten der Öffentlichkeit an Gerichtsverhandlungen siehe F. K. Zemans, Judicature 79 (1996), S.  173 ff.; B. Fein/B. Neuborne, Judicature 84 (2000), S.  58 (58, 61 f.). 416  Zur zivilrechtlichen und strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Richtern in der deut­ schen sowie der U.S.-amerikanischen Rechtsordnung siehe Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  204 ff. 417  E. J. Schoenbaum, Chicago-Kent Law Review 54 (1977), S.  1 (5 ff.); Volcansek, Mis­ conduct (Fn.  185), S.  88 ff.; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  42 ff.; Zätzsch, Unabhän­ gigkeit (Einl., Fn.  7), S.  201 ff.; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  547 f. – Siehe zum Impeachment-Verfahren als disziplinarischem Mittel gegen Richter weiterhin Kap.  4 B. III. 3. b) cc). 418  Vgl. zu der Schwierigkeit, die sich aus der alleinigen Bindung an Präjudizien ergibt, Bredt, Legitimation (Teil  1, Fn.  234), S.  159 f. Siehe weiterhin Farnsworth, Introduction (Fn.  140), S.  50 f. – Diese Gemengelage aus demokratischer Rückbindung, richterlicher Un­

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Zweiter Teil: Grundlagen

Gesetzesbindung ist in Common Law-Rechtsordnungen traditionell schwach ausgeprägt, sodass die Bindung von Staatsträgern durch anderweitige Kontroll­ mechanismen sichergestellt wird419. Das Verständnis demokratischer Legitima­ tion in den USA basiert auf einer strikten Funktionentrennung. Es muss bei rechtsprechender Tätigkeit die Unabhängigkeitsgarantie im Spannungsverhält­ nis des Demokratieprinzips berücksichtigt werden420. Die Judicial Performance Evaluation ist als ein weiteres demokratisches Kontrollinstrument in Deutsch­ land unbekannt421. Es lässt sich in den Bereich des Qualitätsmanagements ein­ ordnen422. Hierbei handelt es sich um Versuche, die Qualität der Rechtsprechung zu ermitteln, um ein einheitlich hohes Qualitätsniveau in der Justiz zu erreichen und insbesondere den Richtern selbst die Möglichkeit zur Selbsteinschätzung zu geben423. Im Zweifel tritt die richterliche Unabhängigkeit insofern hinter der Notwendigkeit der Judicial Accountability zurück. bb) Probleme demokratischer Legitimation der Richter an den Gerichten der Einzelstaaten Einschränkungen für das Demokratieprinzip ergeben sich einerseits durch die Beteiligung demokratisch nicht ausreichend legitimierter Personengruppen an der Richterauswahl in einigen Bundesstaaten, die bei der Besetzung von Rich­ terposten nach dem sog. Missouri-Plan vorgehen (1)424. Andererseits gibt es in vielen Bundesstaaten – vor allem für die Richter der unteren Gerichte – die

abhängigkeit und Kontrolle durch den Kongress bezeichnet Geyh, Courts (Einl., Fn.  7), S.  253 ff. treffend als „Dynamic Equilibrium“. 419  Eine grundsätzliche Bindung des Richters an Recht und Gesetz ist zwar auch in der U.S.-amerikanischen Rechtsordnung anerkannt, doch bleibt diese im Common Law ver­ gleichsweise vage. Siehe hierzu Steinberger, Kritik (Einl., Fn.  18), S.  220; Tushnet, Accoun­ tability (Fn.  411), S.  57, 68 ff. 420 Siehe hierzu nur Bredt, Legitimation (Teil  1, Fn.  234), S.  128; Geyh, Courts (Einl., Fn.  7), S.  6 ff., 113 ff., 253 ff. 421  Im Zuge der Diskussionen zur Einführung des NSM ist zumindest über die Möglich­ keit von Bewertungen richterlicher Leitungen diskutiert worden, dazu Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  629. – Siehe zum Potenzial der Einführbarkeit ähnlicher Evaluationsmecha­ nismen in Deutschland ausführlich Kap.  5 B. IV. 422  S. Mathias, Electing Justice. A Handbook of Judicial Election Reforms, 1990, S.  20 ff.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  108 ff.; ders., DRiZ 1993, S.  301 ff.; Zätzsch, Un­ abhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  208 f.; A. Kaminiski, Betrifft Justiz 77 (2004), S.  212 f.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  629 f. 423  J. J. Alfini, Judicial Evaluation Polls, in: Klein, Improvement (Teil  1, Fn.  248), S.  85 ff.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  111 ff.; ders., DRiZ 1993, S.  301 (309). 424 Vgl. Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  161 ff.

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung

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Tradition der Richterwahl durch das Volk, durch die sich das Demokratieprin­ zip im Konflikt mit der richterlichen Unabhängigkeit wiederfindet (2)425. (1) Auswahl nach dem Missouri-Plan Die Richterauswahl nach dem Missouri-Plan wird in zahlreichen Staaten als Gegenmodell zur Direktwahl der Richter durch das Volk praktiziert und kenn­ zeichnet sich durch die Auswahl von Kandidaten für eine vakante Richterstelle durch eine Kommission aus426. Sie steht hier sinnbildlich für eine Richterbestel­ lung durch einen Wahlausschuss und das Problem, inwieweit Personengruppen an Auswahlentscheidungen beteiligt sein dürfen, die selbst demokratisch nicht (ausreichend) legitimiert sind427. Die Besetzung der Vorschlagskommissionen bzw. Richterwahlkommissionen variiert von Bundesstaat zu Bundesstaat, aller­ dings sind zumeist in gleicher Zahl Bürger und Anwälte sowie zum Teil auch mindestens ein Richter in dem Gremium vertreten428. Die Auswahl nach dem Missouri-Plan ist aufgrund der Besetzung der Kommissionen durch unter ande­ rem nicht demokratisch explizit legitimierte Mitglieder verfassungsrechtlich bedenklich. Beispielsweise setzt sich die Kommission in Missouri, wo die Rich­ ter der höheren Gerichte aufgrund des bindenden Vorschlags dieses Ausschus­ ses durch den Gouverneur gewählt werden, aus einem Richter, drei Anwälten sowie drei Bürgern zusammen429. Zwar werden die Bürger durch den Gouver­ neur bestimmt und können ihre Beteiligung daher auf eine demokratische Legi­ timation zurückführen, allerdings sind der Richter sowie die Rechtsanwälte in den Gremien ihrerseits nicht explizit demokratisch legitimiert. Aus amerikani­ scher Sicht scheint dies im Hinblick auf eine mögliche Verletzung von Verfas­ sungsrecht keinen Diskussionsbedarf auszulösen, während sich aus deutscher Perspektive gleich zwei gravierende Probleme mit Blick auf das Demokratie­ prinzip aufdrängen430: Zum einen sind die beteiligten Richter, obgleich sie re­ 425 Siehe

Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  210 ff.; Bredt, Legitimation (Teil  1, Fn.  234), S.  156 ff. 426  Es handelt sich dabei um eine leistungsbasierte Auswahl von Richtern, die in dieser Form mit Beteiligung einer Auswahlkommission und der anschließenden Berufung des Kan­ didaten durch den Gouverneur erstmals im Bundesstaat Missouri praktiziert worden ist, vgl. im Detail zum Missouri-Plan Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  37 f.; Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  141 ff.; B. T. Fitzpatrick, Missouri Law Review 74 (2009), S.  675 ff. – Siehe zu den Richterwahlmethoden ausführlich Kap.  4 B. III. 3. a) bb) (2). 427  Siehe im deutschen Kontext hierzu bereits oben Kap.  2 C. I. 1. a) bb) (2) (b). 428  Siehe zu einer Übersicht J. Goldschmidt, University of Miami Law Review 49 (1994), S.  1 (21 f.); M. N. Greenstein, Handbook for Judicial Nominating Commissioners, 2.  Aufl. 2004, S.  9 ff. 429  J. Goldschmidt, University of Miami Law Review 49 (1994), S.  1 (82 ff.). 430  Siehe im Überblick Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  158 f., 162 ff.

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Zweiter Teil: Grundlagen

gelmäßig in den Kommissionen die anderen Mitglieder aufgrund ihrer Unter­ zahl nicht überstimmen können, in der Lage, zumindest die Auswahlentschei­ dung durch eine Vetoposition zu verhindern, sodass sie als demokratisch nicht legitimierte Minderheit eine mehrheitlich getroffene Entscheidung blockieren können431. Diese negative Kooptation ist zumindest aus deutscher Sicht mit dem Demokratieprinzip nicht vereinbar432. In den Vereinigten Staaten ist ein ver­ gleichbares Verbot der Selbstergänzung indessen unbekannt. Zum anderen führt die regelmäßige Beteiligung von Rechtsanwälten zu einer Durchbrechung der demokratischen Legitimation, wenn diese ihrerseits (wie auch die Richter) nicht eigenständig – durch die Exekutive oder Legislative – demokratisch legi­ timiert sind433. Mit Blick auf die nach dem Missouri-Plan häufig erforderliche Bestätigungs­ wahl der meisten nach dem Modell der Merit Selection ausgewählten Richter nach einem Jahr wiegt der Vorwurf des Verstoßes gegen das Demokratieprinzip indessen nur unerheblich schwer. Der Mangel an demokratischer Legitimation bei der Auswahl des Richters wird faktisch durch die regelmäßig begrenzte Amtszeit ausgeglichen. Das Erfordernis der Wiederwahl erhöht die Rückbin­ dung an das Volk und die damit einhergehende demokratische Verantwortlich­ keit 434. Das Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit steht insofern hinter dem Rückbindungserfordernis zurück. Zwar wurde der Missouri-Plan bewusst als Gegengewicht zum vormals herr­ schenden Auswahlrecht des Gouverneurs konzipiert 435, dennoch wählt dieser nach wie vor den nach seinem Ermessen geeignetsten Kandidaten aus. Überdies hat er die Möglichkeit, bereits zuvor durch die Einsetzung linientreuer Bürger einen gewissen Einfluss auf die Auswahl der Kandidaten durch die Kommission zu nehmen436. Dies ist mit der ursprünglichen Intention des Missouri-Plans, eine leistungsbasierte Auswahlentscheidung im Interesse der richterlichen Un­ abhängigkeit zu ermöglichen, nicht oder kaum vereinbar. (2) Demokratisierende Direktwahl Als Folge der Emanzipation von der englischen Krone, die bis zur Unabhängig­ keit der amerikanischen Kolonien die Richter in den USA bestellte, sowie auf­ 431 

Siehe aus deutscher Sicht Böckenförde, Richterwahl (Einl., Fn.  7), S.  81 ff. Dazu ausführlich oben Kap.  2 C. I. 1. a) bb) (2) (c). 433  Zu den Problemen, die sich aus der Laienbeteiligung und explizit der Beteiligung von Rechtsanwälten an der Richterauswahl ergeben, Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  166. 434  Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  165. Zu den Gefahren der Retention Election siehe auch Gill, Performance Evaluations (Fn.  413), S.  175 ff. 435  Siehe zur Entwicklung der Richterauswahlmethoden unten Kap.  4 B. III. a) bb) (2) (a). 436  Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  167; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  164. 432 

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grund eines hiermit einhergehenden Demokratisierungsschubs zu Beginn des 19.  Jahrhunderts wurden die Richterwahlen umgestaltet437. Um die einzelnen Richter an den Willen des Volkes zu binden, etablierte sich weitläufig die Praxis der richterlichen Direktwahl in den Einzelstaaten als Gegenmodell zur briti­ schen Tradition438. Auf Bundesebene verstärkte primär die Entscheidung Marbury v. Madison die Forderung nach einer verbesserten demokratischen Legiti­ mation der Judikative439 – ein unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten erstrebenswertes Ideal, das bis heute durch das Berufungsverfahren der Direkt­ wahl der Richter auf Staatenebene verfolgt wird440. Mit Blick auf die faktischen Rechtsetzungsbefugnisse, welche die Gerichte innehaben, muss eine besondere Legitimation gesucht werden, die anhand demokratisierender Wahlen gefunden wurde441. Der Richter wird ähnlich den gewählten Abgeordneten als Volksver­ treter angesehen, und so zeugt seine Wahl von dem unerschütterlichen Vertrau­ en des amerikanischen Volkes in das Prinzip der Demokratie442. Das amerika­ nische Selbstverständnis von Recht und Politik äußert sich in dieser Hinsicht auch darin, dass neben dem aktiven Moment der Wahl durch das Volk außer­ dem dem reaktiven Moment der Abwahl ein erhebliches Gewicht vor dem Hin­ tergrund demokratischer Legitimation zukommt443. Es wird deutlich, dass die Volkssouveränität in erster Linie als Prinzip der Mehrheitsentscheidung (bzw. -wahl) interpretiert wird und die Möglichkeit der Abberufung politischer Amt­ sinhaber tief in der Verfassungstradition der USA und dem Bedürfnis nach Un­ abhängigkeit der Staatsträger von den jeweils anderen Gewalten verankert ist 444. Allerdings wird durch das Erfordernis periodischer Wiederwahlen ein Ab­ hängigkeitsverhältnis für die Richter konstruiert, das erhebliche Einschränkun­ gen für die richterliche Unabhängigkeit bedeutet 445. Mit Blick auf die deutsche 437 

Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  278, 279 f.; Schreier, Legitimation (Einl., Fn.  18), S.  62. 438  Kayser, Auswahl (Einl., Fn.  18), S.  168 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  223; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  279 f. 439  Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  280. 440  Die Direktwahl der Richter ist auf Staatenebene in den USA das am häufigsten prak­ tizierte Bestellungsverfahren, vgl. Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  280. 441 Vgl. C. Guarnieri/P. Pederzoli, The Power of Judges. A Comparative Study of Courts and Democracy, 2002, S.  31, 76 f.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  619. 442  Siehe mit Verweis auf die Intention der Herstellung von Volksnähe Kayser, Auswahl (Einl., Fn.  18), S.  172 f.; S. P. Croley, University of Chicago Law Review 62 (1995), S.  689 (717 ff.) m. w. N. in Fn.  86; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  223; Bredt, Legitimation (Teil  1, Fn.  234), S.  161; allgemein zur Bedeutung der Wahl für die Legitimation von Staats­ organen Brunhöber, Erfindung (Fn.  396), S.  131 ff. 443  Brugger, Grundrechte (Fn.  161), S.  1; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  282 ff. 444  Schreier, Legitimation (Einl., Fn.  18), S.  62. 445  Mit einem ähnlichen Befund auch S. B. Bright, N.Y.U. Law Review 72 (1997), S.  308 ff.;

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Zweiter Teil: Grundlagen

Tradition demokratischer Legitimation ist es insofern fast nicht nachzuvollzie­ hen, dass die Legitimation der amerikanischen Richter häufig in Form stark politisierter Wahlverfahren erzeugt werden soll446. Zwar erscheint die Direkt­ wahl von Richtern vor dem Hintergrund des Demokratieprinzips vor allem in personell-organisatorischer Weise eine maximale Erfüllung der Volkssouverä­ nität zu sein, allerdings erschöpft sich die demokratische Legitimation nicht al­ lein in der (unmittelbaren oder mittelbaren) Rückbindung auf das Volk. Kritik an der periodischen Richterwahl, mithin der Wahl der Richter durch das Volk an sich sowie der mitunter praktizierten obligatorischen Wiederwahl, folgt nicht nur aus den allgemeinen Bedenken gegenüber plebiszitärer Beteiligung447, son­ dern vor allem durch die Gefahr der Verletzung von Minderheitenrechten448. Es handelt sich hier allerdings – vor allem mit Blick auf die Legitimationsmodelle – um eine sehr deutsche Sichtweise des Problemzusammenhangs, welches in den Vereinigten Staaten so nicht diskutiert wird. In der amerikanischen Verfas­ sungsdogmatik steht indessen die reine Rückbindung staatlicher Amtsträger auf das Volk ganz im Fokus. Durch wiederholte Rückbindungsakte wird in dieser Tradition der Legitimationszusammenhang stets erneuert und erhöht. cc) Normverwerfungskompetenz der U.S.-amerikanischen Gerichte Die zum Teil aufkommende Skepsis gegenüber dem in einigen Bundesstaaten praktizierten System absoluter Volkssouveränität führte auf Bundesebene zur Einrichtung einer lebenslangen Amtszeit für Bundesrichter durch die Verfas­ sungsväter, die – vergleichbar mit dem deutschen Verfassunggeber – eine unzu­ reichende Gewährleistung von Minderheitenrechten verhindern wollten449. Das Prinzip der Lebenszeiternennung stellt ein für die amerikanische Verfassungs­ Bredt, Legitimation (Teil  1, Fn.  234), S.  161; N. Garoupa/T. Ginsburg, The American Journal of Comparative Law 57 (2009), S.  201 (202). 446  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9). 447 Vgl. Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  225. – Siehe zu der Möglichkeit und den Problemen der Einführung von Elementen direkter Demokratie (im Sinne von Abstimmun­ gen gem. Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG) instruktiv J. Rux, Direkte Demokratie in Deutschland, 2008, S.  38 ff., 83 ff. 448  S. P. Croley, University of Chicago Law Review 62 (1995), S.  689 (727 ff.); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  224 f.; Bredt, Legitimation (Teil  1, Fn.  234), S.  160 f. 449 Siehe A. Hamilton, The Federalist No.  78, in: Zehnpfennig, Federalist (Fn.  56), S.  454 ff.: „If, then, the courts of justice are to be considered as the bulwarks of a limited Constitution against legislative encroachments, this consideration will afford a strong argu­ ment for the permanent tenure of judicial offices, since nothing will contribute so much as this to that independent spirit in the judges which must be essential to the faithful performan­ ce of so arduous a duty.“ (Zitat in der deutschen Übersetzung S.  459); dazu Zätzsch, Unabhän­ gigkeit (Einl., Fn.  7), S.  183, 223; Bredt, Legitimation (Teil  1, Fn.  234), S.  161.

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dogmatik großes Problem dar, da eine wiederkehrende Rückbindung der Bun­ desrichter an den mehrheitlichen Volkswillen unterbleibt. Diese Countermajoritarian Difficulty behandelt die Schwierigkeit der potenziellen Unvereinbar­keit der richterlichen Verwerfungskompetenz450 mit dem mehrheitlichen Volkswil­ len451. Vor allem in der amerikanischen Literatur ist hierzu auch in der jüngeren Vergangenheit viel geschrieben worden452 , während der Streitstand in der deut­ schen Rezeption eine eher untergeordnete Rolle spielt 453. Zumeist wird in den umfangreicheren Darstellungen versucht, die unterschiedlichen Rechtferti­ gungsansätze der Countermajoritarian Difficulty zu analysieren, um dabei die praktikabelste Lösung zur Auflösung des gesamten Streits zu finden. Eine Kombination der verschiedenen Ansätze ist indessen praktikabler, wenn man sich von dem Gedanken freimacht, die Countermajoritarian Difficulty spuren­ los aufzulösen.

450 Zur Judicial Review siehe Kap.  3 B. II. 1. a) cc) (2), das insgesamt Aufschluss über das U.S.-amerikanische Gerichtssystem gibt. 451  Der griffige Name geht zurück auf die Erstveröffentlichung aus dem Jahre 1962 des Werkes von A. M. Bickel, The Least Dangerous Branch, 2.  Aufl. 1986. Siehe weiterhin J. N. Eule, Judicial Review of Direct Democracy, in: Yale Law Journal 99 (1990), S.  1503 (1513 ff.); M. J. Klarman, Virginia Law Review 77 (1991), S.  747 ff.; S. P. Croley, University of Chicago Law Review 62 (1995), S.  689 ff.; instruktiv B. Friedman, N.Y.U. Law Review 73 (1998), S.  333 ff.; R. W. Bennett, Northwestern University Law Review 95 (2001), S.  845 ff.; K. M. Sullivan/N. Feldman, Constitutional Law, 19.  Aufl. 2016, S.  28 f.; O. Bassok, Saint Louis Univer­ sity School of Law 31 (2012), S.  333 ff.; ders./Y. Dotan, International Journal of Constitutional Law 11 (2013), S.  13 ff. – Zum Teil wird dieser Streit auch als „Antimajoritarian Difficulty“ bezeichnet, so bspw. R. A. Lorz, Interorganrespekt im Verfassungsrecht, 2001, S.  487; Brugger, Grundrechte (Fn.  161), S.  2; ders., Einführung (Fn.  172), S.  12 f.; F. V. Lange, Grund­ rechtsbindung des Gesetzgebers. Eine rechtsvergleichende Studie zu Deutschland, Frank­ reich und den USA, 2010, S.  238. 452  Siehe hier nur jüngst J. P. Kastellec, Journal of Law and Courts 2016, S.  1 (2), der den Streit in Übereinstimmung mit anderen Autoren als „the central debate in the legal literature on judicial review“ bezeichnet. 453  Es sticht hier im Umfang hervor Hwang, Jurisdiktionsstaat (Einl, Fn.  18), S.  61 ff. Wei­ terhin gehen auf den Verfassungsstreit ein Brugger, Grundrechte (Fn.  161), S.  2; ders., Ein­ führung (Fn.  172), S.  12 f.; ders., Demokratie (Fn.  69), S.  182 ff., 217; U. R. Haltern, Der Staat 35 (1996), S.  551 (555 ff.); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  212 ff.; Lorz, Interorgan­ respekt (Fn.  451), S.  487 ff.; J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, 2003, S.  38 ff.; Schreier, Legitimation (Einl., Fn.  18), S.  63 f., 233. – In Deutschland wird die Verfas­ sungsmäßigkeit einer Normverwerfungskompetenz im Übrigen nicht als Demokratieprob­ lem verstanden, sondern ist als Frage der Gewaltenteilung zu verorten, siehe Zätzsch, Unab­ hängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  212 f.; Kau, Supreme Court (Einl., Fn.  18), S.  80 ff. Siehe überdies zur allgemeinen Vereinbarkeit verfassungsrechtlicher Rechtsprechung mit dem Demokratie­ prinzip M. Eberl, Verfassung und Richterspruch. Rechtsphilosophische Grundlegung zur Souveränität, Justiziabilität und Legitimität der Verfassungsgerichtsbarkeit, 2006, S.  293 ff.

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Die Kontroverse der Countermajoritarian Difficulty wurde von Bickel mit der Feststellung ausgelöst, dass die Verfassungsgerichtsbarkeit eine gegenmehr­ heitliche Gewalt im Gewaltenteilungsgefüge und somit undemokratisch sei454. Nichtsdestotrotz rechtfertige sich die Existenz einer Verfassungsgerichtsbarkeit neben Legislative und Exekutive aus dem Bedürfnis nach einer Institution, die als Hüter der Werte der Verfassung agiere455. Einschränkung erfahre diese Rol­ le allerdings durch die gebotene Zurückhaltung der Richter, die im Hinblick auf die sich in der Gesetzgebung widerspiegelnde Mehrheitsentscheidung zu einer Überwindung der Countermajoritarian Difficulty führen würde456. Heutzutage wird das Verfassungsproblem zumeist auf die Frage nach der demokratischen Legitimation der Verfassungsgerichtsbarkeit runtergebrochen457: Danach wi­ dersprechen die lebenslange Amtsdauer sowie die Unabsetzbarkeit der Bundes­ richter dem Demokratieprinzip als Mehrheitsherrschaft bzw. der Möglichkeit der Ab- oder Wiederwahl entscheidender Staatsorgane dann ganz entscheidend, wenn der U.S. Supreme Court Gesetze entgegen der Meinung der Mehrheit im Volke für verfassungswidrig erklärt458. Insbesondere, weil die Richter des U.S. Supreme Courts nicht vom Volk gewählt sind, erscheint es problematisch, dass sie die Gesetze des demokratisch durch Wahlen legitimierten Kongresses durch das Recht zur Judicial Review für verfassungswidrig erklären und damit außer Kraft setzen können, ohne selbst eine vergleichbare, sich wiederholende Legiti­ mation zu erfahren459. 454  Bickel, Branch (Fn.  451), S.  16 f.: „The root difficulty is that judicial review is a counter-­ majoritarian force in our system“ (Zitat S.  16). Eine deutsche Besprechung findet sich bei Hwang, Jurisdiktionsstaat (Einl., Fn.  18), S.  61 ff. 455 Siehe Bickel, Branch (Fn.  451), S.  25 f., 58. 456 So begründet Bickel schließlich die Notwendigkeit der judicial self-restraint, vgl. ­Bickel, Branch (Fn.  451), S.  111 f. Hierzu instruktiv Hwang, Jurisdiktionsstaat (Einl., Fn.  18), S.  61 f. 457  Zu dieser Einschätzung auch Hwang, Jurisdiktionsstaat (Einl., Fn.  18), S.  63. 458  So erstmalig Twining v. New Jersey, 211 U.S.  78, 106 (1906). Aus der Literatur so auch Brugger, Einführung (Fn.  172), S.  12. Zum Zusammenhang zwischen der demokratischen Mehrheit und der Judicial Review instruktiv weiterhin J. H. Choper, Judicial Review and the National Political Process, 1980, S.  4 ff. – Instruktiv zur öffentlichen Meinung in Bezug auf (wegweisende) Entscheidungen des U.S. Supreme Courts siehe V. J. Hoekstra, Public Reac­ tion to Supreme Court Decisions, 2003, S.  1 ff. 459 Siehe Brugger, Grundrechte (Fn.  161), S.  1 ff.; K. Ward, Journal of Law and Politics 18 (2002), S.  851 ff.; Ely, Democracy (Fn.  188), S.  4 f.; aus rechtsvergleichender Perspektive Hwang, Jurisdiktionsstaat (Einl., Fn.  18), S.  61 ff.; D. A. Farber/S. Sherry, Judgement Calls. Principle and Politics in Constitutional Law, 2009, S. xi sehen als Ausgangspunkt die un­ demokratische Natur des Prinzips des richterlichen Prüfungsrechts („antidemocratic nature of judicial review“) und versuchen in der Lösung der Countermajoritarian Difficulty einen Mittelweg zu gehen; weiterhin O. Bassok/Y. Dotan, International Journal of Constitutional

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Zu unterscheiden sind zwei verschiedenen Zugriffsmöglichkeiten auf die Countermajoritarian Difficulty, um zu ermitteln, was als eine mehrheitliche Meinung des Volkes anzusehen ist. Zum einen kann die Mehrheit mit dem tat­ sächlichen Willen des Volkes gleichgesetzt werden. Zum anderen kann aber auch der aggregierte Wille des Volkes in seinen Repräsentanten als Maßstab angesehen werden460. Eine solche Unterscheidung verkennt allerdings, dass die tatsächliche Mehrheit im Volk in Bezug auf eine bestimmte Entscheidung durch Umfragen nur schwerlich und kontinuierlich zu analysieren sein wird. Es ist indessen gerade Sinn und Zweck der Wahl von Volksvertretern, eine demokra­ tisch legitimierte Kontinuität herzustellen, um das Funktionieren der Politik überhaupt zu garantieren461, ohne das Meinungsbild in der Bevölkerung in der Zwischenzeit abermals anderweitig zu überprüfen. Wenngleich es inzwischen zahlreiche Formen gibt, das öffentliche Meinungsbild abzubilden, muss den­ noch bedacht werden, dass der U.S. Supreme Court, wenn er ein Gesetz für verfassungswidrig erklärt, das nach allgemeiner Ansicht für verfassungsgemäß erachtet wird, sich auch gegen den Kongress als Repräsentanten der Mehrheit wendet. Relevanz erlangt der Streit allerdings nur dann, wenn das oberste Ge­ richt ein Gesetz für mit der Verfassung vereinbar erklärt, sich aber herausstellt, dass die Meinung der Mehrheit des Volkes entgegengesetzter Natur ist 462. Kern des Streits ist die demokratische Legitimation der obersten Bundesrichter, die im Gegensatz zu der der Volksvertretung als unzureichend empfunden wird. Das Volk selber nimmt am Rechtssetzungsprozess auf Bundesebene in der Re­ gel aus praktischen Gründen nicht teil. Es ist daher auf die traditionelle Sicht abzustellen, nach der es auf die Volksvertreter als Maßstab der Mehrheitsver­ hältnisse ankommt. Das Volk selbst ist als Maßstab untauglich, da es durch ge­ wählte Vertreter repräsentiert wird. Dies ergibt sich vor allem aus der Erkennt­ nis, dass Gerechtigkeit nicht zwangsläufig an der mehrheitlichen Unterstützung durch das Volk gemessen werden kann463. Zur Wahrung von Recht und Gerech­ Law 11 (2013), S.  13 (14). – Zu dem spiegelbildlichen Problem der „Majoritarian Difficulty“ siehe S. P. Croley, University of Chicago Law Review 62 (1995), S.  689 (713 ff.). 460  Diese Unterscheidung trifft O. Bassok, Saint Louis University School of Law 31 (2012), S.  333 ff. Angedeutet ist sie auch bei B. Friedman, Michigan Law Review 101 (2003), S.  2596 (2596) sowie N. Persily, Introduction, in: ders./J. Critin/P. J. Egan (Hrsg.), Public Opinion and Constitutional Controversy, 2008, S.  3 (5). 461  Bis es moderne Möglichkeiten zur Ermittlung des Volkswillens gab, herrschte ge­ meinhin die Ansicht vor, der Wille des Kongresses sei stets mit dem Willen des Volkes gleichzusetzen, siehe A. Fried/D. B. Harris, Historian 72 (2010), S.  321 (341). 462 Zusammenfassend O. Bassok, Saint Louis University School of Law 31 (2012), S.  333 (339 ff.); J. A. Ferejohn/P. Pasquino, Journal of Constitutional Law 13 (2010), S.  353 ff. 463  Man könnte sogar noch weitergehen und behaupten, das Gegenteil sei der Fall, wenn man konstatiert, dass der Supreme Court der Vereinigten Staaten als oberstes Gericht und

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tigkeit überträgt das Volk vielmehr seine Mitwirkungsbefugnisse auf den Kon­ gress. Es stellt sich daher die Frage, wie eine Entscheidung des U.S. Supreme Courts trotz einer gegenläufigen demokratischen Mehrheitsentscheidung gerechtfertigt sein kann. Es ist wenig hilfreich, auf die Lehre des Originalism zurückzugreifen und das richterliche Prüfungsrecht auf klare Aussagen der Verfassung und die Vorstellungen der Verfassungsväter zu beschränken464. Damit würde man das Spannungsverhältnis zwischen Lebenszeiternennung und Mehrheitsveränderun­ gen nicht auflösen, sondern im Wesentlichen nur reduzieren. Zu seicht ist im Ergebnis auch die Ansicht, die Countermajoritarian Difficulty löse sich schlicht­ weg in Wohlgefallen auf, da der U.S. Supreme Court in seinen Entscheidungen in aller Regel mit dem öffentlichen Meinungsbild im Einklang stehe465 oder zu­ mindest den in der Verfassung verankerten Volkswillen gegenüber dem momen­ tanen durchzusetzen habe466. Solche Herangehensweisen führen zu falschen Er­ gebnissen und umgehen das Verfassungsproblem. Eine Negierung der Existenz der Countermajoritarian Difficulty greift indessen zu kurz, weil sich Meinungen und Regierungen ändern und zumindest bzw. spätestens ex post Abweichungen auftreten können467. Bickels Ansatz zur Rechtfertigung zeigt bereits eine ähnli­ che Tendenz, da er forderte, die Entscheidungen des U.S. Supreme Courts müss­ ten mit Blick auf die „allgemeine Befürwortung“ gefällt werden468. Insbesondere löst sich damit die Schwierigkeit der reduzierten demokratischen Legitimation der Richter nicht auf. Bickel verschiebt das Problem damit nur. gleichwertige Gewalt über die Beständigkeit der verfassungsmäßigen Grundordnung wacht. Gleichsinnig O. Bassok/Y. Dotan, International Journal of Constitutional Law 11 (2013), S.  13 (27 f.). Siehe darüber hinaus zur Beeinflussbarkeit der öffentlichen Meinung B. Friedman, Michigan Law Review 101 (2003), S.  2596 (2631 ff.). 464  So im Ergebnis auch Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  213. – Zu der Ausein­ andersetzung zwischen Judicial Restraint und Judicial Activism siehe Kap.  3 B. II. 1. a) cc) (3). 465  Siehe so D. G. Barnum, The Journal of Politics 47 (1985), S.  652 (662 ff.); W. Mishler/­R. S. Sheehan, The American Political Science Review 87 (1993), S.  87 (98); R. A. Dahl, Decision-Making in a Democracy. The Supreme Court as a National Policymaker, in: ders./ I. Shapiro/J. A. Cheibub (Hrsg.), The Democracy Sourcebook, 2003, S.  246 ff.; differenziert O. Bassok/Y. Dotan, International Journal of Constitutional Law 11 (2013), S.  13 (32 f.). 466  So die Theorie von Bickel, Branch (Fn.  451), S.  26. 467  Zumindest lässt sich die praktische Auswirkung der Countermajoritarian Difficulty unter Zugrundelegung dieser Annahme reduzieren. 468  Was er damit meint, ist, dass seine Entscheidung sich stets an den Mehrheitsverhältnis­ sen der demokratisch gewählten Organe orientieren müsse. Die majority rule-Idee steht da­ bei klar im Fokus von Bickels Ausführungen, vgl. Bickel, Branch (Fn.  451), S.  239: „The Court should declare as law only such principles as will-in time, but in a rather immediate foreseeable future-gain general assent.“ Siehe hierzu P. W. Kahn, Yale Law Journal 99 (1989), S.  1 (13 f.); Hwang, Jurisdiktionsstaat (Einl., Fn.  18), S.  62.

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Im Endeffekt löst genau der Faktor, der die Countermajoritarian Difficulty hervorruft, diese zumindest teilweise auch wieder auf: Das öffentliche Mei­ nungsbild, das sich in den Wahlen der parlamentarischen Vertreter verdichtet hat, führt zu einem Ersatz der demokratischen Direktlegitimation der Richter, da diese wiederum in einem verfassungskonformen Verfahren durch ihrerseits demokratisch legitimierte Volksvertreter bzw. den Präsidenten ernannt wur­ den469. Man könnte hier bereits argumentieren, die demokratische Legitimation des Senats sowie des Präsidenten selbst vermittelten den Richtern am U.S. ­Supreme Court ihrerseits eine demokratische Legitimation. Ein solcher Ansatz ist allerdings bereits aufgrund des direkten Demokratieverständnisses in den Vereinigten Staaten nicht hinreichend überzeugend. Demokratische Legitima­ tion wird in den USA idealiter direkt durch das Volk und nicht durch das Da­ zwischentreten von Vertretern nach dem deutschen Kettenmodell vermittelt. Darüber hinaus hilft dieser Ansatz nicht über die Schwierigkeit hinweg, dass die Richter des U.S. Supreme Courts lebenslang eingesetzt werden und grund­ sätzlich als unabsetzbar gelten, somit also keine legitimationsstiftende Wieder­ wahl stattfindet und das Volk den Richtern also ein etwaig entgegen gebrachtes Vertrauen nicht wieder entziehen kann470. Es offenbart sich einmal mehr das Spannungsfeld zwischen ausgedehnter verfassungsgerichtlicher Kontrolle und demokratischer Selbstkontrolle des Volkes, in dem sich die Countermajorita­ rian Difficulty befindet471. Ein erster Ansatz, dieses Spannungsverhältnis aufzulösen, ist die Einsicht, dass die Maximierung politisch-demokratischer Entscheidungsgewalt nicht au­ tomatisch einhergehen muss mit der gleichzeitigen Minimierung verfassungs­ gerichtlicher Zuständigkeiten472. Vielmehr muss von der starren Vorstellung der amerikanischen Demokratie als Orientierung am Mehrheitsprinzip abgerückt werden, da schließlich das Mehrheitsprinzip nur ein Mittel zum Erreichen größtmöglichen Gemeinwohls ist, jedoch nicht das einzige. Mehr als das Majo­ ritätsprinzip durchzusetzen, gilt es, die in der Verfassung niedergelegten grund­ legenden Werte zu schützen473. Der starren Vorstellung von den Vereinigten 469 

Ein ähnlicher Ansatz ist zu finden bei O. Bassok/Y. Dotan, International Journal of Constitutional Law 11 (2013), S.  13 (33). 470  Siehe statt vieler hier nur Brugger, Grundrechte (Fn.  161), S.  3. 471  Zu diesem Ansatz siehe Brugger, Demokratie (Fn.  69), S.  217 mit Fn.  9; aufgegriffen von Hoff, US-Supreme Court (Einl., Fn.  18), S.  196 f. Er geht zurück auf Berger, Government (Fn.  169). – Allgemein zur demokratischen Selbstkontrolle H. Abromeit, Wozu braucht man Demokratie? Die postnationale Herausforderung der Demokratietheorie, 2002, S.  92. 472 So Brugger, Einführung (Fn.  172), S.  13. 473  Eine Mehrheitsentscheidung ist nicht automatisch die optimale Entscheidung. So ist zu konstatieren, dass das Gemeinwohl in einer repräsentativen Demokratie ebenso durch Be­ rücksichtigung anderer Komponenten gefördert werden kann. Siehe so Brugger, Grundrech­

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Staaten als reine Majoritätsdemokratie müsste in letzter Konsequenz zu einem Abwenden von der Common Law-Tradition führen474. Es kommt jedoch auf den Repräsentationsgedanken an, dem auch die Idee des U.S. Supreme Courts als Bürge möglicherweise ignorierter Minderheitsbelange innewohnt 475. Das Common Law als Judge-Made Law sollte weniger als eine überholte Tradition in ei­ ner Zeit vermehrt verschriftlichter Gesetze angesehen werden, als vielmehr als eine Garantie dafür, dass das Recht sich stets weiterentwickelt und die Verfas­ sungsrechtsprechung mit ihm476. Das Spannungsverhältnis zwischen Volkswil­ le und Verwerfungskompetenz ist insofern einer freiheitlich demokratischen Grundordnung innewohnend; die Entscheidung für eine Unabsetzbarkeit der Richter sichert deren Unabhängigkeit ab und kann daher als Entscheidung für einen starken Konstitutionalismus in Form einer staatlichen Machtbegrenzung durch verfassungsrechtliche Freiheitsrechte vor den Prinzipien der Demokraten angesehen werden477. Als Alternative zur Unabsetzbarkeit der Verfassungsrich­ ter stünden im Übrigen lediglich periodische Wiederwahlen zur Verfügung, die zunächst zwar den Anschein größtmöglicher demokratischer Legitimation ver­ te (Fn.  161), S.  2 f.; ders., Einführung (Fn.  172), S.  13; Ely, Democracy (Fn.  188), S.  135 ff.; Hwang, Jurisdiktionsstaat (Einl., Fn.  18), S.  116 ff. 474  A. Scalia, Common-Law Courts in a Civil-Law System. The Role of United States Federal Courts in Interpreting the Constitution and Laws, in: A. Gutman (Hrsg.), A Matter of Interpretation. Federal Courts and the Law, 1997, S.  3 (37 ff.) vertritt in diesem Sinne einen strikten Textualismus: „This is preeminently a common-law way of making law, and not the way of construing a democratically adopted text“ (Zitat auf S.  40). Dazu C. R. Sunstein, One Case at a Time. Judicial Minimalism at the Supreme Court, 1999, Nachdr. 2001, S.  209 ff.; Hwang, Jurisdiktionsstaat (Einl., Fn.  18), S.  65 ff. 475  So auch Ely, Democracy (Fn.  188), S.  77 ff., 135 ff. Dazu ausführlich J. Riecken, Verfas­ sungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, 2003, S.  38 ff. 476  Diese Feststellung ist Konsequenz des Judicial Activism. Ihr liegt der ewige Streit im amerikanischen Verfassungsrecht zugrunde, ob die Verfassung historisch oder zeitgemäß auszulegen sei. Traditionell war die für die Interpretation maßgebliche Methode die des Originalism, nach der die Verfassung ihrem ursprünglichen Sinn entsprechend ausgelegt werden müsse. Siehe hierzu W. Heun, AöR 116 (1991), S.  185 ff.; ders., Originalism als Interpretati­ onsmethode im U.S.-amerikanischen Verfassungsrecht, in: R. Wahl (Hrsg.), Verfassungsän­ derung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation, 2008, S.  233 ff.; ders., Verfassung (Fn.  162), S.  113 ff.; L. B. Solum, What is Originalism?, 2011. Zur Abkehr vom original intent hin zur Beachtung der original meaning vgl. Whittington, Interpretation (Fn.  161), S.  34 ff.; C. Nelson, Chicago Law Review 70 (2003), S.  519 ff. Zur Common Law-Tradition siehe R. Pound, The Spirit of Common Law, 1921, S.  176. Zu den verschiedenen vertretenen Inter­ pretationsansätzen und -prinzipien siehe D. A. Strauss, The University of Chicago Law Re­ view 63 (1996), S.  877 (880 ff.) sowie Brugger, Demokratie (Fn.  69), S.  156 ff. 477  So auch S. P. Croley, University of Chicago Law Review 62 (1995), S.  689 (70 ff.); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  213 f.; Brugger, Demokratie (Fn.  69), S.  189 ff.; Bredt, Legitimation (Teil  1, Fn.  234), S.  166.

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung

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mitteln, im Ergebnis allerdings nicht nur im Hinblick auf die richterliche Unab­ hängigkeit, sondern vor allem wegen des in der freiheitlichen Demokratie mit­ unter verwirklichten Minderheitenschutzes als verfassungsrechtlich fragwürdig anzusehen sind478. Überdies ist bereits im Institut der Checks and Balances479 angelegt, dass die drei Gewalten – und in diesem Zusammenhang die Legislative sowie die Judi­ kative – voneinander völlig unabhängig sein müssen. Die Gewalten stehen ebenbürtig nebeneinander, mit partiellen Verwobenheiten, und üben zum Teil eine Kontrollfunktion übereinander aus480. Jede Gewalt sollte im Prinzip das­ selbe Gewicht im Vergleich zu den anderen Gewalten haben. Gewicht meint insofern auch Gegengewicht, mithin die im Rechtsstaat erforderliche Möglich­ keit, die Entscheidungen der anderen Gewalten zu überprüfen481. Die Berück­ sichtigung von Gemeinwohlbelangen durch den U.S. Supreme Court fungiert als Legitimationsersatz. Dieser spielt gegenwärtig eingedenk des kontroversen republikanischen Präsidenten sowie eines von den Republikanern dominierten Kongresses eine übergeordnete Rolle, weil die Einhaltung und Gewährleistung des in der Verfassung verbürgten Gemeinwohlinteressen obersten Ziel eines politisch neutralen, aber dennoch wirkungsvollen Verfassungsgerichts sein muss482. So ist die Lebenszeiternennung der U.S. Supreme Court-Richter vor dem Hintergrund der Sicherung der Gewaltenteilung als Check gegenüber den anderen Staatsgewalten verfassungsrechtlich geboten und kann daher auch in Anbetracht wechselnder Mehrheits- und Meinungsverhältnisse in der Bevölke­ rung gerechtfertigt sein. Die Countermajoritarian Difficulty sichert mithin die Rechtsstaatlichkeit der Vereinigten Staaten effektiv ab.

478 

Siehe hier nur S. P. Croley, University of Chicago Law Review 62 (1995), S.  689 (787); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  215. 479  Siehe zum Gewaltenteilungsgrundsatz Kap.  2 C. II. 2. 480  Vgl. auch L. H. Tribe, American Constitutional Law, Bd.  1, 3.  Aufl. 2000, S.  121 ff.: „Independence and Interdependence“ (Zitat auf S.  121). 481  Weitergehender, aber im Wesentlichen zutreffend ist in diesem Zusammenhang der Ansatz von Dworkin, der unterstreicht, dass die Rechtsprechung (resp. der U.S. Supreme Court) und die Gesetzgebung sachlich völlig unterschiedliche Entscheidungen treffen. Siehe R. Dworkin, Taking Rights Seriously, 1978, S.  81 ff., ders., Law’s Empire, 1986, Nachdr. 2010, S.  243 f. Gleichsinnig H. H. Wellington, Yale Law Review 83 (1973), S.  221 (266 f.). – Siehe zur Richterberufung als Democratic Check Schreier, Legitimation (Einl., Fn.  18), S.  130 f. 482  Ein ähnlicher Ansatz findet sich auch bei O. Bassok, Journal of Constitutional Law 16 (2013), S.  153 ff. im Hinblick auf die Legitimation des U.S. Supreme Courts.

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Zweiter Teil: Grundlagen

dd) Schlussfolgerungen für die demokratische Legitimation der Court Administration Für die Court Administration an den amerikanischen Gerichten ergeben sich vor allem in den mit der Richterauswahl zusammenhängenden Aufgabenberei­ chen Spannungen vor dem Hintergrund des Demokratieprinzips. Im Wesentli­ chen aber finden sich in den speziellen Zweigen des Court Managements kaum Angriffspunkte oder Zweifel an der demokratischen Legitimation, insbesondere weil die Gerichtsverwaltung im engeren Sinne mit der Richterauswahl nicht betraut ist 483. Es muss lediglich – trotz eines in der U.S.-amerikanischen Rechts­ ordnung unbekannten Kooptationsverbots – auf die Bestellung der U.S. Magistrate Judges484 verwiesen werden, für deren Auswahl die Richter der entspre­ chenden District Courts zuständig sind und die sich daher dem Vorwurf einer gewissen Ämterpatronage ausgesetzt sehen485. Das Verbot der richterlichen Selbstergänzung, wie es in Deutschland existiert, ist in den USA allerdings nicht geläufig. Dennoch kann zumindest festgestellt werden, dass auch in den Vereinigten Staaten eine positive Kooptation zumindest unüblich ist 486. 3. Legitimationsketten und Democratic Accountability im Vergleich Die deutsche Verfassungsrechtsdogmatik verfügt über ein differenziertes Sys­ tem zur Ermittlung und Herstellung demokratischer Legitimation mit einem hinreichenden Legitimationsniveau für jegliches staatliche Handeln487. Nicht nur, dass das Prinzip lückenloser Legitimationsketten der amerikanischen Ver­ fassungstheorie fremd ist, auch sucht man eine vergleichbare Dogmatik mit Blick auf das Erfordernis demokratischer Legitimation in den Vereinigten Staa­ ten vergeblich488. Der direkte Vergleich der demokratischen Legitimation der Rechtsprechung sowie der Gerichtsverwaltung in Deutschland und den USA zeigt vor allem, dass sich im Spannungsfeld des Demokratieprinzips primär die Methoden zur Richterwahl befinden: 483  Siehe explizit zu den Aufgaben der Gerichtsverwaltung unten Kap.  4 B. III (Infra­ strukturverwaltung, Ablaufverwaltung, Personalverwaltung und Finanzverwaltung). 484  Siehe zu der Rolle der Magistrate Judges als Organe der Gerichtsverwaltung Kap.  4 B. II. 2. a) bb). 485  C. E. Smith, United States Magistrates in the Federal Courts. Subordinate Judges, 1990, S.  29 ff. 486  Ausnahmen bildet lediglich die Beteiligung der Judikative bei der Auswahl der U.S. Magistrate Judges (28 U.S.C. §  631) sowie der Bankruptcy Judges (28 U.S.C. §  152), die je­ weils von anderen Richtern ernannt werden. Siehe dazu Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  45 f., 155 ff. 487  Vgl. hierzu knapp auch Schreier, Legitimation (Einl., Fn.  18), S.  131. 488  Schreier, Legitimation (Einl., Fn.  18), S.  130 f.

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung

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Sowohl in Deutschland auf Landes- und Bundesebene als auch in den Ver­ einigten Staaten auf Ebene zahlreicher Bundesstaaten gibt es Richterwahlaus­ schüsse bzw. vergleichbare Kommissionen, die in beiden Rechtsordnungen als Gegengewicht zu einer anderen als der dritten Gewalt geschaffen worden sind, um die politische Macht der Exekutive zu hemmen und um die politische Ein­ flussnahme im Wege der Volkswahl zurückzudrängen489. In der deutschen Ver­ fassungsliteratur ist eine vergleichsweise breite Beschäftigung vor allem mit den Fragen der Verfassungsmäßigkeit von Richterwahlausschüssen sowie dem Kooptationsverbot vor dem Hintergrund der demokratischen Legitimation von Richtern zu verzeichnen, während in den Vereinigten Staaten trotz vergleichba­ rer Probleme eine Rezeption bisher ausbleibt. Dies erklärt sich primär durch die auch im System der Merit Selection erforderlichen Bestätigungswahl des zuvor nach dem Missouri-Plan gewählten Richters490. Diese Retention Election er­ setzt eine möglicherweise fehlende demokratische Legitimation beteiligter Kommissions-Mitglieder und macht eine mit der deutschen Fokussierung auf dieses Thema vergleichbare Problematisierung obsolet. Wenn man in der deutschen Terminologie der Legitimationsmodelle bleiben will, lässt sich für die Richterberufung in den USA durch eine Wahl und Abruf­ barkeit vieler Staatenrichter491 ganz allgemein eine Tendenz zur personell-­ demokratischen Legitimation feststellen, die sich dadurch auszeichnet, dass die Rückführbarkeit des Richteramtes und der Rechtsprechung auf das Volk als Legitimationssubjekt gewährleistet ist492. Die vielfach verbreitete Kombination aus Wahl und Wiederwahl erscheint zunächst unter dem Gesichtspunkt der de­ mokratischen Legitimation als (mittelbare) Herrschaft durch das Volk zumin­ dest anscheinsweise vorzugswürdig, da sie zu einer wiederkehrenden, unmittel­ baren Abbildung der Mehrheitsverhältnisse im Volk führt. Sie bietet jedoch eine tiefgreifende Angriffsfläche für die Verletzung der richterlichen Unabhängig­ keit. Darüber hinaus resultiert aus der Repräsentation der Mehrheit durch die Wahl zwangsläufig das konträr dazu verlaufende Problem der Gefahr der Ver­ 489 

Vgl. im Überblick Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  160. So äußerst treffend auch Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  284: „Gegenüber dieser reinen Volkswahl bietet die Bestätigungswahl eine attraktive Kombination aus admi­ nistrativ organisierter Qualifikationsgarantie und direktdemokratischer Kontrollmöglichkeit in Gestalt der Nichtwiederwahl.“ 491  Zu den unterschiedlichen Methoden der Richterbestellung an den Gerichten der Bun­ desstaaten sowie zu den Bundesgerichten siehe ausführlich Kap.  4 B. III. 3. a) bb). 492  Vgl. zur demokratischen Abrufbarkeit Schreier, Legitimation (Einl., Fn.  18), S.  133. Zu ungenau geht hier Zätzsch vor, der die deutsche Terminologie zu unreflektiert auf den amerikanischen Richterwahlmethoden überträgt, siehe u. a. Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  211. 490 

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Zweiter Teil: Grundlagen

letzung von Minderheitenrechte493. Das durch eine direkte Richterwahl ausge­ löste Unbehagen in Deutschland lässt sich einerseits auf das tiefe deutsche Miss­ trauen gegenüber Elementen direkter Demokratie zurückführen und ist ande­ rerseits bereits in der unterschiedlichen rechtspolitischen Vorstellung von der Rolle des Richters an sich in den verschiedenen Rechtsordnungen begründet 494. Die Vielfältigkeit der Methoden zur Richterbestellung in demokratischen Ver­ fassungsstaaten495 beweist zwar zunächst, dass sowohl die variablen Methoden in der deutschen Rechtsordnung sowie die in den Gliedstaaten der USA prakti­ zierte Wahl durch das Volk „demokratiekompatible Grundmodelle darstel­ len“496, allerdings wird zugleich deutlich, dass beide Verfassungsordnungen insbesondere im Bereich der demokratischen Legitimation der Richter markan­ te Unterschiede regelrecht kultivieren. Die Richterwahl ist insgesamt in den Vereinigten Staaten viel stärker als in Deutschland Teil eines Gesamtsystems direktdemokratischer Elemente, das über eine Laienbeteiligung bei Gerichts­ verhandlungen in Form der Jury über verbreitete Volksabstimmungen bis zur plebiszitären Beteiligung bei der Richterbestimmung reicht 497. Für die Bundesrichter der Vereinigten Staaten gilt, was in Deutschland an allen Gerichten Standard ist: Die lebenslange Amtsdauer „during good behaviour“. Das Richterbild ist insofern in beiden Rechtsordnungen ähnlich498. Dass allerdings die Normverwerfungskompetenz der Bundesrichter eine solche Spannung vor dem Hintergrund der demokratischen Legitimation der Bundes­ richter entfaltet, ist für das deutsche Bundesverfassungsgericht undenkbar499. Der wesentliche Unterschied besteht für die Legitimation richterlichen Han­ delns darin, dass die Gesetzesbindung der U.S.-amerikanischen Richter nicht wie in Deutschland als Quelle der demokratischen Bindung angesehen werden 493 

Siehe allgemein zum Zusammenhang von Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz Brunhöber, Erfindung (Fn.  396), S.  242 ff. 494 Vgl. Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  224 f. 495  Siehe den umfassenden Rechtsvergleich bei Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  272 ff. 496 Vgl. Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  278 ff.; Dreier (Fn.  184), Art.  20 (De­ mokratie), Rn.  139. 497  Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  223 f. Siehe zu direktdemokratischen Ele­ menten, die in den USA vor allem in Bundesstaaten mit periodischer Wiederwahl verbreitet sind, H. K. Heußner, Volksgesetzgebung in den USA und in Deutschland, 1990, S.  157 f.; Stelzenmüller, Demokratie (Fn.  414), S.  113 ff., 197 ff.; Bredt, Legitimation (Teil  1, Fn.  234), S.  161. 498 Siehe auch Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  226; allgemein auch Singer, Rechtsklarheit (Teil  1, Fn.  13), S.  108 f. 499  Siehe zum Normenkontrollverfahren in Deutschland sowie den USA im Rechtsver­ gleich Kau, Supreme Court (Einl., Fn.  18), S.  263 ff.; zur demokratischen Legitimation der Verfassungsrichter in Deutschland siehe Schreier, Legitimation (Einl., Fn.  18), S.  140 ff.

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kann, da alle Gerichte in den USA die Kompetenz zur Verwerfung von Geset­ zen besitzen und lediglich durch Präjudizien gebunden sind500. Die sachlich-­ inhaltliche Legitimation der amerikanischen Richter stellt sich also ähnlich der deutschen als prekär dar; doch während die Gesetzesbindung in der deutschen Verfassungsdogmatik zumindest teilweise als Korrektiv in der Gemengelage der richterlichen Unabhängigkeit für eine Legitimation sorgt501, muss für die amerikanischen Richter etwas vage auf die verfassungsrechtlich verankerten Wertevorstellungen der Gesellschaft zurückgegriffen werden, um eine Bindung im weitesten Sinne zu erreichen, ohne die richterliche Unabhängigkeit zu beein­ trächtigen502. Im Rückgriff auf die demokratische Verantwortlichkeit bzw. Democratic Accountability zeigt sich eine erhebliche Ähnlichkeit in beiden Rechts­ ordnungen, obwohl dieses Korrektiv in den USA einen größeren Stellenwert einnimmt. Sowohl in Deutschland als auch in den Vereinigten Staaten kann die demokratische Legitimation der Rechtsprechung nicht ausschließlich durch die Gesetzesbindung im Ausgleich zur Gewährung richterlicher Unabhängigkeit erreicht werden503. In beiden Staaten ist eine inhaltliche Kontrolle richterlichen Handelns stark abgeschwächt504. Korrigierende Kontrollmechanismen formaler und informaler Natur finden sich hingegen in beiden Rechtsordnungen; diese haben im Ergebnis eine äußerst ähnliche Zielrichtung: Zu nennen sind Dienstauf­ sichts- und disziplinarische Maßnahmen, die zivil- und strafrechtliche Verant­ wortlichkeit, die Richteranklage bzw. das Impeachment-Verfahren sowie eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit505. Die Kontrollierbarkeit richterlichen Han­ 500  So

auch Bredt, Legitimation (Teil  1, Fn.  234), S.  159 f. Siehe weiterhin Blumenwitz, Einführung (Teil  1, Fn.  201), S.  24 ff. 501 Siehe hierzu nur Classen, Legitimation (Einl., Fn.  78), S.  20; K. Rennert, JZ 2015, S.  529 (530). 502  Vgl. das Fazit bei Bredt, Legitimation (Teil  1, Fn.  234), S.  168. Siehe weiterhin zu den Wertevorstellungen und Gemeinwohlbelangen zur Auflösung der Countermajoritarian Diffi­ culty Brugger, Grundrechte (Fn.  161), S.  2 f.; ders., Einführung (Fn.  172), S.  13; ders., Demo­ kratie (Fn.  69), S.  88 ff. – Siehe allgemein mit Kritik zum Gemeinwohl als Legitimationskri­ terium Peters, Elemente (Fn.  198), S.  569 ff. 503  Es ergeben sich in Deutschland insofern primär Schwierigkeiten aufgrund der richter­ lichen Rechtsfortbildung; in den USA ist das Problem aufgrund der Bindung an Präjudizien sowie der – wenn auch wenig praktizierten – grundsätzlichen Befugnis sämtlicher Richter zur Normverwerfung ähnlich gelagert und sogar verschärft. 504  A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (679); Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  156. 505  Nochmals im Überblick für Deutschland G. Seidel, RuP 38 (2002), S.  98 (103); Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  157 ff. Im Rechtsvergleich anschaulich dargestellt unter dem Oberbegriff „Richterauswahl als Kontrollelement“ von Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  175 ff., 193 ff.; darüber hinaus aus U.S.-amerikanischer Sicht Wheeler, Inde­ pendence (Einl., Fn.  75), S.  547 ff.

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Zweiter Teil: Grundlagen

delns hat in den USA mit dem Prinzip der Judicial Accountability jedoch einen vergleichsweise höheren Stellenwert als in Deutschland. II. Gewaltenteilungsprinzip Die rechtsprechende Gewalt ist als Objekt der Gerichtsverwaltung in das Ge­ füge der verschiedenen Staatsgewalten einzuordnen. Dies gilt nicht nur für die Verankerung in der deutschen Rechtsordnung, sondern auch für die U.S.-ame­ rikanische Gerichtsbarkeit im Gewaltengefüge506. Die Gewaltenteilung ist so­ wohl in der deutschen507 als auch in der U.S.-amerikanischen508 Rechtsordnung eine Ausprägung von Rechtsstaatlichkeit. In beiden Rechtsordnungen findet sich mithin die Verteilung der staatlichen Funktionen auf die Trias von Legisla­ tive, Exekutive und Judikative509. In diese Ordnung muss sich auch die Ge­ richtsverwaltung eingliedern lassen. Im deutschen Verständnis wird die Gewal­ tenteilung durch zahlreiche Gewaltenverschränkungen ergänzt (1.). Das U.S.-­ amerikanische Prinzip der Gewaltenteilung wird strenger eingehalten, findet jedoch Ergänzung durch ein System von Checks and Balances (2.). Abschlie­ ßend sind beide Systeme der Gewaltenteilung einander gegenüberzustellen (3.). 1. Das deutsche Prinzip der Gewaltenteilung und Gewaltenverschränkung Im deutschen Rechtssystem folgt das Gewaltenteilungsprinzip510 in erster Linie aus Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG. Dort heißt es, dass alle Staatsgewalt „durch beson­ 506 Allgemein

C. D. Classen, JZ 2003, S.  693 (695). Mit Blick auf die Terminologie Ge­ richtsverwaltung und Court Administration ist dies im 1.  Kapitel bereits vorgenommen wor­ den, wo auch eine erste Einordnung ins Gewaltengefüge erfolgt ist. 507  H. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GGK II (Fn.  184), Art.  20 (Rechtsstaat), Rn.  66 f.; Grzeszick (Fn.  185), Art.  20 II Rn.  57; E. Schmidt-Aßmann, HStR³ II, §  26 Rn.  46 ff.; Stern, Staats­ recht I (Fn.  188), S.  792 ff.; Jarass/Pieroth (Teil  1, Fn.  72), Art.  20 Rn.  23 trägt zumindest Überschneidungen zwischen Gewaltenteilungs- und Rechtsstaatsprinzip vor, wenngleich man nicht von einem Unterfall sprechen könne; Müller, Rahmen (Fn.  133), S.  182 f. 508 Vgl. Tribe, Constitutional Law (Fn.  480), S.  118 ff.; A. v. Arnauld, Rechtsstaat, in: ­Depenheuer/Grabenwarter, Verfassungstheorie (Einl., Fn.  39), §  21 Rn.  25; W. J. Oleszek, Congressional Procedures and the Policy Process, 9.  Aufl. 2014, S.  3 ff. 509  Anknüpfend an C. de Montesquieu, Vom Geist der Gesetze (1749), XI. Buch, 6.  K api­ tel, abgedruckt in: E. Forsthoff (Hrsg.), Vom Geist der Gesetze, Bd.  1, 2.  Aufl. 1992, S.  214 ff.; vgl. hierzu C.-F. Menger, Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit, 8.  Aufl. 1993, Rn.  152 ff. („Die Lehre von der Trennung und vom Gleichgewicht der Gewalten bei Locke und Montesquieu“). Dazu R. Weber-Fas, JuS 2005, S.  882 ff.; Payandeh, Rechtserzeugung (Einl., Fn.  2), S.  92 ff., der die Herausbildung der Judikative als eigene Staatsgewalt anschau­ lich entwickelt. 510  Siehe für einen ersten Überblick Huster/Rux (Teil  1, Fn.  80), Art.  20 Rn.  155 ff.; ferner Möllers, Gewaltengliederung (Teil  1, Fn.  41); ders., AöR 132 (2007), S.  493 ff.; U. Di Fabio,

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dere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtspre­ chung ausgeübt“ wird. Das grundgesetzliche Prinzip der Gewaltenteilung wird indessen nicht einheitlich gedeutet, da zum Teil der eigenständige Regelungs­ gehalt von Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG bezweifelt wird511. Ganz überwiegend jedoch wird die Gewaltenteilung als eigenständiges Prinzip in Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG verortet512. Es beschreibt grundsätzlich eine strikte Funktionentrennung, die ­allerdings durch Verschränkungen der Gewalten in gewissem Umfang durch­ brochen werden kann (a.). Solchen Gewaltenverschränkungen sind allerdings durch die Kernbereichslehre Grenzen auferlegt (b.). Die Rechtsprechung wird gemeinhin dem Kernbereich der Judikative zugeordnet513, Unklarheiten bestehen allerdings bezüglich der eindeutigen Zuordnung der Gerichtsverwaltung (c.). a) Funktionentrennung und Gewaltenverschränkung Die Bestimmung des Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG legt zunächst lediglich die ver­ schiedenen Organe für die Ausübung deutscher Staatsgewalt fest und formuliert somit nur die Aufteilung eben dieser Funktionsträger514. Die maßgebliche Ge­ waltenzuordnung erfolgt schließlich auch im Zusammenspiel mit der in Art.  20 Abs.  3 GG normierten Gesetzesbindung sowie den gerichtlichen Kontrollkom­ petenzen515. Im Übrigen findet sich eine im Wesentlichen gleichlautende Tren­ nung der drei Gewalten in Art.  1 Abs.  3 GG. Die drei Träger der Staatsfunktio­ nen unterliegen begrifflich im modernen Rechtsstaat effektiv keiner Teilung (wie im Wortsinn der „Gewaltenteilung“ angelegt), wohl aber einer Trennung der Gewalten, welche der jeweiligen Selbstverwirklichung gerecht zu werden hat516. Der Grundsatz der insofern bekräftigten Gewaltenteilung wird gemein­ HStR³ II, §  27; H.-D. Horn, Gewaltenteilige Demokratie, demokratische Gewaltenteilung, in: AöR 127 (2002), 427 ff.; Hesse, Grundzüge (Teil  1, Fn.  15), Rn.  207 ff.; M. Cornils, Gewalten­ teilung, in: Depenheuer/Grabenwarter, Verfassungstheorie (Einl., Fn.  39), §  20; ein histori­ scher Überblick über die Entwicklung des Gewaltenteilungsprinzips findet sich bei G.-C. v. Unruh, JA 1990, S.  290 ff. 511  Siehe im Überblick C. Möllers, AöR 132 (2007), S.  493 (495 f.); Minkner, Gerichtsver­ waltung (Einl., Fn.  7), S.  191 ff. 512  U. Di Fabio, HStR³ II, §  27 Rn.  1 ff., 8; Schulze-Fielitz (Fn.  507), Art.  20 (Rechtsstaat), Rn.  67. Kritisch zur Gewaltenteilung als „Prinzip“ C. Möllers, AöR 132 (2007), S.  493 (506 f.). 513  Voßkuhle, Rechtsschutz (Teil  1, Fn.  1), S.  54 f. 514  Man kann insofern auch von „Funktionenordnung“ sprechen, wie Achterberg, Verwal­ tungsrecht (Teil  1, Fn.  60), §  7 Rn.  2. Mit einem Appell für die Verwendung des Begriffs der Gewaltengliederung, anstatt von „Teilung“ oder „Trennung“ zu sprechen, C. Möllers, AöR 132 (2007), S.  493 (501). 515  E. Schmidt-Aßmann, HStR³ II, §  26 Rn.  46 ff. 516  So anschaulich mit Hinweisen auf Montesquieu siehe Brüggemann, Gewalt (Teil  1, Fn.  13), S.  54. Die Ansicht von Böckenförde, Gesetzgebende Gewalt (Teil  1, Fn.  60), S.  13, der

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hin als „tragendes Organisationsprinzip des Grundgesetzes“ verstanden517. Die besondere Bedeutung der Art.  20 Abs.  2, 3 und Art.  1 Abs.  3 GG ergibt sich bereits aus Art.  79 Abs.  3 GG, welcher die Unabänderlichkeit des Gewaltentei­ lungsprinzips in seinen Grundzügen statuiert, indem er eine Abänderung der in den Art.  1 bis 20 GG niedergelegten Grundsätze für unzulässig erklärt518. Zum änderungsfesten Kern der Gewaltenteilung gehört in diesem Zusammenhang zum einen die schlichte Unterscheidung der drei Funktionen Legislative, Exe­ kutive und Judikative sowie zum anderen die Zuordnung dieser Bereiche zu getrennten Organen519. Es wird demgemäß zwischen funktioneller und institu­ tioneller Gewaltenteilung unterschieden. In funktioneller Hinsicht teilt Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG die drei elementaren Staatsfunktionen in Gesetzgebung, voll­ ziehende Gewalt und Rechtsprechung ein520. Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG erlangt da­ rüber hinaus dadurch Bedeutung, dass die dreigeteilten Funktionen in institu­ tioneller Hinsicht „besonderen Organen“ als Trägern eben dieser Funktionen zugewiesen werden. Dies wird als organisatorische oder institutionelle Ge­ waltenteilung bezeichnet521. Von der in Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG verankerten sog. in diesem Zusammenhang den Begriff der „Gewaltengliederung“ bevorzugt, einheitliche Staatsgewalt werde weder getrennt noch geteilt, ist indes weniger überzeugend, da sich die Aufteilung der Staatsgewalten in die drei Bereiche eben nicht mit einer schlichten Gliede­ rung begnügt, sondern gewisse Kernbereiche der Gewalten durchaus von anderweitiger Ein­ flussnahme verschont bleiben müssen und insofern verfassungsrechtlich eine Trennung in­ tendiert ist, vgl. ähnlich C. Möllers, AöR 132 (2007), S.  493 (499, 501 f.). 517  BVerfGE 3, 225 (247); 34, 52 (59); 67, 100 (130); B. Sinemus, Der Grundsatz der Ge­ waltenteilung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 1982, S.  100 ff.; U. Di Fabio, HStR³ II, §  27 Rn.  8; D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  5; Grzeszick (Teil  1, Fn.  65), Art.  20 V (2013), Rn.  1. 518  Siehe zur Bedeutung von Art.  79 Abs.  3 GG für die Gewaltenteilung R. Rubel, in: Umbach/Clemens, GG (Teil  1, Fn.  9), Art.  79 Rn.  40; B.-O. Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG (Teil  1, Fn.  9), Art.  79 Rn.  45; J. Dietlein, in: Epping/Hillgruber, GG (Teil  1, Fn.  24), Art.  79 Rn.  42; M. Sachs, in: ders., GG (Einl., Fn.  6), Art.  79 Rn.  74; R. Sannwald, in: Schmidt-Bleib­ treu/Hofmann/Henneke, GG (Teil  1, Fn.  11), Art.  79 Rn.  67. 519  Dietlein (Fn.  518), Art.  79 Rn.  42; Sachs (Fn.  518), Art.  79 Rn.  74; J. Ipsen, Staatsrecht I. Staatsorganisationsrecht, 31.  Aufl. 2019, Rn.  759 ff. 520  Stern, Staatsrecht II (Teil  1, Fn.  11), S.  536; R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, 16.  Aufl. 2010, §  3 III 2, §  9 III 3; A. Rieger, Verfassungsrechtliche Legitimationsgrundlagen richterlicher Unabhängigkeit. Zugleich eine Auseinandersetzung mit der Debatte um eine Selbstverwaltung der Justiz, 2011, S.  49 f.; Möllers, Gewaltengliederung (Teil  1, Fn.  41), S.  94 ff.; Ipsen, Staatsrecht (Fn.  519), Rn.  759 ff. – Es sei bereits an dieser Stelle angemerkt, dass eine völlig trennscharfe Unterscheidung nicht ausnahmslos möglich ist bzw. vollzogen wird, vgl. Schulze-Fielitz (Fn.  507), Art.  20 (Rechtsstaat), Rn.  70 ff.; Sommermann (Teil  1, Fn.  80), Art.  20 Rn.  211. 521  BVerfGE 68, 1 (86); 98, 218 (151): „organisatorische und funktionelle Unterscheidung und Trennung der Gewalten“; siehe auch Stern, Staatsrecht II (Teil  1, Fn.  11), S.  537; Schulze-­

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horizontalen Gewaltenteilung zu unterscheiden ist überdies eine vertikale Ge­ waltenteilung durch die in Art.  30 GG verankerte bundesstaatliche Kompeten­ zaufteilung und durch die Selbstverwaltung der Gemeinden, die durch Art.  28 Abs.  2 GG konstituiert wird522. Die politische Machtentfaltung auf Ebene der unterschiedlichen Gewalten soll durch die horizontale Trennung der drei Gewalten wechselseitig kontrol­ liert, gehemmt und einer gewissen Bindung unterworfen werden, um so einen sinnvollen Ausgleich der Kräfteverhältnisse im Staat zu gewährleisten523. Sinn und Zweck der Aufteilung der Gewalten in drei voneinander unabhängig beste­ hende staatliche Einheiten sind in erster Linie rechtsstaatlicher Natur524. Eine Verquickung mit dem ebenfalls in Art.  20 Abs.  2 GG verankerten Demokratie­ prinzip ist überdies evident525. Letztlich führt das Prinzip der Gewaltenteilung zu einer Mäßigung der Staatsherrschaft und dient mithin dem Schutz individu­ eller Freiheit vor exzessiver Machtausübung unter der Zugrundelegung des Ziels, den Grundrechten als Grundbaustein einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung größtmögliche Wirksamkeit zu verschaffen526. In diesen Zusam­ menhang der Gewaltenteilung als Ausdruck moderner Verfassungsstaatlich­ keit527 wird auch die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter eingeord­ net528. Als allzu strikt darf dieses Prinzip von der Gewaltenteilung allerdings nicht verstanden werden. Vom verfassungsrechtlich verankerten Grundprinzip her besteht zwar eine (funktionale) Teilung der drei Gewalten, diese gestaltet Fielitz (Fn.  507), Art.  20 (Rechtsstaat), Rn.  69; D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  6; Huster/Rux (Teil  1, Fn.  80), Art.  20 Rn.  155; Ipsen, Staatsrecht (Fn.  519), Rn.  759 ff., 765 ff. 522  U. Di Fabio, HStR³ II, §  27 Rn.  11; Jarass/Pieroth (Teil  1, Fn.  72), Art.  20 Rn.  23; siehe weiterhin C. Möllers, AöR 132 (2007), S.  493 (503, 526 f.). 523  BVerfGE 3, 225 (247); 34, 52 (59); 67, 100 (130); 95, 1 (15); vgl. Stern, Staatsrecht II (Teil  1, Fn.  11), S.  538 ff.; ausführlich Grzeszick (Teil  1, Fn.  65), Art.  20 V (70. EL 2013) Rn.  29 ff.; siehe auch F. Czermak, DÖV 1967, S.  673 (674); Schulze-Fielitz (Fn.  507), Art.  20 (Rechtsstaat), Rn.  68; Huster/Rux (Teil  1, Fn.  80), Art.  20 Rn.  155; M. Herdegen, in: T. Maunz/­ G. Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art.  79 (2014), Rn.  146. 524 Die Gewaltenteilung kann als eine „Grundforderung des Rechtstaates“ angesehen werden. Vgl. auch D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  5; Sommermann (Teil  1, Fn.  80), Art.  20 Rn.  207. 525  R. Poscher, Funktionenordnung des Grundgesetzes, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-­ Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen (Teil  1, Fn.  41), §  8 Rn.  19 ff. 526  BVerfGE 3, 225 (247); 9, 268 (279); 22, 106 (111); 68, 1 (86); 95, 1 (15); H.-J. Vogel, NJW 1996, S.  1505 (1505); D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  6; Huster/Rux (Teil  1, Fn.  80), Art.  20 Rn.  155. 527  Sommermann (Teil  1, Fn.  80), Art.  20 Rn.  206. 528  R. Knieper, JOR 45 (2004/II), S.  305 (305); im Kern ähnlich: Rieger, Legitimations­ grundlagen (Fn.  520), S.  56 ff.; Grzeszick (Teil  1, Fn.  65), Art.  20 V Rn.  105 ff.; U. Di Fabio, HStR³ II, §  27 Rn.  27.

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Zweiter Teil: Grundlagen

sich de facto jedoch vielmehr als gewaltenverschränkend529. Es kommt nicht selten zu „wechselseitige[n] Interaktionen der Staatsorgane bei der Handhabung der ihnen jeweils anvertrauten staatlichen Gewalt“530. Der Begriff der „Ge­ waltenteilung“ ist letztlich als solcher originär gar nicht im Verfassungstext des Grundgesetzes enthalten, sodass der strikten Trennung keine normative Bedeu­ tung zukommen kann531. Im Ergebnis muss es trotz zugelassener und teils vor­ gesehener Verschränkungen der Gewalten jedoch bei getrennten Zweigen in funktionaler und organisatorischer Hinsicht bleiben. Solange die von der Ver­ fassung vorgenommene Verteilung der Gewalten zwischen den drei Gewalten gewährleistet ist, sind gewisse „Aufbrechungen“ des Gewaltenteilungsprinzips mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung vereinbar532. Entgegen anderslautender Meinungen533 handelt es sich bei der Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf Funktionsträger der dritten Gewalt nach allgemeinem Verständnis insofern um eine „Durchbrechung“ des verfassungsrechtlich verankerten Gewaltentei­ lungsrundsatzes534, da sich Funktionen verschiedener Gewalten in diesem Auf­ gabenbereich vereinen und überschneiden. b) Grenzen der Gewaltenverschränkung Trotz gewisser Vermischungen der Gewalten muss der Gesetzgeber die in der Verfassung vorgenommene Verteilung der Gewichte respektieren und gewähr­ leisten, dass keine Gewalt ein Übergewicht über andere Gewalten erhält, son­ 529  U. Di Fabio, HStR³ II, §  27 Rn.  31 ff.; Huster/Rux (Teil  1, Fn.  80), Art.  20 Rn.  160; ­ ofmann (Teil  1, Fn.  53), Art.  20 Rn.  53; Sommermann (Teil  1, Fn.  80), Art.  20 Rn.  212. – H U. Hochschild, Betrifft Justiz 81 (2005), S.  18 (20) lehnt die Existenz der Gewaltenverschrän­ kung in Deutschland ab, da nach seiner Einschätzung die Dritte Gewalt bisher zu keiner ei­ genständigen Bedeutung gekommen sei. 530  H.-J. Vogel, NJW 1996, S.  1505 (1506); dazu auch unter dem Stichwort der Querver­ bindungen U. Di Fabio, HStR³ II, §  27 Rn.  31 ff.; siehe weiterhin Rieger, Legitimationsgrund­ lagen (Fn.  520), S.  52. 531 Vgl. F. Czermak, DÖV 1967, S.  673 (674). 532  BVerfGE 9, 168 (179 f.); 30,1 (27 f.); 34, 52 (59); zur Kernbereichslehre E. Schmidt-­ Aßmann, HStR³ II, §  26 Rn.  56; Schulze-Fielitz (Fn.  507), Art.  20 (Rechtsstaat), Rn.  71; so Herdegen (Fn.  523), Art.  79 (72. EL 2014) Rn.  149 für Verschränkungen der Gewalten im Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive. 533  So unter anderem G. Hermes, in: Dreier, GGK II (Fn.  184), Art.  62 Rn.  24; Möllers, Gewaltengliederung (Teil  1, Fn.  41), S.  15 ff.; Cornils, Gewaltenteilung (Fn.  510), Rn.  61 ff. 534  BVerfGE 4, 331 (346 f.): „Allerdings fordert das Grundgesetz keine vollständige Tren­ nung von Verwaltung und Rechtsprechung, läßt vielmehr gewisse Überschneidungen zu. So bestehen gegen eine nebenamtliche Betrauung des Richters mit Geschäften der Justizverwal­ tung […] keine Bedenken.“ Vgl. Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  12; D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  33 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  21, 189 ff.; Ipsen, Staatsrecht (Fn.  519), Rn.  766.

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung

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dern dass eine gewisse Mindestbalance zwischen den Gewalten gewahrt bleibt535. Um der Gefahr einer ausufernden Gewaltenverschränkung entgegen­ zuwirken, hat das Bundesverfassungsgericht die „Kernbereichslehre“ ent­ wickelt, welche allen Staatsgewalten einen unveränderbaren Kernbereich auto­ nomer Zuständigkeiten und Wirkungsmöglichkeiten garantieren soll536. Damit soll eine Aushöhlung des Gewaltenteilungsgrundsatzes verhindert werden537. Zumeist werden diese Kernbereiche qualitativ insofern abgegrenzt, als dass eine Gewalt nicht die Funktion einer anderen Gewalt usurpieren darf. Hieraus folgt letztlich der logische Schluss, dass nur abseits dieses eigentümlichen Kern­bereichs eine flexible Zuordnung von Funktionen und Organen bzw. eine Vermischung der Gewalten zulässig ist538. Ein zentraler Aspekt der Zuordnung von „Kernbereichen“ liegt darin, dass „staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Orga­ nisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen“539 (sog. Organadäquanz)540.

535  BVerfGE 9, 268 (279 f.); 22, 106 (111); 34, 52 (59); 95, 1 (15); vgl. auch W. Leisner, Gewaltenteilung innerhalb der Gewalten. Ein Beitrag zum Problem der Hierarchie, in: H. Spanner/P. Lerche u. a. (Hrsg.), Festgabe Theodor Maunz, 1971, S.  267 (280 ff.); D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  8. 536  Siehe dazu C. Möllers, AöR 132 (2007), S.  493 (499 f.); v. Bernstorff, Gerichtsverwal­ tung (Einl., Fn.  17), S.  83. 537  BVerfGE 9, 268 (280); 34, 52 (59); 95, 1 (15); G. Zimmer, Funktion – Kompetenz – Le­ gitimation, 1979, S.  23, 217 ff., 237 ff.; P. Kunig, Der Rechtsstaat, in: Badura/Dreier, FS BVerfG II (Fn.  192), S.  421 (437 ff.); E. Schmidt-Aßmann, HStR³ II, §  26 Rn.  56; Möllers, Ge­ waltengliederung (Teil  1, Fn.  41), S.  73 ff.; Rieger, Legitimationsgrundlagen (Fn.  520), S.  55 f.; Grzeszick (Teil  1, Fn.  65), Art.  20 V Rn.  50 ff., 86 f.; Ipsen, Staatsrecht (Fn.  519), Rn.  767; ­Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), Einl. Rn.  141; Schulze-Fielitz (Fn.  507), Art.  20 (Rechtsstaat), Rn.  71. 538  BVerfGE 68, 1 (86 f.); 95, 1 (15); 98, 218 (251 f.); Kuhl, Kernbereich (Teil  1, Fn.  71), S.  127; P. Lerche, Gewaltenteilung – deutsche Sicht, in: J. Isensee (Hrsg.), Gewaltenteilung heute, 2000, S.  75 ff.; Grzeszick (Teil  1, Fn.  65), Art.  20 V (70. EL 2013) Rn.  50; staatstheore­ tisch ferner H. Seiler, Gewaltenteilung. Allgemeine Grundlagen und schweizerische Ausge­ staltung, 1994, S.  304 ff.; Möllers, Gewaltengliederung (Teil  1, Fn.  41), S.  73 ff. spricht inso­ fern treffend von der Gewaltenteilung als Verbot organfremder Gewaltenusurpation. 539  Siehe abermals BVerfGE 68, 1 (86); 95, 1 (15); 98, 218 (251 f., Rn.  136); Grzeszick (Teil  1, Fn.  65), Art.  20 V (70. EL 2013) Rn.  50 ff. 540  Mit einer funktionellen Betrachtungsweise u.  a. Kuhl, Kernbereich (Teil  1, Fn.  71), S.  130 ff.; U. Di Fabio, HStR³ II, §  27 Rn.  10; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  190; Sachs (Fn.  196), Art.  20 Rn.  81; Schulze-Fielitz (Fn.  507), Art.  20 (Rechtsstaat), Rn.  71.

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Zweiter Teil: Grundlagen

c) Die besondere Stellung der dritten Gewalt im Gefüge des Trennungsdogmas Im Gefüge der Gewalten nimmt die Rechtsprechung eine besonders schützens­ werte Stellung ein541. Die an sich strikte Aufteilung der Gewalten wird im Be­ reich der Rechtsprechung vor allem durch die Unabhängigkeitsgarantie des Art.  97 GG sowie die strikten Inkompatibilitätsvorschriften deutlich, welche personelle Verbindungen zwischen dem Amt als Richter und Ämtern in Legisla­ tive oder Exekutive verbieten oder beschränken542. Einen durchbrechungs­festen Charakter hat insofern das in Art.  92 GG konstituierte Rechtsprechungsmonopol der Gerichte543. Art.  92, 1. Hs. GG verhindert, dass den Gerichten Tätigkeiten entzogen werden, die unter das Rechtsprechungsmonopol fallen. Umgekehrt beninhaltet dies kein gänzliches Verbot der Übernahme von Aufgaben außerhalb der originären Rechtsprechungstätigkeit, sodass den Richtern weitere Aufgaben als die der Rechtsprechung zugewiesen werden dürfen544. Hierunter fallen neben bestimmten exekutiven Aufgaben545 auch die der Rechtsprechung anvertrauten Aufgaben der Gerichtsverwaltung gem. §  4 Abs.  2Nr.  1 DRiG546. Da den Gerich­ ten keine vollständige Selbstverwaltung zusteht, sind der Exekutive im Bereich der Gerichtsverwaltung erhebliche Einflussnahmemöglichkeiten gegeben547. Die Gerichtsverwaltung nimmt insofern eine Zwischenstellung ein und fun­ giert als Bindeglied zwischen Exekutive und Judikative548. Eine eindeutige Zu­ 541 

BVerfGE 10, 200 (216). Siehe hierzu anschaulich Voßkuhle, Rechtsschutz (Teil  1, Fn.  1), S.  50; D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  38. 542  Siehe (auch zu den Aufweichungen der grundsätzlichen Gewaltenteilung) Voßkuhle, Rechtsschutz (Teil  1, Fn.  1), S.  50 ff., 57 ff.; Reinhardt, Jurisdiktion (Teil  1, Fn.  1), S.  46 f.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  202 f.; E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (860); Cornils, Gewaltenteilung (Fn.  510), Rn.  24; Schulze-Fielitz (Fn.  507), Art.  20 (Rechtsstaat), Rn.  74; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  190; Ipsen, Staatsrecht (Fn.  519), Rn.  761; F. J. Säcker, NJW 2018, S.  2375 ff. 543 Vgl. Schnapp (Fn.  196), Art.  20 Rn.  58. 544  Das Grundgesetz schließt es nicht per se aus, dass den Rechtsprechungsorganen bspw. verwaltende Tätigkeiten per Gesetz überlassen werden. Siehe BVerfGE 4, 358 (363); D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  33. 545  Hierzu zählen die Aufgaben des Registergerichts gem. §§  8 ff. HGB sowie des Grund­ buchamts gem. §§  1 ff. GBO, vgl. Ipsen, Staatsrecht (Fn.  519), Rn.  766. 546  Vgl. BVerfGE 4, 331 (347). 547  Siehe zum Verbot der Selbstverwaltung H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 ff.; J. Wittmann, Justizmanagement und richterliche Unabhängigkeit, in: Verein Deutscher Verwal­ tungsgerichtstag e.V. (Hrsg.), Dokumentation zum 13. Deutschen Verwaltungsrichtertag 2001, 2003, S.  163 ff. So rechtfertigt es sich auch, dass die Exekutive von solch großem Ein­ fluss auf die Judikative ist, vor allem im Hinblick auf die Budgetierung und die Personal­ hoheit, vgl. D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  38, 40 f. – A. A. T. Groß, ZRP 1999, S.  361 (361). 548  Zum Verhältnis von Judikative und Exekutive siehe D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  38 ff.; C. Möllers, AöR 132 (2007), S.  493 (524 ff.); Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  499.

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ordnung ist nicht zweifelsfrei möglich, da die Tätigkeitsfelder der Gerichtsver­ waltung vielschichtig sind, und beide Gewalten unterschiedlich intensiv tan­ giert werden. Wo in diesem System die Gerichtsverwaltung im Gegensatz bzw. in Abgrenzung zur Rechtsprechung genau angesiedelt werden muss, wird daher nicht einheitlich beurteilt549. Zum Teil wird in der Literatur von Befürwortern einer größeren richterlichen Selbstbestimmung die Gefahr hervorgehoben, die sich aus der Übernahme von Beförderungs- und Beurteilungswesen durch die Exekutive für die Unabhängigkeit der Justiz ergebe. Daher wird zumindest der Wunsch geäußert, dass die Gerichtsverwaltung von der Exekutive strikt zu trennen sei, um das Gewaltenteilungsprinzip voll zu verwirklichen550. Die Ge­ genansicht vertritt hingegen, dass gerichtsverwaltende Aufgaben allein der Ex­ ekutive zuzuordnen seien551. Vermittelnd wird angeführt, die Gerichtsverwal­ tung gehöre weder zum Kernbereich der Exekutive noch zu dem der Judikati­ ve552. Dem kann jedoch nicht zugestimmt werden. Das bisherige System der Gerichtsverwaltung entspricht aufgrund seiner Verquickung von exekutiven und (selbstverwaltenden) judikativen Elementen der Gewaltenteilung in seiner gewaltenverschränkenden Auslegung553. Dabei kann eine übergeordnete Zuord­ nung der Gerichtsverwaltung als Gesamtheit zu der einen oder der anderen Ge­ walt nicht erfolgen. Allerdings muss im Sinne des Gewaltenteilungsgrundsatzes – wenngleich dieser die Zuordnung der Gerichtsverwaltung zur Judikative nicht zwingend voraussetzt554 – auf eine hinreichende Trennung der Rechtsprechung von der Exekutive im Sinne der Kernbereichslehre geachtet werden. Durch die von der Exekutive übernommenen Aufgaben der Gerichtsverwaltung darf mit­ hin der Kernbereich der Judikative nicht beeinflusst werden555. Solange dies ge­ währleistet ist, steht der Aufsplittung der Gerichtsverwaltung auf zwei Staats­ gewalten nichts entgegen.

549 

Siehe im Überblick F. Brosius-Gersdorf, VVDStRL 74 (2015), S.  169 (215); Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  193 f. 550  P. Macke, DRiZ 1999, S.  481 (481 f.); H. Weber-Grellet, DRiZ 2006, S.  22 (25); T. Groß, KritV 91 (2008), S.  347 (350); ders., German Constitutional Expectations, in: P.-A. Albrecht/­ J. Thomas (Hrsg.), Strengthen the Judicial Independence in Europe, 2009, S.  38 (41, 42 f.). 551  So die allgemeine Ansicht H. Mertin, ZRP 2002, S.  332 (334); H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2589); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  201 f. 552 So Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  201 f. 553  BVerfGE 4, 331 (346 f.); gleichsinnig auch T. Groß, Betrifft Justiz 85 (2006), S.  248 (249 f.); Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  499. 554  H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2587 f.); E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (861). 555  BVerfGE 14, 56 (68); Rieger, Legitimationsgrundlagen (Fn.  520), S.  56; Fuchs, Verfas­ sungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  74 f.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  193; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  83.

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2. Das U.S.-amerikanische Prinzip der Gewaltenteilung und der Checks and Balances Die Väter der Verfassung der Vereinigten Staaten waren über eine zu große Machtkonzentration besorgt und beschlossen daher die Aufteilung der Macht des Staates in drei separate Bereiche: Die durch ein Zweikammersystem ge­ kennzeichnete gesetzgebende Gewalt, die vollziehende Gewalt mit dem Zweck, der Legislative Geltung zu verschaffen und Rechtsakte durchzusetzen, sowie die rechtsprechende Gewalt, die das Recht auslegt und anwendet556. Nieder­ gelegt wurde die Gewaltenteilung – die Separation of Powers – in Art.  I §  1557, Art.  II §  1 Abs.  1558 und Art.  III §  1 S.  1559 der U.S.-Verf.560. Die Trennung der Staatsgewalten ist wiederum durch gegenseitige Kontroll- und Ausgleichs­ mechanismen abgeschwächt (a.), was sich ferner im Verhältnis der Judikative zu den anderen Gewalten zeigt (b.), jedoch die Einordnung der Gerichtsverwaltung in das Trennungsgefüge nur marginal beeinflusst (c.). a) Separation of Powers und Checks and Balances In den Art.  I bis III der U.S.-Verf. wird primär eine horizontale Gewaltenteilung konstituiert, die sich auch in den einzelstaatlichen Verfassungen wiederfindet561. 556  Madison, No.  47 (Fn.  56), S.  301 ff.; R. Y. Schauffler, Utrecht Law Review 3 (2007), S.  112 (114) zum Gewaltenteilungsgrundsatz auf einzelstaatlicher Ebene; M. Paus, Der U.S. Supreme Court als „Hüter des Kongresses“?, 2015, S.  57 ff. – Hierzu aus der Literatur zum Regierungssystem in den USA Fraenkel, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  224 ff.; ­Oleszek, Procedures (Fn.  508), S.  3. Einen Überblick zum Repräsentativsystem der U.S.-­ amerikanischen Verfassung verschafft Brunhöber, Erfindung (Fn.  396), S.  109 ff. 557  Die Verfassung statuiert zunächst die Legislative als erste Gewalt: „All legislative Powers herein granted shall be vested in a Congress of the United States, which shall consist of a Senate and House of Representatives.“ Siehe dazu allgemein Reinbacher, Strafrechtssys­ tem (Einl., Fn.  47), S.  44; Brugger, Einführung (Fn.  172), S.  32 ff.; Oldopp, System (Teil  1, Fn.  210), S.  29 ff.; Oleszek, Procedures (Fn.  508), S.  4 f. 558  Die vollziehende (zweite) Gewalt wird in den Vereinigten Staaten vom Präsidenten gebildet: „The executive Power shall be vested in a President of the United States of America. He shall hold his Office during the Term of four Years, and, together with the Vice-President chosen for the same Term, be elected, as follows“. Siehe auch die Zusatzartikel 12, 14 §  3, 20 sowie 22 bis 25, dazu Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  237 ff., 282 ff.; Brugger, Ein­ führung (Fn.  172), S.  70 ff. 559  „The judicial Power of the United States, shall be vested in one supreme Court, and in such inferior Courts as the Congress may from time to time ordain and establish.“ Zur Judi­ kative als dritte Staatsgewalt siehe Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  245 ff. 560  Siehe zu einer möglichen Vorbildfunktion dieser Dreiteilung für die auch in Deutsch­ land verwirklichte staatsorganisatorische Trennung der Gewalten Stern, Staatsrecht II (Teil  1, Fn.  11), S.  377. 561  Zur horizontalen Gewaltenteilung Reinbacher, Strafrechtssystem (Einl., Fn.  47), S.  4 4 ff.;

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Ganz in der Tradition moderner Verfassungsstaatlichkeit wird diese horizontale Ebene durch Strukturen des Föderalismus, folglich eine vertikale Gewaltentei­ lung, ergänzt562. Föderalistische Elemente enthalten in diesem Sinne bereits Art.  I §  1, §  3 S.  1 sowie §  7 S.  2 der U.S.-Verf.563, der die gesetzgebende Gewalt nach angelsächsischer Tradition564 zwischen dem Repräsentantenhaus und dem Senat – mithin einem Abgeordnetenhaus und einer Gliedstaatenverwaltung als Kongress – aufteilt565. Weitere zentrale föderale Einfallstore finden sich in Art.  IV §  1 S.  1566 sowie Art.  VI Abs.  2 und 3567 mit Ergänzungen in Art.  V568 und VII569 U.S.-Verf. Die Trennung von zwei Regierungsebenen ist charakteris­ tisch für das U.S.-amerikanische Föderalismussystem; die Regierungsstränge von Bund und Einzelstaaten existieren und operieren parallel im Sinne dualer Souveränität570. Bereits die Verfassung des Bundesstaates Massachusetts (Con­ stitution of the Commonwealth of Massachusetts) von 1780 enthielt in Art.  30 die Trennung der Staatsgewalten und bezeichnet diese in der noch heute weitest­ Oleszek, Procedures (Fn.  508), S.  4 f. – Siehe zum einzelstaatlichen Grundsatz der Gewalten­ teilung im Überblick T. C. Marks/J. F. Cooper, State Constitutional Law in a Nut­shell, 2.  Aufl. 2003, S.  186 ff. 562  Die föderalistische Komponente spielt dabei eine besonders große Rolle und wird oft hervorgehoben. Vgl. E.D. Re, St. Thomas Law Review 15 (2002), S.  265 (265 ff.); Reinbacher, Strafrechtssystem (Einl., Fn.  47), S.  43, 46 ff.; Oleszek, Procedures (Fn.  508), S.  5; Epstein/ Walker, Constitutional Law (Fn.  413), S.  60 f., 192 ff.; Sullivan/Feldman, Constitutional Law (Fn.  451), S.  303. 563  Siehe auch Brugger, Einführung (Fn.  172), S.  28 f. 564  Siehe aus der Literatur zum englischen Vorbildmodell E. S. Griffith, Wie Amerika re­ giert wird. Das Regierungssystem der USA, 1957, S.  34 ff. 565 Vgl. Brugger, Demokratie (Fn.  69), S.  32. 566  Geregelt ist hier die für einen föderalen Staatenbund wesentliche Anerkennung und Würdigung von Gesetzen, Urkunden und richterliche Entscheidungen jedes Einzelstaates in allen anderen Staaten der USA. 567  Satz  2 am Ende regelt: „and the Judges in every State shall be bound thereby, any Thing in the Constitution or Laws of any State to the Contrary notwithstanding.“ Weiterhin regelt Satz  3: „The Senators and Representatives before mentioned, and the Members of the several State Legislatures, and all executive and judicial Officers, both of the United States and of the several States, shall be bound by Oath or Affirmation, to support this Constitution“. 568  Verfahren der Verfassungsänderung unter Beteiligung beider Häuser des Kongresses (Art.  V S.  1 der U.S.-Verf.). 569  Festsetzung der Voraussetzungen für das Inkrafttreten der U.S.-Verf. 570  Printz v. United States, 521 U.S.  898, 921 (1997): „This separation of the two spheres is one of the Constitution’s structural protections of liberty.“ Dazu C. McGowan, The Organiza­ tion of Judicial Power in the United States, 1969, S.  1 ff.; Berger, Federalism (Fn.  161), S.  48 ff.; E.D. Re, St. Thomas Law Review 15 (2002), S.  265 (266 f.); Reinbacher, Strafrechtssystem (Einl., Fn.  47), S.  46 f.; Epstein/Walker, Constitutional Law (Fn.  413), S.  205 ff.; L. Epstein/­ T. G. Walker, Constitutional Law for a Changing America. Institutional Powers and Con­ straints, 9.  Aufl. 2017, S.  381 ff.

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gehend unverändert geltenden Fassung als Voraussetzung einer „Herrschaft der Gesetze, und nicht der Menschen“571. Diese Verfassung gilt als eine der ältesten Verfassungen der Welt. Zudem ist sie die erste Verfassung überhaupt, über die eine betroffene Bevölkerung selbst abstimmte572. Damit wurde unmittelbar auch dem Prinzip der Gewaltenteilung zur Legitimation verholfen. In den USA gilt gemäß dem Prinzip der Separation of Powers eine dem Grunde nach kompromisslose Gewaltenteilung, die in vielerlei Hinsicht weiter geht als in anderen demokratischen Ordnungen573. Dies kann vor allem im Hin­ blick auf personelle Inkompatibilitäten konstatiert werden, die im präsidialen Regierungssystem der USA sehr stark verwirklich sind 574. Die Aufteilung der Zuständigkeiten sowie das in der Verfassung festgeschriebene Verbot der ge­ genseitigen Beeinflussung der Gewalten werden durch ein System von Checks and Balances (Kontrolle und Kräftebalance575 im Sinne von effektiver Wahr­ nehmung legitimer bzw. legitimierter Staatsaufgaben) kontrolliert und abgewo­ gen. Die Methode der Checks and Balances sorgt für eine hohe Stabilität im amerikanischen Regierungssystem. Gleichsam schützt es das Demokratieprin­ zip576. Ziel ist eine Machtbalance, durch welche die Kumulation der Macht bei

571  In Art.  30 der Verf. von Massachusetts heißt es: „In the government of this common­ wealth, the legislative department shall never exercise the executive and judicial powers, or either of them; the executive shall never exercise the legislative and judicial powers, or either of them; the judicial shall never exercise the legislative and executive powers, or either of them; to the end it may be a government of laws, and not of men.“ Vgl. auch v. Arnauld, Rechtsstaat (Fn.  508), Rn.  25; Fraenkel, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  221; Albert, Independent Regulatory Commissions (Teil  1, Fn.  255), S.  76 f. 572  W. Frotscher/B. Pieroth, Verfassungsgeschichte, 16.  Aufl. 2017, Rn.  28. 573  Dies bezieht sich primär auf die personelle Trennung von Exekutive und Legislative, vgl. W. Soltau, JR 1950, S.  485 (485); am Beispiel von Regierung und Parlament siehe Herzog, Staatslehre (Fn.  215), S.  274 ff.; aus historischer Perspektive Tobin, Judicial Branch (Teil  1, Fn.  247), S.  7. 574 Vgl. C. Möllers, The Three Branches. A Comparative Model of the Separation of Pow­ ers, 2015, S.  26 ff. Zu den Einschränkungen im Hinblick auf den Vize-Präsidenten, der zu­ gleich als Präsident des Senats fungiert, siehe Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  115. 575  Siehe mit einer recht treffenden deutschen Umschreibung auch Steinberger, Kritik (Einl., Fn.  18), S.  219. 576  Der Gedanke der Gewaltenteilung wird mit dem Ziel verknüpft, dass der Staat durch das Verhältnis von Macht und Gegenmacht nicht zu einer Anarchie oder Monarchie ausartet oder sich die Herrschaft des Volkes zu einer Ochlokratie wendet, vgl. J. Madison, The Fe­ deralist No.  51, in: Zehnpfennig, Federalist (Fn.  56), S.  319 ff.; Fraenkel, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  223; Tribe, Constitutional Law (Fn.  480), S.  118 ff.; Brugger, Demokratie (Fn.  69), S.  62; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  150 f.; Sullivan/Feldman, Constitu­ tional Law (Fn.  451), S.  303 ff.

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einer Gewalt verhindert werden soll577. Entsprechend wird auf eine Verantwort­ lichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament verzichtet, um so einerseits dem Prinzip der Gewaltenteilung und andererseits der mit dem System von Checks and Balances intendierten Hemmung der Gewalten untereinander stär­ keres Gewicht zu verleihen578. Ausgehend von Montesquieus Gewaltenteilungs­ lehre sollte auch der rechtsprechenden Gewalt eine unabhängige und damit an sich gleichwertige Stellung neben den anderen Gewalten zukommen. Zunächst wurde jedoch die Bedeutung der Judikative im Gewaltengefüge als eher gering eingeschätzt579 bis John Adams die Bedeutung der Selbständigkeit und Unab­ hängigkeit der Justiz in ihrer Funktion zur Hemmung der anderen zwei Gewal­ ten hervorhob580. Das Prinzip der Checks and Balances gilt neben der Separa­ tion of Powers als eines der tragenden verfassungsrechtlichen Organisations­ prinzipien – auf Bundes- sowie auf Staatenebene581. Dies zeigt sich auch darin, dass in den USA eine scharfe funktionelle und institutionelle Trennung der drei Gewalten nicht uneingeschränkt möglich ist582. Im Gegenteil wurde die Ge­ waltentrennung bewusst nicht vollumfänglich verwirklicht, um beispielsweise im Falle politischer Kontroversen flexibel agieren zu können583. Besonders au­ genfällig sind Verquickungen der Gewalten im Bundesstaat New Mexico, das die ungenierte Vermischung von Staatsaufgaben in Art.  VI §  1 der Verf. exem­ plifiziert, wo der Senat bedingt als Bestandteil der rechtsprechenden Gewalt deklariert wird584. Die Flexibilisierungen der Gewaltenteilung negieren den Einfluss Montesquieus indessen nicht, da auch dieser eine rigide Trennung der 577 

W. Hoffmann-Riem, JZ 2003, S.  269 (271 f.); Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  74; Oleszek, Procedures (Fn.  508), S.  4 f. 578 Vgl. Zippelius, Staatslehre (Fn.  520), §  42 I; Hay, Recht (Teil  1, Fn.  204), Rn.  86. 579  Dies ergibt sich bspw. bereits aus den Federalist Papers, so unter anderem Madison, No.  51 (Fn.  576), S.  320, wo von der Vorherrschaft der Legislative die Rede ist. Siehe dazu Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  80 mit Verweis auch auf Bickel, Branch (Fn.  451); siehe weiterhin Albert, Independent Regulatory Commissions (Teil  1, Fn.  255), S.  70 ff., 73 f.; Payandeh, Rechtserzeugung (Einl., Fn.  2), S.  96 f. 580 Vgl. Fraenkel, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  186; mit Fokus auf die Checks der Judikative gegenüber Tobin, Judicial Branch (Teil  1, Fn.  247), S.  13. 581  J. Heideking/P. Sterzel, Entstehung und Ausformung des Verfassungssystems, in: Jäger/­Haas/Welz, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  45 (59). 582  Zu Gewaltenverbindungen in der U.S.-amerikanischen Gewaltenteilungsdoktrin in­ struktiv Albert, Independent Regulatory Commissions (Teil  1, Fn.  255), S.  79 ff.; Madison, No.  47 (Fn.  56), S.  301 ff.; siehe auch Sullivan/Feldman, Constitutional Law (Fn.  451), S.  303; Sommermann (Teil  1, Fn.  80), Art.  20 Rn.  210. 583  Gellner/Kleiber, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  32, 34; Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  113. 584  Art.  V I §  1 S.  1 der Verf. von New Mexico besagt: „The judicial power of the state shall be vested in the senate when sitting as a court of impeachment“.

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drei Gewalten mitnichten intendierte585. Auch eine historische Analyse belegt, dass bereits im Ursprung der Verfassung eher eine Verschränkung der Gewal­ ten im Sinne gegenseitiger Hemmung angelegt war als eine strikte Separation of Powers586. Insofern geben die Federalist Papers Nr.  47, 48 sowie Nr.  51 Auf­ schluss, wo es unter anderem heißt: „The different governments will control each other, at the same time that each will be controlled by itself“587. Diese Einstellung verdichtet sich auch in der durch Neustadt geprägten Formulierung, der Verfassungskonvent habe keine absolute Trennung der Gewalten, sondern „a government of separated institutions sharing powers“ angestrebt588. Die Ver­ schränkung der Gewalten darf allerdings nicht so weit gehen, dass sich eine Gewalt einer anderen vollständig unterwirft – die Gewalten müssen also im ausgewogenen Maße stets separat bleiben589. Weiterhin soll die Verschränkung der Gewalten verhindern, dass zu viel Macht in einer einzigen Gewalt akkumu­ liert wird, sodass am Ende die Separation of Powers ohne das Prinzip von Checks and Balances nicht funktioniert und umgekehrt590. b) Verhältnis der dritten Gewalt zu Exekutive und Legislative Ausgehend von der verfassungsrechtlich festgelegten Reihenfolge der Vertei­ lung der Macht der drei Gewalten, welche zum Ausdruck bringen soll, dass die gesetzgebende Gewalt die wichtigste der drei Gewalten ist, bietet sich die Dar­ stellung der Interaktionen der Gewalten in der Abfolge Legislative, Exekutive, Judikative an591. Die U.S.-Bundes- sowie Staatengerichte bilden einen wesent­ 585 

R. Weber-Fas, JuS 2005, S.  882 (884); M. Drath, Die Gewaltenteilung im heutigen deutschen Staatsrecht, in: H. Rausch (Hrsg.), Zur heutigen Problematik der Gewaltentren­ nung, 1969, S.  21 (77); Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  149; Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  113. 586 Vgl. Brugger, Einführung (Fn.  172), S.  213; Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  115 f. 587  „Die verschiedenen Regierungen kontrollieren sich wechselseitig, und zugleich wird jede von ihnen durch sich selbst kontrolliert.“ So das Zitat von Madison, No.  51 (Fn.  576), S.  321. 588  R. E. Neustadt, Presidential Powers and the Modern Presidents. The Politics of Leader­ ship from Roosevelt to Reagan, 3.  Aufl. 1990, S.  29. 589  Youngstown Sheet & Tube Co. v. Sawyer, 343 U.S.  579 (1952); dazu I. R. Kaufman, Columbia Law Review 80 (1980), S.  671 (689 ff.); D. P. Currie, Die Verfassung der Vereinig­ ten Staaten von Amerika, 1988, S.  30 ff.; ders./H. N. Wyatt, JA 1991, S.  261 (263); Hay, Recht (Teil  1, Fn.  204), Rn.  86; Sullivan/Feldman, Constitutional Law (Fn.  451), S.  304 ff. – Möllers, Gewaltengliederung (Teil  1, Fn.  41), S.  75 f. gibt unter dem Stichwort des Verbots der Funk­ tionenusurpation einen Überblick über Fälle, in denen einer Gewalt Funktionen einer ande­ ren Gewalt unter Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz zugedacht worden sind. 590 Siehe Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  150. 591  R. F. Cushman/S. P. Koniak, Leading Constitutional Decisions, 18.  Aufl. 1992, S.  1 ff.; Bredt, Legitimation (Teil  1, Fn.  234), S.  135 ff.; Gellner/Kleiber, Regierungssystem (Teil  1,

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lichen Teil der dritten Gewalt, welche gleichwertig neben Exekutive und Legis­ lative steht592. Festgestellt werden kann bereits zu Beginn, dass bisher ein mit der Kernbereichslehre des Bundesverfassungsgerichts vergleichbarer unantast­ barer Kernbereich der Judikative nicht festgelegt worden ist und es daher bisher nicht häufig zu einer Feststellung von Übergriffen der anderen Gewalten auf die Rechtsprechung gekommen ist593. Eventuelle Einwirkungen durch Exekutive (aa.) und Legislative (bb.) auf die rechtsprechende Gewalt sind an dieser Stelle mit Blick auf die Gerichtsverwaltung darzustellen594. aa) Die Gerichte und die Exekutive Zuvorderst hat die Exekutive gegenüber den Bundesgerichten die Kontrolle (Checks) über die Ernennung der Bundesrichter. Art.  II der U.S.-Verf. sieht vor, dass die Richter vom Präsidenten, mit „dem Rat und der Zustimmung des Se­ nats“ ernannt werden595. In der Regel werden in diesem Zusammenhang nur solche Bundesrichter vom Präsidenten ernannt, welche dessen politischen Über­ zeugungen und Einstellungen teilen596. Da die Amtszeit des Präsidenten be­ grenzt ist, die Bundesrichter jedoch auf Lebenszeit ernannt werden, hat die Macht der Ernennung eines Präsidenten auch über seine Amtszeit hinaus unver­ meidlich einen gewissen Einfluss in Bezug auf die Gerichte des Bundes597. Die wichtigste Möglichkeit zur verfassungsrechtlichen Kontrolle, welche die Bun­ desgerichte umgekehrt gegenüber der Exekutive innehaben, ist das Impeachment-Verfahren zur Amtsenthebung des Präsidenten598. Art.  I §  3 der U.S.-Verf. Fn.  206), S.  34. Mit einer ähnlichen Schlussfolgerung bezüglich der dritten Gewalt siehe ­ obin, Judicial Branch (Teil  1, Fn.  247), S.  10: „The judiciary particularly benefits from this T concept of countervailing power, because the judiciary, in comparison to the executive and legislative branches, is the weakest component of government“. 592  I. R. Kaufman, Columbia Law Review 80 (1980), S.  671 (685) „separate and co-equal branch“; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  58. 593  Von „core functions“ spricht I. R. Kaufman, Columbia Law Review 80 (1980), S.  671 (689 ff.), er führt dazu aus, dass es in Bezug auf die anderen zwei Gewalten eine Eingrenzung von Kernbereichen gegeben hat, sodass man auch für die Rechtsprechung von einem solchen unantastbaren Kern ausgehen muss – vor dem U.S. Supreme Court sind allerdings keine solchen Fällen explizit entschieden worden. Vgl. dazu auch Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  58 mit Fn.  34. 594  Siehe im Überblick Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  79 ff. 595 Dazu D. P. Currie/H. N. Wyatt, JA 1991, S.  261 (262). 596 Gleichsinnig Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  77; R. L. Parcelle, The Supreme Court in a Separation of Powers System. The Nation’s Balance Wheel, 2015, S.  33 ff. 597 Zum Court-Packing siehe ausführlich in Kap.  3 B. II. 1. a) cc) (5). 598  Siehe zum Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten im ersten Zugriff J. R. Labovitz, Presidential Impeachment, 1978, S.  1 ff., 173 ff.; M. H. Belsky, Tulsa Law Journal (34) 1998, S.  289 ff.; C. Heine, Das impeachment-Verfahren gegen Richter und den Präsiden­

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bestimmt, dass der Oberste Richter des U.S. Supreme Courts im Impeachment-Verfahren gegen den Präsidenten den Vorsitz im Senat hat. Ein solches Amtsenthebungsverfahren wird allerdings selten durchgeführt und hatte bisher noch nie Erfolg, wenngleich auch in jüngerer Vergangenheit Amtsenthebungs­ bestrebungen in zahlreichen Fällen dokumentiert worden sind599. Einige bedeu­ tende Fälle angestrebter Amtsenthebungen sind hervorzuheben: Hierzu gehört unter anderem der Fall United States v. Nixon600 aus dem Jahre 1974, der Präsi­ dent Nixon nach der Watergate-Affäre zum Rücktritt bewog; auch die Entschei­ dungen der Fälle Clinton v. Jones601 wegen der Lüge um die sexuelle Beziehung zu der Praktikantin Monica Lewinsky sowie Bush v. Gore602 sind insofern be­ deutsam, führten jedoch allesamt nicht zu einer Amtsenthebung. Das jüngst angestrebte Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Trump im Jahr 2020 hat dem gesamten Impeachment-Prozess zu einer fast zweifelhaften medialen Be­ rühmtheit verholfen. Die Demokraten sahen es als erwiesen an, dass Donald Trump in der sog. Ukraine-Affäre versucht haben soll, die Präsidentschaftswah­ len 2020 zu seinen eigenen Gunsten zu beeinflussen603. Der Senat sprach Trump im Februar 2020 schließlich von allen erhobenen Vorwürfen frei604. ten im US-amerikanischen Verfassungsrecht, 2009, S.  85 ff., 94 ff.; weiterhin Brugger, Ein­ führung (Fn.  172), S.  90 ff.; J. P. Cole/T. Garvey, Impeachment and Removal, in: Federation of American Scientists (Hrsg.), Congressional Research Service, 2015, S.  1 ff. (abrufbar unter https://fas.org/sgp/crs/misc/R44260.pdf, 19.3.2020); D. Riley, Lock Him Up. Impeachment in the United States, 2017, S.  11 ff. 599  Ein Beispiel ist das durch den kalifornischen Kongressabgeordneten Brad Sherman am 12.7.2017 beantragte Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Trump, das allerdings aufgrund der republikanischen Übermachtstellung im Kongress bereits im Abstimmungs­ verfahren zur Einleitung des Impeachment-Verfahrens wenig Aussicht auf Erfolg haben wird. – Zu den Bemühungen um eine Amtsenthebung in der jüngeren Vergangenheit Riley, Lock Him Up (Fn.  598), S.  17 ff. 600  United States v. Nixon, 418 U.S.  683 (1974). Dazu Labovitz, Impeachment (Fn.  598), S.  90 ff.; Heine, impeachment-Verfahren (Fn.  598), S.  169 ff.; Sullivan/Feldman, Constitutio­ nal Law (Fn.  451), S.  422 ff.; Riley, Lock Him Up (Fn.  598). Impeachment in the United States, 2017, S.  97 ff. 601  Clinton v. Jones, 520 U.S.  681 (1997). Siehe dazu M. J. Gerhardt, Hofstra Law Review 28 (1999), S.  349 ff.; siehe weiterhin den Kommentar bei Sullivan/Feldman, Constitutional Law (Fn.  451), S.  427 ff. 602  531 U.S.  98 (2000). 603  Siehe für einen Überblick über dieses gescheiterte Impeachment-Verfahren R. Nelles/­ M. Pitzke, Freispruch für Trump. Sechs Lehren aus dem Impeachment-Debakel, in: Der Spie­ gel, 6.2.2020 (abrufbar unter https://www.spiegel.de/politik/ausland/trump-impeachment-­ sechs-lehren-aus-dem-debakel-a-cfbde9a5-cc80-4a86-8808-18e7114b25d7, zuletzt abgeru­ fen am 17.4.2020); der Prozess wird anschaulich nachgezeichnet von J. Roland, Impeach­ ment. Donald Trump and the History of Presidents in Peril, 2020. 604  Nachzuvollziehen ist dies im Congressional Record des Senats vom 5. Februar 2020,

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Zur Frage, inwieweit die Verwaltung auch legislative oder judikative Aufga­ ben übernehmen darf, hat sich der U.S. Supreme Court umfassend geäußert605. Zumindest ist anerkannt, dass im Bereich der Gerichtsverwaltung gewisse Überschneidungen von Exekutive und Judikative unausweichlich sind606. Den­ noch sind Friktionen vergleichsweise marginal, da sich die Justiz im Wesent­ lichen selbst verwaltet. bb) Die Gerichte und die Legislative Die den Gerichten neben der Rule-Making Power607 als Hauptkontrollfunktion zustehende Aufgabe ist die Judicial Review. Mit dieser Normverwerfungskom­ petenz nimmt die Judikative grundsätzlich eine den anderen Gewalten gegen­ über ebenbürtige Stellung im Gefüge der Checks and Balances ein608. Neben der Befugnis, Gesetze für verfassungswidrig zu erklären, kann der U.S. Supreme Court ebenso entscheiden, dass ein Bundesgesetz verfassungsgemäß ist609. Auf der anderen Seite kann der Kongress Gesetze erlassen, die sich explizit auf bestimmte Entscheidungen des U.S. Supreme Courts beziehen. Dies geschah unter anderem im Jahre 1986, als er im Fall Department of Transportation v. Paralyzed Veterans of America610 entschied, dass das Federal Civil Rights Law, welches grundlegende Bürgerrechte konstituiert, keine Anwendung auf die Luftfahrt haben solle. Als Reaktion auf diese Entscheidung verabschiedete der Kongress ein neues Gesetz, um die Diskriminierung von behinderten Menschen im Flugverkehr zu verbieten und effektiv die Entscheidung des U.S. Supreme Courts zu kippen611. S.  937 (abrufbar unter https://www.congress.gov/116/crec/2020/02/05/CREC-2020-02-05pt1-­PgS936-2.pdf, zuletzt abgerufen am 17.4.2020). 605 Dazu Hay, Recht (Teil  1, Fn.  204), Rn.  85. 606  Tobin, Judicial Branch (Teil  1, Fn.  247), S.  10: „executive orders and administrative regulations in the case of the executive“. 607 Siehe Weinstein, Rule-making (Fn.  179), S.  127 ff.; Tobin, Judicial Branch (Teil  1, Fn.  247), S.  10. 608  So auch J. A. Segal, Courts, Executives, and Legislatures, in: Gates/Johnson (Hrsg.), Courts (Teil  1, Fn.  274), S.  373 (373); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  59; Oldopp, System (Teil  1, Fn.  210), S.  87. 609  Siehe hier zunächst nur Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  1 ff. – Bspw. hat das Gericht in der Entscheidung Heart of Atlanta Motel v. United States 379 U.S.  241 (1964) die Verfassungsmäßigkeit des Civil Rights Act von 1964 mit der Begründung festgestellt, dass die Diskriminierung afro-amerikanischer Hotelgäste den zwischenstaatlichen Handel hem­ me. Dazu Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  195 f. 610  Department of Transportation v. Paralyzed Veterans of America, 477 U.S.  597 (1986). 611  Vgl. zu den Reaktionsmöglichkeiten des Kongresses auf Urteile des U.S. Supreme Courts mit weiteren Beispielen Oldopp, System (Teil  1, Fn.  210), S.  108 ff.

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Möglichkeiten zur Einflussnahme der Legislative auf die Judikative durch Gesetzgebungsakte sind indirekt auch durch die Beeinflussung der Rechtspre­ chungstätigkeit durch Legislativakte im Bereich der Gerichtsverwaltung denk­ bar612. Zum Teil ist es auf Staatenebene zu erheblichen und bewussten Be­ einflussungen der Rechtsprechung im Wege von Budget-Kürzungen durch den Gesetzgeber gekommen613. Die einhellige Einschätzung ist allerdings, dass sol­ che Maßnahmen im Einklang mit dem System von Checks and Balances ste­ hen614. Außerdem ist das Gefahrpotenzial solcher Gesetzgebungsakte für die Rechtsprechungstätigkeit der Judikative beschränkt, da die Gerichte selber über die sog. Rule-Making Power verfügen und sich selber ihre Prozessordnungen (Rules of Court) geben615. Diese passen wiederum selbst nur schwerlich in das deutsche Verständnis der Gewaltenteilung616. Sie zeigen jedoch, dass in den Vereinigten Staaten die Zuordnung der originären Aufgaben zu den einzelnen Gewalten streng eingehalten wird, wenn es um die mit der eigentlichen Kern­ tätigkeit verwandten Tätigkeitsfelder geht. Auch nach U.S.-amerikanischem Verfassungsrecht obliegt den einzelnen Gewalten mithin ein bestimmter Be­ reich zur eigenen Aufgabenerfüllung. c) Die Gerichtsverwaltung im Gewaltengefüge Obwohl in den Vereinigten Staaten der Rechtsprechungsbegriff enger ausgelegt wird als in der deutschen Rechtsordnung, wird der dritten Gewalt ein deutlich größeres Maß an Selbstständigkeit mit weitreichenden Zuständigkeiten zuge­ standen. Neben der Prozessordnungsautonomie, die mit der Gesetzgebungs­ prärogative des Kongresses nur schwerlich zu vereinbaren scheint617, überneh­ 612 Vor

allem im Budgetbereich gibt es insofern Anknüpfungspunkte. Ähnlich Smith, Self-Interest (Teil  1, Fn.  205), S.  8; Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  79. 613 Siehe Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  80 (mit Fn.  5 und 25 zum Fall-Beispiel Terri Schiavo), 89 ff. (zur Finanzierung der lokalen Gerichte und dem dadurch ausgeübten Einfluss auf die Gerichtsverwaltung); vgl. weiterhin D. J. Saari, Separation of Powers, Judi­ cial Impartiality and Judicial Independence. Primary Goals of Court Management Educati­ on, in: Hays/Graham, Court Administration (Teil  1, Fn.  252), S.  141 (148). 614 Gleichsinnig Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  85. 615  Praktisch wird das gesamte Verfahrensrecht von den jeweiligen Gerichten selbst geregelt: der Kongress hat lediglich ein Vetorecht inne, siehe im ersten Zugriff W. R. Brown, Federal Rule­making. Problems and Possibilities, 1981; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  44 ff.; ders., DRiZ 1998, S.  241 (243). – Zu den Einflussmöglichkeiten des Kongresses siehe Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  59 f. mit Fn.  47; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  558. 616 Vgl. K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (224). So auch in einem Vergleich mit dem Schweizer Rechtssystem, das allerdings im Hinblick auf den Grundsatz der Gewalten­ teilung dem deutschen Gewaltenteilungsprinzip ähnelt, Müller, Rahmen (Fn.  133), S.  187. 617  Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  4 4; zu den Gesetzgebungsbefugnissen im

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men die amerikanischen Gerichte auch die Aufgaben der Gerichtsverwaltung selbstständig618. Die richterlichen Möglichkeiten werden sogar durch den Grundsatz der Separation of Powers begünstigt. Allerdings muss konstatiert werden, dass die Verwaltung sowie die gesetzgebende Gewalt mit Zugriffsmög­ lichkeiten ausgestattet sind, die potenziell geeignet wären, die richterliche Selbstverwaltung zu begrenzen619. Die Verfassungen von Bund und Bundes­ staaten geben den Gesetzgebern – auf Bundesebene respektive dem Kongress – zahlreiche Instrumente an die Hand, um theoretisch Einfluss auf die Gerichts­ organisation auszuüben620. Dabei sind sie bei den Bundesgerichten aber auf den richterlichen Rückhalt angewiesen621. Aus praktischer Sicht zeichnet Smith hier ein sehr negatives Bild vor allem der Bundesrichter, wenn er feststellt, dass die anderen Gewalten häufig Konflikte mit dem richterlichen Verständnis der Separation of Powers vermeiden, um zu verhindern, dass ein entsprechend ein­ schränkendes Reformgesetz von den Richtern abgekanzelt wird622. Auch Feeley findet harte Worte und bescheidet den Richtern in vielen Fällen eine „Judicial Resistance“623. Die weitgehende Autonomie der amerikanischen Richter auf Bundeseben (wie auch in den Einzelstaaten) führt zu einer Fragmentierung und Allgemeinen Oldopp, System (Teil  1, Fn.  210), S.  41 ff.; Hay, Recht (Teil  1, Fn.  204), Rn.  43 ff. – Siehe zu den besonderen Anforderungen an die demokratische Legitimation, die sich aus der Rechtsetzungsfunktion der Gerichte ergibt, Guarnieri/Pederzoli, Power (Fn.  441), S.  31, 76 f. 618  Zu den Selbstverwaltungsstrukturen der Bundes- und Staatengerichte siehe hier nur Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  32 ff.; ausführlich Fish, Administration (Fn.  62), S.  166 ff.; Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  119 ff.; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  183 ff.; D. B. Rottman/S. M. Strickland, State Court Organization 2004, 2006, S.  63 f.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  631 ff.; Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  18 ff.; R. R. Wheeler, A New Judges Introduction to Federal Judici­ al Administration, 2003, S.  2 ff. 619  Dies gilt primär für lokal finanzierte Staatengerichte, vgl. Smith, Self-Interest (Teil  1, Fn.  205), S.  8 f.; Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  80: „The pressures exerted by local government on the administration of courts are effective because of two strong traditions in trial courts: local funding and elected judges“. 620  Dies gilt mit Ausnahme des U.S. Supreme Courts und ergibt sich aus Art.  I §  1 der U.S.-Verf.: „The judicial Power of the United States, shall be vested in one supreme Court, and in such inferior Courts as the Congress may from time to time ordain and establish.“ (Hervorhebung nicht i.O., S.M.). 621 Siehe Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  133 f.; Smith, Self-Interest (Teil  1, Fn.  205), S.  8. 622  Smith, Self-Interest (Teil  1, Fn.  205), S.  9, 11, 132: „It’s unrealistic to expect that federal judges can be selfless when reacting to court administration issues that may affect their sta­ tus, authority, and autonomy“ (Zitat auf S.  132). 623  M. M. Feeley, Court Reform on Trial. Why simple Solutions fall. A Twentieth Century Fund Report, 1983, S.  171.

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Zweiter Teil: Grundlagen

Aufsplitterung der Befugnisse über die Gerichtsverwaltung, die wiederum die richterlichen Kontrollmöglichkeiten verstärkt und die Einflussnahmemöglich­ keiten von Exekutive und Judikative schwächt624. Obwohl die Gerichtsverwal­ tung damit nahezu lückenlos der dritten Gewalt zugeordnet wird, sind vor allem die Court Administrators der Eingangsgerichte auf einzelstaatlicher Ebene zum Teil erheblicher Beeinflussung durch die jeweilige lokale Regierung ausge­ setzt625. Da das gerichtsverwaltende Personal nicht wie die Richter unter die Garantie der richterlichen Unabhängigkeit fällt, ist es bei Konflikten mit den anderen Gewalten oft schutzlos626. Die Verflechtungen der Gerichtsverwaltung mit der eigentlichen Rechtsprechungstätigkeit führen somit grundsätzlich zur Unzulässigkeit von Beeinflussungen des Court Managements und damit im Zwei­ fel auch zu einer mittelbaren Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit627. 3. Gewaltenverschränkung vs. Checks and Balances Die Unterteilung der Staatsgewalt in Legislative, Exekutive und Judikative kann als gemeinsamer Ertrag der nordamerikanischen und europäischen Staats­ theorie bezeichnet werden. Beide Rechtsordnungen bestimmen die Staatsfunk­ tionen idealtypisch im Sinne der Funktionenlehre628. Auch wenn sich das als Gewaltenteilung deklarierte Prinzip der Trennung von Legislative, Exekutive und Judikative im deutschen Rechtssystem vielmehr als Gewaltenverschrän­ kung darstellt und insofern teilweise sogar als Grundsatz von Checks and Balances bezeichnet wird629, sind die Unterschiede zum U.S.-amerikanischen Sys­ tem des Zusammenspiels von Separation of Powers und Checks and Balances dennoch unverkennbar. Die jeweiligen Charakteristika gehen zumeist auf die 624 Da

die Richter die Durchführung von Gerichtsverfahren vollständig kontrollieren, wird es schwer sein, ihnen neue Gerichtsverwaltungsvorgaben vorzugeben, die sie ablehnen. Siehe dazu Smith, Self-Interest (Teil  1, Fn.  205), S.  9. 625  Eine direkte Einflussnahme auf die Rechtsprechung an sich hätte eine Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes zur Folge, während Budget-Kürzungen oder die Beeinflussung von äußeren Umständen mitunter als verfassungsgemäße Checks behandelt werden. Dazu Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  75, 79, 80 ff. 626 Ähnlich Tobin, Judicial Branch (Teil  1, Fn.  247), S.  162; eindringlich der Erfahrungs­ bericht von Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  84 mit Fn.  33. 627  Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  133; Saari/Planet/Reinkensmeyer, Court Managers (Teil  1, Fn.  268), S.  238: „Because of the professional autonomy and the se­ paration of powers, neither the executive nor the legislative branch is empowered by voters to tell the judges […] what they must do about court management“. 628  D. P. Currie/H. N. Wyatt, JA 1991, S.  261 (262); M. Ronellenfitsch, in: J. Bader/ders. (Hrsg.), BeckOK VwVfG, §  1 (34. Ed., 1.1.2020), Rn.  14. 629 Vgl. Brugger, Einführung (Fn.  172), S.  212 f.; siehe im Detail zu den Modellen der Gewaltenteilung in den USA und in Deutschland Möllers, Branches (Fn.  574), S.  26 ff., 32 ff.

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung

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unterschiedlichen Regierungssysteme beider Staaten zurück630, da sich die ana­ lytische Auseinandersetzung mit dem Regierungssystem stets als Gewaltentei­ lungsproblem darstellt. Das Verhältnis zwischen Regierung und Parlament ist insofern konstitutiv631. Während sich das präsidentielle Regierungs- und Ver­ fassungssystem der USA dadurch kennzeichnet, dass vor allem Legislative und Exekutive stark voneinander getrennt sind632 , ist die Beziehung dieser Gewalten zueinander im parlamentarischen Regierungssystem wie der Bundesrepublik Deutschland völlig anders ausgestaltet. Die Stellung des Bundeskanzlers als zentrale Figur im Regierungsaufbau macht insofern deutlich, dass das Grund­ gesetz vom Leitbild des parlamentarischen Regierungssystems ausgeht633. Mit der indirekten Wahl der Bundesregierung (niedergelegt in Art.  62, 63 GG) durch die Mehrheit des Parlaments findet beispielsweise eine starke Verschrän­ kung verschiedener Funktionen statt634. Im Hinblick auf die für die Gewaltenteilung sinngebenden Faktoren ähneln sich beide Grundsätze: Zum einen ist jeweils eine funktionale sowie institu­ tionelle Teilung der Gewalten vorhanden; zum anderen ist jeweils der föderalis­ tische Grundgedanke beider Staaten ausgeprägt und es findet sich neben der horizontalen auch eine vertikale Gewaltenteilung. Die Zweckrichtung der Ge­ waltenteilung gem. Art.  20 Abs.  2 S.  1 und 2 GG sowie der Separation of Powers geht zurück auf Montesquieu und soll dem Ausgleich der Kräfteverhältnisse und einer Machtbalance im Staat dienen. Dabei ist eine rigide Trennung der Gewalten weder in Deutschland noch in den USA umgesetzt635. Den Durchbre­ 630 

Zu den Unterschieden in den Bereichen Gewaltenteilung und Föderalismus D. P. Currie/H. N. Wyatt, JA 1991, S.  261 (262); zu den Strukturunterschieden weiterhin Hübner/ Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  113 ff. 631  Herzog, Staatslehre (Fn.  215), S.  274; J. Hartmann, Westliche Regierungssysteme. Parlamentarismus, präsidentielles und semi-präsidentielles Regierungssystem, 3.  Aufl. 2011, S.  17. 632  Die Regierung wird wie das Parlament von derselben Wählerschaft bestimmt, vgl. W. Steffani, Parlamentarische und präsidentielle Demokratie. Strukturelle Aspekte westlicher Demokratien, 1979, S.  65 ff.; Hartmann, Regierungssysteme (Fn.  631), S.  18; J. A. Cheibub/ Z. Elkins/T. Ginsburg, British Journal of Political Science 43 (2013), S.  1 ff. mit Details zu der Regierungsform einer präsidialen Demokratie. – Mit Kritik an dem präsidentiellen System K. v. Beyme, Das präsidentielle Regierungssystem der Vereinigten Staaten in der Lehre der Herrschaftsformen, 1967, S.  30 ff. 633  R. Herzog, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art.  63 (2008), Rn.  2; Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  113 ff. 634  Hartmann, Regierungssysteme (Fn.  631), S.  18; einen Überblick über die kennzeich­ nenden Unterscheide zwischen parlamentarischem und präsidentiellem Regierungssystem gibt E. Fraenkel, Parlamentarisches Regierungssystem, in: ders./K. D. Bracher (Hrsg.), Das Fischer Lexikon, Bd.  2: Staat und Politik, 1964, S.  238 (240). 635  Mit rechtsvergleichenden Bezügen vgl. D. P. Currie/H. N. Wyatt, JA 1991, S.  261 (262).

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Zweiter Teil: Grundlagen

chungen des Grundsatzes der Gewaltenteilung werden in beiden Rechtsordnun­ gen Grenzen gesetzt636. Diese sind allerdings in den Vereinigten Staaten nicht einer vergleichbaren dogmatischen Regel unterworfen wie in Deutschland. Im Bereich der Zuordnung der Gerichtsverwaltung zu einer der Gewalten ergeben sich deutliche strukturelle Unterschiede. Das deutsche Verständnis von der Ge­ waltenteilung verlangt zumindest keine Selbstverwaltung der Gerichte, wie es viele Befürworter unter Berufung auf Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG verlangen637. Da sich die Maßnahmen der deutschen Gerichtsverwaltung nicht eindeutig einer Gewalt zuordnen lassen und daher als Parademodell für die Verschränkung der Gewalten sowie die ausnahmsweise Durchbrechung des Gewaltenteilungs­ grundsatzes stehen, unterstützen sie vielmehr das grundsätzliche Prinzip der Trennung der Gewalten im Sinne von Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG. So wird verhin­ dert, dass eine Staatsgewalt zu viel Macht auf sich vereint. Solange nicht die exekutiven gerichtsverwaltenden Einflüsse im Kern die judikative Rechtspre­ chungstätigkeit behindern, ist gegen dieses System nichts einzuwenden. Der Gewaltenteilungsgrundsatz verbietet umgekehrt allerdings auch keine sich selbstverwaltende Justiz638. Dies zeigt das Beispiel der Gerichtsverwaltung an den amerikanischen Gerichten deutlich. Im Gegensatz zu Deutschland ist das Prinzip der Separation of Powers in den USA sehr viel reiner verwirklicht. Wenngleich eine rigide Trennung der Gewalten verfassungsrechtlich nicht vor­ gegeben ist und es durch das System der Checks and Balances zahlreiche Auf­ brechungen des Gewaltenteilungsgrundsatzes und vor allem im Bereich der Exekutive viele Vermischungen der Gewaltenstrukturen gibt, wird die Selbst­ verwaltung der Gerichte durch Organe der Judikative als Ausdruck der Ver­ wirklichung der Gewaltenteilung angesehen. Eine Einflussnahme durch die Verwaltung und die Gesetzgebung ist zwar möglich, aber selten und letztlich marginal. Sie wird zumeist durch die Richter als übergriffig empfunden. In den USA wird eine Aufsplitterung der Macht zu kleinen Teilkompetenzen in den einzelnen Gerichten bei den einzelnen Richtern praktiziert. Sie wird in den Ver­ einigten Staaten als weniger bedrohlich empfunden als in Deutschland. Die Übersicht und Kontrollbierbarkeit sämtlichen Verwaltungshandelns hat in der deutschen Rechtsordnung einen großen Stellenwert, während in den USA die 636  Zur

deutschen Kernbereichslehre siehe E. Schmidt-Aßmann, HStR³ II, §  26 Rn.  56; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  74 f. Siehe mit Bezug sowohl zur Funktionen­ zuordnung in Deutschland als auch in den USA Möllers, Gewaltengliederung (Teil  1, Fn.  41), S.  74 f. 637 Zusammenfassend H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2587 f.); C. Sennekamp, NVwZ 2010, S.  213 (213); Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  193. 638  H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2587); ders., Zur Frage der Selbstverwaltung der Dritten Gewalt, in: Kirchhof/ders./Schäffer, FS Merten (Fn.  7), S.  185 (190 f.).

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung

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potenziell chaotische Zersplitterung von Befugnissen als Normalzustand gilt639. Dies ist Folge einer strikt föderalistischen vertikalen Gewaltenteilung. III. Justizgewährleistungsanspruch Der Justizgewährleistungsanspruch hat in der deutschen Verfassungsordnung eingedenk von Streitigkeiten über die Rechtsschutzmöglichkeiten bei überlan­ gen Verfahren Bedeutung erlangt (1.). Er findet in der U.S.-amerikanischen Rechtsordnung hingegen kein uneingeschränkt vergleichbares Äquivalent (2.). 1. Der allgemeine Justizgewährleistungsanspruch in Deutschland Zu den spärlich gesäten organisatorischen Vorgaben, die das Grundgesetz hin­ sichtlich der Gerichtsverwaltung enthält, gehört unter anderem die Vorgabe, dass sich die Gerichtsverwaltung am Justizgewährleistungsanspruch orientieren muss640. Das Grundgesetz enthält neben der Rechtsschutzgarantie des Art.  19 Abs.  4 GG einen allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch641, der aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit Art.  2 Abs.  1 GG abgeleitet wird642. Bei gerichtlichem Vollzug von Unionsrecht wird der Justizgewährleistungs­anspruch überdies durch Art.  47 GRCh gestützt643. Es handelt sich um ein Grundrecht auf gerichtlichen Rechtsschutz, welches durch die Existenz des Selbsthilfeverbots sowie des staatlichen Gewaltmonopols notwendig wird644. Dieses individuelle 639 

Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  133. So auch Stelkens (Teil  1, Fn.  149), §  38 Rn.  4; siehe im Detail auch Wittreck, Verwal­ tung (Einl., Fn.  9), S.  203 ff. 641  Siehe aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im ersten Zugriff BVerfGE 107, 395 (401); 108, 341 (347). Siehe weiterhin H. Maurer, Der Justizgewährleis­ tungsanspruch, in: S. Detterbeck/J. Rozek/C. v. Coelln (Hrsg.), FS Herbert Bethge, 2009, S.  535 (535 ff.); v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  104. 642  Die Rechtsschutzgarantie stellt sich insofern als speziell geregelter Aspekt des allge­ meinen rechtsstaatlichen Justizgewährleistungsanspruchs dar, vgl. so auch H.-J. Papier, HStR³ VIII, §  176 Rn.  7; U. Kischel, Die Begründung. Zur Erläuterung staatlicher Entschei­ dungen gegenüber dem Bürger, 2003, S.  92. Siehe im Allgemeinen zur Herleitung des Justiz­ gewährleistungsanspruchs BVerfGE 81, 347 (356); 80, 103 (107): Der Justizgewährleistungs­ anspruch „[ist] durch Art.  19 IV GG und durch Art.  2 I GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip gewährleistet“; E. Schmidt-Jortzig, NJW 1994, S.  2569 ff.; B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (305); K. Redeker, NJW 2003, S.  2956 (2958); C. Dorn, Justizgewähranspruch und Grund­ gesetz. Ein Beitrag zum Verständnis des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch­ land, 2005, S.  15 ff.; A. Voßkuhle/A.-B. Kaiser, JuS 2014, S.  312 ff.; T. Barczak, AöR 138 (2013), S.  536 (542 ff.); G. Manssen, Staatsrecht II. Grundrechte, 16.  Aufl. 2019, Rn.  790. 643 Siehe W.-R. Schenke, NVwZ 2012, S.  257 (257); A. Voßkuhle/A.-B. Kaiser, JuS 2014, S.  312 (314). 644  Dorn, Justizgewähranspruch (Fn.  6 42), S.  15 ff. 640 

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Zweiter Teil: Grundlagen

subjektiv-öffentliche Recht auf der einen und die staatliche Pflicht auf der ande­ ren Seite sind als „Kehrseite[n] des staatlichen Gewaltmonopols, der bürgerli­ chen Friedenspflicht und des Selbsthilfeverbots“ anzusehen645. Diese allgemeine rechtsstaatliche Verpflichtung ist in erster Linie auf die Zugänglichkeit und die Wirksamkeit richterlichen Rechtsschutzes bezogen. Andere Organe der Justiz als der Richter unterfallen der Justizgewähr nicht646. Damit verbunden ist kon­ kret ein Anspruch des Einzelnen gegen die Judikative auf Tätigwerden vorhan­ dener Spruchkörper. Darüber hinaus konstituiert der allgemeine Justizgewähr­ leistungsanspruch eine Pflicht des Staates, in sämtlichen Bereichen ein wir­ kungsvolles und qualifiziertes Verfahren zur Streitbeilegung sicherzustellen647. In qualitativer Hinsicht setzt der Justizgewährleistungsanspruch ein Effektivi­ tätsgebot fest648. Dieses verlangt eine wirkungsvolle und lückenlose gerichtliche Kontrolle649 in angemessener Zeit650. Der Haushaltsgesetzgeber sowie die übri­ gen Organe der Gerichtsverwaltung sind in diesem Sinne verpflichtet, die Ge­ richte organisatorisch, personell und finanziell so auszustatten, dass diese den Justizgewährleistungsanspruch erfüllen und effektiv Recht sprechen können651. Die Kontrolle über den zeitlichen Faktor des Verfahrens ist dabei im Hinblick auf den Rechtsschutz eine wesentliche Komponente der Dienstaufsicht (vgl. §  26 Abs.  2 DRiG). Im Spannungsfeld mit der richterlichen Unabhängigkeit kann der Dienstaufsicht dabei keine Kompetenz zu Vorgaben bezüglich der Prioritäten­ setzung bei „wichtigen“ Verfahren zukommen652; zunächst muss daher also auf 645  BVerfGE 54, 277 (292); 81, 347 (356); E. Schmidt-Aßmann, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art.  19 IV Rn.  16; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  227; Sachs (Fn.  196), Art.  20 Rn.  162. Siehe allgemein zum staatlichen Gewaltmonopol C. Müller, Das staatliche Gewaltmonopol. Historische Entwicklung, verfassungsrechtliche Be­ deutung und aktuelle Rechtsfragen, 2007. 646  H.-J. Papier, HStR³ VIII, §  176 Rn.  12. 647  Siehe BVerfGE 54, 277 (291); S. Detterbeck, AcP 192 (1992), S.  325 (327); B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (304 f.); H.-J. Papier, HStR³ VIII, §  176 Rn.  12 ff.; Kischel, Begrün­ dung (Fn.  642), S.  92; Maurer, Justizgewährleistungsanspruch (Fn.  641), S.  547 ff.; A. Voß­ kuhle/A.-B. Kaiser, JuS 2014, S.  312 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  227. 648  D. Lorenz, Jura 1983, S.  393 (393 f.); Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  108 f.; F. Wittreck, VVDStRL 74 (2015), S.  115 (137 ff.). 649  Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  227. 650  Siehe bspw. BVerfGE 55, 349 (369); aus der Literatur D. Lorenz, Jura 1983, S.  393 (399); E. Schmidt-Jortzig, NJW 1994, S.  2569 (2569); V. Schlette, Der Anspruch auf ein Ver­ fahren in angemessener Frist. Verfassungsrechtliche Grundlagen und praktische Durchset­ zung, 1999, S.  19 ff.; Dorn, Justizgewähranspruch (Fn.  642), S.  252 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  203 f.; H.-J. Papier, HStR³ VIII, 2010, §  177 Rn.  93. 651 Vgl. H. Weber-Grellet, NJW 1990, S.  1777 (1778); H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2593); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  205; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  109 f.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  227. 652  Siehe BGH NJW 1987, S.  1197 (1197): „Es ist unzulässig, daß der Dienstvorgesetzte

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die dienstrechtlichen Maßnahmen des Vorhalts und der Weisung zurückgegrif­ fen werden, bevor eine disziplinarische Ahndung in Betracht kommt653. Bei überlangen Gerichtsverfahren gibt es für den Betroffenen zwar keine Untätig­ keitsbeschwerdemöglichkeit654, aber inzwischen Entschädigungsansprüche bei unangemessener Verfahrensdauer655. Es handelt sich bei der Gewährung des Entschädigungsanspruchs um die Reaktion des Gesetzgebers auf die durch den EGMR festgestellte Verletzung von Art.  6 Abs.  1 und Art.  13 EMRK durch den zuvor lediglich lückenhaft ausgestalteten Rechtsschutz656. Eine unangemessene Verfahrensdauer im Sinne von §  198 Abs.  1 S.  2 GVG wird jedoch nur in eviden­ ten Ausnahmefällen angenommen, da im Zweifel die richterliche Unabhängig­ keit Vorrang hat657. Dies führt perspektivisch wohl eher zu einer untergeordne­ ten Rolle dieser noch recht neuen Entschädigungsmöglichkeit658. einen Richter ersucht, ganz bestimmte Verfahren aus seinem Dezernat umgehend zu bearbei­ ten.“ Dazu H. Weber-Grellet, NJW 1990, S.  1777 (1778). 653  Vgl. zu den Befugnissen Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  206; ders., NJW 2012, S.  3287 (3289 ff.); Staats (Teil  1, Fn.  177), §  26 Rn.  12 f.; J. N. Scheuer, Dienstaufsicht und richterliche Unabhängigkeit, in: Demel/Heck/Schäfer, FS Wagner (Einl., Fn.  16), S.  191 (200 ff.). 654 Siehe zu der Diskussion über die Einführung einer sog. Untätigkeitsbeschwerde Schlette, Anspruch (Fn.  650), S.  48 ff.; K. Redeker, NJW 2003, S.  2956 (2957 f.); knapp hierzu H.-J. Papier, HStR³ VIII, §  176 Rn.  25. – Die Vorwürfe von S. Wußler, DRiZ 2013, S.  289 an die Justizverwaltung wegen ungenügender Personalausstattung sind insgesamt haltlos. 655  Zur gesetzlichen Neuregelung des ÜVerfBesG siehe W.-R. Schenke, NVwZ 2012, S.  257 (257 f.); A. Voßkuhle/A.-B. Kaiser, JuS 2014, S.  312 (314); M. Ohrloff, Der Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2014, S.  67 ff. Es wurden die §§  198, 200 f. GVG eingefügt sowie die §§  97a-e BVerfGG als Sonderregelung für das Bundesverfassungsgericht, vgl. dazu T. Barczak, AöR 138 (2013), S.  536 (556 ff.); C. Steinbeiß-Winkelmann/T. Sporrer, NJW 2014, S.  177 ff.; mit einer Bilanz auch S. Roller, DRiZ 2015, S.  66 ff.; zur Entschädigung we­ gen überlanger Dauer des Insolvenzverfahrens siehe F. Fuchs, VIA 2019, S.  50 ff. 656  Siehe zur Entscheidung des EGMR vom 2.9.2010 in: EGMR NJW 2010, S.  3355 ff. – Art.  6 Abs.  1 S.  1 sowie Art.  13 EMRK stützen den effektiven Rechtsschutz und das sich hieraus ableitende Effektivitätsgebot im Hinblick auf die Verfahrensdauer, vgl. W.-R. Schenke, NVwZ 2012, S.  257 ff.; Scheuer, Dienstaufsicht (Fn.  653), S.  204; T. Barczak, AöR 138 (2013), S.  536 (549 ff.); Ohrloff, Rechtsschutz (Fn.  655), S.  17 ff.; F. Brosius-Gersdorf, VVD­ StRL 74 (2015), S.  169 (199 ff.); Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  227 f. 657 Vgl. Scheuer, Dienstaufsicht (Fn.  653), S.  201. Zur zweischrittigen Prüfung der unan­ gemessenen Verfahrensdauer durch den Bundesgerichtshof siehe W.-R. Schenke, NVwZ 2012, S.  257 (258 ff., 264 f.); P. Bub, DRiZ 2014, S.  94 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  230. 658  Erfahrungen über die Neuregelung der Entschädigungsansprüche kann wohl erst die Evaluierung im Auftrag des Bundestages zweifelsfrei dokumentieren (BT-Drs. 17/7217 – Entschließung Nr. II, S.  3 f.), vgl. C. Steinbeiß-Winkelmann/T. Sporrer, NJW 2014, S.  177 (182); mit Verbesserungsvorschlägen Ohrloff, Rechtsschutz (Fn.  655), S.  110 ff.; zur parallelen Be­ deutung des Amtshaftungsanspruchs gem. §  839 BGB i. V. m. Art.  34 GG siehe F. Fuchs, VIA 2019, S.  50 (51).

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Zweiter Teil: Grundlagen

2. Die Rechtsschutzgarantie in den USA Ein dem deutschen Justizgewährleistungsanspruch entsprechendes Äquivalent ist in den USA unmittelbar als eigenes Rechtsinstitut nicht existent. Dies deutet sich bereits in der Tatsache an, dass eine Übersetzung des deutschen Begriffs schlicht nicht möglich scheint. Die naheliegendste Übersetzung wäre insofern Access to Justice. Es handelt sich dabei um einen feststehenden Begriff, der das Problem der Justizgewähr faktisch in den zeitlichen Bereich der Klageerhebung verlagert. Er meint daher an sich bereits die grundsätzliche Zugänglichkeit der Gerichte für Jedermann659. Dass es den Justizgewähranspruch als eigenes Rechtsinstitut in den USA nicht gibt, ist indessen vor dem Hintergrund, dass dieser auch in Deutschland lediglich lückenschließende Funktionen hat660, nicht folgenschwer. So wird in der deutschen Rechtsordnung mitunter auf die ergän­ zende Wirkung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz sowie den Anspruch auf ein faires Verfahren hingewiesen661. Vielmehr muss vorausgesetzt werden, dass im U.S.-amerikanischen Recht der Anspruch auf Gewähr von Rechtsschutz weitläufiger ist und gewisse Lücken selbst zu schließen vermag662. Allerdings lässt sich ein ähnlicher Anspruch des Einzelnen auf das Tätigwerden der Ge­ richtsbarkeit sowie das Zurverfügungstellen geeigneter Streitbeilegungsverfah­ ren aus der allgemeinen Rechtsschutzgarantie ableiten. Die Rechtsschutzgaran­ tie ist schließlich eng verwandt mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör663. Für Strafsachen sieht der 6. Zusatzartikel zur U.S.-Verf. das Recht auf ein zügiges Gerichtsverfahren vor664. Diese sog. Speedy Trial Clause zeigt einge­ denk ihrer Bedeutung, dass auch in den USA neben dem Recht auf ein faires Verfahren dem generell uneingeschränkten Zugang zu den Gerichten ein erheb­ liches Gewicht zukommt665. Der unparteilichen Justizgewähr in den USA die­

659 Vgl. S. Shepherd Tate, Access to Justice, in: ABA Journal 65 (1979), S.  904 ff.; Guarnieri/Pederzoli, Power (Fn.  441), S.  98 ff.; D. L. Rhode, Access to Justice, 2004, S.  5 ff. – Seit 2010 existiert in den USA zwecks Sicherstellung allgemeiner gerichtlicher Zugänglichkeit ein spezielles Office for ATJ. 660  Vgl. BVerfGE 107, 395 (407 f.); Manssen, Staatsrecht (Fn.  6 42), Rn.  791. Gleichsinnig Kischel, Begründung (Fn.  642), S.  92; H.-J. Papier, HStR³ VIII, §  176 Rn.  17; A. Voßkuhle/­ A.-B. Kaiser, JuS 2014, S.  312 (314). 661 Siehe B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (305). 662  Siehe zum Fair Trial-Prinzip und der sich hieraus ergebenden Bindung des Richters an Recht und Gesetz (soweit dies im Common Law möglich ist) Steinberger, Kritik (Einl., Fn.  18), S.  220. 663  Ähnlich auch Steinberger, Kritik (Einl., Fn.  18), S.  220 f. 664 Zum Right to a Speedy Trial im ersten Zugriff N. Nicholaidis, American Criminal Law Review 26 (1989), S.  1489 ff.; Müller, Rahmen (Fn.  133), S.  187. 665 Vgl. Müller, Rahmen (Fn.  133), S.  187.

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung

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nen ferner die Due Process-Klauseln des 5. und des 14. Zusatzartikels666. Sie ermächtigen die Richter, willkürliche Gesetze für nichtig zu erklären und damit die materielle Vertretbarkeit von Gesetzen im Interesse der Bürger zu über­ prüfen667. IV. Der gesetzliche Richter Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG gewährt einen subjektiven Anspruch auf den gesetzli­ chen Richter, bei dem es sich um ein grundrechtsgleiches Recht handelt668. Die Garantie des gesetzlichen Richters soll der Gefahr vorbeugen, dass die Justiz durch eine Manipulation der rechtsprechenden Organe sachfremden (exeku­ tiven oder justizinternen) Einflüssen ausgesetzt wird669. So kommt dem Ge­ schäftsverteilungsplan die Funktion zu, den verfassungsrechtlich garantierten gesetzlichen Richter endgültig zu bestimmen670. Zu diesem Zwecke sind die Zuständigkeiten von Gerichten, Spruchkörpern und Richtern abstrakt-generell möglichst zweifelsfrei sowie lückenlos festzulegen671. Das hierfür zuständige 666 Siehe

instruktiv Currie, Verfassung (Fn.  589), S.  39 ff.; Steinberger, Kritik (Einl., Fn.  18), S.  221. 667  Currie, Verfassung (Fn.  589), S.  4 4 f. 668  §  16 S.  1 GVG wiederholt diese Garantie. Siehe zu dem Recht auf den gesetzlichen Richter im Überblick J. Henkel, Der gesetzliche Richter, 1968, S.  118 ff.; Wolf, Gerichtsver­ fassungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  58 ff.; U. Reichl, Probleme des gesetzlichen Richters in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1994, S.  1 ff., 45 ff.; A. Eser, Der „gesetzliche Richter“ und seine Bestimmung für den Einzelfall. Rechtsvergleichende Beobachtungen und rechtspolitische Überlegungen zur spruchkörperinternen Geschäftsverteilung, in: ders. u. a. (Hrsg.), FS Hannskarl Salger, 1995, S.  247 ff.; Koch, Gesetzlicher Richter (Teil  1, Fn.  218), S.  283 ff.; N. Voßen, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtsweggarantie des Art.  19 Abs.  4 GG, den Verfahrensgarantien nach Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG, Art.  103 Abs.  1 GG und zum Prozeßrecht der Fachgerichte, 2002, S.  165; C. Sowada, Der gesetzliche Richter im Strafverfahren, 2002, S.  155 ff.; T. P. B. Schmitz, Bewegliche Zuständigkeiten der StPO und das Prinzip des gesetzlichen Richters, 2003, S.  49 ff.; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  293 ff.; P. Kunig, in: v. Münch/ders., GG (Teil  1, Fn.  9), Art.  101 Rn.  1 ff., 10 ff.; Classen, Legitimation (Einl., Fn.  78), S.  52; C. Detterbeck, in: Sachs, GG (Einl., Fn.  6), Art.  101 Rn.  4 ff.; H. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GGK III (Einl., Fn.  2), Art.  101 Rn.  14 ff. 669  BVerfG NJW 2009, S.  1734 f.; Reichl, Probleme (Fn.  668), S.  46; H. Sodan, HStR³ V, §  113 Rn.  63; J. Selder, ZRP 2011, S.  164 (164); Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  52; Detterbeck (Fn.  668), Art.  101 Rn.  5; Schulze-Fielitz (Fn.  668), Art.  101 Rn.  47 ff. (Ein­ flussnahme durch die Exekutive), 50 ff. (Einfluss der Judikative). 670  Siehe bereits P. Bockelmann, JZ 1952, S.  6 41 (641 f.). 671  C. Gloria, NJW 1989, S.  4 45 (445); Reichl, Probleme (Fn.  668), S.  111 ff. zum Vollstän­ digkeitsprinzip; W. Leisner, NJW 1995, S.  285 (287); Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  301, 306; Kunig (Fn.  668), Art.  101 Rn.  12; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  52 mit Fn.  131; Detterbeck (Fn.  668), Art.  101 Rn.  6a f., 14 ff.; Schulze-Fielitz (Fn.  668), Art.  101 Rn.  18.

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Zweiter Teil: Grundlagen

Gremium (§  21e GVG672) agiert in richterlicher Unabhängigkeit und daher wei­ sungsfrei673. Den Zweck von Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG auf die Deutung des „ge­ setzlichen Richters“ als den „zuständigen Richter“ zu beschränken, wäre hin­ gegen verfehlt, da eine solche Betrachtung lediglich rein formal wäre674. Die Garantie des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG hat ihren historischen Ursprung in der absolutistischen Tradition der Kabinettsjustiz, die es dem Monarchen ermög­ lichte, den zuständigen Richter nach eigenem Ermessen zu bestimmen oder ab­ zulösen und so auf den Ausgang eines Verfahrens Einfluss zu nehmen675. Nach wie vor dient die Garantie des gesetzlichen Richters in dieser Tradition primär der Absicherung der Rechtsprechung vor Einflüssen durch die Exekutive676. In Ansehung gerichtsorganisatorischer Entscheidungen erfordert Art.  101 Abs.  2 S.  1 GG die möglichst eindeutige und genaue, schriftliche, vollständige, abs­ trakt-generelle Bestimmung des gesetzlichen Richters im Voraus nach rein ob­ jektiven Kriterien677. Vor dem Hintergrund der Absicherung der Rechtspre­ chung gegen politische Einflüsse durch das Verfassungsprinzip der richter­lichen Unabhängigkeit i. S. d. Art.  97 GG muss man darüber nachdenken, die Auslegung des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG an die modernen Bedürfnisse der Ge­ richtsverwaltung bzw. der Geschäftsverteilung anzupassen und den Schutzzweck der Regelung auf den Schutz vor justizinternen Eingriffen in das Recht auf den gesetzlichen Richter zu beschränken678. Unter Berücksichtigung von Effizienz­ gesichtspunkten würde dies den Zugriff eines professionellen Gerichtsmanage­ ments auf die Geschäftsverteilung ermöglichen679. 672  Siehe

zur Geschäftsverteilung als Aufgabe gerichtlicher Selbstverwaltung durch die Präsidien eingehend in Kap.  4 A. III. 3. c). 673 Vgl. H. Mertin, ZRP 2002, S.  332 (333); Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  52. 674  So auch Maunz (Teil  1, Fn.  139), Art.  101 (1962) Rn.  13; zu den umfangreichen Bedeu­ tungsgesichtspunkten des gesetzlichen Richters siehe Voßen, Rechtsprechung (Fn.  668), S.  166 ff.; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  301 ff. 675  Zu den historischen Hintergründen des Rechts auf den gesetzlichen Richter siehe auch E. Kern, Der gesetzliche Richter, 1927, S.  111 ff.; Reichl, Probleme (Fn.  668), S.  9 ff. (mit Be­ zügen zur Kabinettsjustiz explizit S.  19); Eser, Gesetzlicher Richter (Fn.  668), S.  249; Schmitz, Zuständigkeiten (Fn.  668), S.  61 f., 69 ff.; U. Müßig, Recht und Justizhoheit, 2.  Aufl. 2009, S.  218 ff., 271 ff.; Schulze-Fielitz (Fn.  668), Art.  101 Rn.  1, 4. 676  So auch Voßen, Rechtsprechung (Fn.  668), S.  170; Kunig (Fn.  668), Art.  101 Rn.  29. – Siehe instruktiv zu der innerorganisatorischen Absicherung innerhalb der Justiz Schulze-­ Fielitz (Fn.  668), Art.  101 Rn.  50 ff. 677 Siehe Schulze-Fielitz (Fn.  668), Art.  101 Rn.  50 m. w. N. zu den einzelnen Vorausset­ zungen. 678  K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (244, 248 f.). 679 Vgl. K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (249). – Siehe zu einer verfassungsrechtlichen Wür­ digung dieser Fragestellung Kap.  5 B. I.

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung

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In den USA gibt es eine entsprechende Garantie des gesetzlichen Richters we­ der im Bundesrecht noch auf einzelstaatlicher Ebene680. In der amerikanischen Verfassungsentwicklung fehlte – zumindest unter diesem Aspekt – der über­ mächtige Monarch und damit das politische Bedürfnis, die Gerichte gegen eine Gefahr für eine unabhängige Rechtspflege abzusichern681. Überdies sieht Eser den Grund für ein Fehlen des gesetzlichen Richters in dem unerschöpflichen „Vertrauen der Bevölkerung in die Lauterbarkeit der Justiz und ihrer Organe“682. Aus prozeduraler Sicht ist in den USA zudem die Aufteilung zwischen Pretrialund Trial-Phase ein Grund dafür, dass den Prozessbeteiligten nicht ein Richter zugeteilt wird, da der Richter während eines Verfahrens regelmäßig wechselt683. Lediglich die Zusammenstellung der Jury erfolgt in den USA oftmals unter ähn­ lich strengen Gesichtspunkten wie die Geschäftsverteilung in Deutschland684. In der Existenz einer Jury bei vielen gerichtlichen Verfahren liegt ferner der Grund dafür, dass die Verfahrensführung durch einen einzigen Richter als nicht wesent­ lich angesehen wird: Der Richter nimmt im Vergleich zur deutschen Rechtsord­ nung im Verfahren eine untergeordnete Rolle ein685, da er bei der Beteiligung ei­ ner Jury die Entscheidung in der Sache nicht zu treffen hat. V. Richterliche Unabhängigkeit Sowohl die deutsche als auch die U.S.-amerikanische Verfassung enthalten Vor­ gaben zur richterlichen Unabhängigkeit686, wenngleich die Garantie der richter­ 680 So bereits E. Marx, Der gesetzliche Richter im Sinne von Art.  101 Abs.  1 Satz  2 Grundgesetz, 1969, S.  137; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  84; Eser, Gesetzlicher Richter (Fn.  668), S.  259; Koch, Gesetzlicher Richter (Fn.  218), S.  292; Karpen, Gerichts­ manager (Einl., Fn.  10), S.  994; Müller, Rahmen (Fn.  133), S.  189; C. D. Classen, in: v. Man­ goldt/Klein/Starck, GG (Teil  1, Fn.  10), Art.  101 Rn.  5 mit Fn.  12; Schulze-Fielitz (Fn.  668), Art.  101 Rn.  12. 681  Der Einfluss der britischen Monarchie war zwar beträchtlich, jedoch scheint es zumin­ dest so zu sein, dass eine Gefahr im Hinblick auf den Austausch unliebsamer Richter nicht wahrgenommen worden ist, vgl. so auch Kern, Richter (Fn.  675), S.  27; ders., Geschichte (Fn.  7), S.  27; Reichl, Probleme (Fn.  668), S.  15. 682  Wenn diese Annahme für England gilt, ist sie für die USA auch nicht allzu weit her­ geholt. Siehe Eser, Gesetzlicher Richter (Fn.  668), S.  260. 683  Die Pretrial-Phase wird gem. 28 U.S.C. §§  631 ff. als Errungenschaft der Professiona­ lisierung der Gerichtsverwaltung durch Magistrate Judges durchgeführt, vgl. Koch, Gesetz­ licher Richter (Teil  1, Fn.  218), S.  292 f.; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  545; Müller, Rahmen (Fn.  133), S.  189. 684  Siehe zu den Einzelheiten 28 U.S.C. §§  1861 ff. Eingehend Koch, Gesetzlicher Richter (Teil  1, Fn.  218), S.  293; instruktiv zur Auswahl der Jury-Mitglieder Schack, Einführung (Fn.  178), Rn.  155. 685  Müller, Rahmen (Fn.  133), S.  189. 686  P. Rädler, Independence and Impartiality of Judges, in: D. Weissbrodt/R. Wolfrum

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Zweiter Teil: Grundlagen

lichen Unabhängigkeit in Art.  97 GG eine prominentere und sehr spezifische Kodifikation erhalten hat (1.). Die amerikanische Bundesverfassung macht in Art.  III explizit lediglich Angaben zur Amtszeit, Unabsetzbarkeit und Besol­ dung687 (2.). Vorweggenommen sei, dass die Stellung der Richter in beiden Rechtsordnungen denkbar verschieden ist und vor allem amerikanischen Rich­ tern im Common Law-System durch das sog. Judge-Made Law eine erhöhte Selbständigkeit zukommt, die sich als Konsequenz der Stare Decisis-Doktrin darstellt688. Solche Freiheiten kommen deutschen Richtern bereits aufgrund des sie bindenden Gesetzesrechts nicht zu689. 1. Die Garantie richterlicher Unabhängigkeit in Deutschland Das Hauptmerkmal und gleichzeitig die erste Voraussetzung richterlicher Tä­ tigkeit ist, dass diese „von einem nichtbeteiligten und neutralen Dritten in sach­ licher und persönlicher Unabhängigkeit sowie in organisatorischer Selbständig­ keit ausgeübt wird“690. Dabei sind die Eigenschaften wie Neutralität, Unpartei­ lichkeit und Distanz untrennbar mit dem Amt des Richters und der Institution des Gerichts verbunden691. Dies ergibt sich bereits aus dem Rechtsstaatsprinzip, (Hrsg.), The Right to a Fair Trial, 1997, S.  727 ff.; Russell, Theory (Fn.  407), S.  22; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  11. – Einen Überblick zur Geschichte der richterlichen Unabhängigkeit verschaffen Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  68 ff. und Steinberger, Kritik (Einl., Fn.  18), S.  43 ff., 197 ff.; A. Dodek/L. Sossin, Judicial Independence in Context, in: dies. (Hrsg.), Judicial Independence in Context, 2010, S.  1 (3 ff.). Siehe zu einem interna­ tionalen Vergleich K. H. Schwab/P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, 1984, S.  13. 687  Diese Absicherungen des Richteramtes werden gemeinhin als Unabhängigkeitsgaran­ tie mit Verfassungsrang interpretiert. Siehe Northern Pipeline Construction Co. v. Marathon Pipeline Co., 458 U.S.  50, 58 ff. (1982). 688  Aus der Bindung an Präjudizien folgt allerdings nicht zwangsläufig ein eingeschränk­ ter Gestaltungsspielraum im Rahmen der Rechtsprechung, vgl. Kayser, Auswahl (Einl., Fn.  18), S.  221 ff., 229 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  82 ff.; Blumenwitz, Ein­ führung (Teil  1, Fn.  201), S.  38 ff.; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  11. 689 Vgl. P. Kastari, Der Staat 11 (1972), S.  331 (338 ff.). 690  Vgl. BVerfGE 4, 331 (346); 21, 139 (146); 26, 141 (154); 42, 206 (209); 87, 68 (85); 103, 111 (140); siehe auch H. Sodan, HStR³ V, 2007, §  113 Rn.  19; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  25 Rn.  3; Hopfauf (Teil  1, Fn.  11), Vorb. v. Art.  92 Rn.  75. 691  BVerfGE 60, 175 (214); 103, 111 (140); BVerwGE 78, 216 (219); gleichsinnig Bettermann, Unabhängigkeit (Teil  1, Fn.  137), S.  525; J. Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters. Befangenheit und Parteilichkeit – im deutschen Verfassungs- und Verfahrens­ recht, 1980, S.  256; Voßkuhle, Rechtsschutz (Teil  1, Fn.  1), S.  111 ff.; Wolff (Teil  1, Fn.  9), Art.  92 Rn.  51; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  463 ff. (Unabhängig­ keit), Rn.  485 ff. (Neutralität); W. Meyer in: v. Münch/Kunig, GG (Teil  1, Fn.  9), Art.  97 Rn.  24; Hopfauf (Teil  1, Fn.  22), Art.  92 Rn.  75; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  14; Zum Neutralitätsgebot in Abgrenzung zur Religionsfreiheit siehe H. Wißmann, ZRP 2019, S.  218 ff. sowie F. Brosius-Gersdorf/H. Gersdorf, NVwZ 2020, S.  428 ff. – Etwas pathetisch

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aus dem Gebot der Gewaltenteilung (Art.  20 Abs.  2 und 3 GG), aus Art.  92 GG sowie aus Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG und geht einher mit richterlicher Verantwor­ tung und einem weitreichenden Pflichtenkreis692. Die Unabhängigkeit des Rich­ ters ist im Grundgesetz in Art.  97 Abs.  1 GG verankert, in dem neben der rich­ terlichen Unabhängigkeit auch die Gesetzesbindung des Richters bekräftigt wird. §  25 GVG wiederholt diese Garantie nahezu im gleichen Wortlaut693. Da­ rüber hinaus bestimmt auch §  1 GVG, dass die richterliche Gewalt „durch unab­ hängige, nur dem Gesetz unterworfene Gerichte ausgeübt wird“, und bezieht sich auf die Selbständigkeit der Gerichte als organisatorische Einrichtungen im Sinne der Gewaltenteilung694. Die richterliche Unabhängigkeit dient somit pri­ mär dem Schutz der Rechtsprechung vor Übergriffen durch die anderen Gewal­ ten695. Der unmittelbare Zusammenhang mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz qualifiziert den Bestand einer rechtsprechenden Gewalt und die richterliche Un­ abhängigkeit gem. Art.  97 Abs.  1 GG als unabänderbare Einrichtungsgarantie nach Art.  79 Abs.  3 GG696. Die richterliche Unabhängigkeit ist elementare Vor­

wird die richterliche Unabhängigkeit von Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  1 als „Bollwerk gegen Versuche rechtswidriger Machtausübung jeder Art“ bezeichnet. 692  Vgl. BVerwGE 78, 216 (219); so auch Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  56; B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (278 f.); Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  25 Rn.  3; Steinberger, Kritik (Einl., Fn.  18), S.  47 f.; Zeller, Gerichtsverwaltung (Teil  1, Fn.  1), S.  10 ff.; A. Heusch, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG (Teil  1, Fn.  11), Art.  97 Rn.  2; Hopfauf (Teil  1, Fn.  22), Art.  92 Rn.  75. 693  H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1089); auch E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (860); H. Sodan, HStR³ V, 2007, §  113 Rn.  19; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  25 Rn.  2; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  197; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  70. – Zur Funktion der Gesetzesunterworfenheit als „Komplementärelement“ der richter­ lichen Unabhängigkeit siehe Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  11. 694  So auch die §  1 VwGO, §  1 FGO und §  1 SGG. Ferner sind entsprechende Bestimmun­ gen in sämtlichen Länderverfassungen enthalten. So auch BVerwGE 78, 216 (219); W. Dütz, JuS 1985, S.  745 (747); G. Seidel, RuP 38 (2002), S.  98 (98); U. Di Fabio, HStR³ II, §  27 Rn.  27 ff.; E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (860); D. Leuze, in: Friauf/Höfling, GG (Fn.  267), Art.  97 (2012), Rn.  4; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  4 f. 695  Die aus Art.  20 Abs.  3 GG folgende Bindung der Richter an Recht und Gesetz macht im Umkehrschluss deutlich, dass die Richter von sämtlichen „gesetzes-/rechtsfremden und deshalb sachfremden Einflüssen jeglicher Art frei gehalten werden“ müssen, so E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (860); ähnlich Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  449; Kissel/ Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  11. 696 Vgl. U. Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, S.  323; detailliert mit einer Unterschei­ dung zwischen Art.  97 Abs.  1 und Abs.  2 GG siehe E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (861); weiter­ hin Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  2; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  25 Rn.  3; Leuze (Fn.  694), Art.  97 Rn.  9; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  6.

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Zweiter Teil: Grundlagen

aussetzung für die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes im Sinne des Jus­ tizgewährleistungsanspruchs697. Die Schutzrichtung der richterlichen Unabhängigkeit bezieht sämtliche Staatsorgane als Normadressaten ein698 und bindet daher nicht nur Legislative und Exekutive, sondern auch die Judikative vollumfänglich699. Art.  97 GG ge­ währt dem einzelnen Richter subjektiv-öffentliche Rechte, enthält jedoch keine Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte700. Die Unabhängigkeit ist kein Standesprivileg701, sondern soll eine gerechte, unbeeinflusste Rechtsprechung ermöglichen702. Der Stellenwert der richterlichen Unabhängigkeit ist aus Rich­ tersicht als besonders hoch einzuschätzen703. Der Begriff des Richters in Art.  97 Abs.  1 GG ist mit dem aus Art.  92 GG identisch; hierunter fallen mithin alle 697  G. Barbey, HStR1 III, §  74 Rn.  27 ff.; H.-J. Papier, NJW 1990, S.  8 (9 f.); Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  484; A. Thiele, Der Staat 52 (2013), S.  415 (417); Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  1; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  197; Schneider, Ethik (Einl., Fn.  5), S.  365 ff. im Zusammenhang mit den rechtlichen Pflichten eines Richters; Jarass/Pieroth (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  1; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  14; zu der Kollisionslage zwischen effektivem Rechtsschutz und richterlicher Unabhängigkeit siehe F. J. Säcker, NJW 2018, S.  2375 (2378 f.). 698  Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  187; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  15. 699  Im Rahmen der Judikative bezieht sich die richterliche Unabhängigkeit nicht nur auf Maßnahmen der Justiz- und Gerichtsverwaltung, sondern in den Kreis der Verpflichteten fallen auch die Rechtsprechungsorgane selbst. Vgl. Reinhardt, Jurisdiktion (Teil  1, Fn.  1), S.  112 ff.; E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (861 f.); H. Sodan, HStR³ V, 2007, §  113 Rn.  23 ff.; Meyer (Fn.  691), Art.  97 Rn.  15; S. Gass/T. Stadelmann, Leistungsbeurteilung in der Justiz und richterliche Unabhängigkeit im Spannungsfeld von Recht und Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, in: T. Stadelmann/S. Gass/R. McCombe (Hrsg.), Richterliche Unabhängigkeit und Leistungsbeurteilung, 2015, S.  3 (5); Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  107. 700  BVerfGE 27, 211 (217); vgl. zum Teil kritisch im Hinblick auf die vermittelten subjek­ tiv-öffentlichen Rechte H. Sodan, HStR³ V, 2007, §  113 Rn.  20; aus der zustimmenden Litera­ tur siehe B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (279); Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  25 Rn.  9; Classen (Fn.  344), Art.  97 Rn.  2, 3; Staats (Teil  1, Fn.  177), §  25 Rn.  6; Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  7; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  16 („Art.  97 [gewährt] mittelbar auch subjektive öffentliche Rechte“). 701  Mit Befürchtungen, das Institut könne zu einem Standesprivileg verkommen, Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  174 ff.; ders., VVDStRL 74 (2015), S.  115 (137); darauf nimmt Bezug Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  198; ähnlich bereits U. Berlit, Richter­ liche Unabhängigkeit und effektiver Rechtsschutz im „ökonomisierten“ Staat, in: H. Schulze-­ Fielitz/C. Schütz (Hrsg.), Justiz und Justizverwaltung zwischen Ökonomisierungsdruck und Unabhängigkeit, 2002, S.  135 (149). 702  H.-J. Papier, NJW 1990, S.  8 (9 f.); R. Voss, DRiZ 1998, S.  379 (381); H. Sodan, HStR³ V, 2007, §  113 Rn.  20; Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  15; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  25 Rn.  9. 703  So auch W. Dütz, JuS 1985, S.  745 (748).

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung

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Personen, denen die rechtsprechende Gewalt anvertraut ist704. Konkreter gefasst ist jeder Richter gemeint, der mit materiellen Rechtsprechungsaufgaben befasst ist705. Der Richterbegriff in Art.  97 Abs.  2 GG ist insoweit enger, da er lediglich hauptamtlich und planmäßig angestellte Richter erfasst706. Art.  97 Abs.  1 GG sichert im Sinne des gerichtsverfassungsrechtlichen Ver­ ständnisses die sachliche Unabhängigkeit (a), während sich die persönliche Un­ abhängigkeit aus Art.  97 Abs.  2 i. V. m. Art.  98 GG ergibt (b); hinzukommt die institutionelle Unabhängigkeit als organisatorische Selbständigkeit (c)707. a) Sachliche Unabhängigkeit Art.  97 Abs.  1 GG garantiert den Richtern sachliche Unabhängigkeit. Diese be­ steht darin, dass sie im Rahmen ihrer Rechtsprechung nur an das Gesetz gebun­ den sind708. Der Richter muss seine Entscheidungen frei von Weisungen fällen können709. Durch die alleinige Gesetzesunterworfenheit wird der Richter aus der Notwendigkeit der sachlich-inhaltlichen Legitimation entlassen710. Die sachliche Unabhängigkeit bezieht sich dabei auf alle einem Richter übertrage­ nen judikativen Aufgaben, die er in seiner spezifischen Eigenschaft ausführt711. Soweit Richter weitere Aufgaben als die der Rechtsprechung gem. Art.  92 GG als Organe der Rechtsprechung ausführen, gilt auch insofern – wie beispiels­ weise für den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder die Geschäftsvertei­ lungstätigkeiten der richterlichen Selbstverwaltung gem. §§  21e, 21g GVG712 – 704  E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (862); Meyer (Fn.  691), Art.  97 Rn.  11; Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  8; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  18. 705  Die Unabhängigkeit gilt somit für sämtliche Richter in gleicher Weise, ohne dass es Sonderregeln gibt für (bspw.) Vorsitzende im Spruchkörper, vgl. H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1090); Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  25 Rn.  3; Heusch (Fn.  692), Art.  97 Rn.  8 f. 706  S. Haberland, DRiZ 2002, S.  301 (301); E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (862); Classen (Fn.  344), Art.  97 Rn.  36; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  18. 707  Siehe zu der Herleitung E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (860); Classen (Fn.  344), Art.  97 Rn.  3; mit weiteren Differenzierungen siehe Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  10. 708  Siehe hier nur H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1089). 709  BVerfGE 26, 186 (198 f.); 14, 56 (69); 27, 312 (322). Vgl. dazu B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (280); Leuze (Fn.  694), Art.  97 (38. EL 2012) Rn.  12; v. Bernstorff, Gerichtsver­ waltung (Einl., Fn.  17), S.  71; L. C. Faissner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  45. 710  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  177: „Art.  97 Abs.  1 GG […] läßt den Richter also bildlich gesprochen von der Legitimationskette“; vgl. auch Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  150; Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  22. 711  Classen (Fn.  344), Art.  97 Rn.  3 f. – Ähnlich bereits C. Starck, VVDStRL 34 (1975), S.  43 (48): „Kehrseite und Legitimation der Unabhängigkeit ist die Bindung an das Gesetz“. 712  BGHZ 46, 147 (148). So auch H.-J. Papier, NJW 1990, S.  8 (9, 13 f.); ders., NJW 2001, S.  1089 (1090); Wassermann (Fn.  336), Art.  97 Rn.  24; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  25 Rn.  10.

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Zweiter Teil: Grundlagen

die Unabhängigkeitsgarantie des Art.  97 Abs.  1 GG713. Nicht in den Anwen­ dungsbereich der sachlichen Unabhängigkeit fällt jedoch die Wahrnehmung von Justiz- bzw. Gerichtsverwaltungsaufgaben714. Es handelt sich hierbei um Maßnahmen, die zwar mit der Rechtsprechung im Zusammenhang stehen, „die dem Kernbereich der eigentlichen Rechtsprechung [indessen] so weit entrückt sind, daß [sic] für sie die Garantie des Art.  97 Abs.  1 GG nicht in Anspruch ge­ nommen werden kann“715. Der Gewährleistungsgehalt des Art.  97 Abs.  1 GG wird in ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts über förmli­ che beamtenrechtliche Weisungen hinaus ausgedehnt auf alle Maßnahmen, die unmittelbar oder auch mittelbar716 Einfluss auf die richterliche Entscheidung nehmen717. Es ist demzufolge jede vermeidbare Einflussnahme auf oder Ein­ mischung in die Rechtsprechungstätigkeit des Richters per se unzulässig718. „Vermeidbar“ sind dabei all jene Einflussnahmen, die nicht zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Gerichte notwendig sind719. Die definitorische Greifbar­ keit dieser „Vermeidbarkeitsklausel“ ist in der Praxis indessen gering; Ausufe­ rungen sind erwartbar und naheliegend720. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass 713 Vgl.

E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (863); Classen (Fn.  344), Art.  97 Rn.  4; Heusch (Fn.  692), Art.  97 Rn.  10. 714  BVerfGE 38, 139 (152 f.); Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  25 Rn.  11; Classen (Fn.  344), Art.  97 Rn.  4 m. w. N., 29; Steinberger, Kritik (Einl., Fn.  18), S.  47; Heusch (Fn.  692), Art.  97 Rn.  11. 715  So etwa BGHZ 42, 163 (169 f.). Siehe dazu R. Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht über Richter, 1985, S.  61 ff.; H.-J. Papier, NJW 1990, S.  8 (10); Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  56. 716  Bspw. in Form von Ersuchen, Empfehlungen, Ratschlägen sowie Bitten oder durch das Ausüben von Druck. Vgl. R. Kiener, Richterliche Unabhängigkeit. Verfassungsrechtliche Anforderungen an Richter und Gerichte, 2001, S.  236 ff.; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  25 Rn.  6 ff.; Leuze (Fn.  694), Art.  97 Rn.  12; L. Jünemann, „Richterliche Unabhängigkeit und Leistungsbeurteilung“. Die Beurteilung richterlicher Tätigkeit im Spannungsverhältnis zur Richterlichen Unabhängigkeit – Ein Beitrag aus deutscher Sicht, in: Stadelmann/Gass/ McCombe, Unabhängigkeit (Fn.  699), S.  55 (58); Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  40; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  19. 717  BVerfGE 21, 81 (86); 26, 79 (93, 96); 38, 1 (1 ff., 21). 718 Vgl. zustimmend J. Schmidt, DRiZ 1981, S.  81 (81); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  177 f.; E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (863); Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  23; Classen (Fn.  344), Art.  97 Rn.  17; Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  5; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  19. 719  Siehe hier aus der Rechtsprechung nur BVerfGE 26, 79 (94). Aus der Literatur dazu Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  22. 720  Zur Kritik an der „ausufernden“ Rechtsprechung der Richterdienstgerichte anschau­ lich Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  178; kritisch vor dem Hintergrund des Dienstzeit­ urteils des Bundesgerichtshofs vom 11.2.2006 E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (866); so auch Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  100; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  199.

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung

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als Formel für die Unzulässigkeit einer Einflussnahme der Kernbereich der Rechtsprechung herangezogen wird, der bekanntermaßen kaum sauber einzu­ grenzen und von dem „Bereich äußerer Ordnung“ abzugrenzen ist721. Vor allem für die Gerichtsverwaltung, die regelmäßig mittelbar in organisatorischer Hin­ sicht auch auf die Rechtsprechungstätigkeit des Richters einwirkt, bedeutet dies, dass sie einer faktischen Zweckmäßigkeitskontrolle unterliegt722. Eine unzuläs­ sige Einflussnahme auf die Rechtsprechung droht durch die Legislative (aa.) sowie die Exekutive (bb.), ferner auch durch die Judikative (cc.) selbst723 sowie durch sonstige äußere Einwirkungen (dd.). aa) Legislative Eine unabhängige Rechtsprechung und die durch Art.  97 Abs.  1 GG bekräftigte Gesetzesbindung des Richters stehen in einem sich bedingenden Verhältnis und schließen sich keinesfalls aus724. Vielmehr dient die richterliche Unabhängigkeit der möglichst neutralen Realisierung der Gesetzesbindung725. Die Unabhängig­ keit des Richters von der Legislative besteht insofern, als dass jegliche Einfluss­ nahme der Gesetzgebung auf die Entscheidung konkreter Fälle in laufenden Verfahren untersagt ist726. Es dürfen also weder einzelfallbezogene Gesetze er­ lassen, noch sonstiger Druck durch Parlamentarier auf die Richter im Hinblick auf ihre Entscheidungsfindung ausgeübt werden727. Eine legislative Steuerung 721 Vgl. E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (864); Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  11c; mit einem optimistischen Fazit jedoch Kissel/Mayer (F Teil  1, n.  4), §  1 Rn.  59 ff. – Siehe zur Kritik der Kernbereichslehre vor allem im Zusammenhang mit Maßnahmen der Dienstauf­ sicht Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht (Fn.  715), S.  61 ff., 101 f.; G. Seidel, RuP 38 (2002), S.  98 (103); Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  26 Rn.  28 ff.; A. Thiele, Der Staat 52 (2013), S.  415 (421 ff.). 722  So auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  178. 723 Siehe E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (868); Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  499 ff.; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  76 ff.; mit einer eindringlichen Warnung vor den Gefahren für die richterliche Unabhängigkeit, die von der Judikative selbst ausgehen Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  183 ff. 724  H. Sodan, HStR³ V, 2007, §  113 Rn.  24; Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  12. 725  Zur Kollision bzw. Korrelation von richterlicher Unabhängigkeit und Gesetzesbindung siehe Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  63 f.; Reinhardt, Jurisdiktion (Teil  1, Fn.  1), S.  107 ff.; Wassermann (Fn.  336), Art.  97 (2001), Rn.  43; H. Sodan, HStR³ V, 2007, §  113 Rn.  34 f.; Classen (Fn.  344), Art.  97 Rn.  5 ff.; Heusch (Fn.  692), Art.  97 Rn.  6, 27; Kissel/­ Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  110; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  21. 726  BVerfGE 12, 67 (71); 38, 1 (21). Siehe dazu B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (280 f.); Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  92; Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  499; Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  12. 727  B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (280 f.); H. Sodan, HStR³ V, 2007, §  113 Rn.  24; Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  499.

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Zweiter Teil: Grundlagen

ist zwar insofern rechtmäßig, als der Gesetzgeber das Rechtsschutzniveau grundsätzlich senken darf, solange nicht der Justizgewährleistungsanspruch be­ schnitten wird, und auch Kürzungen des Justizhaushaltes denkbar sind, sofern es nicht zu einer Unterausstattung der Justiz kommt728. Allerdings liegen die Grenzen dieser Steuerung dort, wo direkt Einfluss auf ein Rechtsprechungser­ gebnis genommen wird – beispielsweise durch die gezielte Aufhebung von Ur­ teilen oder Beschlüssen, Maßnahmen informeller Natur oder auch die Nachprü­ fung durch Untersuchungsausschüsse729. Diese Eingriffsmöglichkeiten bleiben freilich eher theoretisch und üben faktisch keinen erheblichen Einfluss auf die richterliche Tätigkeit aus730. So bleibt es dem Gesetzgeber beispielsweise auch unbenommen, punktuell die Rechtslage zu ändern, indem er eine vorangegan­ gene gerichtliche Entscheidungspraxis hierzu zum Anlass nimmt731. Dies be­ deutet indessen nicht, dass jegliche Rechtsprechungskritik durch Politiker un­ tersagt ist732 , jedoch unterliegt die sog. Urteilsschelte gewissen Restriktionen733. Die Urteilsschelte ist nur so weit zulässig, wie nicht die Grenzen des Gewalten­ teilungsgrundsatzes verwischt werden734 oder bezüglich des Bundesverfas­ sungsgerichts die Grenze der Verfassungsorgantreue überschritten wird735. Um­ gekehrt ist es Richtern grundsätzlich selbst nicht verboten, Mitglied in einer

728 Zusammenfassend

F. Wittreck, Betrifft Justiz 118 (2014), S.  67 (70 f.); Minkner, Ge­ richtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  200 ff.; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  23 ff. 729  Zu diesen Grenzen der legislativen Steuerung siehe Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  150 f.; E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (864); H. Sodan, HStR³ V, 2007, §  113 Rn.  24; Heusch (Fn.  692), Art.  97 Rn.  27; Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  12. 730  So auch E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (864); Jarass/Pieroth (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  8; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  25. 731  Vgl. hierzu auch v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  77. – Ein anschau­ liches Beispiel stellt der kürzlich neu installierte §  81a Abs.  2 S.  2 StPO dar, welcher faktisch den zuvor umfangreich bestehenden Richtervorbehalt zur Vornahme von körperlichen Ein­ griffen zumindest bei einem Verdacht auf ein Verkehrsdelikt aushebelt und so eine umfassen­ de Kasuistik zur Blutprobeentnahme ohne vorherige richterliche Anordnung hinfällig macht. 732 Dies wird beispielhaft ausgeführt von E. G. Mahrenholz, DRiZ 1991, S.  432 (434): „Den Richtern darf es hier nicht anders gehen als anderen am öffentlichen Leben Beteiligten. […] Jede öffentliche Gewalt braucht die kritische Publizistik.“ 733  Siehe zur Urteilsschelte allgemein R. Mishra, Zulässigkeit und Grenzen der Urteils­ schelte, 1997; D. Leuze, DÖD 2005, S.  78 (79 f.); H. Sodan, HStR³ V, 2007, §  113 Rn.  27; Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  93; Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  19. – Zur Kritik an den harten Worten Wolfang Thierses im Fall „Emely“ siehe V. Rieble, NJW 2009, S.  2101 ff.; M. Stoffels, NJW 2011, S.  118 ff. 734  Eine Personalisierung von Vorwürfen ist daher untersagt, vgl. Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  170 f.; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  103. 735  A. Voßkuhle, NJW 1997, S.  2216 ff.; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  25.

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Partei zu sein, allerdings ist eine aktive Beteiligung mit Blick auf die richter­ liche Unabhängigkeit stets restriktiv zu handhaben (§  39 DRiG)736. bb) Exekutive Historisch bedingt garantiert Art.  97 Abs.  1 GG vornehmlich die Unabhängig­ keit von der Exekutive737, sodass eine Einflussnahme auf die Rechtsprechung auch insofern untersagt ist738. Wie in Bezug auf die Legislative sind auch die durch die Exekutive geschaffenen rechtlichen Vorgaben nicht schlechterdings untersagt, soweit sie nicht die Art und Weise der Rechtsprechungsausübung be­ einflussen739. In den äußeren Bereich der Art und Weise der Ausübung der Rechtsprechung darf nur eingewirkt werden, sofern dies unerlässlich740 oder anderweitig erlaubt741 ist. Einwirkungen in den Rechtsprechungskern sind hin­ gegen grundsätzlich unzulässig742. Dem geschützten Tätigkeitsbereich der Richter unterfallen insofern nicht nur der Entscheidungsspruch an sich, sondern auch verfahrensbegleitende Anordnungen – also vorbereitende, begleitende oder nachfolgende Entscheidungen in Sach- und Verfahrensfragen743. Als span­ nungsgeladen erweist sich vor allem das Verhältnis der sachlichen Unabhängig­ keit zu den Aufgaben der Gerichtsverwaltung, durch die der Exekutive weit­ gehende Einflussmöglichkeiten offenstehen744. Die Ernsthaftigkeit drohender Gefahren ist allerdings beschränkt und entspringt eher einer übersensiblen 736  Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  39 Rn.  27 ff.; Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  500; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  203. 737 So auch Baer, Unabhängigkeit (Fn.  28), S.  106 f.; H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1090); D. Leuze, DÖD 2005, S.  78 (80); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  186; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  203 ff.; Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  13; Schulze-­ Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  26; recht einseitig A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (678). 738  Untersagt sind Einzelzuweisungen, Verwaltungsvorschriften und die Einflussnahme durch sonstige Handlungsformen, vgl. Reinhardt, Jurisdiktion (Teil  1, Fn.  1), S.  105; mit Bei­ spielen exekutiver Eingriffe H. Sendler, NJW 2001, S.  1256 ff.; Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  13; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  26. 739  Heusch (Fn.  692), Art.  97 Rn.  12; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  27. 740  Siehe hier nur Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  29. 741  Siehe bspw. Art.  33 Abs.  2 GG (Bestenauslese). 742  Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  30. 743  Hierzu zählen die Terminanberaumung, die Fristsetzung, sitzungspolizeiliche Maß­ nahmen, die Beweiserhebung sowie die Geschäftsverteilung, die Weiterleitung einer Be­ schwerde und die Unterschrift unter das Urteil. Siehe N. Bernsdorff, in: Umbach/Clemens, GG (Teil  1, Fn.  9), Art.  97 Rn.  29; Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  13; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  30. 744 Siehe E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (865 ff.); Zeller, Gerichtsverwaltung (Teil  1, Fn.  1), S.  12 f.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  203 f.; Heusch (Fn.  692), Art.  97 Rn.  16 ff.

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Wahrnehmung der Unabhängigkeit in Ansehung größtmöglicher richterlicher Freiheit745. Dies beweist bereits die Tatsache, dass die deutschen Richter im eu­ ropäischen Vergleich als äußerst unabhängig gelten und ihre Vorstellung gegen­ über der Exekutive auch durchzusetzen vermögen746. Gefahrenpotenzial bieten aus Richtersicht zuvorderst die Kontrollinstrumente der Dienstaufsicht (1) so­ wie Modernisierungs- und Ökonomisierungsprozesse in Anlehnung an das „Neue Steuerungsmodell“ (NSM) (2). (1) Dienstaufsicht Das Verhältnis von richterlicher Unabhängigkeit und Dienstaufsicht747 ist natur­ gemäß spannungsgeladen. Dreh- und Angelpunkt ist hierbei die Bestimmung des §  26 Abs.  1 DRiG, nach welcher der Richter der Dienstaufsicht nur unter­ steht, soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt wird748. Grundsätzlich sind Dienstaufsichtsmaßnahmen notwendige Kontrollmechanismen im ge­ waltenteilenden Staat und müssen daher in den Grenzen von Art.  97 GG zuläs­ sig sein749. Friktionen der Unabhängigkeitsgarantie mit der Dienstaufsicht sind im Bereich der Gerichtsverwaltung indes nur dann möglich, wenn sie mittelbar auf die spezifische richterliche Tätigkeit durchschlagen, da nur diese der richter­ lichen Unabhängigkeit unterliegt750. Ist die spezifische richterliche Tätigkeit un­ mittelbar betroffen, sind Maßnahmen der Dienstaufsicht weitgehend beschränkt, denn der Kernbereich der Judikative ist nach einhelliger Auffassung der Dienstaufsicht in Gänze entzogen; die praxisrelevanten Einzelfragen sowie die 745  So bereits in aller Deutlichkeit zu entsprechenden „eifervollen Äußerungen von Rich­ tern“ W. Geiger, DRiZ 1979, S.  65 (67 ff., Zitat auf S.  67); aufgegriffen von G. Seidel, RuP 38 (2002), S.  98 (101); deutlich auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  186 f. 746  So auch Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  454 mit Verweis auf die Euro­ päische Kommission, Table of Results. Standard Eurobarometer 72. Report, 2010, S.  40 (ab­ rufbar unter http://ec.europa.eu/commfrontoffice/publicopinion/archives/eb/eb72/eb72_anx_ vol1.pdf, 19.3.2020). 747  Zur Dienstaufsicht und Disziplinargewalt als Teil der Gerichtsverwaltung siehe im De­ tail Kap.  4 A. III. 3. b) cc) und dd). 748  Siehe im Überblick H.-J. Papier, NJW 1990, S.  8 ff.; S. Haberland, DRiZ 2002, S.  301 (303 ff.); E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (865); Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  26 Rn.  2; F. Wittreck, NJW 2012, S.  3287 (3288); Heusch (Fn.  692), Art.  97 Rn.  16 f.; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  43; treffende Ausführungen finden sich auch bei F. J. Säcker, NJW 2018, S.  2375 (2378). 749  So die einhellige Auffassung, siehe dazu Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  79; Classen (Fn.  344), Art.  97 Rn.  30; Zeller, Gerichtsverwaltung (Teil  1, Fn.  1), S.  22 ff.; Kissel/ Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  43 f. 750  B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (281); E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (865); Heusch (Fn.  692), Art.  97 Rn.  18.

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hierzu existierende Rechtsprechung sind vielseitig751. Während die anderen zur Verfügung stehenden Kontrollmaßnahmen – die Richteranklage gem. Art.  98 Abs.  2 GG, die strafrechtliche Belangung wegen Rechtsbeugung sowie die Dis­ ziplinargerichtsbarkeit – im Wesentlichen durch konkret beschriebene Verhal­ tensweisen eng eingegrenzt oder zumindest durch die Rechtsprechung ein­ grenzbar geworden sind, ist die Dienstaufsicht ein offenes und breitmaschiges Feld. Dies führt dazu, dass ihr Wirkungsbereich zugunsten der Unabhängig­ keitsgarantie oftmals reduziert wird752. In der Mehrzahl der Fälle der Richter­ dienstaufsicht wurde eine unzulässige Beeinträchtigung der richterlichen Unab­ hängigkeit angenommen, die den entscheidenden Gerichten mitunter die deutli­ che Bemäkelung eingebracht hat, in eigener Sache und zu sensibel zu agieren753. Prominent geworden sind einige jüngere Entscheidungen, bei Arbeitszeitfest­ setzungen würde es sich um eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhän­ gigkeit handeln754, die vor allem in der Literatur mit massiver Kritik überzogen worden sind755. Generell gilt, dass sich die Dienstaufsicht einen von der konkre­ ten richterlichen Entscheidung abstrahierbaren und in der Zielsetzung verallge­ meinerungsfähigen Ansatz wählen muss756. Dienstliche Beurteilungen müssen daher grundsätzlich losgelöst vom Einzelfall erfolgen757. Aktuelles Thema ist 751  Siehe im Überblick H.-J. Papier, NJW 1990, S.  8 (11 ff.); Heusch (Fn.  692), Art.  97 Rn.  23 ff.; Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  20 f.; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  33 ff. – Mit Kritik an dieser Orientierung am Kernbereich siehe E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (865 f.); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  146 f.; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  26 Rn.  32 ff. m. w. N.; zusammenfassend Leuze (Fn.  694), Art.  97 Rn.  19; Jünemann, Unab­ hängigkeit (Fn.  716), S.  66 f. 752  So auch H. Sendler, NJW 1998, S.  3622 (3623); G. Seidel, RuP 38 (2002), S.  98 (103): „[D]ie Dienstaufsicht [ist] unsichtbar und diffus.“ 753  Voßkuhle, Rechtsschutz (Teil  1, Fn.  1), S.  271; R. Voss, DRiZ 1998, S.  379 (381); H. Sendler, NJW 1998, S.  3622 (3623); Leuze (Fn.  694), Art.  97 Rn.  19 ff.; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  35. 754  So BGHZ 113, 36 (40 f.); BVerwGE 78, 211 (213 f.). 755  R. Schröder, NJW 2005, S.  1160 (1162 f.); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  193 f. mit Fn.  451; E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (867); Classen (Fn.  344), Art.  97 Rn.  30; zusammen­ fassend Zeller, Gerichtsverwaltung (Teil  1, Fn.  1), S.  81 ff. – A. A. Leuze (Fn.  694), Art.  97 Rn.  23. 756  Daraus folgt grundsätzlich, dass mildere Maßnahmen als die des Vorhalts und der Ermahnung gem. §  26 Abs.  2 DRiG auch zulässig sein können, während strengere Maßnah­ men als unzulässig einzustufen sind, vgl. E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (865); gleichsinnig B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (287 f.); zu den Grenzen dienstlicher Beurteilungen auch Zeller, Gerichtsverwaltung (Teil  1, Fn.  1), S.  50 ff. 757  Zur Brisanz der dienstlichen Beurteilung als Maßnahme der Dienstaufsicht mit Blick auf den dadurch auf die Richter potenziell ausgeübten Druck B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (290 f.); Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  26 Rn.  48 ff.; Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  485; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  204 ff.; Heusch (Fn.  692),

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die Frage nach der Zulässigkeit des Vorhalts unterdurchschnittlicher Erledi­ gungszahlen758. Hierbei handelt es sich indessen um ein unzulässiges Instru­ ment zur Steuerung der Rechtsprechung, welches überdies in den Kern der Selbstorganisation der richterlichen Tätigkeit eingreift und verkennt, dass die Effektivität von Rechtsprechung sich nicht allein in Erledigungszahlen messen lässt759. Die Sensibilität der Dienstaufsicht stellt sich hier anschaulich dar. Es zeigt sich ferner, dass dennoch Spielräume der Dienstaufsicht bestehen, die bis­ her ungenutzt bleiben760. (2) Neues Steuerungsmodell Ein die Dienstaufsicht im weitesten Sinne ebenfalls betreffendes Einfallstor in die sachliche Unabhängigkeit stellt sich durch die aktuellen Ökonomisierungsund Modernisierungstendenzen des Neuen Steuerungsmodells dar761. In diesem Zusammenhang ist es das Ziel, moderne Organisationsprinzipien auch auf die Justiz zu übertragen, indem das bisherige Modell der Input-Steuerung der Ge­ Art.  97 Rn.  25; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  36. – Grundsätzlich handelt es sich bei dienstlichen Beurteilungen allerdings nicht um eine unzulässige Beeinträchtigung der sachlichen Unabhängigkeit, vgl. BVerwGE 62, 135 (138); dazu Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  437 ff.; Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  21. 758  Zu diesem strittigen Thema differenzierend, aber mit einer ablehnenden Haltung F. Wittreck, NJW 2012, S.  3287 ff.; R. Bram, Betrifft Justiz 120 (2014), S.  188 (191 f.); Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  208 ff.; für die Zulässigkeit des Vorhalts ist A. Thiele, Der Staat 52 (2013), S.  415 (430 ff.); generell ablehnend zeigen sich die Richterverbände Deutschlands, siehe beispielhaft die Ansicht der NRV, FD-ZVR 2019, 417624 („Forderung des Einhaltens bestimmter Erledigungszahlen gefährdet richterliche Unabhängigkeit“). – Siehe zum Parallelproblem der überlangen Verfahrensdauer und Dienstaufsicht C. Steinbeiß-Winkelmann/G. Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, S.  25 ff. 759  Vgl. BGH, Urt. v. 7.9.2017 – RiZ (R) 2/15. – Eine massiv ordnungswidrige Amtsfüh­ rungsweise muss hier selbstverständlich zu einem zulässigen Vorhalt führen dürfen, vgl. hierzu gleichsinnig Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  81; F. Wittreck, Betrifft Justiz 118 (2014), S.  67 (74 ff.); R. Bram, Betrifft Justiz 120 (2014), S.  188 (190, 192 f.); so auch F. J. Säcker, NJW 2018, S.  2375 (2379), obwohl dieser der Schaffung „ökonomischer Anreize“ für Richter positiv gegenüber steht. 760  Siehe zu etwaigen Spielräumen in der Diskussion um eine Modernisierung der Justiz unten in Kap.  5 B. IV. 761  Allgemein zu den NSM in der Justiz M. Eifert, Das Neue Steuerungsmodell – Modell für die Modernisierung der Gerichtsverwaltung?, in: Hoffmann-Riem, Reform (Einl., Fn.  61), S.  163 ff.; M. Bertram, DRiZ 1998, S.  506; R. Voss, DRiZ 1998, S.  379 ff.; P. Maier, New Public Management in der Justiz. Möglichkeiten und Grenzen einer wirkungsorientierten Gerichts­ führung aus betriebswirtschaftlicher und rechtlicher Perspektive, 1999; Mehde, Steuerungs­ modell (Fn.  217), S.  60 ff., 85 ff.; B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 ff.; S. Haberland, DRiZ 2002, S.  301 (308 ff.); Bernsdorff (Fn.  743), Art.  97 Rn.  31 ff.; Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  329 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  472 ff.; J. v. Bargen, NJW 2006, S.  2531 ff.

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richte durch eine am „Output“ der Rechtsprechung sowie Gerichtsverwaltung orientierte Steuerung ersetzt wird762. Die Organisation der Gerichte soll primär effizienter und preiswerter gestaltet werden763. Zu diesem Zwecke sieht das Neue Steuerungsmodell in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung zahl­ reiche Maßnahmen vor, die vor allem betriebswirtschaftliche Steuerungsmetho­ den (hier in die Gerichtsverwaltung) implementieren764. Die Modelle sind ins­ gesamt zu vielgestaltig und verwoben, um sie vollumfänglich darzustellen, al­ lerdings bietet sich vor dem Hintergrund der richterlichen Unabhängigkeit und wegen der teilweisen Nähe des Neuen Steuerungsmodells zum amerikanischen Court Management eine kurze Darstellung der Reformbestrebungen an, die hiermit verbunden sind. Im Kern fokussieren sich die Bestrebungen auf Maß­ nahmen zur Reform des Haushaltswesens (a) sowie auf die Einführung einer modernen Gerichtsorganisation (b), die auch den Vorschlag zur Einführung ei­ nes dezentralisierten Gerichtsmanagements umfassen765. (a) Das Neue Haushaltswesen Die Implementierung eines an Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) orien­ tierten Haushaltswesens gehört zu den Kernelementen des Neuen Steuerungs­ modells. Es umfasst eine geordnete Budgetierung, deren Berechnung auf einer Leistungsvereinbarung beruht (sog. Kontraktmanagement)766. Zentrales Ele­ ment ist die Produktbeschreibung. Das Produkt der Justiz, das es zu optimieren 762  Eifert, Steuerungsmodell (Fn.  761), S.  165 ff.; K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 (221); B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (271 f., 293 ff.); H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1093 f.); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  189, 473 ff. 763  C. Dästner, RuP 38 (2002), S.  106 (113); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  473 f.; E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (867 f.). 764  Siehe Eifert, Steuerungsmodell (Fn.  761), S.  164; B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (271); Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  211 f.; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  42. 765  Diese Aufteilung wird in Anknüpfung vorgenommen an B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (293 ff., 308 ff.); dies., NJW 2001, S.  3449 ff. – Aufmerksamkeit hat insbesondere das Reformmodell „Justiz 2000“ unter Federführung des Justizsenators Hoffmann-Riem der Freien und Hansestadt Hamburg erlangt, vgl. dazu E. Schmidt-Jortzig, Das Reformprojekt „Justiz 2000“ im Kontext von Aufgabenkritik und Deregulierung, in: Hoffmann-Riem, Re­ form (Einl., Fn.  61), S.  131 ff.; K. F. Röhl, Reform der Justiz durch Reform der Justizverwal­ tung, in: W. Hoffmann-Riem (Hrsg), Offene Rechtswissenschaft. Ausgewählte Schriften von Wolfgang Hoffmann-Riem mit begleitenden Analysen, 2010, S.  1279 (1280 ff.). 766  Eifert, Steuerungsmodell (Fn.  761), S.  167: „Die Produktbeschreibung stellt das Herz­ stück der Zielvorgabe in der Leistungsvereinbarung und die Grundlage für die darin entspre­ chend vorgenommene Budgetzuweisung dar“; H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1094); Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  335 ff. (zur Kosten-/Leistungsrechnung), 399 ff. (zur Budge­ tierung); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  474 ff.; J. Berchtold, NZS 2011, S.  401 (405 f.).

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gilt, ist nach einhelliger Auffassung der „Verfahrensabschluss nach ordnungs­ gemäßer Verfahrensdauer“767. Für die Produkte sind die anfallenden Kosten und der erwartungsgemäße Zeitaufwand zu ermitteln768. Die geplante und ver­ einbarte Zielerfüllung (in Form von Erledigungszahlen) wird darüber hinaus im Neuen Steuerungsmodell durch ein operatives und strategisches Controll­ingSystem gesteuert769. Idealiter soll durch die Umstrukturierung des Haushalts­ wesens die autonome Selbststeuerung der Justiz gestärkt und so eine qualitativ hochwertigere Rechtsprechung gesichert werden770. Vor allem Budgetzuweisungen und das darauf basierende Controlling durch die Justizbehörde sind vor dem Hintergrund der richterlichen Unabhängigkeit erheblicher Kritik ausgesetzt. Nach Ansicht vieler Richter bergen diese Steue­ rungsinstrumente die Gefahr der Verfahrenssteuerung durch die Exekutive771. Die Befürworter des Neuen Haushaltswesens führen hingegen an, dass durch Budgetierung und Controlling lediglich der äußere Ordnungsbereich und nicht der Kernbereich richterlicher Tätigkeit gesteuert werde772. Nicht von der Hand 767  Eifert, Steuerungsmodell (Fn.  761), S.  168 f.; kritisch R. Böttcher, Das Produkt der Jus­ tiz, in: Schulze-Fielitz/Schütz, Ökonomisierungsdruck (Fn.  701), S.  27 (29 ff.); A. Voßkuhle, Das „Produkt“ der Justiz, ebda., S.  35 (37 ff.): „Ein ‚bisschen‘ Neues Steuerungsmodell. Die Beschränkung der Produktdefinition auf den Verfahrensabschluss und die ordnungsgemäße Verfahrensdurchführung“ (Zitat S.  46); differenziert J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 (458 f.). – Zur Kritik an der einseitig quantitativen Betrachtung der Produktdefinition J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 (458). 768  Zum Diskussionsbedarf durch Personalbedarfsberechnungssysteme (bspw. PEBB§Y bzw. PEBB§Y II) siehe L. Sprickmann Kerkerinck, DRiZ 2015, S.  242 ff.; Minkner, Gerichts­ verwaltung (Einl., Fn.  7), S.  212 f.; differenziert und ausführlich Müller, Rahmen (Fn.  133), S.  168 ff. – Mit einer recht optimistischen Prognose Röhl, Reform (Fn.  765), S.  1294 f. 769  R. Ambrosy/M. Hinsenkamp, Kosten- und Leistungsrechnung als Voraussetzung für ein effektives Controlling, in: M. Wallerath (Hrsg.), Verwaltungserneuerung, 2001, S.  123 ff.; B. Kramer, NJW 2001, S.  3449 (3449); W. Damkowski/J. Precht, NVwZ 2005, S.  292 (292). – „Controlling“ bedeutet nicht lediglich „Kontrolle“, sondern in erster Linie Planung und Koordination, vgl. Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  359; P. Horváth/R. Gleich/M. Seiter, Con­ trolling, 13.  Aufl. 2015, S.  13 f. 770 Dazu B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (295); zum Spannungsverhältnis der Innova­ tion zwischen Qualität und Quantität K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 (228); H. Sodan, DÖV 2005, S.  764 ff. Meyer (Fn.  691), Art.  97 Rn.  9. 771 So bspw. M. Bertram, DRiZ 1998, S.  506; U. Hochschild/T. Schulte-Kellinghaus, DRiZ 2003, S.  413 (416); Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  358 ff.; J. Berchtold, NZS 2011, S.  401 (405 f.). – Hiervon getrennt betrachtet werden muss die Frage nach der allgemeinen Tauglichkeit der Übertragung betriebswirtschaftlicher Modelle auf die Gerichtsverwaltung, verneinend siehe Voßkuhle, „Produkt“ (Fn.  767), S.  49 f.; ähnlich Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  477. 772  Allen voran W. Hoffmann-Riem, Organisationsreform der Justizverwaltung als Beitrag zum modernen Rechtsstaat – Rück- und Ausblick nach einem Jahr „Projekt Justiz 2000“, in: ders., Reform (Einl., Fn.  61), S.  243 (248, 266 ff.).

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zu weisen ist die faktische Möglichkeit einer Einflussnahme exekutiver Stellen durch die Mittelzuweisungen an die Gerichte. Zielvorgaben mit Blick auf die einzuhaltende maximale Verfahrensdauer und Erledigungszahlen sind mit der richterlichen Unabhängigkeit grundsätzlich nicht vereinbar773. Sie üben – im besten Fall mittelbaren – psychologischen Druck auf die richterliche Ent­ scheidungsfindung aus und tangieren damit auch den Kernbereich richterlicher Tätigkeit. Im Rahmen der Vorgaben der bisherigen dienstgerichtlichen Recht­ sprechung zur Dienstaufsicht können Controlling-Maßnahmen – nach Maßgabe von Art.  97 Abs.  1 und Art.  19 Abs.  4 GG – hingegen zulässig sein774. Auch Budgetzuweisungen sind in Anbetracht der auch aktuell bestehenden Haus­ haltsvor­gaben der Exekutive an die Gerichte im Zusammenhang mit dem Neuen Steuerungsmodell weniger bedenklich, geben jedoch Anlass für anderweitige Kritik775. Erst in Kombination entfalten diese Maßnahmen ihr volles Gefähr­ dungspotenzial für die richterliche Unabhängigkeit776. (b) Moderne Gerichtsorganisation Insgesamt versucht das Neue Steuerungsmodell – neben Budgetierung, Kostenund Leistungsrechnung sowie Controlling – die Gerichtsorganisation an Unter­ nehmensstrukturen anzupassen777. Um die Handlungsmöglichkeiten der ge­ richtsverwaltenden Dienststellen in größtmöglicher Eigenverantwortlichkeit zu fördern, sollte demnach idealiter eine hierarchisch nach unten gerichtete De­ zentralisierung der Gerichtsorganisation etabliert werden778. Die Professionali­ sierung der Gerichtsverwaltung soll nach den Reformvorschlägen mit der Ein­ 773  So die einhellige Auffassung; differenziert BGH, Urt. v. 7.9.2017 – RiZ (R) 2/15; wei­ testgehend skeptisch H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1094); W. Damkowski/J. Precht, NVwZ 2005, S.  292 (292); offen im Hinblick auf die Zulässigkeit eines kollegialen Diskurses E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (867 f.); Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  212 f.; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  42. 774  So zumindest der grundlegende Tenor zu Maßnahmen der Dienstaufsicht in BGH Urt. v. 14.2.2013 – RiZ 4/12, BeckRS 2013, 02928. Differenzierend R. Pitschas, DÖV 1998, S.  907 (908 ff., 913 ff.); siehe weiterhin Meyer (Fn.  691), Art.  97 Rn.  9. 775  Hier knüpft wiederum die Kritik der Richtervereinigungen an, siehe beispielhaft die Stellungnahme des DRB zum Abschlussbericht der Arbeitsgruppe „Neues Steuerungsmo­ dell“ (abrufbar unter https://www.drb.de/positionen/stellungnahmen/stellungnahme/news /299/?L=0&cHash=a229ebfeca50cf449b8648a5c21602f5, 19.3.2020). 776  Siehe zur grundsätzlichen Möglichkeit der Implementierung allgemeiner Controlling-­ Maßnahmen nach U.S.-amerikanischem Vorbild der Qualitätsmessung Kap.  5 B. IV 1. 777  B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (308 ff.); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  477 ff. 778  Dezentralisierung in diesem Sinne bedeutet Verantwortlichkeit der nachgeordneten Stelle (Controlling) und darüber hinaus umgekehrt auch, dass Aufgaben jeweils in der kleinstmöglichen Stelle ausgeführt werden. Dies erfordert Selbstständigkeit in der Wahl der Mittel zur Zielerreichung, die erreicht werden soll durch das sog. AKV-Prinzip: Aufgaben,

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führung eines spezialisierten Gerichtmanagers einhergehen779. Innovationen können sich in den Bereichen Personalmanagement (im Sinne von Personalfüh­ rung und Personalentwicklung), moderne Kommunikations- und Informations­ technik für mehr Transparenz, Aufgabenkritik und Optimierung der Aufbaubzw. Ablaufstrukturen, Organisationsentwicklung, Öffentlichkeitsarbeit (gene­ relle PR- sowie Medienarbeit), Gebäudemanagement und Materialwirtschaft ergeben780. Im Fokus des professionalisierten Gerichtsmanagements steht die Qualitätssicherung der Rechtsprechung781. Wie die Qualität gemessen werden soll, ist indessen äußerst fraglich. Evaluationen bzw. Kundenbefragungen sind mit Blick auf die angestrebte Kunden- und Serviceorientierung der Gerichte zwar denkbar782 , jedoch ist eine Kollision mit der Garantie der sachlichen Unab­ hängigkeit der Richter nicht auszuschließen783. Ernste Bedenken im Hinblick auf die sachliche Unabhängigkeit bestehen vor allem da, wo das Neue Steuerungsmodell Strukturen eines Gerichtsmanage­ ments (in richterlicher Selbstverwaltung) etablieren will784. Verwaltungsverant­ wortung kann den einzelnen Richtern lediglich in dem gesetzlichen Rahmen des §  4 Abs.  2 S.  1 DRiG übertragen werden. Da die Gerichtsverwaltung wei­ sungsgebunden erfolgt, ist es verfassungsrechtlich prekär, wenn der Richter gleichzeitig und parallel zu seiner eigentlichen Rechtsprechungstätigkeit auch Gerichtsmanager wird und somit der gesamte äußere Bereich der Rechtspre­ chung uneingeschränkt der Weisungsbefugnis der Exekutive unterstellt wür­ Kompetenzen und Verantwortung. Siehe dazu im Detail Hoffmann-Riem, Organisationsre­ form (Fn.  772), S.  259 ff.; B. Kramer, NJW 2001, S.  3449 (3449 f.). 779  Dies wird befürwortet von W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1997, S.  290 ff.; F.-J. Mehmel, Betrifft Justiz 63 (2000), S.  324 (327). 780  Tätigkeitsfelder einer professionalisierten Gerichtsverwaltung ergeben sich vor allem aus der Umstellung auf eine betriebswirtschaftliche Software. Am Beispiel des Reformpro­ jekts „Justiz 2000“ in Hamburg zeigen sich darüber hinaus weitgehende Antibürokratisie­ rungsmaßnahmen. Siehe dazu Bericht der Justizbehörde (Einl., Fn.  61), S.  64 ff.; K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 (220 f.); B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (309 ff.); dies., NJW 2001, S.  3449 (3450). 781  K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 (228 f.); B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (310 f.); C. Dästner, RuP 38 (2002), S.  106 (113); J. v. Bargen, NJW 2006, S.  2531 (2533 ff.); Röhl, Reform (Fn.  765), S.  1308 ff. 782  Siehe zunächst K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 (229 f.); so auch der Tenor bei G. Macken­ roth, DRiZ 2000, S.  301 (304); diskutiert auch unter dem Schlagwort „Bürgernähe“ von U. Freudenberg, ZRP 2002, S.  79 (81 ff.); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  478 f.; positiv äußert sich B. Hirtz, NJW 2014, S.  2529 (2533). 783  Anders sieht dies Berlit, Unabhängigkeit (Fn.  701), S.  161, 172 ff.; optimistisch bezüg­ lich eigenverantwortlicher Evaluationen innerhalb der Richterschaft auch G. Seidel, RuP 38 (2002), S.  98 (104). 784  Siehe hierzu abschließend Kap.  5 B. I. 2. und 3.

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de785. Art.  97 Abs.  1 GG darf nicht lediglich als Garant institutioneller Unab­ hängigkeit verstanden werden786, sondern muss sich stets auf den einzelnen Richter beziehen. Die aktuelle Gerichtsorganisation sperrt sich trotzdem nicht generell gegen Verbesserungsmaßnahmen, die das Neue Steuerungsmodell zweifelsohne mit sich bringt787. Maßnahmen müssen tatsächlich mit äußerster Vorsicht angebracht werden. cc) Judikative Abgesehen von prozessualen Bindungsinstituten788 gilt die Unabhängigkeit des Richters auch gegenüber der Judikative selbst789. Mitunter wird konstatiert, die größte Gefahr für die richterliche Unabhängigkeit gehe von anderen Richtern aus790. Der einzelne Richter darf nicht daran gehindert werden, seine eigene Rechtsauffassung zu vertreten791. Darüber hinaus gilt die sachliche Unabhän­ gigkeit des einzelnen Richters innerhalb der gerichtlichen Spruchkörper und im 785  Zu dieser Einschätzung siehe auch B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (313 f.); ähnlich vor dem Hintergrund der Übertragung des Amtes des Gerichtspräsidenten an zwei Gerichten gleichzeitig S. Roller/A. Stadler, NVwZ 2015, S.  401 (404). Siehe weiterhin vor dem Hinter­ grund des Gewaltenteilungsgrundsatzes gleichsinnig D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  36; ­Detterbeck (Teil  1, Fn.  27), Art.  92 Rn.  15; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  43. 786 Vgl. B. Kramer, NJW 2001, S.  3449 (3453). 787  Hierzu zählen nach B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (315) „Maßnahmen zur Ver­ besserung der Kommunikation, Aufgabenkritik und Organisationsentwicklung, Maßnah­ men zur Förderung der Medienarbeit und Kundenorientierung, die Beachtung haushalts­ rechtlicher Notwendigkeiten und technische Vorgaben sowie der schonende Umgang mit Sachmitteln“; ähnlich auch Meyer (Fn.  691), Art.  97 Rn.  9. – Zur dennoch geäußerten Kritik der Richter siehe Röhl, Reform (Fn.  765), S.  1312 f. 788  Dies sind namentlich Tatbestandswirkung, Feststellungswirkung, Rechtskraft und sonstige Bindungswirkungen gerichtlicher Entscheidungen. Siehe im Detail B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (282); Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  14; Jarass/Pieroth (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  7; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  42. 789  Dies ist heute weithin anerkannt, vgl. BVerfG NJW 1996, S.  2149 (2150 f.); P. Schlosser/­ W. Habscheid, Federal Republic of Germany, in: Shetreet/Deschênes, Independence (Teil  1, Fn.  257), S.  78 (81 f.); Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  156 ff.; Wittreck, Verwal­ tung (Einl., Fn.  9), S.  183 f. m. w. N. in Fn.  388; H. Sodan, HStR³ V, 2007, §  113 Rn.  25; Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  94; Meyer (Fn.  691), Art.  97 Rn.  1; Seibert-Fohr, Inde­ pendence (Einl., Fn.  58), S.  501 f.; Heusch (Fn.  692), Art.  97 Rn.  29; Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  14; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  107 f., 181 ff.; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  41. – A. A. BVerfGE 12, 67 (71); Reinhardt, Jurisdiktion (Teil  1, Fn.  1), S.  112, 114 ff. 790  W. Hoffmann-Riem, DRiZ 2000, S.  18 (26); G. Seidel, RuP 38 (2002), S.  98 (101); C. Dästner, RuP 38 (2002), S.  106 (112); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  183; B. Karla, IStR 2012, S.  52 (53); Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  95 f.; Minkner, Gerichts­ verwaltung (Einl., Fn.  7), S.  213. 791  Siehe im Detail H. Maurer, HStR³ IV, §  79 Rn.  137 f.; Meyer (Fn.  691), Art.  97 Rn.  26;

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Verhältnis der Gerichte untereinander792. Daher besteht grundsätzlich keine rechtliche Präjudizenbindung793. Dabei zielt die Unabhängigkeitsgarantie im Verhältnis zu anderen Richtern nicht auf deren gerichtsverwaltendes Tätigwerden ab, sondern insbesondere auf mögliche Ingerenzen durch Vorsitzende Richter794. Das Bundesverfassungs­ gericht spricht dem Vorsitzenden des kollegialen Spruchkörpers eine „heraus­ gehobene Stellung“795 gegenüber den anderen Richtern zu, obwohl Richter nicht in hierarchische Strukturen eingebunden sind und die Spruchkörper somit aus gleichwertigen Richterämtern bestehen796. Diese „Machtstellung“ des Vorsit­ zenden Richters erfolgt nicht allein aus dem Umstand, dass er die Unterlagen für die Beurteilung beisitzender Richter an den Dienstvorgesetzten weiter­ leitet797. Er übernimmt faktisch innerhalb des Spruchkörpers auch eine Sonder­ rolle und hat eine Lenkungsfunktion798. Bereits aus der Verhandlungsführung durch den Vorsitzenden wird mitunter dessen dominierende Position abgelei­ tet799. Es handelt sich bei den Einzelfragen stets um eine Gratwanderung zwi­ schen verfassungswidriger Beeinflussung eines anderen Richters und kollegia­ ler Einflussnahme durch argumentative Überzeugungsarbeit innerhalb eines Spruchkörpers800. Zumindest in gewissem Maße ist eine kollegiale wechsel­ seitige Kontrolle wünschenswert und dann keine Einschränkung der sachlichen Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  15; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  41. – An­ ders jedoch Reinhardt, Jurisdiktion (Teil  1, Fn.  1), S.  409 ff. 792 Siehe B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (282); ausführlich Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  156 ff.; Heusch (Fn.  692), Art.  97 Rn.  30. 793  Dies gilt abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen punktueller Bindungswirkun­ gen, siehe Fn.  683. Vgl. Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  318 ff.; H. Sodan, HStR³ V, 2007, §  113 Rn.  25; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  43. – A. A. Payandeh, Rechtserzeu­ gung (Einl., Fn.  2), S.  166 ff. 794  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  184 f.; Meyer (Fn.  691), Art.  97 Rn.  15 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  214 f.; siehe zu dem Problem des Rollenwechsels, den die Präsidentinnen und Präsidenten der Gerichte durchlaufen, F. J. Säcker, NJW 2018, S.  2375 (2380). 795  BVerfGE 56, 146 (165 f.). 796  Zu dieser informalen Hierarchiebildung Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  76 ff.; Leuze (Fn.  694), Art. 97 Rn.  52; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  214; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  43. 797  R. Lamprecht, Vom Mythos der Unabhängigkeit. Über das Dasein und Sosein deut­ scher Richter, 2.  Aufl. 1996, S.  157, 207; Wassermann (Fn.  336), Art.  97 Rn.  40; Leuze (Fn.  694), Art.  97 Rn.  52 f.; ähnlich Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  502. 798 Vgl. Baer, Unabhängigkeit (Fn.  28), S.  55; Leuze (Fn.  694), Art.  97 Rn.  53; Schulze-­ Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  43. 799 So Wassermann (Fn.  336), Art.  97 Rn.  40. 800  Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  74 ff.; E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (864 f.); Classen (Fn.  344), Art.  97 Rn.  17; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  44.

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Unabhängigkeit, wenn der einzelne Richter immer noch frei in seiner Entschei­ dung bleibt801. Die Grenzen sind allerdings fließend. Prekäres Feld interner Unabhängigkeitsprobleme ist aber nicht nur die direk­ te Einflussnahme auf den Inhalt der Rechtsprechung an sich, sondern zusätzlich der Umstand, dass die Karriere des einzelnen Richters zumindest teilweise auch vom Wohlwollen des Vorsitzenden Richters sowie des Gerichtspräsidenten ab­ hängt802. Eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit kann sich bei­ spielsweise aus Beschlüssen des Gerichtspräsidiums zur Geschäftsverteilung ergeben, wenn ein Richter ohne sachlichen Grund in rein disziplinarischer Ab­ sicht einer anderen Abteilung oder einem anderen Spruchkörper zugewiesen wird803. Informale Einwirkungen (beispielsweise durch Flurgespräche) bewe­ gen sich weiterhin in einer Grauzone und führen zu einem erhöhten Anpas­ sungs- und Leistungsdruck der einzelnen Richter804. Der dienstrechtliche Schutz gegen Eingriffe aus dem Binnenverhältnis über §  26 Abs.  3 DRiG ist leider äußerst lückenhaft, da das Präsidium nicht als „dienstaufsichtsführende Stelle“ im Sinne der Norm gilt und damit bei Eingriffen in die richterliche Un­ abhängigkeit durch den Gerichtspräsidenten der Rechtsweg zu den Dienst­ gerichten nicht eröffnet ist805. Zumindest ist es betroffenen Richtern insofern unbenommen, auf den Verwaltungsrechtsweg zurückzugreifen806. Ein direkter Rechtsweg gegen Eingriffe von Vorsitzenden der Spruchkörper ist nicht gege­ ben807. Zum Teil wird daher für Maßnahmen des Vorsitzenden gegenüber Bei­ sitzenden Richter sowie für Maßnahmen der richterlichen Selbstverwaltung beispielsweise des Präsidialrats und des Richterrats eine analoge Anwendung des §  26 Abs.  3 DRiG gefordert808. Die beschriebenen Ingerenzen führen schließlich (vor allem praktisch) zu einer Situation erhöhten Anpassungs­ 801 

Berlit, Unabhängigkeit (Fn.  701), S.  164 ff.; H. Sodan, DÖV 2005, S.  764 (767 f., 769 ff.); ders., HStR³ V, 2007, §  113 Rn.  46; Classen (Fn.  344), Art.  97 Rn.  17. 802  Anschaulich zu verbotenen, aber verdeckten Einflussnahmen Meyer (Fn.  691), Art.  97 Rn.  15 ff.; gleichsinnig Lamprecht, Mythos (Fn.  797), S.  157, 207; C. Dästner, RuP 38 (2002), S.  106 (111); Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  502. 803  Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  181. 804 So C. Dästner, RuP 38 (2002), S.  106 (112); sehr treffend Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  156; siehe weiterhin Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  214; Kissel/­Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  180 ff. 805  BGH NJW 1991, S.  425 (425); S. Haberland, DRiZ 2002, S.  301 (304); Wittreck, Ver­ waltung (Einl., Fn.  9), S.  185; Meyer (Fn.  691), Art.  97 Rn.  16. 806  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  185; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  215; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  181. 807  Laut Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  185 „[wächst] tatsächlich der Gerichtsver­ waltung (nur auf den ersten Blick paradoxerweise) die Rolle der Garanten der richterlichen Unabhängigkeit [zu]“. 808 Vgl. Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  185, 186.

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druckes, die nicht in erster Linie von der Exekutive ausgeht, sondern der Bin­ nenorganisation der dritten Gewalt selbst entspringt809. dd) Sonstige Einwirkungen von außen Ob Art.  97 Abs.  1 GG den Richter auch vor sonstigen äußeren bzw. gesellschaft­ lichen Einflüssen zu schützen sucht, ist umstritten810. Zwar folgt grundsätzlich aus der sachlichen Unabhängigkeitsgarantie auch die Freiheit von privater und gesellschaftlicher Einflussnahme auf eine konkrete Entscheidung811, allerdings können öffentliche Kritik oder kritische mediale Berichterstattung bereits we­ gen des Schutzes durch Art.  5 Abs.  1 GG nicht per se unzulässig sein812. Im Wege praktischer Konkordanz ist zwischen den kollidierenden Verfassungs­ gütern ein Ausgleich zu schaffen813. Geraten Richter unter öffentlichen Druck, sind ihre Reaktionsmöglichkeiten im Falle (empfundener) Manipulation aller­ dings gering814. Es wird betont, dass es sich hier zunächst um einen Fall der in­ neren Unabhängigkeit815 handle816. Art.  97 Abs.  1 GG kann und will jedoch nur 809 Gleichsinnig

W. Hoffmann-Riem, DRiZ 2000, S.  18 (26); so auch das Fazit bei C. Dästner, RuP 38 (2002), S.  106 (112): „Das Justizministerium ist […] weitgehend teilnehmender Beobachter“. 810 Zustimmend Stern, Staatsrecht II (Teil  1, Fn.  11), S.  912; Reinhardt, Jurisdiktion (Teil  1, Fn.  1), S.  118 ff.; v. Coelln, Medienöffentlichkeit (Teil  1, Fn.  1), S.  206; H. Sodan, HStR³ V, 2007, §  113 Rn.  27; Classen (Fn.  344), Art.  97 Rn.  33; Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  17 f.; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  16 Rn.  68; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  45 f.; wohl auch Jarass/Pieroth (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  9. Ablehnend Wassermann (Fn.  336), Art.  97 Rn.  85 ff.; H. Sendler, NJW 2001, S.  1909 ff.; Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  24. Etwas nebulös, aber tendenziell verneinend H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1091); Meyer (Fn.  691), Art.  97 Rn.  1, 34. 811  Zur grundsätzlichen Zulässigkeit einer solchen „Drittwirkung“ der sachlichen Unab­ hängigkeit und ihrer Herleitung aus Art.  20 Abs.  1 und Abs.  2 S.  1 GG siehe H. Sodan, HStR³ V, 2007, §  113 Rn.  27. 812  Allgemein zum Konfliktpotenzial zwischen Medien und Gerichten siehe M. Wolf, The Press and the Court in Germany, in: Shetreet/Deschênes, Independence (Teil  1, Fn.  257), S.  117 ff.; siehe weiterhin B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (284); H. Sodan, HStR³ V, 2007, §  113 Rn.  27; Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  18; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  46. 813  Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  93; Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  18. 814  Ähnlich auch W. Dütz, JuS 1985, S.  745 (749), dessen Kritik jedoch im Ergebnis zu weit geht. Ein Schutz besteht (lediglich) über §  240 StGB und die §§  185, 186, 193 StGB. Siehe zu möglichen Beeinflussungen und ihren Reaktionsmöglichkeiten Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  93; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  16 Rn.  68. 815 Siehe allgemein zur inneren Unabhängigkeit W. Dütz, JuS 1985, S.  745 (749 ff.); E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (862); Steinberger, Kritik (Einl., Fn.  18), S.  198 mit Fn.  1052; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  157 ff.; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  40. 816 Siehe Stern, Staatsrecht II (Teil  1, Fn.  11), S.  910; H. Sendler, NJW 2001, S.  1909

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die äußere Unabhängigkeit der Richter gegenüber staatlicher Intervention ga­ rantieren; innere Hemmnisse verletzen hingegen nicht die richterliche Unab­ hängigkeit817. Insofern ist die Willensstärke des einzelnen Richters als Abwehr­ mechanismus gefragt. b) Persönliche Unabhängigkeit Der Absicherung der sachlichen Unabhängigkeit dient zusätzlich die durch Art.  97 Abs.  2 GG verbürgte persönliche Unabhängigkeit. Es besteht ein grund­ sätzliches Verbot der Amtsenthebung und Versetzung (sog. Inamovibilität, §§  27 ff. DRiG) für hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellte Richter ohne ihre Zustimmung818. Ohne die persönliche Unabhängigkeit als „Auxiliar­ garantie“819 müsste der Einzelrichter stets befürchten, für seine in sachlicher Unabhängigkeit getroffenen Entscheidungen persönlich belangt zu werden und beispielsweise einem anderen Amt zugewiesen oder des Amtes vollständig ent­ hoben zu werden820. Art.  97 Abs.  2 S.  1 GG formuliert damit äußerst strenge Regeln für die Personalverwaltung821 und begrenzt damit die Wirkkraft der per­ sonellen demokratischen Legitimation der Richter entscheidend822. Der verfas­ sungsrechtliche Schutz der persönlichen Unabhängigkeit knüpft nicht mehr an die Ernennung auf Lebenszeit an, sondern an die hauptamtlich und planmäßig endgültige Anstellung, das heißt an die Einweisung des Richters in eine Plan­ stelle für die Dauer seiner Amtszeit823. In Bezug auf die Dauer der Amtszeit geht das deutsche Recht jedoch grundsätzlich von dem Leitgedanken des Richters (1910); B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (284); H. Sodan, HStR³ V, 2007, §  113 Rn.  27; Kissel/­Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  157. 817  BVerfGE 87, 68 (89). So auch E. G. Mahrenholz, DRiZ 1991, S.  432 (434 f.); B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (284); Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  164; Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  23. – A. A. das vorlegende AG Essen in BVerfGE 31, 43 (44). 818  Zur persönlichen Unabhängigkeit im Überblick siehe BVerfGE 14, 56 (69); Bettermann, Unabhängigkeit (Teil  1, Fn.  137), S.  590 ff.; B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (282 ff.); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  178 ff.; Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  98 ff.; Meyer (Fn.  691), Art.  97 Rn.  38 ff.; Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  22 ff.; Jarass/Pieroth (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  10 f.; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  48 ff.; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  72 ff.; L. C. Faissner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  47 f. 819  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  178 f.; aufgegriffen von Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  98; Heusch (Fn.  692), Art.  97 Rn.  41. 820  Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  160; Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  98; Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  22; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  143. 821  Mit einer detaillierten Schilderung dieses „einzigartigen Rundum-Schutzes“ im öf­ fentlichen Dienstrecht Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  180 ff. 822 So Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  160. 823  Siehe Art.  97 Abs.  2 S.  1 GG: „Die hauptamtlich und planmäßig angestellten Richter“

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auf Lebenszeit aus (vgl. §  28 DRiG)824. Während er sein Amt innehat, gilt der Richter somit als demokratisch legitimiert, ohne dass es eines erneuten Legiti­ mationsaktes bedürfte825. Reformvorschläge zur Flexibilisierung des Grund­ satzes der Inamovibilität, durch die Richter – außerhalb der Ausnahmen von Art.  97 Abs.  2 S.  3 GG – auch ohne bzw. sogar gegen ihren Willen versetzbar gewesen wären, führen zu einer Verletzung von Art.  97 Abs.  2 GG826. Die persönliche Unabhängigkeit erfordert weiterhin eine feststehende, ein­ fach-gesetzlich normierte Besoldung, die einer Einflussnahme der Exekutive auf Eingruppierung (in andere Vergütungsgruppen) oder die Gewährung von Zulagen den Riegel vorschiebt827. Eine leistungsbasierte Alimentation sowie Zulagenanreize nach Erledigungszahlen sind als Gefährdung für die richter­ liche Unabhängigkeit einzustufen828. Grundsätzlich ist die finanzielle Ausstat­ tung der Richter – vor allem finanzschwächerer Bundesländer – harscher Kritik ausgesetzt829, die zum einen an der Einkommensschere zwischen Richterberuf und bei ähnlicher Qualifikation vergleichsweise deutlich besser bezahlten An­ wälten in führenden Wirtschaftskanzleien ansetzt, und sich zum anderen auf und „Ablauf ihrer Amtszeit“. Vgl. dazu BVerfGE 4, 331 (346); Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  26 f. 824  BVerfGE 3, 213 (224); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  61 f.; Staats (Teil  1, Fn.  177), §  28 Rn.  2, 3 (zu den Ausnahmen); J. Kronisch, NVwZ 2016, S.  1623 (1623); Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  53: „Regeltypus“. 825  Siehe zur verfassungsrechtlichen Möglichkeit der Einführung von Richterwahlen und Wiederwahlen on Kap.  5 B. VI. 1. 826 Vgl. F. Wittreck, DRiZ 2007, S.  356 ff.; S. Roller/A. Stadler, DRiZ 2009, S.  223 ff.; ­Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  223 ff. – Zur Verfassungswidrigkeit des „Thü­ ringer Modells“ zu Bedarfsberechnung durch die Gerichtsverwaltung siehe Heusch (Fn.  692), Art.  97 Rn.  49; für verfassungsgemäß hält dies Detterbeck (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  38; auch Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  59. 827  S. Haberland, DRiZ 2002, S.  301 (303); B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (283); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  181; Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  478; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  153; L. C. Faissner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  52 ff. 828  So der Vorstoß im Bericht der Justizbehörde (Einl., Fn.  61), S.  75 f.: Leistungsanreize; kritisch dazu Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  480; Minkner, Gerichtsverwal­ tung (Einl., Fn.  7), S.  217 f.; Heusch (Fn.  692), Art.  97 Rn.  28; a. A. mit einem Plädoyer für die Schaffung zusätzlicher „ökonomischer Anreize“ für Richter, effektiver zu arbeiten siehe F. J. Säcker, NJW 2018, S.  2375 (2379). 829 Siehe zur Kritik des DRB das Positionspapier zur Besoldung und Versorgung der Richter und Staatsanwälte (abrufbar unter https://www.drb.de/fileadmin/DRB/pdf/Besol dung/080818_DRB_BDVR_Positionspapier_Besoldung.pdf, 19.3.2020) sowie O. Sporré, Sechs Kernthesen zur Besoldung, Versorgung und Beihilfe, 2012 (abrufbar unter https:// www.yumpu.com/de/document/read/46989956/sechs-kernthesen-zur-besoldung-versorgung-­ und-beihilfe-nrb, 19.3.2020).

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die ungleiche Besoldung in den verschiedenen Bundesländern bezieht830. Es wird daher in Anlehnung an das Bundesverfassungsgerichtsurteil zur W-Besol­ dung bei Professoren831 eine einheitliche Besoldung bei Richtern gefordert832 , die sich allerdings aufgrund der föderalistischen Ausgestaltung der Gesetzge­ bungskompetenzen für die Richter- und Beamtenbesoldung als trickreich ent­ puppte833. In seinem Grundsatzurteil vom 5. Mai 2015 hat das Bundesverfas­ sungsgericht nunmehr konkrete Vorgaben zur amtsangemessenen Alimentation aus Art.  33 Abs.  5 GG entwickelt und die R1-Besoldung in Sachsen-Anhalt 2008 bis 2010 für verfassungswidrig erklärt834. Eine exakte Höhe amtsangemes­ sener Besoldung wurde dabei zwar aus dem Grundgesetz nicht abgeleitet, aller­ dings hat das Bundesverfassungsgericht eine Untergrenze zur angemessenen Alimentation definiert835. Es muss sich dabei berechtigterweise der Kritik aus­ setzen, den Gewaltenteilungsgrundsatz im Hinblick auf die elementaren Befug­ nisse des Gesetzgebers zumindest ausgedehnt zu haben836. Allerdings handelt es sich bei der Grenze der Unteralimentation lediglich um einen Orientierungs­ rahmen, der nicht nur die Rechtssicherheit fördert837, sondern auch eine faktisch 830 

Im Überblick hierzu aus dem Schrifttum Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  479 f.: „danger that the best qualified candidates may prefer to apply to the wealthier ­federal states in the South of Germany“; O. Sporré, DRiZ 2014, S.  234 (235); F. Wittreck, Betrifft Justiz 118 (2014), S.  67 (69 f.). 831  BVerfGE 130, 263; siehe dazu E. Gawel, NVwZ 2013, S.  1054 ff.; M. Sachs, NWVBl. 2013, S.  309 ff.; H. A. Wolff, WissR 46 (2013), S.  126 ff. – Die prozeduralen Anforderungen ähneln denen des Bundesverfassungsgerichtsurteils zur R-Besoldung, vgl. U. Battis/K. J. Grigoleit/T. Hebeler, NVwZ 2016, S.  194 (196 f.). 832 Zu dieser Position O. Sporré, DRiZ 2014, S.  234 f.; P. Wild, DÖV 2014, S.  192 ff.; S. Rebehn, DRiZ 2015, S.  6 ff.; J. F. Lindner, DÖV 2015, S.  1025 ff. 833  Vgl. zu dem Problem F. Wittreck, Betrifft Justiz 118 (2014), S.  67 (71 f.); Minkner, Ge­ richtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  219. 834  BVerfGE 139, 64; siehe auch die Anm. zu dem Urteil von T. Hebeler, JA 2015, S.  718 (719 f.) sowie F. Hufen, JuS 2016, S.  90 (91 f.). Die Besoldung in Nordrhein-Westfalen wurde überdies als verfassungsgemäß eingestuft, vgl. weiterhin VG Münster, Urteil vom 26.1.2016 – 5 K 1609/14. – Das Gesetz zur Änderung besoldungs- und richterrechtlicher Vorschriften vom 18.12.2015 dient der Herstellung einer verfassungskonformen Besoldung der Richterin­ nen und Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Sachsen-Anhalt, vgl. L. Bechler, LKV 2016, S.  260 (262). 835  Rezeptionen des Urteils und des darin entwickelten Dreistufenmodells finden sich bei T. Hebeler, JA 2015, S.  718 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  219 ff.; I. Schübel-­ Pfister, NJW 2015, S.  1920 ff.; J. Vetter, LKV 2015, S.  445 (445 f.); J. F. Lindner, DÖV 2015, S.  1025 (1028 ff.); U. Battis/K. J. Grigoleit/T. Hebeler, NVwZ 2016, S.  194 (196 f.); L. C. Faissner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  54 f. 836  Mit dieser Tendenz auch F. Wittreck, Betrifft Justiz 118 (2014), S.  67 (72 f.); J. F. Lindner, DÖV 2015, S.  1025 (1030); mit dogmatischer Kritik auch T. Hebeler, JA 2015, S.  718 (720). 837  So auch die Einschätzung von Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  222.

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Zweiter Teil: Grundlagen

drohende Verletzung des Justizgewährleistungsanspruchs in weniger wohl­ habenden Bundesländern langfristig abwenden kann838, ohne die Gesetzge­ bungsbefugnisse konkret einzuschränken. c) Institutionelle Unabhängigkeit Art.  97 GG enthält nach überwiegender Auffassung keine institutionelle Unab­ hängigkeitsgarantie für die dritte Gewalt an sich839. In institutioneller Hinsicht sichert allein Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG die organisatorische Trennung der drei Gewalten ab840. Hieraus folgt lediglich, dass eine „Personalunion [der Recht­ sprechung] mit anderen Staatsfunktionen“ unzulässig wäre841, nicht aber, dass nicht den Richtern grundsätzlich auch andere (Verwaltungs-) Aufgaben über­ tragen werden dürfen842. Art.  97 GG gebietet daher grundsätzlich keine strikte Trennung der Gerichtsverwaltung von der sonstigen Verwaltung, sodass aus der Unabhängigkeitsgarantie kein institutioneller Bestand eines eigenständigen Jus­ tizministeriums abgeleitet werden kann843. Überdies folgt aus Art.  97 GG kein Selbstverwaltungserfordernis der Justiz, wie es von den Richtervereinigungen gefordert wird844. Dies bedeutet konkret, dass auch kein institutionelles Haus­ 838 

Einsames Schlusslicht in der Richterbesoldung ist nach wie vor das Saarland, dessen niedrige richterliche Bezüge sich auch nicht mehr durch die vergleichsweise niedrigeren Le­ benshaltungskosten rechtfertigen lassen und wo die akute Gefahr verminderter Attraktivität des Richteramtes besonders hoch ist. Vgl. die Zahlen des DRB unter www.richterbesoldung. de (21.4.2017); siehe näher D. Lauinger, ZRP 2016, S.  212 f.; allgemein K. Herrmann, NVwZ 2017, S.  105 (111): „Inhaltlich erfüllen Art.  33 II und 5 GG eine qualitätssichernde Funktion und sollen sicherstellen, dass der Beamten- oder Richterstatus für überdurchschnittlich qua­ lifizierte Kräfte attraktiv ist.“ Zusammenfassend Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  23 ff.; mit Hinweis auf die Einkommensschere auch F. Wittreck, Betrifft Justiz 118 (2014), S.  67 (69); O. Sporré, DRiZ 2014, S.  234 (235). 839  So etwa H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2587); Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  85 ff.; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  162 f.; E. Schilken, JZ 2006, S.  860 (861); v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  75; zum Meinungsstand auch T. Groß, Betrifft Justiz 85 (2006), S.  248 (249); Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  111; B. Kramer, NJW 2009, S.  3079 (3083); V. Boehme-Neßler, ZRP 2009, S.  228 (230); C. Sennekamp, NVwZ 2010, S.  213 (213); mit einer gegenteiligen Auffassung siehe H. Weber-Grellet, DRiZ 2012, S.  46 (48). – Zur organisatorischen Selbständigkeit im internationalen Vergleich siehe Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  57 mit Fn.  30; Heusch (Fn.  692), Art.  97 Rn.  15. 840 Siehe Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  111. 841  Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  162. 842  Vgl. §  4 Abs.  2 DRiG. Dazu Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  111. 843  Zur Zusammenlegung von Justiz- und Innenministerium in NRW Tschentscher, Legiti­mation (Teil  1, Fn.  1), S.  162 f.; Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  112; Heusch (Fn.  692), Art.  97 Rn.  13, 15. – A. A. A. v. Arnauld, AöR 124 (1999), S.  658 (673). 844  So auch die Ansicht von Papier, Selbstverwaltung (Fn.  638), S.  191; Hillgruber (Teil  1,

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung

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haltsvorrecht für die Justiz garantiert wird845. In der gegenwärtigen Organisa­ tionsstruktur aus Kontroll- und Weisungsmechanismen der Exekutive liegt ein wesentlicher Legitimationsfaktor der Gerichte; dieses Bindeglied würde mit einer Selbstverwaltung der Justiz gekappt werden846. Eine Übertragung der in­ stitutionellen Unabhängigkeit der Rechtsprechung nach dem angelsächsischen Verständnis wird dennoch bisweilen diskutiert847. 2. Judicial Independence in den USA Die richterliche Unabhängigkeit ist in der U.S.-Verf. nicht direkt angelegt, sie ergibt sich vielmehr mittelbar aus der Etablierung der Judikative als unabhängi­ ge Gewalt neben Legislative und Exekutive in Art.  I bis III der U.S.-Verf.848. Ihr kommt im U.S.-amerikanischen Verfassungsystem als Fundamental Principle eine herausragende Bedeutung zu, um die Einhaltung der Gewaltenteilung und das System der Checks and Balances zu gewährleisten849. Letzteres Verfas­ Fn.  118), Art.  97 (52. EL 2008) Rn.  112; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  74 f.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  226; Heusch (Fn.  692), Art.  97 Rn.  15. – Für eine institutionell unabhängige und selbstverwaltete Justiz in diesem Zusammenhang insbe­ sondere T. Groß, Betrifft Justiz 85 (2006), S.  248 (250 f.). 845  C. Dästner, RuP 38 (2002), S.  106 (110); Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  226. A. A. T. Groß, Betrifft Justiz 85 (2006), S.  248 (251). 846  Siehe zur demokratischen Legitimation der Rechtsprechung sowie der Gerichtsver­ waltung bereits oben. Vgl. hierzu auch E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  23; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  111 ff., 128 ff. 847  So bspw. unter diesem Aspekt differenzierend zur Reichweite der richterlichen Unab­ hängigkeit K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 (227 f.); insofern etwas undifferenziert Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  57 ff.; T. Groß, Betrifft Justiz 85 (2006), S.  248 (250 f.); ab­ lehnend Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  182 f. 848  United States ex rel. Toth v. Quarles, 350 U.S.  11, 16 (1955). Siehe im ersten Zugriff zur richterlichen Unabhängigkeit in den USA I. R. Kaufman, Yale Law Journal 88 (1979), S.  681 (690 ff.); ders., Columbia Law Review 80 (1980), S.  671 ff.; J. A. Ferejohn, Southern California Law Review 72 (1999), S.  353 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  53 ff.; Abraham, Pillars (Teil  1, Fn.  2), S.  25 ff.; E.D. Re, St. Thomas Law Review 15 (2002), S.  265 (271 ff.); B. Friedman, History, Politics and Judicial Independence, in: A. Sajó (Hrsg.), Judicial Integ­ rity, 2004, S.  99 (101 ff.); Tobin, Judicial Branch (Teil  1, Fn.  247), S.  14 ff.; S. Foster, The Judi­ ciary, Civil Liberties and Human Rights, 2006, S.  39 ff.; D. C. Brody, Denver University Law Review 86 (2008), S.  1 (7 ff.); Steinberger, Kritik (Einl., Fn.  18), S.  197 ff.; Wheeler, Indepen­ dence (Einl., Fn.  75), S.  521 ff.; N. Garoupa/T. Ginsburg, The American Journal of Compara­ tive Law 57 (2009), S.  201 ff. m. w. N. in Fn.  1. 849  Northern Pipeline Construction Co. v. Marathon Pipeline Co., 458 U.S.  50 (1982) spricht im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit von einem fundamentalen Prinzip (60) und einem „inexorable command“ (58); siehe dazu I. R. Kaufman, Columbia Law Re­ view 80 (1980), S.  671 (687 ff.); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  53; zum Verhältnis von Checks and Balances und richterlicher Unabhängigkeit siehe T. Ginsburg/J. Melton, Journal of Law and Courts 2014, S.  187 (206).

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Zweiter Teil: Grundlagen

sungsprinzip wiederum gebietet jedoch, dass die richterliche Unabhängigkeit niemals absolut erfüllt sein muss; Interdependenzen der Gewalten verbleiben und sind verfassungskonform850. Ziel ist eine neutrale und unparteiliche richter­ liche Entscheidung, die sich allein am geltenden Recht orientiert und unabhän­ gig von politischen Mehrheitsverhältnissen sowie Einflüssen der anderen Staats­ gewalten gefällt wird851. In engem Zusammenhang mit der Garantie richterli­ cher Unabhängigkeit steht daher die Selbstverwaltung der dritten Gewalt in den USA852. Dass sich vor allem aus deutscher Perspektive die richterliche Unabhän­ gigkeit in den Vereinigten Staaten – primär auf bundesstaatlicher Ebene – mehr als leere Hülle soziopolitischer Versprechen erweist, wird im Folgenden dar­ zustellen sein. Im Übrigen gewährt Art.  III der U.S.-Verf. den Schutz der Un­ absetzbarkeit und Gehälterstabilität lediglich für Bundesrichter; für die ein­ zelstaatlichen Richter gilt jeweils nur das Staatenrecht853. Die Garantie lebens­ langer Amtsdauer bei gesicherter Besoldung kann aufgrund der insofern variierenden einzelstaatlichen Richterwahlmethoden und Amtszeitbestimmun­ gen per se nur für die Bundesrichter gelten854. Die richterliche Unabhängigkeit ist zum Teil auch in die einzelnen Bundesstaatenverfassungen aufgenommen

850  Youngstown Sheet & Tube Co. v. Sawyer, 343 U.S.  579, 635 (1952); so auch G. Bermant/­R. R. Wheeler, Mercer Law Review 46 (1995), S.  835 (845); Russell, Theory (Fn.  407), S.  12; Abraham, Pillars (Teil  1, Fn.  2), S.  25 f. 851  W. M. Landes/R. A. Posner, Journal of Law and Economics 18 (1975), S.  875 (875 Fn.  1) definieren die richterliche Unabhängigkeit als „one that does not make decisions on the basis of the sorts of political factors (for example, the electoral strength of the people affected by a decision) that would influence and in most cases control the decision were it to be made by a legislative body“; vgl. weiterhin I. R. Kaufman, Yale Law Journal 88 (1979), S.  681 (684); Saari, Separation (Fn.  613), S.  151; O. M. Fiss, Inter-American Law Review 25 (1993), S.  57 (58); T. J. Peretti, Does Judicial Independence Exist? The Lessons of Social Science Re­ search, in: Burbank/Friedman, Independence (Teil  1, Fn.  213), S.  103 (103, 109); T. E. George, Ohio State Law Journal 64 (2003), S.  1 (1); T. Ginsburg/J. Melton, Journal of Law and Courts 2014, S.  187 (190); Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  29. 852  Zur rechtsprechenden Gewalt gehören nach einhelliger Auffassung auch die sog. In­ herent Powers, also Maßnahmen, die notwendig sind, um die verfassungsgemäße Rechtspre­ chungstätigkeit zu ermöglichen, vgl. M. Gur-Arie/R. R. Wheeler, Judicial Independence in the United States: Current Issues and Relevant Background Information, in: Office of De­ mocracy and Governance (Hrsg.), Guidance for Promoting Judicial Independence and Impar­ tiality, 2002, S.  133 (135); Tobin, Judicial Branch (Teil  1, Fn.  247), S.  16; Buenger/De Muniz, Judicial Power (Teil  1, Fn.  203), S.  34, die den Zusammenhang zur Gerichtsverwaltung an­ schaulich herausstellen. 853  Einen direkten Bezug enthält bspw. die Verf. des Staates Massachusetts in Part 1, Art.  29: „It is the right of every citizen to be tried by judges as free, impartial and independent as the lot of humanity will admit“. 854 Vgl. Chemerinsky, Principles (Fn.  158), S.  34.

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worden oder ergibt sich zumindest aus einfachgesetzlichen Regelungen, die Verhaltensregeln für Richter aufstellen (sog. Codes of Judicial Conduct)855. Nach dem U.S.-amerikanischen Recht enthält die richterliche Unabhängig­ keit zwei Bereiche, namentlich die Institutional Independence sowie die De­­ci­sional Independence856. Institutional Independence lässt sich beschreiben als die (gewaltenteilende) Unabhängigkeit der rechtsprechenden Gewalt von der Exekutive und der Legislative (a.); Decisional Independence drückt aus, dass Richter ihre Entscheidungen ausschließlich aufgrund der Sach- und Rechtslage, und somit unabhängig von anderen, externen Beeinflussungen zu treffen haben (b.)857. Es wird also unterschieden zwischen der Unabhängigkeit der judikativen Gewalt als solcher und der Unabhängigkeit des einzelnen Richters858. a) Institutional Independence Zu der individuellen Schutzfunktion, die von der richterlichen Unabhängigkeit ausgeht, tritt die grundsätzliche staatsorganisatorische Aufgabe der richter­ lichen Unabhängigkeit hinzu859. In den Vereinigten Staaten herrscht die einhel­ lige Überzeugung vor, dass die richterliche Unabhängigkeit nicht allein dem Richter als Organ der Rechtspflege, sondern in institutioneller Perspektive auch dem Gericht an sich zukommt860. In Angrenzung zu den anderen Gewalten folgt somit aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz eine weitgehende Unabhängigkeit von Legislative und Exekutive861. Durch diese Kontrollfunktion, die der Judika­ 855  Siehe als Beispiel Canon 1 des Model Code of Judicial Conduct. Aus der Literatur siehe J. M. Shaman/S. Lubet/J. J. Alfini, Judicial Conduct and Ethics, 2.  Aufl. 1995, S.  3 ff. (§  1.02); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  54; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  563; Schneider, Ethik (Einl., Fn.  5), S.  146 ff. 856  Zu dieser Unterscheidung siehe J. A. Ferejohn, Southern California Law Review 72 (1999), S.  353 (355); J. Resnik, Southern California Law Review 72 (1999), S.  675 (666); S. S. Abrahamson, Michigan Bar Journal 84 (2005), S.  40 (41); Steinberger, Kritik (Einl., Fn.  18), S.  201 ff.; Müller, Rahmen (Fn.  133), S.  188. 857  Siehe zu einer rudimentären Definition S. S. Abrahamson, Michigan Bar Journal 84 (2005), S.  40 (41); der Begriff wird auch verwendet von M. H. Redish, Mercer Law Review 46 (1995), S.  697 (706 f.). 858 Gleichsinnig J. A. Ferejohn, Southern California Law Review 72 (1999), S.  353 (355). 859  Northern Pipeline Construction Co. v. Marathon Pipeline Co., 458 U.S.  50, 58 (1982); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  57. 860 Vgl. M. H. Redish, Mercer Law Review 46 (1995), S.  697 (700); J. A. Ferejohn, Southern California Law Review 72 (1999), S.  353 (353 ff., 365, 372); Steinberger, Kritik (Einl., Fn.  18), S.  201. 861 Vgl. United States v. Will, 449 U.S.  200, 217 f. (1980): „A Judiciary free from control by the Executive and the Legislature is essential if there is a right to have claims decided by judges who are free from potential domination by other branches of government“; siehe wei­ terhin Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  29.

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tive zukommt, soll der Schutz des Bürgers vor Machtmissbrauch erreicht wer­ den862. Aus der Perspektive institutioneller Unabhängigkeit folgt konsequenter­ weise, dass viele gerichtsverwaltende Angelegenheiten durch die Justiz selbst durchgeführt werden863. Dieses Recht der Judikative, sich als gleichberechtigte Gewalt selbst zu verwalten, wird zum Teil als Administrative Independence be­ zeichnet864. b) Decisional Independence „Decisional independence is the cornerstone of America’s judiciary“865. Der einzelne Richter darf in seiner Entscheidungsfreiheit nicht begrenzt werden866. Jegliche Art der Einflussnahme auf den Ausgang eines Verfahrens, also auf die rechtliche Würdigung eines Sachverhaltes durch den Richter, ist verboten (aa.)867. Um diese Entscheidungsfreiheit abzusichern, sieht die Bundesverfas­ sung der USA in Art.  III §  1 den Grundsatz der Unabsetzbarkeit sowie einer Gehälterstabilität vor (bb.). aa) Unabhängigkeit von externen Einflüssen Der Grundsatz der Decisional Independence fordert, dass die richterliche Ent­ scheidung frei zu sein hat von jeglicher Einflussnahme durch die anderen Ge­ walten; Beeinflussungen drohen darüber hinaus durch gerichtsinterne Maßnah­ men868. Der einzelne Richter muss seine Entscheidung nach persönlicher Über­ 862 Siehe

Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  57. So auf Alexander Hamilton rekurrierend S. D. O’Connor, The Threat to Judicial Inde­ pendence, in: The Wall Street Journal, 27.9.2006 (abrufbar unter http://content.csbs.utah. edu/~dlevin/jud_pro/class-readings/O%27Connor-Judicial-Independence.pdf, 19.3.2020). 864  J. C. Wallace, Brigham Young University Law Review 1978, S.  39, (55 ff.); G. Bermant/R. R. Wheeler, Mercer Law Review 46 (1995), S.  835 (837 f.). 865  So die Einschätzung von Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  75. 866  J. A. Ferejohn, Southern California Law Review 72 (1999), S.  353 (355); L. A. Kornhauser, Is Judicial Independence a Useful Concept?, in: Burbank/Friedman, Independence (Teil  1, Fn.  213), S.  45 (48): „freedom from [inappropriate] influence“. 867  Rubin, Independence (Teil  1, Fn.  213), S.  72. 868  Chandler v. Judicial Council of the Tenth Circuit, 398 U.S.  74, 84 (1970): „There can, of course, be no disagreement among us as to the imperative need for total and absolute inde­ pendence of judges in deciding cases or in any phase of the decisional function“; Northern Pipeline Construction Co. v. Marathon Pipeline Co., 458 U.S.  50, 59 Fn.  10 (1982). Siehe weiterhin G. Bermant/R. R. Wheeler, Mercer Law Review 46 (1995), S.  835 (839 ff.); S. B. Burbank/B. Friedman, Reconsidering Judicial Independence, in: dies., Independence (Teil  1, Fn.  213), S.  9 (30 ff.); Rubin, Independence (Teil  1, Fn.  213), S.  72 f.; Peretti, Independence (Fn.  851), S.  109 ff.; T. E. George, Ohio State Law Journal 64 (2003), S.  1 (1); Geyh, Courts (Einl., Fn.  7), S.  6 f.; D. M. Ebel, Denver University Law Review 88 (2011), S.  313 (314). 863 

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zeugung fällen können, ohne sich von möglicherweise zu erwartenden Bestrafungen oder (finanziellen) Anreizen leiten zu lassen869. Insbesondere ist eine (ungefragte) Versorgung der Gerichte mit möglicherweise streitentschei­ denden Informationen unzulässig, da hierhin eine Beeinflussung der Rechtspre­ chung gesehen werden könnte870. Es handelt sich bei der Decisional Independence allerdings nicht um einen Grundwert aus einem Selbstzweck heraus, sondern um einen instrumentellen Wert, der die Unparteilichkeit der Richter gewährleisten soll871. Zwar findet sich keine direkte Konstituierung der richter­ lichen Entscheidungsfreiheit in der Verfassung, die Unabhängigkeitsgarantie wird jedoch indirekt durch die Due Process-Clause sowie den Grundsatz der Gewaltenteilung abgesichert872. Der richterlichen Unabhängigkeit steht insbe­ sondere die richterliche Rückbindung an das Volk als Judicial Accountability gegenüber873. Bleibt man in der geläufigen deutschen Terminologie, ist sie als eine Ausprägung der sachlichen Unabhängigkeit874 von der Legislative (1), Exe­ kutive (2), der Judikative selbst (3) sowie darüber hinaus von weiteren äußeren Einflüssen (4) zu qualifizieren. (1) Legislative Die gesetzgebende Gewalt hat zum Teil weitreichende Einflussmöglichkeiten auf die Entscheidungsfreiheit der Gerichte875. Die Bundesrichter genießen auch gegenüber den Organen der Gesetzgebung richterliche Unabhängigkeit, sie un­ terliegen jedoch – ebenso wie der Präsident und die Bundesbeamten – dem Impeachment-Verfahren, also der Möglichkeit der Amtsenthebung bei schwerem Fehlverhalten876. Hierin kommt das Bedürfnis nach demokratischer Kontrollier­

869  J. A. Ferejohn, Southern California Law Review 72 (1999), S.  353 (355); ders./L. D. Kramer, N.Y.U. Law Review 77 (2002), S.  962 ff. 870  Rubin, Independence (Teil  1, Fn.  213), S.  72. 871 So G. Bermant/R. R. Wheeler, Mercer Law Review 46 (1995), S.  835 (838). 872  M. H. Redish, Mercer Law Review 46 (1995), S.  697 (708 ff.). 873  Siehe instruktiv zu diesen zwei Seiten der Medaille Geyh, Courts (Einl., Fn.  7), S.  6 ff. 874  Diese Terminologie ist in den Vereinigten Staaten als „Substantive Independence“ nur sehr vereinzelt gebräuchlich, und wird gelegentlich im Zusammenhang mit sog. Administrative Law Judges verwendet. Gebräuchlicher ist ganz allgemein der Begriff der Decisional Independence. So auch Shetreet, Independence (Teil  1, Fn.  257), S.  595; Zätzsch, Unabhän­ gigkeit (Einl., Fn.  7), S.  62 ff.; Steinberger, Kritik (Einl., Fn.  18), S.  201 ff. 875  Instruktiv aus historischer Perspektive T. S. Clark, The Limits of Judicial Independen­ ce, 2011, S.  25 ff. 876  Art.  I I §  4 der U.S.-Verf. benennt die relevanten Gründe: „Treason, Bribery, or other high Crimes and Misdemeanors“; dazu Volcansek, Misconduct (Fn.  185), S.  88 ff.; Geyh, Courts (Einl., Fn.  7), S.  113 ff.; Heine, impeachment-Verfahren (Fn.  598), S.  175 ff.

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Zweiter Teil: Grundlagen

barkeit der Richter zum Ausdruck877, wodurch angedeutet wird, dass die demo­ kratische Bindung des einzelnen Richters bisweilen hinter seiner richterlichen Unabhängigkeit zurückzutreten hat. Das Impeachment-Verfahren wird jedoch selten angewendet: Seit dem Jahre 1798 wurden lediglich 15 Verfahren gegen Richter initiiert, wovon wiederum nur acht Richter vom Senat ihrer Ämter ent­ hoben wurden878. Über die Einleitung eines Impeachment-Verfahrens trifft das Repräsentantenhaus mit einfacher Mehrheit die Entscheidung, woraufhin im Senat die Anhörungen stattfinden879. Die Möglichkeit der Einflussnahme auf den Inhalt der Rechtsprechung stellt sich insgesamt wegen der Hürden, das Ver­ fahren einzuleiten, als eher gering dar880. Außerdem ist gemeinhin anerkannt, dass eine Amtsenthebung nicht bereits aufgrund einer unpopulären Entschei­ dung durchgeführt werden darf. Vielmehr wurden Richter üblicherweise wegen strafrechtlich relevanter Taten, wie Steuerhinterziehung oder Meineids, ihres Amtes enthoben881. Die rechtliche Möglichkeit zur Durchführung eines Im­ peachment-Verfahrens gegen die Richter an den Staatengerichten ist auch in vielen Einzelstaaten verbreitet882. Allerdings ist die Bedeutung der Einflussnah­ me durch ein Amtsenthebungsverfahren in vielen Fällen bereits deshalb nahezu hinfällig, da die meisten Richter in den Einzelstaaten ohnehin nur für eine be­

877  Siehe zum Zusammenhang zwischen Judicial Accountability und Impeachment-Ver­ fahren hier nur Geyh, Courts (Einl., Fn.  7), S.  35 ff. 878  Es wurden von den 15 durch das Repräsentantenhaus initiierten Verfahren nur 13 ver­ handelt, wobei am Ende vier Richter freigesprochen wurden. Samuel B. Kent (U.S. District Court for the Southern District of Texas) trat 2009 nach Einleitung des Impeachment-Verfah­ rens zurück, das Verfahren wurden eingestellt. Vgl. allgemein P. C. Hoffer/N. E. H. Hull, Im­ peachment in America, 1635–1805, 1984, S.  57 ff., 107 ff., 179 ff. mit dem Hinweis auf zum Teil historisch früher gelagerte Amtsenthebungsverfahren; P. Filzmaier/F. Plasser, Die ame­ rikanische Demokratie. Regierungssystem und politischer Wettbewerb in den USA, 1997, S.  161; im Detail zu den einzelnen Verfahren Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  45 ff.; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  548; Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  162. Siehe mit einem anschaulichen Überblick über die Impeachment-Verfahren gegen Bundesrichter auch die Zusammenstellung des FJC unter https://www.fjc.gov/history/judges/ impeachments-federal-judges (22.11.2017). 879  Vgl. Art.  I §  2 Abs.  5, 2. Hs.: „[The House of Representatives …] shall have the sole Power of Impeachment“; Art.  I §  3 Abs.  6 S.  1: „The Senate shall have the sole Power to try all Impeachments“; siehe Heine, impeachment-Verfahren (Fn.  598), S.  71 ff., 107 ff.; weiterhin Brugger, Einführung (Fn.  172), S.  90 ff. 880  So auch J. A. Ferejohn, Southern California Law Review 72 (1999), S.  353 (358); P. M. Shane, University of Pennsylvania Law Review 142 (1993), S.  209 (220 ff.). 881  So die Analyse bei Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  141; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  548. 882 Siehe E. J. Schoenbaum, Chicago-Kent Law Review 54 (1977), S.  1 (3 f.); Volcansek, Misconduct (Fn.  185), S.  88; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  61.

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung

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grenzte Zeit im Amt bleiben883, und es oftmals auch anderweitige Disziplinar­ maßnahmen gibt884. Aus der Unabhängigkeitsgarantie folgt weiterhin ein verfassungsrechtlich verbürgtes Einzelfallgesetzverbot, das sich auf gerichtliche Entscheidungen be­ zieht und den Erlass einzelner Gesetze als Reaktionen auf unliebsame Urteile verbietet885. Grundsätzlich ist es der Legislative damit untersagt, ein Gesetz nur zu erlassen, um ein gewisses Verhalten beispielsweise (nachträglich) strafrecht­ lich zu sanktionieren886. Es ist im Gegensatz dazu allerdings verfassungsrecht­ lich zulässig und nicht unüblich, dass Gesetze zur Aufhebung von gerichtlichen Entscheidungen prospektiv erlassen werden887. Informell besteht darüber hin­ aus eine potenzielle Beeinflussungsoption durch die Diskussionen der Parla­ mentsmitglieder im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren. Dabei sind Kritiken richterlicher Entscheidungen durch Politiker durchaus üblich in den Vereinigten Staaten888. Eine seltene, aber durchaus interessante Praxis offenbart sich in der legislativen Kontrolle des U.S. Supreme Courts durch die sog. Amendment ­Power des Kongresses, durch welche der U.S.-Verf. insgesamt drei Mal Zusätze hinzugefügt worden sind, um eine gerichtliche Entscheidung aufzuheben889. Darüber hinaus fühlen sich viele Richter in ihrer autonomen Entscheidungs­ freiheit durch den Kongress begrenzt, weil dieser die abschließende Kontrolle über den Justizhaushalt innehat und ferner über die gerichtlichen Zuständig­ keitsverteilungen sowie Struktur, Größe und Verwaltung der Gerichte entschei­ det890. Zum Teil spricht man daher von einer Customary Independence (gewohn­

883 Gleichsinnig

Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  203 mit Fn.  238. Siehe zum Disziplinarrecht Kap.  4 B. III 3. b) cc). 885  Siehe Art.  I §  9 Abs.  3 U.S.-Verf.; R. B. McKay/J. M. Parkison, United States of Ameri­ ca, in: Shetreet/Deschênes, Independence (Teil  1, Fn.  257), S.  358 (364 ff.). 886  Art.  I §  9 Abs.  3 U.S.-Verf.; zu diesem Verbot von ex post facto Law siehe auch E. Fitch Smith, Commentaries on Statute and Constitutional Law and Statutory and Constitutional Construction, 1848, S.  368; C. Brettschneider, Governmental Powers. Cases and Readings in Constitutional Law and American Democracy, 2014, S.  35. 887 So McKay/Parkison, States (Fn.  885), S.  364. 888  Dies geschah umfangreich und teils leidenschaftlich in Bezug auf das Urteil Brown v. The Board of Education of Topeka, 347 U.S.  483 (1954), siehe dazu McKay/Parkison, States (Fn.  885), S.  365. 889  Vgl. ausführlich zu diesem Aspekt D. Adamany, The Supreme Court, in: Gates/John­ son (Hrsg.), Courts (Teil  1, Fn.  274), S.  5 (13 f.). 890  W. M. Landes/R. A. Posner, Journal of Law and Economics 18 (1975), S.  875 (885); Segal, Courts (Fn.  608), S.  384, 385 f.; G. Bermant/R. R. Wheeler, Mercer Law Review 46 (1995), S.  835 (848 ff.); Shaman/Lubet/Alfini, Conduct and Ethics (Fn.  855), S.  407 ff. (§§  12.01–12.10); J. A. Ferejohn, Southern California Law Review 72 (1999), S.  353 (359 f.); T. E. George, Ohio State Law Journal 64 (2003), S.  1 (2); C. G. Geyh, Indiana Law Journal 78 884 

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Zweiter Teil: Grundlagen

heitsrechtliche Unabhängigkeit)891. Insbesondere die Befugnis des Kongresses zur Anpassung richterlicher Bezüge an die sich verändernden Lebenshaltungs­ kosten wird kritisiert892. Allerdings muss konstatiert werden, dass amerikani­ sche Richter einen vergleichsweise hohen Einfluss auf Finanzierung und Ge­ richtsverwaltung haben893, der sich im Bereich der Budgetierung dadurch aus­ zeichnet, dass der Chief Justice den Haushalt – nachdem die Höhe festgelegt worden ist – lediglich der zuständigen Stelle vorlegen muss894. Das Selbstver­ ständnis der Richter, die Justiz gegen sämtliche externe Einflüsse abzuschotten, scheint sich als Reaktion auf die ehemals vorherrschende Übermacht der eng­ lischen Krone darzustellen. Von dieser musste sich die Judikative mühevoll los­ sagen895. Von Teilen der Legislative – namentlich von Abgeordneten sowie Senatoren – gehen mitunter Gefahren für die richterliche Unabhängigkeit aus, wenn diese Kritik an einzelnen gerichtlichen Urteilen üben896. Die Schutzmöglichkeiten für Richter sind insofern begrenzt897.

(2003), S.  153 (159); Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  36 ff.; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  558; Tushnet, Accountability (Fn.  411), S.  61. 891 So C. G. Geyh, Customary Independence, in: Burbank/Friedman, Independence (Teil  1, Fn.  213), S.  160 ff.; ders., Courts (Einl., Fn.  7), S.  51. 892  Siehe zur Gefährdung der persönlichen Unabhängigkeit im Hinblick auf die Gehälter­ stabilität im ersten Zugriff nur Hamilton, No.  78 (Fn.  449), S.  462 ff.; hierauf bezugnehmend S. D. O’Connor, The Threat to Judicial Independence, in: The Wall Street Journal, 27.9.2006 (abrufbar unter http://content.csbs.utah.edu/~dlevin/jud_pro/class-readings/O%27Connor-­ Judicial-Independence.pdf, 19.3.2020); L. Baum, The Supreme Court, 12.  Aufl. 2016, S.  141. 893  So bspw. auch die Einschätzung von N. Browne-Wilkinson, Public Law 1988, S.  4 4 (52) und Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  137. – A. A. Tushnet, Accountability (Fn.  411), S.  61. 894 Siehe McKay/Parkison, States (Fn.  885), S.  358. – Vgl. im Detail zur Finanzierung der Gerichte als Teilaspekt der Gerichtsverwaltung Kap.  4 B. III. 4. 895  Siehe zu diesen historischen Verquickungen bereits oben Kap.  2 A. II. 1. 896  Berühmtes Beispiel ist die Entscheidung United States v. Bayless, 913 F. Supp.  232 (S.D.N.Y. 1996), durch die der von Präsident Clinton ernannte Bundesrichter Harold Baer während des Präsidentschaftswahlkampfes schwer in die Kritik der republikanischen Oppo­ sition gelangte. Brisant ist der Fall deshalb, weil sich Baer aufgrund des politischen Drucks dazu entschloss, ein sog. Rehearing zuzulassen (vgl. United States v. Bayless, 913 F. Supp.  211 [S.D.N.Y. 1996]). Siehe zu dem Vorfall und dem Zusammenhang mit der richterlichen Un­ abhängigkeit M. Cloud, Southern California Law Review 69 (1996), S.  1341 (1347 ff.); S. B. Bright, N.Y.U. Law Review 72 (1997), S.  308 (310 ff.). 897  Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  6 4.

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(2) Exekutive Eine Politisierung der Richterschaft ist in den USA landläufig zu beobachten (a). Gleichwohl haben insbesondere exekutive Funktionsträger der Regierung – auf Staatenebene der Gouverneur und auf Bundesebene der Präsident (b) – keinerlei Befugnisse zur Einflussnahme auf die richterliche Entscheidung in einem kon­ kreten Fall898. Beeinflussungen können in diesem Zusammenhang formeller sowie informeller Natur sein und sind gleichermaßen ein Angriff auf die rich­ terliche Unabhängigkeit899. Dies gilt gleichsam für eine Einflussnahme von Or­ ganen der Gerichtsverwaltung (c). (a) Politisierung der Richterschaft Die Politisierung gewählter Richter stellt sich als eins der wesentlichen Prob­ lemfelder für die Judicial Independence dar900, das sich in den meisten Bundes­ staaten sogar noch dadurch verschärft, dass eine Wiederwahl der Richter vorge­ sehen ist. Wiederwahlen sollen zwar nach einhelliger Überzeugung zu einem erhöhten Grad demokratischer Legitimation führen, führen jedoch gleicher­ maßen zu Spannungen mit der richterlichen Unabhängigkeit, die aufgrund viel­ schichtiger Abhängigkeiten der Richter entstehen901. Es darf umgekehrt nicht gänzlich verkannt werden, dass den Richtern in den USA – wie im Common Law-System üblich – bereits aus ihrer Stellung heraus bewusst und gewollt eine auch politische Rolle zukommt902. Idealerweise würden Richterwahlen, die fair und ohne parteiliche Unterstützung abgehalten werden, durchaus Vorteile nicht nur bezüglich der demokratischen Legitimation richterlicher Entscheidungen einbringen, sondern auch der richterlichen Unabhängigkeit nicht zwangsläufig einen Abbruch tun903. Allerdings sieht die Realität anders aus und in vielen 898  Vgl. Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  63; Rubin, Independence (Teil  1, Fn.  213), S.  87. 899  J. A. Ferejohn, Southern California Law Review 72 (1999), S.  353 (360) sieht die infor­ malen Angriffe auf die Justiz als insgesamt größeres Problem an als die sporadischen Angrif­ fe auf die richterliche Unabhängigkeit einzelner Richter; siehe weiterhin Rubin, Independen­ ce (Teil  1, Fn.  213), S.  87. 900  Rubin, Independence (Teil  1, Fn.  213), S.  87 f.; aus historischer Perspektive F. A. Hanssen, The Journal of Legal Studies 33 (2004), S.  431 (432 ff.); Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  528 f. 901 Grundlegend Kayser, Auswahl (Einl., Fn.  18), S.  212 ff., 279 ff. – Zum Problem der richterlichen Unabhängigkeit bei sog. Retention Elections siehe ausführlich Kap.  5 B. VI. 1. b). 902  Bestes Beispiel ist das Judge-Made Law sowie die Befugnis zur Judicial Review. Ins­ truktiv G. Gee, The Persistent Politics of Judicial Selection. A Comparative Analysis, in: Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  17), S.  121 (127). 903  So die Idealvorstellung von Justice Anthony Kennedy (Concurring) in New York State Bd.  of Elections v. Lopez Torres, 552 U.S.  196 (2008): „Judicial elections, if fair and open,

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Zweiter Teil: Grundlagen

U.S.-amerikanischen Bundesstaaten sind die Richterwahlen durch parteiliche Orientierung geprägt und bergen bereits in der Erstwahl die Gefahr, dass die richterliche Unabhängigkeit zum Preis der Erfüllung von Kampagnenverspre­ chen untergraben wird904. Die unterschiedlichen Wahlsysteme in den U.S.-Staa­ ten bergen dabei ein je eigenes Gefährdungspotenzial für die richterliche Unab­ hängigkeit, das wiederum entgegengesetzt zur demokratischen Legitimation der Richter läuft905. Wheeler spricht daher in Bezug auf die parteiliche Richter­ wahl in den Einzelstaaten von einer „judicial independence horror story“906. Es lässt sich hier grundsätzlich feststellen, dass die richterliche Unabhängigkeit abnimmt, je stärker die demokratische Legitimation der Richter verwirklicht ist907. (b) Politisch-ideologische Beeinflussung durch die Regierung Einen weiteren Problemschwerpunkt stellt die politische Einflussnahme – vor allem des Präsidenten – dar, die bereits in der Auswahl der ranghohen Bundes­ richter begründet liegt908. Diese gehören zu mindestens 90  % der Partei des sie auswählenden Präsidenten an909. Das sog. Court-Packing ist eine beliebte Me­ could be an essential forum for society to discuss and define the attributes of judicial excel­ lence and to find ways to discern those qualities in the candidates. The organized bar, the legal academy, public advocacy groups, a principled press, and all the other components of functioning democracy must engage in this process“; mit einem ähnlich optimistischen Fazit Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  284. 904 Von Unvoreingenommenheit ließe sich bei einer derartigen Abhängigkeit von der Gunst der Parteien nur schwerlich sprechen, vgl. so auch Kayser, Auswahl (Einl., Fn.  18), S.  212 ff., 279 ff.; J. W. Doig, Judicial Independence and Impartiality in the United States? – Complexities and a Sometime Thing, in: Dodek/Sossin, Independence (Fn.  686), S.  411 (418). – Ähnliches deutet auch die Studie von C. S. H. Lim, Turnover and Accountability of Appoin­ ted and Elected Judges, 2008 (abrufbar unter https://www.economicdynamics.org/meetpa pers/2009/paper_190.pdf, 19.3.2020) an, die in Kansas zu dem Ergebnis kommt, dass gewähl­ te liberale Richter im Vergleich zu konservativen eher geneigt sind, milde und nachsichtige Urteile zu fallen (vgl. ebda., S.  4). 905  Zu den einzelnen Wahlsystemen – parteiliche sowie nicht-parteiliche sowie Missouri-­ Plan – und der richterlichen Unabhängigkeit in Konflikt mit der Accountability von Richtern siehe hier nur Sheldon/Lovrich, Recruitment (Fn.  408), S.  164 ff. 906  Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  529. 907  Dies gilt insbesondere für Richterwahlmethoden, die kurze Amtsperioden und Bestä­ tigungs- bzw. Wiederwahlen vorsehen. Siehe Sheldon/Lovrich, Recruitment (Fn.  408), S.  169. 908  Volcansek, Misconduct (Fn.  185), S.  9 f.; Peretti, Independence (Fn.  851), S.  104 Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  158. 909 So Goldman, Recruitment (Teil  1, Fn.  274), S.  199; ders., Picking Federal Judges. ­Lower Court Selection from Roosevelt through Reagan, 1997, S.  58 f., 104 f., 147 ff., 189 ff., 227 ff.; Peretti, Independence (Fn.  851), S.  105; siehe auch die tabellarische Auflistung bei T. E. George, Ohio State Law Journal 64 (2003), S.  1 (3); Wheeler, Independence (Einl.,

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thode der Präsidenten zur (politischen) Einflussnahme auf die parteipolitisch „richtige“ Zusammensetzung der Bundesgerichte. Es betrifft in erster Linie den U.S. Supreme Court910. Die von dem Präsidenten ernannten Richter haben im Idealfall die Möglichkeit, (allmählich) die ideologische Tendenz des Gerichtes zu verändern911. Es ist jedoch einhellige Meinung, dass die Richter in jeglicher Hinsicht unabhängig zu sein haben – dies gilt vor allem bezüglich des jeweils gegenwärtigen politischen Meinungsbildes912. Daher wird zum Teil verlangt, dass Kandidaten für ein Bundesrichteramt im Rahmen ihrer Auswahlgespräche zu ihrer ideologischen Überzeugung nicht mehr befragt werden dürfen913. Sol­ che „Kreuzverhöre“ durch das Judicial Committee des Senats sind allerdings in der jüngeren Vergangenheit im Rahmen des Richterauswahlprozederes auch nur noch vereinzelt vorgekommen914. Es liegt also im Ermessen der Richter, eine Entscheidung zu treffen, die nur im Einklang mit ihren eigenen normativen Vorstellungen liegt915. Die (liberale oder konservative) ideologische Richtung der Partei eines den Richter ernennenden Präsidenten ist dabei zumindest ein sehr starker Prädikator für die Richtung der Voten von Richtern am U.S. Supreme Court sowie der Richter an den Berufungsgerichten des Bundes916. In partei­ Fn.  75), S.  529; R. A. Carp/R. Stidham/K. L. Manning/L. M. Holmes, Judicial Process in Ame­ rica, 10.  Aufl. 2016, S.  120, 123 ff. 910  Siehe zur Methode des Court-Packing im Allgemeinen im Zusammenhang mit den Richtern des U.S.-Supreme Courts in Kap.  3 B. II. 1. a) cc) (5). 911  Vgl. aus richterlicher Perspektive W. H. Rehnquist, American University Law Review 66 (1997), S.  263 (273); Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  535. – Siehe allgemein zu den Möglichkeiten der Einflussnahme von Präsidenten auf die von ihnen ernannten Richter R. A. Carp/C. K. Rowland, Policymaking and Politics in the Federal District Courts, 1983, S.  51 ff.; zum entscheidungserheblichen Gewicht, das bereits ein oder zwei Richterstellen ausmachen können, siehe L. H. Tribe, God Save this Honorable Court. How the Choice of Supreme Court Justices Shapes Our History, 1985, S.  30 ff. 912  Vgl. zu diesem Standpunkt sehr eindringlich der ehemalige Richterkandidat für den U.S. Supreme Court Bork, Tempting (Fn.  162), S.  313 f.: „Federal judges are not appointed to decide cases according the latest opinion polls. They are appointed to decide cases impartial­ ly according to law“ (Zitat S.  313); dazu Peretti, Independence (Fn.  851), S.  104. 913  Usus ist die Befragung zu kontroversen Leitentscheidungen des U.S. Supreme Courts, wie bspw. zum Schwangerschaftsabbruch in Roe v. Wade, vgl. Goldman, Recruitment (Teil  1, Fn.  274), S.  204; S. B. Burbank, Judicature 80 (1996), S.  117 (120); ders., Southern California Law Review 72 (1999), S.  315 (338); B. Fein/B. Neuborne, Judicature 84 (2000), S.  58 (58 f.); zusammenfassend auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  622. 914  Siehe mit dieser Tendenz auch D. M. O’Brien, Storm Center. The Supreme Court in American Politics, 10.  Aufl. 2014, S.  72 ff.; Doig, Independence (Fn.  904), S.  425. 915  So auch T. E. George, Ohio State Law Journal 64 (2003), S.  1 (7). – Siehe hierzu auch die Rechtsprechungsanalyse von Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  118 ff., 127. 916  S. S. Nagel, The American Political Science Review 55 (1961), S.  843 ff.; J. Gottschall, Judicature 70 (1986), S.  48 (54) stellt heraus, dass insbesondere die von Reagan ernannten

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politischer Hinsicht sind demokratische Richter beispielweise eher als republi­ kanische Richter dazu geneigt, in den Gebieten der Bürgerrechte und Freiheiten liberal abzustimmen, um diese Freiheiten auszuweiten, während Republikaner regelmäßig dazu tendieren, sie einzuschränken917. Es gibt jedoch in letzter Kon­ sequenz keine Anzeichen dafür, dass die richterliche Entscheidungsrichtung durch denjenigen bestimmt oder gelenkt wird, der die Ernennung vornimmt918. So kommt es gelegentlich auch zu Änderungen in der ideologischen Entschei­ dungspraxis von Richtern919. Denn der Richter hat sich innerhalb sowie außer­ halb seines Amtes lediglich an den Maßstäben Integrität und Unabhängigkeit sowie Unparteilichkeit zu orientieren920. Dies mag auch der Grund dafür sein, dass sich die Mehrzahl aller Richter im Einzelfall nicht an den politisch-ideolo­ gischen Maßstäben der ernennenden Präsidenten bzw. Gouverneure orientiert, sondern lediglich – so scheint es – nach eigenen Überzeugungen handelt und so eine ganz eigene Rechtsprechungsdynamik entwickelt921. Als Indizienbeweis Richter verhältnismäßig konservativ waren; T. E. George/L. Epstein, The American Political Science Review 86 (1992), S.  323 (329 f.); C. R. Sunstein u. a., Are Judges Political? An Em­ pirical Analysis of the Federal Judiciary, 2006, S.  20 f., 129 ff.; L. Epstein/W. M. Landes/ R. A. Posner, The Behavior of Federal Judges. A Theoretical and Empirical Study of Rational Choice, 2013, S.  106 ff.; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  534; Baum, Supreme Court (Fn.  892), S.  124. – Zum Minderheitenschutz unter den verschiedenen Richterkonstellationen am U.S.-Supreme Court siehe Adamany, Supreme Court (Fn.  889), S.  15 ff. 917  C. N. Tate, The American Political Science Review 75 (1981), S.  355 ff. zeigt auf, dass die Ideology der sie berufenden Präsidenten auch einen großen Einfluss auf die Richter bei Entscheidungen bezüglich Bürgerrechtsfällen und Wirtschaftsangelegenheiten haben; ähn­ liche Befunde finden sich bei Carp/Rowland, Policymaking (Fn.  911), S.  50; Zätzsch, Unab­ hängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  106; S. Kernell u. a., The Logic of American Politics, 7.  Aufl. 2016, S.  392 ff. 918  Der Grund für systematisch unterschiedliche Entscheidungen liegt schlicht in der un­ terschiedlichen Art und Weise, wie das Recht von konservativ bzw. liberal gesinnten Rich­ tern gelesen und interpretiert wird. Siehe Sunstein u. a., Judges (Fn.  916), S.  129 ff.; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  534; Epstein/Landes/Posner, Behavior (Fn.  916), S.  213 be­ züglich der Entscheidungen an U.S. District Courts. – Zu den unterschiedlichen Faktoren, welche die Rechtsprechungsdirektion beeinflussen, siehe hier nur Carp/Rowland, Policy­ making (Fn.  911), S.  50 (Parteizugehörigkeit), 84 ff., 116 f. (geographische Faktoren), 143 f. (Besiedlungsdichte). 919  Die Gründe für einen solchen „ideological drift“ werden von Epstein/Landes/Posner, Behavior (Fn.  916), S.  116 ff. analysiert. 920  Vgl. Canon 1 und 2 des Model Code of Judicial Conduct; siehe dazu auch McKay/ Parkison, States (Fn.  885), S.  371 f. 921  So die Feststellung bei Carp/Rowland, Policymaking (Fn.  911), S.  25 ff.; Zätzsch, Un­ abhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  105 f., 118 ff.; R. D. Rotunda, Georgetown Journal of Legal Ethics 15 (2001), S.  127 ff.; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  34: „In practice, Presi­ dents have been unsuccessful because the Justices typically appear to be beholden to no one but history“; dezidiert zu den Einzelstaaten D. R. Pinello, The Impact of Judicial-Selection

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für eine nicht vorhandene Loyalität gegenüber dem Präsidenten soll hier das Urteil National Federation of Independent Business v. Sebelius922 angeführt werden. Es erfolgte insofern überraschend, als sich der vom damaligen Präsi­ denten George W. Bush ernannte und daher als konservativ einzustufende Chief Justice John Roberts der Meinung der vier Richter anschloss, die von demokra­ tischen Präsidenten ernannt worden waren. Das Urteil erhielt nicht nur das um­ strittene Projekt Obamacare aufrecht, sondern setzte gleichsam ein Zeichen gegen den soeben thematisierten und nach wie vor aktuellen Verdacht, der U.S. Supreme Court entscheide nicht allein auf Grundlage des geltenden (Verfas­ sungs-)Rechts, sondern vermehrt nach der politischen Agenda der von republi­ kanischen Präsidenten nominierten und ernannten Richter923. (c) Einfluss gerichtsverwaltender Organe Weiterhin können Maßnahmen der Gerichtsverwaltung einen Einfluss auf die richterliche Unabhängigkeit haben. Wenngleich entsprechend agierende Organe formal betrachtet der selbstverwalteten Justiz zuzuordnen sind, stellt sich ihre Einflussnahme als externer Faktor dar. Die hieraus resultierenden Reibungen sollen daher bereits an dieser Stelle thematisiert werden924. Dies gilt beispiels­ weise für die Aufgabenfelder der Judicial Conference of the United States925. Zwar ist eine direkte Einflussnahme auf die richterliche Entscheidungsfindung nicht ersichtlich, es ist jedoch zumindest denkbar, dass das administrative Sys­ tem – vor allem im Hinblick auf die Beaufsichtigung und Führung des Administrative Office of the U.S. Courts926 in Fragen der finanziellen Ausstattung der Gerichte – gewisse Spannungen zwischen Gerichtsverwaltung und richterlicher Unabhängigkeit birgt927. Die Judicial Conference of the United States ist zwar Method on State-Supreme-Court Policy, 1995, S.  33 ff.; zusammenfassend auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  623. – Etwas vage L. L. Jaffe, English and American Judges as Lawmakers, 1969, S.  60. 922  National Federation of Independent Business v. Sebelius, 567 U.S.  519 (2012). 923  C. Kölz, Balanceakt des Supreme Court, in: NZZ, 12.7.2012 (abrufbar unter https:// www.nzz.ch/ein-balanceakt-des-supreme-court-1.17337181, 19.3.2020); R. Klüver, Supreme Court billigt Gesundheitsreform. Konservativer Abweichler rettet Obamacare in: sueddeut­ sche.de, 28.6.2012 (abrufbar unter http://www.sueddeutsche.de/politik/supreme-court-billigt-­ gesundheitsreform-konservativer-abweichler-rettet-obamacare-1.1396521, 19.3.2020). 924  Siehe zu den folgenden Organen der Gerichtsverwaltung ausführlich unten in Kap.  4 B. II. 925  Siehe im Detail zu Judicial Conference of the United States als Organ der Gerichts­ verwaltung in den USA unten Kap.  4 B. II. 2. a) ee). 926  Hierzu zählen vor allem wesentliche Aufgaben wie die Vorbereitung des jährlichen Haushalts der Gerichte und die Verwaltung der Mittel, vgl. 28 U.S. Code §  604 (a)(8), 605. 927  Siehe Wheeler, Introduction (Fn.  618), S.  8 f.; ders., Independence (Einl., Fn.  75), S.  526.

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Zweiter Teil: Grundlagen

ein ausschließlich aus Richtern bestehender Richterrat, der allerdings nicht be­ reits deshalb der Judikative zuzuordnen ist, sondern aufgrund der weitreichen­ den administrativen Befugnisse über das Administrative Office of the U.S. Courts als quasi-exekutivisches Organ gelten kann928. Da der Chief Justice die Mitglieder des Komitees in der Judicial Conference ernennt, kommt auch ihm eine nicht unwesentliche verwaltende Rolle zu, durch die zumindest mittelbar eine Friktion mit der richterlichen Unabhängigkeit möglich erscheint929. Kritik erfährt in diesem Zusammenhang auch die Rolle der Judicial Councils of Circuit930, da sie dazu neigen, informell zu arbeiten und damit dazu tendieren, die Unabhängigkeit der Richter zu beeinträchtigen931. Andererseits muss konsta­ tiert werden, dass entsprechende Einflüsse notwendigerweise mit der großen Autonomie der amerikanischen Justiz einhergehen. (3) Judikative Die Einflussmöglichkeiten auf richterliche Entscheidungen im Binnenbereich der Judikative durch Vorgesetzte und andere Richter mögen zwar zunächst sub­ til wirken, sind aber schließlich nicht weniger schädlich für die richterliche Un­ abhängigkeit als Einwirkungen durch Akteure anderer Gewalten932. Hierbei muss selbstverständlich differenziert werden, da nicht jede interne Beeinflus­ sung auch die richterliche Unabhängigkeit verletzt – dies gilt vor allem für den Einfluss der Entscheidungen höherer Gerichte auf untergeordnete Gerichte933. Insbesondere muss berücksichtigt werden, dass in den Vereinigten Staaten die Richter an Präjudizen gebunden sind934. Die Einfallstore für subtilere Friktio­ nen sind vor dem Hintergrund gerichtsverwaltender Strukturen vielseitig935 – durch Einflussnahme vorgesetzter Richter oder anderer Verwaltungsangestell­

928  Ähnlich auch die Übersicht von Wheeler, Introduction (Fn.  618), S.  2 f., die insofern zahlreichen Gewaltenüberschneidungen andeutet. 929  Mit Kritik an den extensiven administrativen Befugnissen der Bundesrichter J. Resnik/ L. Dilg, University of Pennsylvania Law Review 154 (2006), S.  1575 ff.; Wheeler, Indepen­ dence (Einl., Fn.  75), S.  527. 930  28 U.S. Code §  332. 931 So J. N. Barr/T. E. Willging, University of Pennsylvania Law Review 142 (1993), S.  25 (131 ff., 173 ff.); Wheeler, Introduction (Fn.  618), S.  14. 932  C. J. Wallace, Brigham Young University Law Review 1978, S.  39 (43 f.); Burbank/ Friedman, Independence (Fn.  868), S.  30, 31 f.; T. E. George, Ohio State Law Journal 64 (2003), S.  1 (2). 933 Siehe Russell, Theory (Fn.  407), S.  11 f. 934  O. M. Fiss, Inter-American Law Review 25 (1993), S.  57 (58); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  64. 935 Allgemein J. C. Wallace, Brigham Young University Law Review 1978, S.  39 (51 ff.).

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung

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ter können sich beispielsweise Arbeitsverteilungspläne ändern936, wodurch sich eine Verletzung des Grundsatzes der Unabsetzbarkeit ergeben kann. Obwohl sich die Gerichtsverwaltung in den USA formal der Justiz zuordnen lässt, wäre es dennoch irrtümlich, auch die Maßnahmen der Gerichtsverwaltung der rich­ terlichen Unabhängigkeit zuzuordnen937. Teile der Richterschaft sehen sich überdies durch verwaltende Maßnahmen des Court Managements in ihrer Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit ein­ geschränkt938. Hintergrund der Konflikt-Gemengelage von richterlicher Unab­ hängigkeit und Court Management sind nicht nur die verfassungsrechtlichen Schranken, die der Einflussnahme auf die Richter im Rahmen ihrer Rechtspre­ chung gesetzt sind, sondern auch die grundlegend verschiedenen Zielsetzungen der beiden Personengruppen: Während die Richter in aller Regel selbst über die Durchführung gerichtsverwaltender Maßnahmen bestimmen möchten und sich daher zu ihrer Unterstützung als Court Administrator idealiter einen ausgebilde­ ten Juristen wünschen, ist die Überzeugung des professionellen Court Managements auf den Gedanken der administrativen und betriebswirtschaftlichen Spe­ zialisierung gerichtet. Ein Court Manager wird regelmäßig der Ansicht sein, dass die Richter sich ausschließlich der Rechtsprechung widmen sollten, wäh­ rend die verwaltenden Aufgaben am Gericht durch einen speziell ausgebildeten Verwaltungsfachmann übernommen werden939. Ganz generell ist daher ein vor­ sichtiges Agieren des Court Administrators in jeglichen Erscheinungsformen unablässig. Schließlich wird vor allem das Gefahrpotenzial inhaltlicher Beein­ flussungen durch gerichtsverwaltendes Personal von der Richterschaft eher sub­ jektiv als ein Eingreifen in die Rechtsprechungstätigkeit wahrgenommen940. Das administrative Personal der Gerichtsverwaltung untersteht formal dem Chief Judge. Dies dämmt ihr Gefährdungspotenzial zwar ein, ihr informelles Tätig­ werden stellt dennoch ein praktisches Problem an vielen Gerichten dar941. Zumeist bewegen sich die mit administrativen Aufgaben betrauten Law Clerks im Rahmen ihrer Befugnisse, wenn sie eine Opinion für ihren Richter schreiben und dabei darauf hinweisen, dass die von ihm gelieferten Gründe 936  Dies

bezieht sich auf die Versetzung in ein anderes Gerichtsdezernat sowie auf die Umsetzung in einen anderen Gerichtsbezirk oder – ganz banal – auf die Zuteilung eines neuen Büros, vgl. Rubin, Independence (Teil  1, Fn.  213), S.  89. 937  So der Vorstoß bei Tobin, Judicial Branch (Teil  1, Fn.  247), S.  146; gleichsinnig Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  80. 938  Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  3 f.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  130 ff.; Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  75. 939  Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  141. 940 Vgl. Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  75. 941  Mit dieser Tendenz auch Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  152 ff., der sich ein­ gehend mit der Natur der Position eines Court Administrators im Allgemeinen beschäftigt.

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Zweiter Teil: Grundlagen

unzureichend sind942. Die Entscheidungsfreiheit des Richters wird nicht behin­ dert, da die Opinion des Law Clerks keine Bindungswirkung entfaltet. Ein für deutsche Begriffe etwas befremdliches Aufsichtssystem hat sich seit den 1980er Jahren in den USA durch ein auf Bundes- und Staatenebene existie­ rendes Modell der Kontrolle richterlichen Verhaltens durch Kommissionen eta­ bliert943. Auf Bundesebene ermöglicht seit dem Judicial Councils Reform and Judicial Conduct and Disability Act eine Disziplinierung der Bundesrichter au­ ßer derer des U.S. Supreme Courts; diese Kommissionen setzen sich alleine aus Richtern zusammen944. Eine inhaltliche Kontrolle richterlicher Entscheidungen ist mit Blick auf die richterliche Unabhängigkeit allerdings nicht zulässig. Rechtsfehler können vielmehr allein durch die Einlegung von Rechtsmitteln be­ richtigt werden945. Da es für die Dienstaufsicht über Richter allerdings keine formellen Kriterien gibt, wohnt dieser Form der Kontrolle ein gewisses Risiko­ potenzial inne. In praktischer Hinsicht hat es indessen kaum zu Problemen oder Konflikten geführt946. Es zeigt sich hier ferner, dass auch eine selbstverwaltete Judikative nie völlig ohne Kontrollmechanismen auskommen kann. Wenngleich die Dienstaufsicht nicht ausschließlich der Exekutive zukommt wie in Deutsch­ land, sondern primär selbstverwaltet organisiert wird, bleibt sie doch – oder erst recht – ein Einfallstor für Konflikte mit der richterlichen Unabhängigkeit. Ins­ besondere werden richterliche Eingriffe in die Unabhängigkeit anderer Richter nicht als weniger intensiv empfunden als formal externe Übergriffe. 942  So auch die Einschätzung von A. Kozinski, What I Ate for Breakfast and Other Myste­ ries of Judicial Decision Making, in: O’Brien, Judges (Fn.  163), S.  115 (116); allgemein zu dem Vorgang der Entscheidungsfindung an amerikanischen Gerichten und dem Einfluss der Law Clerks siehe Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  31 ff., 154 ff. 943  E. J. Schoenbaum, Chicago-Kent Law Review 54 (1977), S.  1 (19 ff.); G. Bermant/R. R. Wheeler, Mercer Law Review 46 (1995), S.  835 (842 ff.); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  198 ff. – Siehe weiterhin allgemein zu Amtsenthebung und Disziplinarmaßnahmen McKay/Parkison, States (Fn.  885), S.  368 f. 944  28 U.S.C. Chapter 15 (§§  331 ff.), Chapter 16 (§§  351 ff.); Chandler v. Judicial Council of the Tenth Circuit, 398 U.S.  74 (1970); I. R. Kaufman, Columbia Law Review 80 (1980), S.  671 (697 ff.); Shaman/Lubet/Alfini, Conduct and Ethics (Fn.  855), S.  427 ff. (§§  13.01, 13.02); Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  44 f.; G. Di Federico, Judicial Accountability and Con­ duct. An Overview, in: Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  17), S.  87 (107); äußerst detail­ liert Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  548 ff. – In den Einzelstaaten sitzen zumeist neben Richtern auch Anwälte und Laien in den entsprechenden Kommissionen, vgl. Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  199. 945  G. Stern, Pace Law Review 7 (1987), S.  291 (305 ff.); zum Umfang richterlicher Kontrol­ le auch Shaman/Lubet/Alfini, Conduct and Ethics (Fn.  855), S.  17 ff. (§§  1.08, 1.09); J. Brand-­ Ballard, Limits of Legality. The Ethics of Lawless Judging, 2010, S.  62 ff. 946  So auch Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  201. – Mit Kritik an disziplinari­ schen Maßnahmen gegen Richter I. R. Kaufman, Yale Law Journal 88 (1979), S.  681 (690 ff.).

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung

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(4) Sonstige Einwirkungen Die richterliche Unabhängigkeit richtet sich darüber hinaus auch an die Öffent­ lichkeit und schützt den Richter vor unzulässigen privaten und gesellschaft­ lichen Einflüssen, wobei hier Grenzen gezogen werden müssen und sich nicht jede Art von Kritik als unzulässig erweist947. Der hohe Stellenwert von Presseund Meinungsfreiheit muss stets berücksichtigt werden und lässt Meinungsäu­ ßerungen und Medienvertretern einen großen Spielraum948. Regelmäßig kann die mediale Kritik an amerikanischen Richtersprüchen und an richterlichem Verhalten als recht harsch bezeichnet werden949. Empfehlungen für optimales richterliches Verhalten enthalten die ABA Standards of Judicial Conduct950. Es handelte sich bei diesem Model Code of Judicial Conduct zunächst um eine Leitlinie für ideales richterliches Verhalten, das von einer Inspirationsquelle im Jahre 1924 zu einem nunmehr vollstreckbaren Gesetzbuch geworden ist951. Um sich gegen Beeinträchtigungen durch die Öffentlichkeit zu wehren, kennt die amerikanische Rechtsordnung das Institut des Contempt of Court952. Es handelt sich um Regularien, mit denen sich das Gericht gegen Störungen des Verfah­ rensablaufs durch sachfremde Einflüsse wehren kann, indem beispielsweise Geld- oder Freiheitsstrafen erlassen werden953.

947 

W. H. Rehnquist, American University Law Review 66 (1997), S.  263 (273); allgemein Burbank/Friedman, Independence (Fn.  868), S.  33 ff.; Peretti, Independence (Fn.  851), S.  115 f. 948  Die Redefreiheit (Freedom of Speech) sowie die Pressefreiheit (Freedom of Press) sind im 1. Zusatzartikel kodifiziert und gehören zur Bill of Rights, siehe United States v. Stevens, 559 U.S.  460 (2010); A. R. Holder, The Meaning of the Constitution, 2.  Aufl. 1988, S.  56 ff.; J. P. Stevens, Yale Law Journal 102 (1993), S.  1296 ff.; siehe aus der deutschen Literatur zum Grundrecht der Meinungsfreiheit in den USA T. Fohrbeck, Wunsiedel: Billigung, Verherrli­ chung, Rechtfertigung, 2014, S.  230 ff. 949  So bereits McKay/Parkison, States (Fn.  885), S.  370. 950  Siehe im Detail McKay/Parkison, States (Fn.  885), S.  371 f.; Volcansek, Misconduct (Fn.  185), S.  101 ff. 951  Die jüngste Fassung stammt aus dem Jahre 2011, vgl. zu einer kurzen historischen Zusammenfassung J. M. Shaman, Judicial Ethics. Independence, Impartiality, and Integrity, 1996, S.  1 (8) (abrufbar unter https://publications.iadb.org/bitstream/handle/11319/2681/Judi cial%20Ethics:%20Independence,%20Impartiality,%20and%20Integrity.pdf?sequence=1, 19.3.­2020); siehe weiterhin T. Lundmark, Juristische Technik und Methodik des Common Law, 1998, S.  17 f.; A. J. Lievense/A. Cohn, The Justice System Journal 28 (2007), S.  271 ff.; Federico, Accountability (Fn.  944), S.  93; Schneider, Ethik (Einl., Fn.  5), S.  149 f. 952  Die relevanten Normen ergeben sich aus 18 U.S.C. §§  401–403 und Federal Rule of Criminal Procedure 42; siehe aus der Literatur Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  66; U. Widmaier, NJW 2004, S.  407 (408 f.); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  190; Hill­ gruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  93; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  109, §  16 Rn.  68. 953  Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  66.

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Zweiter Teil: Grundlagen

bb) Unabsetzbarkeit und Gehälterstabilität Die U.S.-Verf. räumt der Bundesjudikative ein Höchstmaß an persönlicher Un­ abhängigkeit vom politischen Geschehen ein954. Gewährleistet wird diese Unab­ hängigkeit in Art.  III §  1 der U.S.-Verf. durch eine grundsätzliche Unabsetzbar­ keit („office during good behaviour“) der Richter und dadurch, dass ihre Gehäl­ ter während ihrer Amtszeit nicht gekürzt werden dürfen („compensation, which shall not be diminished during their continuance in office“)955. Diese Verbür­ gungen sichern die unabhängige Rechtsprechung ab und verhindern parteiliche Gefälligkeitsurteile in Zeiten sich rasant verändernder politischer Machtkon­ stellationen956. Für die Bundesrichter bedeutet die Voraussetzung „during good behaviour“ (einwandfreie Amtsführung) tatsächlich eine zumeist lebenslange Amtszeit; sie behalten ihr Amt theoretisch ohne zeitliche Begrenzung, aller­ dings ist kaum ein Richter über sein 70. Lebensjahr hinaus aktiv957. Vorzeitige Entlassungen aus dem Amt ermöglicht bei Bundesrichtern nur ein erfolgreiches Impeachment-Verfahren958. Die „Good Behaviour“-Klausel darf dabei nicht zur Posse verkommen, sodass eine Ahndung richterlichen Fehlverhaltens stets maß­ voll zu erfolgen hat und sich an den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit und der 954 

Volcansek, Misconduct (Fn.  185), S.  9. Ganz vereinzelt ist der Terminus der „Personal Independence“ gebräuchlich – allerdings in einem anderen inhaltlichen Zusammenhang, vgl. J. C. Wallace, Brigham Young University Law Review 1978, S.  39, (55 ff.); G. Bermant/ R. R. Wheeler, Mercer Law Review 46 (1995), S.  835 (837 f.); J. A. Ferejohn/L. D. Kramer, N.Y.U. Law Review 77 (2002), S.  962 (965). – Siehe aus historischer Perspektive Geyh, Courts (Einl., Fn.  7), S.  29 ff. 955  United States v. Will, 449 U.S.  200, 218 ff. (1980); zu der Formulierung der Verfassung siehe eingehend bereits Hamilton, No.  79 (Fn.  892), S.  462 f.; hierzu weiterhin I. R. Kaufman, Yale Law Journal 88 (1979), S.  681 (690 f.); K. Heller, EuGRZ 1985, S.  685 (693); R. D. Rotunda/J. E. Nowak, Treatise on Constitutional Law: Substance and Procedure, Bd.  1, 2.  Aufl. 1992, S.  115 ff.; J. A. Ferejohn, Southern California Law Review 72 (1999), S.  353 (356 ff.); Gur-Arie/Wheeler, Independence (Fn.  852), S.  134; C. G. Geyh, Indiana Law Journal 78 (2003), S.  153 (159); Steinberger, Kritik (Einl., Fn.  18), S.  197 f. 956 Vgl. K. S. Rosenn, U.C.L.A. Law Review 24 (1976), S.  308 ff.; T. E. George, Ohio State Law Journal 64 (2003), S.  1 (1); aus historischer Perspektive anschaulich J. E. Pfander, Mi­ chigan Law Review 107 (2008), S.  1 ff.; Doig, Independence (Fn.  904), S.  414; Steinberger, Kritik (Einl., Fn.  18), S.  198; knapp Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  35 f. 957  Die Empfehlung der ABA Standards Relating to Court Organization in Punkt 1.24 geht von einem Pensionierungsalter von 70 aus; dazu C. B. Graham, The American Bar As­ sociation’s Standards Relating to Court Organization, in: Hays/ders., Court Administration (Teil  1, Fn.  252), S.  101 (107); Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  42, 43. Ab einem Lebens­ alter von 65 Jahren besteht darüber hinaus die Möglichkeit einer Arbeitszeitreduzierung gem. 28 U.S.C. §  371, vgl. Gur-Arie/Wheeler, Independence (Fn.  852), S.  134. 958  United States ex rel. Toth v. Quarles, 350 U.S.  11, 16 (1955); vgl. Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  44 ff.; Steinberger, Kritik (Einl., Fn.  18), S.  202; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  35.

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung

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Gewaltenteilung orientieren muss959. Nur vereinzelt finden sich auf Staatene­ bene vergleichbar lange Amtszeiten bei Richtern: In Rhode Island werden Rich­ ter beispielsweise auf Lebenszeit ernannt, auch in Massachusetts ist die Amts­ zeit grundsätzlich unbegrenzt (da sie beim 70. Lebensjahr liegt)960. Darüber ­hinaus gibt es einige Staaten, in denen regelmäßig dieselben Richter wieder­ gewählt werden961. Staatenrichter können ebenfalls durch ein erfolgreiches Impeachment ihres Amtes enthoben, zusätzlich jedoch auch im Rahmen eines Disziplinarverfahrens belangt werden962. Da allerdings die richterliche Unab­ hängigkeit stets nur während der Amtszeit zu garantieren ist, reduziert sich bei einer kurzen Amtsdauer nicht automatisch auch die richterliche Unabhängig­ keit963. Die größte Gefahr stellen vielmehr die Auswahlmethoden und insbeson­ dere die regelmäßig vorgesehenen Wiederwahlen dar964. Der größte Unterschied zwischen Bundes- und Staatenrichtern ergibt sich aus der Tatsache, dass Bundesrichter ernannt werden, während die meisten Richter in den Einzelstaaten gewählt sind965, und daraus, dass die Mehrzahl der einzel­ staatlichen Richter ihr Amt lediglich für eine begrenzte Amtsdauer inne ha­ ben966. Vor allem auf Staatenebene offenbaren sich die vielseitigen Vermischun­ gen der demokratischen Legitimation der Richter mit ihrer richterlichen Un­ abhängigkeit967. Es wird der Judicial Accountability ein erhöhter Grad an Wichtigkeit eingeräumt, der bisweilen (gewollt) zulasten der Gewährleistung der richterlichen Unabhängigkeit geht968. Darüber hinaus existiert eine mit der Garantie der Gehälterstabilität vergleichbare „Salary Protection“ nur vereinzelt auch in den Einzelstaaten969. Hierin liegt – neben den Richterwahlen – der größ­ te Gefahrenherd für Friktionen mit der richterlichen Unabhängigkeit in persön­ licher Hinsicht970. 959 Vgl.

Steinberger, Kritik (Einl., Fn.  18), S.  203. Siehe im Detail zu den Amtsperioden der einzelstaatlichen Richter die Tabelle 2 in Kap.  4 B. III 3. a) bb) (2) (b). 961 So die Einschätzung von Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  62; Rottman/ Strickland, Organization (Fn.  618), S.  7; im Detail Doig, Independence (Fn.  904), S.  424 f. 962  Die einzelstaatliche Vielfalt ist hier immens, siehe Volcansek, Misconduct (Fn.  185), S.  88, 104 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  61. 963  Ähnlich auch Rotunda/Nowak, Treatise (Fn.  955), S.  118. 964  Ähnlich auch Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  62, 175 ff. 965  Siehe zu den unterschiedlichen Wahlsystemen unten Kap.  4 B. III. 3. a) bb) (2) (a) (aa). 966  Rubin, Independence (Teil  1, Fn.  213), S.  86 ff. 967  Doig, Independence (Fn.  904), S.  414; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  529. 968  So auch die vorsichtige Einschätzung von Saari, Separation (Fn.  613), S.  151. 969  Palmore v. United States, 411 U.S.  389, 410 (1973); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  60 mit Fn.  50; Rubin, Independence (Teil  1, Fn.  213), S.  88. 970  Laut Rubin, Independence (Teil  1, Fn.  213), S.  88 stellt es sich faktisch allerdings so 960 

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Zweiter Teil: Grundlagen

Die Höhe der (bundes-) richterlichen Bezüge steht auch in den USA verein­ zelt in der Kritik, was mitunter darauf zurückzuführen ist, dass Anwälte in den großen Law Firms verhältnismäßig höhere Einkommen als Bundesrichter ha­ ben971. Es sei demnach erforderlich, die richterlichen Gehälter stets an Inflati­ onsraten anzupassen, um Einschränkungen der richterlichen Unabhängigkeit zu vermeiden; in der Verweigerung der kontinuierlichen Gehälteranpassung durch den Kongress wird vermehrt ein Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit ge­ sehen972. Zum Teil wird sogar in der potenziellen Möglichkeit ein Risiko gese­ hen, dass sich die Richter bei ihrer Entscheidung aufgrund ihrer zu niedrigen Bezüge davon leiten lassen könnten, wie sie in ihrer Entscheidung am attrak­ tivsten für potenzielle andere Arbeitgeber wirken973. Eine entsprechende Pflicht des Kongresses zur Gehälteranpassung besteht nicht ausdrücklich974. Es steht hingegen im Ermessen des Kongresses, die richterlichen Bezüge anzuheben oder dies nicht zu tun, solange sich die Vergütung nominell insgesamt nicht verringert975. Der Kongress hat außerdem die Befugnis, vorherige Bezügeanhe­ bungen wieder aufzuheben, wenn diese gesetzliche Aufhebung in Kraft tritt, bevor das fiskalische Jahr beginnt, in dem die Erhöhung eigentlich wirksam werden sollte976. 3. Vergleich von richterlicher Unabhängigkeit und Judicial Independence Im direkten normativen Vergleich zeigt sich zunächst, dass die richterliche Un­ abhängigkeit in Deutschland im Gegensatz zur Rechtslage in den USA aus­ dar, dass die Gefahren für die richterliche Unabhängigkeit insofern geringer als erwartet zu sein scheinen. 971 Vor allem die Chief Justices Burger und Rehnquist forderten – ebenso wie Chief ­Justice Roberts und weitere Chief Justices an den obersten Staatengerichten – regelmäßig eine Anhebung der richterlichen Bezüge. Siehe dazu R. D. Rotunda, The Professional Lawyer 12 (2000), S.  1 (1); Gur-Arie/Wheeler, Independence (Fn.  852), S.  134 f.; Wheeler, Indepen­ dence (Einl., Fn.  75), S.  543. 972 Vgl. Williams v. United States, 176 F.3d 491 (11th Cir. 1999); Gur-Arie/Wheeler, Inde­ pendence (Fn.  852), S.  135; S. S. Abrahamson, Michigan Bar Journal 84 (2005), S.  40 (42). 973  So bspw. Chief Justice John G. Roberts, 2006 Year-End Report on the Federal Judici­ ary, 2007, S.  6 (abrufbar unter https://www.supremecourt.gov/publicinfo/year-end/2006yearendreport.pdf, 19.3.2020): „If judicial appointment ceases to be the capstone of a distinguish­ ed career and instead becomes a stepping stone to a lucrative position in private practice, the Framers’ goal of a truly independent judiciary will be placed in serious jeopardy“. 974  So die Überzeugung der Rechtsprechung, siehe Atkins v. United States, 214 Ct.Cl. 186 (Fed. Cir. 1977), cert. den. 434 U.S.  1009 (1978); R. D. Rotunda, The Professional Lawyer 12 (2000), S.  1 ff.; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  35. 975  Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  42 f.; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  35. 976  United States v. Will, 449 U.S.  200, 224 ff. (1980).

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung

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drücklich im Grundgesetz verankert ist und an verschiedenen Stellen Erwäh­ nung findet. Art.  92, 97 und 98 GG garantieren die richterliche Unabhängigkeit dabei nicht nur für die deutschen Bundes-, sondern auch für Landesrichter977. In den USA fehlt eine direkte Anknüpfung der Judicial Independence in der U.S.Verf.; Art.  III der U.S.-Verf. schützt sie lediglich indirekt. Einige Verfassungen der Einzelstaaten enthalten hingegen direkte Bezüge zur richterlichen Unab­ hängigkeit978. Gemein ist der deutschen wie der U.S.-amerikanischen Verbür­ gung, dass ein an Gerechtigkeit, Unparteilichkeit und Objektivität orientierter Richterspruch gewährleistet werden soll979. Die in den Vereinigten Staaten gän­ gige Unterscheidung zwischen staatsorganisatorischer und subjektiv-rechtlicher Rechtfertigung richterlicher Unabhängigkeit980 liegt faktisch der in Deutsch­ land zum Teil vorgenommenen Trennung von organisatorischer und sachlicher Unabhängigkeit zugrunde981. Trotz terminologischer Unterschiede und unter­ schiedlicher dogmatischer Herleitung sind Ähnlichkeiten der richterlichen Un­ abhängigkeit unverkennbar: Beide Rechtsordnungen statuieren durch verfas­ sungsrechtliche Verankerung und eine Untermauerung in einfachgesetzlichen Vorschriften ein subjektives Recht auf einen unabhängigen und unparteilichen Richter982. In Deutschland steht man der Ausprägung der institutionellen Unab­ hängigkeit im Sinne einer organisatorischen Selbständigkeit der Richter zwar 977 Der Unterschied zu der Rechtslage in den USA liegt im Gerichtssystem, das in Deutschland im Gegensatz zu den USA integriert ausgestaltet ist, vgl. Seibert-Fohr, Indepen­ dence (Einl., Fn.  58), S.  448. 978  So bspw. Part 1, Art.  X XIX der Verf. von Massachusetts: „It is essential to the preser­ vation of the rights of every individual, his life, liberty, property, and character, that there be an impartial interpretation of the laws, and administration of justice. It is the right of every citizen to be tried by judges as free, impartial and independent as the lot of humanity will admit“. Siehe dazu im Überblick B. Aronstein Black, Law and History Review 3 (1985), S.  101 (112 ff.); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  54. 979  Für Deutschland siehe nur Bettermann, Unabhängigkeit (Teil  1, Fn.  137), S.  525; Voßkuhle, Rechtsschutz (Teil  1, Fn.  1), S.  101 ff.; für die USA siehe zunächst Canon 1 und 3 des Model Code of Judicial Conduct; I. R. Kaufman, Yale Law Journal 88 (1979), S.  681 (683 f.); allgemein dazu mit einer terminologischen Unterscheidung zwischen Unparteilichkeit, Un­ befangenheit, Unvoreingenommenheit und Neutralität Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  54 f. 980  Northern Pipeline Construction Co. v. Marathon Pipeline Co., 458 U.S.  50, 58 (1982); M. H. Redish, Federal Judicial Independence. Constitutional and Political Perspectives, in: Mercer Law Review 46 (1995), S.  697 (700 ff.). 981  Die Rückbindung der organisatorischen Unabhängigkeit der Judikative auf Art.  97 GG wird allerdings überwiegend abgelehnt. Vgl. Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  55 f. mit Fn.  20. 982  In Deutschland wird dies durch Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG abgesichert; in den USA ist das Recht auf einen unabhängigen und unparteilichen Richter in der Due Process Clause des 5. und des 14. Zusatzartikels zur U.S.-Verf. sowie der daraus entwickelten Fair Trial Doc­trine

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Zweiter Teil: Grundlagen

überwiegend ablehnend gegenüber983, allerdings ist unverkennbar, dass die staatsorganisatorische Trennung der Rechtsprechung von den anderen Gewal­ ten mit der richterlichen Unabhängigkeit in einem engen Verhältnis steht984. Gleichermaßen schützen die amerikanische wie die deutsche Rechtsordnung so die Judikative vor Übergriffen und unzulässiger Einflussnahme durch Legisla­ tive und Exekutive985. Die gesetzlich vorgegebene Höhe der Bezüge ist sowohl in den USA als auch in Deutschland vehementer Kritik durch die Richterschaft ausgesetzt. Von der Exekutive gehen in Deutschland insbesondere Gefahren für die Unabhängigkeit durch dienstaufsichtsrechtliche Maßnahmen aus; der Rechtsordnung in den Vereinigten Staaten ist die Dienstaufsicht über Richter aufgrund einer strikten Selbstverwaltung der Richter eher fremd986. Hier beste­ hen Gefährdungen der strikten Weisungsfreiheit vielmehr durch aktuelle Ent­ wicklungen des Court Managements und aufgrund der weitreichenden Kompe­ tenzen der Court Administrators im gerichtlichen Alltag. In beiden Rechtsordnungen findet sich als Kehrseite der richterlichen Unab­ hängigkeit die Erforderlichkeit einer demokratischen Rückbindung an das Volk. Ihre Ausprägung befindet sich in einem Kontinuum zwischen maximaler Unab­ hängigkeit und maximaler Rückbindung und ist in beiden Rechtsordnungen et­ was verschoben987. Durch die vermehrt leistungsbasierte Wahl der Richter durch den Missouri-Plan findet insofern eine Aufwertung der Judicial Independence in den Vereinigten Staaten statt988. Wesentliche Voraussetzung der Unab­ hängigkeit deutscher Richter ist die in Art.  97 Abs.  1 GG untermauerte alleinige Unterworfenheit unter das Gesetz. Eine solche strikte Gesetzesbindung wird in verankert, vgl. Brugger, Grundrechte (Fn.  161), S.  318 ff.; Steinberger, Kritik (Einl., Fn.  18), S.  220. 983  Siehe hierzu bereits Kap.  2 C. V. 1. c). 984  Über den Zusammenhang von richterlicher Unabhängigkeit mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung, findet Art.  97 GG Einbeziehung in die Ewigkeitsklausel des Art.  79 Abs.  3 GG, vgl. Kap.  2 C. II. 1 a). 985  Siehe für die USA abermals United States v. Will, 449 U.S.  200, 217 f. (1980): „A Judi­ ciary free from control by the Executive and Legislature is essential if there is a right to have claims decided by judges who are free from potential domination by other branches of gover­ nment“. 986 Siehe Volcansek, Misconduct (Fn.  185), S.  2. Beschrieben wird dies unter dem Termi­ nus der „Individual Autonomy“ von O. M. Fiss, Inter-American Law Review 25 (1993), S.  57 (58 f.). – Nichtsdestotrotz gibt es inzwischen einen Trend zur Einführungen von Kommissio­ nen, die in den USA mit Aufgaben der Dienstaufsicht betraut werden, vgl. E. J. Schoenbaum, Chicago-Kent Law Review 54 (1977), S.  1 (19 ff.). 987 Siehe allgemein Geyh, Courts (Einl., Fn.  7), S.  8 f.; N. Garoupa/T. Ginsburg, The American Journal of Comparative Law 57 (2009), S.  201 (215 ff.). 988 Vgl. N. Garoupa/T. Ginsburg, The American Journal of Comparative Law 57 (2009), S.  201 (202, 212 f.).

C. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung

237

den USA nicht proklamiert989, da zum einen das Common Law traditionell we­ niger Gesetze hervorbringt und zum anderen eine Bindungswirkung der Richter unterer Gerichte an die Entscheidung höherer Instanzen existiert990. Allgemein wird in der Präjudizenbindung allerdings keine Einschränkung gesehen; viel­ mehr erhöhen sich Selbständigkeit und Autorität amerikanischer Richter im Vergleich zu ihren kontinentaleuropäischen Kollegen aufgrund des Judge-Made Law991. Nach dem deutschen Verfassungsrecht stellt es hingegen eine Verlet­ zung der richterlichen Unabhängigkeit dar, wenn ein Richter seine – methodisch grundsätzlich haltbare – Rechtsauffassung nicht vertreten darf. Die in beiden Rechtsordnungen vorhandenen Bindungen an prozessuale Vorschriften der Ver­ fahrensordnungen behindern die richterliche Unabhängigkeit hingegen nicht992. Unabhängigkeit gegenüber anderen Richtern wird sowohl in Deutschland als auch in den USA gewährleistet993. Es existieren weiterhin in beiden Rechtsord­ nungen zumindest grundsätzlich Mechanismen zum Schutz der Unabhängig­ keit durch eine unzulässige private und gesellschaftliche Einflussnahme994. In Deutschland sind die Abwehrmöglichkeiten gegen Beeinflussungen von außen allerdings – alleine schon aufgrund der grundsätzlich weitreichenden Bedeu­ tung von Art.  5 Abs.  1 und Art.  8 Abs.  1 GG995 – ungleich geringer als in den USA996, da dort durch das Institut des Contempt of Court recht weitreichende 989 Siehe allerdings zur Bedeutung des Rule of Law in diesem Zusammenhang Geyh, Courts (Teil  1, Fn.  7), S.  8. 990  Die amerikanischen Gerichte sind allgemein an Präjudizien höherrangiger Gerichte nach dem Grundsatz der Stare Decisis gebunden, vgl. Blumenwitz, Einführung (Teil  1, Fn.  201), S.  24 ff.; Farnsworth, Introduction (Fn.  140), S.  58 f. Zur Präjudizienwirkung im deutschen Recht siehe Kissel, Rechtsprechung (Fn.  360), S.  384 ff. (zur Stetigkeit der Recht­ sprechung). 991  Siehe hier nur Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  11. 992  Vgl. BVerfGE 12, 67 (71). 993 Dies muss insbesondere gegenüber dem vorsitzenden Richter in einem Kollegial­ gericht, aber auch allgemein gegenüber den übrigen Richtern in Bezug auf Eingriffe in die Entscheidungstätigkeit gelten. Vgl. für das amerikanische Recht etwas polemisch J. C. Wallace, Brigham Young University Law Review 1978, S.  39 (43 f.); für das deutsche Recht ­Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  107. 994  In den Vereinigten Staaten ist es hingegen einhellige Auffassung, dass die richterliche Entscheidung frei vom Druck durch die Allgemeinheit sein muss, vgl. Commodity Futures Trading Commission v. Schor, 478 U.S.  833, 867 (1986) (Brennan, Dissenting). 995 Zu den Grenzen der Meinungsfreiheit in Deutschland siehe Fohrbeck, Wunsiedel (Fn.  948), S.  24 ff., 256 ff. Der Schutz der Meinungsfreiheit erstreckt sich im Übrigens insbe­ sondere (und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bevorzugt) auf politi­ sche Äußerungen, vgl. BVerfGE 7, 198 (208). 996  Mit Kritik W. Dütz, JuS 1985, S.  745 (749). Siehe für einen kurzen Überblick sitzungs­ polizeilicher Maßnahmen, der deutlich macht, dass sich diese Abwehrmöglichkeiten ledig­ lich auf den Gerichtssaal beziehen L. Schmidt/T. Walter, NStZ 2016, S.  505 ff. – Fohrbeck,

238

Zweiter Teil: Grundlagen

Abwehrinstrumentarien für den Richter vorhanden sind997. Zur Urteilsschelte gelten in beiden Rechtsordnungen recht ähnliche Grundsätze998. In persönlicher Hinsicht besteht in Deutschland nach Art.  97 Abs.  2 GG ein mit Art.  III §  1 der U.S.-Verf. nahezu gleichlautendes Verbot von Amtsenthe­ bung und Versetzung. Die deutschen Richter wie die amerikanischen Bundes­ richter sind (grundsätzlich) dem Gesetz bzw. dem Recht unterworfen. In vielen Einzelstaaten der USA gibt es jedoch Richterauswahlmodelle, die kurze Amts­ zeiten und Bestätigungswahlen vorsehen. Vor allem die Retention Elections sind insofern eine erhebliche Bedrohung für die richterliche Unabhängigkeit999. Obwohl sich in Deutschland die Garantie der persönlichen Unabhängigkeit im Sinne des Art.  97 Abs.  2 GG nicht auf die lebenslange Amtsdauer beschränkt und auch hier grundsätzlich Möglichkeiten der vorzeitigen Entlassung existie­ ren1000, ist ein System der Wiederwahl und eine so konstruierte Abhängigkeit von parteilichen Geldgebern undenkbar1001. Im Hinblick auf die starke Politisie­ rung der Wahl hoher Bundesrichter, die der Präsident in den USA ernennt, drängt sich zumindest der Vergleich mit der Auswahl der Richter zum Bundes­ verfassungsgericht auf1002. Auch der Ernennungsakt der Bundesverfassungs­ richter ist stark politisiert1003, und die höchstrichterliche Rechtsprechung nimmt teils lenkungsähnliche Züge an1004. Die Idee vom Schutz einer inneren Unabhängigkeit von Richtern erfährt in Deutschland eine erhebliche Ablehnung; in den Vereinigten Staaten wird eine solche „Selbstkontrolle“ in der rechtswissenschaftlichen Diskussion nicht be­ Wunsiedel (Fn.  948), S.  250 ff. stellt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Schutzes der Meinungsfreiheit in Deutschland und den USA anschaulich dar. 997 Rechtsvergleichend hierzu Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  190; Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  93; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  109. 998  Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  6 4. 999  Siehe im Detail zu den einzelstaatlichen Richterauswahlverfahren mit Bestätigungs­ wahl Kap.  4 B. III. 3. a) bb) (2) (a) (aa) β). 1000  In beiden Rechtsordnung existiert dem Grunde nach ein Verfahren zur Amtsenthe­ bung. Dabei handelt es sich im amerikanischen recht um das sog. Impeachment-Verfahren, das für Bundesrichter gilt, aber auch in vielen Einzelstaaten verbreitet ist. In Deutschland sieht §  30 Abs.  1 DRiG bspw. die hiermit verwandte, wenn auch noch nicht praktisch gewor­ dene Richteranklage gem. Art.  98 Abs.  2 bzw. 5 GG vor. Dazu Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  60 f.; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  547 f. 1001 Gleichsinnig Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  132 ff.; Tschentscher, Legiti­ mation (Teil  1, Fn.  1), S.  244. 1002 Vgl. Volcansek, Misconduct (Fn.  185), S.  9. 1003  Siehe zu den Bestellungsakten instruktiv Kau, Supreme Court (Einl., Fn.  18), S.  205 ff., 216 ff. 1004  Siehe jüngst mit beharrlicher Kritik an der Rechtsprechung des BVerfG in einigen Fällen R. Lamprecht, NJW 2017, S.  3495 ff.

D. Andere Internationale Vorgaben

239

handelt1005. Es besteht allerdings im Hinblick auf den richterlichen Verhaltens­ maßstab eine Ähnlichkeit zwischen §  39 DRiG und Canon 2 des Model Code for Judicial Conduct1006. Es bleibt abschließend festzustellen, dass trotz unterschiedlicher gerichtsver­ waltender Strukturen gewisse Interdependenzen der Gewalten sowie Friktionen mit der richterlichen Unabhängigkeit in beiden Rechtsordnungen vorhanden sind1007. Wenngleich sich die Gerichte in den Vereinigten Staaten im Wesentli­ chen selbst verwalten, wird die Übermacht der Court Manager – vergleichbar mit der Exekutive – als bedrohliche Beeinflussung der richterlichen Unabhän­ gigkeit angesehen. Ähnliches gilt beispielsweise für die Budgethoheit und ande­ re Kompetenzen der Legislative, sodass sich die Selbstverwaltung der U.S.-Ge­ richte trotz eines ersten anderweitigen Anscheins gewissen Abhängigkeiten ausgesetzt sieht1008, die allerdings das System der Checks and Balances einfor­ dert. Dass in der U.S.-amerikanischen Rechtsordnung Beeinträchtigungen für die richterliche Unabhängigkeit indessen von justizinternen Maßnahmen ausge­ hen, ändert nichts an der Tatsache, dass entsprechende Reibungen den exekuti­ ven Eingriffsmöglichkeiten im System der deutschen Gerichtsverwaltung stark ähneln.

D. Andere Internationale Vorgaben Neben den eigenen verfassungsrechtlichen Verankerungen und den verfas­ sungsrechtlichen Bezügen zur Gerichtsverwaltung in den Rechtsordnungen von Deutschland und den USA existieren zum Teil auch internationale Vorgaben zur Gerichtsverwaltung, die allerdings für die vorliegende Arbeit von eher mäßigem Gewicht sind. Der Vollständigkeit halber sei dennoch kurz auf die Vorgaben aus dem Völker- (I.) sowie des Unionsrechts (II.) eingegangen1009. 1005  Mit einer etwas gekünstelten Herleitung der inneren Unabhängigkeit amerikanischer Bundesrichter siehe Steinberger, Kritik (Einl., Fn.  18), S.  204 ff. 1006  Zur Vergleichbarkeit von §  39 DRiG und Canon 2 des Model Code of Judicial Conduct siehe Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  67 f. 1007 Vgl. Youngstown Sheet & Tube Co. v. Sawyer, 343 U.S.  579, 635 (1952) (Jackson, J., concurring): „While the Constitution diffuses power the better to secure liberty, it also con­ templates that practice will integrate the dispersed powers into a workable government. It enjoins upon its branches separateness but interdependence, autonomy but reciprocity“. 1008  Siehe bspw. J. A. Ferejohn, Southern California Law Review 72 (1999), S.  353 (359 f.). 1009  Siehe für einen ersten und differenzierten Überblick Kiener, Unabhängigkeit (Fn.  716), S.  35, 40 f.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  28 ff.; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  9 ff. – Siehe mit allgemeinen internationalen Vorgaben (u. a.) für die richterliche Unabhängigkeit International Commission of Jurists (Hrsg.), International Prin­

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Zweiter Teil: Grundlagen

I. Vorgaben des Völkerrechts Das Völkerrecht ist zwar sowohl für die deutsche als auch für die amerikanische Rechtsordnung zumindest theoretisch belastbar, allerdings enthalten die rele­ vanten Vorschriften zum gerichtlichen Zugang kaum konkrete Vorgaben für die Gerichtsverwaltung, sondern meist allgemeine Justizgrundrechte, die unabhän­ gige und unparteiliche Gerichte verlangen1010. Hierzu zählt zum einen Art.  10 AEMR, der kodifiziert, dass „jeder Mensch […] in voller Gleichberechtigung Anspruch auf ein der Billigkeit entsprechendes und öffentliches Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht“ hat. Die Allgemeine Erklä­ rung der Menschenrechte wurde als Reaktion auf die Gräueltaten des 2. Welt­ krieges verfasst und legte gleichzeitig den Grundstein für den internationalen Menschenrechtsschutz1011. Es fehlt ihr allerdings an Rechtsverbindlichkeit und einer durchsetzbaren Bindungswirkung; allein deshalb ist Art.  10 AEMR hier nur geringfügig von Bedeutung1012. Konkretere Vorgaben machen hingegen die OHCHR Basic Principles on the Independence of the Judiciary, die im Zusammenhang mit gerichtsverwaltender Tätigkeit unter anderem explizite Vorgaben zu Disziplinarmaßnahmen enthal­ ten1013. Art.  14 Abs.  1 S.  2 IPbpR normiert einen Anspruch auf „ein zuständiges, unabhängiges, unparteiisches und auf Gesetz beruhendes Gericht“, das „in bil­ liger Weise und öffentlich verhandelt“. Ein entsprechendes Durchsetzungsorgan fehlt wiederum, sodass belastbare Vorgaben für die Gerichtsverwaltung bisher nicht geschlussfolgert worden sind1014. Auch Art.  8 AMRK statuiert das Recht auf ein faires Verfahren; die Amerikanische Menschenrechtskonvention ist von ciples on the Independence and Accountability of Judges, Lawyers and Prosecutors – Practi­ tioners Guide No.  1, 2.  Aufl. 2007, S.  17 ff., 55 ff. 1010  Zu den internationalen Bezügen der rechtsprechenden Gewalt sowie der Gerichtsver­ waltung im Überblick siehe Rädler, Independence (Fn.  686), S.  727 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  208 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  28 ff.; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  9 ff.; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  28 ff. 1011  Zur Vorbildfunktion der AEMR für die EMRK R. Lippold, NJW 1991, S.  2383 (2389); allgemein zur AEMR (bzw. Universal Declaration of Human Rights) L. Henkin u. a., Inter­ national Law. Cases and Materials, 3.  Aufl. 1993, S.  601 ff.; H. Dreier, in: ders., GG-Kom­ mentar, Bd.  I, 3.  Aufl. 2013, Vorb. Rn.  25. 1012  Ihr ist allerdings für die Mitgliedstaaten der UNO zumindest eine gewisse Maßstabs­ funktion zuzugestehen, vgl. R. Lippold, NJW 1991, S.  2383 (2389); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  209; V. Epping, Das Individuum als Völkerrechtssubjekt, in: K. Ipsen/ E. Menzel (Hrsg.), Völkerrecht, 6.  Aufl. 2014, §  7 Rn.  11; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  29. 1013  Siehe Art.  17–20 der Basic Principles on the Independence of the Judiciary des OHCHR. 1014  Kiener, Unabhängigkeit (Fn.  716), S.  40 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  209 f.; D. Ehlers, Allgemeine Lehren der EMRK, in: ders. (Hrsg.), Europäische Grund­ rechte und Grundfreiheiten, 3.  Aufl. 2009, §  2 Rn.  5; Dreier (Fn.  1011), Vorb. Rn.  26.

D. Andere Internationale Vorgaben

241

den USA zwar unterzeichnet, allerdings nicht ratifiziert worden1015. Die Geltung der AMRK ist überdies nur begrenzt1016. Darüber hinaus enthält sie keine kon­ kreten Aussagen über die Gerichtsverwaltung ihrer Mitgliedstaaten. Auch Art.  6 Abs.  1 S.  1 EMRK statuiert ein Recht auf ein faires Verfahren. Es handelt sich gleichzeitig um einen Handlungsauftrag an die Konventionsstaaten – zu denen die USA selbstverständlich nicht gehören –, eine unabhängige und unpar­ teiische Justiz einzurichten1017. In gerichtsorganisatorischer Hinsicht sind die Vorgaben insofern allerdings spärlich1018. Viele Einzelheiten sind hier zwar noch ungeklärt, allerdings folgt aus Art.  6 EMRK zumindest keine Pflicht zur richterlichen Selbstverwaltung1019. Auch eine Richterbestellung durch die Exe­ kutive ist nicht per se als Unabhängigkeitsgefährdung einzustufen, sofern die Rechtsprechung an sich weisungsfrei erfolgt1020. Im Dunstkreis des Europarates verdienen darüber hinaus Internationale Rechtsdokumente zur Organisation der Rechtsprechung Aufmerksamkeit1021. Den relevanten Dokumenten fehlt allerdings durchweg die völkerrechtliche Verbindlichkeit. Sie sind von Bedeutung, da sie zum Teil als Grundlage für die Bestrebungen nach mehr justizieller Selbstverwaltung in Deutschland herange­ zogen werden1022. Gemein ist sowohl den älteren1023 als auch den neueren Doku­ 1015 Vgl. K. Ipsen, Universalschutz in multilateralen Verträgen mit regionalem Geltungs­ bereich, in: ders./Menzel, Völkerrecht (Fn.  1012), §  37 Rn.  16 ff.; M. Herdegen, Völkerrecht, 16.  Aufl. 2017, §  49 Rn.  8 f. 1016  Deutlich wird dies vor allem an der Aufkündigung des Vertrages durch Peru (1999) und Venezuela (2012), vgl. Herdegen, Völkerrecht (Fn.  1015), §  49 Rn.  8. 1017  Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Verfahrenserledigung innerhalb einer ange­ messenen Frist. So EGMR NJW 2002, S.  2856 f. – Metzger ./. Deutschland; C. Grabenwarter, Justiz- und Verfahrensgrundrechte, in: Ehlers, Grundfreiheiten (Fn.  1014), §  6 Rn.  40; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  30; J. Meyer-Ladewig/S. Harrendorf/S. König, in: J. Meyer-Ladewig/M. Nettesheim/S. v. Raumer (Hrsg.), EMRK-Kommentar, 4.  Aufl. 2017, Art.  6 Rn.  2, 33. – Die EMRK hat in Deutschland den Rang eines einfachen Gesetzes inne, vgl. BVerfGE 82, 106 (120); R. Lippold, NJW 1991, S.  2383 (2386); Ehlers, EMRK (Fn.  1014), Rn.  12; allgemein zur EMRK Ipsen, Universalschutz (Fn.  1015), Rn.  3 ff. 1018  So auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  210. 1019  H. Küpper, JOR 44 (2003), S.  11 (18); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  210; ­Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  31. 1020  EGMR EuGRZ 1985, S.  534 ff. – Campbell & Fell ./. Großbritannien; Rädler, Inde­ pendence (Fn.  686), S.  740; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  210 f.; C. Grabenwarter/ K. Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 6.  Aufl. 2016, §  24 Rn.  35. 1021  Ausführliche Zusammenstellung bei Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  212 ff. 1022  H. Weber-Grellet, DRiZ 2012, S.  2 (5 f.); Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  32 ff. – Siehe zur Frage der Existenz von Völkergewohnheitsrecht in diesem Zusammen­ hang Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  225. 1023  Allen voran stehen dabei die IBA Minimum Standards of Judicial Independence von 1982 (veröffentlicht in Shetreet/Deschênes, Independence [Teil  1, Fn.  257], S.  388 ff.), die für

242

Zweiter Teil: Grundlagen

menten die Forderung der Einführung eines Selbstverwaltungsorgans für die Richterschaft1024. Diese Gremien sollen die richterliche Unabhängigkeit voll­ umfänglich gewährleisten1025, erwecken jedoch den Anschein eines verlänger­ ten Armes europäisch organisierter Richter, die wie die deutschen Richterverei­ nigungen (auch) im eigenen Interesse eine selbstverwaltete Justiz proklamieren. II. Vorgaben des Unionsrechts Auf unionsrechtlicher Ebene enthalten Art.  41 Abs.  1, 2, Art.  47 Abs.  1, 2 S.  1 GRCh sowie (bezüglich einer gänzlich weisungsunabhängigen Staatsanwalt­ schaft) Art.  86 AEUV verbindliche Vorgaben für die EU-Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Gerichtsverwaltung1026. Art.  41 Abs.  1, 2 GRCh enthält das unspezifische Recht auf eine „gute Verwaltung“, das sich allerdings unmit­ telbar nur gegen Unionsorgane richtet und ansonsten derartig konturlos ist, dass weitere Vorgaben für die („gute“) Gerichtsverwaltung der Mitgliedstaaten der EU hier nur schwerlich extrahiert werden können1027. Ähnlich wie Art.  6 EMRK enthält Art.  47 Abs.  1, 2 S.  1 GRCh einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz durch ein unabhängiges Gericht, wobei jegliche Konkretisierung des Krite­ sich eine gewisse Vorbildfunktion für nachfolgende Dokumente zum Rechtsstatus der Rich­ ter beanspruchen können, vgl. Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  212 f.; D. K. Haese, The International Bar Association Project on Minimum Standards of Judicial Independence, in: Shetreet/Deschênes, a. a. O., S.  382 ff.; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  35 ff.; auf die Minimum Standards im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit ameri­ kanischer Richter nimmt auch Bezug Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  60 Fn.  48, 62 Fn.  74. 1024  Während die älteren Texten auf die institutionelle Unabhängigkeit und ein allein durch Richter besetztes Selbstverwaltungsorgan rekurrieren, ist den neueren Texten in ähn­ licher Konzeption gemein, dass zur Wahrung kollektiver und individueller Unabhängigkeit ein Justizverwaltungsrat (Stellungnahme Nr.  10 des Consultative Councils of European Jud­ ges von 2007 und Magna Carta des Consultative Council of European Judges von 2010) bzw. ein Justizrat (Resolution Nr.  1685 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates von 2009) als Selbstverwaltungsorgan etabliert wird. Mitunter wird ein solcher Justizverwal­ tungsrat sogar als Garant richterlicher Unabhängigkeit gewertet (Empfehlung [2010] 12 des Ministerrates des Europarates, Rz.  26). – Siehe im Detail Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  34 ff. 1025 Vgl. H. Weber-Grellet, DRiZ 2012, S.  2 (5 f.). 1026  Siehe im Überblick Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  38 ff.; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  51 ff. 1027  Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass sich Art.  41 GRCh lediglich an die Organe, Einrichtungen sowie die sonstigen Stellen der EU und nicht an die Mitgliedstaaten selbst richtet, so auch C. D. Classen, Gute Verwaltung im Recht der Europäischen Union, 2008, S.  99 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  38 f.; H. D. Jarass, GRCh-Kom­ mentar, 3.  Aufl. 2016, Art.  41 Rn.  3 f.

E. Geographische Eingrenzung der Rechtsordnung

243

riums der Unabhängigkeit über Art.  97 GG hinausgehend fehlt1028. Geltung für die Rechtsordnung der Vereinigten Staaten von Amerika beansprucht das Uni­ onsrecht selbstredend nicht.

E. Geographische Eingrenzung der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten von Amerika Aus staatsrechtlicher Perspektive gliedern sich die Vereinigten Staaten von Amerika in den Bund und seine fünfzig Gliedstaaten, die wiederum ihre eige­ nen Regierungen haben1029. Zu den USA gehören geographisch betrachtet neben den originären 50 Bundesstaaten auch der District of Columbia (Bundesdistrikt mit der Hauptstadt Washington D.C.; untersteht der Bundesregierung)1030 sowie die einzelstaatlichen Territorien, die nicht Bundestaaten sind, wie Puerto Rico sowie die Virgin Islands (Amerikanische Jungferninseln) als ebenfalls abhängi­ ges überseeisches Territorium, Guam, das als abhängiges Gebiet zu qualifizie­ ren ist, und die Northern Mariana Islands (Nördliche Marianen, vollständig Commonwealth der Nördlichen Marianen)1031. Es handelt sich bei Puerto Rico, den Jungferninseln, Guam und den Nördlichen Marianen um sogenannte Au­ ßenbezirke der USA (Insular Areas of the United States). Offiziell unterstehen diese und einige weitere Gebiete im pazifischen und karibischen Raum, die nicht Gegenstand dieser Arbeit sein sollen1032 , als Außengebiete der Hoheits­ gewalt der Vereinigten Staaten von Amerika und fallen damit unter das Rechts­ 1028  Primär verlangt Art.  47 Abs.  2 S.  1 GRCh, dass Gerichte nicht an Weisungen staatli­ cher oder sonstiger europäischer Stellen gebunden sind, vgl. W. Frenz, Handbuch Europa­ recht, Bd.  4: Europäische Grundrechte, 2009, Rn.  5017 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  40. H.-J. Blanke, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 5.  Aufl. 2016, Art.  47 GrCh Rn.  11. 1029 Zu vertikalen Gewaltenteilung siehe Gellner/Kleiber, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  36. 1030  W. Welz, Bundesstaatliche Struktur, in: Jäger/Haas/ders., Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  69 (78). 1031  Executive Order 13423 §  9 (l): „The ‚United States‘ when used in a geographical sen­ se, means the fifty states, the District of Columbia, the Commonwealth of Puerto Rico, Guam, American Samoa, the U.S. Virgin Islands, and the Northern Mariana Islands, and associated territorial waters and airspace.“ Siehe hierzu knapp, aber präzise Hay, Recht (Teil  1, Fn.  204), Rn.  41, 62. – Aufschluss gibt auch das GAO, U.S. Insular Areas. Application of the U.S. Constitution, 1997 (abrufbar unter http://www.gao.gov/archive/1998/og98005. pdf, 19.3.2020). 1032  Neben den genannten Territorien sind dies Amerikanisch-Samoa, Bakerinsel, How­ landinsel, Jarvisinsel, Johnston-Atoll, Kingmanriff, Midwayinseln, Palmyra-Atoll und Wake-­ Atoll (Pazifik).

244

Zweiter Teil: Grundlagen

system bundesgerichtlicher Zuständigkeit1033. Den besonderen Territorien ver­ bleiben dennoch überwiegende Selbstverwaltungsrechte1034. Mithin beschrän­ ken sich die anschließenden Ausführungen auf das territoriale Gebiet der USA, die 50 Bundesstaaten sowie den District of Columbia.

1033 

Hay, Recht (Teil  1, Fn.  204), Rn.  41, 62. Siehe im Detail P. Hay, Einführung in das amerikanische Recht, 4.  Aufl. 1995, S.  31 mit Fn.  57; ders., US-Amerikanisches Recht, 6.  Aufl. 2015, Rn.  62. 1034 

Dritter Teil

Gerichtsaufbau Objekt der Gerichtsverwaltung sind die Gerichte, deren struktureller Aufbau sich in der deutschen (A.) und in der U.S.-amerikanischen (B.) Rechtsordnung trotz oberflächlicher Gemeinsamkeiten in Detailfragen teils erheblich unter­ scheidet. Die Komplexität des dualen U.S.-amerikanischen Gerichtssystems hält insbesondere für die Gerichtsverwaltung Herausforderungen bereit, die möglicherweise die Notwendigkeit eines professionellen Court Managements erklären.

A. Überblick über den Aufbau der deutschen Gerichtsbarkeit Die rechtsprechende Gewalt in Deutschland ist laut Art.  92 GG den Richtern anvertraut, die ihre Befugnis zur Rechtsprechung durch Gerichte ausüben1. Ge­ richte handeln entweder als Rechtsprechungsorgane, die lediglich aus Richtern zusammengesetzt sein dürfen, oder aber als Exekutivorgane, mithin als Behör­ den, die allerdings in dieser Funktion kein Recht sprechen, sondern vielmehr Gerichtsverwaltungsangelegenheiten übernehmen 2. Die organisatorische Selb­ ständigkeit der Justiz ist stets zu wahren3. Man mag darüber streiten, ob sie sich bereits aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz (Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG) ableiten4 oder sich diese Forderung der Selbständigkeit vielmehr unter Berufung auf die 1  Vgl. den nahezu gleichlautenden §  1 GVG. So auch zum personalen Charakter der recht­ sprechenden Gewalt Stern, Staatsrecht II (Teil  1, Fn.  11), S.  309; D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  20; H. Sodan, ebda. §  113 Rn.  12; Classen (Teil  1, Fn.  10), Art.  92 Rn.  33. 2 So Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  58; siehe weiterhin Stern, Staatsrecht II (Teil  1, Fn.  11), S.  900 ff.; Wassermann (Teil  2, Fn.  336), Art.  92 Rn.  48a („Gericht als Behör­ de [administrative Einheit]“); Detterbeck (Teil  1, Fn.  27), Art.  92 Rn.  24; Jarass/Pieroth (Teil  1, Fn.  5), Art.  92 Rn.  10. 3  Obgleich sich darüber im Grundgesetz keine ausdrückliche Aussage findet, ist dieses Gebot dennoch verfassungsrechtlich verankert. Siehe BVerfGE 18, 241 (254); 103, 111 (137); D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  11 f.; Classen (Teil  1, Fn.  10), Art.  92 Rn.  34. 4  Gewisse Querverbindungen zwischen den Gewalten schließt Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG al­ lerdings nicht aus (sog. Gewaltenverschränkung). Siehe hierzu Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  199 ff.; D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  15 ff. Einen guten Überblick über die grund­

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

Art.  92, 97 GG verifizieren lässt5. Es herrscht gleichwohl Einigkeit darüber, dass eine wie auch immer geartete personelle Verbindung von Legislative oder Exekutive mit der Justiz im Bereich originärer Rechtsprechungstätigkeit verfas­ sungswidrig ist6. Die Gerichtsorganisation ist auf verschiedene Gerichtszweige aufgeteilt (I.) und ist strukturell anhand föderalistischer Grundsätze aufgebaut (II.). I. Verschiedene Gerichtszweige Die deutsche Gerichtsorganisation ist in Art.  95 GG geregelt. Sie umfasst neben der Verfassungsgerichtsbarkeit fünf verschiedene Gerichtszweige7. Art.  95 Abs.  1 GG konstituiert mithin die Existenz mehrerer Teilgerichtsbarkeiten: Die ordentliche Gerichtsbarkeit, die Verwaltungsgerichtsbarkeit, die Finanzgerichts­ barkeit, die Sozialgerichtsbarkeit und die Arbeitsgerichtsbarkeit8. Die horizon­ tale Verteilung der Zuständigkeit ergibt sich aus den einfach-gesetzlichen Vor­ schriften zur Gerichtsorganisation sowie zum gerichtlichen Verfahren. In ver­ tikaler Hinsicht steht an der Spitze dieser Teilgerichtsbarkeiten (zumindest grundsätzlich) der jeweils zuständige Gerichtshof des Bundes nach Art.  95 Abs.  1 GG als die höchste Rechtsmittelinstanz9. II. Struktureller Aufbau der deutschen Justiz Art.  92, 2. Hs. GG nimmt eine Verteilung der Organisationsgewalt im Hinblick auf die Gerichte zwischen dem Bund und den Ländern vor10. Ausgangspunkt für die strukturelle Darstellung des Aufbaus der Justiz ist Art.  30 GG, der be­ stimmt, dass die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben Sache der Länder ist, soweit nicht das Grundgesetz an sätzliche Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung verschafft Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  42 f. 5  Hillgruber (Teil  1, Fn.  5), Art.  92 Rn.  68; D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  23. 6  Letztlich müssen daher also Gerichte und Verwaltungen organisatorisch selbständig sein, vgl. Classen (Teil  1, Fn.  10), Art.  92 Rn.  34. 7  Vgl. im ersten Zugriff: H. Weber-Grellet, ZRP 2013, S.  110 (110). 8  Einen Überblick über die einzelnen Gerichtszweige bietet zunächst W. Heyde, HVerfR², §  33 Rn.  19 ff.; vgl. zu den einzelnen Rechtsgrundlagen und Errichtungsdaten R. Herzog, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art.  95 (1972), Rn.  33 sowie A. Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG (Teil  1, Fn.  10), Art.  95 Rn.  20; siehe auch Hopfauf (Teil  1, Fn.  11), Vorb. v. Art.  92 Rn.  88. 9  M. Jachmann, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art.  95 (2011), Rn.  100; W. Meyer, in: v. Münch/Kunig, GG (Teil  1, Fn.  9), Art.  95 Rn.  7; Hopfauf (Teil  1, Fn.  11), Vorb. v. Art.  92 Rn.  88; Voßkuhle (Fn.  8), Art.  95 Rn.  3, 20 ff. 10 Vgl. Classen (Teil  1, Fn.  10), Art.  92 Rn.  36.

A. Überblick über den Aufbau der deutschen Gerichtsbarkeit

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anderer Stelle etwas Anderes regelt oder zulässt. Die Art.  92 ff. GG greifen das in Art.  30 GG niedergelegte Regelungsverständnis auf11 und legen abschließend fest, welche Gerichte der Bund errichten kann. Gleichzeitig wird die Grundre­ gel vertieft, dass die Länder im Übrigen sämtliche Organisationsgewalt über das Gerichtswesen haben12. Die rechtsprechende Gewalt ist grundsätzlich Sache der Länder13. Sofern die Rechtsprechung durch Landesgerichte ausgeübt wird, nehmen die Gerichte Landesstaatsgewalt wahr14. Die Darstellung der in der deutschen Rechtsordnung vorgesehenen Gerichte erfolgt entsprechend der föderalen Grundstruktur der Bundesrepublik wie für Gesetzgebung (Art.  70 GG) und Verwaltung (Art.  83 GG) anhand von Art.  30 GG in spezifischer Weise15 nach den Gerichten des Bundes (1.) und den Gerich­ ten der Länder (2.). 1. Bundesgerichte Welche Gerichte der Bund errichten muss und kann, ist durch den in Art.  92 ff. GG postulierten Verfassungsvorbehalt abschließend geregelt16. Zu unterschei­ den ist zwischen den obligatorisch einzurichtenden Bundesgerichten nach Art.  93, 94 GG und Art.  95 Abs.  1 GG (namentlich das Bundesverfassungs­ gericht und die fünf obersten Bundesgerichte) sowie den fakultativen Bundes­ gerichten gem. Art.  96 Abs.  1, 2 und 4 GG17. Die obersten Bundesgerichte teilen sich in die ordentliche und die Fachgerichtsbarkeit auf (a.), über der nur das Bundesverfassungsgericht steht (b.).

11  Siehe hierzu und zum Folgenden BVerfGE 8, 174 (176); Achterberg (Teil  1, Fn.  9), Art.  92 Rn.  143; C. Degenhart, HStR³ V, §  114 Rn.  14; Hillgruber (Teil  1, Fn.  5), Art.  92 Rn.  77; Hopfauf (Teil  1, Fn.  11), Vorb. v. Art.  92 Rn.  75, Art.  92 Rn.  97; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  63. 12  BVerfGE 24, 155 (167); Wolff (Teil  1, Fn.  9), Art.  92 Rn.  63. 13  BVerfGE 8, 174 (176); 96, 345 (366); siehe auch Wolff (Teil  1, Fn.  9), Art.  92 Rn.  65; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  63. 14  BVerfGE 96, 345 (366); so auch Hopfauf (Teil  1, Fn.  22), Art.  92 Rn.  97; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  63. 15  Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  63. 16  BVerfGE 8, 174 (176); 10, 200 (213); vgl. auch Classen (Teil  1, Fn.  10), Art.  92 Rn.  36; Hopfauf (Teil  1, Fn.  11), Vorb. v. Art.  92 Rn.  75; zum bundesstaatlichen Gehalt der Regelung des Art.  92, 2. Hs. GG siehe Wolff (Teil  1, Fn.  9), Art.  92 Rn.  65. 17  BVerfGE 8, 174 (176); 10, 200 (213); BVerwGE 32, 21 (23); Hopfauf (Teil  1, Fn.  22), Art.  92 Rn.  98; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  63; v. Bernstorff, Gerichtsverwal­ tung (Einl., Fn.  17), S.  133.

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

a) Ordentliche und Fachgerichtsbarkeit Art.  95 Abs.  1 GG bestimmt, dass der Bund für die Gebiete der ordentlichen, der Verwaltungs-, Finanz-, Arbeits- und der Sozialgerichtsbarkeit als oberste Gerichtshöfe den Bundesgerichtshof18, das Bundesverwaltungsgericht19, den Bundesfinanzhof20, das Bundesarbeitsgericht21 und das Bundessozialgericht22 zu errichten hat. Die Gerichtshöfe sind im Hinblick auf Status und Funktion (als Rechtsprechungsorgan) selbständig und stehen gleichrangig nebeneinander23. Es handelt sich bei ihnen um die sog. obligatorischen Bundesgerichte, zu deren Errichtung (im Sinne der Schaffung von sachlichen, personellen und normati­ ven Grundlagen) der Bund nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet ist24. Die öffentlich-rechtliche Fachgerichtsbarkeit gliedert sich in die Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit25. Anders steht es um die Errichtung fakulta­ tiver Bundesgerichte, soweit diese in Art.  96 GG26 vorgesehen sind. Hier steht 18 

Siehe §§  12, 123, 130 Abs.  2 GVG. Zur allgemeinen Bedeutung des BGH siehe G. Pfeiffer, NJW 1999, S.  2617 ff.; M. Wurm, JA 1996, S.  401 ff. Zum Sitz des BGH R. Wassermann, NJW 1990, S.  2530 ff. 19  Siehe §§  2 , 10 VwGO. Siehe im ersten Zugriff überblickshalber zu den Entwicklungen des Bundesverwaltungsgerichts Jachmann (Fn.  9), Art.  95 Rn.  48; ausführlich P. Schwarz, Das Bundesverwaltungsgericht, 2000. 20  Siehe §  1 FGO. Der BFH ist als erster der fünf Bundesgerichte errichtet worden, siehe hierzu Bundesfinanzhof (Hrsg.), 60 Jahre Bundesfinanzhof – eine Chronik, 2010, S.  24 ff.; vgl. weiterhin M. Jachmann, Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs als Ausübung der dritten Staatsgewalt, in: R. Mellinghoff/W. Schön/H.-U. Viskorf, (Hrsg.), FS Wolfgang Spind­ler, 2011, S.  115 ff. 21  Siehe §  40 ArbGG. Im ersten Zugriff und allgemein vgl. P. Hanau, 60 Jahre Bundesar­ beitsgericht. Eine Chronik, 2014. 22  Siehe §  38 SGG. Im ersten Zugriff: Informationsbroschüre des Bundessozialgerichts, hrsg. v. Bundessozialgericht, Referat für Öffentlichkeitsarbeit und Pressewesen, 2008, S.  8; die Stellung des Bundessozialgerichtes hinterfragt kritisch J. Dürschke, NZS 2004, S.  302 ff.; siehe allgemein v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  135. 23  Vgl. BVerfGE 26, 100 (110 f.); 55, 372 (388); siehe aus der Literatur hier nur H. Weber-­ Grellet, ZRP 2013, S.  110 (110). 24 Vgl. Achterberg (Teil  1, Fn.  9), Art.  92 Rn.  244; Meyer (Fn.  8), Art.  95 Rn.  8. 25  Zu den Überlegungen, die drei öffentlich-rechtlichen Fachgerichtsbarkeiten zu vereinen: B. Stüer/C. D. Hermanns, DÖV 2001, S.  505 ff. sowie dies., ZRP 2002, S.  164 ff.; J. Kühling, SozSich 53 (2004), S.  170 ff. 26  Diese Befugnis betrifft u. a. die Errichtung eines Bundesgerichts für die Angelegen­ heiten des gewerblichen Rechtsschutzes (siehe Art.  96 Abs.  1 GG). Von dieser Befugnis hat der Bund 1961 Gebrauch gemacht, indem das Bundespatentamt in das Bundespatentgericht umgewandelt worden ist. Aktuelle Relevanz erlangt dieses fakultative Bundesgericht auf­ grund des Übereinkommens vom 19. Februar 2013 über ein Einheitliches Patentgericht sowie des Referentenentwurfs des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Das Gesetz zu dem Übereinkommen vom 19. Februar 2013 über ein Einheitliches Patentgericht befindet sich momentan (Stand 19. Februar 2016) im Gesetzgebungsverfahren; der Gesetzes­

A. Überblick über den Aufbau der deutschen Gerichtsbarkeit

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es dem Bund frei, entsprechende Bundes(sonder-)gerichte für bestimmte Sach­ gebiete bzw. Personengruppen zu errichten 27. b) Bundesverfassungsgericht Das Bundesverfassungsgericht nahm im September 1951 – zwei Jahre nach der Konstituierung der Bundesrepublik Deutschland und seiner Schaffung durch das Grundgesetz vom 23. Mai 1949 – seine Arbeit in Karlsruhe auf und hat seitdem eine nach Art.  92 ff. GG ausgewiesene exponierte Sonderstellung28 ge­ genüber den anderen Gerichten des Bundes. Funktional wird das Bundesverfas­ sungsgericht als Teil der Judikative aufgefasst29. Im Hinblick auf Art.  95 Abs.  2 GG ist die Bezeichnung als „oberster Gerichtshof des Bundes“ indessen ange­ messen30. §  1 Abs.  1 BVerfGG enthält die einfach-gesetzliche Qualifikation des Bundesverfassungsgerichts als „Verfassungsorgan“. Sie geht auf die Status-­ Denkschrift des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juni 1952 zurück, in der teils proklamatorisch betont und begründet wird, dass das Bundesverfassungs­ gericht sich als „oberster Hüter der Verfassung“ sowie als ein „mit höchster Autorität ausgestattetes Verfassungsorgan“ sieht31. Deutlich hervorgehoben entwurf ist einsehbar auf der Internetseite des BMJV unter http://www.bmjv.de/SharedDocs/ Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_Uebereinkommen_EinheitlichesPatentgericht. pdf?__blob=publicationFile&v=2 (3.3.2016). Zu welcher Gerichtsbarkeit das Bundespatent­ gericht gehört, ist umstritten. Für eine Zuordnung zur Verwaltungsgerichtsbarkeit u. a. S. Detterbeck, in: Sachs, GG (Einl., Fn.  6), Art.  96 Rn.  7; a. A. BGHZ 128, 280 (293 f.). 27  Vgl. zum Ganzen Achterberg (Teil  1, Fn.  9), Art.  92 Rn.  245; M. Jachmann, in: T. Maunz/ G. Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art.  96 (2011), Rn.  1 ff.; W. Meyer, in: v. Münch/Kunig, GG (Teil  1, Fn.  9), Art.  96 Rn.  1 ff. (v. a. Rn.  3); A. Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG (Teil  1, Fn.  10), Art.  96 Rn.  1. – Zum Begriff der Sondergerichte siehe bereits C. H. Ule, DVBl. 1953, S.  396 ff. 28  Siehe zur Sonderstellung des BVerfG in den Art.  92 ff. GG aus der Rechtsprechung mit einem eingängigen Zitat BVerfGE 7, 1 (14): „Die verfassungsrechtliche Stellung des Bundes­ verfassungsgerichts ist eine andere als die der obersten Bundesgerichte. Es ist als Gericht zugleich ein oberstes Verfassungsorgan.“ Aus der Literatur statt aller M. Jestaedt, Phänomen Bundesverfassungsgericht. Was das Gericht zu dem macht, was es ist, in: ders. u. a., Das entgrenzte Gericht, 2011, S.  77 ff.; zum Sonderstatus des BVerfG auch O. Lepsius, Die maß­ stabsetzende Gewalt, ebd., S.  159 (167); K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungs­ gericht. Stellung, Verfahren, Entscheidungen, 10.  Aufl. 2015, Rn.  19 ff.; L.-K. Mannefeld, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die europäische Integration, 2017, S.  58 ff. 29  Siehe mit einer instruktiven Herleitung Mannefeld, Vorgaben (Fn.  28), S.  58. 30 Vgl. E. Benda/E. Klein, Der Status des Bundesverfassungsgerichts, in: dies. (Hrsg.), Verfassungsprozessrecht. Ein Lehr- und Handbuch, 3.  Aufl. 2012, §  4 Rn.  105. 31  Statusdenkschrift des BVerfG, JöR n. F. 6 (1957), S.  144 (147); siehe auch Maurer, Staatsrecht (Teil  1, Fn.  68), §  20 Rn.  7; Benda/Klein (Fn.  30), §  4 Rn.  107 f.; W. Meyer, in: v. Münch/Kunig, GG (Teil  1, Fn.  9), Art.  93 Rn.  6; Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht (Fn.  28), Rn.  26 f.; Mannefeld, Vorgaben (Fn.  28), S.  60.

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

wird hierdurch, dass das Bundesverfassungsgericht ein gegenüber allen anderen Verfassungsorganen selbständiger und unabhängiger Gerichtshof ist (vgl. §  1 Abs.  1 BVerfGG)32. Der Status als Verfassungsorgan verleiht dem Bundesver­ fassungsgericht grundsätzlich keine weiteren besonderen Befugnisse. Anders als die bedeutungsschwere Statusbeschreibung zunächst vermuten ließe, bleibt es somit bei den enumerativen Kompetenzen aus Art.  93 GG (bzw. §  13 BVerf­ GG)33. Es ist indessen anerkannt, dass das Bundesverfassungsgericht nicht nur praktisch über die Einhaltung der Verfassung wacht, indem es diese auslegt und so als „Erstinterpret des Grundgesetzes“34 fungiert, sondern sich damit weiter­ hin in das Gewand der Politik hüllt – hier droht praktisch die Überschreitung einer („offenen“) Grenze, wenn sich das Bundesverfassungsgericht über die Kompetenztitel des Art.  93 GG hinwegsetzt und sich zu einer Art „Ersatz­ gesetzgeber“ aufschwingt35. Im Gewaltengefüge ist die Verfassungsgerichtsbarkeit ein notwendiges Kor­ rektiv. Sie ist daher untrennbar mit der Verfassungsstaatlichkeit verbunden36. Wenngleich der Vorwurf einer Politisierung der bundesverfassungsgerichtli­ chen Rechtsprechung zu weit geht, nimmt sie dennoch eine gewisse politische Wirkung in Anspruch. Dies liegt nicht zuletzt auch an der politischen Trag­weite der Richterauswahl zum Bundesverfassungsgericht37.

32 Vgl.

D. C. Umbach, in: ders./T. Clemens/F.-W. Dollinger (Hrsg.), BVerfGG, 2.  Aufl. 2005, §  1 Rn.  8 f.; Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht (Fn.  28), Rn.  26 ff.; H. Bethge, in: T. Maunz u. a. (Hrsg.), BVerfGG, §  1 (2018), Rn.  2. 33  Zu den Kompetenzen des Bundesverfassungsgerichts siehe Schlaich/Korioth, Bundes­ verfassungsgericht (Fn.  28), Rn.  79 ff. 34 So T. Oppermann, Das Bundesverfassungsgericht und die Staatsrechtslehre in: Badura/ Dreier, FS 50 Jahre BVerfG I (Teil  2, Fn.  213), S.  421 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  268; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  233. 35  Kritisch hierzu F. K. Fromme, NJW 2000, S.  2977 (2977); vgl. auch (aus der Außenper­ spektive) K. M. Holland, The Courts in the Federal Republic of Germany, in: J. L. Waltman/­ ders. (Hrsg.), The Political Role of Law Courts in Modern Democracies, 1988, S.  83 (96 f.); H. Schulze-Fielitz, AöR 122 (1997), S.  1 (2, 30 f.); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  268. 36 Gleichsinnig C. Möllers, AöR 132 (2007), S.  493 (531 ff.); Schlaich/Korioth, Bundesver­ fassungsgericht (Fn.  28), Rn.  34. 37 Ähnlich Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  268. – Zur politischen Wirkung der Richterbestellung siehe C. Landfried, Die Wahl der Bundesverfassungsrichter und ihre Fol­ gen für die Legitimität der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: R. C. van Ooyen/M. H. W. Möllers (Hrsg.), Das Bundesverfassungsgericht im politischen System, 2006, S.  229 ff.; Schlaich/­ Korioth, Bundesverfassungsgericht (Fn.  28), Rn.  42 ff.; Schreier, Legitimation (Einl., Fn.  18), S.  25 ff.

A. Überblick über den Aufbau der deutschen Gerichtsbarkeit

251

2. Landesgerichte Alle übrigen Gerichte, die nicht ausdrücklich im Grundgesetz als Gerichte des Bundes ausgewiesen werden, können nur von den Ländern errichtet werden38. Dabei korrespondieren die Gerichtszweige der Länder praktisch mit den in Art.  95 Abs.  1 GG enumerativ ausgewiesenen Gerichtsbarkeiten auf Bundes­ ebene. An der Spitze der fünf gewährleisteten Gerichtszweige stehen die Ge­ richte des Bundes, während die Landesgerichte den instanziellen Unterbau die­ ses Rechtsmittelkonstrukts darstellen39. Den Hauptanteil der Rechtsprechung führen die Landesgerichte aus, wo der Gerichtsapparat dementsprechend um­ fangreicher ist als auf Bundesebene und die meisten Richter tätig sind40. Neben den ordentlichen Gerichten der Länder (a.) sowie den Fachgerichten (b.) finden sich auf Landesebene darüber hinaus zum Teil besondere Formen von Gerich­ ten41. Auch die Landesverfassungsgerichte sollen an dieser Stelle kurz Erwäh­ nung finden (c.). a) Ordentliche Gerichtsbarkeit Als „tragende Säule“42 der Gerichte der Länder nimmt die ordentliche Gerichts­ barkeit einen hohen Stellenwert im System der Gerichtsorganisation ein. Sie verfügt über ein breites Spektrum an Zuständigkeiten43. Die ordentliche Ge­ richtsbarkeit auf Länderebene bildet das „Rückgrat der deutschen Rechtspre­ chung“ und steht zugleich im Zentrum gerichtsverwaltender Tätigkeit 44. Der Aufbau der ordentlichen Gerichte in den Ländern ist durchweg dreistufig: Als 38  Vgl. BVerfGE 10, 200 (213); 26, 186 (192); Hopfauf (Teil  1, Fn.  22), Art.  92 Rn.  99; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  63. 39 Vgl. A. Hense, HStR³ VI, §  137 Rn.  33. 40 Siehe Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  325; A. Hense, HStR³ VI, §  137 Rn.  30; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  269; vgl. auch die neueste Übersicht in: Deut­ scher Richterbund (Hrsg.), Handbuch der Justiz 2016/2017, 2017. Die Träger und Organe der rechtsprechenden Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland, S.  9 ff. (Bundesgerichte), S.  23 ff. (Gerichte der Länder). 41  Gem. §  14 GVG handelt es sich hierbei um Gerichte der Schifffahrt. Andere besondere Gerichte lässt die Vorschrift inzwischen nicht mehr zu. Die aus der ordentlichen Gerichtsbar­ keit hervorgegangene Arbeitsgerichtsbarkeit wird nichtsdestotrotz aufgrund der historischen Entwicklung überwiegend den besonderen Gerichten i. S. v. §  14 GVG zugerechnet. Siehe hierzu im Überblick Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  14 Rn.  10, 17, §  13 Rn.  5. 42 Siehe Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  330; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  269. 43  Zum Inhalt der Rechtsprechungstätigkeit der ordentlichen Gerichte siehe Zimmermann (Teil  1, Fn.  4), §  13 GVG Rn.  30 ff. 44 So Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  327; A. Hense, HStR³ VI, §  137 Rn.  35. Siehe auch Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  5.

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

Eingangsinstanz fungieren Amts- und Landgerichte je nach Bedeutung der Fäl­ le (§§  22, 23, 24, 59, 71, 73 f. GVG). Die Landgerichte haben darüber hinaus die Funktion der Berufungsinstanz für die erstinstanzlichen Urteile der Amtsge­ richte (§§  72, 74 Abs.  3 GVG). Als Rechtsmittelinstanz für Urteile der Amtsund Landgerichte dienen die Oberlandesgerichte (§§  115, 119, 121 GVG). Diese sind zum Teil auch mit Strafsachen in erster Instanz betraut (§  120 GVG)45. In jedem Land muss mindestens je eines dieser (obligatorischen) Gerichte der or­ dentlichen Gerichtsbarkeit eingerichtet sein46. b) Fachgerichtsbarkeit Neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit bestehen auch auf Länderebene entspre­ chende Fachgerichtsbarkeiten, die aufgrund ihrer Spezialisierung zu einer Qua­ litätssteigerung der Justiz führen sollen47. Die Fachgerichtsbarkeiten sind zu­ meist zweistufig organisiert – dies gilt für öffentlich-rechtliche, sozialgericht­ liche sowie arbeitsrechtliche Streitigkeiten. Allein die Finanzgerichtsbarkeit ist auf Landesebene einstufig gegliedert48. Umstritten ist, ob in Anlehnung an Art.  95 Abs.  1 GG die Zusammenlegung der Gerichtsbarkeiten auch auf Lan­ desebene verboten ist. Überwiegend wird dies verneint. Um in den Bundes­ ländern eine Zusammenlegung von Gerichtsbarkeiten zu ermöglichen, wäre allerdings eine Grundgesetzänderung der Art.  92 GG und Art.  108 Abs.  4 GG notwendig49. c) Landesverfassungsgerichte Eine mit der Stellung des Bundesverfassungsgerichts vergleichbar exponierte Sonderstellung innerhalb des Gerichtsaufbaus der Länder kommt den Landes­ verfassungsgerichten zu50. Diese zählen ebenfalls zu den Gerichten der Bundes­ 45 

Siehe im Überblick Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  327; Minkner, Gerichtsver­ waltung (Einl., Fn.  7), S.  269; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  5. 46 Vgl. Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  5. 47  H. Weber-Grellet, ZRP 2013, S.  110 (111, 113). 48  Im Überblick hierzu Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  328 f.; A. Hense, HStR³ VI, §  137 Rn.  38. 49  Zu diesem Streit instruktiv J.-E. Schenkel, DÖV 2011, S.  481 ff.; siehe auch K. Redeker, NJW 2004, S.  496 ff.; Meyer (Fn.  8), Art.  95 Rn.  7; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  270. – A. A. etwa A. Hense, HStR³ VI, §  137 Rn.  48, der davon ausgeht, dass „[d]er föderal durchgängige fünfgliedrige Gerichtsaufbau […] durch Art.  95 I GG [auch auf Lan­ desebene] als stillschweigend mitgeschrieben vorausgesetzt [wird].“ 50  Zur Landesverfassungsgerichtsbarkeit im Allgemeinen siehe J. Menzel, Landesverfas­ sungsrecht, 2002, S.  520 ff.; T. Mann, NWVBl. 2002, S.  85 ff.; P. M. Huber, ThürVBl. 2003, S.  73 ff.; K. Fiedler, Verfassungsgerichtsbarkeit im Bundesstaat, 2006, S.  54 ff., 111 ff.; C. Wil-

A. Überblick über den Aufbau der deutschen Gerichtsbarkeit

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länder und haben innerhalb der Landesverfassungsordnung eine Doppel­rolle, indem sie gleichzeitig als Gericht sowie als Verfassungsorgan fungieren51. In­ zwischen verfügen alle Bundesländer jeweils über einen eigenen Verfassungs­ gerichtshof52 , dessen Zuständigkeiten sich jeweils aus den entsprechenden Lan­ desverfassungen und den Verfassungsgerichtsgesetzen der Länder ergeben53. Die einzelnen Zuständigkeitsbereiche decken sich in den unterschiedlichen Bundesländern weitgehend54. Die Landesverfassungsgerichte sind – ebenso we­ nig wie das Bundesverfassungsgericht – in keinen Instanzenzug eingebunden. Auch das Bundesverfassungsgericht fungiert nicht als Revisionsgericht zu den Landesverfassungsgerichten55. Nichtsdestotrotz lässt sich zumindest von einer lers, Verfassungsgerichtliche Übergangsfristen im Mehrebenensystem, 2011, S.  117 ff.; Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht (Fn.  28), Rn.  347 ff.; Sodan/Ziekow, Grundkurs (Einl., Fn.  4), §  16 Rn.  12 ff. Einen Überblick über die Rechtslage in den alten Ländern gibt C. Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht. Die Verfassungsgerichtsbarkeit des Bundes und der Länder mit einem Anhang zum internationalen Rechtsschutz, 3.  Aufl. 1991, §§  21 ff. 51 Vgl. A. Hense, HStR³ VI, §  137 Rn.  31. Siehe ausführlich zum Status der Landesverfas­ sungsgerichte C. Starck, Der verfassungsrechtliche Status der Landesverfassungsgerichte, in: ders./K. Stern (Hrsg.), Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Teilbd. I, 1983, S.  155 ff. sowie ders., HStR³ VI, §  130 Rn.  10 ff.; J. Dietlein, Verfassungsrecht, in: ders./J. Hellermann (Hrsg.), Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, 6.  Aufl. 2016, Rn.  127. 52  Bis zum Jahre 2008 verfügte das Land Schleswig-Holstein als einziges Bundesland über kein eigenes Landesverfassungsgericht. Landesverfassungsgerichtliche Streitigkeiten wurden gem. Art.  44 LV SH i. V. m. Art.  99 GG stattdessen dem Bundesverfassungsgericht zugewiesen. Dazu H.-J. Waack, Der lange Weg Schleswig-Holsteins zu einem eigenen Lan­ desverfassungsgericht, in: J. Caspar/W. Ewer/M. Nolte/ders. (Hrsg.), FS für das Schleswig-­ Holsteinische LVerfG, 2008, S.  1 ff. Siehe zur Konstituierung der einzelnen Landesverfas­ sungsgerichte im Überblick M. Flick, Organstreitverfahren vor den Landesverfassungsge­ richten. Eine politikwissenschaftliche Untersuchung, 2011, S.  19 ff.; Willers, Übergangsfristen (Fn.  50), S.  118. 53  Siehe für Baden-Württemberg: Art.  69 B-WVerf. i. V. m. §  8 f. B-WVerfGHG; Bayern: Art.  60 ff. BayVerf. i. V. m. Art.  1, 2 BayVerfGHG; Berlin: Art.  84 BerlVerf. i. V. m. §  14 ­BerlVerfGHG; Brandenburg: Art.  69 BbgVerf. i. V. m. §  12 BbgVerfGG; Bremen: Art.  139 BremVerf. i. V. m. §  10 BremStGHG; Hamburg: Art.  65 HambVerf. i. V. m. §  14 HambVerf­ GG; Hessen: Art.  130 ff. HessVerf. i. V. m. §  14 HessStGHG; Mecklenburg-Vorpommern: Art.  152 ff. M-VVerf. i. V. m. §  15 M-VStGHG; Niedersachsen: Art.  54 NdsVerf. i. V. m. §  8 NdsStGHG; Nordrhein-Westfalen: Art.  75 f. NWVerf. i. V. m.§  12 NWVerfGHG; Rhein­ land-Pfalz: Art.  129 ff. R-PVerf. i. V. m. §  2 R-PVerfGHG; Saarland: Art.  96 ff. SaarlVerf. i. V. m. §  9 SaarlVerfGHG; Sachsen: Art.  81 SächsVerf. i. V. m. §  7 SächsVerfGHG; Sachsen-­ Anhalt: Art.  75 S-AVerf. i. V. m. §  2 S-AVerfGG; Schleswig-Holstein: Art.  51 Schl.-HVerf. i. V. m. §  3 Schl.-HVerfGG; Thüringen: Art.  80 ThürVerf. i. V. m. §  11 ThürVerfGHG. 54  In Nordrhein-Westfalen allerdings gibt es bspw. keine Landesverfassungsbeschwerde, vgl. dazu J. Dietlein, HGR VIII, §  254 Rn.  70 f.; ders., Verfassungsrecht (Fn.  51), Rn.  253. 55  Vgl. BVerfGE 6, 445 (449); H. Bethge, Verfassungsgerichtsbarkeit für die neuen Län­ der, in: P. Kirchhof/K. Offerhaus/H. Schöberle (Hrsg.), FS für Franz Klein, 1994, S.  179 (181, 188); E. Klein, Verfassungsgerichtsbarkeit des Bundes und der Länder, in: Benda/ders., Ver­

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

partiellen Unterordnung der Landesverfassungsgerichte unter das Bundesver­ fassungsgericht sprechen, da auch die Landesverfassungsgerichte Teil der durch Art.  1 Abs.  3 GG gebundenen Staatsgewalt sind und sich gegen Urteile der Lan­ desverfassungsgerichte somit die (begrenzte) Möglichkeit zur Erhebung einer bundesverfassungsrechtlichen Verfassungsbeschwerde ergibt56.

B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit Das amerikanische Gerichtssystem ist im Gegensatz zum deutschen dual aufge­ baut. Es existieren zwei vertikale Gerichtssysteme, die selbstständig nebenein­ ander stehen57. Das heißt, es gibt eine strikte Trennung zwischen der Gerichts­ barkeit der Einzelstaaten und der des Bundes. Dies entspricht der bundesstaat­ lichen Kompetenzaufteilung in den USA, die alle Funktionen einheitlich entweder der Bundes- oder der Staatenebene zuordnet58. Daraus folgt, dass ­einzelstaatliche Rechtsfragen letztverbindlich durch die Gerichtsbarkeit des je­ weiligen Einzelstaates entschieden werden können, Rechtsfragen des Bundes dagegen in erster Linie durch bundesstaatliche Gerichte59. Geprägt ist dieses Gerichtssystem durch eine charakteristische Dezentralisation beider Instanzen­ züge60, die Ausdruck einer konsequenten Umsetzung föderalistischer Grund­ strukturen ist61. fassungsprozessrecht (Fn.  30), §  2 Rn.  56; C. Hillgruber/C. Goos, Verfassungsprozessrecht, 4.  Aufl. 2015, Rn.  215; Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht (Fn.  28), Rn.  357; A. Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG (Teil  1, Fn.  11), Art.  93 Rn.  92 ff. 56  Zu den Möglichkeiten der Überprüfung landesverfassungsrechtlicher Entscheidungen siehe BVerfGE 96, 345 (368 ff.); BVerfGK 8, 169; Klein (Fn.  55), §  2 Rn.  56 ff.; allgemein zum Verhältnis der Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht und einer Landes­ verfassungsbeschwerde siehe V. Hellmann, in: T. Barczak (Hrsg.), BVerfGG, 2018, §  90 Rn.  403 ff. – Am Maßstab der Landesverfassung entscheiden allerdings stets und ausschließ­ lich die Landesverfassungsgerichte. 57  So auch R. M. Ross/K. F. Millsap, State and Local Government and Administration, 1966, S.  299 ff.; McGowan, Organization (Teil  2, Fn.  570), S.  1 ff.; H. Jacob, Justice in Ameri­ ca. Courts, Lawyers, and the Judicial Process, 4.  Aufl. 1984, S.  161 ff.; Röhl, Gerichtsver­ waltung (Einl., Fn.  18), S.  17 f.; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  151; D. Halberstam, RabelsZ 66 (2002), S.  216 (226 ff.); Schack, Einführung (Teil  2, Fn.  178), Rn.  4; Müller, Rah­ men (Teil  2, Fn.  133), S.  183; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  49 ff. 58  Heun, Rechtssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  232; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  48 f. 59 Siehe Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  170 f.; Heun, Rechtssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  232. 60  Blumenwitz, Einführung (Teil  1, Fn.  201), S.  45. 61  So auch B. Kroll, JuS 1987, S.  944 (945); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  23; D. Halberstam, RabelsZ 66 (2002), S.  216 (226 ff.); Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1,

B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit

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Es ist zunächst die U.S.-amerikanische Besonderheit des Jury Trials darzu­ stellen (I.), die im Hinblick auf die Rechtskultur in den Vereinigten Staaten ein Charakteristikum darstellt und der deutschen Rechtsordnung fremd ist62. Die Organisation der Bundesgerichte ähnelt zwar dem Aufbau vieler einzelstaat­ licher Gerichtssysteme, deren Komplexität die Struktur der Bundesgerichts­ organisation jedoch übersteigt (II.). I. Jury Trial Die Verfassungen der Einzelstaaten wie auch die Bundesverfassung heben das Recht auf eine Verhandlung mit Jury63 hervor – und zwar sowohl in Zivil- als auch in Strafsachen64. In der Bundesverfassung besagt beispielsweise Art.  III §  2: „Alle Strafverfahren mit Ausnahme von Fällen der Amtsanklage sind von einem Geschworenengericht durchzuführen“65. Die Jury wird weiterhin in drei Zusatzartikeln erwähnt: Im 5. Verfassungszusatz wird – neben einigen straf­ prozessualen Verfahrensgarantien vergleichbar mit Art.  101 Abs.  1 S.  2, 103 Abs.  1 GG – die Grand Jury vorgeschrieben. Die Verfassung garantiert außer­ dem das Recht eines Geschworenen-Verfahrens in Strafverfahren im 6. Zu­ satzartikel und in Zivilverfahren im 7. Zusatzartikel66. Diese Geschworenen­ Fn.  2), S.  49. – Zur Entstehung des U.S.-amerikanischen Föderalismus siehe Reinbacher, Strafrechtssystem (Einl., Fn.  47), S.  34 ff.; knapp zur Abgrenzung zum deutschen Föderalis­ mus Fulda, Einführung (Teil  1, Fn.  202), S.  22; S. T. Early, Constitutional Courts of the Uni­ ted States. The Formal and Informal Relationships Between the District Courts, the Courts of Appeals, and the Supreme Court of the U.S., 1977, S.  3. 62  Siehe zum Laienrichtertum in der deutschen Rechtsordnung, für das nach einhelliger Meinung Art.  95 Abs.  2 GG nicht gilt, BVerfGE 26, 186 (200 ff.); dazu weiterhin Scholz, Wahl (Teil  2, Fn.  310), S.  151; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  44 Rn.  3. 63  Siehe im ersten Zugriff zum Jury-Verfahren aus der deutschsprachigen Literatur M. Gerding, Trial by Jury. Die Bewährung des englischen und des US-amerikanischen Jury-Systems, 2007; Kischel, Rechtsvergleichung (Einl., Fn.  23), §  5 Rn.  141 ff.; aus der ame­ rikanischen Literatur hierzu Burnham, Introduction (Teil  2, Fn.  132), S.  91 ff.; Neubauer/ Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  343 ff.; grundlegend auch H. Kalven u. a., The American Jury, 1966, Nachdr. 1971, S.  3 ff. 64 Vgl. Fulda, Einführung (Teil  1, Fn.  202), S.  20, 21; Ross/Millsap, Government (Fn.  57), S.  312 f.; Early, Courts (Fn.  61), S.  19; Hay, Einführung (Teil  2, Fn.  1034), S.  62 ff., 222 ff. 65 Vgl. H. M. Hyman/C. M. Tarrant, Aspects of American Trial Jury History, in: R. J. Si­ mon (Hrsg.), The Jury System in America. A Critical Overview, 1975, S.  23 (31); zur Bin­ dungswirkung der Bill of Rights siehe Gerding, Jury (Fn.  63), S.  97 f. 66  Siehe speziell für das Jury-Verfahren in Strafsachen A. W. Alschuler/A. G. Deiss, Uni­ versity of Chicago Law Review 61 (1994), S.  867 ff.; Hay, Einführung (Teil  2, Fn.  1034), S.  222 ff., 229 ff.; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  111 ff.; Gerding, Jury (Fn.  63), S.  95 f. Zum Jury-Verfahren in Zivilsachen C. A. Wright/M. K. Kane, Law of Federal Courts, 7.  Aufl. 2011, S.  648 ff.

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

verhandlungen sind strikt von dem Sonderfall der Grand Jury zu unterscheiden, mit der sie nichts gemeinsam hat67. Ein an dem Jury-System des Bundes orientiertes einheitliches Jury-Verfah­ ren für alle amerikanischen Gliedstaaten existiert nicht; vielmehr finden sich für alle Gliedstaaten verschiedenen Varianten68. Problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang die Bindungswirkung der Bill of Rights für die Einzel­ staaten69. Es war lange ungeklärt, inwieweit die Leitgedanken der Bill of Rights in die Rechtssysteme der Gliedstaaten zu inkorporieren sind70. Inzwischen hat sich ein System der „Selective“ Incorporation etabliert, sodass mit der Recht­ sprechung des U.S. Supreme Courts lediglich solche Normen der Bill of Rights zu inkorporieren sind, die fundamental wichtig für das amerikanische Konzept der geordneten Freiheit sind71. Es gibt bis heute keine für alle Amendments ein­ heitliche Regelung, obschon für den 6. Zusatzartikel seit 1968 eine Bindungs­ wirkung für die Einzelstaaten besteht72. Für den – zugegebenermaßen zumeist weniger prekären – Zivilprozess gibt es allerdings weiterhin keine Bindung an den 7. Zusatzartikel. Dennoch sehen die meisten Staatsverfassungen eine Ga­ rantie des Jury-Verfahrens auch für Zivilprozesse vor73. Ähnlich gelagert ist der Fall des 5. Zusatzartikels: Auf Ebene der Einzelstaaten ist der Einsatz einer Grand Jury keine fundamentale Verfahrensvoraussetzung im strafprozessualen Vorverfahren – der 5. Zusatzartikel ist zumindest insofern nicht bindend für die Gerichte der Einzelstaaten74. 67 

Vgl. hierzu Hay, Einführung (Teil  2, Fn.  1034), S.  228 f., S.  230 mit Fn.  42. Gerding, Jury (Fn.  63), S.  98. 69 Siehe S. L. Emanuel, Constitutional Law, 34.  Aufl. 2016, S.  140 ff.; Gerding, Jury (Fn.  63), S.  97 ff. 70  Bereits im Jahre 1868 vollzog sich ein erster Schritt zur Inkorporierung des Leitgedan­ kens der Bill of Rights in die Rechtsordnungen der Einzelstaaten, als der 14. Verfassungszu­ satz etabliert wurde, mit dem auch sämtliche Gliedstaaten dazu verpflichtet werden sollten, alle Bürger gleich zu behandeln, vgl. Holder, Meaning (Teil  2, Fn.  948), S.  79 in Bezug auf den 8. Zusatzartikel; Emanuel, Constitutional Law (Fn.  69), S.  142. 71 Vgl. Duncan v. Louisiana, 391 U.S.  145 (1968). Zum Prinzip der selektiven Inkorpora­ tion siehe auch P. Marcus/C. H. Whitebread, Criminal Procedure, 16.  Aufl. 2004, S.  2 f.;­ ­Gerding, Jury (Fn.  63), S.  98 f.; Emanuel, Law (Fn.  69), S.  144. 72 Siehe Gerding, Jury (Fn.  63), S.  98 f.; Emanuel, Law (Fn.  69), S.  144; aus der deutschen Literatur Hay, Einführung (Teil  2, Fn.  1034), S.  225 f. 73 Vgl. G. R. Shreve/P. Raven-Hansen/C. G. Geyh, Understanding Civil Procedure, 5.  Aufl. 2013, S.  414 ff.; Gerding, Jury (Fn.  63), S.  99; J. H. Friedenthal/M. K. Kane/A. R. Miller, Civil Procedure, 5.  Aufl. 2015, S.  490. 74  Vgl. aus der Rechtsprechung Hurtado v. California, 110 U.S.  516, 534 f. (1884); Marcus/ Whitebread, Procedure (Fn.  71), S.  3; instruktiv zu den Funktionen einer Grand Jury siehe Foster/Machunze/Blanchard, Introduction (Teil  1, Fn.  274), S.  11; Hay, Einführung (Teil  2, Fn.  1034), S.  230 mit Fn.  42. 68 

B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit

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Die Jury besteht aus Laien, die aus Einwohner-, Wahl- oder Steuerlisten für den Geschworenendienst ausgewählt werden. Die Mitglieder der Jury gehören im Gegensatz zu den Schöffenrichtern nicht dem Gericht an75. Die Erfordernisse hinsichtlich der Größe einer Jury und in Bezug auf die Einstimmigkeit ihrer Entscheidung hängen wiederum davon ab, ob der Fall vor einem Bundes- oder einem Staatengericht verhandelt wird76. Vor Bundesgerichten findet sich die Jury in einer Zusammensetzung von zwölf Mitgliedern ein, während vor den Gerichten der Einzelstaaten eine Mindestanzahl von sechs Jurymitgliedern aus­ reichend sein soll77. Die Auswahl der Jury-Mitglieder anhand der entsprechen­ den Listen sowie ihre Instruktion vor der Verhandlung obliegt in der Regel der Gerichtsverwaltung78. II. Struktureller Aufbau der amerikanischen Justiz Die Bedeutung des Gerichtswesens in den USA und der hohe Stellenwert der Justiz im Gewaltengefüge der Checks and Balances werden nicht auf den ersten Blick in der Verfassung deutlich79. Vielmehr ist in Art.  III der U.S.-Verf. ledig­ lich festgehalten, dass die richterliche Gewalt in den Vereinigten Staaten in ei­ nem Obersten Gerichtshof sowie in untergeordneten Gerichten zusammenge­ fasst sein soll, die der Kongress zuweilen anordnen und einrichten soll (Art.  III §  1)80. Auch die Aufgaben der Rechtsprechung werden lediglich oberflächlich – und wie die Praxis zeigt keineswegs vollständig – umschrieben (Art.  III §  2)81. Die meisten Verfassungen der Einzelstaaten sehen zum Gerichtssystem aus­ führlichere Regeln vor, welche die Komplexität der eigentlichen Strukturen 75 Vgl. Hay, Einführung (Teil  2 , Fn.  1034), S.  63; A. B. Morrison, Litigation, in: ders. (Hrsg.), Fundamentals (Teil  2, Fn.  131), S.  61 (76 f.). 76  Siehe im Überblick Marcus/Whitebread, Procedure (Fn.  71), S.  143 f. 77 Der U.S. Supreme Court betitelt das bundesrechtliche Erfordernis einer zwölfköpfigen Jury gemeinhin als „historischen Unfall“ und überträgt dieses Erfordernis daher nicht auch auf die Staatengerichte. Explizit heißt es in der höchstrichterlichen Rechtsprechung aber, dass eine lediglich auf fünf Mitgliedern bestehende Jury nicht ausreiche, vgl. Williams v. Florida, 399 U.S.  78 (1970); Ballew v. Georgia, 435 U.S.  223 (1978). Siehe hierzu auch Hay, Einführung (Teil  2, Fn.  1034), S.  62 f. 78  Siehe zur Jury-Arbeit als Aufgabe der Gerichtsverwaltung unten Kapitel  4 79 Bereits Hamilton schätzte die Judikative als Staatsmacht als am wenigsten gefährlich ein, siehe Hamilton, No.  78 (Teil  2, Fn.  449), S.  456; aus historischer Perspektive auch ­Epstein/Walker, Powers (Fn. Teil  2, 570), S.  56 ff. Siehe zu dieser Einschätzung im Gesamten auch das furiose Werk von Bickel, Branch (Teil  2, Fn.  451). 80 Vgl. Brugger, Einführung (Teil  2 , Fn.  172), S.  14 ff.; Gellner/Kleiber, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  109 ff.; Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  156. 81  E.D. Re, St. Thomas Law Review 15 (2002), S.  265 (271 f.); Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  156.

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

dennoch kaum widerspiegeln82. Verglichen mit diesen rudimentären verfas­ sungsrechtlichen Grundsätzen stellt sich die Organisation des amerikanischen Gerichtswesens insgesamt als kompliziert dar. Im Folgenden soll dieses anhand der Bundesgerichtsbarkeit (1.) und der Gerichtsbarkeit in den Einzelstaaten (2.) dargestellt werden. Beide Ebenen stehen dabei weitestgehend parallel nebenein­ ander; eine Hierarchie besteht nur partiell83. Dies macht eine Abgrenzung der sachlichen Zuständigkeiten zwischen den zwei unabhängigen Gerichtssystemen oftmals schwierig (3.)84. 1. Gerichte des Bundes – Aufbau des Bundesgerichtswesens Die Bundesgerichtsbarkeit gliedert sich zunächst in zwei unterschiedliche Ge­ richtsarten: Constitutional Courts (a.) und Legislative Courts (b.)85. a) Constitutional Courts: Die von der Verfassung vorgesehenen Gerichte Bei den Constitutional Courts handelt es sich um die in Art.  III der U.S.-Verf. vorgesehenen bzw. auf Grundlage der Verfassung eingerichteten konstitutionel­ len Federal Courts (Gerichte des Bundes). Diese müssen den allgemeinen ver­ fassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen86. Die Bundesverfassung der USA sieht damit in seinem expliziten Wortlaut lediglich einen Obersten Gerichtshof, den U.S. Supreme Court, vor. Die Bundesgerichtsbarkeit besteht jedoch pyrami­ 82  Siehe beispielhaft hierzu Art.  V §  1 der Verf. von Texas, Art.  V I §  1 der Verf. von Kali­ fornien und Art.  I V Teil  1 §  1 der Verf. von Maryland, in denen neben einem obersten Ge­ richtshof des jeweiligen Bundesstaates zumindest auch weitere, untergeordnete Gerichte statuiert sind. 83 Vgl. K. M. Holland, The Courts in the United States, in: Waltman/ders., Role (Fn.  35), S.  6 (11); Fulda, Einführung (Teil  1, Fn.  202), S.  22; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  151; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  23 ff.; Gellner/Kleiber, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  109; Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  159; Burnham, Introduc­ tion (Teil  2, Fn.  132), S.  176 ff. 84  Siehe hierzu Jacob, Justice (Fn.  57), S.  169 f.; knapp Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  23 f.; v. Mehren/Murray, Law (Teil  2, Fn.  132), S.  120 ff. 85  Siehe zu dieser Unterteilung bereits J. W. Hurst, The Growth of American Law. The Law Makers, 1950, S.  108 ff.; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  158 ff.; Zätzsch, Unab­ hängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  24 f.; Brugger, Einführung (Teil  2, Fn.  172), S.  14; Oldopp, Sys­ tem (Teil  1, Fn.  210), S.  89; Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  16 ff.; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  22; Wright/Kane, Law (Fn.  66), S.  48 ff. 86  Eine Definition dessen, was unter dem Terminus „Court of the United States“ zu ver­ stehen gibt, liefert 28 U.S.C. §  451 und wiederholt fast inhaltsgleich die Verfassung: „The term ‚court of the United States‘ includes the Supreme Court of the United States, courts of appeals, district courts constituted by chapter 5 of this title, including the Court of Interna­ tional Trade and any court created by Act of Congress the judges of which are entitled to hold office during good behavior“.

B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit

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denförmig aus drei Instanzen, da der Kongress überdies mit der Befugnis aus­ gestattet wird, weitere untere Bundesgerichte zu errichten und diese auch wie­ der abzuschaffen87. Seit dem ersten Judiciary Act von 178988 hat der Kongress in diesem Sinne ein seitdem mehrmals verändertes Gerichtssystem untergeordne­ ter Gerichte geschaffen. Nur der U.S. Supreme Court genießt Bestandsschutz, während alle anderen bestehenden unteren Bundesgerichte vom Kongress durch einfaches Gesetz auch wieder abgeschafft werden können89. Die einzelnen Bun­ desgerichte sind vertikal und horizontal unabhängig voneinander. Ihre Eigen­ ständigkeit wird geringfügig dadurch verringert, dass sie in die Justizstruktur integriert sind, die in der Tat teilweise zentralisiert ist. Ihre Rolle im Justizver­ waltungssystem zeigt wiederum eine Unterordnung der Gerichte, während dies für die einzelnen Richter nicht zutrifft, sodass man insofern eher von einer for­ mellen als von einer praktischen Subordination sprechen kann90. Die Bundesgerichtsbarkeit erstreckt sich heute über die gesamte Nation und alle Bundesstaaten91. Es gibt auf unterster Ebene die District Courts (sog. Be­ 87 

Art.  III §  1 der U.S.-Verf.; siehe dazu Fulda, Einführung (Teil  1, Fn.  202), S.  22; Early, Courts (Fn.  61), S.  18; Hay, Einführung (Teil  2, Fn.  1034), S.  44; Brugger, Einführung (Teil  2, Fn.  172), S.  14; Blumenwitz, Einführung (Teil  1, Fn.  201), S.  46; D. M. O’Brien, Judicial Re­ view and American Politics. Historical and Political Perspectives, in: ders., Judges (Teil  2, Fn.  163), S.  13 ff. 88  Act of Sept. 24, 1789, 1 Stat. 73 wurde als „a great law“ gefeiert, da es ein stabiles Gerichtssystem schuf, welches nicht nur dem Supreme Court die Überprüfung von Bundes­ recht ermöglichte, sondern darüber hinaus zur Konsolidierung der nationalen Staatsmacht beitragen sollte. – Siehe grundlegend C. Warren, Harvard Law Review 37 (1923), S.  49 ff.; W. Holt, Duke Law Journal 6 (1989), S.  1421 (1478 ff.); mit Blick auf die richterliche Unabhän­ gigkeit G. Casper, The Judiciary Act of 1789 and Judicial Independence, in: M. Marcus (Hrsg.), Origins of the Federal Judiciary. Essays on the Judiciary Act of 1789, 1992, S.  281 ff.; übersichtlich hierzu auch B. Schwartz, A History of the Supreme Court, 1993, S.  14; Carp/ Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  2; Epstein/Walker, Constitutional Law (Teil  2, Fn.  413), S.  63 ff.; Chemerinsky, Jurisdiction (Teil  1, Fn.  210), S.  9 ff. 89  Einzelheiten sind dem Titel 28 U.S.C. zu entnehmen. – Vgl. aus der Literatur im Über­ blick T. Braun, Die Rolle des Federal District Court Judge im Verhältnis zu den Parteien. Dargestellt anhand exemplarisch ausgewählter Befugnisse, 1986, S.  12 f.; Brugger, Einfüh­ rung (Teil  2, Fn.  172), S.  14; instruktiv Oldopp, System (Teil  1, Fn.  210), S.  89; W. F. Murphy u. a., American Constitutional Interpretation, 5.  Aufl. 2014, Appendix A; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  22; Chemerinsky, Jurisdiction (Teil  1, Fn.  210), S.  20 ff. 90 Vgl. Early, Courts (Fn.  61), S.  3; siehe auch im Hinblick auf die Organisation der Ver­ waltung der Gerichte Jacob, Justice (Fn.  57), S.  170 ff. 91 Siehe hierzu Fulda, Einführung (Teil  1, Fn.  202), S.  22; Hay, Einführung (Teil  2 , Fn.  1034), S.  44 ff.; Oldopp, System (Teil  1, Fn.  210), S.  89; Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  29 ff.; Gellner/Kleiber, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  111; Chemerinsky, Jurisdiction (Teil  1, Fn.  210), S.  10 f.; Burnham, Introduction (Teil  2, Fn.  132), S.  183 ff.

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

zirksgerichte92) (aa.), als Berufungsinstanz fungieren die in regionalen Bezirken agierenden (Circuit) Courts of Appeals (bb.) und an oberster Stelle steht der U.S. Supreme Court (cc.). Die geographischen Grenzen der Circuits haben sich logi­ scherweise bis heute häufig verschoben; ihre Anzahl blieb jedoch gleich93. Le­ diglich die Anzahl der Districts ist – dem modernen Gerichtswesen geschuldet – exponentiell gestiegen94.

Die Abbildung zeigt die geographischen Grenzen der Gerichtsbezirke und -kreise in den Vereinigten Staaten, wie sie von 28 U.S.C. §§  41, 81–131 beschrieben werden95. Die großen Nummern geben die Anzahl der Courts of Appeals pro Circuit an. 92  Mit Blick auf die deutsche kommunalrechtliche Verwendung der Begriffe Bezirk und (Land-)Kreis bietet sich die Übersetzung von District als Bezirk und Circuit als Kreis indes­ sen nicht an, da insofern leicht der fälschliche Eindruck entstehen könnte, dass die lokalen District Courts in größeren Gerichtsbereichen agieren als die regionalen Appellationsgerich­ te. Daher wird auf eine Übersetzung der Gerichtsbezeichnungen verzichtet und mit der Ori­ ginalterminologie gearbeitet. 93  Bei den Circuit Courts handelt es sich um die Vorläufer der heutigen Courts of Appeals, vgl. K. L. Lyles, The Gatekeepers. Federal District Courts in the Political Process, 1997, S.  11. Siehe für eine Abbildung sowie Erläuterung zu den ehemaligen Circuits von 1789 R. R. Wheeler/C. Harrison, Creating the Federal Judicial System, 3.  Aufl. 2005, S.  5; siehe hierzu weiterhin Epstein/Walker, Constitutional Law (Teil  2, Fn.  413), S.  66 f. 94  Vgl. hierzu Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  9 f. Zur Bestän­ digkeit der Gerichtsstruktur vgl. Chemerinsky, Jurisdiction (Teil  1, Fn.  210), S.  11. 95  Diese Abbildung findet sich auch auf der Seite des AO, abrufbar unter http://www. uscourts.gov/about-federal-courts/court-role-and-structure (19.3.2020). Vergleichbare Abbil­

B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit

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aa) U.S. District Courts In den District Courts hat ein Verfahren, das in den Zuständigkeitsbereich der Bundesgerichte fällt, regelmäßig seinen Anfang. Der Kongress hat die 50 Bun­ desstaaten, den District of Columbia sowie Puerto Rico in 94 Judicial Districts eingeteilt, wobei jeder „Bezirk“ mit jeweils einem District Court ausgestattet ist96. Zurzeit sind somit 94 District Courts mit insgesamt 663 Richtern einge­ richtet97. Hinzukommen weiterhin die Gerichte der Insularbereiche der Verei­ nigten Staaten, die ebenfalls jeweils einen District Court haben98. Sie folgen zwar bezüglich ihrer Zuständigkeitsverteilung den gleichen Regeln wie die Ar­ tikel III-Gerichte des Bundes, allerdings handelt es sich bei ihnen technisch gesehen nicht um District Courts of the United States, sondern um sog. Artikel IV-Territorialgerichte, die nicht den Schutz sowie die Privilegien der U.S.-Verf. genießen99. Während früher die Grenzen der Gerichtsbezirke üblicherweise an den Staatsgrenzen verliefen, scheint es heute fast so, als würde die Organisation dungen finden sich auch bei Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  10 und Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  182 sowie Blumenwitz, Einführung (Teil  1, Fn.  201), S.  168. 96  Vgl. 28 U.S.C. §  133 (a). Siehe aus der deutschen Literatur hierzu Zätzsch, Unabhängig­ keit (Einl., Fn.  7), S.  25 ff.; Schack, Einführung (Teil  2, Fn.  178), Rn.  5; Hartmann, Regie­ rungssysteme (Teil  2, Fn.  631), S.  131; Oldopp, System (Teil  1, Fn.  210), S.  90; Hübner/ Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  159; Hay, Recht (Teil  1, Fn.  204), Rn.  106. Siehe aus der amerikanischen Literatur Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  35 f.; Lyles, Gate­keepers (Fn.  93), S.  11 ff.; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  173 f.; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  55. – Siehe zur Sonderstellung Puerto Ricos Wright/Kane, Law (Fn.  66), S.  8 f. 97  Siehe zur Aufschlüsselung der Richter in den einzelnen Bezirken in alphabetischen Reihenfolge 28 U.S.C. §  133 (a); aus der Literatur siehe E. C. Surrency, Federal Rules Deci­ sions 40 (1966), S.  139 ff.; Lyles, Gatekeepers (Fn.  93), S.  14. – Die Verteilung der District Courts richtet sich nach der Einwohnerzahl der Bundesstaaten, sodass es in bevölkerungs­ starken Staaten – wie bspw. – zumeist mehrere District Courts gibt. Die Anzahl von Gerich­ ten und Richter hat seit dem Judiciary Act von 1789 stark zugenommen. Vgl. zu den Einrich­ tungsdaten der District Courts in den einzelnen Staaten in alphabetischer Reihenfolge die Zusammenstellung bei C. L. Zelden, The Judicial Branch of Federal Government. People, Process, and Politics, 2007, S. xxix ff. 98  Hierzu zählen die Jungferninseln, Guam und die Nördlichen Marianen. Siehe Carp/ Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  14; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  175; zu den Zuständigkeiten instruktive Unterteilung Wright/Kane, Law (Fn.  66), S.  8 f. 99  Vgl. 48 U.S.C. §  1424 (a) für den District Court of Guam (errichtet durch Pub. L. 512, 64 Stat. 389 Sec. 22 am 1. August 1950), 48 U.S.C. §  1611 (a) für den District Court of the Virgin Islands (begründet durch Pub. L. 517, 68 Stat. 506 Sec. 21 vom 22. Juli 1954, bestätigt durch Pub. L. 98-454, 98 Stat. 1737 vom 5. Oktober 1984) und 48 U.S.C §  1821 (a) für den District Court of the Northern Mariana Islands (errichtet durch Pub. L. 95-157, 91 Stat. 1265 vom 8. November 1977). – Vgl. hierzu Lyles, Gatekeepers (Fn.  93), S.  14; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  164; Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  118.

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

der Districts in geographischer Hinsicht kaum einem Plan folgen, da sie sowohl in Größe als auch in der jeweiligen Einwohnerzahl stark variieren100. In jedem District üben zwischen einem und 28 Richtern die Rechtspre­ chungsfunktion aus. Regelmäßig gehören einem District Court mehrere Richter an101. Bevölkerungsstärkere Districts – wie der Southern District in New York – werden zum Teil weiter unterteilt in sog. Divisions102. Verhandelt wird jedoch zumeist vor einem Einzelrichter103, dem eine Jury beiwohnt, sofern auf diese nicht wirksam verzichtet wurde104. Im Jahre 1903 verabschiedete der Kongress ein Gesetz, das für bestimmte Fälle105 sog. Three-Judge District Courts vorsah, die praktisch kurzfristig (ad hoc) und nur für den einzelnen Fall eingerichtet werden sollten – dies bedeutet, dass jedes Richtergremium sich wieder auflöst, sobald ein Fall entschieden ist106. Nachdem weitere Gesetze den Einsatz der Three-Judges District Courts spezifiziert hatten, kam es zu einer regelrechten Flut an Fällen, die diese Gerichte zu entscheiden hatten107. Infolge aufkommen­ der Kritik beschloss der Kongress bereits 1976, die Three-Judges District Courts bis auf wenige Ausnahmen wieder abzuschaffen108. Neben den District Courts als Courts of General Jurisdiction (Gerichte mit einer generellen Zuständigkeit), die für nahezu alle Fälle der bundesrechtlichen

100  So auch Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  14; zur (geographi­ schen) Entwicklung der District Courts vgl. Lyles, Gatekeepers (Fn.  93), S.  11 ff.; Neubauer/ Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  55. 101  Siehe 28 U.S.C. §  133. 102 Siehe D. P. Kommers/K. C. Gallagher, JöR n. F. 25 (1976), S.  281 (336). 103  28 U.S.C. §  132(c). Zu den Ausnahmen siehe 28 U.S.C. §  2284. 104 Vgl. Early, Courts (Fn.  61), S.  19 f.; Lyles, Gatekeepers (Fn.  93), S.  14; Abraham, Pro­ cess (Teil  1, Fn.  278), S.  176; Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  14 f.; Hay, Recht (Teil  1, Fn.  204), Rn.  106. 105 Bspw. Roe v. Wade, 410 U.S.  113 (1973). 106  Normalerweise wurde diese Richterbank aus zwei Bezirksrichtern und einem Richter vom Court of Appeals gebildet. –Vgl. hierzu Early, Courts (Fn.  61), S.  31 f.; Lyles, Gate­ keepers (Fn.  93), S.  14, 33 Fn.  20; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  176; Zätzsch, Unab­ hängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  25; Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  16; dies./Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  34; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  55 f. 107 Namentlich wurden die Gerichte durch den Civil Rights Act von 1964, den Voting Rights Act von 1965 und der Presidential Election Campaign Fund Act von 1974 ausgebaut. 108 Siehe Lyles, Gatekeepers (Fn.  93), S.  33 Fn.  20; Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  16. – Eine solche Ausnahme findet sich in 28 U.S.C. §  2284, in dessen ersten Absatz es heißt, dass ein Bezirksgericht mit drei Richtern ausgestattet werden soll, wenn ein solches durch ein Gesetz des Kongresses verlangt wird oder wenn ein Prozess sich gegen die Verfassungsmäßigkeit der Aufteilung der Kongressbezirke oder die Auftei­ lung eines staatlichen Gesetzgebungsorgans richtet.

B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit

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Gerichtsbarkeit zuständig sind, gibt es einige spezialisierte Eingangsgerichte109. Da es für den Zugang zu den District Courts kaum inhaltliche Beschränkungen gibt, wird in der ersten Instanz ein Großteil der gerichtlichen Verfahren in einer enormen inhaltlichen Bandbreite verhandelt110. Spezialisierungen sind indessen nicht vorgesehen. Verdeutlichen lässt sich dies anhand folgender Zahlen aus dem Erhebungszeitraum 2015, die bis zum 31. März 2015 verarbeitet worden sind111: Während an den District Courts der Vereinigten Staaten insgesamt knapp 348.000 Klagen eingereicht worden sind, wurden an den Courts of Appeals lediglich 54.000 Fälle anhängig gemacht112. Um die steigende Anzahl an Klagen bewältigen zu können und die zu bearbeitenden Fälle pro Richter auszu­ gleichen, wurde 1968 der Federal Magistrates Act verabschiedet, durch den der Kongress den District Court Richtern sog. Magistrate Judges zur Seite stell­ te113. Ihr Aufgabenspektrum variiert von District zu District und kann teilweise durch den jeweiligen Richter an dem District Court bestimmt werden114. In der Regel übernehmen Magistrate Judges zuarbeitende, ferner auch eigenständige 109 Vgl.

Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  25; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  35 f., 38 f. 110  Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  14 betiteln die District Courts daher recht treffend als „the workhorses of the federal judiciary“; ähnlich auch Early, Courts (Fn.  61), S.  20; Lyles, Gatekeepers (Fn.  93), S.  14 f.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  25. Zur historisch gewachsenen Bedeutung der U.S. District Courts anhand des südlichen Bezirks von Ohio siehe R. S. Alexander, A Place of Recourse. A History of the U.S. District Court for the Southern District of Ohio, 1803–2003, 2005, S.  2 ff. 111  Gem. 28 U.S.C. §  604 (a) (2) hat das AO jedes Jahr zum 31. März einen Bericht über statistische Informationen über die Anzahl von Fällen von den Bundesgerichten für den Zeit­ raum von zwölf Monaten anzufertigen. – Abrufbar sind die Statistiken des AO unter http:// www.uscourts.gov/statistics-reports/analysis-reports/federal-judicial-caseload-statistics (19.3.­2020). 112 Die Zahlen kombinieren Zivil- und Strafsachen. An den District Courts machen durchschnittlich 78  % der Fälle Zivilsachen aus, während die übrigen 22  % durch Criminal Cases gebildet werden. Vgl. hierzu die Statistiken des AO unter http://www.uscourts.gov/ statistics-reports/federal-judicial-caseload-statistics-2015 (9.9.2016). Siehe aus der Literatur Lyles, Gatekeepers (Fn.  93), S.  14 ff. 113  Die sog. Magistrate Judges sind den Legislative Courts zugeordnet und verfügen heu­ te über eine beachtliche Reichweite, sie behandeln eine Vielzahl von Fällen und haben weit­ gehende Zuständigkeiten, siehe hierzu im Detail C. E. Smith, Judicature 71 (1987), S.  143 ff.; ders., Judicature 75 (1992), S.  210 ff.; ders., Self-Interest (Teil  1, Fn.  205), S.  25 ff.; L. R. Dessem, St. John’s Law Review 67 (1993), S.  766 ff.; mit Bezug zu den entschiedenen Fällen Magistrate Judge Division of the Administrative Office of the United States Courts (Hrsg.), A Constitutio­ nal Analysis of Magistrate Judge Authority, 1993, S.  21 ff.; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  39 f.; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  57 f. 114  Smith, Magistrates (Teil  2 , Fn.  485), S.  3 ff., 115 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  26; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  39 f.

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

Funktionen115. Sie genießen allerdings nicht den Schutz des Art.  III §  1 der U.S.Verf.116. Die Tragweite der Rechtsprechung der District Courts erschöpft sich jedoch nicht allein in der hohen Zahl der bewältigten Klagen, die Gerichte spielen im Rahmen ihrer gerichtlichen Arbeit auch eine politische Rolle als Policy-­ Makers117. Im Rahmen des Instanzenzuges kommt den District Courts trotz der rechtlichen Überprüfbarkeit ihrer Entscheidungen eine eigene Bedeutung zu, da nur im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens eine umfangreiche Sach­ verhaltsermittlung erfolgt118. bb) U.S. Courts of Appeals Die Rechtsmittelinstanz der Bundesgerichte wird durch die U.S. Courts of Appeals gebildet, die als Institution im Jahre 1891119 gegründet worden ist, seither in der bundesgerichtlichen Hierarchie unmittelbar über den U.S. District Courts steht und als ausschließliche Rechtsmittelinstanz ohne originäre Zuständigkeit fungiert120. Der Prüfungsumfang der U.S. Courts of Appeals erschöpft sich in­ dessen nicht lediglich in der Durchführung einer Berufung, da es in aller Regel nicht um eine Überprüfung von Tatsachen- oder Rechtsfehler geht121. Vielmehr

115 

Vgl. 28 U.S.C. §  636. Siehe aus der Literatur C. E. Smith, Judicature 75 (1992), S.  210 (214). 116  Siehe zur Amtsdauer 28 U.S.C. §  631 (e). – Siehe zu der verfassungsrechtlichen Debat­ te um die Einführung der Magistrate Judges Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  26; S. H. Wilson, The U.S. Justice System. An Encyclopedia, Bd.  1, 2012, S.  82 f. 117  So auch Carp/Rowland, Policymaking (Teil  2 , Fn.  911), S.  3 ff.; C. K. Rowland, The Fe­ deral District Courts, in: Gates/Johnson, Courts (Teil  1, Fn.  274), S.  61 ff.; Lyles, Gatekeepers (Fn.  93), S.  19 ff.; Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  15 f.; dies./­ Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  37. 118  Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  25 f.; zur Bedeutung der Gerichte im Allge­ meinen auch Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  35 ff. 119  Siehe für eine historische Gründungsübersicht geordnet nach Bezirken Zelden, Judicial Branch (Fn.  97), S. xx ff.; weiterhin aus heutiger Perspektive Carp/Stidham/Manning/­ Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  32. 120  §  28 U.S.C. §  41. Vgl. D. R. Songer, The Circuit Courts of Appeals, in: Gates/Johnson, Courts (Teil  1, Fn.  274), S.  35 ff.; Hay, Einführung (Teil  2, Fn.  1034), S.  45; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  178; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  27 f.; Brugger, Einführung (Teil  2, Fn.  172), S.  14; J. M. Cohen, Inside Appellate Courts: The Impact of Court Organiza­ tion on Decision Making in the United States Courts of Appeals, 2002, S.  21 ff.; Gellner/ Kleiber, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  111. – Siehe zur historischen Entwicklung und den Vorläufern der heutigen Courts of Appeals sehr anschaulich Carp/Stidham/­Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  9 ff. 121  Siehe im Detail Kischel, Rechtsvergleichung (Einl., Fn.  23), §  5 Rn.  103.

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wird eine Überprüfung der zugrundeliegenden Rechtsfragen vorgenommen122. Insofern ist der deutsche Terminus „Berufung“ etwas irreführend123. Obwohl es sich bei den U.S. Courts of Appeals rechtlich betrachtet um eine reine Rechts­ mittelinstanz und nicht die letzte Instanz handelt, enden praktisch gesehen die meisten bundesgerichtlichen Verfahren bereits in dieser Instanz124. Diese Er­ kenntnis deckt sich auch mit der Beobachtung von Howard, die Appellations­ gerichte konzentrierten sich zuvorderst auf die gesetzliche Auslegung sowie administrative Überprüfung und Fehlerkorrektur der Massenrechtsprechung, während sich der U.S. Supreme Court mehr und mehr zu einem Verfassungsge­ richt entwickle125. Knapp 85  % aller bundesgerichtlichen Fälle werden abschlie­ ßend in der Appellationsinstanz entschieden126. Nichtsdestotrotz wird die Be­ deutung der U.S. Courts of Appeals oftmals unterschätzt, wenn man ihr ledig­ lich den Rang einer zwischengeschalteten Instanz beimisst127. Über die Vereinigten Staaten verteilt – und sich meist an den geographischen Grenzen orientierend – existieren 13 Appellationsgerichte128. Elf der insgesamt 13 U.S. Courts of Appeals fassen verschiedene Regionen bzw. Bundesstaaten zusammen129, während das 12. Gericht allein für den District of Columbia zu­ ständig ist130. Das 13. Gericht (Court of Appeals for the Federal Circuit) nimmt 122  Neue Beweise dürfen bspw. nicht eingeführt werden. Siehe Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  22 ff.; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  183. 123  Sehe mit dieser Diagnose Hay, Recht (Teil  1, Fn.  204), Rn.  108; Kischel, Rechtsverglei­ chung (Einl., Fn.  23), §  5 Rn.  103. Siehe zum Prozessverlauf und den Entscheidungsgrund­ lagen Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  181 ff. 124  Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  10 f. konstatiert daher, dass die Courts of Appeals praktisch die Gerichte der letzten Instanz sind, weil dies für die meisten Berufungen auf Bundesebene auch stimmt; gleichsinnig Early, Courts (Fn.  61), S.  33; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  429; J. W. Howard., Courts of Appeals in the Federal Judicial System. A Study of the Second, Fifth, and District of Columbia Circuits, 1981, S.  58 bezeichnet die Courts of Appeals sogar als „mini Supreme Court in the vast ma­ jority of cases“. 125 Vgl. Howard, Courts (Fn.  124), S.  75 f.; ähnlich Carp/Stidham/Manning/Holmes, Pro­ cess (Teil  2, Fn.  909), S.  33 f. 126  Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  179; Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  104; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  28; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  389, 396. 127  Early, Courts (Fn.  61), S.  100; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2 , Fn.  909), S.  33. 128  28 U.S.C. §  41. 129  Siehe zu den jeweils zu einem Bezirk zugehörigen Bundesstaaten 28 U.S.C. §  41 (An­ zahl und Aufteilung der Bezirke). 130 Der District of Columbia wurde als eigenständiger Bezirk im Einklang mit der Recht­ sprechung des U.S. Supreme Courts aufgrund des Transfer Acts vom 14. September 1922 hinzugefügt. Der Court of Appeals in diesem Bezirk verhandelt u. a. auch Streitigkeiten zwi­

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als föderales Berufungsgericht eine Sonderstellung ein: Es befindet sich in dem 1982 eingerichteten Federal District und befasst sich mit (bundesweiten) Beru­ fungen des Claims Court und des Court of International Trade sowie speziellen Berufungen der District Courts, beispielsweise aus dem Bereich des Patent­ rechts131. Die Bezeichnung des Federal Circuits rekurriert insofern auf eine sachliche, nicht auf eine räumliche Zuständigkeit132. Die aktuell 179133 Richter an den 13 U.S. Courts of Appeals, die sog. Circuit Judges müssen – mit Ausnahme der Richter des Districts of Columbia – Einwoh­ ner des zugewiesenen Bezirks sein134. Jedes Gericht besteht aus zwischen vier bis 28 Richtern; die konkrete Anzahl hängt von der jeweiligen Menge der anfal­ lenden Arbeit in dem entsprechenden Bezirk ab135. In der Regel entscheiden die Courts of Appeals in der Besetzung von drei Richtern (Three-Judge Panels), deren Zusammenstellung sich regelmäßig ändert, um ein breites Meinungsspek­ trum abbilden zu können. Lediglich in besonderen Fällen wird „en banc“136 ver­ handelt137. Die Art der Fälle variiert dabei sehr stark, da die Appellationsgerich­ schen Exekutivbehörden. Vgl. S. A. MacManus/C. S. Bullock/D. M. Freeman, Governing a Changing America, 1984, S.  403 f.; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  180; Blumenwitz, Einführung (Teil  1, Fn.  201), S.  46 f.; Gellner/Kleiber, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  111; Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  159. 131  28 U.S.C. §  1292 (c), (d), §  1295. Siehe instruktiv E. K. Pakuscher, GRUR Int. 1990, S.  760 ff.; .; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  178; v. Mehren/Murray, Recht (Teil  2, Fn.  131), S.  158; Schack, Einführung (Teil  2, Fn.  178), Rn.  6; Hay, Recht (Teil  1, Fn.  204), Rn.  107. 132 Siehe so auch Hay, Einführung (Teil  2 , Fn.  1034), S.  46; Carp/Stidham/Manning/­ Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  31. 133  28 U.S.C. §  4 4 (Stand 2016). Eine Auflistung der Anzahl der Richter des AO in den einzelnen Bezirken findet sich unter http://www.uscourts.gov/judges-judgeships/authori­ zed-judgeships/chronological-history-authorized-judgeships-courts-appeals (9.9.2016). Auf­ fällig ist vor allem die mit 29 Richtern im Vergleich zu den übrigen Bezirken knapp doppelte so hohe Anzahl an Richterstellen im 9. Bezirk, die sich vermutlich durch die territoriale Ausdehnung wie die korrespondierende Bevölkerungszahl erklären lässt (Alaska, Arizona, California, Hawaii, Idaho, Montana, Nevada, Oregon, Washington, Guam, Northern Mariana Islands). 134  Siehe hierzu auch Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  181. 135 Vgl. Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  23; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  181. 136  Siehe 28 U.S.C. §  46 (c): En banc-Prozesse werden von allen Richtern eines Circuits zusammen verhandelt und entschieden, um innerhalb des Bezirks und unter den einzelnen Panels Einigkeit sowie Einheitlichkeit zu demonstrieren. Außerdem werden en banc-Kam­ mer bei außergewöhnlich wichtigen Prozessen eingesetzt, siehe aus der Rechtsprechung ­Tinker v. Des Moines Independent Community School District, 393 U.S.  503 (1969); dazu Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  34 f. 137  Siehe zu in den 1960er Jahren aufgekommenen Kritik an der Zuordnung der richter­ lichen Gremien Early, Courts (Fn.  61), S.  111 f.; siehe weiterhin Zätzsch, Unabhängigkeit

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te – im Gegensatz zum U.S. Supreme Court – auf die Zulassung der Fälle zum Gericht keinerlei Einfluss haben138. Zwei Zwecke lassen sich hinsichtlich der gerichtlichen Überprüfung vorangegangener Urteile unterscheiden: Zum einen wird in der Rechtsmittelinstanz die sog. Error Correction (Fehler­korrektur) vor­ genommen, durch die den Richtern der Courts of Appeals praktisch die Aufgabe zukommt, die Leistung der Federal District Courts sowie der nationalen Behör­ den zu überwachen139. In ihrer zweiten Funktion ermitteln die Courts of Appeals die Relevanz solcher Fälle, die für eine weitere Überprüfung durch den U.S. Supreme Court beachtenswert genug sein können140. Im Erhebungszeitraum bis zum 31. März 2015 sind bei den U.S. Courts of Appeals141 insgesamt etwas mehr 54.000 Berufungen eingegangen, wobei ¾ der eingegangenen Fälle Zivilsachen waren und es sich nur bei ¼ der Fälle um straf­ rechtliche Berufungen handelte142. cc) U.S. Supreme Court Der U.S. Supreme Court ist das höchste Gericht in den USA143. Es ist als soge­ nanntes Einheitsgericht zu qualifizieren, das – anders als in den meisten westli­ chen Ländern – die ordentliche Gerichtsbarkeit und die Verwaltungsgerichts­ barkeit mit der Verfassungsgerichtsbarkeit kombiniert144. Nicht nur die Aufga­ (Einl., Fn.  7), S.  28; Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Hay, Einführung Fn.  207), S.  12 f.; Hay, Recht (Hay, Einführung Fn.  204), Rn.  108. 138  Die richterliche Unabhängigkeit wird daher zumeist erst im Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsfindung relevant. Vgl. Early, Courts (Fn.  61), S.  101; Carp/Stidham/Manning/ Holmes, Process (Fn.  909), S.  33. 139  Early, Courts (Fn.  61), S.  105; Zelden, Judicial Branch (Fn.  97), S.  36 f.; Carp/Stidham/ Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  33. 140 Siehe Early, Courts (Fn.  61), S.  101 f.; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  183; Carp/ Stidham/Manning, Federal Courts (Hay, Einführung Fn.  207), S.  10 f.; dies./Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  33, 34. 141  In der Gesamtstatistik sind nur die elf geographischen Bezirke sowie der District of Columbia enthalten. Der 13. Bezirk wird gesondert behandelt und einzeln ausgewertet. 142  Die Zahlen beziehen sich auf die in dem Erhebungszeitraum begonnenen Fälle. Alle Tabellen sind abrufbar unter http://www.uscourts.gov/statistics-reports/federal-judicial-case load-statistics-2015-tables (zuletzt abgerufen am 19.3.2020). 143  Aus der der Fülle an Literatur zum U.S. Supreme Court siehe im ersten Zugriff C. Warren, The Supreme Court in the United States History, Bd.  I: 1789–1821, 1922; P. A. Freund, The Supreme Court of the United States. Its Business, Purposes, and Performance, 1961; B. Kroll, JuS 1987, S.  944 ff.; Schwartz, History (Fn.  88); T. Walker/L. Epstein, The Supreme Court of the United States: An Introduction, 1993; W. H. Rehnquist, The Supreme Court, 2001; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  1 ff., 23 ff.; Wright/Kane, Law (Fn.  66), S.  14 f.; Baum, Supreme Court (Teil  2, Fn.  892), S.  2 ff. 144  So auch H. Kronstein, Die Entwicklung des amerikanischen Verfassungsrechts durch

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

ben und die Besetzung des U.S. Supreme Courts (1) wandelten sich mit der Zeit, insbesondere führt die Normverwerfungskompetenz (2) zu vielschichtigen Pro­ blemen. Im Einzelnen wird überdies eine Politisierung der Justiz moniert (3), die von den Präsidenten im Rahmen ihrer Befugnis zur Richterernennung zum Teil ausgenutzt wurde (5). Überdies führen die weitreichenden Kompetenzen der Richter des U.S. Supreme Courts in Verbindung mit ihrer Lebenszeiternen­ nung zu Defiziten ihrer demokratischen Legitimation (4). Die Ausweitung der Befugnisse ruft überdies ganz allgemeine Kritik an der Organisation am höchs­ ten Gericht in den USA hervor (6). (1) Verfassungsrechtliche Grundlagen: Aufgaben, Funktionen und Besetzung des U.S. Supreme Courts Der U.S. Supreme Court ist das einzige Gericht, das in der Bundesverfassung als Verfassungsorgan explizit erwähnt wird145. Der U.S. Supreme Court wurde gemäß dieser Bestimmung und durch die Kompetenz des Judiciary Acts vom 24. September 1789 (1 Stat. 73) errichtet. Er nahm am. 2. Februar 1790 mit alle­ samt von George Washington ernannten Richtern seinen Betrieb auf146. (a) Aufgaben und Funktionen Im Wesentlichen existieren – vor allem aus amerikanischer Sicht – drei Funk­ tionen des U.S. Supreme Courts: Die Aufrechterhaltung der Vorherrschaft der Verfassung, die Sicherung der Einheit der Gesetzesauslegung von Bundesrecht (durch die untergeordneten Gerichte) und die Lösung von Streitigkeiten zwi­ schen mehreren Bundesstaaten oder zwischen Bundesstaaten und den Vereinig­ ten Staaten147. Letztere Funktion nimmt der U.S. Supreme Court bereits deshalb nur sehr selten wahr, da solche Fälle sehr rar gesät sind148. Vor allem die Erhal­ den Supreme Court, 1972, S.  9; B. Kroll, JuS 1987, S.  944 (944); K.-G. Zierlein, EuGRZ 1991, S.  301 (304). 145  Siehe Art.  I II §  1 der U.S.-Verf. Vgl. im ersten Zugriff zu der Stellung des U.S. Supreme Courts Jacob, Justice (Fn.  57), S.  239 ff.; Hay, Einführung (Teil  2, Fn.  1034), S.  44, 46; siehe auch die umfassenden Beiträge in C. L. Tomlins (Hrsg.), The United States Supreme Court. The Pursuit of Justice, 2005; v. Mehren/Murray, Law (Teil  2, Fn.  132), S.  134 ff., 140 ff. 146  Vgl. ausführlich zur Geschichte des U.S. Supreme Courts sowie zu den anderen Bun­ desgerichten Schwartz, History (Fn.  88); weiterhin Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  2 ff.; P. C. Hoffer/W. Hoffer/N. E. H. Hull, The Federal Courts. An Essen­ tial History, 2016, S.  45 ff. 147 Vgl. Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  189; E. C. Surrency, History of the Federal Courts, 2.  Aufl. 2002, S.  240; v. Mehren/Murray, Law (Teil  2, Fn.  132), S.  137; Chemerinsky, Jurisdiction (Teil  1, Fn.  210), S.  709 f. 148  v. Mehren/Murray, Law (Teil  2 , Fn.  132), S.  137.

B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit

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tung der verfassungsmäßigen Ordnung im Hinblick auf die Aufgabenverteilung der drei Gewalten gilt als eine der wichtigsten Pflichten des höchsten Gerichtes in den USA149. Als zentrale Vorschrift des Zugangs zum U.S. Supreme Court ist Art.  III §  2 Abs.  1 der U.S.-Verf. anzusehen150. Darin ist bestimmt, dass der U.S. Supreme Court in bestimmten Fällen und bei Streitigkeiten zuständig ist, also lediglich Cases and Controversies entscheidet. Diese Begrifflichkeiten sind offen for­ muliert und werden gemeinhin als austauschbar angesehen151. Sie bezeichnen solche Angelegenheiten, bei denen es sich um eine aktuelle, eindeutige und sub­ stantielle Kontroverse zwischen realen Parteien handelt, die gegensätzliche In­ teressen in Bezug auf konkrete rechtliche Probleme verfolgen152. Da es sich beim U.S. Supreme Court nicht um ein originäres Verfassungs­ gericht handelt, entscheiden die Richter nicht nur über Verfahren im Rahmen des Instanzenzuges (bb), sondern haben in seltenen Fällen auch eine erstinstanz­ liche Zuständigkeit (aa). (aa) Original Jurisdiction – Erstinstanzliche Zuständigkeit Die konkreten Zuständigkeiten des Gerichts werden – neben der Verfassung – durch einfaches Gesetz bestimmt153. Verfassungsrechtlich verankert ist ledig­ lich die Original Jurisdiction (erstinstanzliche Zuständigkeit) des U.S. Supreme Courts, die gem. Art.  III §  2 Abs.  2 der U.S.-Verf. in Fällen besteht, in denen Botschafter, andere Diplomaten, Konsuln oder andere Staaten Parteien im Ver­ fahren oder anderweitig berührt sind154. Es ergeben sich hieraus theoretisch vier 149 

Im Detail hierzu siehe v. Mehren/Murray, Law (Teil  2, Fn.  132), S.  137, 138 ff. Vgl. zu den allgemeinen Voraussetzungen des Zugangs zum Supreme Court Lorz, In­ terorganrespekt (Teil  2, Fn.  451), S.  392. 151 Siehe Lorz, Interorganrespekt (Teil  2 , Fn.  451), S.  392; Hoff, US-Supreme Court (Einl., Fn.  18), S.  298 f.; K. L. Shell, Der Oberste Gerichtshof und das Rechtswesen, in: P. Lösche/­ H. D. v. Loeffelholz (Hrsg.), Länderbericht USA, 5.  Aufl. 2008, S.  246 (247); v. Mehren/­ Murray, Law (Teil  2, Fn.  132), S.  138; Wright/Kane, Law (Fn.  66), S.  61 ff.; Sullivan/Feldman, Constitutional Law (Teil  2, Fn.  451), S.  34 ff. – Allgemein zu den Begriffen O’Brien, Storm (Teil  2, Fn.  914), S.  172 ff. 152  Aetna Life Insurance Co v. Haworth, 300 U.S.  227 (1937), 240 f.: „The controversy must be definite and concrete, touching the legal relations of parties having adverse legal in­ terests.“ Siehe auch K. Heller, EuGRZ 1985, S.  685 (690); Currie, Verfassung (Teil  2, Fn.  589), S.  18 f.; Lorz, Interorganrespekt (Teil  2, Fn.  451), S.  392; v. Mehren/Murray, Law (Teil  2, Fn.  132), S.  138. 153  Siehe Rule 17 der Rules of the Supreme Court of the United States. Übertragung und Überwachung der Zuständigkeiten des U.S. Supreme Courts sind unter anderem festgelegt in 28 U.S.C. §§  1251 ff. Beachte außerdem den 11. Zusatzartikel der U.S.-Verf. Siehe Hay, Ein­ führung (Teil  2, Fn.  1034), S.  44; O’Brien, Storm (Teil  2, Fn.  914), S.  168 ff. 154  Siehe 28 U.S.C. §  1251. Vgl. Hay, Einführung (Teil  2 , Fn.  1034), S.  4 4; Abraham, Pro­ 150 

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

mögliche und sehr seltene Fall-Kategorien: Streitigkeiten zwischen den Verei­ nigten Staaten und einem der Bundesstaaten, zwischen einem oder mehreren Bundesstaaten155, zwischen einem Staat und dem Bürger eines anderen Staates oder einem Ausländer oder einem fremden Land und Streitigkeiten mit Beteili­ gung ausländischer Botschafter156. Originäre und ausschließliche Zuständigkeit hat der U.S. Supreme Court allerdings nur im zweiten Fall, mithin bei Streitig­ keiten zwischen zwei oder mehr Bundesstaaten157. Die Streitigkeiten treten sel­ ten auf und betreffen zumeist nur eigentümliche thematische Konstellationen158. Die anderen Fälle originärer Zuständigkeit können auch vor den Federal District Courts verhandelt werden, was dazu führt, dass der U.S. Supreme Court in solchen Fällen selten seine erstinstanzliche Zuständigkeit akzeptiert159. Eine Einschränkung der erstinstanzlichen Zuständigkeit widerfährt dem U.S. Supreme Court durch den 11. Zusatzartikel160. Er entzieht den Bundesgerichten die Zuständigkeit für Klagen eines Bürgers gegen die Regierung eines Einzel­ staates161.

cess (Teil  1, Fn.  278), S.  187 ff.; Brugger, Einführung (Teil  2, Fn.  172), S.  15 sowie Lorz, Inter­ organrespekt (Teil  2, Fn.  451), S.  393 ff.; Wright/Kane, Law (Fn.  66), S.  808 ff.; Chemerinsky, Jurisdiction (Teil  1, Fn.  210), S.  711 ff. 155  So bspw. Arizona v. California, 373 U.S.  546 (1963); siehe für Details K. Heller, Eu­ GRZ 1985, S.  685 (691). 156 Siehe Early, Courts (Fn.  61), S.  4 4; Wasby, Supreme Court (Teil  2 , Fn.  406), S.  72; ­Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  188; O’Brien, Storm (Teil  2, Fn.  914), S.  168 f.; ­Chemerinsky, Jurisdiction (Teil  1, Fn.  210), S.  712 ff. 157  Vgl. 28 U.S.C. §  1251. Siehe hierzu auch J. E. Pfander, California Law Review 82 (1994), S.  555 (557 f.); Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  187 ff.; Brugger, Einführung (Teil  2, Fn.  172), S.  15; allgemein J. F. Zimmermann, Interstate Disputes: The Supreme Court’s Original Jurisdiction, 2006, S.  25 ff.; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  27; Baum, Supreme Court (Teil  2, Fn.  892), S.  9. 158  Konkret handelt es sich hierbei zum einen um Grenzfragen zwischen zwei Staaten, vgl. hierzu Louisiana v. Mississippi, 466 U.S.  96 (1984); auf diesen Zuständigkeitsbereich berief sich der U.S. Supreme Court erstmals in New Jersey v. New York, 30 U.S. (5 Pet.) 284 (1831). Zum anderen sind hier Streitigkeiten um die zwischenstaatliche Wasserverteilung zu nennen, vgl. den Präzedenzfall hierzu Kansas v. Colorado, 185 U.S.  125 (1902). Weiterhin fallen unter diese Fallgruppe zuweilen Streitigkeiten über die Belastungen zwischenstaatli­ chen Handelns und über die Interpretation zwischenstaatlicher Abkommen. – Siehe hierzu J. E. Pfander, California Law Review 82 (1994), S.  555 (557). 159  Nicht selten geschieht dies aus praktischen Erwägungen mit Blick auf eine ansonsten überhöhte Arbeitsbelastung. Siehe Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  28; Nowak/­ Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  27; Wright/Kane, Law (Fn.  66), S.  808 ff., 817 ff. 160  Zu dem Zusammenspiel der Zuständigkeit des U.S. Supreme Courts und dem 11. Zu­ satzartikel siehe Hoff, US-Supreme Court (Einl., Fn.  18), S.  222 ff. 161  Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  48 ff.

B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit

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(bb) Appellate Jurisdiction – Rechtsmittelzuständigkeit Das Gericht übt weiterhin für alle anderen in Art.  III §  2 Abs.  1 der U.S.-Verf. genannten Fälle eine Rechtsmittelzuständigkeit aus. Sie ergibt sich in zwei Kon­ stellationen: Durch direkte Berufung und nach eigenem Ermessen als Writ of Certiorari162. Die erste Berufungsmöglichkeit ist die Regel und erstreckt sich nicht nur auf die rechtliche Würdigung, sondern umfasst auch die Tatsachenbe­ urteilung, deren Umfang durch Gesetz festgelegt wird163. Ein Right of Appeal (Anrecht auf Gehör) besteht für die unterlegene Partei der Vorinstanz nur in seltenen Fällen164. Trotz dieser grundlegenden Verbürgung, ist es dem U.S. Supreme Court unbenommen, von dem Rechtsmittelführer eine dezidierte rechtliche Stellungnahme zu verlangen165. Beachtenswert ist, dass eine Partei, die das Urteil eines untergeordneten Bun­ desgerichtes anderweitig anfechten möchte, hierauf in den meisten Fällen kein durchsetzungsfähiges Anrecht mehr hat, sondern lediglich das Begehren in Form eines „Petition for Writ of Certiorari“ einreichen kann, über dessen An­ nahme der U.S. Supreme Court dann nach eigenem Ermessen166 entscheidet167. 162 Vgl. Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  28 f.; Wright/Kane, Law (Fn.  66), S.  10 ff. Zur Abgrenzung beider Rechtsmittelzuständigkeiten siehe H. M. Hart, Harvard Law Review 73 (1959), S.  84 (88 ff.); Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  29 ff.; Chemerinsky, Jurisdiction (Teil  1, Fn.  210), S.  720 ff. 163 Ähnlich Hay, Einführung (Teil  2 , Fn.  1034), S.  46; Wright/Kane, Law (Fn.  66), S.  10. 164  Siehe Rules 18–20 der Rules of the Supreme Court of the United States. Vgl. aus der Literatur Hay, Einführung (Teil  2, Fn.  1034), S.  46; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  180 f.; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  28. – Der U.S. Supreme Court widmet sich zum einen Berufungen des Three-Judges District Courts (28 U.S.C. §  1253), weiterhin Beru­ fungen der U.S. Courts of Appeals (28 U.S.C. §  1254), darüber hinaus werden aber auch Fälle der obersten Staatengerichte unter der Voraussetzung des 28 U.S.C. §  1257 überprüft. Dies sind üblicherweise Entscheidungen der Supreme Courts der Einzelstaaten, zum Teil aber auch eines Appellationsgerichts oder sogar eines Eingangsgerichts, sofern das Urteil nach dem Staatsrecht endgültig ist und nicht durch ein einzelstaatliches Berufungsgericht überprüft werden kann. Siehe hier nur Grovey v. Townsend, 295 U.S.  45, 47 (1935); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  28 f.; Wright/Kane, Law (Fn.  66), S.  781 ff.; siehe auch das 3.  Kapitel von S. M. Shapiro u. a., Supreme Court Practice, 10.  Aufl. 2013. 165  Vgl. Rule 18.3 der Rules of the Supreme Court of the United States. Da entgegen des teleologischen Anscheins eines „Rechts“ auf Gehör eine Beurteilung des U.S. Supreme Courts anhand der Tragweite des Falles erfolgt, klingt vereinzelt Kritik an der Vorgehens­ weise des Gerichts an, vgl. H. M. Hart, Harvard Law Review 73 (1959), S.  84 (88 f.); Nowak/ Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  30 f.; Wright/Kane, Law (Fn.  66), S.  799 ff. 166  Die Entscheidung erfolgt nach Wichtigkeit und Dringlichkeit der zu entscheidenden Frage, soweit die zu behandelnden Fragen über die konkreten Interessen der Beteiligten hin­ ausgehen. Siehe hierzu Hay, Einführung (Teil  2, Fn.  1034), S.  46. 167  Dies ist seit dem Judiciary Act von 1925 sowie dem Supreme Court Case Selection Act von 1988 der Fall. Zu der Zuständigkeit des U.S. Supreme Courts bei einem Writ of Certiora-

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

Die Partei muss also zumeist durch einen Antrag um Revision ersuchen, der nur angenommen wird, wenn mindestens vier Richter diesen unterstützen (Rule of Four)168. Zulässigkeitsmerkmale eines Berufungsgesuchs sind gesetzlich nir­ gends verankert169. Es muss ein übergeordneter Zweck vorliegen, denn Certiorari wird zuvorderst für das öffentliche Interesse gewährt und nicht, damit eine Partei in einem bestimmten Fall schlicht zu ihrem Recht findet170. Eine ähn­liche Vorgehensweise hat sich ferner für die Fälle eines Rights of Appeal entwickelt. Der U.S. Supreme Court prüft inzwischen akribisch, ob er eine solche Berufung annimmt oder nicht171. Dies läuft dem eigentlichen Zweck des „Rechts“ auf eine Berufung entgegen172. Unterschiede zwischen dem Right of Appeal und dem Certiorari-Verfahren zeigen sich indessen noch im Hinblick auf die Präjudiz­ wirkung der ergangenen Annahme- bzw. Ablehnungsentscheidung des U.S. ­Supreme Courts, da die Ansicht der Eignung eines Appeals eine bindende Wir­ kung für untergeordnete Gerichte entfaltet173. ri siehe Rules 10–16 der Rules of the Supreme Court of the United States. Vgl. Early, Courts (Fn.  61), S.  141 ff.; D. L. Shapiro, N.Y.U. Law Review 60 (1985), S.  543 (562 ff.); J. Wieland, Der Staat 29 (1990), S.  333 (344 ff.); Hay, Einführung (Teil  2, Fn.  1034), S.  46; M. M. Cordray/R. Cordray, Washington University Law Quarterly 82 (2004), S.  389 ff.; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  29; Schack, Einführung (Teil  2, Fn.  178), Rn.  7; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  421 ff. 168 Vgl. B. Kroll, JuS 1987, S.  944 (946); Hay, Einführung (Teil  2 , Fn.  1034), S.  46; S. Brenner, Southeastern Political Review 21 (1993), S.  841 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  28; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  34 f.; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  421 f.; J. P. Stevens, Deciding What to Decide. The Docket and the Rule of Four, in: O’Brien, Judges (Teil  2, Fn.  163), S.  135 ff. 169  Rule 10 der Rules of the Supreme Court of the United States: „Review on a writ of certiorari is not a matter of right, but of judicial discretion.“ Siehe B. Kroll, JuS 1987, S.  944 (946); mit rechtsvergleichenden Hinweisen zu Art.  93 Abs.  1 Nr.  4a GG Hay, Einführung (Teil  2, Fn.  1034), S.  46; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  29. 170  Siehe beispielhaft Ticor Title Insurance Co. v. Brown, 511 U.S.  117, 122 (1994) (per curiam): „to achieve justice in this particular case […] is ordinarily not sufficient reason for our granting certiorari even when unnecessary constitutional pronouncements are not in the picture.“ Aus der Literatur Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  29. 171 Der U.S. Supreme Court berücksichtigt bei seiner Entscheidung prozessuale, aber auch inhaltliche Fragen, sodass schließlich – ähnlich dem Certiorari – die Tragweite des Falles für die bundesrechtliche Jurisprudenz zum ausschlaggebenden Parameter für die Annahme ei­ ner Berufung wird. Zu vergleichen sind an dieser Stelle Rule 18.3 und Rule 14 der Rules of the Supreme Court of the United States. Siehe so auch Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  30. Siehe weiterhin zu dem Erfordernis einer „substantial federal question“ Ohio ex rel. Eaton v. Price, 360 U. S.  246, 247 (1959). 172 Vgl. Brugger, Einführung (Teil  2 , Fn.  172), S.  17 mit Bedenken hinsichtlich einer funk­ tionierenden Grundrechtskontrolle Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  29 f. mit Ver­ weis auf die Entscheidung Ticor Title Insurance Co. v. Brown 511 U.S.  117, 122 (1994). 173  Hicks v. Miranda, 422 U.S.  332, 344 (1975).

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Nicht nur an der Bedeutsamkeit einer Klage kann jedoch die Annahmeent­ scheidung des Gerichts scheitern: Eine weitere Möglichkeit des U.S. Supreme Courts, seine Jurisdiktion über eine Fallkonstellation abzulehnen, liegt überdies in der Political Question Doctrine174. Was vor diesem Hintergrund als „poli­ tisch“ zu qualifizieren ist, lässt sich indessen nur schwer bestimmen175. Wenn­ gleich die politische Bedeutsamkeit eines Falles je nach Einzelfall zu beurteilen ist, haben sich seit der Entscheidung Baker v. Carr zumindest hilfreiche Fall­ gruppen herausgebildet, die dem U.S. Supreme Court als Anhaltspunkt die­ nen176. Die Überprüfung gewisser Entscheidungen ist nahezu vollständig der Einschätzung der Richter am U.S. Supreme Court überlassen. Es deutet sich hier nicht nur eine Flexibilität, sondern auch eine nicht unerhebliche Unbere­ chenbarkeit an177. Nicht nur dieser Umstand hat der Political Question Doctrine deutliche Kritik eingebracht178. Interessant ist für die vorliegende Untersuchung insbesondere, dass verbreitet angenommen wird, auch das Impeachment-Ver­ fahren gegen Richter stelle eine Fallgruppe der Political Question Doctrine dar179. Für das Bedürfnis einer Political Question Doctrine sprechen daher ins­ 174  Einen guten Überblick verschafft bereits Currie, Verfassung (Teil  2 , Fn.  589), S.  20; E. Chemerinsky, Constitutional Law, 4.  Aufl. 2013, S.  91 ff.; aus rechtsvergleichender Per­ spektive siehe J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, 2003, S.  429 ff. 175  Mit frühen, zum Teil brauchbaren Definitionsansätzen E. S. Corwin (Hrsg.), The Con­ stitution of the United States of America. Analysis and Interpretation. Annotations of Cases decided by the Supreme Court of the United States to June 30, 1952, 1953, S.  546 f.; J. W. Peltason, Federal Courts in the Political Process, 1955, Nachdr. 1967, S.  10. 176  Baker v. Carr, 369 U.S.  186, 211 (1962). Siehe hierzu Hoff, US-Supreme Court (Einl., Fn.  18), S.  333 ff.; K. Heller, EuGRZ 1985, S.  685 (690 f.); Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  397 ff.; M. Paus, Der U.S. Supreme Court als „Hüter des Kongresses“?, 2015, S.  184 ff.; Epstein/Walker, Powers (Teil  2, Fn.  570), S.  95 ff.; kritisch zur Nützlichkeit dieser Fallgrup­ penorientierung Chemerinsky, Principles (Teil  2, Fn.  158), S.  136 ff. Mit anderen möglichen Einteilungen der Fallgruppen F. W. Scharpf, Grenzen der richterlichen Verantwortung. Die Political-Question-Doktrin in der Rechtsprechung des amerikanischen Supreme Court, 1965, S.  15 ff., 155 ff., 225 ff. sowie Rotunda/Nowak, Treatise (Teil  2, Fn.  955), S.  281 ff. – Mit Kritik R. Berger, Impeachment. The Constitutional Problems, 1973, S.  108 ff. 177  Siehe zu dieser Einschätzung Hoff, US-Supreme Court (Einl., Fn.  18), S.  346 f. 178  Zur Kritik instruktiv Chemerinsky, Principles (Teil  2 , Fn.  158), S.  139 f. – Die Versu­ che der amerikanischen Verfassungsliteratur zur Vereinheitlichung des Begriffes der Political Question Doctrine und der in diesem Zusammenhang geführte Theorienstreit werden brauchbar zusammengefasst von Hoff, US-Supreme Court (Einl., Fn.  18), S.  340 ff. Interes­ sant ist, dass vor diesem Hintergrund die Countermajoritarian Difficulty eine Rolle spielt und insofern zum Teil für eine zurückhaltende Rolle der (demokratisch nicht ausreichend legitimierten) Richter bei der Frage der Political Question plädiert wird, vgl. hierzu Bickel, Branch (Teil  2, Fn.  451), S.  183 ff. Siehe zur Countermajoritarian Difficulty ausführlich Kap.  3 B. II. 1. a) cc) (4). 179  Aus der Literatur vgl. M. J. Gerhardt, Duke Law Journal 44 (1994), S.  231 (234 f.);

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

besondere Fälle, in denen das oberste Gericht der Vereinigten Staaten im Eigen­ interesse handeln würde und sich die Richter bei der Annahme zu Entscheidung einer Kollusionsgefahr aussetzen müssten180. Die originäre Aufgabe wird durch dieses besondere Zuständigkeitserfordernis nicht unterlaufen. Es wird vielmehr sichergestellt, dass im Zweifelsfall diejenige Staatsgewalt über einen Streit ent­ scheidet, welche die größte Sachkompetenz aufweist181 – und dies ist nicht in jedem Fall der U.S. Supreme Court selbst. (b) Besetzung Über die konkrete Besetzung der Richterbank enthält die U.S.-Verf. keinerlei Vorgaben. Sie ergibt sich daher aus dem einfachen Recht182. Der U.S. Supreme Court besteht heute – nach einer im Laufe der Geschichte variierenden Beset­ zung von sechs bis zu zehn Richtern183 – aus neun Richterinnen und Richtern, die der Präsident „mit dem Rat und der Zustimmung des Senats“ ernennt184. Das Gericht trifft seine Entscheidungen mehrheitlich. Von der Mehrheit abweichen­ de Minderheitsauffassungen werden mit der Urteilsbegründung als „Dissenting Opinion“ veröffentlicht185.

E. Chemerinsky, University of Colorado Law Review 65 (1994), S.  849 (855). – A. A. Berger, Impeachment (Fn.  176), S.  103 ff. (insbes. S.  111 ff.). 180  Unter diese Kategorien fallen vor allem Amtsenthebungsprozesse gegen Richter, so bspw. Nixon v. United States, 506 U.S.  224 (1993). Siehe hierzu L. H. Tribe, Constitutional Choices, 1985, S.  22 f.; Chemerinsky, Constitutional Law (Fn.  174), S.  110 ff.; ders., Principles (Teil  2, Fn.  854), S.  155 f. 181 Gleichsinnig F. W. Scharpf, Yale Law Review 75 (1966), S.  517 (566 f.); Hoff, US-Sup­ reme Court (Einl., Fn.  18), S.  349. Für weitere Argumente für das Erfordernis einer Political-Question Doctrine siehe Choper, Judicial Review (Teil  2, Fn.  458), S.  378 f.; Chemerinsky, Jurisdiction (Teil  1, Fn.  210), S.  157 ff. 182  Hay, Einführung (Teil  2 , Fn.  1034), S.  4 4; Wright/Kane, Law (Fn.  66), S.  14. 183  Siehe Act of Mar. 3, 1863, ch. 100, 12 Stat. 784 (zehn Richter); Act of July 23, 1866, ch. 210, 14 Stat. 209 (sieben Richter); Act of Apr. 10, 1869, ch. 22, 16 Stat. 44 (neun Richter – seither unverändert). Vgl. Baum, Supreme Court (Teil  2, Fn.  892), S.  12 f. 184  28 U.S.C. §  1; C. E. Hughes, The Supreme Court of the United States, 7.  Aufl. 1966, S.  42; B. Kroll, JuS 1987, S.  944 (945); Hay, Einführung (Teil  2, Fn.  1034), S.  44; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  186; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  28; Chemerinsky, Jurisdiction (Teil  1, Fn.  210), S.  21 f. 185  Vgl. zum Begriff und der Verwendung Hay, Einführung (Teil  2 , Fn.  1034), S.  46; Byrd, Einführung (Teil  1, Fn.  207), S.  381. Siehe zum Vorkommnis der Dissenting Opinions in den Entscheidungen des U.S. Supreme Courts, The Supreme Court, 2015 Term: The Statistics, in: Harvard Law Review 129 (2015), S.  381 ff.; die Statistiken von 2017 sind abrufbar unter ­https://harvardlawreview.org/2017/11/supreme-court-2016-term-statistics/ (19.3.2020).

B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit

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(2) Historische Entwicklung und Judicial Review bis hin zu Marbury v. Madison Dem U.S. Supreme Court kommt zwar kraft der ihm übertragenen Befugnis zur authentischen Auslegung der Bundesverfassung und verfassungsrechtlichen Kontrolle der Judikativ- und Exekutivakte keine Vormachtstellung zu. Ihm ist jedoch im Rahmen der Dreiteilung der Gewalten die vollständige Gleichberech­ tigung mit der Legislative und Exekutive durch das Recht zur Judicial Review eingeräumt186. Insbesondere die Mahnung der Verquickung der richterlichen Gewalt mit den anderen Staatsgewalten bei Montesquieu ermöglichte es dem U.S. Supreme Court, zu einer gleichwertigen Macht neben der Legislative sowie der Exekutive heranzuwachsen187, nachdem vor allem die Legislative zu Beginn der amerikanischen Verfassungsgeschichte im späten 18.  Jahrhundert zunächst ein machtpolitisches Übergewicht für sich beanspruchte188. Was in Deutschland mit dem Bundesverfassungsgericht als eine Selbstver­ ständlichkeit angesehen wird, muss beim U.S. Supreme Court näher beleuchtet werden: Die verfassungsgerichtliche Konkretisierung und Ausfüllung sowie die Interpretation von Verfassungsnormen, die in einem richterlichen Prüfungs­ recht einfach-gesetzlicher Vorschriften mündet189. Die Frage, inwieweit das ei­ gentliche Metier der Legislative durch verfassungsgerichtliche Kontrolle beein­ flusst werden kann, ohne dass der Grundsatz der Gewaltenteilung beeinträchtigt wird, ist beständiger Gegenstand von Diskussionen im amerikanischen Verfas­ sungsrecht190. Seine enorme Wichtigkeit spiegelt sich auch in folgendem be­ rühmten Zitat wider: „We are under a Constitution, but the Constitution is what the judges say it is, and the judiciary is the safeguard of our liberty and of our

186 Gleichsinnig C. J. Kluger, JR 1951, S.  268 (270); Kronstein, Entwicklung (Fn.  144), S.  14 f.; B. Kroll, JuS 1987, S.  944 (944). 187  B. Kroll, JuS 1987, S.  944 (944); Hwang, Jurisdiktionsstaat (Einl., Fn.  18), S.  49. 188  Vgl. zu dieser Einschätzung B. Maaßen, Der U.S.-Supreme Court im gewaltenteilen­ den amerikanischen Regierungssystem (1787–1972), 1977, S.  22. 189  Zu unterscheiden ist dieses Thema von der auch bereits den unteren Bundesgerichten zukommenden Kompetenz zum Eingriff in die gesetzgebende Tätigkeit, was in Deutschland lediglich als Normverwerfungskompetenz im Wege der verfassungsgerichtlichen Normen­ kontrolle dem Bundesverfassungsgericht obliegt. – Siehe Brugger, Einführung (Teil  2, Fn.  172), S.  7 f.; Sullivan/Feldman, Constitutional Law (Teil  2, Fn.  451), S.  16 ff.; aus rechts­ vergleichender Perspektive Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  618 f. 190  Im Überblick vgl. B. Kroll, JuS 1987, S.  944 ff.; aus der amerikanischen Literatur siehe bspw. R. Berger, Congress v. the Supreme Court, 1969 sowie W. E. Nelson, University of Pennsylvania Law Review 120 (1972), S.  1166 ff. – Zur Judicial Review an den Staatengerich­ ten in den USA mit Blick auf New Jersey als „The First State Court Precedent for Judicial Review“ siehe Gerber, Power (Teil  2, Fn.  52), S.  225 ff.

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

property under the Constitution.“191 Eine eindeutige Berechtigung zur Klärung von Verfassungsfragen ergibt sich aus Art.  III §  2 der U.S.-Verf. jedoch nicht192 , sodass sich historisch betrachtet bis ins späte 18.  Jahrhundert ein eindeutiges Recht zur verfassungsgerichtlichen Kontrolle noch nicht durchsetzen konnte193. (a) Historische Betrachtung: Die Anfänge der Judicial Review in den USA Das Normenkontrollprinzip trat in England bereits im frühen 17.  Jahrhundert auf, obwohl sich eine solche Doktrin im Königreich zunächst nicht vollends etablierte194. In der amerikanischen Kolonialzeit gab es indessen in den Neu­ englandstaaten195 Vorläufer einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle. Dies war ferner Gegenstand der Ratifizierungsgespräche der neuen amerikanischen Ver­ fassung196. Wenngleich einige Gründungsväter die Rolle als höchstes Gericht und Verfassungsinterpret als notwendig erachteten, waren sie sich dennoch der 191 

C. E. Hughes, Speech before the Elmira Chamber of Commerce, May 3, 1907, in: J. G. Schurman (Hrsg.), Addresses and Papers of Charles Evans Hughes, Governor of New York, 1906–1908, 1908, S.  133 (139). Hierauf nimmt auch Bezug Berger, Impeachment (Fn.  176), S.  103 ff. 192  K. L. Shell, Der Oberste Gerichtshof, in: Jäger/Haas/Welz, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  171 (171). 193  Im Überblick hierzu Brugger, Einführung (Teil  2 , Fn.  172), S.  8. Zu den Ursprüngen der Judicial Review vgl. im ersten Zugriff M. S. Bilder, Idea or Practice. A Brief Historiogra­ phy of Judicial Review, in: J. E. Zelizer/B. J. Schulman (Hrsg.), The Constitution and Public Policy in U.S. History, 2009, S.  6 ff.; siehe Chemerinsky, Principles (Teil  2, Fn.  158), S.  35 ff. 194  Im Jahre 1608 urteilte Sir Edward Coke im Bonham’s Case, dass Gesetze, die nicht im Einklang mit dem Common Law stünden, als verfassungswidrig anzusehen seien. Siehe so auch E. S. Corwin, Harvard Law Review 42 (1929), S.  365 (367 ff.); C. Starck, Der demokra­ tische Verfassungsstaat: Gestalt, Grundlagen, Gefährdungen, 1995, S.  53 ff.; P. Unruh, Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes, 2002, S.  108 f. – Allgemein zu den Ursprüngen der Judicial Review siehe L. D. Kramer, The People Themselves. Popular Constitutionalism and Judicial Review, 2004, S.  35 ff. 195  Bspw. entschied der Supreme Court of Virginia im Jahre 1766 bereits – wie dies auch in weiteren britischen Kolonien geschah –, dass die Bürger des Staates Virginia an solches Recht nicht gebunden sein sollen, das man für verfassungswidrig hielt, siehe hierzu E. S. Corwin, The Doctrine of Judicial Review. Its Legal and Historical Basis and other Essays, 1914, Nachdr. 1999, S.  31 f.; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  334 f.; Unruh, Verfas­ sungsbegriff (Fn.  194), S.  109; E. E. Slotnick, The Place of Judicial Review in the American Tradition. The Emergence of an Election Power, in: ders. (Hrsg.), Judicial Politics. Readings from Judicature, 3.  Aufl. 2005, S.  2 (4 f.). 196  Doch blieb das richterliche Prüfungsrecht zunächst nicht widerstandslos, zumal die Reichweite eines Prüfungsrechts weitestgehend ungeklärt war. Vgl. Corwin, Judicial Review (Fn.  195), S.  31 f.; R. L. Clinton, Marbury v. Madison and Judicial Review, 1989, S.  43 ff.; Brugger, Einführung (Teil  2, Fn.  172), S.  8; Slotnick, Judicial Review (Fn.  195), S.  4; Nowak/ Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  10 ff.; Sullivan/Feldman, Constitutional Law (Teil  2, Fn.  451), S.  13 f.

B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit

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Bedeutung nicht uneingeschränkt bewusst, die der U.S. Supreme Court als Ver­ fassungsgericht noch erlangen würde197. Auch in den Federalist Papers war das richterliche Prüfungsrecht angelegt198. Die Entwicklung einer ausgeprägten Verfassungsgerichtsbarkeit nahm ihren Anfang mithin nicht erst in der Ent­ scheidung Marbury v. Madison. Hierin liegt vielmehr ihre endgültige Inthroni­ sation199. Bedeutungszuwachs und allgemeine Akzeptanz allerdings gewann die Doktrin der Judicial Review erst unter Chief Justice Marshall200. (b) Der Einfluss von Chief Justice Marshall: Marbury v. Madison Bei der Entscheidung Marbury v. Madison201 handelt es sich um die tragende Leitentscheidung im Hinblick auf die Perpetuierung der Judicial Review im amerikanischen Verfassungsgeschehen 202. 197  In

diese Richtung gehen auch die Ausführungen bei R. K. Carr, The Supreme Court and Judicial Review, 1942, Nachdr. 1970, S.  45 ff.; siehe auch Slotnick, Judicial Review (Fn.  195), S.  4 f. sowie v. Mehren/Murray, Law (Teil  2, Fn.  132), S.  140 f. – Siehe zu der An­ nahme, die Verfassungsväter hätten beabsichtigt, eine Kompetenz zur richterlichen Überprü­ fung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zu schaffen H. Wechsler, Harvard Law Review 73 (1959), S.  1 (3 ff.). 198  Unterstützung fand der Gedanke der Judicial Review durch Alexander Hamilton, John Jay und James Madison. Insbesondere finden sich Anklänge der Judicial Review in Federalist Nos. 78 und 81. In erster Linie gilt Hamilton als Befürworter des richterlichen Prüfungs­ rechts, da eine Übermacht der dritten Gewalt aufgrund der schwachen Stellung der Justiz nicht zu befürchten sei, vgl. Hamilton, No.  78 (Teil  2, Fn.  449), S.  456 ff. Dazu auch L. W. Levy, Judicial Review, History, and Democracy: An Introduction, in: ders. (Hrsg.), Judicial Review and the Supreme Court. Selected Essays, 1967, S.  1 (6 f.); C. Wolfe, The Rise of Mo­ dern Judicial Review. From Constitutional Interpretation to Judge-Made Law, 1994, S.  76 ff.; O. Lepsius, AöR 120 (1995), S.  455 ff.; Sullivan/Feldman, Constitutional Law (Teil  2, Fn.  451), S.  16 f. 199  Zu dieser Wortwahl Brugger, Grundrechte (Teil  2 , Fn.  161), S.  5. Weiterhin findet sich eine ähnliche Einschätzung bei G. Stourzh, Vom Widerstandsrecht zur Verfassungsgerichts­ barkeit. Zum Problem der Verfassungswidrigkeit im 18.  Jahrhundert, in: ders. (Hrsg.), Wege zur Grundrechtsdemokratie. Studien zur Begriffs- und Institutionengeschichte des liberalen Verfassungsstaates, 1989, S.  33 (37); Unruh, Verfassungsbegriff (Fn.  194), S.  109; W. Heun, Der Staat 42 (2003), S.  267 (278 ff.). 200  Schwartz, History (Fn.  88), S.  32 ff.; Slotnick, Judicial Review (Fn.  195), S.  4 f.; Bilder, Idea (Fn.  193), S.  7. 201  5 U.S. (1 Cranch) 137 (1803). Mit Erläuterungen zur Zitation siehe Sullivan/Feldman, Constitutional Law (Teil  2, Fn.  451), S.  2 ff. 202  Siehe instruktiv zum historischen Hintergrund der Entscheidung W. W. Van Alstyne, Duke Law Journal 18 (1969), 1 ff.; Clinton, Marbury v. Madison (Fn.  196), S.  81 ff.; Wolfe, Rise (Fn.  198); G. S. Wood, Washington and Lee Law Review 56 (1999), S.  787 ff.; Brugger, Einführung (Teil  2, Fn.  172), S.  8; W. Heun, Der Staat 42 (2003), S.  267 ff.; W. Hoffmann-Riem, German Law Journal 5 (2004), S.  685 ff.; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  1 ff.; W. E.

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

(aa) Inhalt Der Fall Marbury v. Madison nimmt seinen Anfang bereits in der Präsident­ schaftswahl des Jahres 1800. Bei der Wahl musste sich der föderalistische ­Präsident John Adams mit seinen Bestrebungen nach einer Wiederwahl dem Kandidaten Thomas Jefferson der demokratisch-republikanischen Partei203 ge­ schlagen geben 204. Bevor er sein Amt im Jahre 1801 niederlegte, ernannte Adams seinen scheidenden Außenminister John Marshall zum neuen Chief ­Justice des U.S. Supreme Courts, der während der verbleibenden Amtszeit von Adams nunmehr beide Aufgaben ausfüllte205. Darüber hinaus schuf Adams mit dem Kongress am 27. Februar 1801 – weniger als eine Woche vor Ende seiner Amtszeit – 42 neue Richterstellen auf Bundesebene. Er nominierte für diese Posi­tionen durchweg föderalistisch-loyale Richter, die durch den Senat am 3. März – einen Tag vor der Amtseinführung Jeffersons – bestätigt wurden 206. Als noch amtierender Außenminister war es die Aufgabe von Marshall, die Er­ nennungsurkunden der neuen Richter zu unterschreiben und diese zu über­ reichen. Aus zeitlichen Gründen war ihm dies bei 17 Ernennungsurkunden vor Jeffersons Amtseinführung nicht mehr möglich 207. Jefferson wiederum wies den von ihm eingesetzten Außenminister James Madison, an, die verbleibenden Burger, The Doctrine of Judicial Review. Mr. Marshall, Mr. Jefferson, and Mr. Marbury, in: O’Brien, Judges (Teil  2, Fn.  163), S.  19 ff.; Chemerinsky, Jurisdiction (Teil  1, Fn.  210), S.  12. 203  Die demokratisch-republikanische Partei entstand in den Gründungsjahren der USA, war im frühen 19.  Jahrhundert zeitweise die einzige bedeutende amerikanische Partei und zerfiel schließlich wenig später in die noch heute bestehende Demokratische Partei sowie die nur kurz existierende National-Republican Party, die zum Teil auch als Vorläufer der heuti­ gen Republikanischen Partei angesehen wird. – Vgl. zu diesem historischen Kontext W. Heun, Der Staat 42 (2003), S.  267 (267 mit Fn.  5); Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  1; v. Mehren/Murray, Law (Teil  2, Fn.  132), S.  140; Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  65 ff. 204 Vgl. Clinton, Marbury v. Madison (Fn.  196), S.  81 ff.; W. Brugger, JuS 2003, S.  320 (320 f.); R. D. Gerste, Duell ums Weisse Haus. Amerikanische Präsidentschaftswahlen von George Washington bis 2008, 2008, S.  39 ff.; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  1; Sullivan/Feldman, Constitutional Law (Teil  2, Fn.  451), S.  9. 205  Dies geschah im Januar 1801. Siehe Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  1; Carp/ Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  3; Chemerinsky, Jurisdiction (Teil  1, Fn.  210), S.  12. 206  Die Richterstellen wurden durch den Circuit Court Act geschaffen, siehe Act of Febru­ ary 13, 1801, Ch. 4; Stat. 89. Die Autorisierung der Ernennung erfolgte wenig später durch den Act of February 27, 1801, Ch. 15; Stat. 103. Der Kongress war zu diesem Zeitpunkt noch ein Relikt der föderalistischen Machtstellung und somit dem scheidenden Präsidenten Adams wohlgesonnen, vgl. Clinton, Marbury v. Madison (Fn.  196), S.  82 f.; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  2. Siehe weiterhin Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  3; Chemerinsky, Jurisdiction (Teil  1, Fn.  210), S.  12. 207 Siehe Brugger, Einführung (Teil  2 , Fn.  172), S.  8; Carp/Stidham/Manning, Federal

B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit

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Ernennungen nicht abzuschließen und die Urkunden nicht auszuhändigen. ­Jefferson betrachtete die Ernennungen als nicht vollzogen und somit ungül­ tig208. Einer der nicht ernannten Richter war William Marbury, der mit drei weiteren Kollegen den U.S. Supreme Court ersuchte, ihnen die Ernennungs­ urkunden auszuhändigen 209. Die Klage wurde im Dezember 1801 eingereicht, jedoch erst 1803 verhandelt210. Sie stützten ihre Klage dabei auf Abschnitt  13 des Judiciary Acts von 1789, der dem U.S. Supreme Court die Befugnis verlieht, Writs of Mandamus211 auszustellen. (bb) Rechtliche Würdigung Für Chief Justice Marshall bedeutete der Fall eine Zwickmühle: Gäbe er der Klage statt, stünde so gut wie fest, dass Madison die Ernennung der betreffen­ den Richter – zumindest auf Befehl von Jefferson – verweigerte und so die Macht des U.S. Supreme Courts untergraben hätte. Würde er bescheiden, den Writ of Mandamus nicht auszustellen, hätte Jefferson die politische Gängelei durch reines Nichtstun bereits gewonnen und der U.S. Supreme Court indirekt eingestanden, Maßnahmen der Exekutive nicht überprüfen zu können 212. Im Er­ gebnis entschied das Gericht gegen Marbury, wohl auch, weil nur so die mög­ licherweise drohende Amtsenthebung föderalistisch gesinnter Richter abge­ wendet werden konnte213. Das Dilemma löste Marshall, indem er Abschnitt 13 Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  3 f.; mit vielen Zitaten der Hauptakteure Sullivan/Feldman, Cons­ titutional Law (Teil  2, Fn.  451), S.  8 f.; Chemerinsky, Jurisdiction (Teil  1, Fn.  210), S.  12 f. 208  Weiterhin wurde in diesem Zusammenhang auch der Circuit Court Act aufgehoben, siehe Act of March 8, 1802, Ch. 8; 2 Stat. 132. Siehe zur historischen Debatte dieser Aufhe­ bung Warren, Supreme Court (Fn.  143), S.  204 ff.; weiterhin Brugger, Einführung (Teil  2, Fn.  172), S.  8; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  2; Chemerinsky, Jurisdiction (Teil  1, Fn.  210), S.  13. 209  Vgl. zu der Klage im Detail Brugger, Einführung (Teil  2 , Fn.  172), S.  8; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  2. 210  Zu den Hintergründen siehe Chemerinsky, Jurisdiction (Teil  1, Fn.  210), S.  13. 211  Mit der Wirkung zum 1. Dezember 2014 wurde das Rechtsinstitut der Writs of Mandamus auf Bundesebene abgeschafft, Fed.R.Civ.P. 81(b). „Mandamus“ ist lateinisch für „we command“ bzw. „wir gebieten“. Es handelte sich beim Writ of Mandamus um einen gericht­ lichen Rechtsbehelf in Form des Gerichtsbeschlusses eines übergeordneten Gerichts, an eine Behörde, eine dienstliche Pflicht tatsächlich zu erfüllen. Vgl. hierzu v. Mehren/Murray, Law (Teil  2, Fn.  132), S.  140 f.; Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  4; ­Wilson, Justice System (Fn.  116), S.  179. 212 Vgl. v. Mehren/Murray, Law (Teil  2 , Fn.  132), S.  141; Chemerinsky, Jurisdiction (Teil  1, Fn.  210), S.  13. 213  Siehe zu diesen Karriereerwägungen, die Chief Justice Marshall – auch im eigenen Interesse – zu einer Entscheidung zuungunsten Marburys bewogen haben könnten, W. W. Van Alstyne, Duke Law Journal 18 (1969), 1 (2); W. Hoffmann-Riem, German Law Journal 5

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

des Judiciary Act von 1789 für verfassungswidrig erklärte214. Zur Begründung führte das Gericht aus, das betreffende Gesetz überschreite die in Artikel III der U.S.-Verf. dem U.S. Supreme Court zugestandenen Fälle erstinstanzlicher Zu­ ständigkeit. Erstmalig erklärte so das Gericht eine vom Kongress erlassene Vor­ schrift als mit der Verfassung unvereinbar215. Es wurde der Vorrang der Verfas­ sung begründet sowie die Letztentscheidungskompetenz des U.S. Supreme Courts in Verfassungsfragen dargelegt216. Die Kompetenz leitete der U.S. Supreme Court aus dem Text des Art.  VI §  2 der U.S.-Verf. ab, der besagt, dass „die Verfassung und die aufgrund der Verfassung erlassenen Bundesgesetze die höchste Rechtsquelle des Landes darstellen, und die Richter in jedem Staat da­ ran gebunden sind, gleichviel, ob die Verfassungen oder Gesetze der Einzel­ staaten etwas Anderes besagen“217. Diese Maßgabe wird als Supremacy-Klausel bezeichnet. Ihr Hauptaussagegehalt wurde nunmehr dahingehend interpretiert, dass ein Erfordernis sowie eine Befugnis für das Gericht bestehe, verfassungs­ widrige Gesetze zu beseitigen 218.

(2004), S.  685 (686).; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  2; Chemerinsky, Jurisdiction (Teil  1, Fn.  210), S.  13. – Explizit zur Karriere von Chief Justice Marshall, der als ambitionier­ ter Jurist galt, siehe im Überblick J. E. Smith, John Marshall. Definer of a Nation, 1996. 214  Zu Bedeutung und Tragweite der Entscheidung mit rechtsvergleichenden Bezügen in­ struktiv W. Hoffmann-Riem, German Law Journal 5 (2004), S.  685 (686). Siehe auch Clinton, Marbury v. Madison (Fn.  196), S.  91 ff.; C. F. Hobson, The Marshall Court 1801–1835. Law, Politics, and Emergence of the Federal Judiciary, in: Tomlins, Supreme Court (Fn.  145), S.  47 (52); v. Mehren/Murray, Law (Teil  2, Fn.  132), S.  140 f.; Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  163; Chemerinsky, Jurisdiction (Teil  1, Fn.  210), S.  13. – Zur Prüfungsreihenfolge siehe auch W. Brugger, JuS 2003, S.  320 (321). 215  Fulda, Einführung (Teil  1, Fn.  202), S.  24; Brugger, Einführung (Teil  2 , Fn.  172), S.  9; Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  163; Chemerinsky, Jurisdiction (Teil  1, Fn.  210), S.  13. 216  Zur Vorgehensweise von Chief Justice Marshall in dem Urteil und der Darlegung sei­ ner Ansichten siehe instruktiv Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  3 f. – Zur rechtshis­ torischen Diskussion darum, ob dem Urteil ein weiteres subtiles Drohpotenzial innewohnte, siehe Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  346; W. Hoffmann-Riem, German Law Journal 5 (2004), S.  685 (687); Sullivan/Feldman, Constitutional Law (Teil  2, Fn.  451), S.  11. Zu weite­ ren Motiven und Hintergründen Maaßen, Court (Fn.  188), S.  52 ff.; Hoff, US-Supreme Court (Einl., Fn.  18), S.  225 ff. Faktisch wirkte es sich jedenfalls nicht aus, da das erste Gesetz nach Marbury v. Madison erst 1857 für verfassungswidrig erklärt worden ist. Vgl. Dred Scott v. Sandford, 60 U.S.  393 (1856); siehe hierzu auch G. Robbers, JuS 1990, S.  257 (259); Cushman/­ Koniak, Decisions (Teil  2, Fn.  591), S.  4; Kernell u. a., The Logic (Teil  2, Fn.  917), S.  365 f. 217  Siehe hierzu im Überblick Fulda, Einführung (Teil  1, Fn.  202), S.  24. 218  Fulda, Einführung (Teil  1, Fn.  202), S.  24; Brugger, Einführung (Teil  2 , Fn.  172), S.  9; E.D. Re, St. Thomas Law Review 15 (2002), S.  265 (275 f.); in einem kritischen Kontext ­Kramer, People (Fn.  194), S.  128 ff.; v. Mehren/Murray, Law (Teil  2, Fn.  132), S.  140 ff.

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Zu Recht wird die Entscheidung Marbury v. Madison als eine der wichtigsten und fundamentalsten Entscheidungen in der Geschichte des U.S. Supreme Courts gehandelt219. Der Grund hierfür liegt auch in der Person von Chief ­Justice Marshall220. Obwohl ihm die Entscheidung der vorgelegten Frage ohne die Heraufbeschwörung eines Konflikts zwischen Parlamentsrecht und Verfas­ sungsrecht möglich gewesen wäre, entschied er sich für die Verankerung der Judicial Review221. Die Befugnis des U.S. Supreme Courts zur richterlichen Überprüfung einfachen Rechts, das als Vorbild des Normenkontrollverfahren dient222 , setzt allerdings interpretatorisch zwei Denkschritte voraus: Es muss zunächst der (uneingeschränkte) Vorrang der Verfassung begründet und weiter­ hin die Letztentscheidungskompetenz des obersten Gerichtshofes in Verfas­ sungsfragen dargelegt werden 223. (3) Politisierung der Justiz: Judicial (Self-)Restraint und Judicial Activism als Folgeproblem der Judicial Review Die Doktrin der Judicial Review ist durch das Marbury-Urteil populär gewor­ den und hat sich bis heute zu einem fundamentalen Bestandteil der amerikani­ schen Verfassungstheorie und -praxis gefestigt, blieb dabei aber nicht kri­ 219 Vgl. Schwartz, History (Fn.  88), S.  22 ff.; J. M. Balkin/S. Levinson, Harvard Law Re­ view 111 (1998), 963 ff., die von dem Urteil als „the crown jewel in the constitutional canon“ sprechen (Zitat S.  1008); M. A. Graber, Tulsa Law Review 38 (2002), S.  609 (609 f.); v. Mehren/Murray, Law (Teil  2, Fn.  132), S.  144 f.; Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  4; Chemerinsky, Jurisdiction (Teil  1, Fn.  210), S.  12. – zur Kritik an der Marbury-­ Entscheidung siehe Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  6 ff. Eine differenzierte Dar­ stellung „from condemnation to praise“ findet sich bei Sullivan/Feldman, Constitutional Law (Teil  2, Fn.  451), S.  15 f. 220 Marshall war das Gericht und bestimmte die Marschroute der Entscheidungen ganz erheblich, so auch die Einschätzung von Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  3. 221  So auch Brugger, Einführung (Teil  2 , Fn.  172), S.  8 f.; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  2 f. 222  Gleichsinnig die Einschätzung bei G. Brunner, JöR n. F. 50 (2002), S.  191 (195); B.-O. Bryde, Verfassungsentwicklung, 1982, S.  97 f. 223  Siehe hierzu eingehend Brugger, Einführung (Teil  2 , Fn.  172), S.  9; W. Heun, Der Staat 42 (2003), S.  267 (273 ff.); W. Hoffmann-Riem, JZ 2003, S.  269 (271); ders., German Law Journal 5 (2004), S.  685 (689 ff.). – Siehe eingehend zu den Argumentationssträngen des Ur­ teils und ihrem Zusammenwirken Brugger, Einführung (Teil  2, Fn.  172), S.  9 f.; siehe weiter­ hin Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  3 ff.; Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  163. Zu den allgemeinen Prinzipien hinsichtlich der Bundesgerichtsbarkeit, die sich dem Urteil entnehmen lassen vgl. Chemerinsky, Jurisdiction (Teil  1, Fn.  210), S.  13 ff. – Siehe zur Bedeutung des Prinzips von Checks and Balances für die Entwicklung der Judicial Review in einer historischen Gesamtschau S. R. Alton, Texas Wesleyan Law Review 8 (2001), S.  7 (9 ff.).

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

tiklos224. Mit den weitreichenden Entscheidungen des U.S. Supreme Courts seit der Nachkriegszeit225 und dem politischen Aufstreben der Gerichte kam ver­ mehrt Kritik an dem richterlichen Prüfungsrecht auf, die nunmehr in der ver­ breiteten Idee mündet, die Verfassung dürfe allein durch das Volk interpretiert werden 226. Dabei reiht sich die Idee des Popular Constitutionalism lediglich in eine Fülle von Bewegungen gegen die Judicial Review ein. Ihr Ursprung liegt in einem viel zitierten Aufsatz von James B. Thayer227. Thayer sprach sich dafür aus, dass nicht die Richter, sondern der Gesetzgeber der letzte Schiedsherr über die Auslegung und Bedeutung der Verfassung sein solle228. Insbesondere im Zusammenhang mit der erheblichen politischen Präsenz amerikanischer Ge­ richte durch ihre Law-making Power und die Nähe der Richter zum Parteiensys­ tem machen die Frage der Judicial Review, die bereits einfachen Instanzgerich­ ten zusteht, zu einem nach wie vor aktuellen Thema229. In der Kritik an der ge­ richtlichen Überprüfung von Gesetzen liegt indirekt auch eine Befürwortung 224  Kritische Stimmen sind zusammengetragen und analysiert worden von Clinton, Mar­ bury v. Madison (Fn.  196), S.  139 ff.; siehe weiterhin übersichtlich Stone u. a., Constitutional Law (Teil  1, Fn.  207), S.  32 ff. 225  Brown v. Board of Education of Topeka, 347 U.S.  483 (1954); Roe v. Wade, 410 U.S.  113 (1973); United States v. Nixon, 418 U.S.  683 (1974). Siehe hierzu auch Oldopp, System (Teil  1, Fn.  210), S.  97 ff. 226  Dies impliziert im Umkehrschluss, dass dem U.S. Supreme Court dieses Recht abge­ sprochen werden solle. Zur Kritik zusammenfassend Gerber, Power (Teil  2, Fn.  52), S.  345 ff. Siehe im ersten Zugriff die im Wesentlichen vorgebrachte Kritik von M. V. Tushnet, Taking the Constitution Away from the Courts, 1999, S.  154 ff.; Sunstein, Case (Teil  2, Fn.  474), S.  3 ff.; Kramer, People (Fn.  194), S.  93 ff. 227  J. B. Thayer, Harvard Law Review 7 (1893), S.  129 ff. 228 Vgl. J. B. Thayer, Harvard Law Review 7, (1893), S.  129 ff. Siehe zu Analysen und Besprechungen dieser Theorie H. P. Monaghan, Columbia Law Review 83 (1983), S.  1 (7); siehe allgemein J. Hook/u. a., Symposium, One Hundred Years of Judicial Review. The Thay­ er Centennial Symposium, in: Northwestern University Law Review 88 (1993), 1 ff. (es han­ delt sich um Aufsätze zu Thayer und der Judicial Review); Gerber, Power (Teil  2, Fn.  52), S.  346 f., 347 ff.; L. D. Kramer, California Law Review 100 (2012), S.  621 ff.; R.A Posner, ­California Law Review 100 (2012), S.  519 ff.; mit Bezug zu Posners Aufsatz T. P. O’Neill, California Law Review Circuit 3 (2012), S.  170 ff.; M. Lewans, Administrative Law and Judi­ cial Deference, 2016, S.  94 ff. 229  K. M. Holland, Judicial Activism in the United States, in: ders. (Hrsg.), Judicial Acti­ vism in Comparative Perspective, 1991, S.  12 ff.; H. Jacob, Courts and Politics in the United States, in: ders. u. a. (Hrsg.), Courts, Law and Politics in the Comparative Perspective, 1996, S.  16 (17 ff., 73 f.); so auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  619. – Zur Entwicklung des Policy-making an den Staatengerichten der USA siehe L. Baum/B. C. Canon, State Supreme Court as Activists. New Doctrines in the Law of Torts, in: M. C. Porter/G. A. Tarr (Hrsg.), State Supreme Courts. Policymakers in the Federal System, 1982, S.  83 ff.; L. Mather, Policy Making in State Trial Courts in: Gates/Johnson, Courts (Teil  1, Fn.  274), S.  119 ff.; Neubauer/ Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  8 ff.

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richterlicher Zurückhaltung. Tangiert wird damit ein verfassungspolitisch bri­ santes Streitthema: Der Grundsatz richterlicher Zurückhaltung (Judicial Restraint) und der Gegenansatz des richterlichen Aktionismus (Judicial Activism)230. Die Marschroute des U.S. Supreme Courts sieht bis heute vor, Konflikt­ fällen zwischen Verfassungsrecht und einfachem Recht möglichst durch eine verfassungskonforme Auslegung aus dem Weg zu gehen 231. Nichtsdestoweniger gab es in der Vergangenheit einige bedeutsame Entscheidungen zur Verfas­ sungsmäßigkeit von Gesetzen, welche die Diskussion um die Reichweite der Aufgaben des U.S. Supreme Courts erneut entflammt haben 232. Als prekär ein­ zustufen sind in diesem Zusammenhang insbesondere auch die Impulse einiger obersten Gerichte in den Bundesstaaten, die sich mit weitreichenden Entschei­ dungen zu den Bürgerrechten zu eigener Bedeutung verholfen haben 233. Die zumeist konservativen Anhänger der richterlichen Selbstbeschränkung ­(Judicial Self-Restraint) mahnen an, der U.S. Supreme Court würde sich illegitimerweise aufschwingen, die demokratisch explizit legitimierten Institutionen der Exeku­ tive sowie der Legislative zu entmachten, um sich selbst deren Aufgaben zu ei­ gen zu machen und ihnen damit fremde Entscheidungen aufzuzwingen 234. Die Theorie des Judicial Restraint versucht in diesem Sinne zu verhindern, dass Richter ihre persönliche Überzeugung zu Verfassungsfragen einfließen lassen. Sie sollten sich bei ihrer Entscheidung lediglich und ausschließlich auf die Inter­ 230 

H. R. Glick, Policy Making and State Supreme Courts, in: Gates/Johnson, Courts (Teil  1, Fn.  274), S.  87 (88 ff.); Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  351 ff.; Brugger, Einfüh­ rung (Teil  2, Fn.  172), S.  8 f., 24 ff.; Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  165. – Siehe zu der parallel laufenden Frage des politischen Richters in Deutschland Wolf, Gerichtsverfas­ sungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  82; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  447 mit einem Appell für einen Judicial Self-Restraint, um Gefährdungen für die Gewaltentei­ lung sowie für die richterliche Unabhängigkeit zu begegnen; S. Wagner, Ersatzgesetzgeber oder nicht? Die problematische Stellung des Bundesverfassungsgerichts im politischen Sys­ tem der Bundesrepublik Deutschland, 2013, S.  93 ff. 231  Allerdings zeigt bereits die Entscheidung Marbury v. Madison, dass dieser Grundsatz stets nur insoweit gilt, als dass sich der Richter im Einzelfall auch daran halten will. Der Kritik einer gewissen Ineffektivität kann er sich daher nicht erwehren. Gleichsinnig Brugger, Einführung (Teil  2, Fn.  172), S.  8 f. 232  Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  165. 233  Siehe bspw. die zu politischen und gesellschaftlichen Veränderungen drängende Ent­ scheidung des Massachusetts Supreme Judicial Courts zur gleichgeschlechtlichen Ehe Goodridge v. Department of Public Health, 440 Mass. 309 (2003); dazu Holland, Activism (Fn.  229), S.  21; M. L. Bonauto, Harvard Civil Rights-Civil Liberties Law Review 40 (2005), S.  1 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  619. 234  Treffend in einer kurzen Zusammenfassung Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  165. Siehe zum Judicial Self-Restraint instruktiv D. Luban, Duke Law Journal 44 (1994), S.  449 (insbes. 450 ff.); Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  159 ff.; Chemerinsky, Principles (Teil  2, Fn.  158), S.  47 ff.

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pretation des Rechts im Sinne vorhandener Präjudizien beschränken 235. Die ent­ gegengesetzte Stoßrichtung des Judicial Activism236 hingegen beruft sich mit einem liberaleren Ansatz auf das System der Verfassung und hält ein aktives Tätigwerden für unverzichtbar. Die Berufung auf persönliche Sichtweisen (die durchaus konträr zu Präzedenzfällen verlaufen können) verhelfe in Form der Rechtsauslegung der Durchsetzung elementarer Bürgerrechte237. Verknüpft sind hiermit drei Zwecke, die die Rechtsprechung zu berücksichtigen hat: Die Betonung des Vorrangs von Bundes- vor Staatenrecht, eine erhöhte Kontroll­ dichte der legislativen Entscheidungsakte sowie der Schutz von Minderheiten und Individualrechten durch Verfassungsauslegung238. Gegen Kritik an ihrer aktiven Rolle rechtfertigen sich die Vertreter der The­ orie des Judicial Activism gerne mit der Ausrede, sie würden nicht neues Recht schaffen, sondern das vorhandene Recht lediglich anwenden. Eine solche Aus­ sage ist schlicht unzutreffend 239. Obschon die Tatsache, dass die aktive Recht­ sprechung mitunter in einer legislativen Funktionsausweitung mündet, nicht wegzudiskutieren ist, resultieren hieraus nicht auch zwangsläufig schwere Ge­ fahren. Eine allzu aktive richterliche Rolle – vor allem in Form richterlicher Rechtssetzung – birgt zweifelsohne die Gefahr eines „Gerichtsabsolutismus“ und der mit den Funktionen der Rechtsprechung nicht zu vereinbarenden Durchsetzung von einzelideologischer Bestrebungen 240. Solche Entwicklungen stehen indessen kaum bevor; vielmehr ist der vorliegende Streit theoretischer Natur, solange die Einhaltung der verfassungsmäßigen Grundsätze der Verfas­ sungsrechtsprechung durch die Exekutive und Legislative ausreichend abge­ sichert ist. Darüber hinaus kann eine Auslegung des Rechts durch die Gerichte an den Grundsätzen des Judicial Restraint nicht zwangsläufig mit einer Verbes­ serung der richterlichen Unabhängigkeit gleichgesetzt werden 241. Wenn defizi­ täre Tendenzen im Hinblick auf die Bürgerrechte auftreten, obliegt es dem U.S. 235 

Siehe hierzu den Beitrag „Judicial Restraint“, in: Garner u. a., Dictionary (Teil  1, Fn.  209). 236  Zu den begrifflichen und konzeptuellen Ursprüngen siehe K. D. Kmiec, California Law Review 92 (2004), S.  1441 ff.; C. Green, Law Journal 58 (2009), S.  1195 ff. 237  Holland, Activism (Fn.  229), S.  12 ff.; Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  165. Zu verschiedenen Definitionsansätzen vgl. S. F. Smith, Texas Law Review 80 (2002), S.  1057 (1080 ff.); prägnant auch der Beitrag zu „Judicial Activism“, in: Garner u. a., Dictionary (Teil  1, Fn.  209). 238 Siehe Brugger, Grundrechte (Teil  2 , Fn.  161), S.  345 ff.; Heun, Verfassung (Teil  2 , Fn.  162), S.  113. 239 Gleichsinnig R. A. Posner, The Federal Courts. Crisis and Reform, 1985, S.  3 f. 240  Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  166; Baum, Supreme Court (Teil  2 , Fn.  892), S.  128, 165. 241  So auch P. M. Shane, LCP 61 (1998), S.  21 (33 ff.).

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Supreme Court – stets unter Berücksichtigung seiner Rolle im Gefüge der Checks and Balances –, lenkend einzugreifen 242. Zum Teil wird konstatiert, der Roberts-Court wende sich von der Judicial Review ab und Chief Justice Roberts übe sich vielmehr in Judicial Self-Restraint243. Eine solche Annahme geht aller­ dings dann zu weit, wenn sie – wie vorliegend – von einzelnen Entscheidungen auf eine vorhandene Tendenz schließen will. Insbesondere ist die Schlussfolge­ rung, es handele sich um eine Rückbesinnung auf die These von Thayer, etwas forsch. Thayer selber schränkte seine Kritik an der Judicial Review insofern ein, als ein richterliches Prüfungsrecht im Ausnahmefall dann zulässig sein sol­ le, wenn eine gesetzliche Regelung offensichtlich verfassungswidrig wäre244. Mit Blick auf die Verfassungstradition in den Vereinigten Staaten, die Verände­ rung der Verfassung oder eine Trennung von eben dieser mit ausgeprägter Skepsis zu beäugen, ist eine gewisse Fortentwicklung des Rechts notwendig. Darüber hinaus ergeben sich nicht unerhebliche Einschränkungen der richter­ lichen Unabhängigkeit, sofern sich Richter in ihrer aktiven Rolle eingeschränkt sehen 245. (4) Countermajoritarian Difficulty Dem Problem der Judicial Review liegt ein weiteres Problem zugrunde: Die Countermajoritarian Difficulty246 rüttelt an den Grundfesten der demokrati­ schen Rückbindung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Die Lebenszeit­ ernennung der U.S.-Bundesrichter stehe einer demokratischen Legitimation von verfassungsgerichtlichen Entscheidungen entgegen, da sich die Mehrheits­ verhältnisse im Volk als Spender von Legitimation ändern könnten, während die Besetzung der Bundesgerichte unverändert bleibe. Mit Blick auf die Berück­ 242  Eine aktive Rolle verfolgte der U.S. Supreme Court bspw. unter Chief Justice Warren (1953–1969) in der Kontroverse um die Rassenintegration. Siehe so auch Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  166. 243  Als Beispiel wird die Entscheidung angeführt, mit welcher der U.S. Supreme Court den von Präsident Obama initiierten Affordable Care Act für verfassungsgemäß erklärte, siehe National Federation of Independent Businesses v. Sebelius, 567 U.S. _ (2012); vgl. hierzu T. P. O’Neill, California Law Review Circuit 3 (2012), S.  170 (174 ff.). 244  J. B. Thayer, Harvard Law Review 7 (1893), S.  129 (144): „It can only disregard the Act when those who have the right to make laws have not merely made a mistake but have made a very clear one“; vgl. auch die Ausführungen bei T. P. O’Neill, California Law Review Cir­ cuit 3 (2012), S.  170 (170 f.) sowie Gerber, Power (Teil  2, Fn.  52), S.  347. 245 Gleichsinnig J. Russell, Marshall Defends Bench Independence, in: Boston Globe, 23.5.2005 (abrufbar unter http://archive.boston.com/news/education/higher/articles/2005/05/ 23/sjc_chief_decries_attacks_on_ judges/, 19.3.2020); Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  75. 246  Siehe im Detail bereits Kap.  3 B. II. 1. a) cc) (4).

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sichtigung von Gemeinwohlbelangen – auch entgegen einem mehrheitlichen Volkswillen – löst sich die Schwierigkeit indessen auf247. (5) Court Packing Associate Justice Scalia war einer der erfolgreichsten und auch umstrittensten Richter am U.S. Supreme Court, bis er im Februar 2016 überraschend verstarb. Antonin Scalia, 1986 von dem damaligen Präsidenten Reagan ernannt, galt als konservativer Hardliner und als Feindbild liberal gesinnter Juristen 248. An der vakanten Richterstelle entflammte ein Streit von größter politischer Tragweite: Der von Obama vor dem Ende seiner Amtszeit nominierte Richter Garland lag zweifelsohne auf der Linie der Demokraten, ohne jedoch eine allzu kontroverse Haltung einzunehmen. Ob der Senat der Nominierung zustimmen würde, blieb zunächst abzuwarten 249. Allerdings deutete sich vor der Präsidentschaftswahl am 8. November 2016 bereits an, dass für den Fall eines Sieges der demokrati­ schen Kandidatin Clinton die republikanische Mehrheit im Senat die Besetzung der vakanten Richterstellung dauerhaft blockieren würde250. Schließlich wurde die vakante Richterstelle 2017 durch Präsident Trump mit Associate Justice Neil Gorsuch besetzt251. In der Tagespresse252 wurde viel darüber geschrieben, da 247  Siehe instruktiv S. P. Croley, University of Chicago Law Review 62 (1995), S.  689 (700 ff.); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  213 f.; Brugger, Demokratie (Teil  2, Fn.  69), S.  189 ff. 248  Siehe mit einer Auswertung des Wirkens Scalias J. Greene, Harvard Law Review 130 (2016), S.  144 ff. 249  Bereits im Juli 2016 brach Merrick B. Garland einen unerfreulichen Rekord, als er Louis Brandeis ablöste, der bisher mit 125 Tagen die längste Wartezeit vor einem Tätigwer­ den des Senats für sich verbucht hatte. Siehe hierzu aus den NBC News http://www.nbcnews. com/news/us-news/merrick-garland-now-holds-record-longest-supreme-court-wait-n612541 (22.11.2017). – Siehe zum allgemeinen Problem einer gespaltenen Regierung T. E. George, Ohio State Law Journal 64 (2003), S.  1 (5 f.). 250  Die republikanischen Abgeordneten stellten sich auf den Standpunkt, dass acht Rich­ ter am U.S. Supreme Court genug seien. Es wurde in den Medien in diesem Zusammenhang von Sabotage gesprochen: „The GOP’s Planned Sabotage of the Supreme Court“, siehe http:// blog.pfaw.org/content/gops-planned-sabotage-supreme-court (10.11.2016). Zurecht muss man an der Rechtmäßigkeit einer solchen Blockade-Haltung zweifeln. Hier kehrt sich das Court Packing-Problem ins andere Extrem um, indem wiederum durch eine Nichtbesetzung das Gericht zum Spielball der Politik gemacht wird. Siehe D. A. Graham, Atlantic Online, 1.11.­ 2016 (abrufbar unter http://www.theatlantic.com/politics/archive/2016/11/whats-the-opposite-­ of-court-packing/506081/, 19.3.2020). 251  Tabellarische Übersicht missglückter Richter-Nominierungen aller Präsidenten unter https://www.fjc.gov/node/7511 (28.4.2017). 252  Die einschlägigen Beiträge in der Presse unmittelbar nach dem Tod Scalias sind mit­ unter reißerisch, siehe E. R. Moravec/S. Horwitz/J. Markon, The death of Antonin Scalia: Chaos, confusion and conflicting reports, in: The Washington Post, 14.2.2016 (abrufbar unter

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der Tod Scalias den Demokraten zumindest kurzzeitig die vage Hoffnung einer Möglichkeit bot, das ideologische Gewicht des obersten Gerichtshofs neu zu justieren. Hier setzt die Methode des Court Packings an, die so alt ist wie das Gericht selbst. Ursprünglich verstand man unter dem Terminus „Court Packing“ die Veränderung von Größe oder Struktur eines Gerichtes, um die Ernennung zu­ sätzlicher Richter zu ermöglichen 253. Diese Praxis des Court Packing wurde bereits in den 1860er Jahren durch Präsident Andrew Johnson betrieben 254, er­ langte allerdings erst durch Präsident Franklin D. Roosevelts Judicial Proce­ dures Reform Bill Act aus dem Jahre 1937 echte Bedeutung255, mit dem er neue Richterstellen am U.S. Supreme Court schaffen wollte, um so gezielt eine der New Deal-Gesetzgebung gewogene Rechtsprechung hervorzubringen 256. Ver­ https://www.washingtonpost.com/politics/texas-tv-station-scalia-died-of-a-heart-attack/ 2016/02/14/938e2170-d332-11e5-9823-02b905009f99_story.html?utm_term=.af12f4a98e34, 19.3.2020); R. Peres, Explosionsgefahr am Obersten US-Gericht, in: LTO, 15.2.2016 (abruf­ bar unter http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/us-supreme-court-antonin-scalia-tod-poli tische-ausrichtung/, 19.3.2020); V. Medick, Der Supreme Court-Thriller, in: SPON, 16.2.­2016 (abrufbar unter http://www.spiegel.de/politik/ausland/supreme-court-nach-tod-von-antonin-­ scalia-barack-obama-im-dilemma-a-1077543.html, 19.3.2020). Im September 2016 wurde es um das Thema etwas leiser, als eine Entscheidung noch offen war: A. de Vogue, Remember Merrick Garland? Supreme Court nominee waits (and waits), in: CNN politics online, 6.9.­ 2016 (abrufbar unter http://edition.cnn.com/2016/09/06/politics/merrick-garland-supremecourt-­wait/, 19.3.2020). Es machte früh den Anschein, als würde die republikanische Mehr­ heit im Senat das Problem aussitzen und auf die Wahlen im November 2016 hoffen – eine Taktik, die sich als wirkungsvoll herausstellte. 253 Siehe Ely, Democracy (Teil  2 , Fn.  188), S.  46; J. M. Lawlor, University of Pennsylvania Law Review 134 (1986), S.  967 (971). 254  Zum historischen Kontext und dem politischen Stichwort „Reconstruction“ siehe J. M. Lawlor, University of Pennsylvania Law Review 134 (1986), S.  967(972 ff.); siehe weiterhin J. M. Burns, Packing the Court. The Rise of Judicial Power and the coming Crisis of the Sup­ reme Court, 2009, S.  7 ff., der George Washington als „the first courtpacker“ bezeichnet. 255  Das Gesetz ist verbreitet bekannt als Court Packing-Plan, siehe Epstein/Walker, Con­ stitutional Law (Teil  2, Fn.  413), S.  237 f. Allgemein zum Court Packing-Plan Roosevelts vgl. W. E. Leuchtenburg, The Supreme Court Review 1966, S.  347 ff.; G. A. Caldeira, The Ameri­ can Political Science Review 81 (1987), S.  1139 ff.; W. E. Leuchtenburg, The Supreme Court Reborn. The Constitutional Revolution in the Age of Roosevelt, 1995, S.  132 ff.; Geyh, Inde­ pendence (Teil  2, Fn.  891), S.  182 ff.; L. A. Cisneros, Journal of Constitutional Law 15 (2012), S.  61 ff.; B. Cushman, Constitutional Commentary 29 (2013), S.  1 ff. 256  Der Plan versickerte schließlich regelrecht im Kongress, nachdem sich die Mehrheits­ verhältnisse im U.S. Supreme Court so änderten, dass schließlich die New Deal-Gesetz­ gebung unterstützt wurde. Siehe zu den Zusammenhängen mit den sozialliberalen New Deal-­ Programm nach dem großen Crash von 1929 Leuchtenburg, Supreme Court (Fn.  255), S.  108 ff.; Epstein/Walker, Constitutional Law (Teil  2, Fn.  413), S.  238 f.; Friedman, Law (Teil  2, Fn.  131), S.  151 ff.

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breitet ist eine ausufernde Erweiterung der Terminologie auf alle Fälle, in denen politische Erwägungen Einfluss nehmen auf den Ernennungsprozess von Rich­ tern 257. Zu weit geht vor diesem Hintergrund schließlich die Ansicht, es läge jedes Mal ein Fall von Court Packing vor, wenn ein Präsident einen Kandidaten für das Richteramt nominiert und diese Nominierung durch den Senat bestätigt werde258, da hiermit ein rechtlich vorgegebenes Verfahren fälschlicherweise de­ legitimiert würde. Die Übergänge politischer Einflussnahme sind dessen unge­ achtet fließend, da vor allem die Richterbestellungen zum U.S. Supreme Court auch stets politische Richtungsentscheidungen sind259, und daher der ernannte Richter in den meisten Fällen aus den eigenen politischen Reihen des jeweiligen Präsidenten stammt260. So ist ein viel diskutierter Aspekt des Court Packings auch die Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Rechtsprechung weit über die Amtszeit eines Präsidenten hinaus261. Die Nominierungen Reagans zeigen bei­ spielsweise, dass die Einflussnahme der Präsidenten sich nicht auf die Richter am U.S. Supreme Court beschränkt, sondern auch die unteren Bundesgerichte betroffen sind, die zwar als politisch weniger wichtig gelten, allerdings ungleich zahlreicher existieren 262. Im Zusammenhang mit diesem Problem steht die Tatsache, dass die juristi­ sche Karriere vieler Richter eng umwoben ist mit einem Tätigwerden in der Politik. Das Richteramt selbst wird als politische Position verstanden 263. Vor diesem Hintergrund gewinnen Meilensteine der Bürgerrechtsbewegung, die der U.S. Supreme Court erreicht hat264, eine folgenschwere Bedeutung. Durch den 257 

J. M. Lawlor, University of Pennsylvania Law Review 134 (1986), S.  967 (971). So bspw. J. R. Saylor, Baylor Law Review 20 (1968), S.  147 (147). 259  Zur Bedeutung des Richteramtes (hier unter Bezugnahme auf Justice Scalia) für poli­ tische Richtungsentscheidungen siehe D. Reicher, Staat, Schafott und Schuldgefühl. Was Staatsaufbau und Todesstrafe miteinander zu tun haben, 2003, S.  12 ff. 260  Mit einer interessanten Statistik der zwischen 1884 und 1997 ernannten Richter Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  77. Abraham zeigt, dass die durch die jeweiligen Präsiden­ ten ernannten Richter zu einer Wahrscheinlichkeit zwischen ca. 82–98  % der gleichen Partei wie der Präsident verschrieben waren. 261  Solche „long term-effects“ gehen vor allem von den zahlreichen Bundesrichter-Ernen­ nungen durch Präsident Reagan aus, siehe dazu S. Goldman, Judicature 68 (1985), S.  313 ff.; C. B. Riess, Reagans Richter. Der Supreme Court in der Innenpolitik der 80er Jahre, 1993. 262  Dazu allgemein Goldman, Judges (Teil  2 , Fn.  909), S.  285 ff. (zur Präsidentschaft von Reagan). Diese Einschätzung dürfte wohl auch auf Präsident Obama zutreffen, der zwar kei­ nen einzigen U.S. Supreme Court Richter ernennen konnte, aber am D. C. Circuit Court of Appeals aktiv war. 263  So auch Jacob, Courts (Fn.  229), S.  18 f., 71 ff.; Shell, Gerichtshof (Fn.  192), S.  181 f. Siehe zur politischen Verwobenheit amerikanischer Bundesrichter auch S. Goldman, Judica­ ture 76 (1993), S.  282 ff. 264 Von historischer Bedeutung ist insbesondere die Entscheidung Brown v. Board of 258 

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Wahlsieg Trumps 2016 hat sich die Machtbalance innerhalb des obersten Ge­ richts verschoben, da er bisher (Stand April 2020) zwei U.S. Supreme Court Richter ernennen konnte (Justice Gorsuch und Justice Kavanaugh). Die konser­ vativen Kräfte erhofften sich beispielsweise, die Legalität von Abtreibungen durch ein neues Gerichtsverfahren umzustoßen 265. Obwohl das Recht auf Ab­ treibung nach wie vor als ein Grundrecht gilt, haben jüngere Fälle, insbesonde­ re Planned Parenthood v. Casey266, Stenberg v. Carhart267 und Gonzales v. Carhart268 diesen rechtlichen Standard bereits beeinflusst269. Konkrete Entwicklun­ gen bleiben weiter abzuwarten. Zumindest wird eine politische Beeinflussung des U.S. Supreme Courts latent dadurch abgeschwächt, dass alle Bundesrichter auf Lebenszeit ernannt werden und somit eine gewisse Entscheidungskontinui­ tät sichergestellt ist270. Überdies lässt sich feststellen, dass die Bundesrichter in Education of Topeka, 347 U.S.  483 (1954), mit der das Verbot von Rassentrennungen in Schu­ len aufgehoben worden ist. Dazu R. Wolters, The Burden of Brown. Thirty Years of School Desegregation, 1984. 265  Die Entscheidung Roe v. Wade, 410 U.S.  113 (1973) gilt als „landmark decision“ in der Geschichte des U.S. Supreme Courts zur Abtreibung, die mit einer 7:2 Mehrheit gegen ein Verbot von Abtreibungen ausging. Es handelt sich um eine Mehrheit, die nun bröckelt. Vgl. zu dieser Prognose Hoff, US-Supreme Court (Einl., Fn.  18), S.  243 ff.; J. P. Kastellec, Journal of Law and Courts 2016, S.  1 (7 ff.). Siehe allgemein zu der Entscheidung D. J. Garrow, Liber­ ty and Sexuality. The Right to Privacy and the Making of Roe v. Wade, 1994; Hoff, US-Sup­ reme Court (Einl., Fn.  18), S.  243 ff.; O’Brien, Storm (Teil  2, Fn.  914), S.  1 ff. 266 In seinem Urteil Planned Parenthood of Southeastern Pa. v. Casey, 505 U.S.  833 (1992), beschloss der U.S. Supreme Court nur noch mit einer 5:4 Mehrheit die Aufrechterhal­ tung des Rechtes auf Abtreibung, verwarf dabei allerdings auch die starre 3-Trimester-Frist, siehe Planned Parenthood of Southeastern Pa. v. Casey, 505 U.S.  833, 878 (1992). Eine Zu­ sammenfassung der Abtreibungsrechtsprechung bieten C. Moors, Die Rolle von Verfassung und Verfassungsgerichtsbarkeit in der politischen Auseinandersetzung in den USA und Ka­ nada am Beispiel des Schwangerschaftsabbruchs, 1997, S.  81 ff. sowie I. Shapiro (Hrsg.), Abortion. The Supreme Court Decisions, 1965–2007, 2.  Aufl. 2001. 267 In Stenberg v. Carhart, 530 U.S.  914 (2000) wurde ein Gesetz aus Nebraska für verfas­ sungswidrig erklärt, welches Abtreibungen generell unter Strafe stellte. Auch diese Entschei­ dung erging knapp mit 5:4 Stimmen. Dazu D. M. Smolin, Harvard Journal of Law & Public Policy 24 (2001), S.  815 ff.; M. C. Holsinger, N.Y.U. Journal Legislation and Public Policy 6 (2002), S.  603 ff. 268 In Gonzales v. Carhart, 550 U.S.  124 (2007) wurde mir 5:4 Stimmen die Aufrechter­ haltung des Partial-Birth Abortion Act von 2003 entschieden. Die Entscheidung geht nicht mehr konform mit ihren Vorgängern und wird daher gemeinhin als eine Abwendung des U.S. Supreme Courts von seiner bisherigen liberalen Abtreibungsrechtsprechung gesehen. So G. J. Annas, The New England Journal of Medicine 356 (2007), S.  2201 (2203 ff.). 269  Siehe die Zusammenfassung der Entscheidungen zum Recht auf Abtreibung bei G. J. Annas, The New England Journal of Medicine 356 (2007), S.  2201 ff. 270 Siehe Tribe, Constitutional Law (Teil  2 , Fn.  480), S.  241 ff. Vgl. auch die Einschätzung bei K. Lehnig, Der verfassungsrechtliche Schutz der Würde des Menschen in Deutschland und in den USA. Ein Rechtsvergleich, 2003, S.  144 f.

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

der Regel nur nach ihrer eigenen ideologischen Überzeugung Recht sprechen und sich nicht parteipolitisch leiten lassen 271. Auch der jüngste Fall des Trump-­ Richters Gorsuch zeigt, dass Gefälligkeitsurteile zwar unüblich sind, die Recht­ sprechung des höchsten Gerichts in den Vereinigten Staaten jedoch einen merk­ lich konservativeren Einschlag bekommen hat272. (6) Kritik an der Organisation des U.S. Supreme Courts Wie oben bereits angedeutet, verschieben sich heutzutage die Funktionen des U.S. Supreme Courts von einem Rechtsmittelgericht hin zu einem bloßen Ver­ fassungsgericht, wodurch praktisch die Courts of Appeals zu den letztinstanz­ lichen Gerichten avancieren 273. Sie erhalten damit eine Funktion, die ihnen die Verfassung primär so nicht zugestanden hat. Überdies wird Kritik an der Ar­ beitsweise des U.S. Supreme Courts laut. Die Einheitlichkeit der Rechtspre­ chung könne aufgrund zurückgehender Zahlen angenommener Klagen nicht mehr gewährleistet werden 274. Daher wird bisweilen dafür plädiert, ein einheit­ liches oberstes Revisionsgericht einzurichten und den U.S. Supreme Court als Verfassungsgericht aus dem Instanzenzug prinzipiell auszuscheiden 275. b) Legislative Courts: Spezielle Gerichte des Bundes Für die Legislative Courts gelten die Zuständigkeitsbegrenzungen und institu­ tionellen Garantien des Art.  III der U.S.-Verf. nicht276. Die legislativen Bundes­ 271 

Überzeugend wird dies dargelegt von R. D. Rotunda, Georgetown Journal of Legal Ethics 15 (2001), S.  127 ff. 272  Das Dekret der Executive Order 13769, auch als „Muslim Ban“ bekannt, wurde zwar zunächst von unteren Bundesgerichten für verfassungswidrig erklärt, im Juni 2017 jedoch vom U.S. Supreme Court im Wesentlichen wieder in Kraft gesetzt, vgl. Trump. v. International Refugee Assistance Project, 582 US __ (2017) als Per Curiam-Entscheidung, die durch das Gericht als Ganzes erging. Gleichzeitig wurde ein Certiorari angenommen; Verhandlun­ gen werden für Herbst 2017 erwartet. Siehe M. D. Shear/A. Liptak, Supreme Court Takes Up Travel Ban Case, and Allows Parts to Go Ahead, in: The New York Times (abrufbar unter https://www.nytimes.com/2017/06/26/us/politics/supreme-court-trump-travel-ban-case. html, 19.3.2020); J. Rheinstrom, Georgetown Innovation Law Journal 31 (2017), S.  433 ff. 273  Mit einer Zusammenfassung zur Kritik auch Freund, Supreme Court (Fn.  143), S.  171 ff. 274 Siehe A. D. Hellman, Hastings Constitutional Law Quarterly 11 (1984), 375 ff.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  23. 275  Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  23. 276  Die Vorgaben beziehen sich primär auf die Richterschaft, die im Sinne der Verfassung auf Lebenszeit ernannt werden und grundsätzlich nicht abgesetzt werden dürfen und deren Bezüge nicht kürzbar sind. Siehe hierzu Hay, Einführung (Teil  2, Fn.  1034), S.  45; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  158; Brugger, Einführung (Teil  2, Fn.  172), S.  14; Oldopp, System (Teil  1, Fn.  210), S.  89.

B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit

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gerichte werden zwar auch durch Gesetz, allerdings nicht auf Grundlage von Art.  III, sondern Art.  I der U.S.-Verf. geschaffen 277 und werden daher auch als Article I Tribunals bezeichnet278. Zwar sind auch die Legislative Courts dem U.S. Supreme Court untergeordnet, allerdings werden Sie durch Art.  III der U.S.-Verf. weder beschränkt noch geschützt279. Ihren Richtern kommt nicht die verfassungsrechtlich verbürgte Unabsetzbarkeit bei garantiertem Einkommen zugute280. Auf der anderen Seite müssen die Richter auch keine Einschränkun­ gen durch Art.  III der U.S.-Verf. hinnehmen und können beispielsweise gutach­ terliche Stellungnahmen für den Kongress vorbereiten und haben neben ihrer rechtsprechenden mitunter auch eine verwaltende sowie quasi-gesetzgebende Funktion 281. In erster Linie fungieren die Legislative Courts zwar als Verwal­ tungshilfe in der Umsetzung von Gesetzen, dennoch haben die gerichtlichen

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Die gem. Art.  I der U.S.-Verf. errichteten Spezialgerichte werden von Richtern besetzt, die der Präsident lediglich für eine festgesetzte Amtszeit beruft. Siehe hierzu Oldopp, System (Teil  1, Fn.  210), S.  89; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  22 f. 278  Siehe so auch Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  22; ähnlich hierzu in einem historischen Kontext Wright/Kane, Law (Fn.  66), S.  27 ff.; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  158 f.; Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  115 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  24 f. 279  Die Befugnis des Kongresses zur Errichtung der Legislative Courts ergibt sich aus Art.  I §  8 Abs: 9 der U.S.-Verf.; vgl. hierzu aus der Rechtsprechung Chief Justice Marshall, in: American Insurance Co. v. 356 Bales of Cotton, 26 U.S. (1 Pet.) 511, 546 (1828): „They are Legislative Courts, created in virtue of the general right of sovereignty which exists in the government, or in virtue of that clause which enables Congress to make all needful rules and regulations, respecting the territory belonging to the United States. The jurisdiction with which they are invested, is not a part of that judicial power which is defined in the 3d article of the Constitution, but is conferred by Congress, in the execution of those general powers which that body possesses over the territories of the United States“. Aus der Literatur Jacob, Justice (Fn.  57), S.  166; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  158; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  22. 280  Siehe mit kritischen Tönen aus der Rechtsprechung zur Abgrenzung von Legislative Courts und Constitutional Courts bspw. Glidden Co. v. Zdanok, 370 U.S.  530, 533–534 (1962). – In diesem Verfahren ging es in dem hier relevanten Teil um den verfassungsrecht­ lichen Status der Richter an den Court of Claims, Courts of Customs and Patent Appeals. Die Entscheidung war kontrovers diskutiert worden, ging allerdings am Ende zugunsten des ver­ fassungsrechtlichen Schutzes der Richter im Sinne des Art.  III der U.S.-Verf. aus. Eine erneu­ te Anhörung wurde nicht zugelassen (371 U.S.  854, 84 S.Ct. 14, 9 L.Ed.2d. 93 [1962]). Siehe hierzu Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  23 f.; Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  16 f.; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  64 ff. 281  Vgl. abermals Glidden Co. v. Zdanok, 370 U.S.  530, 583, 602 (1962): „As noted, the advisory opinion is beyond the capacity of Article III courts to render […]. Yet it is part and parcel of the function of legislative tribunals“ (Zitat S.  602). – Vgl. weiterhin Abraham, Pro­ cess (Teil  1, Fn.  278), S.  158; Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  17.

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

Urteile im Rahmen der Rechtsprechung eine gleichermaßen bindende Wirkung (res judicata, authorative settled law) wie die der Constitutional Courts282. Zu den Legislative Courts zählen neben den U.S. Bankruptcy Courts (aa.) weitere Bundesgerichte mit spezialisierter Zuständigkeit (bb.). aa) U.S. Bankruptcy Courts Jeder District Court des Bundes beschäftigt sich auch mit Insolvenzfällen und in den meisten Districts sind hierfür spezielle Bankruptcy Courts eingerich­ tet283. Konkursrecht ist hauptsächlich Bundesrecht284, sodass Konkursfälle nicht bei den Gerichten der Einzelstaaten anhängig gemacht werden können 285. Rechtliche Grundlagen finden die Verfahren der Privat- und Unternehmensin­ solvenz286 in 11 U.S.C. Die große Mehrzahl der Insolvenzfälle fällt insofern unter die Kapitel  7 (Liquidationsverfahren), 11 (Sanierungs-/Restrukturierungs­ verfahren)287 und 13 (Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Perso­ nen)288. Die in Deutschland unter der Bezeichnung „Chapter-11-Verfahren“ be­ kannte Vorgehensweise im Falle einer Unternehmensinsolvenz wird unter hie­ sigen Reformern immer wieder als Reformmodell für das deutsche Insolvenzrecht diskutiert289. 282 Vgl.

Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  158. Siehe im Überblick zu der Einrichtung von und Verfahren vor den Insolvenzgerichten des Bundes Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  22; Hay, Einführung (Teil  2, Fn.  1034), S.  186 ff.; Wilson, Justice System (Fn.  116), S.  104 f.; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  57 f. – Die Zuständigkeit der Bankruptcy Courts für Insolvenzsachen richtet sich nach 28 U.S.C. §  1334 (a). 284  Das Konkursrecht wird durch den Bankruptcy Code (11 U.S.C. §§  101 ff.) sowie die Rules of Practice and Procedure in Bankruptcy, zu deren Erlass der U.S. Supreme Court durch 28 U.S.C. §  2075 ermächtigt wird, geregelt. 285  Hay, Einführung (Teil  2 , Fn.  1034), S.  186 f.; Wilson, Justice System (Fn.  116), S.  104 f. 286 Im Detail hierzu siehe Hay, Einführung (Teil  2 , Fn.  1034), S.  188 ff.; knapp auch ­Wilson, Justice System (Fn.  116), S.  104. Vgl Tennessee Student Assistance Corp. v. Hood, 541 U.S.  440 (2004): „A bankruptcy court is able to provide the debtor a fresh start“. 287  Das größte Insolvenzverfahren der Geschichte der Bankruptcy Courts wurde 2008 in New York durch die Lehman Brothers Holding Inc. anhängig gemacht; der Antrag nach Chapter 11 beinhaltete Vermögenswerte von über 639 Milliarden U.S.-Dollar. Siehe hierzu die Pressemitteilung des Unternehmens vom 15.9.2008, abrufbar unter http://www.lehman. com/press/pdf_2008/091508_lbhi_chapter11_announce.pdf (19.3.2020); C. Geisst, Lehman Brothers, in: M. Dubofski (Hrsg.), The Oxford Encyclopedia of American Business, Labor, and Economic History, Bd.  1, 2013, S.  470 m. w. N. 288  Vgl. zu den verschiedenen Verfahrenstypen nach den Bankruptcy Code Hay, Einfüh­ rung (Teil  2, Fn.  1034), S.  178 ff.; B. Grauke/S. Youdelman, in: H.-P. Kirchhof/H. Eidenmüller/­ R. Stürner, (Hrsg.), MüKo InsO, Bd.  4, 3.  Aufl. 2016, Länderbericht USA, Rn.  6 f.; J. D. Spliedt, in: K. Schmidt (Hrsg.), InsO-Kommentar, 19.  Aufl. 2016, Einf. zu den §§  217 f. InsO Rn.  7 ff. 289 Vgl. F. Podewils, ZInsO 2010, S.  209 ff.; Grauke/Youdelman (Fn.  288), Länderbericht 283 

B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit

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Nachdem die Bankruptcy Courts im Jahre 1978 etabliert worden sind 290, ka­ men schnell Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Bankruptcy Reform Acts auf, da die Insolvenzrichter zwar mit den Zuständigkeiten und Pflichten eines Richters am District Court ausgestattet wurden, ohne ihnen jedoch den durch Art.  III der U.S.-Verf. zu gewährenden Schutz zukommen zu lassen 291. Ihnen wurde damit insbesondere die Berufung auf die richterliche Unabhängigkeit verwehrt292. Bankruptcy-Richter arbeiten teils dicht mit Verwaltung und Ge­ setzgebung zusammen und damit in einem für deutsche Verhältnisse undenk­ baren Modell einer Vermischung der Staatsgewalten. Da die Parteien im Ver­ fahren allerdings Anspruch auf einen mit richterlicher Unabhängigkeit ausge­ statteten Art.  III-Richter haben, muss auch im Insolvenzrecht der Rechtsweg immer den Zugang zu einem solchen Richter ermöglichen. Daher unterliegen die Bankruptcy Courts der Aufsicht des District Courts, dem sie vorgeschaltet sind 293. bb) U.S. Courts of Special Jurisdiction Es existieren inzwischen nur noch vier Arten von Legislative Courts. Während die District Courts eine generelle Zuständigkeit aufweisen, sind sie die Courts of Special Jurisdiction und für einige Sonderfälle geschaffen worden 294. Zu die­ sen besonderen Gerichten zählen zunächst die U.S. Tax Courts (Finanz­gerichte), die früher mehr als eine Art exekutive Behörde als ein Gericht angesehen wor­ den sind 295. Hinzukommen darüber hinaus auf übergeordneter Ebene der U.S. USA, Rn.  6. – Zu Recht wird allerdings dieses Modell als missbrauchsanfällig kritisiert, sie­ he K. Priebe, ZInsO 2011, S.  1676 (1684). 290  Durch den Bankruptcy Act von 1978 (Pub. L. 95-598, 92 Stat. 2549). Durch §  201 (a), 28 U.S.C. §  151 (a) wurden die Bankruptcy Courts den District Courts beigeordnet. 291 Siehe Northern Construction Pipeline Co. v. Marathon Pipe Line Company, 6. B.R. 928 (1981) und 12 B.R. 946 (1981). – Der U.S. Supreme Court hatte schließlich den Fall zu entscheiden und stellte fest, dass den Bankruptcy Judges zu viele Befugnisse übertragen worden sind, die allein Richtern unter dem Schutz von Art.  III zukommen können, siehe Northern Pipeline Construction Co. v. Marathon Pipe Line Company, 458 U.S.  50 (1982); Wilson, Justice System (Fn.  116), S.  105. 292  Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  17; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  58, 65. 293  Vgl. abermals Northern Pipeline Construction Co. v. Marathon Pipe Line Company, 458 U.S.  50 (1982). Siehe hierzu Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  58 f.; Hay, Recht (Teil  1, Fn.  204), Rn.  106. 294 Vgl. hierzu Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  159 ff.; Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  116 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  24 f.; Blumenwitz, Einführung (Teil  1, Fn.  201), S.  46. 295  Der Status der Tax Courts änderte sich erst 1969 mit der Zuordnung zur Judikative (26 U.S.C. §  7441). Vgl. aus der Literatur Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  22; Abra-

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

Court of Appeals for the Armed Forces (Berufungsgericht für die Streitkräf­ te)296, der U.S. Court of Appeals for Veterans Appeals (Berufungsgericht für Ansprüche der Veteranen)297 sowie der U.S. Court of Federal Claims für spezi­ elle Klagen gegen die Bundesregierung. Man beachte weiterhin das Judicial Panel on Multidistrict Litigation (Rechtsausschuss für bezirksübergreifende Rechtsstreitigkeiten)298, welches jedoch nur marginale Bedeutung hat. Eine Sonderstellung nehmen im Gefüge der Gerichtsorganisation der U.S. Court of Federal Claims (oberstes Bundesverwaltungsgericht) sowie der Court of Customs and Patent Appeals (Zoll- und Patentberufungsgerichte) ein 299, die ehemals unter Art.  I der U.S.-Verf. fielen: In den 1950er Jahren wurden die Vor­ gänger dieser Gerichte umgewandelt300. Seither handelt es sich bei ihnen theo­ retisch um Constitutional Courts. Da sie nach wie vor bestimmte quasi-gesetz­ gebende und quasi-verwaltende Aufgaben wahrnehmen301, haben sie dennoch eine Zwischenfunktion. Auch der Court of International Trade (Gerichtshof für internationalen Handel), der geheimhin weiterhin als Customs Court bekannt ist, ist ein ehemaliger Legislative Court, der nunmehr in einem Randbereich als „spezieller“ Constitutional Court agiert302. Etwas ungenau ist es strenggenommen, auch die District Courts der amerika­ nischen Außenterritorien als Legislative Courts einzuordnen303. Dies wird zum Teil mit der Begründung versucht, es handle sich auch bei den District Courts von Guam, der nördlichen Marianen sowie der Jungferninseln gleichfalls um ham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  159 ff.; Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  117; Wright/ Kane, Law (Fn.  66), S.  18 f., 57. 296 Der U.S. Court of Appeals for the Armed Forces wurde 1950 als U.S. Court of Military Appeals gegründet und ist in 10 U.S.C. §§  641–646 reglementiert. Siehe R. O. Everett, Wes­ tern Reserve Law Review 7 (1955), S.  45 ff.; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  159 f.; Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  116 f. 297  Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  117. 298 Vgl. Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  164 ff. 299  Siehe zu der Umwandlung der Gerichte in sog. Art.  I-Courts Williams v. United States, 289 U.S.  553 (1933); darüber hinaus Ex parte Bakelite Corp., 279 U.S.  438, 450–455 (1929). Siehe aus der Literatur im ersten Zugriff Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  22; Wright/Kane, Law (Fn.  66), S.  35 f.; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  164 ff.; K. R. Tho­ mas/­L. M. Eig (Hrsg.), The Constitution of the United States of America. Analysis and Inter­ pretation. Centennial Edition. Interim Edition: Analysis of Cases Decided by the Supreme Court of the United States to June 26, 2013, 2013, S.  673. 300 Siehe Glidden Co. v. Zdanok, 370 U.S.  530 (1962); zu den Kontroversen um diese Ent­ scheidung Thomas/Eig, Constitution (Fn.  299), S.  673; H. Dubroff/B. J. Hellwig, The United States Tax Court. An Historical Analysis, 2.  Aufl. 2014, S.  181 f. 301  So auch Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  164 f.; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  23. 302  Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  168; Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  118 f. 303  So noch Wright/Kane, Law (Fn.  66), S.  50.

B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit

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vom Kongress geschaffene Gerichte304. Dies ist per se nicht falsch, da sie auf Grundlage von Art.  IV der U.S.-Verf. errichtet werden und mithin nicht zu den Art.  III-Courts zählen. Im Umkehrschluss folgt hieraus dennoch nicht eine Zu­ ordnung zu den Legislative Courts305. 2. Staatengerichte Die meisten Rechtsstreitigkeiten in den USA werden vor den Gerichten der Ein­ zelstaaten ausgetragen, deren praktische Relevanz im amerikanischen Gerichts­ system von herausragender Wichtigkeit ist306. Aus dieser Tendenz ergibt sich auch die Bedeutung, die der Auswahl einzelstaatlicher Richter zukommt307. Alle Staatengerichte in den einzelnen Bundesstaaten verfügen über eigenstän­ dige, vollständige Gerichtszweige mit eigener Organisation308. Sie sind in ihrer Anzahl und ihrer organisatorischen Variabilität weitaus komplizierter als die Gerichte des Bundes309. Eigenständige Bedeutung erlangen die Gerichte der Einzelstaaten neben dem U.S. Supreme Court bereits durch den Umstand, dass der U.S. Supreme Court Fälle nur unter strengen Voraussetzungen annimmt. Es ist daher umso wichtiger, dass dem Bürger ausreichender Rechtsschutz im Rah­ men der einzelstaatlichen Gerichtsbarkeit widerfährt310. Teilweise geht die Reichweite des Verfassungsrechts im jeweiligen Staatenrecht weiter als im Rah­ men des Bundesrechts, sodass die Auslegung durch die einzelstaatlichen Ge­ richte durchaus einen Mehrwert bedeuten kann311. Die Gerichtsstruktur in den Einzelstaaten lässt sich schwerlich verallgemei­ nern312 , da nahezu jede einzelne Gerichtsverfassung der 50 Staaten sowie des 304 Vgl. W. G. Katz, Harvard Law Review 43 (1990), S.  894 (897 ff.); Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  164. 305 Kritisch hierzu C. A. Loring, The Hastings Law Journal 7 (1955), S.  62 ff.; Wright/ Kane, Law (Fn.  66), S.  50. 306  Mit einer ähnlichen Einschätzung siehe auch K. Heller, EuGRZ 1985, S.  685 (689); Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  158; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  24. 307  So auch Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  24. 308  Siehe zur Einführung Hay, Einführung (Teil  2 , Fn.  1034), S.  48 ff.; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  151 f.; v. Mehren/Murray, Law (Teil  2, Fn.  132), S.  116 f.; mit Blick auf die Strafrechtsgesetzgebung Reinbacher, Strafrechtssystem (Einl., Fn.  47), S.  123 ff.; Burnham, Introduction (Teil  2, Fn.  132), S.  182 f. 309 So Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  152; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  29; Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  159. 310  Siehe hierzu Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  151. 311  Dies gilt vor allem für die Gewährleistung essentieller Bürgerrechte, so auch W. J. Brennan, Harvard Law Review 90 (1977), S.  489 ff.; G. A. Tarr, Understanding State Constitutions, 1998, S.  165; M. E. Solimine/J. L. Walker, Respecting State Courts. Inevitability of Judicial Federalism, 1999, S.  89; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  58 ff. 312  Vgl. H. P. Stumpf/J. H. Culver, The Politics of State Courts, 1992, S.  14; Röhl, Gerichts­

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

Districts of Columbia individuell ausgestaltet ist313. Nur wenige Staaten verfü­ gen wie die Bundesebene über einen einheitlich dreistufigen Aufbau. Insbeson­ dere die Ausgestaltung der Eingangsinstanz variiert stark. Verallgemeinernd lässt sich zumindest feststellen, dass der Gerichtsaufbau häufig vierstufig314 und in einem dreistufigen Instanzenzug organisiert ist315. Einige Bundesstaaten ha­ ben inzwischen ein einheitliches Gerichtssystem (Court Unification) einge­ führt, während andere noch immer an einer unüberschaubaren Justiz mit sich überschneidenden Zuständigkeiten festhalten316. Zunächst sollen unter dieser Prämisse die gerichtsorganisatorischen Gemeinsamkeiten der Bundesstaaten aufgezeigt werden (a.), um dann an späterer Stelle genauer auf die Gerichts­ strukturen der einzelnen Staaten einzugehen (b.). verwaltung (Einl., Fn.  18), S.  28; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  29; Brugger, Ein­ führung (Teil  2, Fn.  172), S.  14; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  50 ff. – Empfehlenswert ist die Übersicht des „Prototyps“ einer einzelstaatlichen Gerichtsor­ ganisation sowie die sich anschließende graphische Darstellung des Gerichtsaufbaus aller Ein­ zelstaaten bei Rottman/Strickland, Organization (Teil  2, Fn.  618), S.  92 ff. – Beide deuten über­ dies an, dass zumindest seit den 1950er Jahren bereits erhebliche Vereinheitlichungstendenzen zu verbuchen sind, obwohl die Struktur der Staatengerichte gleichwohl unübersichtlich ist. 313  Hauptquelle sind die einzelnen Verfassungen der Bundesstaaten (siehe dazu die Tabel­ le 1 unter Kap.  3 B. II. 2. b)), teilweise finden sich Vorgaben zum Gerichtssystem aber auch in einfach-rechtlichen Vorschriften, wie z. B. dem Titel 10 des Delaware Codes („Courts and Judicial Procedure“). 314  Die höchste Instanz bildet zumeist ein als Supreme Court bezeichnetes oberstes Staaten­ gericht, und es existiert häufig darunter eine allgemeine Rechtsmittelinstanz. Auf Eingangs­ ebene finden sich neben den Gerichten mit einer unbeschränkten Zuständigkeit auch speziali­ sierte Gerichte. – Vgl. D. P. Kommers, Die Verfassungsgerichtsbarkeit in den Gliedstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika, in: Starck/Stern, Landesverfassungsgerichtsbarkeit I (Fn.  51), S.  461 (463 ff.); Marks/Cooper, State (Teil  2, Fn.  561), S.  135 ff., 144 ff.; Brugger, Einführung (Teil  2, Fn.  172), S.  14; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  50. 315  Siehe auch Fulda, Einführung (Teil  1, Fn.  202), S.  20; mit einem „Prototype state court system“ siehe Holland, Courts (Fn.  83), S.  13; ähnlich Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  29 ff. – Dass die verallgemeinernde Annahme, es handle sich generell bei dem einzelstaat­ lichen Gerichtsaufbau um ein dreistufiges Modell, nicht akkurat ist, wird instruktiv heraus­ gestellt von J. Resnik, Sothern California Law Review 57 (1984), S.  837 ff.; Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  134. 316 So Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  157; recht eindringlich Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  50; siehe zum Zusammenhang zwischen einem einheitlichen Gerichtssystem sowie einer zentralisierten Gerichtsverwaltung J. A. Gazell, The Current Status of State Court Reform. A National Perspective, in: Hays/Graham., Court Administration (Teil  1, Fn.  252), S.  79 (81 ff.); L. Baum, American Courts. Process and Policy, 7.  Aufl. 2013, S.  38; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  94 ff. – Zu den Hintergrün­ den der Reformen in den Einzelstaaten Willoughby. Principles (Teil  1, Fn.  274), S.  254 ff.; Hays, Reform (Teil  2, Fn.  86), S.  2 ff.; Feeley, Reform (Teil  2, Fn.  623), S.  35 ff.; J. Walker, The Politics of State Courts, in: S. O. Hogan (Hrsg.), The Judicial Branch of State Government. People, Process, and Politics, 2006, S.  171 (196 ff.).

B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit

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a) Gerichtsorganisation in den Einzelstaaten – gemeinsame Schnittstellen Trotz Unterschieden im Detail der organisatorischen Strukturen der Gerichte in den Einzelstaaten gibt es einige Gemeinsamkeiten, durch die sich die Gerichtsorganisa­ tion insgesamt verallgemeinern lässt317. Alle Bundesstaaten der USA unterscheiden zwischen Eingangsgerichten und Berufungsgerichten. Die Gerichte sind – ähnlich wie auf Bundesebene – hierarchisch angeordnet318. Trial Courts als Eingangs­ gerichte finden sich in allen Bundesstaaten. Allerdings ist ihre Ausgestaltung höchst unterschiedlich (aa.)319. Eine zwischengeschaltete Berufungsinstanz in Form der Intermediate Appellate Courts gibt es hingegen lediglich in 37 Einzelstaaten (bb.)320. In einigen Staaten findet sich mithin gar kein Appellate Court, sondern die Berufung geht direkt von den untersten Gerichten zum höchsten Gericht321. Die größte Schnittstelle bilden dabei die Courts of Last Resort, welche zumeist die ­Supreme Courts, d. h. die Obersten Gerichtshöfe in den Staaten sind (cc.). aa) Trial Courts Bereits die erstinstanzliche Ebene kennzeichnet sich durch unterschiedliche or­ ganisatorische Konzepte. Die entscheidende Zuständigkeitsdifferenzierung er­ folgt zwischen den Courts of General Jurisdiction (Gerichte mit umfassender Zuständigkeit) und den Courts of Limited Jurisdiction (Gerichte mit einge­ schränkter Zuständigkeit)322. Die Eingangsstufe auf Staatenebene ist unüber­ sichtlich gestaltet, besteht aber in der Regel aus den Courts of Limited Jurisdic­ tion, die oft auch als Inferior Courts bezeichnet werden323. Solche Gerichte sind häufig auf Kommunalebene organisiert, daher sehr klein und darüber hinaus stark spezialisiert324. Ihre Bezeichnungen sind so variabel wie ihre Zuständig­ 317 

Eine kurze Übersicht zu der Gerichtsorganisation der Einzelstaaten in den USA bieten Ross/Millsap, Government (Fn.  57), S.  304 ff.; Foster/Machunze/Blanchard, Introduction (Teil  2, Fn.  274), S.  157 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  29 ff.; R. V. del Carmen/­ C. Hemmens, Criminal Procedure. Law and Practice, 10.  Aufl. 2015, S.  8 ff. 318  Vgl. dazu Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  101 ff., 151 ff.; S. O. Hogan, The Structure and Process of State Courts, in: ders., Branch (Fn.  316), S.  97 (97 f.); Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  35 ff.; siehe R. A. Carp/R. Stidham/K. L. Manning, The State Courts, 2010, S.  16 ff. 319  Siehe im ersten Zugriff Mishkin/Morris, Law (Teil  2 , Fn.  152), S.  3 f.; Zätzsch, Unab­ hängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  29 f.; Farnsworth, Introduction (Teil  2, Fn.  140), S.  44 f. 320  Stumpf/Culver, Politics (Fn.  312), S.  14; vgl. auch Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  30. 321  Fulda, Einführung (Teil  1, Fn.  202), S.  20. 322  Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  29 f.; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Pro­ cess (Teil  2, Fn.  909), S.  53 f.; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  83 ff. 323  Foster/Machunze/Blanchard, Introduction (Teil  1, Fn.  274), S.  158 ff.; Baum, Courts (Fn.  316), S.  41 f.; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  83. 324  Überdies sind sie aufgrund ihrer Errichtung durch die lokalen Regierungen rein recht­

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

keiten: Justice of the Peace Court325, Recorders’ Court, Small Claims Court, Domestic Relations Court; üblich und verbreitet sind auch Probate, Family und Juvenile Courts326 . Die Anzahl der eingerichteten Trial Courts of Limited Jurisdiction variiert stark und ist fast in allen Bundesstaaten unterschiedlich327. Ge­ mein ist all diesen Gerichten jedoch, dass sie sich zunächst mit kleineren Rechts­ streitigkeiten beschäftigen328. Ein an sich untragbarer Zustand für die Qualität der Rechtsprechung an vielen Trial Courts of Limited Jurisdiction ist zudem die Tatsache, dass bisweilen keine ausgebildeten Richter Recht sprechen; eine juris­ tische Ausbildung ist für einige Richterämter schlicht nicht vorgesehen329. Es fehlt im Übrigen an vielen Gerichten an Ressourcen jeglicher Art.  Teilweise ist bereits keine ausreichende Ausstattung mit Gerichtssälen vorhanden330. Die Courts of General Jurisdiction mit ihrer umfassenden Zuständigkeit ­heißen häufig City Courts, District Courts oder County Courts, weil sich ihre Zuständigkeit für gewöhnlich auf bestimmte Kreise oder Bezirke beziehen, sachlich aber keiner Begrenzung unterliegen331. Üblich ist auch die Bezeich­ lich gesehen nicht ausschließlich der Judikative des Bundesstaates zuzuordnen, vgl. Hogan, Structure (Fn.  318), S.  98 ff.; Baum, Courts (Fn.  316), S.  41; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  83. 325  Instruktiv zum Justice of the Peace Court aus historischer und kompetenzieller Per­ spektive Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  152 ff.; siehe weiterhin R. J. Holland, The De­ laware State Constitution, 2011, S.  178 ff. 326  Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  29; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  29; Hogan, Structure (Fn.  318), S.  99 ff.; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  53, 55 f. 327  Einige Staaten (wie Kalifornien, der District of Columbia, Illinois, Iowa, Minnesota und Puerto Rico) haben gar keine spezialisierten Eingangsgerichte eingerichtet, während es in New York und Texas bspw. über 2000 solcher Trial Courts gibt. Nicht unüblich ist es über­ dies, dass die Eingangsebene aus kombinierten Gerichten mit spezieller und allgemeiner Zu­ ständigkeit besteht (so in Kalifornien). Siehe dazu Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  83. – Zum Teil existieren überdies enorm spezialisierte Gerichte, zum „Water Rights System“ und entsprechenden Wasser-Gerichten in Colorado siehe J. W. Johnson, United ­States Water Law. An Introduction, 2009, S.  328 ff. 328  Dies bemisst sich nach dem Streitwert oder zu verhängenden Strafe. In Zivilsachen darf der Streitwert i. d. R. bei nicht mehr als 500$ liegen, und in Strafsachen liegt die höchste zu verhängende Strafe bei einer Geldstrafe von knapp 1000$ bzw. bei einer Höchststrafe von einem Jahr Gefängnis, vgl. knapp Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  36; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  53. 329  Siehe dazu Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2 , Fn.  909), S.  53. 330  Nach den Schilderungen von Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2 , Fn.  909), S.  53 werden Termine daher zum Teil außerhalb des Gerichtsgebäudes abgehalten, bspw. in Restaurants oder in privatem Wohnraum. 331  Der hohe Spezialisierungsgrad dieser Eingangsgerichte ist historisch bedingt und geht zurück auf wachsende Bevölkerungszahlen und das Bedürfnis nach spezifizierter Rechtspre­

B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit

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nung als Municipal Court332. Konfus wirkt die Bezeichnung der Eingangs­ gerichte mit General Jurisdiction in den Gerichtsbezirken von New York, wo sie als „Supreme Court“ firmieren333. Courts of General Jurisdiction beschäfti­ gen sich mit größeren zivil- als auch mit strafrechtlichen Fällen334. Zu diesen Gerichten allgemeiner Zuständigkeit gehen teilweise auch die Berufungen der speziellen Eingangsgerichte335. Richter in bevölkerungsärmeren Bundesstaaten sind indessen für mehrere Gerichtsbezirke zuständig, während es in bevölke­ rungsreichen Bundesstaaten nicht unüblich ist, dass sich die Richter sogar spe­ zialisieren und nur Zivil- oder Strafsachen verhandeln336. Das Professionalitäts­ level der Trial Courts of General Jurisdiction ist erfreulicherweise höher als das der Eingangsgerichte mit limitierter Zuständigkeit337. Die State Trial Courts sind in aller Regel bereits deshalb von größter Bedeutung, da sie alleine knapp 98  % aller Gerichtsverfahren in den Vereinigten Staaten verhandeln und inso­ fern mit einer enorm hohen Arbeitsbelastung konfrontiert sind 338. bb) Intermediate Appellate Courts Jeder Bundesstaat verfügt über ein gerichtliches Berufungssystem, jedoch ist dies nicht überall in ein dreistufiges Gerichtssystem eingebettet. Die meisten Staaten haben eine Mittelinstanz etabliert, die aus den sog. Intermediate Appelchung, vgl. Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  29; Hogan, Structure (Fn.  318), S.  103 ff.; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  49 f. 332  Eine Überschneidung der Gerichtsbezeichnungen mit den Gerichten der Limited Jurisdiction ist nicht unüblich, vgl. die Aufzählungen bei Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  86; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  154; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  30; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Fn.  909), S.  54. – Zu terminologischen Verwirrun­ gen auch Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  38 ff. 333  Siehe die Liste bei Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2 , Fn.  909), S.  52; zur Komplexität des Gerichtssystems in New York Schack, Einführung (Teil  2, Fn.  178), Rn.  8. 334  In manchen Staaten sind darüber hinaus spezielle Rechtsgebiete (z. B. die Jugendstrafoder Nachlasssachen) bei den Gerichten allgemeiner Zuständigkeit angesiedelt, vgl. Neu­ bauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  84 ff.; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  54. 335 Vgl. Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  37; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  54. So bspw. in Montana, wo es kein zusätzliches Berufungs­ gericht in Form eine Court of Appeals gibt, vgl. State Bar of Montana, Guide to the Courts, S.  3 f. (abrufbar unter https://cdn.ymaws.com/www.montanabar.org/resource/resmgr/LREC/ Guide_to_the_Courts.pdf, 19.3.2020). 336 Vgl. Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2 , Fn.  909), S.  54. 337  So auch Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2 , Fn.  909), S.  54. 338 Gleichsinnig Stumpf/Culver, Politics (Fn.  312), S.  21; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  29; Gellner/Kleiber, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  111; Wheeler, Indepen­ dence (Einl., Fn.  75), S.  522 f.; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  85.

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

late Courts besteht339. Sie firmieren unter der Bezeichnung Court of Appeals, aber es sind auch andere Begriffe gebräuchlich340. In der Appellationsinstanz ist eine Spezialisierung unüblich. Courts of Appeals haben regelmäßig über Be­ rufungen von den Eingangsgerichten bzw. ihnen generell untergeordneten Ge­ richten zu entscheiden341. Die Größe der Courts of Appeals variiert stark von Bundesstaat zu Bundesstaat342. Auf Ebene der Einzelstaaten bleibt die Be­ru­ fungs­­instanz zumeist die letzte Instanz einer Klage, da auch die obersten Staa­ tengerichte nur selten Revisionen annehmen343. cc) Courts of Last Resort Alle Bundesstaaten in den USA verfügen über ein letztinstanzliches Gericht, welches als Court of Last Resort in aller Regel als Supreme Court (des jeweili­ gen Staates) bezeichnet wird 344. Theoretisch handelt es sich hierbei um das letztinstanzliche Gericht, wenngleich nur selten überhaupt Fälle bis zur letzten Instanz durchdringen345. In der Regel handelt es sich bei den verhandelten Fäl­ 339 

Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  28; Hogan, Structure (Fn.  318), S.  105 f.; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  54 f. – Folgende Staaten verfü­ gen über ein originäres Berufungsgericht: Alabama, Alaska, Arizona, Arkansas, Colorado, Connecticut, Florida, Georgia, Hawaii, Idaho, Illinois, Indiana, Iowa, Kalifornien, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maryland, Massachusetts, Michigan, Minnesota, Mississippi, Missou­ ri, Nebraska, Nevada, New Mexico, New York, North Carolina, North Dakota, Ohio, Oklaho­ ma, Oregon, Pennsylvania, South Carolina, Tennessee, Texas, Utah, Washington, und Was­ hington D.C. Alle anderen Staaten haben kein originären Court of Appeals eingerichtet, so­ dass Berufungen im Rahmen des Instanzenzuges von anderen (übergeordneten) Gerichten bearbeitet werden. In New Jersey und Rhode Island bspw. gibt es am Superior Court jeweils ein eigene Appellate Division für Berufungen der untersten Gerichte. 340  Gebräuchlich sind die Titel Appellate Division (kein zwangsläufig originäres Beru­ fungsgericht), State Appellate Court, Superior Court (welches faktisch als Eingangsgericht einzustufen wäre) oder Intermediate Court of Appeals, siehe Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  156; weiterhin Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  30; Carp/Stidham/­ Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  54. 341  Als Ausnahmen sind die Berufungsgerichte in Alabama und Tennessee anzusehen, die ihre Court of Appeals in zwei Abteilungen (für Zivil- und für Strafsachen) aufgeteilt haben. Siehe im Detail Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  87 f. 342  Bspw. hat der Court of Appeals in Alaska lediglich drei Richter, während der kalifor­ nische Court of Appeals aus über 100 Richtern besteht, vgl. Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  30; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  54. 343  Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  156; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  31; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  55. 344  Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2 , Fn.  909), S.  55; Baum, Courts (Fn.  316), S.  43. 345  Siehe auch Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  31; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  89.

B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit

301

len um Revisionen der Berufungsinstanz346. Die Supreme Courts sind unter­ schiedlich (mit fünf bis hin zu neun Richtern) besetzt und verhandeln zumeist en banc347. Im Sinne der Judicial Review steht auch den Gerichten der Einzel­ staaten das Recht zu, jegliches Staatenrecht als verfassungswidrig zu erklären, wenn es mit der jeweiligen Staatenverfassung nicht in Einklang steht (State Judicial Review348). Theoretisch steht dieses richterliche Prüfungsrecht allen Staa­ tengerichten zu, faktisch ist damit allerdings lediglich das letztinstanzliche Ge­ richt im Bundesstaat ausgestattet349. Darüber hinaus erstreckt sich die Zustän­ digkeit auf sämtliche Fälle, denen das Recht des jeweiligen Bundesstaates zugrunde liegt350. Wenn das höchste Gericht eines Staates einen Fall entschie­ den hat, bleibt nach einer erfolglosen Erschöpfung des Rechtsweges im Einzel­ staat die Anrufung des U.S. Supreme Courts als finales Mittel. Es muss in der Sache Bundesrecht tangiert und die Entscheidung von einiger Bedeutung sein351. Eine eigene Bedeutung kommt den obersten Staatengerichten zu, da sie biswei­ len eine liberalere Rechtsprechung pflegen und sich daher zum Teil als Impuls­ geber im Bereich der Bürgerrechte sowie einiger Verfassungsverbürgungen hervorgetan haben352. b) Struktur der einzelnen amerikanischen Staatengerichte Die folgende Tabelle 1 erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll lediglich einen Überblick über Einzelheiten und Besonderheiten der Gerichts­ 346 Diese Discretionary Jurisdiction ähnelt sehr der Berufungsfunktion des U.S. Supreme Courts, vgl. Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  157; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  88 f. 347 Siehe Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  28; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  31; Hogan, Structure (Fn.  318), S.  106; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  55; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  88. 348  Siehe dazu Ross/Millsap, Government (Fn.  57), S.  319; G. Brunner, JöR n. F. 50 (2002), S.  191 (196). 349 So Ross/Millsap, Government (Fn.  57), S.  319. 350  Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  92; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  31; Hogan, Structure (Fn.  318), S.  107. 351  Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  157, 193; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  88 f. 352 So auch Glick, Policy Making (Fn.  230), S.  87; Holland, Activism (Fn.  229), S.  21; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  619. – Der Massachusetts Supreme Judicial Court gilt als einer der angesehensten Supreme Courts in den Vereinigten Staaten, denn viele seiner Entscheidungen sind zugleich bedeutungsvoll und progressiv, vgl. Commonwealth v. Jennison (Massachusetts, 1783, unveröffentlicht); Roberts v. Boston, 59 Mass. (5 Cush.) 198 (1850); Goodridge v. Department of Public Health, 440 Mass. 309 (2003); aus der Literatur siehe explizit zur Frage der Abschaffung der Sklaverei J. P. Kaminski, A Necessary Evil? Slavery and the Debate Over the Constitution, 1995, S.  17 f.

302

Dritter Teil: Gerichtsaufbau

strukturen der Bundesstaaten aufzeigen353. In die Charakterisierung der einzel­ staatlichen Gerichtsorganisationen fließt neben den 50 Bundesstaaten der USA auch der District of Columbia ein354.

353  Als hilfreich im ersten Zugriff haben sich vor allem die Ausführungen zu den jeweili­ gen Einzelstaaten in dem von S. O. Hogan hrsgg. Werk „The Judicial Branch of State Govern­ ment. People, Process, and Politics“ aus dem Jahre 2006 ab S.  205 ff. erwiesen. Auch hilft ein Blick in die jeweilige Ausgabe der „State Constitution“ aus der Reihe „The Oxford Commen­ taries on the State Constitutions of the United States“ sowie die für den jeweiligen Bundes­ staat erschienene „Politics and Government“-Ausgabe. Übersichtich und anschaulich ist fer­ ner das statistische Projekt der NCSC, welches abrufbar ist unter http://www.courtstatistics. org/Other-Pages/State_Court_Structure_Charts (19.3.2020). Einen guten Überblick verschaf­ fen ferner die tabellarischen Darstellungen von Rottman/Strickland, Organization (Teil  2, Fn.  618), S.  25 ff. (Selection of Appellate Court Judges), 33 ff. (Selection of Trial Court Judges). 354  Siehe aus der Literatur zur Gerichtsstruktur und den Gerichtssystem zu den spezifischen Einzelstaaten L. E. McCollum, The Oklahoma Judiciary, S.  16 f. (abrufbar unter http://ojs.lib rary.okstate.edu/osu/index.php/OKPolitics/article/viewFile/1036/934, 19.3.2020); L. S. Underkuffler/D. W. Larson, Civil Appellate Practice in the Minnesota Court of Appeals, 1986, S.  7 ff.; J. D. Thomas/W. H. Stewart, Alabama Government and Politics, 1988, S.  101 ff.; D. L. Dickerson, Florida Media Law, 2.  Aufl. 1991, S. xiii; V. E. Flango/D. B. Rottman, The Justice System Journal 16 (1992), S.  65 (68 f.); G. A. McBeath/T. A. Morehouse, Alaska Politics and Govern­ ment, 1994, S.  192 ff.; R. J. Hardy/J. J. Carrier, Missouri Courts, Judges, and Juries, in: R. J. Hardy/R. R. Dohm/D. A. Leuthold (Hrsg.), Missouri Government and Politics, 1995, S.  173 ff.; D. W. Driggs/L. E. Goodall, Nevada Politics and Government. Conservatism in an Open Soci­ ety, 1996, S.  122 ff.; W. W. Manly II/E. C. Brown Jr./E. W. Rise, The Supreme Court of Florida and Its Predecessor Courts, 1821–1917, 1997, S.  3 ff.; J. Stark, The Iowa State Constitution. A Reference Guide, 1998, S.  122 ff.; W. W. Boyer, Governing Delaware. Policy Problems in the First State, 2000, S.  79; D. A. Oesterle/R. B. Collins, The Colorado State Constitution. A Refe­ rence Guide, 2002, S.  163 ff.; J. J. Wagoner, Arizona Civics and Government, 2004, S.  89 ff.; D. D. Blair/J. Barth, Arkansas Politics and Government, 2.  Aufl. 2005, S.  226; D. Friedman, The Maryland State Constitution. A Reference Guide, 2006, S.  149 ff.; W. W. Boyle/E. C. Ratledge, Delaware Politics and Government, 2009, S.  103 ff.; T. McClory, Understanding the ­A rizona Constitution, 2.  Aufl. 2010, S.  140 ff.; H. E. Flentje/J. A. Aistrup, Kansas Politics and Government, 2010, S.  201 ff.; D. W. Crowley/F. A. Heffron, The Idaho State Constitution, 2011, S.  123 ff.; K. C. Goss, The Arkansas State Constitution, 2011, S.  74 f.; C. B. Graham, Jr., The South Carolina State Constitution, 2011, S.  117 ff.; A. F. Lee, The Hawaii State Constitution, 2011, S.  123 ff.; J. C. May, The Texas State Constitution, 2011, S.  219 ff.; P. J. Galie/C. Bopst, The New York State Constitution, 2.  Aufl. 2012, S.  161 ff.; W. W. Horton, The Connecticut State Constitution, 2012, S.  143 ff.; R. M. Ireland, The Kentucky State Constitution, 2.  Aufl. 2012, S.  113 ff.; J. V. Orth/P. M. Newby, The North Carolina State Constitution, 2.  Aufl. 2013, S.  127 ff.; M. J. Tinkle, The Maine State Constitution, 2.  Aufl. 2013, S.  133 ff.; R. F. Utter/H. D. Spitzer, The Washington State Constitution, 2.  Aufl. 2013, S.  109 ff.; G. A. Tarr, Judicial Process and Judicial Policymaking, 6.  Aufl. 2014, S.  21 ff.; M. L. Boyer, Chapter 17. The State Courts and Alaska Politics. Independence, Public Accounta­bility, and Political Influence, in: C. S. Tho­ mas/­L. C. Savatgy/K. Klimovich (Hrsg.), Alaska Politics and Public Policy, 2016, S.  605 (610 ff.); W. H. Stewart, Alabama Politics in the Twenty-­First Century, 2016, S.  81 f., 183 ff.

B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit

303

Tabelle 1 Bundesstaat

Eingangsgerichtsbarkeit (Trial Courts [inkl. Zuständigkeit355])

1. Alabama: Art.  I V §  139 der Verf. von Alabama.

District Courts, Municipal Courts und Probate Courts (LJ) sowie Circuit Courts (GJ).

2. Alaska: Art.  I V §  1 der Verf. von Alaska. 3. Arizona: Art.  V I §  1 der Verf. von Arizona.

Superior Courts (GJ) und District Courts (LJ).

4. Arkansas: Art.  V II der Verf. von Arkansas. 5. Colorado: Art.  V I §  1 der Verf. von Colorado. 6. Connecticut: Art.  V §  1 der Verf. von Connecticut. 7. Delaware: Art.  I V §  1 der Verf. von Delaware. 8. Florida: Art.  V §  1 der Verf. von Florida.

355 

Mittelinstanz (Appellate Courts) Alabama Court of Civil Ap­peals und Alabama Court of Crimi­nal Appeals. Alaska Court of Appeals.

Obergericht (Court of Last Resort) Supreme Court of Alabama – 9 Richter.

Der Arizona Justice of the Peace Courts (LJ) und Court of Municipal Courts (GJ), pro County mindestens einen Superior Court (GJ). Appeals ist in zwei Abteilun­ gen unterteilt. District Courts und City Courts (LJ). Arkansas Court of Appeals. Diesen übergeordnet sind die Circuit Courts (GJ).

Supreme Court of Arizona – 5 Richter.

Alaska Supreme Court – 5 Richter.

Arkansas Supreme Court – 7 Richter.

Colorado Court Colorado District Courts und County Courts Supreme Court (GJ). Water Courts und in Denver den of Appeals. – 7 Richter. Juvenile sowie den Probate Court (LJ). Superior Courts (GJ).

Connecticut Appellate Court.

Superior Court (GJ) sowie als spezielle – Gerichte der Court of Chancery, Family Court, Court of Common Pleas, Register’s Court, Justices of the Peace Court (LJ). Circuit Courts (GJ) und County Courts District Courts (LJ). of Appeals.

Connecticut Supreme Court – 8 Richter. Delaware Supreme Court – 5 Richter.

Supreme Court of Florida – 7 Richter.

Die Angaben in Klammern geben jeweils Aufschluss darüber, ob die entsprechenden Gerichte über eine allgemeine (General Jurisdiction, GJ) oder über eine eingeschränkte Zu­ ständigkeit (Limited Jurisdiction, LJ) verfügen.

304 Bundesstaat

9. Georgia: Art.  V I §  1 Abs.  1 der Verf. von Georgia. 10. Hawaii: Art.  V I §§  1, 2 der Verf. von Hawaii. 11. Idaho: Art.  V §  2 der Verf. von Idaho. 12. Illinois: Art.  V I §  1 der Verf. von Illinois. 13. Indiana: Art.  V II §  1 der Verf. von Indiana. 14. Iowa: Art.  V §  1 der Verf. von Iowa. 15. Kalifornien: Art.  V I §  1 der Verf. von Kalifornien. 16. Kansas: Art.  3 §§  2, 6 der Verf. von Kansas. 17. Kentucky: §§  109 ff. der Verf. von Kentucky. 18. Louisiana: Art.  V der Verf. von Louisiana.

Dritter Teil: Gerichtsaufbau Eingangsgerichtsbarkeit (Trial Courts [inkl. Zuständigkeit355])

Mittelinstanz (Appellate Courts) Superior Courts (GJ) sowie Magistrate, Court of Appeals of Probate, Juvenile und State Courts, Georgia. darüber hinaus etliche Municipal Courts (LJ).

Obergericht (Court of Last Resort) Supreme Court of Georgia – 9 Richter.

Intermediate Court of Appeals und Tax Court. Idaho Court of Appeals.

Supreme Court of Hawaii – 5 Richter.

Circuit Courts (GJ).

Illinois Appellate Courts.

Supreme Court of Illinois – 7 Richter.

Circuit Courts (GJ), Superior Courts (meistens GJ) und Local City oder Town Courts (variable Zuständigkeit).

Court of Ap­peals of I­ ndiana sowie der Indiana Tax Court. Iowa Court of Appeals.

Indiana Supreme Court – 5 Richter.

California Courts of Appeal.

Supreme Court of California – 7 Richter.

Family Courts, District Courts, Environmental Courts und ein Land Court (LJ) sowie Circuit Courts (GJ). District Courts (GJ).

District Courts (GJ), darüber hinaus existieren ein Juvenile Court, ein ­Business Court und Small Claims Courts (LJ). Superior Courts (GJ).

Idaho Supreme Court – 5 Richter.

Iowa Supreme Court. – 7 Richter.

District Courts (GJ) und Municipal Courts (LJ).

Kansas Court of Kansas Appeals. Supreme Court – 7 Richter.

Circuit Courts (GJ), District Courts (LJ) sowie Spezialgerichte wie der Drug Court und der Family Court.

Kentucky Court Kentucky of Appeals. Supreme Court – 7 Richter.

Louisiana District Courts (GJ), Juvenile Courts und Family Court, Justice of the Peace Circuit Courts of Appeals. Courts, Mayor’s Courts, City Courts und Parish Courts (LJ).

Louisiana Supreme Court.

B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit Bundesstaat

Eingangsgerichtsbarkeit (Trial Courts [inkl. Zuständigkeit355])

19. Maine: Art.  V I §  1 der Verf. von Maine. 20. Maryland: Art.  I V der Verf. von Maryland. 21. Massachusetts: Part 2, Kapitel  III der Verf. von Massachusetts. 22. Michigan: Art.  V I §  1 der Verf. von Michigan. 23. Minnesota: Art.  V I der Verf. von Minnesota. 24. Mississippi: Art.  V I der Verf. von Mississippi. 25. Missouri: Art.  V der Verf. von Missouri. 26. Montana: Art.  V II der Verf. von Montana. 27. Nebraska: Art.  V §  1 der Verf. von Nebraska. 28. Nevada: Art.  V I §  1 der Verf. von Nevada.

Superior Courts und District Court (GJ) sowie Probate Courts (LJ).

Mittelinstanz (Appellate Courts) –

305

Obergericht (Court of Last Resort) Maine Supreme Court – 7 Richter.

Maryland Court Maryland Court of of Special Appeals – Appeals. 7 Richter. Massachusetts Massachusetts Superior Courts, District Courts, Appeals Court. Supreme Boston Municipal Court, Housing Judicial Court Court, Juvenile Court, den Land Court – 7 Richter. sowie Probate and Family Court. Circuit Courts (GJ) Juvenile Courts und ein Orphans’ Court und District Court (LJ).

Circuit Courts, Court of Claims (GJ), District Courts, Probate Courts, Municipal Courts (alle LJ).

Michigan Court Michigan of Appeals. Supreme Court – 7 Richter.

District Courts (GJ), Drug Courts, Conciliation Courts innerhalb der District Courts (LJ).

Minnesota Court of Appeals.

Minnesota Supreme Court – 7 Richter.

Circuit Courts, (GJ). Chancery Courts, County Courts, Juvenile Courts, Justice Courts und Municipal Courts (LJ). Circuit Courts (GJ) und Municipal Courts (LJ).

Court of Appeals.

Supreme Court of Mississippi – 9 Richter.

Missouri Court of Appeals.

Supreme Court of Missouri – 7 Richter.

District Courts (GJ) sowie Justice’s, City und Municipal Courts (LJ). Spezialgerichte: Water Court, Workers’ Compensation Court. District Courts(GJ) sowie Country Courts, Juvenile Courts und Workers’ Compensation Court (LJ).



Supreme Court of Montana – 5 Richter.

Court of Appeals.

Nebraska Supreme Court – 7 Richter.

District Courts (GJ) sowie Justice Courts und Municipal Courts (jeweils LJ).

Nevada Intermediate Appellate Court.

Supreme Court of Nevada – 7 Richter.

306

Dritter Teil: Gerichtsaufbau

Bundesstaat

Eingangsgerichtsbarkeit (Trial Courts [inkl. Zuständigkeit355])

29. New Hampshire: Art.  72-a der Verf. von New Hampshire. 30. New Jersey: Art.  V I §  1 der Verf. von New Jersey. 31. New Mexico: Art.  V I §  1 der Verf. von New Mexico. 32. New York: Art.  V I §  1 der Verf. von New York.

Superior Courts (GJ), District Courts und Probate Courts (LJ).

33. North Carolina: Art.  I V §  1 der Verf. von North Carolina. 34. North Dakota: Art.  V I §  1 der Verf. von North Dakota. 35. Ohio: Art.  I V §  1 der Verf. von Ohio.

Superior Courts (GJ), ein Tax Court und Municipal Courts (LJ).

Mittelinstanz (Appellate Courts) ‒

Obergericht (Court of Last Resort) New Hamp­ shire Supreme Court – 5 Richter.



New Jersey Supreme Court – 7 Richter.

District Court (GJ), Magistrate Courts, Court of Appeals. Municipal Courts, Bernalillo County Metropolitan Court, Probate Court (LJ).

New Mexico Supreme Court – 5 Richter.

Superior Courts: Supreme Court (GJ), Court of Claims, Family Courts, Surrogates’ Courts (LJ), County Courts (GJ nur in Strafsachen). Inferior Courts: New York City Courts, City Courts, Justice Courts (Town and Village Courts), District Courts. Superior Courts (GJ) und District Court (LJ)



New York Court of Appeals – 7 Richter.

North Carolina Court of Appeals.

Supreme Court of North Carolina – 7 Richter.

District Courts (GJ) und Municipal Courts (LJ).



North Dakota Supreme Court – 5 Richter.

Court of Common Pleas (GJ), County Courts, Court of Claims, Municipal Courts, Mayors’ Courts (LJ).

Courts of Appeals.

Ohio Supreme Court – 7 Richter.

B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit Bundesstaat

36. Oklahoma: Art.  V II §  1 der Verf. von Oklaho­ ma.

37. Oregon: Art.  V II §  1 der Verf. von Oregon. 38. Pennsylvania: Art.  V §  1 der Verf. von Pennsyl­ vania. 39. Rhode Island: Art.  X §  1 der Verf. von Rhode Island. 40. South Carolina: Art.  V §  1 der Verf. von South Carolina. 41. South Dakota: Art.  V §  1 der Verf. von South Dakota. 42. Tennessee: Art.  V I §  1 der Verf. Von Tennessee. 43. Texas: Art.  V §  1 der Verf. von Texas.

Eingangsgerichtsbarkeit (Trial Courts [inkl. Zuständigkeit355])

Mittelinstanz (Appellate Courts) District Courts (GJ), Municipal Courts Oklahoma Court of not of Record sowie Municipal Criminal Courts of Record, Workers’ Appeals. Compensation Court, The Court on the Judiciary, Court of Tax Review (LJ).

Circuit Courts (GJ), Tax Court, Municipal Courts, County Courts und Justice of the Peace Courts sowie Tribal Courts (LJ). Courts of Common Pleas (GJ), Municipal Courts, Magistrate District Courts, Traffic Court und der Pittsburgh Municipal Court (LJ).

Oregon Court of Appeals.

Superior Court und Common­ wealth Court.

307

Obergericht (Court of Last Resort) Supreme Court of Oklahoma – 9 Richter, und Court of Criminal Appeals – 5 Richter. Oregon Supreme Court – 7 Richter. Pennsylvania Supreme Court – 7 Richter.

‒ Superior Court (GJ), District Courts, Family Court, Workers’ Compensation Court, Rhode Island Traffic Tribunal, Municipal Courts, Probate Courts (LJ). Court of Circuit Courts (GJ), Family Courts, Appeals. Probate Courts, Municipal Courts (LJ).

Rhode Island Supreme Court – 5 Richter.

Circuit Courts (GJ), Magistrate Courts ‒ (LJ).

South Dakota Supreme Court – 5 Richter.

Circuit Courts, Probate Courts, Chancery Courts and Criminal Courts (GJ). General Sessions Courts, Municipal Courts und Juvenile Courts (LJ). District Courts (GJ), Probate Courts, County Courts, Municipal Courts und Justice Courts (LJ).

Court of Appeals und Court of Criminal Appeals. Courts of Appeals.

South Carolina Supreme Court – 5 Richter.

Tennessee Supreme Court – 5 Richter.

Texas Supreme Court – 9 Richter, und Texas Court of Criminal Appeals – 9 Richter.

308

Dritter Teil: Gerichtsaufbau

Bundesstaat

Eingangsgerichtsbarkeit (Trial Courts [inkl. Zuständigkeit355])

44. Utah: Art.  V III §  1 der Verf. von Utah. 45. Vermont: Chapter II §  4 der Verf. von Vermont. 46. Virginia: Art.  V I §  1 der Verf. von Virginia. 47. Washington: Art.  I V §  1 der Verf. von Washing­ ton. 48. West Virginia: Art.  V III §  1 der Verf. von West Virginia. 49. Wisconsin: Art.  V II §  2 der Verf. von Wisconsin. 50. Wyoming: Art.  5 §  1 der Verf. von Wyoming. 51. District of Columbia: Art.  I der U.S.-Verf.

District Courts (GJ), Juvenile und Justice Courts (LJ).

Mittelinstanz (Appellate Courts) Utah Court of Appeals.

Obergericht (Court of Last Resort) Utah Supreme Court – 5 Richter.

Superior Court (GJ), Probate Courts, District Courts, Family Courts, Environmental Court(LJ).



Vermont Supreme Court – 5 Richter.

District Courts (GJ), Juvenile und Domestic Relations District Courts sowie Circuit Courts (LJ).

Court of Appeals.

Supreme Court of Virginia – 7 Richter.

Superior Courts (GJ), District Courts, Municipal Courts (LJ).

Washington Court of Appeals.

Washington Supreme Court – 9 Richter.

Circuit Courts (GJ), Family Courts, Magistrate Courts, Municipal Courts (LJ).



Supreme Court of Appeals of West Virginia – 5 Richter.

Circuit Courts (GJ), Municipal Courts (LJ).

Court of Appeals.

Wisconsin Supreme Court – 7 Richter.

District Courts (GJ), Circuit Courts und Municipal Courts (LJ).



Wyoming Supreme Court – 5 Richter.

Superior Courts (GJ).



District of Columbia Court of Appeals – 9 Richter.

3. Abgrenzung der Zuständigkeiten Da in den Vereinigten Staaten zwei Gerichtssysteme praktisch selbständig ne­ beneinander existieren, ist eine Abgrenzung der Zuständigkeiten wichtig und zugleich schwierig356. Bundes- und Landesrecht konkurrieren und überlagern 356  Zu

dieser Einschätzung auch K. Heller, EuGRZ 1985, S.  685 (690); A. B. Morrison,

B. Überblick über den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit

309

sich teilweise357. Das Zivilrecht ist aufgrund der Ausgestaltung des Common Law zumeist Sache der Gerichte in den Einzelstaaten358, während im Strafrecht bundes- und einzelstaatliches Recht nebeneinander existiert359. Im Verwaltungs­ recht hingegen ist eine Art Vorherrschaft des Bundesrechts zu beobachten360. Es gibt verschiedene Zuständigkeitsregeln, die von einer konkurrierenden bis zu einer ausschließlichen Zuständigkeit reichen. Das Bundesrecht hat jedoch letztlich Vorrang vor dem Recht der Einzelstaaten361. Grundsätzlich liegt die gerichtliche Zuständigkeit allerdings bei den Einzelstaaten; den Bundesgerich­ ten muss die Zuständigkeit (ausschließlich oder konkurrierend) zugewiesen werden362. Im Rahmen der Rechtsprechung der Bundesgerichte werden primär Fälle entschieden, welche die Bundesverfassung oder die Bundesgesetze zum Gegenstand haben363, in denen die Vereinigten Staaten als Partei verwickelt sind 364, in denen die U.S.-Botschafter involviert sind oder es um Fragen des Seerechts oder des Insolvenzrechts geht365. Außerdem ist der Rechtsweg zu den Courts, in: ders., Fundamentals (Teil  2, Fn.  131), S.  57 (60); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  23 sowie Schack, Einführung (Teil  2, Fn.  178), Rn.  38. – Siehe im Überblick zur Abgrenzung der Zuständigkeiten Jacob, Justice (Fn.  57), S.  169 f.; v. Mehren/Murray, Law (Teil  2, Fn.  132), S.  120 ff.; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  72 ff. 357 Siehe McGowan, Organization (Teil  2 , Fn.  570), S.  37 ff.; J. Resnik, Sothern California Law Review 57 (1984), S.  837 (842); J. Wieland, Der Staat 29 (1990), S.  333 (343); Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  170 f.; Walker, Politics (Fn.  316), S.  193 f.; Schack, Einführung (Teil  2, Fn.  178), Rn.  38; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  72. 358  Originäre Bundeszuständigkeiten werden durch Art.  I II §  2 der U.S.-Verf. sowie 28 U.S.C. §  1333 ff. geschaffen, vgl. Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  169; Schack, Einfüh­ rung (Teil  2, Fn.  178), Rn.  38; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  69; Baum, Supreme Court (Teil  2, Fn.  892), S.  5. 359 Siehe zur Zuständigkeit in strafrechtlichen Fällen Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  69 f. 360 Siehe Morstein Marx, Verwaltung (Teil  1, Fn.  238), S.  41 ff.; zur Verwaltungsgesetzge­ bung in den USA Lepsius, Verwaltungsrecht (Teil  1, Fn.  201), S.  128 ff. 361 Siehe Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  170 f.; Heun, Rechtssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  232; Schack, Einführung (Teil  2, Fn.  178), Rn.  39 ff. 362  Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  23. – Zum Erfordernis einer „Federal Question“ siehe Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  71. 363  Siehe im Überblick zur Zuständigkeit der Bundesgerichte Lyles, Gatekeepers (Fn.  93), S.  13; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  169 ff.; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  22; Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  159. 364  Vergegenwärtigen lässt sich dies anhand der Beispiele bei Fulda, Einführung (Teil  1, Fn.  202), S.  23: Die Regierung wird verklagt aufgrund einer unerlaubten Handlung eines Be­ amten oder sie klagt selbst auf Unterlassung einer Wettbewerbsbeschränkung. 365  Vgl. zu den Materien der ausschließlichen Bundeszuständigkeit 28 U.S.C. §§  1333 ff. Für einen kurzen Überblick siehe J. Wieland, Der Staat 29 (1990), S.  333 (343); Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  169 f.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  23; Schack, Ein­ führung (Teil  2, Fn.  178), Rn.  39; Gellner/Kleiber, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  109.

310

Dritter Teil: Gerichtsaufbau

Bundesgerichten bei Prozessen zwischen Bürgern aus verschiedenen Einzel­ staaten eröffnet oder wenn Bürger desselben Einzelstaates beispielsweise über ein Grundstück streiten, das durch verschiedene Staaten subventioniert wird 366. Es handelt sich bei diesen sog. Diversity Cases um eine zunächst atypisch an­ mutende Zuständigkeit eines Bundesgerichtes367 in dem Bundesstaat, in dem sich der entsprechende Fall zugetragen hat. Verhindert werden soll eine vorur­ teilsbelastete oder nicht unvoreingenommene Beurteilung eines Bürgers aus einem anderen Bundesstaat durch ein entsprechendes Staatengericht368. Konkurrierende Zuständigkeiten sind vorgesehen im Kartellrecht, im Bun­ dessteuerrecht sowie in Civil Rights-Angelegenheiten369. Die Einzelstaaten ha­ ben eine ausschließliche Zuständigkeit über ihre eignen Angelegenheiten, wäh­ rend in der Regel die Bundesgerichte über Sachzusammenhänge der Sphäre des Bundesrechts entscheiden370. Nichtsdestotrotz hat der Kongress planmäßig vor­ gesehen, dass zum Teil die Gliedstaaten auch für einzelne bundesrechtliche An­ gelegenheiten zuständig sein sollen371. Es ist daher stets eine Abgrenzung im Einzelfall notwendig.

C. Abschließender Vergleich Die Judikative in den Vereinigten Staaten stellt eine viel größere politische Kraft im amerikanischen Regierungssystem dar als es die einfachen Gerichte in Deutschland tun372. Die Aufgaben der Gerichtsverwaltung, insbesondere der Richterbestellung, gewinnen daher an entscheidender Bedeutung. Im direkten 366  Fulda, Einführung (Teil  1, Fn.  202), S.  23; Nowak/Rotunda, Law (Teil  1, Fn.  207), S.  22; Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  159. 367  Kritisch hierzu Justice Frankfurter, in: Lumbermen’s Mutual Casuality Co. v. Elbert, 348 U.S.  48, 54, 75 S.Ct. 151, 99 L.Ed. 59 (1954). Siehe weiterhin instruktiv J. H. Killian/G. A. Costello/K. R. Thomas (Hrsg.), The Constitution of the United States of America. Analysis of Cases decided by the Supreme Court of the United States to June 28, 2002, 2004, S.  802 ff.; Schack, Einführung (Teil  2, Fn.  178), Rn.  42 ff. 368  28 U.S.C. §  1332. Vgl. aus der Rechtsprechung Justice Frankfurter, in: Guaranty Trust Co. v. York, 326 U.S.  99, 111 (1945): „Diversity jurisdiction is founded on assurance to non-­ resident litigants of courts free from susceptibility to potential local bias.“ Siehe hierzu ­Fulda, Einführung (Teil  1, Fn.  202), S.  23; Gellner/Kleiber, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  109. Vgl. zum Sinn und Zweck der Diversity-Rechtsprechung Erie Railroad Co. v. Tompkins, 340 U.S.  64, 73 (1938). 369  Vgl. 28 U.S.C. §§  1337, 1340, 1343. Dazu Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  23; Schack, Einführung (Teil  2, Fn.  178), Rn.  40 ff. 370 Vgl. Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  170 f. 371  Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  171. 372  Gellner/Kleiber, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  109.

C. Abschließender Vergleich

311

Vergleich beider Gerichtssysteme zeigt sich zudem ein besonderer Unterschied: In den USA ist der U.S. Supreme Court als Oberster Gerichtshof und gleich­ zeitig als Verfassungsgericht in den Instanzenzug der Bundesgerichte einge­ bunden. Lediglich für den Instanzenzug der Staatengerichte kommt ihm eine ähnlich gelagerte Funktion wie dem Bundesverfassungsgericht in Deutschland zu373, obschon auch hier eine originäre Zuweisung verfassungsgerichtlicher Streitigkeiten fehlt. Dies macht im Prinzip eine Unterscheidung beider Ge­ richtssysteme nach einfacher Gerichtsbarkeit (I.) und Verfassungsgerichtsbar­ keit (II.) schwierig, soll hier aber dennoch mit Blick auf die deutsche Systematik versucht werden. I. Die einfachen Gerichte In den USA treten die Gerichte des Bundes selbständig neben die Gerichte der Einzelstaaten. Dies macht die Organisation der Gerichte und die Abgrenzung ihrer Zuständigkeiten vergleichsweise kompliziert. Im Gegensatz zur deutschen Gerichtsbarkeit besteht in den USA nur eine partielle Hierarchie zwischen den beiden Ebenen374. In Deutschland kennt der Gerichtsaufbau auf Bundesebene hingegen lediglich Obergerichte, die über nahezu keine erstinstanzliche Zustän­ digkeit verfügen375. Während es in der Bundesrepublik einen zwischen Bund und Ländern aufgeteilten Instanzenzug gibt, bei dem das Bundesverfassungs­ gericht eine Sonderstellung hat, findet man in den Vereinigten Staaten zwei ­separate Gerichtssysteme vor, die mit unabhängig voneinander existierenden Instanzen ausgestatten sind und ihre Vereinigung lediglich im U.S. Supreme Court finden. Es gibt daher in jedem Bundesstaat praktisch zwei parallellaufen­ de Gerichtssysteme376. Dies ist Ausprägung der Vorstellung des U.S.-ame­ri­kanischen Föderalismus, nach dem sich neben dem Bund auch in den Einzelstaaten eine eigenständige Verwirklichung der drei Gewalten in einer selbstständigen Regierung findet377. Die Einbettung eines übereinzelstaatlichen Gerichtes – wie 373 Zum Verhältnis bundes- und einzelstaatlicher Gerichte in den USA vgl Gellner/­ Kleiber, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  109 ff. 374 Instruktiv Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  159; siehe auch Zätzsch, Unab­ hängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  32 f.; Blumenwitz, Einführung (Teil  1, Fn.  201), S.  46; Gellner/ Kleiber, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  109 f. 375  Siehe zu den Ausnahmen Wassermann (Teil  2 , Fn.  336), Art.  95 Rn.  14; siehe weiterhin Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  32; Blumenwitz, Einführung (Teil  1, Fn.  201), S.  46. 376  So auch Fulda, Einführung (Teil  1, Fn.  202), S.  22; Gellner/Kleiber, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  109 f. 377 Vgl. M. Manweller, The Roles, Functions, and Powers of State Courts, in: Hogan, Branch (Fn.  316), S.  37 (83 ff.); Gellner/Kleiber, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  110 f. – Siehe zu den Grundbausteinen des amerikanischen Föderalismus ausführlich und informa­ tiv T. Kingreen, AöR 141 (2016), S.  485 (494 ff.).

312

Dritter Teil: Gerichtsaufbau

des deutschen Bundesgerichtshofes – in den Instanzenzug der amerikanischen Einzelstaaten würde nach U.S.-amerikanischen Maßstäben als Eindringen in die Autonomie der einzelstaatlichen Regierungsgewalt gewertet werden, wenn­ gleich die Rolle des U.S. Supreme Courts auch die höchstrichterliche Beru­ fungsinstanz umfasst378. Der Weg zu den deutschen Bundes(ober-)gerichten führt in der Regel nur über den Instanzenzug der Länder; ein mit dem U.S. District Court vergleichbares Gericht gibt es in der deutschen Gerichtssystema­ tik nicht379. Auffällig ist, dass sich im amerikanischen Gerichtswesen – obschon es selbst­ verständlich einige Spezialgerichte gibt – keine Abgrenzung der Gerichte nach Rechtsgebieten findet. Die Spezialgerichte stehen daher auch außerhalb der strukturellen Gerichtsorganisation380, während es in Deutschland für die unter­ schiedlichen Rechtsgebiete völlig separate Gerichtszweige gibt, die alle jeweils über ein eigenes letztinstanzliches Gericht verfügen 381. Bereits an den Gerich­ ten der ersten Instanz in Deutschland herrscht ein großer Grad an Spezialisie­ rung, da eine Aufteilung in Kammern oder Senate vorgenommen wird382. Ein deutscher Richter am Amtsgericht in einer spezialisierten Kammer ist mit dem U.S. amerikanischen einzelstaatlichen Richter an einem Trial Court of General Jurisdiction kaum vergleichbar. Geschäftsanfall und Aufgabenspektrum sind zu unterschiedlich383. Insbesondere ist festzustellen, dass ein nach Sachgebieten 378 Vgl.

Gellner/Kleiber, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  111. D. S. Clark, The Selection and Accountability of Judges in West Germany. Imple­ mentation of a Rechtsstaat, in: Southern California Law Review 61 (1988), S.  1798 (1810 f.); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  32. 380 Gleichsinnig Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  32 f.; Gellner/Kleiber, Regie­ rungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  110. 381  Besonders auffällig ist dies für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, für die es in Deutsch­ land wie selbstverständlich einen eigenen Gerichtszweig mit eigenen Verfahrensordnung gibt, während die „Verwaltungsgerichtsbarkeit“ in den USA in den Instanzenzug der übli­ chen Gerichtsbarkeit eingebettet ist. Siehe Schmidt, Klagebefugnis (Teil  1, Fn.  236) – insbe­ sondere im Umweltrecht. Die Voraussetzungen des Standing to Sue und die Zielsetzung des gerichtlichen Rechtsschutzes gegen die Exekutive in den Vereinigten Staaten von Amerika. Eine Studie mit rechtsvergleichenden Anmerkungen, 1998, S.  5 f., der allerdings angibt, ver­ waltungsrechtliche Fragen würden „vor den ordentlichen Gerichten verhandelt“, was aus ter­ minologischer Perzeptive deshalb nicht ganz stimmig ist, weil man in den Vereinigten Staa­ ten schon nicht zwischen ordentlicher und Fachgerichtsbarkeit unterscheidet. – Allgemein zum Instanzenzug Brugger, Einführung (Teil  2, Fn.  172), S.  13 f. 382 Siehe Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  352 ff.; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  116 Rn.  1 ff. – Die Spezialisierung nach Kammern dient der Qualitätssiche­ rung der Rechtsprechung, vgl. H. Weber-Grellet, ZRP 2013, S.  110 (111, 113). 383  Siehe so auch R. J. Allen/S. Köck/K. Riechenberg/D. T. Rosen, Northwestern Universi­ ty Law Review 82 (1988), S.  705 (714) in einem rechtsvergleichenden Kontext zum Zivilpro­ zessrecht; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  32 f. 379 Vgl.

C. Abschließender Vergleich

313

gegliedertes Gerichtssystem eine große Vielzahl an Richtern benötigt; so ist es nicht verwunderlich, dass der hohe Spezialisierungsgrad der Richter in Deutsch­ land zu einer weitaus größeren Anzahl an Richtern im Verhältnis zu den Ein­ wohnerzahlen führt als in den USA384. Weiterhin hat die Berufungsinstanz in den Vereinigten Staaten als solche auch keinerlei originäre Zuständigkeit, so­ dass bei den Courts of Appeals ausschließlich Rechtsmittel eingelegt werden können385. In Deutschland hingegen übernehmen zumindest die Landgerichte teilweise zweierlei Funktionen, da sie unter gewissen Umständen auch als Ein­ gangsinstanz fungieren386. Damit sind sie zum Teil vergleichbar mit den einzel­ staatlichen Trial Courts of General Jurisdiction, während die Trial Courts of Limited Jurisdiction in den Einzelstaaten am ehesten den Amtsgerichten in Deutschland nahekommen. Trotz mancher Unterschiede lässt sich feststellen, dass der Instanzenzug in beiden Rechtsordnungen im Ergebnis ähnlich ausge­ staltet ist und sowohl in Deutschland als auch in den USA zumeist dreistufig ist, an einem (unteren) spezialisierten Staatengericht oder einer entsprechenden Kammer am Amtsgericht beginnt, über die Berufungsinstanz (Landgericht 384  Im Verhältnis zur Einwohnerzahl sind in Deutschland (wohl) mehr Berufsrichter im Dienst als in jedem anderen Land weltweit, vgl. Röhl, Reform (Teil  2, Fn.  765), S.  1290. In Deutschland gibt es 456 Bundesrichter und 20.882 Landesrichter (21.338 Richter insgesamt, Stand 2019), in den USA gibt fast 1.700 Bundesrichter (Art.  III und Art.  I) und ungefähr 30.000 einzelstaatliche Richter (31.700 insgesamt, Stand 2019). Damit kommen in Deutsch­ land knapp knapp 3.890 Menschen auf einen Richter bei einer Einwohnerzahl von ca. 83 Millionen in Deutschland (2019) und in den USA 10.347 Menschen auf einen Richter bei ei­ ner Einwohnerzahl von 328 Millionen (2019). Relativ betrachtet ist damit die Anzahl der Richter in Deutschland zweieinhalb Mal so hoch wie in den USA. Quellen: Bundesamt für Justiz, Zahl der Richter, Richterinnen, Staatsanwälte, Staatsanwältinnen und Vertreter, Ver­ treterinnen des öffentlichen Interesses in der Rechtspflege der Bundesrepublik Deutschland am 31. Dezember 2018 (abrufbar unter https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buer gerdienste/Justizstatistik/Personal/Personal_node.html, 19.3.2020); siehe auch die Übersicht des AO, Authorized Judgeships (abrufbar unter http://www.uscourts.gov/sites/default/files/ allauth.pdf, 19.3.2020); CSP (NCSC 2012), Number of Authorized Justices/Judges in State Courts, 2010 (abrufbar unter http://www.courtstatistics.org/~/media/microsites/files/csp/sccs/ 2010/number_of_authorized_ justices_and_ judges_in_state_courts.ashx, 19.3.2020); R. Malega/T. H. Cohen, State Court Organization 2011, 2013 (abrufbar unter https://www.bjs.gov/ content/pub/pdf/sco11.pdf, 19.3.2020). – Vergleichbar sind insofern die Erkenntnisse bei J. C. Reitz, Iowa Law Review 75 (1990), S.  987 (997); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  33. 385  Als eine Ausnahme gilt allein der U.S. Court of Appeals im District of Columbia, das zum Teil auch originäre Rechtsprechungskompetenzen innehat. Siehe hierzu Gellner/­Kleiber, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  111. 386  Zur erstinstanzlichen Zuständigkeit in Strafsachen siehe §  74 GVG, zur Zuständigkeit als zweite Instanz für Berufungen in Strafsachen siehe §  312 StPO. Für Zivilsachen ergeben sich die Zuständigkeiten aus §  23 und §  72 GVG. Siehe dazu Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  23 Rn.  1 ff.

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

oder Oberlandesgericht bzw. Trial Court of General Jurisdiction oder Court of Appeals) geht und zum Teil eine Revision zum obersten Gericht zugelassen wird. In seltenen Fällen wird weiterhin das höchste Gericht im Staat angerufen – das Bundesverfassungsgericht bzw. der U.S. Supreme Court. II. Die Verfassungsgerichte Traditionsgemäß387 ist das deutsche Bundesverfassungsgericht mit einer im ­internationalen Vergleich nahezu einzigartigen Fülle an Kompetenzen ausge­ stattet388. Schon früh in seiner historischen Entwicklung rühmte sich die deut­ sche Gerichtsbarkeit mit der Idee einer ausgeprägten Staats- bzw. Verfassungs­ gerichts­barkeit, die es den Bürgern ermöglichte „gegen seine Herrscher, ihrer Würde unbeschadet, im Wege Rechtens, bei einem fremden, nicht ihrem eigenen Tribunal, [aufzukommen]“389. Konsens über die Idee des Schutzes der Verfas­ sung durch ein Gericht besteht allerdings nicht nur in der deutschen Rechtsord­ nung, sondern auch in den USA. Man kann indessen nicht von einem einheit­ lichen Typus der Verfassungsgerichtsbarkeit ausgehen, da Bundesverfassungs­ 387 Vgl.

U. Scheuner, Die Überlieferung der deutschen Staatsgerichtsbarkeit im 19. Und 20.  Jahrhundert, in: C. Starck (Hrsg.), Festgabe 25jähriges Bestehen des BVerfG, Bd.  I, 1976, S.  1 ff.; R. Hoke, Verfassungsgerichtsbarkeit in den deutschen Ländern in der Tradition der deutschen Staatsgerichtsbarkeit, in: Starck/Stern, Landesverfassungsgerichtsbarkeit (Fn.  51), S.  25 ff.; G. Robbers, JuS 1990, S.  257 ff.; instruktiv und abwägend C. Fricke, Zur Kritik an der Staats- und Verfassungsgerichtsbarkeit im verfassungsstaatlichen Deutschland. Geschich­ te und Gegenwart, 1995, S.  190 ff.; Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht (Teil  2, Fn.  28), Rn.  1. 388  Siehe die internationalen Vergleiche bei K. Zweigert, Einige rechtsvergleichende und kritische Bemerkungen zur Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Starck, Festgabe 25 Jahre BVerfG I (Fn.  387), S.  63 ff.; A. v. Brünneck, Constitutional Review and Legislation in Western De­ mocracies. An International Comparison, in: C. Landfried (Hrsg.), Constitutional Review and Legislation, 1988, S.  219 ff.; K.-G. Zierlein, EuGRZ 1991, S.  301 ff.; G. Robbers, JuS 1990, S.  257 (258 ff.); dies wird überdies angedeutet bei A. v. Brünneck, Verfassungsgerichts­ barkeit in den westlichen Demokratien. Ein systematischer Verfassungsvergleich, 1992, S.  36 ff.; C. Tomuschat, Das Bundesverfassungsgericht im Kreise anderer nationaler Verfas­ sungsgerichte, in: Badura/Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG I (Teil  2, Fn.  213), S.  245 (256 ff.); B.-O. Bryde, The Constitutional Judge and the International Constitutionalist Dialo­ gue, in: B. Markesinis/J. Fedtke (Hrsg.), Judicial Recourse to Foreign Law. A New Source of Inspiration, 2006, S.  295 (296 ff.); T. Giegrich, Die Verfassungsgerichtsbarkeit in Deutsch­ land, den USA und Europa als Trägerin einer gemeinsamen Rechtswahrungsaufgabe, in: M. Breuer u. a. (Hrsg.), Im Dienste des Menschen. Recht, Staat und Staatengemeinschaft, 2009, S.  95 ff.; Mannefeld, Vorgaben (Fn.  28), S.  64 ff., die den Kompetenzen des Bundesver­ fassungsgerichts diejenigen des CSM in Italien gegenüberstellt. 389  So bereits A. L. v. Schlözer, Allgemeines Staatsrecht, und Staatsverfassungslehre, 1793, Nachdr. 1970, S.  107.

C. Abschließender Vergleich

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gericht und U.S. Supreme Court in organisatorischer und kompetenzieller Ausgestaltung weitreichend differieren390. Es lassen sich in organisatorischer Hinsicht zwei Grundmodelle verfassungs­ gerichtlicher Strukturen unterscheiden391. Im Gegensatz zum deutschen „Tren­ nungsmodell“, nach dem die Verfassungsgerichtsbarkeit „konzentriert“ bei ­besonderen Verfassungsgerichtshöfen angesiedelt ist, liegt die Verfassungs­ gerichtsbarkeit in den USA bei den ordentlichen Gerichten. Dies ist auf Bun­ desebene sowie in den meisten Einzelstaaten nach dem „Einheitsmodell“ üb­ lich, und wird zum Teil auch als „diffuse“ oder „dekonzentrierte“ Verfassungs­ gerichtsbarkeit bezeichnet392. Die Konzeption des „Einheitsmodells“ ist von dem Gedanken getragen, dass sich die Verfassungsgerichtsbarkeit von der sons­ tigen Rechtsprechung konzeptionell nicht unterscheidet393. Diese Einschätzung geht darauf zurück, dass die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen generell inzi­ dent im Rahmen der anhängigen Verfahren überprüft wird und der U.S. Supreme Court als oberstes Bundesgericht insofern „nur“ die Letztentscheidungs­ kompetenz hat394. Der U.S. Supreme Court ist in dieser Doppelrolle zwar zum einen mit den obersten Bundesgerichten Deutschlands vergleichbar – als Rechtsmittelgericht –, er erfüllt allerdings zugleich die Aufgaben eines Verfas­ sungsgerichts, seitdem er sich in Marbury v. Madison die Befugnis zur Judicial Review verliehen hat395. Im Trennungsmodell der Bundesrepublik Deutschland 390 

Vgl. näher die Analysen bei v. Brünneck, Verfassungsgerichtsbarkeit (Fn.  388), S.  50 ff. sowie A. Weber, Verfassungsgerichte in anderen Ländern, in: M. Piazolo (Hrsg.), Das Bun­ desverfassungsgericht. Ein Gericht im Schnittpunkt von Recht und Politik, 1995, S.  61 ff.; siehe auch knapp hierzu A. Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG (Teil  1, Fn.  10), Art.  93 Rn.  13. – Zur ideengeschichtlichen Entwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit im Allgemeinen siehe Eberl, Verfassung (Teil  2, Fn.  453), S.  257 ff. 391  Mit einem kurzen Überblick zu den zwei Grundmodellen vgl. zunächst nur Tomuschat, Bundesverfassungsgericht (Fn.  388), S.  251 f.; J. Wieland, in: Dreier, GGK III (Einl., Fn.  2), Art.  93 Rn.  26 ff.; Voßkuhle (Fn.  390), Art.  93 Rn.  14 ff. 392  Zur Einordnung in „Trennungsmodell“ und „Einheitsmodell“ siehe v. Brünneck, Ver­ fassungsgerichtsbarkeit (Fn.  388), S.  28 ff.; Tomuschat, Bundesverfassungsgericht (Fn.  388), S.  251 f.; G. Brunner, JöR n. F. 50 (2002), S.  191 ff.; R. Wahl, Verfassungsstaat, Europäisie­ rung, Internationalisierung, 2003, S.  256 f. 393 Vgl. Voßkuhle (Fn.  390), Art.  93 Rn.  15. 394  Näher hierzu W. Haller, Supreme Court und Politik in den USA, 1972; K. Heller, Eu­ GRZ 1985, S.  685 ff.; J. Wieland, Der Staat 29 (1990), S.  333 ff.; aus amerikanischer Sicht statt vieler A. Cox, The Court and the Constitution, 1987, S.  62 ff. 395 Vgl. Currie, Verfassung (Teil  2 , Fn.  589), S.  15 ff.; Wieland (Fn.  391), Art.  93 Rn.  26. Siehe zu den Wirkungen von Marbury v. Madison 5 U.S. (1 Cranch) 137 (1803) für die Rechtsordnungen in Europa W. Hoffmann-Riem, JZ 2003, S.  269 ff.; W. Heun, Der Staat 42 (2003), S.  267 ff.; W. Brugger, JuS 2003, S.  320 ff.; T. Ginsburg, The Global Spread of Consti­ tutional Review, in: K. E. Whittington/R. D. Kelemen/G. A. Caldeira (Hrsg.), The Oxford Handbook of Law and Politics, 2008, S.  81 (85 ff.). – Grundsätzlich steht das Recht zur Judi-

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

ist die Verfassungsgerichtsbarkeit hingegen organisatorisch verselbständigt dem Bundesverfassungsgericht zugeordnet. Es verfügt über eigene, originäre Zuständigkeiten und ist von der einfachen Gerichtsbarkeit getrennt396. Die dar­ gestellten organisatorischen Unterschiede rühren aus den andersartigen rechts­ kulturellen Traditionen der beiden Rechtsordnungen her. Über die inhaltliche Reichweite und die praktische Effektivität der verfassungsgerichtlichen Recht­ sprechung sagt die Einordnung allerdings nichts aus397. Obwohl es sich bei dem amerikanischen U.S. Supreme Court unter formalen Gesichtspunkten um ein (ordentliches) Revisionsgericht handelt, übt es dennoch eine rechtlich und ge­ sellschaftlich tiefgreifende Verfassungsrechtsprechung aus398. Diese ist mit den Kompetenzen des Bundesverfassungsgerichts durchaus vergleichbar. Der U.S. Supreme Court hatte für die Errichtung des Bundesverfassungs­ gerichts hinsichtlich der grundsätzlichen Vorstellungen und die Realisierungs­ bedingungen einer Verfassungsgerichtsbarkeit zudem eine Vorbildfunktion399. Explizit wurde von den Schöpfern des Grundgesetzes auf das Recht des U.S. Supreme Courts in den Vereinigten Staaten Bezug genommen. Es sollte dem­ nach ein vergleichbares Gericht geschaffen werden mit der Befugnis „zu prüfen, ob ein Gesetz seinem Inhalt nach dem Geist und den naturrechtlichen, men­ cial Review, welches mit der Normverwerfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts zu vergleichen ist, sämtlichen Gerichten zu. Praktisch allerdings sind die aus verfassungs­ rechtlicher Sicht bedeutsamen Entscheidungen den obersten Gerichten vorbehalten. 396  Im Überblick hierzu Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht (Fn.  28), Rn.  3; Voßkuhle (Fn.  390), Art.  93 Rn.  15. 397  Zum Teil werden die verschiedenen Modelle in diesem Zusammenhang nur als „äuße­ re Schale“ bezeichnet, die als deutlich weniger prägend anzusehen seien als das jeweilige Selbstverständnis des Verfassungsgerichts. Siehe hierzu knapp Voßkuhle (Fn.  390), Art.  93 Rn.  17. 398 Zusammenfassend Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  33; Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht (Fn.  28), Rn.  3; zum Aufbau der U.S.-amerikanischen Gerichts­ barkeit mit dem Supreme Court an der Spitze vgl. Burnham, Introduction (Teil  2, Fn.  132), S.  175 ff.; H. Wilms, NJW 1999, S.  1527 (1527 f.); Kau, Supreme Court (Einl., Fn.  18), S.  52 ff., 263 ff. 399 Instruktiv H. Wilms, NJW 1999, S.  1527 ff.; vgl. aus der umfangreichen Literatur die wissenschaftlichen Beiträge zu diesem Thema R. Katz, DÖV 1954, S.  97 ff.; K. Grasmann, BVerfG und Supreme Court, 1957; D. P. Kommers, The Federal Constitutional Court in the West German Political System, in: J. B. Grossmann/J. Tanenhaus (Hrsg.), Frontiers of Judi­ cial Research, 1969, S.  73 ff.; ders., Judicial Politics in West Germany. A Study of the Federal Constitutional Court, 1976, S.  70 ff.; K. Stern, in: Bonner Kommentar (Teil  1, Fn.  9), Art.  93 (1982), Rn.  3, 5; Currie, Verfassung (Teil  2, Fn.  589), S.  15 ff.; H. Steinberger, Bemerkungen zu einer Synthese des Einflusses ausländischer Verfassungsideen auf die Entstehung des Grundgesetzes mit deutschen verfassungsrechtlichen Traditionen, in: K. Stern (Hrsg.), 40 Jahre GG, 1990, S.  41 (53 ff.); Heun, Verfassung (Teil  2, Fn.  162), S.  88 ff.; v. Bernstorff, Ge­ richtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  116.

C. Abschließender Vergleich

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schenrechtlichen Grundlagen der Verfassung entspricht“400. Einzelheiten und Umfang der Vorbildfunktion des U.S. Supreme Courts sind indessen nicht ab­ schließend geklärt401. Allerdings liegt es nahe, dass das oberste Gericht der Ver­ einigten Staaten für die Errichtung des Bundesverfassungsgerichts nach dem Zweiten Weltkrieg in erster Linie eine nur theoretisch-generelle Vorbildfunk­ tion hatte, da sich konkret betrachtet praktische Unterschiede offenbaren402: Im Gegensatz zu den gesonderten verfassungsrechtlichen Verfahrensarten vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht gem. Art.  93 GG beginnen beim U.S. Supreme Court die Streitigkeiten stets mit einem konkreten Fall im dafür vor­ gesehen Instanzenzug. Ein dem U.S. Supreme Court originär und exklusiv zu­ gewiesenes, verfassungsprozessuales Verfahren existierte zunächst nicht, hat inzwischen allerdings mit 28 U.S.C. §  1251 (a) Einzug in das amerikanische Verfassungsrecht gefunden403. Eine der abstrakten Normenkontrolle vergleich­ bare Verfahrensart, mit der abstrakte Rechtsfragen zur richterlichen Überprü­ fung vorgelegt werden können, gibt es im amerikanischen Verfassungsrecht nicht404. Als Instanzgericht prüft der U.S. Supreme Court mithin nicht nur bloße Verfassungsverstöße, sondern nimmt sich überdies auch der Ermittlung ein­ fachrechtlicher Rechtsfehler an405. Ein solches Vorgehen ist in Deutschland für die Verfassungsgerichte nahezu undenkbar. Die Proklamation, das Bundesver­ fassungsgericht sei keine Superrevisionsinstanz, dient hier als Bollwerk für die lediglich vorzunehmende Überprüfung anhand von Verfassungsrecht 406. Als 400 So der Abgeordnete Adolf Süsterhenn (CDU) zur Einrichtung eines Verfassungs­ gerichts in Deutschland, vgl. A. Süsterhenn, 2. Sitzung des Plenums vom. 8. September 1948, in: Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat 9, 1996, S.  25. 401 Begründet liegt dies unter anderem in den beschränkten Mitteln und dem einge­ schränkten Zugang zur U.S.-amerikanischer Literatur, die den Abgeordneten des Parlamen­ tarischen Rates zur Verfügung standen, als sie über die Ausgestaltung des Bundesverfas­ sungsgerichts diskutierten und hierbei eine Anlehnung an die Struktur des U.S. Supreme Courts erwogen. Vgl. H. Wilms, NJW 1999, S.  1527 (1527). 402  Siehe im Überblick zu den Unterschieden Kau, Supreme Court (Einl., Fn.  18), S.  51 ff., 225 ff. 403  H. Wilms, NJW 1999, S.  1527 (1528). – Darüber hinaus sollte nicht der irrigen Vorstel­ lung nachgehangen werden, dass dem U.S. Supreme Court lediglich eine Rechtsmittelzustän­ digkeit zukäme, denn wie dargelegt, gibt es in seltenen Fällen auch erstinstanzliche Zustän­ digkeiten, die allerdings nicht explizit verfassungsrechtlicher Natur sind. 404 Vgl. B. Kroll, JuS 1987, S.  944 (946); K.-G. Zierlein, EuGRZ 1991, S.  301 (305); H. Wilms, NJW 1999, S.  1527 (1529); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  33; Kau, Supre­ me Court (Einl., Fn.  18), S.  264; Hübner/Münch, System (Teil  1, Fn.  210), S.  162. 405  Siehe im Vergleich zum Bundesverfassungsgericht, das keine Superrevisionsinstanz ist und daher die Verfassungsmäßigkeit nur anhand des Grundgesetzes überprüft, Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  33. 406  BVerfGE 18, 85 (92) mit Verweis auf BVerfGE 1, 418 (420), wo die Formulierung des „spezifischen Verfassungsrechts“ wohl erstmals Verwendung findet. Siehe hier aus der Lite­

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Dritter Teil: Gerichtsaufbau

Korrektiv gegen eine Überlastung der Richter des U.S. Supreme Courts fun­ giert indessen ihr umfangreiches Prüfungsrecht, ob sie eine Klage zur Entschei­ dung annehmen407. Auch das Bundesverfassungsgericht muss sich jedoch mit in Verfassungsbeschwerden gekleideten Revisionsproblemen befassen408, da es die verfassungskonforme Auslegung der Grundrechte durch die einfachen Ge­ richte kontrolliert. Das Bundesverfassungsgericht ist jedoch als reines Verfas­ sungsgericht zu betrachten, während dem U.S. Supreme Court ein vergleichs­ weise beschnittenes „akzessorisches richterliches Prüfungsrecht“ zusteht. Die verfassungsrechtliche Überprüfung von Gesetzen erfolgt im Einzelfall im Rah­ men des Instanzenzuges, wenn die Verfassungswidrigkeit von den Parteien ge­ rügt wurde409. Die Kompetenz zur Aufhebung verfassungswidriger Gesetze ist einfachgesetzlich inzwischen normiert, womit der verfassungsdogmatische Streit zu den Ursprüngen und der Reichweite der Judicial Review geklärt ist410. Überdies besteht nur in Deutschland das Erfordernis der Vorlagepflicht gem. Art.  100 Abs.  1 GG, sodass einfache Gerichte ein ihrer Ansicht nach verfas­ sungswidriges Gesetz gerade nicht unberücksichtigt lassen können411. Wenngleich – zumindest seit Marbury v. Madison – die deutschen verfassungs­ prozessualen Institute der Verfassungsbeschwerde sowie der Normenkontrolle mit den Prozessen vor dem U.S. Supreme Court approximativ vergleichbar sind, weisen sich alle übrigen Kompetenzen des Bundesverfassungsgerichts als spe­ zifisch deutsche Institute aus412. In ideengeschichtlicher Hinsicht lässt sich eine Vorbildfunktion des U.S. Supreme Courts dennoch annehmen – vor allem im Hinblick auf die Herrschaft des Rechts, die Freiheit des Einzelnen sowie einge­ denk der in dieser Untersuchung so bedeutsamen richterlichen Unabhängig­ keit413. ratur zudem statt aller zum Prüfungsumfang des Bundesverfassungsgerichts nur Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht (Fn.  50), §  12 Rn.  13. 407  Schätzungen gehen davon aus, dass jeder Richter lediglich zwischen vier und 20 Minuten auf ein Verfahren verwendet, das zur Entscheidung nicht angenommen wird, vgl. J. Wieland, Der Staat 29 (1990), S.  333 (347); ähnlich Baum, Supreme Court (Teil  2, Fn.  892), S.  83 ff. 408 Vgl. H. Wilms, NJW 1999, S.  1527 (1528); Kau, Supreme Court (Einl., Fn.  18), S.  264. 409  Siehe Haller, Supreme Court (Fn.  394), S.  133; B. Kroll, JuS 1987, S.  944 (946); W. Hoff­ mann-Riem, JZ 2003, S.  269 (273); Kau, Supreme Court (Einl., Fn.  18), S.  264 ff. 410  Vgl. 28 U.S.C. §  1252; dazu Kau, Supreme Court (Einl., Fn.  18), S.  266. 411 Vgl. Currie, Verfassung (Teil  2 , Fn.  589), S.  18. 412  So auch das Fazit bei H. Wilms, NJW 1999, S.  1527 (1529), der die Vorbildfunktion des Supreme Courts trotz gravierender Unterschiede beider Verfassungsgerichte herausstellt und insofern auf den Provisoriumscharakter des Grundgesetzes verweist (hierzu: S.  1528). 413  Vgl. auch K. Adenauer, Erinnerungen, Bd.  I, 6.  Aufl. 1987, S.  128. – Siehe zur Über­ wanderung der Diskussion um richterliche Selbstbeschränkung (Judicial Self-Restraint) aus den USA in die europäischen Rechtsordnungen Tomuschat, Bundesverfassungsgericht (Fn.  388), S.  269 ff.

Vierter Teil

Gerichtsverwaltung Die Gerichtsverwaltung muss die für die Rechtsprechung notwendigen sach­ lichen, organisatorischen und personellen Voraussetzungen bereitstellen – an­ dernfalls ist eine funktionierende Rechtsprechungstätigkeit aus Effizienzge­ sichtspunkten1 und zur Herstellung von Rechtsfrieden 2 als Zweck der Recht­ sprechung kaum möglich. Es lassen sich unter Zugrundelegung der globalen Unterschiede der Gerichtssysteme verschiedene Modelle der Zuständigkeit für Gerichtsverwaltung bzw. Court Management dokumentieren3. Mit Blick auf die vorliegende Arbeit fällt zunächst ein exklusiv judikatives Verantwortungsmo­ dell (1) ins Auge, das in zwei Unterkategorien unterteilt werden kann: Das indi­ viduelle Modell mit einem einzigen verantwortlichen Richter an der Spitze so­ wie das kollektive Modell, in dem die Gerichtsverwaltung einem Kollegialorg­ an übertragen wird4. Ersteres System findet sich beispielsweise im Bundesstaat New York, während letzteres unter anderem an den Bundesgerichten der Verei­ nigten Staaten sowie in Italien und Portugal praktiziert wird 5. Eine zweite Vari­ ante ist diametral entgegengesetzt zum rein judikativen Modell ein exklusiv exekutives Verantwortungsmodell, welches sich beispielsweise in Österreich und in Norwegen findet6. Es kann ferner eine Variation moderater exekutiver 1 

Hoffmann-Riem, Modernisierung (Einl., Fn.  7), S.  211 ff.; Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  17; H. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GGK I (Teil  2, Fn.  1011), Art.  19 IV Rn.  46: „Megatrend der Ökonomisierung“; Lienhard/Kettiger, Einleitung (Einl., Fn.  11), S.  6. 2  Vgl. BVerfGE 1, 433 (437); 107, 395 (401); G. Roellecke, DRiZ 1996, S.  174 (175 f.); P. Macke, DRiZ 1999, S.  481 (484), der diese Erkenntnis indessen mit dem im Ergebnis un­ zutreffenden Fazit verbindet, eine Kosten- und Leistungsrechnung verbiete sich in der Justiz per se, da „Rechtsstaatlichkeit, Rechtsfrieden und soziale Gerechtigkeit“ derart nicht erfass­ bar seien; allgemein auch Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  17; siehe zum Rechtspre­ chungszweck aus U.S.-amerikanischer Sicht MacManus/Bullock/Freeman, Governing (Teil  3, Fn.  130), S.  364 ff. („Norm Enforcement“ und „Policymaking“). 3  Vgl. im ersten Zugriff die Untersuchung von P. S. Millar/C. Baar, Judicial Administra­ tion in Canada, 1981, S.  1 ff. 4  Shetreet, Independence (Teil  1, Fn.  257), S.  6 44. 5  Siehe zum System der italienischen Gerichtsverwaltung Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  577 ff.; zur Verwaltung der portugiesischen Gerichte siehe ausschnittsweise G. Oberto, ZRP 2004, S.  207 ff. 6 Gleichsinnig M. Jeschke, KritV 93 (2010), S.  233 ff.; Poseck, Selbstverwaltung (Einl.,

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

Verantwortung (2) ausgemacht werden, die in Israel praktiziert wird, wo ein Richter die gerichtsverwaltenden Maßnahmen ausführt und dabei der Exekuti­ ve gegenüber verantwortlich ist7. Das dritte Modell als geteiltes judikativ-exe­ kutives Modell (3) ist eine Zusammensetzung des ersten und zweiten Modells8. Es ist weiterhin in vier Unterkategorien zu unterteilen: Zum einen existiert eine vertikale Verteilung der Verantwortung, sodass einige Bereiche der Gerichts­ verwaltung bei der einen und wiederum andere Belange bei einer anderen Ge­ walt angesiedelt sind. Zum anderen gibt es eine horizontale Verteilung der Ver­ antwortung, in deren Rahmen die Verantwortung für die Verwaltung des höchs­ ten Gerichts bei der Judikative selbst liegt, während die unteren (ordentlichen) Gerichte unter der Obhut der Exekutive stehen – so zu finden beispielsweise in Deutschland, Australien und Kanada9. Weiterhin findet sich in der dritten Kate­ gorie ein gemeinschaftliches Submodell, in dem Judikative und Exekutive sämt­ liche Gerichte gemeinsam verwalten. Eine weitere Unter­kategorie zeichnet sich durch die Übertragung der Verantwortung zur Gerichtsverwaltung auf ein Kol­ legialorgan aus, das zu gleichen Teilen aus Vertretern von Exekutive und Judi­ kative besteht10. Ähnlich beschaffen ist ein viertes Modell, das als Multi-Gewal­ ten-Verantwortungsmodell (4) bezeichnet werden kann und sich dadurch aus­ zeichnet, dass wiederum ein Kollegialorgan etabliert wird, welches allerdings alle drei Gewalten repräsentiert – wie in Brasilien11. Es kann schließlich ein fünftes Modell ausgemacht werden, in dem die Gerichtsverwaltung in einem unabhängigen Staatsorgan (5) angesiedelt ist. Diese Form der Gerichtsverwal­ tungsorganisation wird in Schweden praktiziert12. Inwieweit sich die einzelnen gerichtsverwaltenden Maßnahmen in einem Spannungsfeld zur richterlichen Unabhängigkeit13 bewegen, soll die folgende Fn.  16), S.  182. – Siehe zur Gerichtsverwaltung in Österreich Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  529 ff. 7 Siehe Shetreet (Teil  1, Fn.  257), S.  6 44; im Überblick zum israelische Modell siehe Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  638 f. 8  Vgl. abermals Shetreet, Independence (Teil  1, Fn.  257), S.  6 44. 9  Siehe zur Gerichtsverwaltung in Kanada Millar/Baar, Administration (Fn.  3), S.  195 ff. 10  Siehe zu den Unterkategorien des dritten Modells instruktiv Shetreet, Independence (Teil  1, Fn.  257), S.  644. 11  Zum Modell gerichtsverwaltender Verantwortung in Brasilien siehe C. Agricola Barbi, Brazil, in: Shetreet/Deschênes, Independence (Teil  1, Fn.  257), S.  50 ff. 12  Siehe zum Modell in Schweden, in dem eine dem Justizministerium unterstellte Behör­ de (Swedish National Courts Administration) zuständig ist für die Verwaltung der Gerichte, A. Andersson, Sweden, in: Shetreet/Deschênes, Independence (Teil  1, Fn.  257), S.  335 ff.; Eu­ ropean Commission for the Efficiency of Justice (Hrsg.), European Judicial Systems. Edition 2012 (data 2010). Efficiency and Quality, 2012, S.  112. 13 Vgl. Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  453 ff.; Classen (Teil  2 , Fn.  344), Art.  97 Rn.  29.

A. Die Verwaltung deutscher Gerichte

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Darstellung der organisatorischen und inhaltlichen Gestaltung der Gerichts­ verwaltung zeigen. Die Modelle der Gerichtsverwaltung im deutschen (A.) und U.S.-amerikanischen Gerichtssystem (B.) sind einander gegenüberzustellen.

A. Die Verwaltung deutscher Gerichte Der jetzige status quo der Organisation sowie der Verwaltung der deutschen Gerichte wird viel beklagt und ist häufig Gegenstand von Kritik sowie von Re­ formvorstößen in Richtung einer selbstverwalteten Justiz14. Berücksichtigt wer­ den in dieser die innerorganisatorischen Maßnahmen der Gerichte15, die oft Modernisierungs- und Reformbestrebungen ausgesetzt sind. Der Gegenstand der Gerichtsverwaltung (I.) ist Dreh- und Angelpunkt für die Darstellung der agierenden Organe anhand der Zweispurigkeit der Gerichtsverwaltung (II.). Ab­ schließend sind die einzelnen Bereiche der gerichtsverwaltenden Tätigkeit zu beleuchten (III.), die sich im Kreuzfeuer von Selbstverwaltungsmodellen und der Implementierung des Neuen Steuerungsmodells wiederfinden (IV.). I. Gegenstand der Gerichtsverwaltung Wie bereits eingangs festgestellt16, bezeichnet die Gerichtsverwaltung die ge­ samte verwaltende Tätigkeit innerhalb der Gerichte. Sie schafft die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit der Rechtspre­ chung in den einzelnen Gerichtsbarkeiten. Es werden hiermit nicht die dem Ge­ richt unmittelbar zugewiesenen Angelegenheiten der Rechtsprechung oder der Verwaltung nach außen hin erfasst17. Gerichtsverwaltung sorgt im Wege inne­ rer Organisation für den reibungslosen Ablauf der gerichtlichen Tätigkeit18.

14  Zur Kritik im Überblick Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  30; mit einer verfassungsrechtlichen Bewertung von Selbstverwaltungsmodellen Minkner, Gerichtsver­ waltung (Einl., Fn.  7), S.  308 ff. 15  Siehe hierzu Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  11 ff.; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  44 ff. 16  Siehe ausführlich zu den terminologischen Erläuterungen oben Kap.  1 A. I. und II. 2. 17  So im Wesentlichen auch Stern, Staatsrecht II (Teil  1, Fn.  11), S.  901 f.; Wittreck, Ver­ waltung (Einl., Fn.  9), S.  16; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  250; ­Jacobs (Teil  1, Fn.  4), §  1 GVG Rn.  8; Zimmermann (Teil  1, Fn.  4), §  1 GVG Rn.  7; Kissel/ Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  85. 18 Vgl. Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  250; Jacobs (Teil  1, Fn.  4), §  1 GVG Rn.  8; Zimmermann (Teil  1, Fn.  4), §  1 GVG Rn.  7; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  85.

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

II. Organe der Gerichtsverwaltung Die allgemeinen Zuständigkeitsregeln der Gerichtsverwaltung folgen der fö­ deralistischen Grundstruktur der Bundesrepublik Deutschland (1.). Die einzel­ nen Organe der Gerichtsverwaltung sind demnach auf Bundes- und Landes­ ebene separat angesiedelt (2.). 1. Allgemeine Zuständigkeitsregeln Die Aufgaben der Gerichtsverwaltung liegen in den Händen verschiedener Trä­ ger hoheitlicher Gewalt. Zum Teil übernehmen Richter einzelne ihnen zugewie­ sene Aufgaben der Gerichtsverwaltung, während die Gerichtspräsidenten inso­ fern als Behördenleiter fungieren; darüber hinaus sind in nicht unbeträchtli­ chem Umfang die Justizministerien des Bundes und der Länder (als leitende Verwaltungsbehörden der Gerichtsverwaltung) involviert19. Dem Grundgesetz sind keine direkten inhaltlichen Vorgaben hinsichtlich der Zuständigkeitsvertei­ lung und der Organisation der Gerichtsverwaltung zu entnehmen; im Hinblick auf die Art.  92, 97 GG und das Rechtsstaatsprinzip lässt sich aus der Verfassung insoweit lediglich ableiten, dass die Gerichtsverwaltung die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter nicht beeinträchtigen darf und sich an dem Justizge­ währleistungsanspruch orientieren muss20. Die Herstellung von Rechtsfrieden im Interesse des Bürgers im Rahmen eines angemessen langen Verfahrens wird maßgeblich durch die Gerichtsverwaltungsstrukturen beeinflusst. Da die Ge­ richtsverwaltung die Funktionsfähigkeit der Rechtsprechung gewährleistet, ­entsteht „eine eigentümliche Wechselbeziehung zwischen dem in der Recht­ sprechung unabhängigen Richter und der die Voraussetzungen für die Recht­ sprechung schaffenden Gerichtsverwaltung, die zudem durch Ernennung, Be­ urteilung und Beförderung maßgeblich seinen Berufsweg gestaltet“21. Eine anderweitige allgemeine Zuständigkeitsbestimmung für die einzelnen Bereiche der Gerichtsverwaltung lässt sich nicht ausmachen; die Zuständigkeit für die einzelnen Maßnahmen gerichtsverwaltender (sowie auch justizverwal­ tender) Natur ist diversen einschlägigen Vorschriften zu entnehmen und ergibt sich ferner auch aus der Art der Maßnahme selbst22. Es hat sich ein zweigliedri­ 19 Vgl.

Stern, Staatsrecht II (Teil  1, Fn.  11), S.  901; Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  453 f. 20  Siehe hier BVerfGE 1, 433 (437); 107, 395 (401); Stelkens (Teil  1, Fn.  149), §  38 Rn.  4. 21 So Stelkens (Teil  1, Fn.  149), §  38 Rn.  4; siehe auch Stern, Staatsrecht II (Teil  1, Fn.  11), S.  901; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  250; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  85. 22 So auch Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  257; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  87.

A. Die Verwaltung deutscher Gerichte

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ges System gerichtsverwaltender Aufgabenerfüllung entsprechend der födera­ listischen Staatsstrukturen in Deutschland herausgebildet23. Demgemäß sind die Aufgaben der Gerichtsverwaltung nach der grundsätzlichen Kompetenzver­ teilung zwischen Bund und Ländern für die Bundesgerichte Sache des Bundes und ansonsten Sache der Länder, die insofern in der Ausgestaltung der Organi­ sation ungebunden sind 24. Eine entsprechend zweistufige Gerichtsverwaltung ist ferner bedingt durch eine verfassungsrechtlich geforderte Zweistufigkeit der Gerichtsorganisation 25. Zum einen ist ein Teil der Gerichtsverwaltung zentral bei den Justizministerien des Bundes bzw. der Länder angesiedelt26. Dabei gilt die grundsätzliche Regel, dass an der Spitze der gesamten Gerichtsverwaltung im Bund das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz27 und in den einzelnen Bundesländern der jeweilige Justizminister (bzw. -senator) steht28. Zum anderen findet gerichtsverwaltende Tätigkeit unterhalb der minis­ teriellen Ebene dezentral organisiert durch Delegation in den einzelnen Gerich­ ten statt29. In der Regel wird die Gerichtsverwaltung dann von den Gerichtsbe­ hörden ausgeführt; die Verantwortung liegt dabei in den Händen des jeweiligen Gerichtspräsidenten30. Dieser hat – soweit das Gesetz ihm nicht ausdrücklich die Zuständigkeit zuweist – die Weisungsbefugnis und kann sich zur Erfüllung gerichtsverwaltender Aufgaben der beim jeweiligen Gericht tätigen Beamten und Bediensteten bedienen sowie nach Maßgabe der §§  4 Abs.  2, 42 DRiG an­ 23 Vgl. Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  14; Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  453; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  88. 24  Zwar sind die Länder grundsätzlich frei in der Ausgestaltung der Organisation der Ge­ richtsverwaltung – die Kompetenz für die Gerichtsorganisation ergibt sich aus Art.  30, 92 GG –, allerdings können in gewissen Fällen zulässigerweise bundesrechtliche Vorschriften entgegenstehen. Vgl. BVerfGE 24, 155 (166); so auch Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  257; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  26 Rn.  8 ff.; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  88, Einl. Rn.  21 ff. 25  Landesrechtliche Verfassungsvorgaben fordern bspw. eine zweistufige Verwaltungsge­ richtsbarkeit auf Landesebene, vgl. Art.  74 Abs.  2 NWVerf. Siehe hierzu Stelkens (Teil  1, Fn.  149), §  38 Rn.  4. 26 Vgl. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  57; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  14; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  88. 27  Siehe den Organisationsbeschluss der Bundeskanzlerin vom 17. Dezember 2013 (BGBl. I 2013, 4310); Kritisch J. Brauneck, NJW 2014, S.  602 ff. 28 So auch Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  257; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  89. 29  Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  14; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  257. 30  Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  56; Schilken, Gerichtsverfassungs­ recht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  257; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  89; zu den Aufgaben des Präsidenten eines Amtsgerichts siehe BVerfG NJW 1974, S.  1940 (1943).

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

dere Richter heranziehen31. Es ist indessen weniger diese Zweispurigkeit an sich, welche die Besonderheit der Organisation der Gerichtsverwaltung aus­ macht, sondern vielmehr die Tatsache, dass die Spitze der Verwaltung der Ge­ richte durch die Richter selbst geleitet wird. Eine eigenständige, professionali­ sierte Gerichtsverwaltung hat sich in Deutschland bisher nicht herausgebildet32. 2. Gerichtsverwaltende Organe auf zwei Stufen Die gerichtsverwaltenden Organe der Bundesebene (a.) und der Landesebene (b.) ähneln sich weitestgehend. Sie sind in Anlehnung an die getrennten Ge­ richtsstrukturen33 zu beleuchten. a) Organe der Verwaltung der Bundesgerichte Im Hinblick auf die Frage, wie die Gerichte des Bundes verwaltet werden, muss zwischen der Verwaltung des Bundesverfassungsgerichts mit einer im sonsti­ gen Gerichtsverwaltungsapparat untypischen Selbstverwaltung34 (aa.) und der Verwaltung der einfachen Bundesgerichte (bb.) unterschieden werden. aa) Verwaltungsstruktur des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat eine Sonderstellung gegenüber den anderen Bundesgerichten35. Als einziges Gericht verfügt es über eine Normverwer­ fungskompetenz36 und hebt sich damit von den übrigen Gerichten ab. Als Kon­ sequenz der Autorität als Verfassungsorgan hat sich das Bundesverfassungsge­ richt von der anfänglich bestehenden Bindung durch den Bundesjustizminister 31  Begründet

wird hierdurch die viel beschworene „Doppelstellung“ des Gerichtspräsi­ denten, die bedeutsam ist im Hinblick auf die Gewährleistung der richterlichen Unabhängig­ keit, siehe Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  56; Schilken, Gerichtsverfas­ sungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  257. 32  Siehe jedoch die (vereinzelt auftretenden) Befürworter der Einführung eines professio­ nellen Gerichtsmanagers wie W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1997, S.  290 ff., der sich allerdings auf die Darlegung rechtspolitischer Gründe beschränkt; F.-J. Mehmel, Betrifft Justiz 63 (2000), S.  324 (327). 33  Hierzu ausführlich Kap.  3 B. II. 34  Gemeinhin geht die Einordnung des Bundesverfassungsgerichts sogar weiter und es wird ihm eine „Vorbildfunktion“ für die Gerichtsverwaltungsstrukturen der einfachen Ge­ richte zugeschrieben. Siehe Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  30. 35 Siehe A. Hense, HStR³ VI, §  137 Rn.  8 ff.; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  117 f. 36  Zur Normenkontrolle siehe Heun, Verfassung (Teil  2 , Fn.  162), S.  184 ff.; zu den Zu­ ständigkeiten des Bundesverfassungsgerichts siehe hier nur G. Roellecke, HStR³ III, §  67 Rn.  11 ff.; 22 ff.

A. Die Verwaltung deutscher Gerichte

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gelöst37 und eine gerichtliche Selbstverwaltung38 etabliert. Die verfassungsun­ mittelbare Stellung des Bundesverfassungsgerichts sowie sein Status als Ver­ fassungsorgan ohne Ressortanbindung machen es möglich, dass die zahlreichen Aufgaben des Kernbereichs rechtsprechender Tätigkeit sowie die damit verbun­ denen Angelegenheiten der Personalhoheit und einer eigenen Haushaltsverant­ wortung effizient – und losgelöst von exekutiver Ministerialebene – durchge­ führt werden können39. Die Organisation und Verwaltung des Bundesverfassungsgerichts werden gem. §  1 Abs.  1 GO BVerfG vom Gerichtsplenum sowie dem Gerichtspräsiden­ ten in Zusammenarbeit übernommen40. Laut §  1 Abs.  3 S.  2 GO BVerfG hat der Gerichtspräsident die Leitung der Gerichtsverwaltung. Aus der Pflicht des Ge­ richtspräsidenten gem. §  1 Abs.  3 S.  1 GO BVerfG, „die ihm nach den Gesetzen zustehenden Befugnisse wahrzunehmen“, folgt eine gewisse Eigenständigkeit des Präsidenten, die dem Kollegialitätsprinzip damit normative Grenzen zieht 41. Die Aufgaben des Plenums ergeben sich aus §  1 Abs.  2 GO BVerfG42. Dem Ple­ num sowie dem Präsidenten nachgeordnet sind zum einen der Direktor beim Bundesverfassungsgericht43 und zum anderen die Präsidialräte, deren Zustän­ digkeit in der Mitwirkung bei der Erledigung von Senatsgeschäften besteht 44. 37  Siehe hierzu Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  274; Benda/Klein (Teil  3, Fn.  30), §  4 Rn.  111. – Zum Status des Bundesverfassungsgerichts im Allgemeinen G. Roellecke, HStR³ III, §  67 Rn.  15 ff.; Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht (Teil  3, Fn.  28), Rn.  26 ff. 38  Kritisch zur Selbstverwaltung als Vorbild für die übrigen Gerichte Papier, Selbstver­ waltung (Teil  2, Fn.  638), S.  185 ff.; C. Sennekamp, NVwZ 2010, S.  213 (213 ff.). 39 Vgl. O. Klein, Binnenorganisation und Verwaltung, in: Benda/Klein, Verfassungspro­ zessrecht (Teil  3, Fn.  30), §  7 Rn.  176; Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht (Teil  3, Fn.  28), Rn.  28; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  234 ff. 40  Im Einzelfall kann es allerdings Regelungen geben, die die Zuständigkeit einem der beiden Akteure explizit zuweisen – regelmäßig wird dies der Gerichtspräsident sein. Siehe zur Abgrenzung T. Ritterspach, EuGRZ 1976, S.  57 (59); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  275 f.; Klein (Fn.  39), §  7 Rn.  177 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  234 f. 41  Im Rahmen dieser Zuständigkeiten handelt der Präsident eigenverantwortlich und benö­ tigt nicht die Zustimmung des Plenums. Er ist alleiniger Dienstvorgesetzter, sodass ihm für die Beamten und sonstigen Angestellten am Bundesverfassungsgericht die – im Rahmen der ge­ richtsverwaltenden Tätigkeiten bedeutsamen – Aufgaben der Auswahl, Verwendung und Beur­ teilung obliegen sowie die Ausübung der Disziplinargewalt. So auch Klein (Fn.  39), §  7 Rn.  179. 42  Ausführlich hierzu Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  274; Klein (Fn.  39), §  7 Rn.  177; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  234. 43  Der Direktor beim Bundesverfassungsgericht verfügt über einen eigenen Verwaltungs­ apparat nach ministerialem Muster, sodass ihm gem. §  14 Abs.  1 S.  2 GO BVerfG die Verwal­ tungsangelegenheiten zur selbständigen Erledigung übertragen werden können, vgl. Klein (Fn.  39), §  7 Rn.  188 f.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  234. 44  Präsidialräte sind Verwaltungsbeamte aus dem höheren Dienst mit der Befähigung zum Richteramt. Siehe im Detail Klein (Fn.  39), §  7 Rn.  181 f.

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

In den Kreisen der Befürworter einer gerichtlichen Selbstverwaltung zeich­ net sich vor allem im Bereich der Budget- und Personalverwaltung die Überzeu­ gung ab, das Bundesverfassungsgericht könne hier eine Art „Vorbildfunktion“ für die übrigen Gerichte auf Bundes- und Landesebene einnehmen45. Abgese­ hen von der Frage der Richterwahl, wurde die Verwaltung des Bundesverfas­ sungsgerichts bisher allerdings eher zurückhaltend wissenschaftlich unter­ sucht46. Dies ist in Anbetracht der politischen Bedeutung der bundesverfas­ sungsgerichtlichen Rechtsprechung indessen schwerlich nachvollziehbar47. bb) Verwaltungsstruktur der einfachen Bundesgerichte Art.  95 Abs.  1 GG enthält die verfassungsrechtliche Garantie der fünf obersten Gerichtshöfe des Bundes48. Allen obersten Bundesgerichtshöfen gemein ist ein gewaltenverschränkendes System der Gerichtsverwaltung, an der alle drei Ge­ walten beteiligt sind49. An der Spitze der Gerichtsverwaltung der obersten Bun­ desgerichte, die Gegenstand der Untersuchung sein sollen50, steht für die Exeku­ tive der jeweilige Fachminister sowie die weisungsunterworfenen Gerichtsprä­ sidenten (1). Eine nicht unwesentliche Rolle spielt die richterliche Wahrnehmung verwaltender Tätigkeiten durch Ausschüsse und Präsidien (2), während eine 45  So bspw. H.-E. Böttcher, SchlHA 1997/A, S.  101 (102); dazu Papier, Selbstverwaltung (Teil  2, Fn.  638), S.  192; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  30. – In seiner sich selbstverwaltenden Sonderstellung wird das Bundesverfassungsgericht im Vergleich mit den übrigen deutschen Gerichten bisweilen als „Fremdkörper“ wahrgenommen, so Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  282. 46  Vgl. die eher knappen Ausführungen bei Stern, Staatsrecht II (Teil  1, Fn.  11), S.  345 f., 348 ff.; W. Blümel, HStR² IV, §  102 Rn.  4 ff.; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht (Teil  3, Fn.  50), §  2 Rn.  13 ff. (S.  37 ff.); H. Säcker, Das Bundesverfassungsgericht, 6.  Aufl. 2003, S.  36 ff., 49 ff.; E. Klein, Die Richter, in: Benda/ders., Verfassungsprozessrecht (Teil  3, Fn.  30), §  5 Rn.  127 ff. (S.  65 ff.); Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht (Teil  3, Fn.  28), Rn.  37 ff. Ausführlich U. Kischel, HStR³ III, §  69 Rn.  1 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  266 ff. 47  Zum Bundesverfassungsgericht als politischem Machtfaktor siehe K. Fromme, NJW 2000, S.  2977 (2977); A. Hense, HStR³ VI, §  137 Rn.  9; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  233. 48  Im Überblick: A. Hense, HStR³ VI, §  137 Rn.  12 ff. 49  Siehe zu den Organen der Verwaltung der obersten Gerichte des Bundes Wittreck, Ver­ waltung (Einl., Fn.  9), S.  285 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  242 ff.; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  135 ff.; explizit zur Verwaltung des BGH siehe L. C. Faissner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  308 ff. 50  Dargestellt wird mithin die Gerichtsverwaltungsstruktur der fünf obligatorischen Bun­ desgerichte i. S. v. Art.  95 Abs.  1 GG – außen vor bleiben hingegen sonstige Gerichte und Rechtspflegeorgane des Bundes (vgl. Art.  96 GG). Siehe hierzu im Überblick Wittreck, Ver­ waltung (Einl., Fn.  9), S.  320 ff.

A. Die Verwaltung deutscher Gerichte

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gesetzliche Regulierung der Gerichtsverwaltung (3) praktisch ein Schattenda­ sein fristet, im Triumvirat der Gewalten(-verschränkung) allerdings nicht unter­ schlagen werden darf. Richterwahlausschüsse werden als Organe der Gerichts­ verwaltung gesondert betrachtet, da sie als Mischorgane der Gerichtsverwal­ tung aus Exekutive sowie Legislative aus dem Gewaltenteilungsschema herausfallen (4). (1) Aufgabenwahrnehmung durch die Exekutive Trotz einer grundlegenden Verteilung der Gerichtsverwaltungszuständigkeiten auf alle drei Gewalten wird die Verwaltung der obersten Bundesgerichte haupt­ sächlich durch die Exekutive vorgenommen. Hierin liegt eine eigentümlich deutsche Tradition oder – wie Wittreck es formulierte – ein „deutscher Sonder­ weg“51. Zu den Gerichtsverwaltungsorganen der Exekutive gehören zunächst einmal die zuständigen Bundesministerien52: Neben dem (naheliegenden) Bun­ desministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, welches im Zentrum der gerichtsverwaltenden Tätigkeit auf Bundesebene steht53, nimmt das Bundes­ ministerium für Arbeit und Soziales gewisse Verwaltungs- und Aufsichtsfunk­ tionen wahr54. Seit 2003 spielte auch das Bundesministerium für Gesundheit eine Rolle als Gerichtsverwaltungsministerium55, inzwischen allerdings liegen 51 Siehe

Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  37 ff., 286 ff. (Zitat auf S.  37); ähnlich auch Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  454 f. 52 Vgl. Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  286 ff.; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  257; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  87 ff.; v. Bernstorff, Gerichtsver­ waltung (Einl., Fn.  17), S.  137 f. 53  Die Zuständigkeit des Justizministeriums für Aufgaben der Gerichtsverwaltung ergab sich früher aus §§  14 Abs.  1 Nr.  1, 18 der Verordnung zur einheitlichen Regelung der Ge­ richtsverfassung (GVVO), die allerdings durch Art.  21, 210 Abs.  2 Nr.  1 des. 1. Gesetzes über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz vom 19.4.2006 (BGBl. I S.  866) zum 24.4.2008 wegen Gültigkeitszweifeln aufgehoben worden ist. Vgl. BT-Drs. 16/47 (51). Dazu auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  286 f.; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  88. Siehe allgemein zum Bundesjustizministerium auch H. Meyer, Stellung und Aufgaben des Bundesministeriums der Justiz nach dem Grundgesetz, in: Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), FS 110jähriger Gründungstag Reichsjustizamt, 1977, S.  443 (454 ff.); Bundesministerium der Justiz, Aufgaben und Organisation des Bundes­ ministeriums der Justiz, 2014, S.  3 ff. 54  Gem. §  40 Abs.  2 S.  1 ArbGG führt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Geschäfte der Verwaltung sowie die Dienstaufsicht im Einvernehmen mit dem Bundesminis­ terium der Justiz und für Verbraucherschutz. Siehe R. Wassermann, Art.  Gerichtsverwal­ tung, in: A. Görlitz (Hrsg.), Handlexikon der Rechtswissenschaft, 1972, S.  122 (123). 55  Zwischen 2002 und 2005 wurde das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung aufgespalten in die zwei Unterressorts Wirtschaft und Arbeit sowie Gesundheit und Soziale Sicherung. §  38 Abs.  3 S.  1 SGG a. F. (in der Fassung vom 28.11.2003 – geändert durch

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

diese Befugnisse wieder beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales56. Es ist mithin eine Rückkehr zu der ministeriellen „Zweierspitze“ zu verbuchen57. Ein einheitliches Rechtspflegeministerium besteht bis heute nicht58. Wenn der zuständige Justizminister seine Aufgaben an der Spitze der Gerichtsverwaltung nicht selbstständig wahrnimmt, steht ihm in den rechtlichen Grenzen auch die Befugnis zu, sie zu delegieren. Im Fall der Delegation üben die nachgeordneten Stellen die Aufgaben der Gerichtsverwaltung als weisungsgebundene Organe aus; Richter unterliegen dann nicht der richterlichen Unabhängigkeit i. S. d. Art.  97 Abs.  1 GG, §  1 GVG59. Im Hinblick auf Rechtsprechung und Gerichts­ verwaltung haben auch Richter insofern eine Doppelrolle. Den Ministerien nachgeordnet ist der jeweilige Gerichtspräsident in seiner Funktion als Behörde der Gerichtsverwaltung und mithin als Exekutivorgan60. In diesem Sinne sehen die Gerichts- und Verfahrensordnungen des Bundes re­ gelmäßig die Möglichkeit vor, Befugnisse der Gerichtsverwaltung dem jeweili­ gen Gerichtspräsidenten der obersten Bundesgerichte i. S. v. Art.  95 GG zu Art.  65 der Achten Zuständigkeitsverordnung v. 25.11.2003, BGBl. I S.  2304) sah dement­ sprechend vor, dass „das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung […] die allgemeine Dienstaufsicht und die sonstigen Geschäfte der Gerichtsverwaltung [führt]“. Seit­ dem im Jahre 2005 mit dem Regierungswechsel die alte Aufgabenverteilung wiederherge­ stellt worden ist, heißt das Ressort des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Si­ cherung erneut Bundesministerium für Gesundheit. Das vormals Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung wurde praktisch wiederhergestellt und in Bundesministerium für Arbeit und Soziales geändert, welches inzwischen gem. §  38 Abs.  3 S.  1 SGG in der aktuellen Fassung (mit Wirkung vom 8.11.2006) zuständig ist für die Dienstaufsicht sowie die allge­ meinen Geschäfte der Gerichtsverwaltung. Vgl. knapp hierzu S. Leitherer, in: J. Meyer-­ Ladewig (Hrsg.), SGG-Kommentar, 12.  Aufl. 2017, §  38 Rn.  1. 56 Siehe Leitherer (Fn.  55), §  38 Rn.  1, 7. 57  So bereits vor 2003 E. Schäfke, ZRP 1983, S.  165 (165 f.); N. Achterberg, in: Bonner Kommentar (Teil  1, Fn.  9), Art.  95 (1985), Rn.  241 ff.; H. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GGK III (Einl., Fn.  2), Art.  95 Rn.  25. 58  Zur verwaltungsmäßigen Vereinheitlichung in einem Rechtspflegeministerium im Über­ blick siehe bereits E. Kern, DRiZ 1956, S.  214 (218); weiterhin Wolf, Gerichtsverfassungs­ recht (Teil  1, Fn.  117), S.  120 f.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  15; Schilken, Ge­ richtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  257; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  26 Rn.  7; siehe mit Verweis auf den Ökonomisierungsdruck, dem sich die Justiz ausgesetzt sieht, auch J. Zado, Privatisierung der Justiz, 2013, S.  64. 59 Vgl. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  57; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  89. 60  Vgl. wiederum Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  56; Schilken, Ge­ richtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  257; Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  457 f.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  243; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  90; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  138 f.; siehe zu dem Problem des ständigen Rollenwechsels, den die Präsidentinnen und Präsidenten der Gerichte durchlaufen F. J. Säcker, NJW 2018, S.  2375 (2380).

A. Die Verwaltung deutscher Gerichte

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übertragen61. Der Gerichtspräsident hat seinerseits die ähnlich gelagerte Befug­ nis, andere Richter nach Maßgabe von §§  4 Abs.  2, 42 DRiG sowie sonstige Beamte und Bedienstete des Gerichts heranzuziehen62. Hierzu zählen insbeson­ dere die in dieses hierarchische Gefüge eingebetteten Geschäftsstellenleiter, welche der Weisungsgewalt des Präsidenten unterliegen und ausschließlich mit Verwaltungsaufgaben betraut sind63. Der jeweilige Gerichtspräsident nimmt eine Doppelrolle ein, weil er zwar im Rahmen seiner Rechtsprechungstätigkeit unabhängig agiert, bezüglich seiner Verwaltungstätigkeit allerdings dem zu­ ständigen Minister weisungsunterworfen ist64. Neben repräsentativen Aufgaben erstrecken sich die Kompetenzen des Gerichtspräsidenten in seiner gerichtsver­ waltenden Funktion auf die Ablaufverwaltung sowie die Dienstaufsicht, die Disziplinargewalt und die Richterbeurteilung65.

61 

Die Führung über die Dienstaufsicht über die jeweiligen Gerichte wird dem jeweiligen Gerichtspräsidenten bspw. in den jeweils einschlägigen Normen übertragen (Bundesverwal­ tungsgericht: §  38 Abs.  1 VwGO; Bundesfinanzhof: §  31 FGO; Bundessozialgericht: §  38 Abs.  3 S.  2 SGG; Bundesarbeitsgericht: §  40 Abs.  2 ArbGG; Bundesgerichtshof: Seit dem Wegfall der GVVO ist die Dienstaufsicht über die Gerichte und Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit des Bundes nur noch teilweise geregelt, was nach Ansicht der Praxis nichts an den Aufsichtsbefug­ nissen geändert hat – sie sollen sich nunmehr aus §§  46 DRiG i. V. m. §  3 BBG und aus Art.  65 GG ergeben). Siehe hierzu ausführlich Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  26 Rn.  11. 62  Diejenigen Bundesrichter, die über §  42 DRiG zur Gerichtsverwaltung herangezogen werden, fungieren am BGH bspw. als Datenschutz- und Gleichstellungsbeauftragte oder neh­ men Aufgaben im Bereich Geheimschutz, Sabotage und Sicherheit wahr. Siehe hierzu das Organigramm des BGH unter http://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Downloads/ DE/DasGericht/organigramm.pdf?__blob=publicationFile (22.11.2017); Weiterhin Wolf, Ge­ richtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  56; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  257; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  89. 63  Bei einer Geschäftsstelle handelt es sich um eine nach §  153 GVG, §  13 VwGO, §  12 FGO, §  7 Abs.  1 ArbGG bzw. §  4 SGG bei den Gerichten zu schaffende Einrichtung. Die Geschäfts­ stellenleiter existieren inzwischen an allen Gerichten. Sie entstammen i. d. R. der Rechts­ pflegerlaufbahn. Vgl. W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1997, S.  290 (290 f.); Schilken, Gerichts­ verfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  251 zu den Aufgaben des Geschäftsstellendienstes. – In Nordrhein-Westfalen richten sich Aufbau und Organisation sowie Aufgaben der Geschäfts­ stellen und ihrer Leiter nach §  3 und §  4 der Geschäftsstellenordnung für die Gerichte und die Staatsanwaltschaften des Landes Nordrhein-Westfalen (GStO NW). 64 Vgl. Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  257; U. Hochschild, ZRP 2011, S.  65 (67); Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  456 f.; Minkner, Gerichtsver­ waltung (Einl., Fn.  7), S.  243 f.; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  90. 65 Siehe Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  290; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  244; knapp auch S. Roller/A. Stadler, NVwZ 2015, S.  401 (403).

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

(2) Aufgabenwahrnehmung durch die Judikative Die Judikative ist über verschiedene Gremien ebenfalls in die Gerichtsverwal­ tungstätigkeit involviert. Als zweite Basis konstituiert sich dementsprechend eine charakteristische richterliche Mitwirkung an der Gerichtsverwaltung, die sich vor allem durch eine Nähe zur tatsächlichen Entscheidungsfindung aus­ zeichnet66. Wenngleich ein Übergewicht an kompetenzieller Ausstattung mit Letztverantwortlichkeit bei der exekutiven Verwaltung der obersten Bundesge­ richte liegt, nimmt auch die Aufgabenwahrnehmung durch die Judikative selbst einen hohen Stellenwert ein. Sie spiegelt im Kern die richterliche Eigenverant­ wortung wider, wie sie im Zentrum der Forderung nach mehr Selbstverwaltung der Justiz steht67. Richterliche Mitwirkungsrechte ergeben sich im Rahmen der Gerichtsverwaltung in verschiedenen Erscheinungsformen: Präsidien (a), Präsi­ dialräte (b), Richterräte (c) sowie die Richterdienstgerichtsbarkeit (d) überneh­ men Selbstverwaltungsaufgaben. Dies gilt überdies für den Bundespersonal­ ausschuss (e) und den Ausschuss der ehrenamtlichen Bundessozialrichter (f). (a) Präsidien Die Hauptaufgabe der Präsidien besteht in der Verteilung der Richterdienstge­ schäfte im weitesten Sinne68. Es handelt es sich bei dem Präsidium – bestehend aus dem Präsidenten und einer an der Größe des Gerichts orientierten Anzahl weiterer Richter – mithin um ein zentrales Organ richterlicher Selbstverwal­ tung, welches gem. §  21a Abs.  1 GVG bei jedem Gericht besteht69. Die Bedeu­ tung der §§  21a-21i GVG ist aufgrund ihrer verfassungsrechtlichen Anseilung70 66  Vgl. in Abgrenzung zum Aufgabenprofil der ministerialen Gerichtsverwaltung Seibert-­ Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  453 ff., 457. Ausführlich hierzu und zum Folgenden überdies Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  290 ff. 67  Siehe zu den Reformdiskussionen rund um die Selbstverwaltung der Justiz ausführlich Kap.  4. A. IV. 1. 68  Im ersten Zugriff siehe W. Tappert, DRiZ 2017, S.  394 ff. 69  Die Bildung der Präsidien an den einzelnen obersten Bundesgerichten unterliegt keinen Sondervorschriften. Vielmehr gelten die §§  21a ff. GVG nicht nur für den BGH, sondern für sämtliche Gerichte (gem. §  6a ArbGG, §  4 FGO, §  6 SGG, §  4 VwGO). Vgl. Wolf, Gerichts­ verfassungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  136; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  290 f.; S. Roller, DRiZ 2012, S.  242 (243); Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  458; Fuchs, Verfas­ sungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  51 f.; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  21a Rn.  7, 9; v. Berns­torff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  139. – Mit einem Vorschlag für ein „gerechteres“ Ge­ schäftsverteilungsmodell siehe H.-P. Freymann/S. Geib, DRiZ 2014, S.  372 ff. 70  Durch die Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung wird zum ei­ nen die Verfassungsgarantie des gesetzlichen Richters i. S. v. Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG ausge­ füllt (auch unter dem Aspekt der Manipulationssicherheit), zum anderen wird die richterliche Unabhängigkeit nach Art.  97 Abs.  1 GG durch die organisatorischen Regelungen gefestigt.

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sowie der zumindest partiellen Emanzipation von haushaltsgesetzgeberischen Vorherrschaften beträchtlich71. (b) Präsidialräte Das Deutsche Richtergesetz sieht darüber hinaus für die Bestellung der Bundes­ richter eine Beteiligung der Präsidialräte der Bundesgerichte insofern vor, als dass vor der Ernennung bzw. Wahl das Votum in Form einer Stellungnahme über die Qualifikationen des Bewerbers von dem jeweiligen Präsidialrat gem. §  55 S.  1 DRiG einzuholen ist72. Die Stellungnahmen haben den Charakter einer Empfehlung und verfügen über keine rechtliche Bindungswirkung73. Die Präsi­ dialräte werden als Richtervertretungen (neben den Richterräten) gem. §  49 Nr.  2 DRiG bei den Gerichten des Bundes i. S. v. Art.  95 Abs.  1 GG sowie dem Bundespatentgericht gebildet (§  54 DRiG)74.

Siehe zur Geschäftsverteilung durch das Präsidium BVerfGE 4, 416; BGH NJW 1995, S.  2494 f.; H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1090); Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  259 f.; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  26 Rn.  54 ff.; W. Tappert, DRiZ 2017, S.  394 (297); Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  21a Rn.  1. 71 Vgl. O. R. Kissel, NJW 2000, S.  460 (460 f.). – Es wird dennoch zum Teil Kritik an der Arbeitsweise einiger Gerichtspräsidenten in dieser Funktion laut. Ihnen wird zum Vorwurf gemacht, nicht in richterlicher Unabhängigkeit, sondern als „verlängerter Arm der Justizver­ waltung“ zu agieren, siehe K. F. Piorreck, DRiZ 1993, S.  109 (110 f.); u. a. aufgegriffen von Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  246. 72  Die Mitbestimmungskonzepte der Präsidialräte in den Ländern (§  75 Abs.  2 DRiG) sind insofern deutlich weitgehender, weshalb zum Teil auch für die Bundesebene Erweiterungen der Kompetenzen vorgeschlagen werden, um die Stellung der Präsidialräte zu steigern. Die Schwäche der Stellung ergibt sich zu einem großen Teil auch aus der rechtlichen Unverbind­ lichkeit der Stellungnahmen. Vgl. hierzu W. Kinold, DRiZ 1992, S.  55 (58 f.); H. Schnellenbach, NJW 1989, S.  2227 (2232); G. Bertram, NJW 2001, S.  1838 (1839); Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  55 Rn.  2; Voßkuhle (Teil  3, Fn.  8), Art.  95 Abs.  2 Rn.  33; Schulze-Fielitz (Fn.  57), Art.  95 Rn.  27. 73 Vgl. Scholz, Wahl (Teil  2 , Fn.  310), S.  162; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  35. – Mit Kritik an zum Teil in politischer Hinsicht opportunistischen Stellungnahmen siehe K. F. Piorreck, DRiZ 1993, S.  109 (111); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  295; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  248. – Mit Kritik an dem rein empfehlenden Charakter J.-F. Staats, DRiZ 2002, S.  338 (339). 74  Die Zusammensetzung der Präsidialräte an den obersten Bundesgerichten richtet sich nach §  54 Abs.  1 S.  3 Nr.  1 und 2 DRiG. Siehe hierzu Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  292 f.; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  323; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  54 Rn.  3 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  247.

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

(c) Richterräte Eine weitere richterliche Mitbestimmungskompetenz75 ergibt sich durch die verschiedenen Richterräte, deren Zuständigkeit sich auf die Sphäre der Richter des Bundesgerichts beschränkt, dem sie angehören76. Die Verantwortlichkeiten des Richterrats sind unübersichtlich und ergeben sich im Wesentlichen aus der Verweisung auf das Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG)77, welches in §  75 Abs.  3 beispielsweise die Aufstellung des Urlaubsplanes (Nr.  3) oder die Gestaltung der Arbeitsplätze (Nr.  16) nennt78. Die Bedeutung der Richterräte wird insgesamt als eher gering eingeschätzt79, während den Präsidialräten im­ merhin zum Teil noch eine „außerordentlich große Rolle“ attestiert wird80. (d) Richterdienstgerichte In seiner originären Funktion nimmt das Richterdienstgericht des Bundes, wel­ ches gem. §  61 Abs.  1 DRiG für die Richter im Bundesdienst als ein besonderer Senat des Bundesgerichtshofs gebildet wird, im Wege der Rechtsprechung ge­ richtsverwaltende Aufgaben wahr81. Gem. §  62 Abs.  1 DRiG entscheidet das Dienstgericht unter anderem über Disziplinarsachen (Nr.  1)82 , über Versetzun­ gen im Interesse der Rechtspflege (Nr.  2) sowie verschiedene Richtervorbehalte in Richterpersonalsachen (Nr.  3)83. 75  Siehe im Überblick zu den Richtervertretungen nur G. Mackenroth/R. Wilke, DRiZ 2001, S.  148 ff.; S. Roller, DRiZ 2012, S.  242 (245). 76  Die Zusammensetzung der Richterräte ergibt sich aus §  50 Abs.  1 und Abs.  2 DRiG, die Wahl der Mitglieder aus §  51 DRiG. Siehe für Details Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  51 Rn.  9 ff.; knapp auch Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  459 f. 77  Zu unterscheiden ist im Hinblick auf die Kompetenzen der Richterräte zwischen Mit­ bestimmungsrechten (§§  75, 76 BPersVG) und Mitwirkungsrechten (§  78 BPersVG). 78  Umfassendere Aufzählungen finden sich bei Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  296 f.; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  52 Rn.  4 ff., 47 ff.; Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  459 f. – Siehe zu den Beeinflussungen der richterlichen Unabhängigkeit durch technische Neuerungen am Arbeitsplatz insbes. unten in Kap.  5 B. II. 79  Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  52 Rn.  114 a. E.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  249. 80  Differenziert hierzu Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  248. Siehe auch Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  325 sowie Scholz, Wahl (Teil  2, Fn.  310), S.  163 ff. 81  Siehe BVerfGE 87, 68 (85 f.); Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  436; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  61 Rn.  4; Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  491 f.; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  143. 82  Für das Verfahren über Disziplinarsachen i. S. d. §§  63 f. DRiG gelten die Vorschriften des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) entsprechend. 83  Vor allem die Zuständigkeit in Fragen des Disziplinarwesens ist im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit der betroffenen Richter bedeutsam. Dies wird unterstrichen von

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(e) Bundespersonalausschuss Ebenfalls als ein mit Richtern besetztes Organ – wegen der Beteiligung des Leiters der Personalabteilung des Bundesjustizministeriums nach §  47 S.  1 DRiG allerdings gekennzeichnet durch gewaltenverschränkenden Elemente – tritt auch der Bundespersonalausschuss gem. §  46 DRiG i. V. m. §§  119 ff. BBG in Angelegenheiten der Richter ein in die Riege der Gerichtsverwaltung durch die Judikative84. Aufgabentechnisch bleibt dieses Gremium im Ergebnis recht profillos85. (f) Ausschuss der ehrenamtlichen Bundessozialrichter Am Bundessozialgericht konstituiert sich weiterhin der Ausschuss der ehren­ amtlichen Bundessozialrichter, welcher unter anderem über ein Anhörungsrecht vor der Bildung der Senate verfügt86 und damit – informal und in weitaus gerin­ gerem Umfang – über ähnliche Befugnisse verfügt wie die Präsidialräte87. (3) Legislative Einwirkungsmöglichkeiten auf die Gerichtsverwaltung Die Legislative nimmt im Gefüge der Gerichtsverwaltung eine untergeordnete Stellung ein88. Zunächst ist eine gewisse Steuerung der Judikative durch Geset­ ze denkbar: Die Gerichtsverwaltung obliegt im Sinne der Zuständigkeitsord­ nung zum Teil dem Haushaltsgesetzgeber, der die Bereitstellung der Mittel für die sachliche Verwaltungsstruktur – mithin für die Gerichtsgebäude und die sonstige sächliche Ausstattung –, die Bewilligung der Planstellen und das Dienstrecht regelt89. Weiterhin besteht eine indirekte gerichtsverwaltende Auf­ Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  436 sowie Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  61 Rn.  2; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  250. 84  Zu den Zuständigkeiten des Bundespersonalausschusses siehe Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  47 Rn.  11 ff. 85  Die unkonkrete Profilierung ergibt sich in erster Linie aus der Vielseitigkeit von Hilfs­ aufgaben, die für sich genommen jedoch kaum Relevanz entfalten. So Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  299 a. E. 86 Zusammenfassend S. Leitherer, in: Meyer-Ladewig, SGG (Fn.  55), §  23 Rn.  1 ff.; Mink­ ner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  251. 87  Rein formal betrachtet handelt es sich bei dem Ausschuss der ehrenamtlichen Bundes­ sozialrichter um eine Art Präsidialrat, der jedoch lediglich aus ehrenamtlichen Richtern be­ steht und auch aufgrund seiner anderen Zuständigkeitsordnung einer gesonderten Termino­ logie unterliegt. 88  Vgl. auch hierzu ausführlich Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  302 ff. 89  Zum Einfluss des Haushaltsgesetzgebers siehe H. Schnellenbach, NJW 1989, S.  2227 (2227): „Träger der Personalpolitik im öffentlichen Dienst und damit auch in der Justiz ist zunächst der Gesetzgeber, der das Dienstrecht und die Gerichtsverfassung normiert sowie

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

gabenwahrnehmung durch die Mitwirkung des Gesetzgebers auf Bundesebene an der Richterbestellung. Zum einen wirkt das Parlament bei der Wahl der Rich­ ter des Bundesverfassungsgerichts gem. Art.  94 Abs.  1 S.  2 GG mit, zum ande­ ren werden 16 Mitglieder des Richterwahlausschusses gem. Art.  95 Abs.  2 GG durch die Legislative bestellt90. Gegenstück dieser Befugnis ist im Übrigen das Recht des Bundestages, eine Richteranklage im Sinne des Art.  98 Abs.  2 GG zu initiieren91. Streng genommen gehören sie zwar nicht zur Gerichtsverwaltung, doch können gewisse lenkungsähnliche Wirkungen auf die Rechtsprechung auch von Untersuchungs- (Art.  44 GG i. V. m. PUAG) und Petitionsausschüssen (Art.  17, 45c GG) ausgehen92. (4) Richterwahlausschuss Der Richterwahlausschuss verfügt über exponierte gerichtsverwaltende Befug­ nisse93. Seine Tätigkeit beschränkt sich auf die Mitwirkung bei der Bestellung der Richter für die obligatorischen Bundesgerichte. Damit leistet er jedoch inso­ fern einen elementaren Beitrag zur Gerichtsverwaltung, als die Richterbestel­ lung einen evidenten Bezug zur richterlichen Unabhängigkeit aufweist. Konkret entscheidet der Richterwahlausschuss gem. Art.  95 Abs.  2 GG gemeinsam mit dem für das jeweilige Sachgebiet zuständigen Bundesminister über die Beru­ fung der Bundesrichter94. Er setzt sich aus den für das jeweilige Sachgebiet zu­ die Haushaltskompetenz besitzt.“ Allgemein zur Steuerung des Gerichtswesens durch Geset­ ze siehe Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  302; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  89. 90  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  302 f.; Dietrich, Richterwahlausschüsse (Teil  2 , Fn.  313), S.  138 ff. – Siehe sogleich näher zum Beitrag des Richterwahlausschusses an der Gerichtsverwaltung. 91  Von diesem Recht wurde bisher noch nicht Gebrauch gemacht, vgl. Minkner, Gerichts­ verwaltung (Einl., Fn.  7), S.  251. 92 Siehe im Detail Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  303 ff.; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), Einl Rn.  173 f., 183. 93  Siehe aus der Literatur zum Richterwahlausschuss G. Jahn, DRiZ 1961, S.  315 ff.; J. E. Strelitz, Entstehung und Problematik von Richterwahlausschüssen in Bund und Ländern, in: H.-J. Vogel/H. Simon/A. Podlech (Hrsg.), FS Martin Hirsch, 1981, S.  355 (357); Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  326 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  305 f.; Dietrich, Richterwahlausschüsse (Teil  2, Fn.  313), S.  135 ff.; M. Wagner, Das Prinzip der Bestenauslese im öffentlichen Dienst. Art.  33 II GG: Eine Untersuchung der materiell- und verfahrensrecht­ lichen Eigenheiten besonders gelagerter Anwendungsfälle, 2009, S.  110 ff.; Seibert-Fohr, In­ dependence (Einl., Fn.  58), S.  461; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  253 f.; K. F. Gärditz, NJW 2016, S.  3429 mit einer Anmerkung zu BVerfGE 143, 22 (Modifikation des Grundsatzes der Bestenauslese bei Bundesrichterwahlen); Voßkuhle (Teil  3, Fn.  8), Art.  95 Abs.  2 Rn.  30 ff. – Zum Richterwahlausschuss in einem historischen und rechtsvergleichen­ den Kontext siehe Stern, Staatsrecht II (Teil  1, Fn.  11), S.  399 ff. 94  Jachmann (Teil  3, Fn.  9), Art.  95 Rn.  124 ff.

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ständigen Ministern der Länder und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern zusammen, die vom Bundestag gewählt werden (§  2 RiWahlG)95. Das Beru­ fungsverfahren des jeweiligen neuen Richters vollzieht sich in zwei Schritten: Nachdem der Kandidat durch den Ausschuss gewählt worden ist, muss der zu­ ständige Bundesminister seine Zustimmung erteilen96. Es herrscht insofern Ei­ nigungszwang97. Auf die Berufung des gewählten Kandidaten folgt die Ernen­ nung durch den Bundespräsidenten gem. Art.  60 Abs.  1 GG, §  13 RiWahlG, §  125 Abs.  1 GVG98. Art.  95 Abs.  2 GG konstituiert ein Mischsystem99 in der Richterberufung, das eine Beteiligung der Exekutive auf Bundes- und Landesebene (durch die ministerielle Verantwortung) sowie die Mitwirkung des Gesetzgebers vor­ sieht100. Dieses System weist auf die Verbindungslinie der Rechtsprechung zu den zwei anderen Gewalten hin, sodass die Zusammensetzung des Richter­ wahlausschusses auch den Gewaltenteilungsgrundsatz tangiert und diesen praktisch in seinem Kern stärkt, da alle Gewalten durch Rechtsprechung be­ rührt sein können. Die in diesem Kontext durchgeführte Richterbestellung ist ein elementarer Faktor für die Gewährleistung einer rechtstreuen und neutralen Judikative101. Vor diesem Hintergrund liegt der Zweck des Richterwahlaus­ schusses – aufgrund des enormen Einflusses, den Richter auf die Rechtsord­ nung ausüben, – in der Sicherung der demokratischen und föderalen Legitima­ 95 Anschaulich

Voßkuhle (Teil  3, Fn.  8), Art.  95 Abs.  2 Rn.  30. In der Praxis ist eine Versagung der Zustimmung durch den Bundesminister äußerst selten. – Zum Berufungsverfahren im Detail siehe Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  33 f. 97 Vgl. Voßkuhle (Teil  3, Fn.  8), Art.  95 Abs.  2 Rn.  30. 98  Teubner, Berufsrichter (Teil  2 , Fn.  300), S.  29 f.; Scholz, Wahl (Teil  2 , Fn.  310), S.  164 f.; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  43; Schulze-Fielitz (Fn.  57), Art.  95 Rn.  25. 99 Vgl. Dietrich, Richterwahlausschüsse (Teil  2 , Fn.  313), S.  135; Minkner, Gerichtsver­ waltung (Einl., Fn.  7), S.  253 f.; Voßkuhle (Teil  3, Fn.  8), Art.  95 Abs.  2 Rn.  30. 100  Die Abschaffung der Beteiligung der Exekutive fordern unter anderem der DRB (Der Entwurf für ein Landesgesetz zur Selbstverwaltung der Justiz [Landesjustizselbstverwal­ tungsgesetz – LJSvG] vom 1.2.2010 ist abrufbar unter https://www.drb.de/fileadmin/DRB/ pdf/Selbstverwaltung/100325_DRB-Gesetzentwurf_Selbstverwaltung_der_Justiz.pdf, 19.3.2020) und die NRV (Das NRV-Selbstverwaltungsmodell vom 28.2.2009 ist abrufbar unter https://www.neuerichter.de/details/artikel/article/gesetzentwuerfe-fuer-justizstruktur­ reformen-46.html, 19.3.2020). Siehe hierzu auch H. Weber-Grellet, ZRP 2007, S.  153 ff.; T. Schulte-Kellinghaus, ZRP 2008, 205 ff.; differenziert Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  169 ff., 233 ff., 368 ff. Kritisch zu der Forderung nach mehr Selbstverwaltung der Justiz bzw. Autonomie der Judikative Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), 660 ff.; C. Sennekamp, NVwZ 2010, S.  213 ff. Aus rechtsvergleichender Perspektive skeptisch in Bezug auf die Vehemenz der Forderung der richterlichen Interessenvertretungen, die Exekutive aus der Ge­ richtsverwaltung zu verbannen Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  127 ff. 101  So instruktiv Stern, Staatsrecht II (Teil  1, Fn.  11), S.  399. 96 

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tion von Berufungsentscheidungen sowie in dem Schutz vor Ämterpatronage102. Eine Beteiligung von Richterseite im Richterwahlausschuss ist nicht vorgese­ hen103, wird aber aufgrund des erheblichen Gewichts, das dem Richterwahlaus­ schuss in der Praxis zukommt, gefordert104. b) Organe der Verwaltung der Landesgerichte Die Organe der Gerichtsverwaltung auf Landesebene ähneln denen der Bundes­ gerichtsverwaltung. Dies gilt vor allem für die Gerichtsverwaltung der Landes­ verfassungsgerichte (aa.) und in wesentlichen Teilen auch für die ordentlichen Gerichte sowie die Fachgerichtsbarkeit auf Landesebene (bb.). aa) Verwaltungsstruktur der Landesverfassungsgerichte Inzwischen verfügen alle deutschen Bundesländer über ein eigenes Landesver­ fassungsgericht105. Ihnen kommt ähnlich dem Bundesverfassungsgericht der besondere Status als Verfassungsorgan zu, sodass sich auch im Hinblick auf die Gerichtsverwaltung vergleichbare Besonderheiten ergeben106. Die entsprechen­ den landesverfassungsrechtlichen Regelungen übertragen die Verwaltung der Landesverfassungsgerichte auf den Präsidenten bzw. den Vizepräsidenten so­ wie das Richterplenum107.

102 Vgl.

hierzu Böckenförde, Richterwahl (Einl., Fn.  7), S.  71 ff.; Ehlers, Richterwahl (Teil  2, Fn.  307), S.  40 ff.; Voßkuhle (Teil  3, Fn.  8), Art.  95 Abs.  2 Rn.  30; Schulze-Fielitz (Fn.  57), Art.  95 Rn.  28. 103  Nach einfach-gesetzlicher Rechtslage sind Richter von der Wahl ausgeschlossen, §  4 Abs.  1 RiWahlG. Eine indirekte Mitwirkung von Richtern im aktiven Dienst bspw. als eines der aus dem Bundestag gewählten Mitgliedern ist aufgrund der Regelung des §  4 Abs.  1 DRiG nicht möglich. Siehe hierzu Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  306. 104 So bereits W. Meißner, Die Organisation der richterlichen Selbstverwaltung, 1970, S.  103; weiterhin G. Bertram, NJW 2001, S.  1838 (1839); R. Voss, ZRP 2001, S.  183 ff.; H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2590); H. Weber-Grellet, ZRP 2003, S.  145 (148). Voßkuhle (Teil  3, Fn.  8), Art.  95 Abs.  2 Rn.  35 fordert insofern allerdings eine Sperrminorität von Exe­ kutive und Legislative. – A. A. hingegen Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  4 RiWahlG Rn.  3: Die Richterberufung sei ein der Exekutive und Legislative zuzurechnender Akt, wel­ cher nicht mit dem Richterberuf vereinbar sei. 105 Siehe K. F. Gärditz, JöR n. F. 61 (2013), S.  4 49 (450 f.). 106 Vgl. Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  497 ff.; Klein (Teil  3, Fn.  55), §  2 Rn.  40 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  261. – Siehe zur Gerichtsstruktur der Landes­ verfassungsgerichte explizit bereits in Kap.  3 A. II. 2. c). 107  Siehe mit Nachweisen aus den Landesverfassungen Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  509 f.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  262.

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bb) Verwaltungsstruktur der einfachen Landesgerichte Naturgemäß wird die Mehrzahl der gerichtlichen Streitigkeiten vor den Gerich­ ten auf Landesebene verhandelt. Die Ausgestaltung der Verwaltung der Gerich­ te der Länder ist von dieser Grundannahme ausgehend ungleich aufwändiger und komplexer als die Verwaltung der mit vergleichsweise erlesenen Richtern ausgestatteten Bundesjustiz108. Auch in der Landesgerichtsverwaltung besteht ein aus drei Staatsgewalten verwobenes System, das allen Gewalten einen An­ teil an der Gerichtsverwaltung ermöglicht109: Prägend und charakteristisch ist in erster Linie die exekutive Ministerialverwaltung (1). Neben der Gerichtsver­ waltung durch die Exekutive nimmt die Selbstverwaltung der Judikative einen bedeutsamen Raum ein, da den Richtern in den Bereichen der richterlichen Per­ sonalverwaltung gewisse Mitwirkungs- und Beratungsrechte eingeräumt sind (2)110. Einen marginalen Beitrag zur gerichtsverwaltenden Tätigkeit leistet über­ dies die Legislative (3). Wenngleich die Bestellung der Landesrichter in Nord­ rhein-Westfalen allein durch die Exekutive erfolgt111, soll an letzter Stelle kurz das Konstrukt der Gerichtsverwaltung durch Richterwahlausschüsse dargestellt werden112 – dies geschieht mangels eindeutiger Zuordnung losgelöst von der Systematisierung durch die drei Gewalten (4). (1) Aufgabenwahrnehmung durch die Exekutive An der Spitze der Gerichtsverwaltung der Länder steht wiederum der zuständi­ ge Minister; ihm nachgeordnet sowie weisungsunterworfen sind die Gericht­ spräsidenten als Organe der Exekutive113. Das zuständige Landesministerium trägt die Haushaltsverantwortung für die Justiz und führt als oberste Dienstauf­ sichtsbehörde die generelle Dienstaufsicht über die Landesgerichte aus114. Ge­ genüber dem Gerichtspräsidenten sowie dem sonstigen Gerichtspersonal ist der Minister weisungsbefugt, solange er die allgemeine Sachverwaltung der Ge­ 108  Vgl. abermals die neueste Übersicht in: Deutscher Richterbund, Justiz 2016/2017 (Teil  3, Fn.  40), S.  9 ff. (Bundesgerichte), 23 ff. (Gerichte der Länder). 109  So einleitend Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  343. 110  Vgl. im Überblick Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  355. 111  Siehe hier im ersten Zugriff zunächst nur Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  340 ff. und Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  36. 112  Es bleibt dennoch darauf hinzuweisen, dass auf alle Einzelheiten der Unterschiede in Bezug auf die Organe der Gerichtsverwaltung der Länder aufgrund der föderalen Vielfalt, die Art.  28 Abs.  1 GG mit sich bringt, nicht eingegangen werden kann. 113 Siehe Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  344; Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  455 f.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  270 ff.; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  87 ff. 114 Siehe Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  53.

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

richte verantwortet115. Dieses Konzept ist der Ministerialverwaltung entlehnt und gilt – im Gegensatz zu den ansonsten verbreiteten Selbstverwaltungsten­ denzen der Verwaltung – nach wie vor als alternativlos116. Die konkreten Modalitäten der Einrichtung der ministeriellen Gerichtsver­ waltung erfolgen in den einzelnen Bundesländern im Wesentlichen nach drei unterschiedlichen Konzepten117. Am weitaus häufigsten ist das Modell der Kon­ zentration der Zuständigkeiten für alle Gerichtszweige beim Justizministerium. Das Ministerium an der Spitze der Gerichtsverwaltung als „Rechtspflegeminis­ terium“ ist inzwischen auf Länderebene als Normalfall anzusehen und wurde so bis dato in den meisten Bundesländern installiert118. Eine zum Teil getrennte Kompetenzverteilung findet sich in Schleswig-Holstein und Berlin. Hier unter­ stehen die Arbeitsgerichte dem Arbeitsministerium bzw. der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen, wohingegen die ordentlichen Gerichte sowie die übrigen Fachgerichte – wie üblich – von dem Justizminister bzw. -senator verwaltet werden119. Lediglich in Bayern gilt das strenge Ressortprinzip: Die einzelnen Fachgerichtsbarkeiten unterstehen der Verwaltung der jeweiligen Fachministerien120. Als weitere Instanz exekutiver Gerichtsverwaltung fungieren die Gericht­ spräsidenten der Oberlandesgerichte der Länder, die im Wege der Aufgaben­ delegation durch den zuständigen Minister bzw. Senator eine ähnliche Doppel­ rolle einnehmen wie die Gerichtspräsidenten der obersten Bundesgerichte121. Diese doppelte Stellung an den Gerichten äußert sich darin, dass die Gericht­ spräsidenten neben einer eingeschränkten Rechtsprechungstätigkeit vor allem 115  Siehe hierzu Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  455 f.; Minkner, Gerichts­ verwaltung (Einl., Fn.  7), S.  270. 116  Mit Zusammenfassungen dieses Modells Dreier, Verwaltung (Teil  1, Fn.  72), S.  129 ff., 141 ff. sowie Jestaedt, Demokratieprinzip (Teil  2, Fn.  193), S.  302 ff., 329 ff. 117  Siehe hierzu und zum Folgenden Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  344 ff.; S. Roller, DRiZ 2012, S.  242 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  272. 118  In concreto sind es 13 Bundesländer an der Zahl, namentlich: Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rhein­ land-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen sowie das Saarland. Siehe hierzu Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  347 f. mit zahlreichen Nachweisen; vgl. auch S. Leutheusser-­ Schnarrenberger, Rechtspflegeministerium für alle Gerichtsbarkeiten, in: Kirchhof/Offer­ haus/Schöberle, FS Franz Klein (Teil  3, Fn.  55), S.  993 (1007 f.). 119  Dieses Modell wird auch als „kupierte Ressortierung“ bezeichnet. Dieser Ausdruck geht zurück auf Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  346; vgl. auch Minkner, Gerichtsver­ waltung (Einl., Fn.  7), S.  253 f. 120  Siehe hierzu näher Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  345. 121  Vgl. mit Kritik K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (245); Schilken, Gerichtsverfassungs­ recht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  257; T. Groß, KritV 91 (2008), 347 (347, 351 ff.); Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  59 Rn.  7.

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Aufgaben verwaltender Natur übernehmen, die nicht von der Unabhängigkeits­ garantie gedeckt sind. Kritische Stimmen sprechen hier von einem „System der verantwortungsvernebelnden Doppelverwaltung“122 aufgrund der Präsenz einer „Fremdverwaltung“123. Die in diesem Sinne an die Präsidenten der Oberlandes­ gerichte und die ihnen nachgeordneten Gerichtsdirektoren übertragenen Auf­ gaben der Gerichtsverwaltung bestehen aus zahlreichen kleingliedrigen Einzel­ befugnissen, die weit reichen124, allerdings gesetzlich zumeist nicht eindeutig determiniert sind125. Diese Aufgabenverteilung folgt einem System möglichst dezentraler Aufgabenerledigung auf einer niedrigen Stufe in der Gerichtsver­ waltungshierarchie126. Hierbei handelt es sich um eine effizienzsteigernde Idee der Administration – auf niedriger Hierarchieebene, nah am eigentlichen Ver­ waltungsobjekt, welches für das Verwaltungshandeln quasi einem Subsidiari­ tätsgrundsatz entspricht: Was auf niedrigster Stufe (an den Amtsgerichten) erle­ digt werden kann, wird delegiert, während verantwortungsvollere Aufgaben beim Landgericht verbleiben. Gleichwohl ist die Oberhand des ministeriellen Verantwortungsgebers letztlich ein Hemmnis für die Gerichtspräsidenten; ihre doppelte Funktion kostet überdies Motivation sowie Ressourcen und verschlei­ ert bisweilen die konkreten Kompetenzen127. (2) Aufgabenwahrnehmung durch die Judikative Neben den soeben beschriebenen delegierten Aufgaben der Gerichtsverwaltung kommen der Richterschaft auch originäre Beteiligungsrechte zu, die in richter­ licher Unabhängigkeit durchgeführt werden128. Es wird so zum einen die Inter­ essenwahrnehmung durch die Richterschaft sichergestellt. Zum anderen kann gegenüber dem zuständigen Ministerium eine fallnähere Sachkunde sowie die Gewährleistung der Akzeptanz exekutiver Maßnahmen innerhalb des Kreises der Richter gewährleistet werden129. So übernimmt die rechtsprechende Gewalt 122 

W. Hoffmann-Riem, DRiZ 2003, S.  284 (286). So bspw. K. F. Röhl, JZ 2002, S.  838 (840); T. Groß, KritV 91 (2008), 347 (347). 124  Das Aufgabenportfolio reicht im Einzelfall von der Dienstaufsicht sowie der Richter­ beurteilung im klassischen Sinne bis hin zur Urlaubsgewährung. Siehe hierzu Wittreck, Ver­ waltung (Einl., Fn.  9), S.  350 ff.; S. Roller, DRiZ 2012, S.  242 (242); Seibert-Fohr, Indepen­ dence (Einl., Fn.  58), S.  458; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  272. 125  Vgl. instruktiv zum gerichtlichen Unterbau Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  350 ff. 126  S. Roller, DRiZ 2012, S.  242 (242). 127 Gleichsinnig W. Hoffmann-Riem, DRiZ 2003, S.  284 (286); darauf nimmt Bezug Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  351; auf Wittreck wiederum rekurriert Minkner, Ge­ richtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  272. 128  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  355. 129  Vgl. zu diesen Zwecken S. Roller, DRiZ 2012, S.  242 (243); Minkner, Gerichtsverwal­ tung (Einl., Fn.  7), S.  272 f. 123 

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im Sinne einer Selbstverwaltung der Richterschaft durch Präsidien (a), Präsi­ dialräte (b) sowie Richterräte (c) und schließlich im Rahmen der Richterdienst­ gerichtsbarkeit (d) Aufgaben der Gerichtsverwaltung130. (a) Präsidien Die bundesgesetzlichen Regeln der §§  21a ff. GVG gelten mangels landesrecht­ licher Abweichungsgesetzgebung auch für die Präsidien der Gerichte der Län­ der131. Neben den auch auf Bundesebene üblicherweise übernommenen Aufga­ ben der Geschäftsverteilung kommt für die Präsidien mit Richterdienstgerich­ ten die Richterbestellung gem. §  77 Abs.  3 S.  1 DRiG hinzu132. (b) Präsidialräte Gem. §  74 Abs.  1 S.  1 DRiG besteht für jeden Gerichtszweig in den Bundeslän­ dern eine bundesgesetzlich bindende Verpflichtung zur Bildung von Präsidial­ räten. Sie setzen sich aus einem Gerichtspräsidenten als Vorsitzenden sowie (mindestens zur Hälfte) aus richterlichen Mitgliedern zusammen, die durch die Richterschaft gewählt werden (§  74 Abs.  2 DRiG)133. Die §§  74 ff. DRiG ermög­ lichen den Ländern in der Umsetzung einen nicht unerheblichen Spielraum, weswegen sich hier sehr unterschiedliche Konzeptionen finden. Es sind man­ nigfache Kompetenzkataloge in den Landesgerichtsgesetzen zu finden134. Die Länder haben die Beteiligungsrechte – neben zwingenden Mitwirkungsregeln zur Richterbeförderung (vgl. §  74 Abs.  1 S.  1 DRiG) – auch im Hinblick auf eine

130  Vgl. zum Folgenden instruktiv Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  355 ff.; v. Berns­ torff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  171 ff. 131 Siehe G. Mackenroth/R. Wilke, DRiZ 2001, S.  148 (150 f.); Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  458; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  21a Rn.  5. – Insbesondere wurde von der Öffnungsklausel des §  21b Abs.  3 S.  3 GVG von den Ländern bisher kein Gebrauch gemacht, die es den Ländern ermöglicht, andere Wahlverfahren für die Wahl zum Präsidium zu be­ stimmen. Siehe hierzu Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  21b Rn.  24. 132 Vgl. Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  77 Rn.  12. 133  Siehe zu den Präsidialräten auf Landesebene H. Willems, DVBl. 2003, S.  370 ff.; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  340 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  361 ff.; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  74 Rn.  3 ff.; S. Roller, DRiZ 2012, S.  242 (245); Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  460 f.; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  44 f.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  274 ff.; v. Bernstorff, Gerichts­ verwaltung (Einl., Fn.  17), S.  177 ff. 134 Vgl. Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  75 Rn.  10, 12 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  274 ff. – Zur Bedeutung der richterlichen Mitwirkung im Wege des Präsidi­ alrates F. Wittreck, ZRP 2013, S.  72 ff.; zur Neuregelung des NWRiStaG in Nordrhein-West­ falen T. Trierweiler/T. Baumanns, NWVBl. 2016, S.  52 (54 ff.).

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Beteiligung an der Berufung in das Richterverhältnis großzügig ausgestaltet135; sie sind im Ergebnis deutlich umfangreicher und tiefgreifender als diejenigen des Bundes. Die Durchsetzungskraft der Präsidialräte an den Landesgerichten setzt sich darüber hinaus von den bundesrechtlichen Mindeststandards des §  75 Abs.  1 S.  2 DRiG ab136, ohne dass allerdings die Effektivität der Durchsetzungs­ mechanismen abschließend bestimmbar wäre137. (c) Richterräte Nach §  72 DRiG sind die Bundesländer darüber hinaus verpflichtet, Richterräte zu errichten, deren Mitglieder unmittelbar und geheim aus der Richterschaft zu wählen sind138. Hinsichtlich weiterer organisationsrechtlicher Einzelheiten ist der Landesgesetzgeber frei139. Insbesondere bleibt es ihm überlassen, bei wel­ chem Gericht die Richterräte zu errichten sind und ob Stufenvertretungen ein­ gerichtet werden140. §  73 DRiG gesteht den Richterräten ein Minimum an Betei­ 135  Die Richterverbände drängen im Allgemeinen eher auf eine Ausweitung der Befugnis­ se der Präsidialräte und damit auf eine verstärkte Einwirkungsmöglichkeit der Richter. Siehe hierzu H. Willems, DVBl. 2003, S.  370 (376 ff.); S. Roller, DRiZ 2012, S.  277 (278). Vgl. auch Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  41. 136  Während die Präsidialräte auf Bundesebene lediglich die Befugnis zur Abgabe von Stellungnahmen über die Eignung des betroffenen Neurichters haben, sehen einige Länder sogar die Einräumung des Rechts vor, Gegenvorschläge nach Durchsicht aller – und nicht lediglich der von der obersten Dienstbehörde in Aussicht genommenen – Bewerber zu unter­ breiten. Siehe hierzu instruktiv und mit zahlreichen Nachweisen Fuchs, Verfassungsmäßig­ keit (Einl., Fn.  7), S.  42 mit Fn.  81–83. Vgl. auch Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  459, 460 f.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  275. 137  Zumindest lässt sich an dieser Stelle feststellen, dass rechtliche Ausgestaltung und ihre Wirkungskraft durchaus divergieren. Der Einfluss der Präsidialräte in den verschiedenen Bundesländern reicht insofern von recht schwachen Räten, die mit wenig Kompetenzen aus­ gestattet sind und lediglich über ein Vetorecht verfügen (hier seien als Beispiele nur Nord­ rhein-Westfalen und Bremen angebracht), bis hin zu starken Räten, die über umfangreiche Beteiligungsrechte sowie effektive Durchsetzungsmechanismen verfügen. Siehe dazu H. Willems, DVBl. 2003, S.  370 (379 f.); Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  346 f. (zu Nordrhein-Westfalen), 362 (zu Bremen); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  371; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  42; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  277. 138  Die Wahl erfolgt zumeist auf vier Jahre. In Nordrhein-Westfalen etwa richtet sich dies nach §  16 Abs.  1 NWRiStaG. Siehe auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  374; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  279. 139  Vgl. Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  72 Rn.  2 , 5; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  373; S. Roller, DRiZ 2012, S.  277 (277 f.); Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  459. 140  In den meisten Bundesländern bestehen Stufenvertretungen (abgesehen von Baden-­ Württemberg, Bremen und Hamburg). Es lassen sich zwei Arten von Stufenvertretungen unterscheiden: Bezirksrichterrat (bei den Oberlandesgerichten, §  31 Abs.  2 NWRiStaG) so­ wie Hauptrichterrat (bei den obersten Dienstbehörden, §  31 Abs.  3 NWRiStaG). Siehe hierzu im Detail (allerdings unter Berücksichtigung des §  15 NWRiG a. F.) Schmidt-Räntsch (Teil  1,

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ligung in allgemeinen und sozialen Angelegenheiten der Richter zu. Eine weite­ re Übertragung von Aufgaben ist ebenfalls zulässig, sofern die grundsätzliche Aufgabentrennung bzw. die Abgrenzung zu den Aufgaben der Präsidialräte eingehalten wird141, sodass die landesrechtlichen Beteiligungskonzepte im Ver­ gleich zu den Kompetenzen der Richterräte an den Bundesgerichten durchaus ambitioniert und umfangreich sind142. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von §  73 DRiG („hat mindestens folgenden Aufgaben“) sowie den weit formu­ lierten Beteiligungsklauseln vieler Landesvorschriften143. Es handelt sich in der Regel um weitere Angelegenheiten personeller Natur wie Stellenausschreibun­ gen, Versetzungen, Abordnungen, Aufgaben der Dienstaufsicht, Disziplinar­ maßnahmen, Beurteilungen, Entlassungen, Bewilligungen von Teilzeitbeschäf­ tigung, Nebentätigkeitsgenehmigungen und ähnliche Aufgabenfelder, denen gemein ist, dass sie den Status der Richter nicht verändern144. In rechtlicher Hinsicht ist die Durchsetzungsfähigkeit der Richterräte begrenzt, da die Letz­ tentscheidungskompetenz wiederum auf ministerieller Ebene verbleibt145. Der tatsächliche Einfluss ist im Ergebnis nur schwer messbar146. (d) Richterdienstgerichte Gem. §  77 Abs.  1 DRiG sind in den Ländern Dienstgerichte zu bilden, die gem. §  77 Abs.  2 S.  1 DRiG in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und je zur Hälf­ te mit ständigen und nichtständigen Beisitzern entscheiden. Die Mitglieder der Landesdienstgerichte müssen entweder auf Lebenszeit ernannte Richter (§  77 Abs.  2 S.  2 DRiG) sein oder als ehrenamtliche Richter aus der Anwaltschaft als Fn.  36), §  72 Rn.  6 ff. sowie Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  278 mit Fn.  172 und 173. 141 Zur Abgrenzung von der Zuständigkeit des Präsidialrats vgl. ausführlich SchmidtRäntsch (Teil  1, Fn.  36), §  73 Rn.  5; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  375. 142  Vgl. so auch Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  279. 143  Siehe zu diesem „Grundsatz der Allzuständigkeit“ G. Mackenroth/R. Wilke, DRiZ 2001, S.  148 (149). 144 Vgl. Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  72 Rn.  4, 10; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  280. – Mit der bundesrechtlichen Regelung nicht vereinbar ist nach einhelli­ ger Ansicht die Beteiligung der Richterräte bei Anträgen auf Verlängerung der Probezeit, vor der Entscheidung des Richterwahlausschusses auf Übernahme auf Lebenszeit, bei Stellen­ ausschreibungen, die Mitwirkung bei der Erstellung von Frauenförderplänen. Siehe zum Streitstand auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  380 ff. 145 Siehe Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  459. 146  Es muss insofern zwischen Mitwirkungsrechten und Mitbestimmungsrechten unter­ schieden werden, wobei Letztere den Richterräten insgesamt eine stärkere Position verlei­ hen. Vgl. Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  386; G. Mackenroth/R. Wilke, DRiZ 2001, S.  148 (152 ff.); S. Roller, DRiZ 2012, S.  241 (244 f.).

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ständige Beisitzer (§  77 Abs.  4 S.  1 DRiG) mitwirken147. Ebenso wie auf Bun­ desebene sind die Landesdienstgerichte gem. §  78 DRiG im Wesentlichen für drei Verfahrensarten zuständig: Disziplinarverfahren, Versetzungsverfahren und Prüfungsverfahren148, wobei sich die allgemeine Wahrnehmung auf ihre Funktion als Richterdisziplinargerichte beschränkt und ihre Bedeutung für die Gerichtsverwaltung daher fälschlicherweise unterschätzt wird149. Die Kompe­ tenzen der Richterdienstgerichte in den einzelnen Ländern sind aufgrund der Enumeration in §  78 DRiG weitestgehend identisch150; Dispositionen über den Umfang der Dienstgerichtsbarkeit sind hingegen nicht möglich – §  78 DRiG ist für den Bund und die Länder abschließend151. Es werden nahezu alle dienst­ rechtlichen Fragen der Gerichtsverwaltung der gerichtlichen Kontrolle durch die Richterdienstgerichte unterworfen, sodass mit dieser Rechtsprechung auch ein wesentlicher Aspekt der richterlichen Unabhängigkeit geschützt wird152. Die Rechtsprechung mag insofern teilweise sogar parteilich anmuten, da sie zumeist (und nicht überraschend) richterfreundlich ausfällt153. (3) Aufgabenwahrnehmung durch die Legislative Legislative Elemente in der Gerichtsverwaltung ergeben sich vor allem daraus, dass der parlamentarische Landesgesetzgeber zuweilen gesetzliche Regelungen als Steuerungsinstitut richterlichen Tätigwerdens einsetzt. Eine Steuerung kann durch Gesetz und Haushalt sowie in Form möglicher Eingriffe durch Untersu­ chungs- und Petitionsausschüsse oder die sog. Urteilsschelte auftreten154. Eige­ ne Regelungskonzepte der Länder finden sich hingegen im Bereich der Richter­ 147  Diese Möglichkeit der Einbindung anwaltlichen Sachverstandes wird bislang von den Ländern selten genutzt. Grund für die Einführung des §  77 Abs.  4 S.  1 DRiG war das Vorha­ ben, die Transparenz des Verfahrens zu erhöhen, die Akzeptanz zu steigern und den Ein­ druck jedweder Hausjustiz zu vermeiden. Vgl. Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  2784. – siehe zur Kritik zu den Gesetzeszwecken F. Wittreck, NJW 2004, S.  3011 (3012); D. Leuze, DÖD 2005, S.  78 (81 f.). 148  G Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  78 Rn.  13; L. C. Faissner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  276 f. 149 Siehe F. Wittreck, NJW 2004, S.  3011 (3011 f.); ders., Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  389. 150 Siehe hierzu mit landesrechtlichen Kompetenzvorschriften Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  389 in Fn.  754 und 755 sowie Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  78 Rn.  9. 151  Vgl. BGHZ 174, 213 (216); Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  78 Rn.  15. 152 Siehe Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  389; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  284. 153 Vgl. R. Enzian, DRiZ 1974, S.  118 (120); W. Hassemer, DRiZ 1998, S.  391 (395); Meyer (Teil  2, Fn.  691), Art.  97 Rn.  9. 154 Vgl. Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  392 ff.; knapp Minkner, Gerichtsverwal­ tung (Einl., Fn.  7), S.  370, 385 f.

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bestellung sowie zum Teil in der Richterabberufung155. Es besteht sowohl eine unmittelbare156 als auch mittelbare157 Involvierung der Legislative in dem Be­ reich der Richterbestellung durch eine Beteiligung des jeweiligen Landtages. Im Bereich der Richterabberufung fungieren die Landesparlamente umgekehrt als Initiativorgane für die Erhebung der Richteranklage vor dem Bundesverfas­ sungsgericht158. (4) Gerichtsverwaltung durch Richterwahlausschüsse Nach intensiven politischen Auseinandersetzungen vor allem in den 1970er Jah­ ren wurde im Verfahren der Richterernennung auf Landesebene das Grundmo­ dell der Richterwahlausschüsse etabliert159. Die Richterwahlausschüsse in den 155  Siehe im Überblick zur Möglichkeit der Abberufung von Richtern Wittreck, Verwal­ tung (Einl., Fn.  9), S.  392 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  285 f. 156  In Berlin (Art.  82 Abs.  2 LVerf) und Schleswig-Holstein (Art.  50 Abs.  3 LVerf) werden die Richter der ordentlichen sowie der Fachgerichtsbarkeit unmittelbar durch das Parlament ausgewählt – die breite Masse der Richter ist von diesen Regelungen allerdings nicht stark betroffen, da in Berlin lediglich der Präsident des Kammergerichts auf Vorschlag des Senats durch das Abgeordnetenhaus gewählt wird und dies in Schleswig-Holstein für die Präsiden­ ten der oberen Landesgerichte gilt, die durch den Landtag auf Vorschlag des jeweilig zustän­ digen Ministers ausersehen werden. – Vgl. hierzu Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  392 f. Im Übrigen siehe zur Richterbestellung in Schleswig-Holstein OVG Schleswig NJW 2001, S.  3210 ff. 157  Eine mittelbare Beteiligung der Landesparlamente findet sich in den übrigen Bundes­ ländern in der Form, dass entweder die Parlamentarier selbst oder parlamentarisch gewählte Vertreter als Mitglieder in den Richterwahlausschüssen an der Richterbestellung mitwirken. In Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Hol­ stein wird der komplette Richterwahlausschuss durch den Landtag gewählt, während in Ba­ den-Württemberg, Hamburg, Hessen und Thüringen der Anteil der von der Volksvertretung gekürten Mitglieder im Richterwahlausschuss divergiert. Einzelheiten sind den Landesrich­ tergesetzen zu entnehmen. – siehe m. w. N. Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  393 f. sowie Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  285. 158  Von dieser durch Art.  98 Abs.  5 S.  1 GG eingeräumten – und bisher theoretisch geblie­ benen – Möglichkeit haben bisher alle Bundesländer mit Ausnahme von Bayern, Berlin und dem Saarland Gebrauch gemacht. – Siehe zur Richterabberufung mittels der Richteranklage G. C. Burmeister, DRiZ 1998, S.  518 ff.; Reinhardt, Jurisdiktion (Teil  1, Fn.  1), S.  109 f.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  394 f.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  285 f.; Schulze-Fielitz (Teil  2, Fn.  307), Art.  98 Rn.  36. Kritisch K. A. Bettermann, Der Richter als Staatsdiener, 1967, S.  685; Wassermann (Teil  2, Fn.  336), Art.  98 Rn.  47. 159  Grundlegend zu den Problemschwerpunkten bei Richterwahlausschüssen Böckenförde, Richterwahl (Einl., Fn.  7), S.  80 ff. und Ehlers, Richterwahl (Teil  2, Fn.  307), S.  15 ff.; vgl. außerdem K. Ipsen, DÖV 1971, S.  469 ff.; E. G. Mahrenholz, NdsVBl. 2003, S.  225 ff.; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  173 ff., 233 ff., 340 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  396 ff.; Dietrich, Richterwahlausschüsse (Teil  2, Fn.  313), S.  46 ff., 103 ff.; K. F. Gärditz, ZBR 2011, S.  109 ff.; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  116 ff.

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Bundesländern sind – wie die Gremien der Richterwahl auf Bundesebene – nicht in das Gefüge der drei Gewalten einzuordnen, da sie sich gewaltenübergreifend aus Abgeordneten, Richtern und zum Teil auch Rechtsanwälten zusammenset­ zen. Sie bilden daher eine eigene Kategorie innerhalb der Gerichtsverwaltung160. Gegenwärtig existieren in neun Bundesländern Richterwahlausschüsse161 in enormer normativer Vielfalt. Einige Landesverfassungen in Bundesländern ohne Richterwahlausschüsse sehen zumindest die Möglichkeit der Errichtung von Richterwahlausschüssen vor, ohne dass der Landesgesetzgeber bisher davon Ge­ brauch gemacht hat162. Umgekehrt sehen wiederum nicht alle Länder mit Richter­ wahlausschüssen diese auch explizit in ihren Landesverfassungen vor, sondern stützen die Einführung allein auf eine einfachgesetzliche Grundlage163. In mate­ rieller Hinsicht stellt sich vor allem die Frage nach der Verbindlichkeit der verfas­ sungsrechtlichen Vorgaben von Art.  98 Abs.  4 GG164. Insbesondere der Wortlaut der Norm spricht in dieser Frage für eine Auslegung als „Kom­petenzbindungsnorm“, die den Ländern im Hinblick auf die Errichtung von Richterwahlausschüssen zur Richterbestellung normativ bindende Vorgaben macht165. Die neun Wahlgremien auf Länderebene haben also schon deshalb eine nicht unerhebliche Relevanz im Rahmen der Verwaltung der dritten Gewalt, da je nach Art der Auslegung von Art.  98 Abs.  4 GG verschiedene Anforderungen zu erfüllen sind, um in organisatorisch-personeller Hinsicht ein hinreichendes Maß an demokratischer Legitimation der Landesrichter zu gewährleisten166. Prak­ 160 So

Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  296 ff. Von dieser durch Art.  98 Abs.  4 GG geschaffenen Option, Richterwahlausschüsse ein­ zusetzen, haben abgesehen von Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-­ Vorpommern, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt (trotz auch dort entsprechender Er­ richtungsermächtigungen in den Landesverfassungen) alle anderen Bundesländer Gebrauch gemacht. – Siehe im Detail zum Hamburgischen Richterwahlausschuss L. C. Faissner, Ge­ richtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  282 ff. 162  Siehe die brauchbare Übersicht aus der englischsprachigen Literatur von F. O’Connell/ Ray McCaffrey, Judicial Appointments in Germany and the United States, 2012, S.  12 ff. (ab­ rufbar unter http://www.niassembly.gov.uk/globalassets/documents/raise/publications/2012/ justice/6012.pdf, 19.3.2020). 163  So in Baden-Württemberg, Berlin und Rheinland-Pfalz. Vgl. auch oben Teil  2 , Fn.  302 und Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  316; Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  461. 164  Aus der umfassenden Literatur zu diesem Thema siehe Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  396 ff.; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  173 ff., 233 ff.; Fuchs, Verfas­ sungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  36 ff., 116 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  286 ff. 165  So auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  403 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  288 ff.; Schulze-Fielitz (Teil  2, Fn.  307), Art.  98 Rn.  42; v. Bernstorff, Ge­ richtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  182; a. A. Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  234 ff. 166  Im Überblick zu den unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten siehe A. Voßkuhle/­ 161 

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

tisch wirkt sich der verfassungstheoretische Streit bei Richterwahlgremien aus, die unter anderem mit ihrerseits selbst demokratisch nicht hinreichend legiti­ mierten Mitgliedern besetzt sind. Solange jedoch das gesamte Wahlorgan über eine sich an der Mehrheit der legitimierten Mitglieder orientierenden demokrati­ sche Legitimation verfügt, sind auch die getroffenen Richterauswahlentschei­ dungen demokratisch ausreichend an das Volk rückgebunden167. Diese Ansicht wird im Übrigen durch das Prinzip der repräsentativen Demokratie gestützt. c) Zusammenfassung Die Verwaltung durch die Exekutive ist charakteristisch für die Verwaltung der Gerichte in Deutschland. Allerdings wird die Ministerialverwaltung unterstützt durch Elemente der Selbstverwaltung der Judikative. Es ist eine gewisse Gewal­ tenverschränkung festzustellen: Neben Mitwirkungsrechten für die Richter in Bezug auf die Organisation von Sach- und Personalmitteln findet stets eine orga­ nisatorische Eingliederung in die Verwaltungskompetenzen der Exekutive statt168. Von einer Selbstständigkeit der Gerichtsverwaltung kann insofern nicht gesprochen werden; sie wird jedoch von der Richterschaft verbreitet gefordert169. Der Modernisierungsvorstoß, im Rahmen der Implementierung des Neuen Steu­ erungsmodells ein System professionellen Gerichtsmanagements einzurichten, bricht hingegen weniger die Gewaltenteilungsstrukturen auf170, sondern ver­ sucht, dass die Gerichtsverwaltung an ihrem Output orientiert wird171. III. Bereiche der Gerichtsverwaltung Im Rahmen der verschiedenen Bereiche der Gerichtsverwaltung sind Fragen der Personalverwaltung sowie der Geschäftsverteilung i. S. d. §  21e GVG172 von besonderem Interesse. Exemplarisch für die deutsche Gerichtsverwaltung sind G. Sydow, JZ 2002 S.  673 (676 f.); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  403 ff.; Fuchs, Verfas­ sungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  116 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  286 ff. 167  Siehe zu dieser Ansicht hier nur Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  124; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  151 f. 168 So auch H. Weber-Grellet, DRiZ 2012 S.  2 (2); Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  459. 169  Siehe ausführlich unter Kap.  4 A. IV. 1. 170  Wenn man bspw. ein Controlling-System etabliert, das weiterhin als „Fremdverwal­ tung“ existiert, vgl. mit einem Vorschlag der Selbstverwaltung durch einen Gerichtsmanager K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 (227). 171  Siehe zur Funktionslogik des NSM prägnant auch K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 ff. 172  Die Geschäftsverteilung unterfällt zwar dem Bereich der richterlichen Selbstverwal­ tung, zählt aber systematisch zur Gerichtsverwaltung und soll daher mitberücksichtigt wer­ den, vgl. Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  21; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  47.

A. Die Verwaltung deutscher Gerichte

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die Verwaltungsstrukturen der Bundes- und Landesgerichte zu beleuchten173. Eine umfassende Analyse sämtlicher Aspekte der deutschen Gerichtsverwal­ tung kann aufgrund ihrer Vielfältigkeit hingegen nicht erfolgen. Stattdessen beschränken sich die Ausführungen auf die Angelegenheiten der Infrastruktur(1.) und Ablaufverwaltung (2.), die ein notwendiges Grundgerüst für die Ver­ waltung der Gerichte bilden. Relevant sind zuvorderst die Personalverwaltung (3.) sowie die Finanzverwaltung (4.), an der sich einige Reformideen des Ge­ richtsmanagements reiben. 1. Infrastrukturverwaltung Die Sicherstellung der Infrastrukturverwaltung obliegt den Präsidenten der obersten Bundesgerichte bzw. der Landesgerichte und den ihnen übergeordne­ ten Ministerien. Hierzu zählt zunächst die adäquate Sachmittelausstattung, mit­ hin die Bereitstellung der erforderlichen Gebäude und Räumlichkeiten, des Mo­ biliars, der technischen Einrichtungen sowie sämtlicher Arbeitsmittel (u. a. Schreibgeräte, Bürobedarf, Bücher, Zeitschriften etc.)174. Die Bundesgerichte sind insofern verglichen mit vielen Landesgerichten – insbesondere was die Ge­ bäude und Bibliotheken anbelangt – gut ausgestattet175. Zur Infrastrukturver­ waltung gehört auch die Hausverwaltung, insbesondere die Wahrung des Haus­ rechts176. Das Hausrecht beinhaltet die Befugnis zum Ausschluss von Personen von der Nutzung des Gerichtsgebäudes mit Hilfe des Hausverbots177. Es steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude und wird teils überlagert durch den Grundsatz der Öffentlichkeit sowie durch die Sitzungspolizei178. Aktuell gewinnt vor allem die 173 

Zur Sonderstellung des Bundesverfassungsgerichts sowie der Landesverfassungs­ gerichte siehe Kap.  3 A. II. 1 b) (Bundesverfassungsgericht) und 2. c) (Landesverfassungs­ gerichte). 174  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  319 (für die Bundesgerichte), 459 ff. (für die Landesgerichte); Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  251.; A. Kees, NJW 2013, S.  1929 (1930 f.). 175 Vgl. D. Pannier, Die Bibliothek des Bundesgerichtshofs, in: K. Geiß (Hrsg.), FS aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens von Bundesgerichtshof, Bundesanwaltschaft und Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof, 2000, S.  733 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  319. 176 So Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  206, 251; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  93. 177  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  461; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  94. – Siehe zur zwangsweisen Durchsetzung des Hausrechts A. Kees, NJW 2013, S.  1929 (1932). 178  So BGHSt 30, 350; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  207; Kissel/ Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  93, 99, §  176 Rn.  3 ff.; A. Kees, NJW 2013, S.  1929 (1930). – Während der Dauer der Gerichtsverhandlung sind Maßnahmen lediglich zum Ausschluss der

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

moderne Ausstattung mit Informationstechnik der Gerichte in der Gefahrenzo­ ne der richterlichen Unabhängigkeit an Bedeutung179. Vereinzelt finden sich im­ mer noch Richter, die vollständig auf eine PC-gestützte Arbeitsweise verzichten wollen. Dem wirkt das eJustice als terminologischer Sammelbegriff entgegen, unter den der elektronische Rechtsverkehr bzw. die elektronische Justizkommu­ nikation180 sowie die elektronische Aktenführung181 fallen. Das Gesetz zur För­ derung des elektronischen Rechtsverkehrs („eJustice-Gesetz“) trat am 1. Januar 2018 in Kraft182 , sodass eine Elektronisierung des Rechtsverkehrs an den Ge­ richten längst keine Zukunftsvision mehr und auch die komplett elektronische Aktenführung über Hybridmodelle zwischen elektronischer und Papierakten­ führung183 auf dem Vormarsch ist184. Öffentlichkeit (§§  171a ff. GVG) sowie bei sitzungspolizeilichen Maßnahmen (§§  176 ff. GVG) zulässig, vgl. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  257, der insbesondere auf die Gefahren für die richterliche Unabhängigkeit hinweist. – Zu den Fragen der Sicherstel­ lung der Sicherheit im Gericht vgl. Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  462 f. – Instruktiv zur Wirkrichtung der Sitzungspolizei siehe A. F. Hauth, Sitzungspolizei und Medienöffent­ lichkeit. Eine verfassungsrechtliche Rekonstruktion, 2017, S.  131 ff.; zu sitzungspolizeilichen Maßnahmen in Zeiten der Corona-Pandemie im Jahr 2020 siehe C. auf der Heiden, NJW 2020, S.  1023 (1023 f.). 179  Siehe im Überblick zur Digitalisierung der Prozessführung J. Treber, NZA 2014, S.  450 ff.; H. Müller, JuS 2015, S.  609 ff.; ders., JuS 2018, S.  1193 ff.; K. Bacher, NJW 2015, S.  2753 ff.; B. J. Scholz, DRiZ 2016, S.  22 ff.; zu Problemen H. Müller, NZS 2015, S.  896 ff. 180  Die Grundnorm des elektronischen Rechtsverkehrs findet sich in §  130a ZPO und hat Entsprechungen in §  41a StPO, §  65a SGG, §  55a VwGO, §  52a FGO; das ArbGG verweist auf §  130a ZPO. Zum Stand des elektronischen Rechtsverkehrs in den einzelnen Bundesländern siehe R. Bey, DRiZ 2015, S.  292 f.; H. Müller, JuS 2018, S.  1193 ff.; jüngst auch N. Fischer, ZAP 2019, S.  147 ff. – Instruktive Erläuterungen zu den Begrifflichkeiten finden sich bei B. Blechinger, ZRP 2006, S.  56 ff.; U. Berlit, JurPC-Web-Dok. 171/2007, Abs.  1 ff.; H. Müller, JuS 2015, S.  609 (609 f.). 181  Siehe §  298a Abs.  1 S.  1 ZPO sowie die entsprechenden Vorschriften in §  6 b SGG, §  52b FGO und §  5 b VwGO; das ArbGG verweist wiederum auf die ZPO. Siehe hierzu knapp H. Müller, JuS 2015, S.  609 (612); W. Bernhardt, NJW 2015, S.  2775 (2777 f.); B. J. Scholz, DRiZ 2016, S.  22 (23). 182  Vgl. zum Gesetzesbeschluss BR-Drs. 500/13. – Eine ständig aktualisierte Übersicht stellt die Bund-Länder-Kommission für Informationstechnik in der Justiz unter www.justiz. de/elektronischer_rechtsverkehr/index.php (22.11.2017) bereit; siehe zur Entwicklung der Thematik weiterhin U. Berlit, JurPC-Web-Dok. 171/2007; M. Weller, DRiZ 2013, S.  290 ff.; R. Kriszeleit, AnwBl. 2013, S.  91 ff.; T. Dickert, DRiZ 2014, S.  128 (128 f.); H. Müller, JuS 2015, S.  609 ff.; ders., JuS 2018, S.  1193 ff. – Zur Einführung von eJustice in der Strafrechts­ pflege siehe überdies E. Werner, jM 10 (2016), S.  387 ff. 183  So bspw. bei dem als erfolgreich einzustufenden Bonner Pilotprojekt, bei dem mehrere Kammern am Landgericht mit der Software e²A ausgestattet worden sind, um neben der Pa­ pierakte auch mit einer elektronischen Akte zu arbeiten, vgl. B. Sczech, DRiZ 2016, S.  206 f. 184  Siehe zu dieser Entwicklung H. Radke, ZRP 2012, S.  113 (113 f.); W. Viefhues, DRiZ 2015, S.  312 (314 ff.); ders., Betrifft Justiz 121 (2015), S.  11 ff.; E. Lamminger/C. Ulrich/

A. Die Verwaltung deutscher Gerichte

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2. Ablaufverwaltung Die Gerichtsverwaltung hat das Ziel, den reibungslosen Ablauf der Rechtspre­ chung sowie der sonstigen Aufgaben des jeweiligen Bundes- oder Landes­ gerichts zu gewährleisten; hierzu zählt im Rahmen der Ablaufverwaltung die Regelung und Durchführung des Dienstbetriebes185. Konkret sind auf Bundeswie auf Landesebene die richterliche Amtstracht186 sowie die Veröffentlichung der gerichtlichen Entscheidungen187 im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit188 zu regeln. Im Hinblick auf den vorzunehmenden Rechtsvergleich verdienen die Geschäftsordnungen der obersten Bundesgerichte (Art.  95 Abs.  1 GG) Erwäh­ nung, die primär verfahrensrechtliche Ergänzungen enthalten189. Auch das Bun­ desverfassungsgericht verfügt als oberstes Verfassungsorgan über eine Ge­ schäftsordnungsautonomie190. 3. Personalverwaltung Zum Bereich der Personalverwaltung der Gerichte zählen etwa die Einstellung, Ernennung, Entlassung, Versetzung und Beförderung des gerichtlichen Perso­ nals. Dies gilt nicht nur für die am Gericht tätigen Richter, sondern auch hin­ sichtlich sämtlicher Beamten und Angestellten der Gerichtsbarkeit191. Weiterhin P. Schmieder, NJW 2016, S.  3274 ff.; N. Fischer, ZAP 2019, S.  147 ff. prägte in der jüngsten Vergangenheit in diesem Zusammenhang den Begriff der „Elektronifizierung“. – Zur konkre­ ten Arbeitsweise mit elektronischen Akten im richterlichen Arbeitsalltag nicht ohne Kritik siehe G. Gundlach, DRiZ 2015, S.  96 ff.; ähnlich auch M. Gogger, DRiZ 2016, S.  420 (421 ff.). 185  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  317 ff. (für die Bundesgerichte), 451 ff. (für die Landesgerichte); im Detail zu den vielseitigen Aufgabenfeldern Wolf, Gerichtsverfassungs­ recht (Teil  1, Fn.  117), S.  54; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  251; um­ fangreich auch v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  154 ff. 186  Für Bundesrichter gilt gem. §  76 BBG i. V. m. §  46 GVG, dass sie eine Robe zu tragen haben. Zur einhelligen Pflicht zum Tragen einer Robe siehe BVerfGE 67, 222 (228 ff.); P. Weber, Betrifft Justiz 82 (2005), S.  84 f.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  318, 453 f.; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  46 Rn.  44; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  71. 187  Siehe im Detail v. Coelln, Medienöffentlichkeit (Teil  1, Fn.  1), S.  485 ff.; Wittreck, Ver­ waltung (Einl., Fn.  9), S.  318 f., 456 ff.; N. Eslami, Die Nichtöffentlichkeit des Schiedsverfah­ rens, 2016, S.  174 ff.; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  123 ff. 188  Zum Problemkreis der Öffentlichkeitsarbeit, die neben der Publikation von Gerichts­ entscheidungen auch die Pressearbeit der Gerichte umfasst, siehe instruktiv v. Coelln, Me­ dienöffentlichkeit (Teil  1, Fn.  1), S.  170 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  454 ff. 189  Siehe §  140 GVG, §  4 4 Abs.  2 ArbGG, §  50 SGG. Die Geschäftsordnungen werden jeweils durch das Präsidium beschlossen, müssen aber durch den Bundesrat bestätigt werden, vgl. Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  318; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  21e Rn.  29. 190  T. Ritterspach, EuGRZ 1976, S.  57 ff. 191 Vgl. Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  251; siehe ausführlich hier­ zu Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  85 ff.

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

ist die Dienstaufsicht sowie die Organisation des gesamten Dienstbetriebs als Teil der Personalverwaltung gerichtsverwaltende Tätigkeit192. Als Herzstück der Gerichte konzentriert sich diese Arbeit mit ihrem verfassungsrechtlichen Schwerpunkt auf die Richterbestellung zu den deutschen Gerichten (a.) sowie auf die damit zusammenhängenden sonstigen Personalangelegenheiten (b.). a) Richterbestellung: Wahl und Berufung In Deutschland regelt §  9 DRiG, dass die Befähigung zum Richteramt (§  5 DRiG) Voraussetzung dafür ist, Berufsrichter193 zu werden194. Der Richterberuf steht dabei zumeist bereits am Anfang der beruflichen Laufbahn junger Juris­ ten, die vielfach recht unmittelbar nach dem Abschluss ihrer Ausbildung in die Richterlaufbahn einsteigen und in diesem Beruf verbleiben195. Für die Berufung ins Richteramt in Bund und Ländern bestehen im DRiG keine einheitlichen Regelungen. Zumindest legt das Grundgesetz für die Richter des Bundesverfassungsgerichts in Art.  94 Abs.  1 S.  2 GG (aa.) und die Richter an den obersten Bundesgerichten in Art.  95 Abs.  2 GG (bb.) fest, dass bei ihrer Be­ rufung zwingend ein Wahlausschuss mitzuwirken und eine Wahl zu erfolgen hat196. Für die Landesverfassungsgerichte (cc.) und die sonstigen Landesgerichte (dd.) sind unterschiedliche Berufungssysteme zugelassen; Art.  98 Abs.  4 GG stellt den Ländern lediglich die Einführung von Richterwahlausschüssen an­ heim und enthält eine verpflichtende Mitwirkung des zuständigen Ministers197. aa) Bundesverfassungsgericht Aufgrund der kompetenziellen Machtfülle, die das Bundesverfassungsgericht als – häufig so titulierter – „Ersatzgesetzgeber“198 im Gewaltengefüge der Bun­ 192 Vgl.

Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  86. ehrenamtliche Richter sollen aufgrund ihrer Ausnahmestellung im deutschen Rechtssystem nicht Gegenstand dieser Untersuchung sein. Siehe zur Stellung der ehrenamt­ lichen Richter §§  1, 44 DRiG; aus der Literatur vgl. nur Scholz, Wahl (Teil  2, Fn.  310), S.  151; Staats (Teil  1, Fn.  177), §  44 Rn.  1 ff.; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  44 Rn.  3. 194  Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  35 f.; J. M. v. Bargen, DRiZ 2010, S.  133 (135). 195  Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  36; zur Richterausbildung in Deutschland im Allgemeinen siehe F. J. Säcker, NJW 2018, S.  2375 (2379). 196  Siehe für einen kurzen Überblick Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  165; A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002 S.  673 (676 f.); Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  504; Badura, Staatsrecht (Teil  1, Fn.  8), S.  799. – Aus rechtsvergleichender Sicht zur Richterbestellung Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  39 ff., 47 ff.; Heun, Ver­ fassung (Teil  2, Fn.  162), S.  112 ff. 197 Vgl. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  165. 198  Differenziert bezeichnet Kissel, Rechtsprechung (Teil  2 , Fn.  360), S.  381 diesen Titel als „griffige Kurzformel, aber mißverständlich“. 193 Sog.

A. Die Verwaltung deutscher Gerichte

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desrepublik durch seine Rechtsprechung entwickelt199, gewinnt die exklusive Personalstruktur des Verfassungsorgans und die Wahl der Bundesverfassungs­ richter an Bedeutung200. Die 16 Richter des Bundesverfassungsgerichts werden gem. §  5 BVerfGG in „föderativer Parität“201 je zur Hälfe vom Bundesrat und vom Bundestag gewählt202. Durch die Einbeziehung von Volksvertretungen im Bund oder durch die Länder werden zwei Legitimationsketten zum Volk gebil­ det203. Bis 2015 wählte der Bundestag die Richter nicht in seiner vollen Stärke, sondern setzte hierzu ein aus zwölf Mitgliedern bestehendes Wahlmänner­ gremium ein (§  6 BVerfGG a. F.)204. Nach der Neuregelung von §  6 Abs.  1 BVerfGG werden die Richter nunmehr vom Plenum gewählt – gem. §  6 Abs.  1 S.  1 BVerfGG geschieht dies ohne Absprache und mit verdeckten Stimmzetteln. Dem Zwölfergremium kommt nur noch ein Vorschlagsrecht zu (§  6 Abs.  2 199 Siehe O. W. Lembke, Über das Ansehen des Bundesverfassungsgerichts, 2006, S.  55 m. w. N.; ähnlich auch das Fazit bei Wagner, Ersatzgesetzgeber (Teil  3, Fn.  230), S.  131 ff. 200  Vgl. Bedeutung der Wahl der Bundesverfassungsrichter im Überblick U. Kischel, HStR³ III, §  69 Rn.  5 ff.; A. Tschentscher, Rechtsrahmen und Rechtspraxis der Bestellung von Richterinnen und Richtern zum Bundesverfassungsgericht, in: J.-R. Sieckmann (Hrsg.), Ver­ fassung und Argumentation, 2005, S.  95 ff.; E. M. Schnelle, NVwZ 2012, S.  1597 ff. 201  K. A. Bettermann, Opposition und Verfassungsgerichtsbarkeit, in: H. Bernstein u. a. (Hrsg.), FS Konrad Zweigert, 1981, S.  723 (726); Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsge­ richt (Teil  3, Fn.  28), Rn.  42. 202  Siehe zur Wahl der Richter am Bundesverfassungsgericht W. K. Geck, Wahl und Amts­ recht der Bundesverfassungsrichter, 1986, S.  21 ff.; Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  165 f.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  48 f.; U. Kischel, HStR³ III, §  69 Rn.  5 ff.; Tschentscher, Rechtsrahmen (Fn.  200), S.  95 ff.; S. Khorrami, Das Einstellungs- und Beförderungsverfahren englischer und deutscher Richter. Auswirkungen auf die richterliche Unabhängigkeit, 2005, S.  21 f.; J. Wieland, in: Dreier, GGK III (Einl., Fn.  2), Art.  94 Rn.  9 ff.; Y. Wang, The Independence of Judges in China and Germany, 2011, S.  130 f.; Fuchs, Verfas­ sungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  30 ff.; Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht (Fn.  28), Rn.  42 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  235 ff.; H. Lechner/R Zuck, BVerf­ GG, 8.  Aufl. 2019, §  5 Rn.  1 f. 203  W. Billing, Das Problem der Richterwahl zum Bundesverfassungsgericht. Ein Beitrag zum Thema Politik und Verfassungsgerichtsbarkeit, 1969, S.  93 ff.; Geck, Wahl (Fn.  202), S.  23; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  398; mit Kritik Wieland (Fn.  202), Art.  94 Rn.  14 f.; Benda/Klein (Teil  3, Fn.  30), §  4 Rn.  127. – Instruktiv zu den stei­ genden Anforderungen an die demokratische Legitimation mit der Nähe zum politischen Prozess Heun, Verfassung (Teil  2, Fn.  162), S.  108; Schreier, Legitimation (Fn.  18), S.  151 ff. 204  Siehe zu den Modalitäten im Detail Geck, Wahl (Fn.  202), S.  23 ff.; Wolf, Gerichtsver­ fassungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  165 f.; Tschentscher, Rechtsrahmen (Fn.  202), S.  108 ff. – Zur Kritik an der indirekten Wahl durch den Wahlausschuss siehe U. Kischel, HStR³ III, §  69 Rn.  32 ff.; Benda/Klein (Teil  3, Fn.  30), §  4 Rn.  132 f.; F. Wittreck, Reform der Besetzung des BVerfG. „Beteiligung“ durch Abnicken, in: LTO, 31.3.2014 (abrufbar unter http://www.lto.de/ recht/hintergruende/h/bverfg-richter-wahl-gesetzgebung-reform-kritik/, 19.3.2020); A. Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG (Teil  1, Fn.  10), Art.  94 Rn.  10.

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

BVerfGG)205. Die in Bundestag und Bundesrat jeweils erforderliche 2/3-Mehr­ heit (§§  6 Abs.  5, 7 BVerfGG) intendiert hierbei die Vermeidung einer politisch einseitigen Besetzung des Gerichts206. bb) Oberste Bundesgerichte Über die Berufung der Richter der obersten Bundesgerichte entscheidet der für das jeweilige Sachgebiet zuständige Bundesminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuss (Art.  95 Abs.  2 GG)207. Die Wahl der Richter wirkt legiti­ mationsverstärkend 208. Das Verfahren der Richterberufung beginnt mit einem Kandidatenvorschlag durch den Bundesjustizminister oder durch die Mitglieder des Richterwahlausschusses gem. §  10 RiWahlG209. Nach der Anhörung des Kandidaten gem. §  56 DRiG gibt der Präsidialrat eine unverbindliche Stellung­ nahme ab210, bevor eine Eignungsprüfung durch den Richterwahlausschuss (§  11 RiWahlG) erfolgt211. Nach Abschluss der Prüfung der Eignungsvoraussetzungen erfolgt gem. §  12 RiWahlG die eigentliche Wahl in geheimer Abstimmung212. 205  Siehe

hierzu Schreier, Legitimation (Einl., Fn.  18), S.  144 ff.; Sodan/Ziekow, Grund­ kurs (Einl., Fn.  4), §  16 Rn.  8; Mannefeld, Vorgaben (Fn.  28), S.  80 f. m. w. N.; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  121 f. 206 Vgl. Teubner, Berufsrichter (Teil  2 , Fn.  300), S.  13 ff.; Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  166; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  398; v. Berns­ torff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  122; Lechner/Zuck (Fn.  202), §  6 Rn.  13. 207 Zur Bundesrichterbestellung siehe Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  166; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  50, 51; H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2588); Scholz, Wahl (Teil  2, Fn.  310), S.  151 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  307 ff.; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  504; Wang, Independence (Fn.  202), S.  132 f.; E. Schübel, NJW 2014, S.  1355 (1356 f.); Schulze-Fielitz (Fn.  57), Art.  95 Rn.  24 ff. 208  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  20; Classen, Legitimation (Einl., Fn.  78), S.  55 f.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  254 f. – Siehe darüber hinaus zu einer politischen Machtbalance Böckenförde, Richterwahl (Einl., Fn.  7), S.  102 ff. 209  Bei §  10 RiWahlG handelt es sich um eine Ausnahmeregelung zur Ausschreibungs­ pflicht gem. §  8 Abs.  2 S.  2 BBG, vgl. J.-F. Staats, RiWahlG-Kommentar, 2003, §  10 Rn.  2. Zu Reformvorschlägen, insbesondere der Idee einer Ausschreibungspflicht der zu besetzen­ den Stelle siehe Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  309. 210  Siehe hierzu im Überblick H. H. Bowitz, DÖV 2016, S.  638 ff. 211  Zwar ist die Richterberufung zu den obersten Bundesgerichten an Art.  33 Abs.  2 GG zu messen, jedoch enthält Art.  95 Abs.  2 GG Modifikationen gegenüber rein exekutivischen Auswahl- und Beförderungsentscheidungen: BVerfGE 143, 22. Siehe zur grundsätzlichen Geltung von Art.  33 Abs.  2 GG Scholz, Wahl (Teil  2, Fn.  310), S.  160 f.; Schilken, Gerichts­ verfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  503; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  255; U. Battis, in: Sachs (Hrsg.), GG (Einl., Fn.  6), Art.  33 Rn.  24 f.; Voßkuhle (Teil  3, Fn.  8), Art.  95 Rn.  38; Schulze-Fielitz (Fn.  57), Art.  95 Rn.  29. – Zum Konkurrentenstreitverfahren im Allgemeinen siehe M. Kenntner, NVwZ 2017, S.  417 ff. 212  Die Geheimheit der Wahl kann allerdings nur in bedingtem Umfang gewahrt werden,

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Nach §  13 RiWahlG hat der zuständige Bundesminister der Wahl zuzustim­ men 213 und die Ernennung beim Bundespräsidenten zu beantragen 214. Kritik wird an diesem Modell der Richterauswahl nicht nur aufgrund der Intransparenz des Verfahrens geübt, sondern auch vor dem Hintergrund der mangelnden Eig­ nung zur Bestenauslese i. S. d. Art.  33 Abs.  2 GG215. Vor allem aus der Richter­ schaft kommen dabei Forderungen nach einer stärkeren richterlichen Mitbestim­ mung216. Ein gewisses Politikum wohnt der Richterbestellung unabhängig vom jeweiligen Auswahlverfahren jedoch stets inne217. Die Politisierung der Recht­ sprechung ist jedoch vor allem im Vergleich mit anderen Rechtsordnungen – hier insbesondere der USA – als gering einzuschätzen 218. Die Bundesrichterwahl gibt überdies Anlass, über mögliche Modernisierungen und die Einführung einer Frauenquote zu diskutieren 219. Eine Frauenquote ist indes abzulehnen. Insbeson­ dere in den Justizapparaten der Bundesländer sind viele Frauen in Richterposi­ tionen beschäftigt220. An qualifiziertem weiblichem Nachwuchs mangelt es der da widerstreitende Interessen der Mitglieder des Richterwahlausschusses nicht selten zu ge­ wissen Absprachen im Vorfeld der Wahl führen, vgl. Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  308 f.; E. Schübel, NJW 2014, S.  1355 (1356); Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  255 f. 213  Wenn der Bundesminister dem Wahlergebnis zustimmt, hat er den Kandidaten beim Bundespräsidenten vorzuschlagen. Zu einer Zustimmung ist der Bundesminister zwar nicht verpflichtet, eine Zustimmungsverweigerung ist jedoch nur in eng umrissenen, rechtlichen Grenzen möglich, vgl. Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  13 RiWahlG Rn.  1 f. 214  Die Ernennung obliegt dem Bundespräsidenten gem. Art.  60 Abs.  1 GG, vgl. SchmidtRäntsch (Teil  1, Fn.  36), §  13 RiWahlG Rn.  3; Voßkuhle (Teil  3, Fn.  8), Art.  95 Rn.  40; v. Berns­torff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  148; kritisch zu den Kompetenzen des Bundespräsidenten H. Butzer, NJW 2017, S.  210 (211). 215  Siehe bspw. J. Jahn, DRiZ 2001, S.  424; W. Hoffmann-Riem, DRiZ 2003, S.  284 (290); zusammenfassend Wassermann (Teil  2, Fn.  336), Art.  95 Rn.  27 f.; Meyer (Teil  3, Fn.  8), Art.  95 Rn.  12; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  147. – Siehe im Detail G. Bertram, NJW 2001, S.  3167 f. 216  So bspw. W. Kinold, DRiZ 1992, S.  55 ff. 217  So auch K. F. Gärditz, JöR n. F. 61 (2013), S.  4 49 (462); Voßkuhle (Teil  3, Fn.  8), Art.  95 Rn.  41; umfassend auch L. C. Faissner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  316 ff. 218  Siehe so auch W. Zeh, HStR³ III, §  53 Rn.  72; pessimistischer hinsichtlich politisch ausgerichteter Rechtsprechung ist jedoch W. Dütz, JuS 1985, S.  745 (746); die Gefahr einer ausufernden richterlichen Rechtsfortbildung sieht B. Rüthers, JZ 2002, S.  365 (369 ff.). – Sie­ he zur Frage, ob eine Volkswahl insofern Abhilfe schaffen könnte, K. Ipsen, DÖV 1971, S.  469 (475). 219  Siehe hier nur C. Nordmann, ZRP 2012, S.  139 ff.; mit einer differenzierten Analyse der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten zur Einführung einer Frauenquote im öffentlichen Dienst siehe C. Langenfeld, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art.  3 Abs.  2 (2015), Rn.  92 ff. – Zur Diversity-Debatte siehe auch v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  329. 220  Der Frauenanteil lag zum Stichtag am 31. Dezember 2018 in Bund und Ländern an den

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

Justiz mithin nicht. Damit Frauen gleichwohl auch eine Möglichkeit zum Auf­ stieg in der Richterlaufbahn wahrnehmen können und wollen, müssen keine neuen Mechanismen – wie eine Quotenregelung – implementiert werden. Viel­ mehr müssen antiquierte Familienbilder und Rollenerwartungen bei allen Betei­ ligten verstärkt umjustiert werden, um ein modernes weibliches Rollenbild zu fördern und dafür zu sorgen, dass strukturelle Benachteiligungen von Frauen vor allem in Beförderungssituationen vermieden werden 221. cc) Landesverfassungsgerichte Auch die Landesverfassungsgerichte haben die Stellung als Verfassungsorgan inne. Die Richter aller Landesverfassungsgerichte werden durch das Landes­ parlament im jeweiligen Bundesland ausgewählt222. Die Richterwahl erfolgt mit

ordentlichen Gerichten bei 46,52  % mit steigender Tendenz, was wiederum die Frauenquote unter den Proberichtern nahelegt. Siehe zu dieser Analyse die Richterstatistik des Bundes­ amtes für Justiz, Zahl der Richter, Richterinnen, Staatsanwälte, Staatsanwältinnen und Ver­ treter, Vertreterinnen des öffentlichen Interesses in der Rechtspflege der Bundesrepublik Deutschland am 31. Dezember 2018 (abrufbar unter file:///C:/Users/s.michel/Downloads/ Richterstatistik_2018.pdf, 18.4.2020); fast despektierlich zum steigenden Frauenanteil in der Justiz äußert sich J. Wagner, Ende der Wahrheitssuche, 2017, S.  30 ff. 221  Nicht nur an den Bundesgerichten ist der Frauenanteil deutlich geringer als beispiels­ weise an den meisten Amtsgerichten (im Schnitt ist der Frauenanteil an den unteren Landes­ gerichten um 10  % höher als an den Bundesgerichten, wo die Quote in der ordentlichen Ge­ richtsbarkeit des Bundes bei lediglich 34  % liegt), auch offenbart sich für Frauen in der Justiz insgesamt mit Blick auf Beförderungsstellen eine erhebliche „Glasdecke“ nach oben, vgl. zu den Zahlen abermals die Richterstatistik des Bundesamtes für Justiz (vgl. Fn.  220); L. Habermann-Horstmeier, Verwaltung & Management 2008, S.  44 ff.; S. Schneider, DRiZ 2010, S.  245 (246 f.); F. Wittreck, VVDStRL 74 (2015), S.  115 (129 f.). 222  Siehe bereits Bettermann, Verfassungsgerichtsbarkeit (Fn.  201), S.  729 ff., der den Un­ terschied zur Wahl der Bundesverfassungsrichter mit der fehlenden Zwei-Kammer-Beteili­ gung in den Bundesländern anschaulich herausstellt; siehe weiterhin mit Details F. Knöpfle, Richterbestellung und Richterbank bei den Landesverfassungsgerichten, in: Starck/Stern, Landesverfassungsgerichtsbarkeit (Teil  3, Fn.  51), S.  231 ff.; B. Harms-Ziegler, Verfassungs­ richterwahl in Bund und Ländern, in: P. Macke (Hrsg.), Verfassung und Verfassungsgerichts­ barkeit auf Landesebene, 1998, S.  191 (204 f.); C. Starck, HStR³ VI, §  130 Rn.  13 („Verfas­ sungsgerichte als oberste Staatsorgane“), 27 ff. („Richterwahl“); K. F. Gärditz, JöR n. F. 61 (2013), S.  449 (459 ff.); Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  262 ff. – Dies trifft seit dem 1. Juli 2017 auch für NRW zu, allerdings gibt es Übergangsregelungen. Bislang waren der Präsident des Oberverwaltungsgerichts und die beiden ältesten Präsidenten der Oberlan­ desgerichte von Amts wegen Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs und bleiben es auch weiterhin, bis sie aus ihrem Amt ausscheiden, vgl. Art.  76 NWVerf. Kritisch zur Reform F. Wittreck, Verfassungsrecht, in: S. Schlacke/ders. (Hrsg.), Landesrecht Nordrhein-Westfa­ len, 2017, Rn.  39 f.

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qualifizierter223 oder einfacher Mehrheit224. Berufsrichter und Laienrichter agieren an den meisten Landesverfassungsgerichten gemeinsam, sodass neben der Funktionsfähigkeit der Rechtsprechung auch eine gewisse Volksnähe sicher­gestellt ist225. Die beschränkte Amtsdauer von vier bis zwölf Jahren in Kombination mit einer teilweise vorgesehenen Möglichkeit zur Wiederwahl226 wird mit Recht als eine Gefährdung für die richterliche Unabhängigkeit angese­ hen, vor allem dann, wenn die Amtsdauer vergleichsweise kurz ist227. dd) Gerichte der Länder Eine einheitliche Regelung zur Richterauswahl auf Landesebene in der ordent­ lichen und der Fachgerichtsbarkeit existiert nicht228. Insbesondere das Einstel­ lungsverfahren ist gesetzlich kaum näher geregelt, sondern lebt in vielen Bun­ desländern von einer differenzierten Verwaltungspraxis229. Etabliert hat sich in vielen Bundesländern die Ausschreibungspraxis vakanter Richterstellen 230. 223  Eine qualifizierte Mehrheit ist erforderlich in Berlin, Brandenburg, Hessen (nur für richterliche Mitglieder), Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thürin­ gen. Siehe zu den entsprechenden Normen und mit Details C. Starck, HStR³ VI, §  130 Rn.  27; Verfassungsrecht (Fn.  222), Rn.  40. 224  Eine einfache Mehrheit genügt in Baden-Württemberg, Bayern, Bremen und Ham­ burg. Siehe allgemein zu den Mehrheitserfordernissen bei der Wahl der Landesverfassungs­ richter Wang, Independence (Fn.  202), S.  131; K. F. Gärditz, JöR n. F. 61 (2013), S.  449 (465 f.). – Zur Kritik an dem Erfordernis der einfachen Mehrheit siehe C. Starck, HStR³ VI, §  130 Rn.  27; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  264. 225  Lediglich Bayern, das Saarland und Schleswig-Holstein verzichten auf Laienrichter und das Korrektiv der Volksnähe, siehe im Detail Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  502; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  531; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  262 f. 226  Eine Wiederwahl ist zulässig in Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, im Saarland, in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thürin­ gen. Siehe dazu Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  505; ders., Verfassungsrecht (Fn.  222), Rn.  40; K. F. Gärditz, JöR n. F. 61 (2013), S.  449 (464 f.). 227 Siehe zu dieser Kritik Harms-Ziegler, Verfassungsrichterwahl (Fn.  222), S.  199; C. Starck, HStR³ VI, §  130 Rn.  31 mit einem Appell für eine minimale Amtszeit von neun Jahren ohne Wiederwahl. 228  Zur Richterauswahl an den Landesgerichten siehe im Überblick Teubner, Berufsrich­ ter (Teil  2, Fn.  300), S.  47 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  50, 51 f.; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  342 ff.; Wang, Independence (Fn.  202), S.  135 ff. – Siehe expli­ zit und umfassend zum Verfahren der Richterbestellung der Berufsrichter in Bayern L. C. Faissner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  255 ff. 229  So auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  416. 230  Geregelt ist dies in Verwaltungsvorschriften sowie in den Richtergesetzen, vgl. im Detail Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  416; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  190.

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

Art.  98 Abs.  4 GG überlässt es den Bundesländern, ob sie für die Auswahl einen Richterwahlausschuss einrichten und grundsätzlich auch, wie sie diesen ausge­ stalten 231. Die Ausgestaltung der Ausschüsse ist daher innerhalb der Bundes­ länder verschieden 232. In Ländern ohne Richterwahlausschuss fällt die Befugnis zur Richterauswahl dem Ministerpräsidenten zu, der diese Aufgabe an das Jus­ tizministerium bzw. den funktional zuständigen Ressortminister delegiert233. So erfolgt auch der formale Akt der Ernennung i. S. d. §  17 Abs.  1 DRiG in fö­ derativer Vielfalt durch Ausfertigung und Aushändigung der Bestellungsurkun­ de entweder durch den Ministerpräsidenten oder die Landesregierung bzw. den Senat oder (wie in Nordrhein-Westfalen) durch den Präsidenten des jeweiligen Obergerichtes234. Die parteiliche Zugehörigkeit der Kandidaten hat bei der (Erst-)Auswahlentscheidung im Übrigen keinen bedeutsamen Einfluss235. b) Andere Personalangelegenheiten Neben der Richterbestellung stellen sich im weiteren Verlauf der richterlichen Laufbahn vor allem an den obersten Bundesgerichten sowie in der ordentlichen und der Fachgerichtsbarkeit der Länder die Beurteilung (aa.), die Beförderung (bb.), die Dienstaufsicht (cc.) sowie das allgemeine Disziplinarwesen (dd.) als zum Teil kontrovers dar. Insbesondere mögliche Friktionen mit der richterlichen Unabhängigkeit machen eine kurze Darstellung der Themen unabdingbar.

231  Zu den verfassungsrechtlichen Problemen um die Ausgestaltung der Richterwahlaus­ schüsse und die Gestaltungsfreiheit der Länder siehe Kap.  2 C. I. 1. b) bb) (2) (a). 232  Einen Überblick über die einzelnen Reglungen verschaffen Böckenförde, Richterwahl (Einl., Fn.  7), S.  40 ff.; differenziert Tschentscher, Legitimation (Fn.  1), S.  350 ff.; zum Teil auch Wang, Independence (Fn.  202), S.  135 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  300 f. 233  Zur Richterbestellung in NRW Khorrami, Richter (Fn.  202), S.  23 ff.; vgl. weiterhin Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  414 f.; unter besonderer Berücksichtigung der demo­ kratischen Legitimation der Richter Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  242 ff., 368 ff.; ähnlich auch Classen, Legitimation (Einl., Fn.  78), S.  21; Schulze-Fielitz (Teil  2, Fn.  307), Art.  98 Rn.  44. 234  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  413 f.; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  36 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  300 f. – Siehe im ersten Zugriff zum Akt der Ernennung des Richters Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  165; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  17 Rn.  3 f. 235  D. P. Kommers, Autonomy versus Accountability. The German Judiciary, in: Russell/­ O’Brien, Independence (Teil  1, Fn.  2); S.  131 (140); Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  468. – Differenziert hierzu L. C. Faissner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  266 ff.

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aa) Beurteilung Die Richter an den obersten Bundesgerichten unterliegen gem. §§  46 DRiG i. V. m. 48 Abs.  1 BLV im Hinblick auf ihre Eignung und Leistung (spätestens) alle drei Jahre einer dienstlichen Beurteilung. Ähnliche Intervalle für die Regel­ beurteilungen existieren auch in den Bundesländern 236. Eine regelmäßige Beur­ teilung ist mit der richterlichen Stellung hingegen nicht vereinbar237. Die Rege­ lungen zu dienstlichen Beurteilungen an den Gerichten der Länder sind entwe­ der in den Landesrichtergesetzen zu finden oder es existieren Verweise auf das Beamtenrecht bzw. auf das sonstige materielle Recht238. Für die Richterschaft stellen dienstliche Beurteilungen aller Regel nach eine potenzielle Gefährdung ihrer Unabhängigkeit dar. Die richternahe Literatur warnt seit jeher vor der ab­ strafenden oder lenkenden Wirkung von Beurteilungen 239. Feststeht zumindest die einschneidende Wirkung der Beurteilungen als Maßnahme der Dienstauf­ sicht240. Rechtsschutzmöglichkeiten stehen einem Richter, der sich in seiner Un­ abhängigkeit verletzt sieht, zum einen durch die Anrufung des jeweiligen Dienstgerichts zur Verfügung241. Den Verwaltungsgerichten obliegt hingegen 236 Vgl. I. Meinecke, Betrifft Justiz 126 (2006), S.  69 (69). – Siehe zur Unentbehrlichkeit von Beurteilungen als Folge des Leistungsgrundsatzes des Art.  33 Abs.  2 GG, der auch für Richter gilt, N. K. A. Baidoo, Die dienstliche Beurteilung und ihre Kontrolle durch Gerichte. Anmerkungen zur Verbesserung der Personalauswahl im öffentlichen Dienst, 2018, S.  103 ff. 237 Siehe Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  26 Rn.  41 ff., §  46 Rn.  82; Wang, Independen­ ce (Fn.  202), S.  180 ff.; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  49 f.; Minkner, Ge­ richtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  257 f.; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  149; allgemein zur dienstlichen Beurteilung von Richtern auch J. Lorse, Die Dienstliche Beurteilung, 6.  Aufl. 2016, S.  493 ff. – Als Dienstaufsichtsmaßnahme behandelt die Beurtei­ lung Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht (Teil  2, Fn.  715), S.  26 f. 238  Explizite Vorschriften zur Richterbeurteilung finden sich indessen nur in Baden-Würt­ temberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern; seit dem 1. Januar 2016 in Nordrhein-Westfalen und Sachsen. Vgl. dazu H. Schnellenbach, RiA 1999, S.  161 (162); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  437; J. M. v. Bargen, DRiZ 2010, S.  133 (136); Kissel/ Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  89 ff.; I. Meinecke, Betrifft Justiz 126 (2006), S.  69 (69); v. Berns­torff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  196. – Siehe zu den Einzelheiten der dienstlichen Beurteilung hier nur H. Schnellenbach/J. Bodanowitz, Beamtenrecht in der ­Praxis, 9.  Aufl. 2017, §  11 Rn.  1 ff. (S.  303 ff.); Baidoo, Beurteilung (Fn.  236), S.  109 f. 239  So bspw. drastisch W. Kühne, DRiZ 1984, S.  143 (146 f.); H. Schnellenbach, NJW 1989, S.  2227 (2229 f.); differenziert I. Meinecke, Betrifft Justiz 126 (2006), S.  69 (71). – Zur Verein­ barkeit von dienstlichen Beurteilungen mit der richterlichen Unabhängigkeit im Überblick siehe J. Schmidt, DRiZ 1981, S.  81 (84 f.); S. Haberland, DRiZ 2002, S.  301 (306 ff.); Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  473. 240  Siehe hier nur Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  109 f.: „Das Beeinflussungspotenzial ist beträchtlich“ (Zitat S.  110). 241  §§  26 Abs.  3, 78 Nr.  4 lit.e) DRiG i. V. m. dem jeweiligen Landesrichtergesetz. Siehe dazu Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  26 Rn.  60.

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer dienstlichen Beurteilung (oder sons­ tigen Maßnahme der Dienstaufsicht). Diese ist allerdings eingeschränkt durch die Gestaltungsfreiheit des Dienstherrn bei der Erstellung von Bewertungs­ grundsätzen sowie den Beurteilungsspielraum des Vorgesetzten bei seiner Be­ wertung242. Für Rechtssicherheit sorgt insofern die nunmehr bestehende Rege­ lung des nordrhein-westfälischen NWRiStaG (§  14), welches grundlegende Maßstäbe zum Beurteilungswesen setzt und beispielsweise Vorgaben zum Be­ urteilungsmaßstab enthält243. bb) Beförderung Beförderungssituationen ergeben sich mangels Beförderungsstellen im Rah­ men des deutschen Justizwesens verhältnismäßig selten 244, weshalb Beförde­ rungen nicht – wie teils angeprangert245 – als subtiles Anreizsystem zu verste­ hen sind. Extrinsische Motivationsfaktoren und richterliche Unabhängigkeit stehen sich dabei diametral gegenüber246. Die Beförderung an den obersten Bundesgerichten erfolgt in ministerieller Alleinzuständigkeit durch den zustän­ digen Bundesminister247. Nach einem Besetzungsbericht durch den zuständigen Gerichtspräsidenten, hat der Präsidialrat die Gelegenheit zu einer (unverbind­ lichen) Stellungnahme (§§  55 S.  1, 57 Abs.  1 S.  1 DRiG), bevor das Bundeskabi­ nett gem. §  15 Abs.  2a GO BReg beteiligt wird 248. Ähnlich sind die Beförde­ rungsregelungen auf Landesebene ausgestattet: Die für die Beförderung zustän­ 242  Siehe dazu W. Reimers, Die dienstliche Beurteilung von Richtern in Rheinland-Pfalz, in: K. F. Meyer (Hrsg.), 50 Jahre Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit in Rhein­ land-Pfalz, 1997, S.  673 (686 f.); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  441; I. Meinecke, Be­ trifft Justiz 126 (2006), S.  69 (72); Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht (Fn.  238), §  11 Rn.  60 ff. (327 ff.). 243  Siehe instruktiv T. Trierweiler/T. Baumanns, NWVBl. 2016, S.  52 (54); Baidoo, Beur­ teilung (Fn.  236), S.  110, 131 ff. 244 Vgl. Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  473; v. Bernstorff, Gerichtsverwal­ tung (Einl., Fn.  17), S.  149; ein kritisches Bild aus der gerichtlichen Praxis zeichnet insbeson­ dere Wagner, Wahrheitssuche (Fn.  221), S.  55 ff. 245  So etwa K. F. Piorreck, DRiZ 1993, S.  109 (111), der mit seiner Kritik an der Über­ macht der Gerichtsverwaltung insgesamt übertreibt. 246  Mit einem knappen, aber im Ergebnis stimmigen Plädoyer für die Schaffung zusätzli­ cher „ökonomischer Anreize“ für Richter, effektiver zu arbeiten siehe F. J. Säcker, NJW 2018, S.  2375 (2379). 247 So Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  310 f.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  257. – Mit Kritik an der exekutiven Übermacht siehe H. Weber-Grellet, ZRP 2003, S.  145 (148). – Zu einem europäischen Vergleich, der aufzeigt, dass die Alleinzuständigkeit der ministerialen Ebene eher unüblich ist, siehe G. Oberto, ZRP 2004, S.  207 ff. 248 Siehe zu diesen Verfahrensschritten Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  257. – Vgl. zum Besetzungsbericht Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  98. – Eine Mitwir­

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dige ist in der Regel auch die für die Ernennung zuständige Stelle, mithin der Minister (ggf. in Zusammenwirken mit dem Richterwahlausschuss). Neben dem Präsidialrat (§  75 Abs.  1 DRiG) ist in sechs Bundesländern darüber hinaus der Richterwahlausschuss zu beteiligen 249. Maßgeblich für die Entscheidung sind bisherige Beurteilungen durch den unmittelbaren Vorgesetzten sowie der Besetzungsbericht des übergeordneten Gerichts250. Hinzu kommt die sog. Er­ probung beim Obergericht, die inzwischen gängige Praxis an den Gerichten ist und zumeist über die anschließende Aussicht auf höhere Ämter entscheidet251. Beförderungsentscheidungen werden im Übrigen nicht selten unter politischen Gesichtspunkten gefällt252. Auch das Beförderungswesen wird als potenzielle Gefahrenquelle für die richterliche Unabhängigkeit wahrgenommen, da Beförderungsentscheidungen die gezielte Beeinflussung des richterlichen Entscheidungsverhaltens ermög­ lichen würden 253. Die Beförderungsentscheidung hat jedoch allein nach dem Prinzip der Bestenauslese gem. Art.  33 Abs.  2 GG zu erfolgen 254. Nicht viele Richter haben infolge rar gesäter Aufstiegschancen überhaupt entsprechende Ambitionen. Das Gefahrpotenzial ist insofern marginal.

kung des Richterwahlausschusses ist nach herrschender Ansicht nicht erforderlich, siehe Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  35. 249 Vgl. Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  419; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  44. Dies ist der Fall in Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Rhein­ land-Pfalz und Schleswig-Holstein, vgl. Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  303. Zu den Ländern ohne Beteiligung des vorhandenen Richterwahlausschusses (Bremen, Hes­ sen und Thüringen) siehe Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  354 f., 361 f., 358 f. – Mit Kritik am Ausbau der Beteiligung von Präsidialräten an den Beförderungsentscheidun­ gen siehe D. Saam, DRiZ 2016, S.  54 f. 250  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  419 f. 251 Siehe hierzu H. Schnellenbach, NJW 1989, S.  2227 (2230); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  421 ff. 252  Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  476; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  257, 305. 253  So etwa R. Huhs, Betrifft Justiz 60 (1999), S.  165 (166), der für eine Abschaffung der „richterlichen Karriere“ plädiert; J.-F. Staats, DRiZ 2002, S.  338 ff.; mit nachvollziehbarer Kritik M. Wolf, Ausbildung, Auswahl und Ernennung der Richter. Training, Selection and Appointment of Judges, in: P. Gilles (Hrsg.), Humane Justiz. Justice with a human face, 1977, S.  73 (82); differenziert Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  209 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  419. 254  Der einzelne Richter hat daher grundsätzlich einen Anspruch auf ermessensfehler­ freie Beurteilungsentscheidung durch seinen Dienstherrn, vgl. Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  420; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  304.

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

cc) Dienstaufsicht Die Dienstaufsicht an den obersten Bundesgerichten unterliegt keiner einheit­ lichen Regelung; vielmehr obliegt es jedem Gericht, eigene Vorschriften zu schaffen, weshalb das Dienstaufsichtsrecht insofern sehr unübersichtlich gestal­ tet ist255. Die Dienstaufsicht obliegt prinzipiell den Stellen der Gerichtsverwal­ tung256. Für die obersten Bundesgerichte ergeben sich für jedes Gericht andere Zuständigkeitsregeln; vor allem die Behördenorganisation des Bundesgerichts­ hofs stellt sich als lückenhaft dar. Lediglich das Bundesarbeits- sowie das Bun­ dessozialgericht verfügen über eine klar formulierte Rechtsgrundlage für die Dienstaufsicht257. Das Dienstaufsichtssystem der Landesgerichte ist hierar­ chisch angeordnet: Der jeweils zuständige Ressortminister (Art.  65 S.  2 GG) fungiert als oberste Dienstaufsichtsbehörde. Ihm sind die Gerichtspräsidenten nachgeordnet, die wiederum zuständig sind für die Dienstaufsicht über die Ge­ richte ihres Gerichtsbezirks258. Unter die Dienstaufsicht fallen sämtliche Maßnahmen, welche die Ermög­ lichung und Sicherung der ordnungsgemäßen Führung der Dienstgeschäfte und damit die Gewährleistung einer funktionsfähigen Rechtsprechung bezwe­ cken 259. Die Dienstaufsichtsbehörde übernimmt in diesem Sinne eine Beobach­ tungs- und Berichtigungsfunktion 260. Die Dienstaufsicht umfasst gem. §  26 Abs.  2 DRiG allerdings lediglich die Befugnis, die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und zu ordnungsgemäßer, unver­ zögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen 261. Eingriffsintensivere 255 

Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht (Teil  2, Fn.  715), S.  24 ff.; Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  101 f.; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  26 Rn.  6; Wang, Independence (Fn.  202), S.  141 f., 174 ff.; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  47 ff.; Minkner, Gerichtsver­ waltung (Einl., Fn.  7), S.  258; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  91. 256 Vgl. Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  26 Rn.  6. 257  Siehe §  40 Abs.  2 S.  1 und 2 ArbGG sowie §  38 Abs.  3 S.  1 und 2 SGG. Im Detail siehe Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht (Teil  2, Fn.  715), S.  27 f.; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  48 f. 258  Siehe zu den Zuständigkeiten im Detail Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  4 42; Oestreicher/Decker/Konrad (Teil  2, Fn.  120), §  38, 2. Dienstaufsicht; ausführlich SchmidtRäntsch (Teil  1, Fn.  36), §  26 Rn.  8 ff.; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  45. 259  Siehe im ersten Zugriff Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht (Teil  2 , Fn.  715), S.  25 ff.; H.-J. Papier, NJW 1990, S.  8 (9); Oestreicher/Decker/Konrad (Teil  2, Fn.  120), §  38, 2. Dienstaufsicht; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  469; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  26 Rn.  5; Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  486 f.; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  44. 260  S. Haberland, DRiZ 2002, S.  301 (304); Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  26 Rn.  5; Wang, Independence (Fn.  202), S.  177 ff.; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  44. 261  Siehe im Detail zum Vorhalt und zur Ermahnung Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  470; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  47 (Vorhalt), 48 (Ermahnung);

A. Die Verwaltung deutscher Gerichte

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Maßnahmen der Dienstaufsicht sind nicht zulässig262. Eingeschränkt wird die Befugnis zur Dienstaufsicht über Richter durch deren Unabhängigkeit im Rah­ men ihrer Rechtsprechungstätigkeit (§  26 Abs.  1 DRiG)263. Bei der Dienstauf­ sicht handelt es sich mit Blick auf die richterliche Unabhängigkeit um ein in besonderem Maße empfindliches Thema, da sich die sachliche Unabhängig­ keitsgarantie des Art.  97 Abs.  1 GG grundsätzlich gegen jegliche Überwachung und Beanstandung der richterlichen Tätigkeit sperrt264. Im Sinne der Kern­ bereichslehre kann eine uneingeschränkte Dienstaufsicht somit lediglich im Be­ reich der äußeren Ordnung erfolgen 265. Jedenfalls ist die Dienstaufsicht zuläs­ sig, wenn es um die Sicherung eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs oder die äußere Form der Erledigung der Amtsgeschäfte geht266. Im kritischen Be­ reich befindet sich insofern die Erhebung von Daten zu Erledigungszahlen und der regelmäßige Vorhalt von entsprechenden Statistiken. Solche Programme und darauf basierende Gespräche mit Vorgesetzten stoßen bei vielen Richtern auf Widerstand 267. Bei dienstaufsichtsrechtlichen Maßnahmen, die geeignet sind, den Richter in seiner Unabhängigkeit zu verletzen, steht dem Richter gem. §  26 Abs.  3 DRiG der Rechtsweg zu den Dienstgerichten offen 268. v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  91; L. C. Faissner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  269 ff. – Siehe zu der Frage, ob sich ein Richter am Durchschnitt der Erledi­ gungszahlen an seinem eigenen Gericht messen lassen muss, ablehnend F. Wittreck, DRiZ 2013, S.  60 f.; a. A. H. Forkel, DRiZ 2013, S.  132 f. 262  Schwächere Maßnahmen als Vorhalt und Ermahnung (wie Hinweise, Belehrung, Un­ terrichtung, ein kollegiales Gespräch und vor allem Beobachtungsmaßnahmen) sind unter Abwägung mit der Unabhängigkeitsgarantie zulässig. Siehe dazu Wolf, Gerichtsverfassungs­ recht (Teil  1, Fn.  117), S.  196, 198 f.; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  52; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  91. 263  Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht (Teil  2 , Fn.  715), S.  1 ff., 24 ff.; Wolf, Gerichtsverfas­ sungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  195 ff.; Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  104 ff.; Schilken, Ge­ richtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  469; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  26 Rn.  17; Wang, Independence (Fn.  202), S.  174 f.; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  33. 264  Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  195 ff.; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  26 Rn.  2. 265  Im Zusammenhang mit der Dienstaufsicht siehe zur richterlichen Unabhängigkeit und Kernbereichslehre Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht (Teil  2, Fn.  715), S.  33 ff., 61 ff.; H.-J. Papier, NJW 1990, S.  8 (10); Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  469; SchmidtRäntsch (Teil  1, Fn.  36), §  26 Rn.  22 ff., 34. 266  Im Detail zu zulässigen Maßnahmen der Dienstaufsicht siehe Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  33 f. 267 Vgl. v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  206. Siehe zu entsprechenden Evaluationsmöglichkeiten im Detail Kap.  5 B. IV. 3. (unter dem Gesichtspunkt der richter­ lichen Unabhängigkeit). 268  Siehe zu den Voraussetzungen des §  26 Abs.  3 DRiG Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht (Teil  2, Fn.  715), S.  28 ff.; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  471. – Eine

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

dd) Disziplinarwesen Das Disziplinarrecht gegen die Richter der obersten Bundesgerichte richtet sich gem. §  63 Abs.  1 DRiG nach den einschlägigen Vorschriften des Bundesdiszipli­ nargesetzes (BDG). Abwandlungen ergeben sich lediglich aus §  63 Abs.  2 DRiG sowie §  64 Abs.  1 und 2 DRiG269. Das Disziplinarverfahren unterteilt sich in zwei Schritte: Zunächst wird durch den Dienstvorgesetzten, mithin den aufsichtsfüh­ renden Präsidenten, die Ermittlung eingeleitet (§  63 Abs.  1 DRiG i. V. m. §§  17 ff. BDG)270. Die folgenden Konsequenzen richten sich nach der Schwere des (ver­ meintlichen) Dienstvergehens. Es besteht zum einen die Möglichkeit zum Erlass einer Dienstverfügung gegen den betroffenen Richter (§  33 Abs.  1 BDG) und zum anderen kann eine Disziplinarklage (§  34 BDG) zum Richterdienstgericht einge­ reicht werden, §  63 Abs.  2 i. V. m. §  62 Abs.  1 Nr.  1 DRiG271. Das Disziplinarrecht der Landesrichter ist dem des Bundes stark angenähert; dies ergibt sich aus dem Erfordernis des §  83 DRiG272. Rechtsschutzmöglichkeiten stehen dem betroffenen Richter vor den Dienstgerichten zur Verfügung; gegen ei­ nen disziplinarischen Verweis ist indessen der Verwaltungsrechtsweg eröffnet273. Das materielle Disziplinarrecht ist im Deutschen Richtergesetz nicht nor­ miert. Das Dienstvergehen ergibt sich aus der Umschreibung der Verletzung der Dienstpflichten gem. §  77 Abs.  2 BBG274. Danach begeht ein Dienstvergehen, wer schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Disziplinarische Maß­ nahmen sind insgesamt eher selten und beschränken sich auf Fälle massiver Dienstvergehen, die sich beispielsweise in verbalen Exzessen äußern können 275. unzulässige Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit durch Dienstaufsichtsmaß­ nahmen wird indessen von den Richterdienstgerichten verhältnismäßig häufig angenommen, vgl. Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  35. 269  Siehe im Überblick C. Müller-Eising, NJW 2001, S.  3587 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  315; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  63 Rn.  2; Fuchs, Verfassungsmäßig­ keit (Einl., Fn.  7), S.  50 f.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  259 f. 270  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  316; Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  491; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  259; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  92. 271  In Abwandlung von §  5 Abs.  1 BDG kann das Richterdienstgericht des Bundes aller­ dings gegen die Richter der obersten Bundesgerichte nur einen Verweis, eine Geldbuße oder die Entfernung aus dem Dienst anordnen, siehe dazu Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  316; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  64 Rn.  2 ff., 6; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  50 f. – Ausführlich zum Disziplinarverfahren J. Thomas, Richterrecht, 1986, S.  155 ff. 272  Siehe so auch Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  307 f. 273  Siehe zu den Rechtsschutzmöglichkeiten Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  316 f.; Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  63 Rn.  6, 26 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  260. 274  Siehe im Detail Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), Vorb. §  63 (RiDiszR) Rn.  1 ff. 275 Vgl. Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  484, 493 f.

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c) Geschäftsverteilung Die Organisationshoheit des Bundesverfassungsgerichts sowie der Landesver­ fassungsgerichte bezieht die Befugnis zur Geschäftsverteilung bereits von Ge­ setzes wegen ein 276. Im Rahmen der ordentlichen sowie der Fachgerichtsbarkeit ist es Aufgabe der Präsidien, die Richterdienstgeschäfte nach pflichtgemäßem Ermessen durch Erstellung eines Geschäftsverteilungsplanes zu verteilen (§  21e GVG)277. Konkret handelt es sich um die Entscheidung über die Besetzung der Spruchkörper und die Verteilung der Geschäfte auf diese278. Überdies gibt es an größeren Gerichten kammerinterne Verteilungspläne. Bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplanes handelt es sich zwar faktisch um Verwaltungstätig­ keit; da sie weisungsfrei gestellt ist, unterfällt sie dennoch der richterlichen Un­ abhängigkeit und kann daher der Gerichtsverwaltung nicht zugeordnet wer­ den 279. Der Geschäftsverteilungsplan bezweckt primär die Gewährleistung des gesetzlichen Richters i. S. d. Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG. Durch die im Voraus vor­ genommene, objektive Entscheidung anhand abstrakt-genereller Verteilungs­ kriterien soll jegliche Manipulation bei der Besetzung der Spruchkörper verhin­ dert werden 280. Der gesetzliche Richter wird durch den Geschäftsverteilungs­ plan grundsätzlich abschließend bestimmt281; es begründet sich mit der Zuweisung das Recht auf einen Richter während der Dauer des gesamten Ver­ fahrens, sodass personelle Änderungen nur eingeschränkt zulässig sind282. Än­ 276  Siehe zu den zwei Stufen der Geschäftsverteilung am Bundesverfassungsgericht hier nur v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  118 f. Siehe ferner J. Selder, ZRP 2011, S.  164 f.; Benda/Klein (Teil  3, Fn.  30), §  4 Rn.  110; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  47; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  240 f., 268 f. 277  §  21e GVG gilt über §  6a ArbGG, §  4 FGO, §  6 SGG und §  4 VwGO auch innerhalb der entsprechenden Fachgerichtsbarkeiten, siehe A. Wichmann/M. Schubert, NVwZ 1996, S.  971 (971); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  358 ff.; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  51 (für die obersten Bundesgerichte), 54 f. (für die Landesgerichte); Minkner, Ge­ richtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  245. – Zum Programm der Personalbedarfs- und -vertei­ lungsberechnung PEBB§Y siehe bereits Kap.  4 A. III. 3. c). 278  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  358; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  368. 279  BGHZ 46, 147; Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  137; H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1090); Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  52; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  21e Rn.  20. 280  Siehe BVerfG NJW 2009, S.  1734 f.; P. Bockelmann, JZ 1952, S.  6 41 (643); C. Gloria, NJW 1989, S.  445 (445); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  358 f.; Schilken, Gerichtsver­ fassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  367; J. Selder, ZRP 2011, S.  164 (164); Fuchs, Verfassungs­ mäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  52. 281  Vgl. BayVerfGH BayVBl. 1984, S.  716 (717); C. Gloria, NJW 1989, S.  4 45 (445). 282  Gleichsinnig bereits P. Bockelmann, DÖV 1953, S.  525 (526). Eine willkürliche Zu­ ständigkeitsverschiebung ist unzulässig, siehe BVerfG NJW 2009, S.  1734. – Mängel bei der

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

derungen des Geschäftsverteilungsplanes sind in den engen Grenzen des §  21e Abs.  3 S.  1 GVG möglich, bedeuten jedoch einen ungleich hohen Aufwand 283. Es zeichnet sich insbesondere in der Verwaltungsgerichtsbarkeit dennoch eine bedarfsorientierte Praxis der Anpassung eines Geschäftsverteilungsplanes im laufenden Geschäftsjahr ab, um eine Entlastung überlasteter Spruchkörper zu ermöglichen. Personalbedarfsberechnungen (sog. Pensenschlüssel) und entsprechende Verteilungsprogramme wie PEBB§Y, die für personalwirtschaftliche Zwecke auf Ebene der Länder erarbeitet sowie getestet worden und inzwischen aus dem Gerichtsalltag nicht mehr wegzudenken sind 284, können dem für die Geschäfts­ verteilung zuständigen Präsidium indessen allenfalls Anhaltspunkte für eine Schätzung des zu erwartenden zukünftigen Geschäftsanfalls geben, um die Zu­ weisung von Richtern an die einzelnen Spruchkörper und eine Aufgabenvertei­ lung vorzunehmen 285. Als ein verbindliches Richtmaß für die Geschäftsvertei­ lung scheidet eine automatisierte Bedarfsberechnung bereits wegen des zu gro­ ben Rasters aus, das die individuellen Eigenheiten der zu besetzenden Gerichte unberücksichtigt lässt286. Von Seiten der Richter wird zurecht eingewandt, dass jeder zu entscheidende Fall individuell zu beurteilen ist und die Verfahrens­ dauer stets variiert. Sie können kaum sachgerecht prognostiziert werden 287. Überdies werden die Bedarfsverhältnisse nur ex post und zum Teil ungenau abgebildet; das Präsidium muss jedoch insbesondere aktuelle Strukturverände­ Auslegung und Anwendung des Geschäftsverteilungsplans sind indessen nur dann als Ver­ fassungsverstoß zu werten, wenn „sie auf unvertretbaren, mithin sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruhen.“ Siehe BVerwG NVwZ 2015, S.  1695 ff. 283  Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  21e Rn.  108 ff. 284 Vgl. L. Sprickmann Kerkerinck, DRiZ 2015, S.  242 (242). Siehe zunächst das sich an die PEBB§Y (I) Studie sowie das Zusatzprojekt PEBB§Y II anschließende und im Oktober 2005 vorgelegte Gutachten der Deloitte Consulting GmbH zur „Erarbeitung eines Systems der Personalbedarfsberechnung für alle Berufsgruppen des richterlichen und nichtrichter­ lichen Dienstes in den Fachgerichtsbarkeiten der Bundesrepublik Deutschland – Projekt PEBB§Y Fach“; dazu Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  359 f., 412; zu PEBB§Y II siehe auch L. Sprickmann Kerkerinck, DRiZ 2015, S.  242 ff. Zur PEBB§Y-Fortschreibung im Jahre 2014 siehe E. Sift, DRiZ 2013, S.  120 f.; L. Sprickmann Kerkerinck, DRiZ 2014, S.  6 ff.; zu­ sammenfassend S. Rebehn, DRiZ 2015, S.  171; Müller, Rahmen (Teil  2, Fn.  133), S.  168 ff. 285  So auch OVG Münster NJW 2002, S.  1592 f.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  412; L. Sprickmann Kerkerinck, DRiZ 2015, S.  242 (245); Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  21e Rn.  85 und §  22 Rn.  19. 286  Siehe hier nur OVG Münster, NJW 2002, S.  1592 f. Sinnvoller wäre vielmehr eine gerichtsbezogene, automatisierte Gewichtung und Verteilung des Geschäftsanfalls, vgl. ­ A. Wichmann/M. Schubert, NVwZ 1996, S.  971 ff.; Müller, Rahmen (Teil  2, Fn.  133), S.  180 f. 287  BVerfGE 55, 349 (369). Überdeutliche Worte findet insbesondere T. Schulte-Kellinghaus, Betrifft Justiz 100 (2009), S.  172 (172 f.). Er bezeichnet PEBB§Y als „wertlos und überflüssig“ (Zitat auf S.  172); differenziert hingegen F. Wittreck, Betrifft Justiz 118 (2014), S.  67 (74).

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rungen im Geschäftsanfall berücksichtigen können, ohne sich bei der Bewer­ tung und Prognose der anfallenden Geschäfte in ein automatisiertes Korsett zwängen zu lassen 288. Die Verbindlichkeit automatisch berechneter Pensen­ schlüssel muss zudem an der Garantie der richterlichen Unabhängigkeit schei­ tern, wenn die tatsächlichen Erledigungszahlen als Maßstab für die Prognose der erwartbaren Erledigungen im neuen Geschäftsjahr herangezogen werden und so einzelne Spruchkörper zu besseren Erledigungsquoten angehalten und faktisch diszipliniert werden 289. Nichtsdestotrotz sind mit der PEBB§Y-Fort­ schreibung 2014 positive Rückmeldungen aus der Richterschaft zu verbuchen, die sich vermutlich einen Vorteil in der Mitteleinwerbung verspricht und daher eine eher funktional orientierte Unterstützung der Erfassung postuliert290. 4. Finanzverwaltung Lediglich das Bundesverfassungsgericht verfügt über eine eigene Budgetauto­ nomie und stellt gem. §  1 Abs.  2 GO BVerfG seinen Haushaltsplan auf291. Dieser wird nicht durch das Bundesjustizministerium verwaltet292. Die einfachen Bun­ desgerichte hingegen verfügen über keinen eigenen Haushalt; er wird stattdes­ sen durch eines der Kapitel in den Einzelplänen der jeweiligen Ressort­minister gebildet293. Zur Vorbereitung des Haushaltes werden die Gerichtspräsidenten vom Finanzminister zu einer Bedarfsanmeldung aufgefordert, die in der Praxis regelmäßig die dem Finanzministerium zur Verfügung stehende Finanzmasse übersteigt und daher intern noch angepasst wird 294. Die nachfolgenden Budget­ verhandlungen mit dem Haushaltsauschuss gestalten sich für die Haushaltsrefe­ 288 Gleichsinnig

Stelkens/Clausing (Teil  1, Fn.  197), §  4 Rn.  56. So auch A. Wichmann/M. Schubert, NVwZ 1996, S.  971 (974). – Unbenommen bleibt es dem dienstaufsichtsführenden Präsidenten selbstverständlich, allgemeine Ursachen für Verzögerungen in der Fallbearbeitung anzusprechen und auf eine Verbesserung der Übung zu bestehen, wenn das bisherige Vorgehen nicht der Prozessordnung entspricht, siehe dazu BGH NJW 1985, S.  1471 ff.; Erledigungszahlen dürfen überdies im Rahmen der Dienstauf­ sicht, so auch bei einer Beurteilung, erörtert werden, vgl. BGH NJW 1988, S.  419 (420). 290  Vgl. dazu die Übersicht über die PEBB§Y-Fortschreibung 2014 des DRB (abrufbar unter https://www.drb.de/fileadmin/DRB/pdf/Belastung/150410_PEBBSY_Hauptband.pdf, 19.3.2020). 291  Dies erfolgt als selbst aufgestellter „Gerichtseinzelplan“. Siehe Fuchs, Verfassungsmä­ ßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  55; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  240; Bethge (Teil  3, Fn.  32), §  1 Rn.  39. 292 Siehe näher zur Autonomie des Bundesverfassungsgerichts Benda/Klein (Teil  3, Fn.  30), §  4 Rn.  110; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  55 f. 293  Zur Finanzverwaltung der Bundesgerichte im Überblick H. Triller, Die innere Organi­ sation des Bundesfinanzhofs, in: F. Klein/K. Vogel (Hrsg.), FS Hugo von Wallis, 1985, S.  107 (114 f.); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  319 f. 294 Vgl. W. Patzig, Haushaltsrecht des Bundes und der Länder, Bd.  1, 1981, Rn.  113; 289 

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

renten des Fachressorts dementsprechend prekär295. Die Haushaltsverwaltung übernimmt der Gerichtspräsident, der allerdings bei der Verteilung der bereitge­ stellten Mittel an die zuvor fixierten Vorgaben des Einzelplans gebunden ist. Wegen des Jährlichkeitsprinzips dürfen unverbrauchte Mittel nicht mit in das folgende Geschäftsjahr übernommen werden 296. Dieses Flexibilitätsproblem ist an den obersten Bundesgerichten weniger deutlich ausgeprägt als an den Gerichten auf Länderebene, wo die herkömmli­ che Struktur der Finanzverwaltung im Rahmen von Reformen des Neuen Steu­ erungsmodells durch eine dezentrale Budgetierung ersetzt wurde297. Das her­ kömmliche Verfahren der Haushaltsplanung deckt sich im Wesentlichen mit der Mittelbereitstellung an den obersten Bundesgerichten. Die Befugnis zur Be­ wirtschaftung der zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel steht wiederum den jeweiligen Gerichtspräsidenten zu298. Die Einschränkungen, die sich aufgrund der detaillierten Zweckbestimmung der Mittel sowie des nahezu vorprogram­ mierten Verfalls der bis zum Jahresende unverwendet gelassenen Gelder erge­ ben, sind an den Gerichten der Bundesländer ungleich höher als an den obersten Bundesgerichten, da die Landesgerichte über deutlich größere Bearbeitungs­ zahlen verfügen 299. Schwerwiegendste Konsequenz des Mittelverfalls aus dem ablaufenden Haushaltsjahr ist insofern die wahrscheinliche Herabsetzung des Haushaltes für das Folgejahr300. Eine Reform des Haushaltswesens schien daher unausweichlich. Durch die Implementierung des Neuen Steuerungsmodells wurde die starre Titelgebundenheit abgeschafft und durch eine dezentrale Bud­ getierung ersetzt, die eine eigenständige, flexible Verteilung der Mittel mit einer sinnvolleren Schwerpunktsetzung intendierte301. Die notwendige Kostentrans­ Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  319. Zur Rolle des Bundesministers für Finanzen M. Heintzen, HStR³ V, §  120 Rn.  62; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  56. 295  Zu den Haushaltsverhandlungen M. Heintzen, HStR³ V, §  120 Rn.  62; zum weiteren Verfahren siehe im Detail Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  56 f. 296  Siehe hier nur Zimmermann (Teil  1, Fn.  4), §  21e GVG Rn.  20; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  21e Rn.  97. 297  A. Lasar, Verwaltung & Management 2010, S.  1 (12 ff.); Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  55, 58 ff. 298  Siehe im Überblick zur Finanzverwaltung der Landesgerichte Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  464 ff. – Die Finanzverwaltung der Gerichte Nordrhein-Westfalens richtet sich im Wesentlichen nach der LHO NW und den nach §  5 LHO NW erlassenen Verwal­ tungsvorschriften. 299  Instruktiv zu diesem Problem und zum sog. Dezemberfieber Fuchs, Verfassungsmäßig­ keit (Einl., Fn.  7), S.  58; H. Kube, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art.  110 (2013), Rn.  121 f. 300  Mit Kritik dazu W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1996, S.  169 (171). 301  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  474 f.; B. Kramer, NJW 2001, S.  3449 (3449 f.); dies., NJW 2009, S.  3079 (3083 f.).

A. Die Verwaltung deutscher Gerichte

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parenz und ein effektiverer Mitteleinsatz sollen darüber hinaus durch ein an der Kosten-Leistungs-Rechnung orientiertes Controlling erreicht werden302. Die Umstellung auf eine dezentrale Ressourcenverwaltung wurde an den Gerichten der Bundesländer in den letzten Jahren stetig vorangetrieben303, scheint aktuell allerdings zu stagnieren304. IV. Selbstverwaltungsbestrebungen der Richterschaft vs. Justizmanagement Aktuelle Brisanz und eine politische Dimension erhält das Thema der Gerichts­ verwaltung vor allem durch Bestrebungen und Forderungen der Richtervereini­ gungen – primär jedoch des DRB – nach einer sich selbst verwaltenden Justiz305. Die Anbindung der Gerichte an die Verwaltung der Justizministerien hat seit geraumer Zeit wegen der ausgeprägten Einwirkungsmöglichkeiten der Exeku­ tive auf die Justiz von Teilen der Richterschaft – insbesondere vom DRB und NRV – verstärkt Kritik erfahren306. Nicht ausreichend berücksichtigt werden teil­ weise allerdings die Interdependenzen der Vorgaben des Demokratieprinzips mit dem existierenden Gerichtsverwaltungsmodell unter Führung der Exekutive307. 302  B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (296); W. Damkowski/J. Precht, NVwZ 2005, S.  292 f.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  475; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  59 f. 303  Siehe beispielhaft die Einführung von §  17a LHO NW. 304 Zusammenfassend zu den Entwicklungen in den unterschiedlichen Bundesländern B. Kramer, NJW 2001, S.  3449 (3449 f.); W. Damkowski/J. Precht, NVwZ 2005, S.  292 (292); Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  60 ff. Siehe weiterhin N. Krieger, Kontrakt­ management in der Justiz. Eine institutionenökonomische Analyse, 2007, S.  13; M. Worms/ E. Tegeler, DÖV 2010, S.  542 (552). 305  Vgl. im Überblick (vor allem zur Kritik) G. Mackenroth/H. Teetzmann, ZRP 2002, S.  337 (338); G. Mackenroth, DRiZ 2009, S.  79 (80); Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  461 ff.; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  26 f., 137 ff.; siehe auch den „Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes – Herstellung der institutio­ nellen Unabhängigkeit der Justiz“ (BT-Drs. 17/11701) sowie den „Entwurf eines Gesetzes zur Herstellung der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz“ (BT-Drs. 17/11073) der Fraktion im Bundestag „Die Linke“ vom 28. November 2012. 306  Siehe zusammenfassend zur Kritik Hopfauf (Teil  1, Fn.  11), Vorb. v. Art.  92 Rn.  84; vgl. zum Stand der Diskussion U. Domgörgen, BDVR-Rundschreiben 3/2008, S.  103 ff.; U. Hochschild, ZRP 2011, S.  65 ff.; L. Lütgens, ZRP 2009, S.  82 ff.; zu Lütgens’ Beitrag siehe D. Gruber, ZRP 2009, S.  123 f.; B. Kramer, NJW 2009, S.  3079 ff. Siehe ferner H. Kintzi, DRiZ 2002, S.  405 (406); H. Weber-Grellet, DRiZ 2012, S.  2 ff.; M. Jeschke, KritV 93 (2010), S.  233 ff.; T. Schulte-Kellinghaus, KritV 93 (2010), S.  256 ff.; C. Sennekamp, NVwZ 2010, S.  213 ff.; O. Mallmann, Zur Tätigkeit des Consultative Councils of European Judges (CCJE), in: G. Jochum/W. Fritzemeyer/M. Kau (Hrsg.), FS Kay Hailbronner, 2013, S.  479 (v. a. 488 ff.); ausführlich auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  655 ff. sowie zu den Gesetzesentwür­ fen der NRV Cebulla/Kannenberg, Selbstverwaltung (Einl., Fn.  52), S.  31 ff. 307 So H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2589); C. Sennekamp, NVwZ 2010, S.  213 (215);

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

Der BDVR hingegen ist mit entsprechender Kritik verhältnismäßig sparsam. Wenn Forderungen nach einer selbstverwalteten Richterschaft geäußert werden, stehen hierbei in erster Linie Bestrebungen im Vordergrund, die Unabhängigkeit der richterlichen Arbeitsweise stärker zu verwirklichen und die Justiz von äuße­ ren Einflüssen abzuschotten308. Erfahrungen in der Praxis zeigen im Übrigen, dass zumindest die Mehrheit der Verwaltungsrichter die angestrebten Moderni­ sierungen nur als notwendiges Übel ansieht, das es gleichwohl zu bewältigen gilt. Nicht weniger hitzig wurde die Diskussion um die Einführung des Neuen Steuerungsmodells in die Justiz geführt309. Die Implementierung betriebswirt­ schaftlicher Steuerungsmethoden in die Gerichtsverwaltung mit dem Ziel der Modernisierung der Justiz ist in der Finanzverwaltung der Länder bereits weit fortgeschritten und hat zu Erfolgen im Hinblick auf die Flexibilisierung des Mitteleinsatzes in der Justiz geführt310. Im Zentrum des Neuen Steuerungsmo­ dells steht indessen neben der Einführung von Kosten-Leistungs-Rechnung und Controlling die generelle Modernisierung der Justiz. Die Einführung eines pro­ fessionellen Justizmanagements zur Qualitätssicherung stößt vor allem bei der Richterschaft auf wenig Gegenliebe, da ein Eingriff in die richterliche Unabhän­ gigkeit zu befürchten steht311. Im Zusammenhang mit dem Justizmanagement und dem Neuen Steuerungsmodell wird daher eine partielle Selbstverwaltung der Gerichte thematisiert312 , weshalb beide Reformmodelle hier gemeinsam be­ leuchtet werden. Die Selbstverwaltungsmodelle des DRB sowie der NRV sollen im Folgenden mit Blick auf ihre Verfassungsmäßigkeit kurz dargestellt werden (1.)313. Im Fo­ Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  463; anschaulich Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  85, 154 ff. 308  Umgekehrt ist Kern der Kritik, dass die jetzige Vorherrschaft der Exekutive im Rah­ men der Gerichtsverwaltung eine eklatante Gefahr für die richterliche Unabhängigkeit dar­ stelle. Siehe U. Hochschild, Betrifft Justiz 2005, 18 (20); T. Steffen, ZRP 2008, S.  208 (209). 309 Zusammenfassend B. Kramer, NJW 2001, S.  3449 ff. 310  Siehe dazu bereits Kap.  2 C. 1. a) bb) (2) (a). 311  Mit Kritik siehe hier nur M. Bertram, DRiZ 1998, S.  506; J. Berchtold, NZS 2011, S.  401 (405 f.); zusammenfassend zu den Reaktionen der Justiz B. Kramer, NJW 2001, S.  3449 (3450 f.); differenziert J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 (459 f.); verneinend zur Übertragbarkeit betriebswirtschaftlicher Modelle auf die Gerichtsverwaltung Voßkuhle, Pro­ dukt (Teil  2, Fn.  767), S.  49 f. – Zu einem prekären Thema im Zusammenhang mit der Moder­ nisierung der Justiz und der richterlichen Unabhängigkeit nehmen überdies Stellung T. Süptitz/T. Eyermann, IT-Outsourcing für die Justiz: Ein Eingriff in die richterliche Unabhängig­ keit, in: M. Räckers u. a. (Hrsg.), Digitalisierung von Staat und Verwaltung, 2019, S.  13 ff. 312  J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 (460 f.). 313  Rechtspolitische Erwägungen der Zweckmäßigkeit einer richterlichen Selbstverwal­ tung bleiben dabei außer Betracht. Es empfiehlt sich die Lektüre von Fuchs, Verfassungsmä­ ßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  173 ff.; F. Wittreck, VVDStRL 74 (2015), S.  115 (156 ff.).

A. Die Verwaltung deutscher Gerichte

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kus dieser Arbeit steht aufgrund der Nähe zum U.S.-amerikanischen Court ­Management das Grundmodell der Justizverwaltung, welches durch das Neue Steuerungsmodell vorgesehen ist (2.). Es wird überdies ein Konzept der Einglie­ derung eines Gerichtsmanagers in eine Selbstverwaltungsstruktur vertreten (3.). 1. Selbstverwaltungsmodelle Die Bestrebungen, eine selbstverwaltete Justiz zu etablieren, konzentrieren sich vor allem auf die Bereiche der Personal- sowie der Finanz- bzw. Haushaltsver­ waltung314. Mit Blick auf Befürchtungen, durch das bestehende System der Ge­ richtsverwaltung in Deutschland werde die richterliche Unabhängigkeit be­ schränkt oder sogar unterdrückt315, ist diese Bestrebung mitunter durchaus kon­ sequent. Die Idee der Selbstverwaltung ist hier – wie bei der kommunalen Selbstverwaltung – tragender Grund rechtlicher Verselbstständigung der Auf­ gabenwahrnehmung. Es wird insofern üblicherweise eine Verwaltung eigener Angelegenheiten in weitgehend eigener Verantwortung angestrebt316. Termino­ logisch ist die „Selbstverwaltung“ in diesem Zusammenhang allerdings nicht in ihrem ursprünglichen Wortsinn zu verstehen, mithin verbürgt sie keine Forde­ rung nach einer automatisierenden Entstaatlichung der Gerichtsbarkeit in recht­ lich verselbstständigte Aufgabenträger317. Der Begriff ist vielmehr untechnisch zu verstehen und steht für eine Schaffung möglichst weitgehender Unabhängig­ keit der gerichtlichen Organisation. Teilweise wird präziser von einer „Emanzi­ pation der Dritten Gewalt“318 gesprochen, die sich von den Justizministerien loszulösen habe, denen die Gerichtsverwaltung aufgrund maßgeblicher verwal­ tender Beteiligung theoretisch sowie praktisch untergeordnet ist319. 314 

Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  24, 33. So bspw. der ganz grundlegende Tenor bei H. Weber-Grellet, DRiZ 2006, S.  22 (24 f.); ders., ZRP 2003, S.  145 ff. Der Beitrag von K. F. Piorreck, DRiZ 1993, S.  109 ff. ist indessen ein gutes Beispiel dafür, dass sich Autoren zu diesem Thema bisweilen zu Recht übertriebe­ nen Schlussfolgerungen neigen. 316  F.-L. Knemeyer, Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Selbstverwaltungs­ rechts der Gemeinden und Landkreise, in: A. v. Mutius (Hrsg.), Festgabe Georg-Christoph v. Unruh, 1983, S.  209 (210 ff.); R. Hendler, Selbstverwaltung als Ordnungsprinzip. Zur politi­ schen Willensbildung und Entscheidung im demokratischen Verfassungsstaat der Industrie­ gesellschaft, 1984; ders., HStR² IV, §  106 Rn.  2 ff., 12 ff., 67 ff.; Kluth, Selbstverwaltung (Teil  2, Fn.  252), S.  30 ff.; W. Krebs, HStR³ V, §  108 Rn.  23. 317  Zusammenfassend zum Folgenden Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  23. Siehe auch Ipsen, Selbstverwaltung (Teil  2, Fn.  335), S. C 5, C 9; U. Scheuner, DÖV 1953, S.  517 (522); mit Kritik zum ungenauen Begriff der „Selbstverwaltung der Gerichte“ vgl. hier nur O. Kollmann, DÖV 1953, S.  600 (600). 318 So Ipsen, Selbstverwaltung (Teil  2 , Fn.  335), S. C 5, C 9. 319 Vgl. Papier, Selbstverwaltung (Teil  2 , Fn.  638), S.  187. 315 

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

Die Forderung nach einer sich selbst verwalteten Justiz nimmt ihre Anfänge bereits in der Zeit zwischen 1933 und 1945320. Nachdem van Husen 1951 bereits mit deutlichen Worten eine Personal- und Haushaltsautonomie der Justiz gefor­ dert321 und sich 1953 der Deutsche Juristentag mit dem Verhältnis von richter­ licher Unabhängigkeit und einer Selbstverwaltung der Justiz im Hinblick auf Personalentscheidungen befasst hatte322 , hat die Debatte um die Selbstständig­ keit der Justiz seit der Jahrhundertwende einen neuen Aufschwung bekommen: Sorgenvoll äußerte sich beispielsweise Macke und sah „die Dritte Gewalt als Beute der Exekutive in babylonischer Gefangenschaft“323. Auch Hochschild konstatierte eine Fremdbestimmung der Justiz durch eine auf ihren Machterhalt fixierte Exekutive324. Der 64. Deutsche Juristentag in Berlin beschäftigte sich 2002 abermals mit Fragen der Selbstverwaltung für die Justiz325. Röhl sprach sich in einem begleitenden Aufsatz für das Wagnis der Selbstverwaltung der Justiz aus und konzentrierte sich gleichzeitig auf das Ziel der Modernisierung der Gerichte326. Kürzlich beschäftigte sich schließlich die Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer im Oktober 2014 auf ihrer Jahrestagung intensiv mit der Justiz327. Kritik an den Selbstverwaltungsbestrebungen übte fast von 320 

Dies wird herausgearbeitet von Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  644 ff., der erste Ansätze einer entsprechenden Justizreformagenda bereits in der Kaiserzeit ausmacht (S.  642 ff.). 321  P. v. Husen, AöR 78/N.F. 39 (1952/53), S.  49 (59); ähnlich im Hinblick auf Personalsa­ chen auch K. F. Frhr. v. Schowingen, DÖV 1953, S.  531 ff.; zur geforderten Haushaltsautono­ mie siehe O. Kollmann, DÖV 1953, S.  600 (601); siehe aus heutiger Perspektive hier nur K. F. Röhl, JZ 2002, S.  838 (838 f.); aufgegriffen wird dies auch von U. Hochschild, Betrifft Justiz 81 (2005), S.  18 (21). 322  Als Befürworter einer vorsichtigen, moderaten Erweiterung der richterlichen Selbst­ verwaltungsstrukturen stellte sich Ipsen, Selbstverwaltung (Teil  2, Fn.  335), S. C 5 ff. dar; siehe allgemein aus dieser Zeit zur Selbstverwaltungsdebatte auch P. Bockelmann, DÖV 1953, S.  525 ff. – Bis jetzt sind die Personalfragen um Richterbestellung und Beförderungs­ entscheidungen zentraler Gegenstand der Selbstverwaltungsdebatte, vgl. T. Steffen, ZRP 2008, S.  208 (209). 323  P. Macke, DRiZ 1999, S.  481 (485); eine ähnlich schwache Stellung wird der Justiz auch von H. Weber-Grellet, DRiZ 2006, S.  22 (24) beschieden. 324  U. Hochschild, Betrifft Justiz 81 (2005), S.  18 ff.; ähnlich weiterhin ders., ZRP 2011, S.  65 ff. 325  Siehe insbesondere die Beiträge von Hoffmann-Riem, Selbständigkeit (Teil  2 , Fn.  272), S. Q 11 ff. und G. Mackenroth, Mehr Selbständigkeit für die Dritte Gewalt?, in: ebda., S. Q 33 ff. sowie von F. Busse, Mehr Selbständigkeit für die Dritte Gewalt?, in: ebda., S. Q 43 ff. Siehe zur inhaltlichen Debatte die Zusammenfassung der Diskussionen bei H. Kintzi, DRiZ 2002, S.  405 (405 f.); L. M. Peschel-Gutzeit, DRiZ 2002, S.  345 (347 ff.). 326  K. F. Röhl, JZ 2002, S.  838 (843 ff.). – Ähnlich auch T. Schulte-Kellinghaus, ZRP 2008, S.  205 ff.; Groß, Expectations (Teil  2, Fn.  550), S.  38 ff. 327  Siehe die Referate von F. Wittreck, VVDStRL 74 (2015), S.  115 ff. und F. Brosius-Gersdorf, VVDStRL 74 (2015), S.  169 ff.

A. Die Verwaltung deutscher Gerichte

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Beginn an Papier, der befürchtete, die Justiz könnte so „ihre Unschuld ver­ lieren“328. Die Empfehlungen des Consultative Council of European Judges (CCJE) lassen sich darüber hinaus auf die Implementierung eines Selbstverwal­ tungsorgans nach südeuropäischem Vorbild herunterbrechen329. Auch die Rich­ terverbände greifen seit nunmehr fast 20 Jahren unermüdlich die Debatte um eine Selbstständigkeit der dritten Gewalt auf330. Insbesondere tun sich die Ent­ würfe des DRB (a.) und der NRV hervor (b.). a) Diskussionsentwurf des DRB Der aus den Diskussionen hervorgegangene Beschluss des DRB zum „Zwei-Säu­ len-Modell“331 wurde nach kritischen Anmerkungen korrigierend angepasst332. Der „Entwurf für ein Landesgesetz zur Selbstverwaltung der Justiz“ (Landes­ justizselbstverwaltungsgesetz – LJSvG) (Stand: 1. Februar 2010)333 sieht als Kernelemente der Gerichtsverwaltung eine Ersetzung des Justizministers durch einen mit Richtern und Staatsanwälten besetzten Justizverwaltungsrat („Erste Säule“) vor, an dessen Spitze der Justizpräsident steht, sowie die Einrichtung eines Justizwahlausschusses („Zweite Säule“) als Selbstverwaltungsorgan, wel­ cher die Mitglieder des Justizverwaltungsrates bestimmt334. Der Justizwahlaus­ schuss soll nunmehr größtenteils aus demokratisch unmittelbar legitimierten Mitgliedern bestehen, namentlich aus dem Präsidenten des Landtags als Vorsit­ 328  H.-J. Papier, BDVR-Rundschreiben 1/2007, S.  6 (10); ders., NJW 2002, S.  2585 ff.; ders., Selbstverwaltung (Teil  2, Fn.  638), S.  185 ff. 329  Siehe allgemein G. Oberto, ZRP 2004, S.  207 ff.; J. Thomas, KritV 91 (2008), S.  389 ff.; M. Jeschke, KritV 93 (2010), S.  233 (234 ff.); Mallmann, CCJE (Fn.  306), S.  488 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  35. – Zu den einzelnen Aufgaben eines solchen Justiz­ verwaltungsrates siehe J. Thomas, KritV 91 (2008), S.  389 (392 ff.). 330  Siehe die umfangreiche Literatur-Zusammenstellung bei F. Wittreck, VVDStRL 74 (2015), S.  115 (152 ff.). T. Schulte-Kellinghaus, KritV 93 (2010), S.  256 ff. stellt die Entwürfe des DRB und der NRV einander gegenüber. 331  Vgl. zum „Zwei-Säulen-Modell“ T. Edinger, DRiZ 2007, S.  161 ff.; H. Weber-Grellet, ZRP 2007, S.  153 ff.; G. Mackenroth, DRiZ 2009, S.  79 (80 f.); Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  462. 332  Siehe zu den Bedenken hier nur H. Mertin, ZRP 2002, S.  332 ff.; H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 ff.; zusammenfassend S. Roller, DRiZ 2007, S.  162; C. Sennekamp, NVwZ 2010, S.  213 (215); Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  137 ff. 333  Abrufbar unter https://www.drb.de/fileadmin/DRB/pdf/Selbstverwaltung/100325_ DRB-Gesetzentwurf_Selbstverwaltung_der_Justiz.pdf (19.3.2020). – Aus der wissenschaft­ lichen Rezeption siehe hier nur C. Sennekamp, NVwZ 2010, S.  213 (215); Fuchs, Verfas­ sungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  138 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  322 ff. 334  L. Lütgens, ZRP 2009, S.  82 (82 f.); B. Kramer, NJW 2009, S.  3079 (3080); H. Weber-­ Grellet, DRiZ 2012, S.  2 (2 f.); Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  137, 138 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  323 f.

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

zenden, neun weiteren Mitgliedern des Landtags, drei Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit sowie jeweils einem Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit, der Fi­ nanzgerichtsbarkeit, der Sozialgerichtsbarkeit und der Verwaltungsgerichtsbar­ keit, zwei Staatsanwälten und einem Rechtsanwalt mit beratender Stimme (§  2 des LJSvG-Diskussionsentwurfs)335. Kernaufgabe des Justizwahlausschusses wäre gem. §§  8 Abs.  1, 11 Abs.  1 S.  1, Abs.  2 des LJSvG-Diskussionsentwurfs die Wahl der Mitglieder des Justizverwaltungsrates336. Der aus richterlichen Mitgliedern bestehende Justizverwaltungsrat wäre als oberste Landesbehörde (§  15 Abs.  1 S.  1 des LJSvG-Diskussionsentwurfs) insbesondere für die innere Ordnung, die Personalangelegenheiten einschließlich der obersten Dienstauf­ sicht, die Haushaltsangelegenheiten und die Qualitätssicherung der Gerichte und Staatsanwaltschaften zuständig (§  15 Abs.  1 S.  2 des LJSvG-Diskussions­ entwurfs)337. Weder die Mitglieder des Justizverwaltungsrates noch die Ange­ hörigen des Justizwahlausschusses sollen an Aufträge und Weisungen gebun­ den sein338. Die Verfassungsmäßigkeit des Selbstverwaltungsmodells des DRB ist trotz vorgenommener Feinjustierungen zweifelhaft, kann jedoch durch (ver­ fassungsändernde) Anpassungen erreicht werden339. Die Übertragung der Per­ sonalentscheidungen über Richter auf die Justizverwaltungsräte ist vor dem Hintergrund der obligatorischen Beteiligung des Justizministers bei der Rich­ terauswahl gem. Art.  98 Abs.  4 GG so zunächst verfassungswidrig340. Darüber hinaus schränkt die mangelnde Kontrollmöglichkeit bzw. Weisungsgebunden­ heit des allein aus Richtern bestehenden Justizverwaltungsrates die Legitima­ tionswirkung zu den durch ein solches Gremium ernannten Richtern ein341. Dennoch muss dies nicht zwangsläufig zu einem Durchtrennen der Legitima­ 335  Siehe zur Zusammensetzung und zum Aufgabenkreis des Justizwahlausschusses im Detail Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  138 ff. 336  Siehe im Detail zum Inhalt dieser Normen Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  140. 337  Die Zuständigkeit für personelle Statusentscheidungen ergibt sich aus §  16 des LJS­ vG-Diskussionsentwurfs; die Haushaltsverantwortung ist in §  17 des LJSvG-Diskussions­ entwurfs niedergelegt; nach §  18 S.  1 des LJSvG-Diskussionsentwurfs hat Justizverwal­ tungsrat die personellen, sachlichen und organisatorischen Grundlagen für die Erfüllung des Justizgewährungsanspruchs abzusichern. Siehe im Detail Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  142 ff.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  323. 338  Vgl. §  13 S.  1 des LJSvG-Diskussionsentwurfs. 339 So F. Wittreck, VVDStRL 74 (2015), S.  115 (154 f.); ähnlich Minkner, Gerichtsverwal­ tung (Einl., Fn.  7), S.  331. 340  Rieger, Legitimationsgrundlagen (Teil  2 , Fn.  520), S.  159; Fuchs, Verfassungsmäßig­ keit (Einl., Fn.  7), S.  117 f., 154 f. 341  Siehe ausführlich unter Zugrundelegung von Möglichkeiten zur Überwindung dieses Legitimationsdefizites Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  155 ff. – Allgemein auch zu dieser Einschätzung Hillgruber (Teil  2, Fn.  303), Art.  98 Rn.  63.

A. Die Verwaltung deutscher Gerichte

373

tionskette führen, da neben der Dienstaufsicht durch den Landtagspräsidenten (§  8 Abs.  3 des LJSvG-Diskussionsentwurfs) auch die Möglichkeit zur Abberu­ fung des Justizverwaltungsrates durch den Justizwahlausschuss gem. §  12 Abs.  2 S.  1 des LJSvG-Diskussionsentwurfs vorgesehen ist. Dies würde die Ge­ setzesbindung des Gremiums als notwendiges Korrelat zur Weisungsfreiheit darstellen342. Die Konzeption des Justizwahlausschusses ist ebenfalls ein Draht­ seilakt demokratischer Legitimation. Insbesondere ist die Einhaltung des Prin­ zips der doppelten Mehrheit durch §  9 Abs.  2 des LJSvG-Diskussionsentwurfs sichergestellt. Danach bedürfen Entscheidungen der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder sowie gleichzeitig auch der anwesenden Mitglieder des Landtags343. Die mangelnde Weisungsgebundenheit der parlamentarischen Mit­ glieder würde wiederum durch ihre Abberufungsmöglichkeit ausgeglichen344. Personelle und sachliche Legitimationsdefizite sind damit weitestgehend be­ hoben, scheinen jedoch weiterhin durch, sodass das Modell des DRB vor dem Hintergrund des Demokratieprinzips verbesserungswürdig ist345. b) Diskussionsentwurf der NRV Darüber hinaus entwarf die NRV ein noch weitergehendes Modell zur Selbst­ ständigkeit der Justiz346. Im Fokus der Vorstellungen der NRV steht die Autono­ 342 So

auch Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  328 f.; a. A. Fuchs, Verfas­ sungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  155 ff. 343 Vgl. C. Sennekamp, NVwZ 2010, S.  213 (215); Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  325 f. 344  Zu den erweiternden Modifikationen bzw. Optimierungsvorschlägen der Abwahlmög­ lichkeiten der Justizorganwalter siehe F. Wittreck, VVDStRL 74 (2015), S.  115 (155 mit Fn.  171). Erwogen wird weiterhin die Optimierung des Legitimationsgrades des Justiz­ wahlausschusses durch eine Wahl auch der externen Gremiumsmitglieder durch das Parla­ ment, vgl. Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  327. – A. A. Fuchs, Verfassungsmä­ ßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  155 f., die dies nicht ausreichen lässt, um dem Richterwahlausschuss eine legitimierende Funktion zuzusprechen. 345 Mit einem etwas pessimistischen Fazit Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  331. – Zu den vorherigen Legitimationsdefiziten siehe H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2591). 346  Grundsatzpapier des Bundesvorstands der NRV „Strukturen einer unabhängigen und demokratischen Justiz“ (abrufbar unter https://www.neuerichter.de/fileadmin/user_upload/ lv_berlin_brandenburg/BBr-2008-05_Info_06.pdf, 19.3.2020) sowie das NRV-Modell für eine unabhängige, selbstverwaltete Justiz in Deutschland „Demokratie statt Hierarchie“ (ab­ rufbar unter https://www.neuerichter.de/fileadmin/user_upload/bundesmitgliederversamm­ lung/BMV-2009-02-28_Demokratie_statt_Hierarchie.pdf, 19.3.2020); siehe ausführlich ­Cebulla/Kannenberg, Selbstverwaltung (Einl., Fn.  52), S.  31 ff.; Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  462; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  144 ff.; Minkner, Ge­ richtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  310 ff.

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

mie der Judikative mit einem Richter sine spe ac metu347; ihr Konzept zielt auf „Demokratie statt Hierarchie“ ab. Intendiert ist die Gleichstellung aller Richter­ positionen, die durch eine Vereinheitlichung der Richterbesoldung erreicht wer­ den soll348. Die Gesetzesentwürfe der NRV sehen darüber hinaus eine verfas­ sungsrechtlich verbürgte Selbstverwaltung der Judikative vor (Art.  92 Abs.  2 GG-E). Neben einer Neufassung der Art.  92, 95, 96, 97 und 98 GG349 ist eine Änderung des GVG im Hinblick auf die Schaffung neuer Organe und Gremien mit erweiterten Kompetenzen geplant350: Der Richterwahlausschuss soll gem. Art.  95 Abs.  2 GG-E i. V. m. §  21a Abs.  5 GVG-E zu zwei Dritteln aus Abgeord­ neten (insgesamt zehn) und zu einem Drittel (fünf) aus Richtern bestehen und für die Bestellung der Bundesrichter verantwortlich sein351. Schlüsselelement der gerichtlichen Selbstverwaltung stellen die einzuführenden Justizräte dar, die gem. §§  21d, 21e GVG-E die bisher zuständigen Justizministerien ersetzen sollen352. Präsidien und Gerichtspräsidenten sollen mit erheblich erweiterten Kompetenzen und in personellen und organisatorischen Fragen mit einer Art Allzuständigkeit ausgestattet werden353. §  21f GVG-E konstituiert darüber hin­ 347 

Idealbild ist ein furchtloser Richter, der ohne Hoffnung auf Anreize Recht spricht, vgl. C. Löbbert, KritV 91 (2008), S.  434 (434); T. Schulte-Kellinghaus, KritV 93 (2010), S.  256 (257). 348  Siehe hierzu mit weiteren Details Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  462; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  311 ff. Unterschwellig kritisch C. Sennekamp, NVwZ 2010, S.  213 (215). 349  Siehe den Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 92, 95, 96, 97 und 98) vom 25.3.2011 (abrufbar unter https://www.neuerichter.de/fileadmin/user_ upload/bundesmitgliederversammlung/BMV-2011-03_Verfassungsaenderung.pdf, 19.3.­2020); Cebulla/Kannenberg, Selbstverwaltung (Einl., Fn.  52), S.  31 ff. 350  Siehe den Entwurf eines Gesetzes zur Herstellung der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz (abrufbar unter https://www.neuerichter.de/fileadmin/user_upload/bundesmitglie­ derversammlung/BMV-2011-03_AEnderung _einfachgesetzlicher_Vorschriften.pdf, 19.3.2020); im Detail Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  144 ff. – Die Gesetze­ sentwürfe der NRV bilden die Grundlage für die von der Partei „Die Linke“ 2012 in den Bundestag eingebrachten Entwürfe eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (BTDrs. 17/11701) und des Entwurfs eines Gesetzes zur Herstellung der institutionellen Unab­ hängigkeit der Justiz auf Bundesebene (BT-Drs. 17/11703), vgl. H. Weber-Grellet, DRiZ 2012, S.  2 (3 ff.); Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  310 f. 351  C. Sennekamp, NVwZ 2010, S.  213 (215); ausführlich Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  146 f.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  312. 352  Siehe zur Zusammensetzung und zum Aufgabenprofil der Justizräte auf Bundes- und Landesebene Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  147 ff.; Minkner, Gerichtsver­ waltung (Einl., Fn.  7), S.  312 f. 353  Zur Verwaltungskompetenz der Präsidien nach §  21b GVG-E T. Schulte-Kellinghaus, KritV 93 (2010), S.  256 (257 f.). Ausführlich zum erweiterten Aufgabenkreis von Gericht­ spräsidien und -präsidenten nach den §§  21g, 21i GVG-E Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  149, 151 f.; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  313.

A. Die Verwaltung deutscher Gerichte

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aus ein bisher nicht existierendes Gremium: Die Versammlung der Gerichtsbar­ keit, die vor allem dem Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Gerichtsbarkeiten dienen soll354. Dass die Aufgaben der Gerichtsverwaltung verfassungsrechtlich in die Hände der Judikative unter Ausschluss der Exekuti­ ve gelegt werden, ist nicht als Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz i. S. d. Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG zu werten, da der Exekutive keine Kernaufgaben entzogen werden, sondern die Gewaltentrennung lediglich strenger verwirklicht wird355. Die personelle Legitimation der gewählten Richter ist aufgrund der Zu­ sammensetzung der Richterwahlausschüsse unproblematisch. Jedoch enthält das Modell der NRV keinerlei institutionelle Sicherung des Prinzips der doppel­ ten Mehrheit und ist deshalb verfassungsrechtlich zumindest prekär356. Darüber hinaus findet sich – abgesehen von der Gesetzesbindung – keine Sicherstellung parlamentarischer Verantwortlichkeit357. Nicht nur am Prinzip der doppelten Mehrheit, sondern bereits am Erfordernis einer einfachen Mehrheit demokra­ tisch legitimierter Mitglieder scheitert augenfällig auch die demokratische Le­ gitimation eines Justizrates, der zu zwei Dritteln aus von Richtern gewählten richterlichen Mitgliedern und nur zu einem Drittel aus vom Parlament gewähl­ ten Mitgliedern bestehen soll. Er unterliegt lediglich einer sehr schwachen par­ lamentarischen Kontrolle358. Problematisch ist das Konzept der Selbstverwal­ tung insofern bereits deshalb, weil die NRV im bestehenden Modell der Ge­ richtsverwaltung bereits hierarchische und autoritäre Verhältnisse sieht, welche die richterliche Unabhängigkeit gefährdeten359. Umgekehrt ist jedoch die Vor­ stellung von einer hierarchiefreien Karriere in der Justiz durch einheitliche Be­

354 

Siehe dazu abermals Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  153. auch H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2587); K. F. Röhl, JZ 2002, S.  838 (841); U. Berlit, DRiZ 2003, S.  292 (294 f.); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  663; T. Groß, Betrifft Justiz 85 (2006), S.  248 (249); C. Sennekamp, NVwZ 2010, S.  213 (213); A. Heusch, Stellungnahme zu den Entwürfen der Gesetze zur Herstellung der institutionellen Unabhän­ gigkeit der Justiz (BT-Drs. 17/11701 und 17/11703) im Rahmen der Anhörung im Rechtsaus­ schuss des Deutschen Bundestages am 22.4.2013, S.  1 (5), abrufbar unter http://webarchiv. bundestag.de/cgi/show.php?fileToLoad=3485&id=1223 (19.3.2020). – Ähnlich bereits U. Scheuner, DÖV 1953, S.  517 (520 ff.). – A. A. T. Groß, ZRP 1999, S.  361 (361); a. A. auch U. Hochschild, Betrifft Justiz 81 (2005), S.  18 (20 f.), dessen Ausführungen allerdings zum Teil verschwörungstheoretische Züge haben: „In Deutschland hat bis heute keine Übertragung der rechtsprechenden Gewalt auf einen eigenen Machtträger stattgefunden“ (Zitat auf S.  20). 356  So das Fazit von C. Sennekamp, NVwZ 2010, S.  213 (215). 357  Siehe im Detail Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  164 f.; Minkner, Ge­ richtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  317. 358  F. Wittreck, VVDStRL 74 (2015), S.  115 (155 f.); Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  317 f. 359  K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (245); ähnlich T. Schulte-Kellinghaus, ZRP 2008, S.  205 ff. 355  So

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

soldung und Ernennung auf Zeit mit den Grundsätzen des Berufsbeamtentums aus Art.  33 Abs.  5 GG nicht vereinbar360. 2. Gerichtsmanagement Eine Renaissance haben die aktuellen Forderungen nach einer Selbstverwaltung der Gerichte durch die Diskussion um die Modernisierung der Justiz erhalten361. Die Konzepte der Neuen Steuerungsmodelle zur Übertragung betriebswirt­ schaftlicher Organisations- und Führungsgrundsätze stehen dem Grunde nach im Gegensatz zu den Selbstverwaltungsbestrebungen der Richtervereinigun­ gen, da sie die Ökonomisierung der Justiz durch Controlling-Maßnahmen im Rahmen bestehender Strukturen zum Ziel haben362. Die Implementierung des „Neuen Haushaltswesens“ durch die Einführung einer Kosten- und Leistungs­ rechnung, Budgetierung und eines operativen sowie strategischen Controllings löst mit Blick auf den Fokus dieser Modernisierungsmaßnahmen auf der Öko­ 360 Detailliert dargestellt wird diese Frage von Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  168 ff. („Abschaffung“ von Beförderungsämtern und einheitliche Besoldung aller Richter), 170 f. (Vergabe des Präsidentenamtes auf Zeit); Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  319 f. 361  Siehe zu den „Konjunkturzyklen“ der Selbstverwaltungsdebatte H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2585 f.); B. Kramer, NJW 2009, S.  3079 (3080). – Zum Zusammenhang von Selbstverwaltung und Modernisierungsreformen in der Justiz vgl. etwa K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (245 f.): „Das Neue Steuerungsmodell lässt sich auf die Justiz nur übertragen, wenn man ihr Selbstverwaltung gewährt“; J. Grotheer, DRiZ 1999, S.  458; W. Hoffmann-Riem, DRiZ 2000, S.  18 ff.; U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (329 ff.); G. Mackenroth/H. Teetzmann, ZRP 2002, S.  337 (339 f.); H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2586); zum IT-Outsourcing siehe Süptitz/Eyermann, Outsourcing (Fn.  311), S.  13 ff. – Weitere Fak­ toren für den Binnenkonflikt werden zusammengetragen von B. Kramer, NJW 2009, S.  3079 (3080): „Organisationsmodernisierung (Serviceeinheiten, Qualitätszirkel, Benchmarking, Leitbilder, Jahresgespräche, Richterassistenz, Implementierung hybrider Lenkungsaus­ schüsse zur Projektsteuerung (etwa „Justiz 2000“ oder PEBB§Y-Fach), Bestrebungen zur Fusion von Gerichten und Gerichtsbarkeiten, Konzepte zur Flexibilisierung des Richter­ einsatzes, Privatisierungspläne und nicht zuletzt Maßnahmen zur Reform der Juristenaus­ bildung.“ – H. Stötzel, Betrifft Justiz 71 (2002), S.  356 f. spricht gar von „feindlicher Über­ nahme“ durch den DRB. 362 Zusammenfassend B. Kramer, NJW 2001, S.  3449 ff. – Treffend zusammengefasst von J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 (460 f.): „In dieser Hinsicht sind die Modernisierer also gewissermaßen Traditionalisten, während die Neue-Steuerungs-Skeptiker mit Reformansät­ zen von gewaltiger Tragweite in Erscheinung treten“ (Zitat auf S.  460); aus schweizerischer Perspektive, mit gleichwohl allgemeiner Bedeutung hierzu auch V. Hertig/Y. Emery, Richter führen – ist es möglich, und wie? Chancen und Herausforderungen bei der direkten Personal­ führung der Richterinnen und Richter, in: Y. Emery/L. G. De Santis/V. Hertig (Hrsg.), ­Peut-on manager la justice? Kann man die Justiz managen? Can we manage the Judiciary?, 2015, S.  91 ff.

A. Die Verwaltung deutscher Gerichte

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nomisierung der Justiz Skepsis in den Reihen der Richterschaft aus363. Auch die Modernisierung der Gerichtsorganisation durch Dezentralisierung, Professio­ nalisierung des Gerichtsmanagements, Kunden- und Serviceorientierung, Qua­ litätssicherung sowie moderne Informations- und Kommunikationstechnik 364 stößt auf vielseitige Kritik 365. Als Universalargument wird dem Neuen Steue­ rungsmodell die richterliche Unabhängigkeit entgegen gehalten366. Insbesondere die Tendenzen zur Verbesserung von Effizienz und die Grund­ lagen eines Qualitätsmanagements367 rufen bei der Richterschaft Ablehnung hervor: So wird primär die Unmöglichkeit der Messbarkeit der Qualität richter­ licher Entscheidungen gerügt. Die Qualität des Produkts der Justiz sei weder qualifizierbar noch adäquat quantifizierbar368. Es ist dieser Kritik beizugeben, dass ein Controlling, das sich lediglich auf die Überprüfung von Erledigungs­ zahlen und der Dauer von Verfahren beschränkt, wenig Aussagekraft im Hin­ blick auf die Qualität der Rechtsprechung an sich hat369. Die Kritik an der Pro­ duktdefinition – namentlich „Verfahrensabschluss nach ordnungsgemäßer ­Verfahrensdauer“ – verdichtet sich insofern zum Teil sogar zu einer schwarz­ malerischen Befürchtung des Qualitätsverlustes der Rechtsprechung bei alleini­ ger Konzentration auf eine „strikt erledigungsbezogene Justizkultur“370. Da sich der Output von Rechtsprechung nicht allein an der Dauer einzelner Verfah­ ren messen lässt, ist dieser Befürchtung zumindest in Teilen Recht zu geben. Justiz sollte vielmehr auf die Gewährleistung von Rechtsschutz sowie die Her­ 363 Vgl. G. Bertram, NJW 1998, S.  1842 ff. Zu diesem Befund siehe B. Kramer, NJW 2001, S.  3449 (3450 f.); H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1093 f.); ders., NJW 2002, S.  2585 (2586). 364  B. Kramer, NJW 2001, S.  3449 (3449, 3450). 365  Gegen diese einseitige Ökonomisierungstendenz siehe insbesondere R. Voss, DRiZ 1998, S.  379 (383 ff.); W. Hassemer, DRiZ 1998, S.  391 (398 f.); P. Macke, DRiZ 1999, S.  481 (484); mit Einschränkungen auch K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 ff. – Siehe instruktiv zu dem Zusammenhang von Outsourcing in der Justiz und der richterlichen Unabhängigkeit Süptitz/ Eyermann, Outsourcing (Fn.  311), S.  13 ff. 366  Wie das Positionspapier des DRB, in: DRiZ 1999, S.  457; kritisch W. Hoffmann-Riem, DRiZ 2000, S.  18 (27 f.) und G. Mackenroth, DRiZ 2000, S.  301 (307, 309); zur Vorsicht mahnt B. Kramer, NJW 2001, S.  3449 (3453); zurückhaltend H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1093). – Siehe zur vehementen Gegenkritik Hoffmann-Riem, Modernisierung (Einl., Fn.  7), S.  252 ff. 367  Kritisch hierzu U. Hochschild/T. Schulte-Kellinghaus, DRiZ 2003, S.  413 ff.; bejah­ rend hingegen F. J. Säcker, NJW 2018, S.  2375 (2379). 368 So auch H. Sodan, DÖV 2005, S.  764 (766); Röhl, Ökonomisierung (Einl., Fn.  9), S.  115. 369  Röhl, Ökonomisierung (Einl., Fn.  9), S.  115. 370 Vgl. J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 (458); H. Sodan, DÖV 2005, S.  764 (766 f.); siehe ähnlich auch B. Kramer, NJW 2001, S.  3449 (3453). – A. A. bspw. Eifert, Das Neue Steuerungsmodell (Teil  2, Fn.  761), S.  179 ff.; H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1094) mit ei­ nem Appell an das Berufsethos.

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

stellung von Rechtsfrieden gerichtet sein371. Aus diesem Grunde liegen nicht nur die operativen Gesichtspunkte der Rechtsprechung im Fokus des Justiz­ managements; die Qualitätssicherung der Rechtsprechung muss über eine rein quantitative Messung hinausgehen, um belastbare Aussagen zu treffen und eine Existenzberechtigung zu beanspruchen372. Zur Modernisierung der Justiz nach dem Neuen Steuerungsmodell gehört deshalb als Korrektiv das gerichtliche Qualitätsmanagement, mit dem die Verbesserung von Arbeitsabläufen und -er­ gebnissen bezweckt wird373. Zum Teil existieren bereits Vorschläge für Merkmale zur Messung der Qua­ lität von richterlicher Tätigkeit374 oder der Gerichtsverwaltung. Bisher scheint es dennoch eine unlösbare Aufgabe zu sein, die Rechtsprechungsqualität in Zahlen auszudrücken und sie in irgendeiner Art messbar zu machen375. Da bereits der Druck auf die Richter im Hinblick auf Erledigungszahlen und Verfahrensdauer als Eingriff in ihre richterliche Unabhängigkeit gewertet wird und die Qualitäts­ kontrolle zumindest hinsichtlich der Messung von Arbeits- (sprich Rechtspre­ chungs-)ergebnissen augenfällig den Kernbereich der Rechtsprechungstätigkeit und damit ebenfalls den unantastbaren Bereich des Art.  97 GG tangiert376, ist ein Ansetzen des Gerichtsmanagements hier schwierig. Der erzeugte Qualitäts­ druck ist mit der Weisungsfreiheit der Richter nicht vereinbar377. Ähnliches 371 Siehe zu einem solchen „wirkungsorientierten Produktverständnis“ auch R. Voss, DRiZ 1998, S.  379 (384); W. Hoffmann-Riem, DRiZ 2000, S.  18 (25); siehe allgemein zum Rechtsprechungszweck der Herstellung von Rechtsfrieden im Zusammenhang mit effekti­ vem Rechtsschutz für den Einzelnen Wagner, Wahrheitssuche (Fn.  221), S.  83 ff.; SchulzeFielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  17; Hopfauf (Teil  1, Fn.  11), Vorb. v. Art.  92 Rn.  7. 372 Gleichsinnig B. Kramer, NJW 2001, S.  3449 (3451); Röhl, Ökonomisierung (Einl., Fn.  9), S.  115. 373 So J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 (460). – Zum Qualitätsbegriff, seiner Definition und Problemen der Bestimmung der Qualität von Rechtsprechung siehe Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  380 ff.; eine Definition findet sich weiterhin bei G. Mackenroth, DRiZ 2000, S.  301(304 f.); U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (325 f.). 374  Siehe K. F. Röhl, Fehler in Gerichtsentscheidungen, in: Schulze-Fielitz/Schütz, Ökonomi­ sierungsdruck (Teil  2, Fn.  701), S.  65 ff. vertritt insofern eine Art Negativmethode (Fehlerlehre); mit Vorschlägen ders., DRiZ 2000, S.  220 (228 f.); E. Alt, Betrifft Justiz 97 (2009), S.  28 ff. 375  Siehe dazu P. Macke, DRiZ 1999, S.  481 (484); G. Mackenroth, DRiZ 2000, S.  301 ff.; J. Brand, Benchmarking in der nordrhein-westfälischen Sozialgerichtsbarkeit. Ein Erfah­ rungsbericht, in: Schulze-Fielitz/Schütz, Ökonomisierungsdruck (Teil  2, Fn.  701), S.  99 (104). 376  Zur umfassenden richterlichen Freiheit von exekutivischer Beeinflussung in quantita­ tiver und qualitativer Hinsicht siehe Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  402 f. Insbesondere muss sich die Qualitätskontrolle den nicht unberechtigten Vorwurf gefallen lassen, auf konkrete Entscheidungen einzugehen. Zu dieser „Zwickmühle“ eindringlich Röhl, Ökonomisierung (Einl., Fn.  9), S.  115 f. 377  Siehe hier nur H. Stötzel, Betrifft Justiz 71 (2002), S.  356 (357); ähnlich auch F. J. Säcker, NJW 2018, S.  2375 (2379).

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muss unter Zugrundelegung des traditionellen Verständnisses der richterlichen Unabhängigkeit für die zum Teil erwogenen Qualitätssicherungsmaßnahmen wie Qualitätszirkel, Teamarbeit, Kommissionen, Mitarbeiter- und Kundenbe­ fragungen gelten, wenn die Teilnahme dem Richter nicht anheim­gestellt wird 378. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass jegliche inhaltliche Steuerung der Rechtsprechungstätigkeit mit der Unabhängigkeitsgarantie nicht vereinbar ist. Somit kann maximal der „Modus der Leistungserbringung“ als Anknüpfungs­ punkt von Steuerungsmaßnahmen dienen379, sofern dieser nicht den Kernbe­ reich der Rechtsprechungstätigkeit tangiert380. Es ist fraglich, ob alternativ allein das richterliche Berufsethos oder spezielle Standesregeln als Qualitätskontrolle ausreichen381; zumindest unter Zuhilfenah­ me interner Qualitätssicherungsstandards sind die Richter hier in der Pflicht, eine intrinsische Motivation zu entwickeln382. Intrinsische Motivationsfaktoren sind insbesondere bei jungen Richtern noch vorhanden, nehmen jedoch mit stei­ gendem Berufsalter ab. Visionen und Reformbereitschaft müssen sich innerhalb der Richterschaft und vor allem bei den Gerichtspräsidenten verbreiten383. Eine effektive Umsetzung von Controlling-Maßnahmen ist daher nur unter der Vor­ aussetzung eines Umdenkens in dem Selbstverständnis der richterlichen Un­

378  Ähnlich auch H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1094). Zu solchen Maßnahmen siehe bspw. aus der Literatur siehe U. Berlit, KritJ 32 (1999). S.  58 (64 f.); H. Klein, Qualitätssiche­ rung im Prozess der Modernisierung der Justiz, in: Schulze-Fielitz/Schütz, Ökonomisie­ rungsdruck (Teil  2, Fn.  701), S.  55 ff.; Röhl, Fehler (Rn.  374), S.  67 ff.; Brand, Benchmarking (Fn.  375), S.  99 ff. 379  So auch Eifert, Das Neue Steuerungsmodell (Teil  2 , Fn.  761), S.  170; aufgegriffen von H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1094); ähnlich K. F. Röhl, JZ 2002, S.  838 (842): „Nur in gebremster Form ist das NSM für die Gerichte akzeptabel.“ – Kritisch K. F. Piorreck, Betrifft Justiz 74 (2003), S.  64 (67 f.). 380 Vgl. B. Kramer, NJW 2001, S.  3449 (3451); H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1094). 381 Dafür H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1094); dass „sozialer Druck“ zum Zweck der Kostenersparnis sinnvoll ist, vertritt hingegen W. Hoffmann-Riem, DRiZ 2000, S.  18 (26); mit Zweifeln Gass/Stadelmann, Leistungsbeurteilung (Teil  2, Fn.  699), S.  11 f.; für eine Ver­ stärkung der Binnenkontrolle richterlicher Arbeitskraft B. Hirtz, NJW 2014, S.  2529 (2532 f.). 382  Siehe dazu W. Hoffmann-Riem, DRiZ 2000, S.  18 (25 f.); B. Kramer, NJW 2001, S.  3449 (3451); K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 (230); ähnlich Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  387 f., 404; F. J. Säcker, NJW 2018, S.  2375 (2379) erwägt die Einführung „ökonomischer Anreize“ durch den Gesetzgeber. – Zum Erfordernis charakterlicher Stärke als Teil des Berufsethos anstatt der Durchsetzung von Reformen im Hinblick auf die Selbstverwaltung mit einer inso­ fern ablehnenden Haltung siehe Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  752 m. w. N. 383  J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 (461); gravierend seien Motivationsschwächen ins­ besondere bei der Richtergeneration der über 50-Jährigen, vgl. Wagner, Wahrheitssuche (Fn.  221), S.  56; zum Bedarf, den richterlichen Nachwuchs bereits langfristig zu motivieren, siehe D. Saam, DRiZ 2019, S.  290 ff.

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

abhängigkeit möglich384. Wenn bei großen Teilen der Richterschaft eine Vor­ stellung der richterlichen Unabhängigkeit als ein punktuell individualistisch definierbares, vom Amtsauftrag abstrahierendes subjektives Abwehrrecht vor­ herrscht385, muss diese Vorstellung korrigiert werden, nicht aber die hergebrach­ te Verfassungsinterpretation der richterlichen Unabhängigkeit386. Es hat in die­ sem Zusammenhang den Anschein, dass das übersteigerte Selbstbild der rich­ terlichen Unabhängigkeit zum Selbstzweck mit parallel steigenden Erwartungen der Bevölkerung an die Justiz einhergeht387. Hier sind in beide Richtungen An­ passungen in Selbstbild und Erwartungshaltung notwendig. 3. Kombination aus Selbstverwaltung und Gerichtsmanagement Es wird zum Teil darauf hingewiesen, dass eine brauchbare Umsetzung des Kon­ zepts des Gerichtsmanagements nur dann funktionieren kann, wenn dies durch die Justiz in Eigenregie übernommen wird388. Andernfalls stünden verfassungs­ rechtliche Beeinträchtigungen der richterlichen Unabhängigkeit bevor389. So wird den Kritikern des Neuen Steuerungsmodells besänftigend entgegengehal­ ten, dass durch eine mit den Reformmodellen einhergehende Selbstverwaltung der Justiz die durch diese Modelle heraufbeschworenen Gefahren für die richter­ liche Unabhängigkeit abgemildert werden könnten390. Zumindest eine partielle Selbstverwaltung in Form einer Einbindung der Gerichte in Bezug auf Budget­ fragen kann daher sinnvoll und wird aus richterlicher Sicht nicht zu beanstanden sein391. In der Finanzverwaltung bietet sich eine Zuhilfenahme eines betriebs­ wirtschaftlich ausgebildeten Gerichtsverwalters naheliegenderweise an. Dies 384  Von einer „Rejustierung von Begriff und Reichweite richterlicher Unabhängigkeit“ spricht insofern Berlit, Unabhängigkeit (Teil  2, Fn.  701), S.  149 ff.; dazu auch J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 (459). 385 So Berlit, Unabhängigkeit (Teil  2 , Fn.  701), S.  149. 386  J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 (459). 387 Ähnlich R. Voss, DRiZ 1998, S.  379 (381); zu den Erwartungen der Bürger als Maßstab für die Justiz siehe U. Vultejus, DRiZ 2002, S.  311 (311 f.); Singer, Rechtsklarheit (Teil  1, Fn.  13), S.  108 ff.; ähnlich bezüglich des richterlichen Fremdbildes F. Lansnicker, Richteramt in Deutschland. Im Spannungsfeld zwischen Recht und Politik, 1996, S.  57 ff. 388 So W. Hoffmann-Riem, Die Verwaltung 30 (1997), S.  481 (485 ff.); K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (246); ders., DRiZ 2000, S.  220 (227 f.); ders., JZ 2002, S.  838 (843 ff.); Positions­ papier des DRB, in: DRiZ 1999, S.  457 (461 f.); H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2586); ex­ emplarisch auch W. Hoffmann-Riem, DRiZ 2000, S.  18 ff.; ähnlich U. Berlit, KritJ 32 (1999). S.  58 (66 ff.); Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  35; vorsichtig optimistisch T. Groß, Betrifft Justiz 85 (2006), S.  248 (250). 389 Zusammenfassend J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 (459 f.). 390  H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2586). 391  So auch J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 (460 f.); Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  400.

A. Die Verwaltung deutscher Gerichte

381

wird in Gestalt von Dezentralisierung392 oder dezentraler Budgetverantwortung erwogen und hat dabei denklogisch die stärkere Einbindung der Gerichte in die bestehenden exekutiven Gerichtsverwaltungsstrukturen zur Voraussetzung393. Ziel der Budgetierung ist die dezentrale Ressourcenverteilung und eigenverant­ wortliche Mittelverwendung der Gerichte. Die Höhe des Budgets richtet sich nach der Anzahl der zu erbringenden „Produkte“394. Die Verbindung von Bud­ getfragen mit Controlling-Maßnahmen ist aus richterlicher Sicht nicht erstre­ benswert. Führt die Budgetzuweisung zu einer Verknappung der Mittel und da­ mit zu einer Einschränkung im Rechtsprechungsalltag, verstößt dies gegen die richterliche Unabhängigkeit und im Zweifel darüber hinaus gegen den Justiz­ gewährleistungsanspruch des Bürgers395. Unabhängig von dieser Verfassungs­ vorgabe sollte man sich grundsätzlich die Frage nach der Effizienz von richter­ lichen Mitwirkungsrechten in der Haushaltsverantwortung stellen und muss hier wohl zu dem Schluss kommen, dass der finanzpolitische Einfluss der Justiz zu einer Schwächung der finanziellen Position der Gerichte führen würde396. Darüber hinaus ist eine Neuordnung des Systems der Gerichtsverwaltung im Sinne einer Selbstverwaltung nicht notwendig. Die von den Richtern insofern hervorgebrachte Kritik an dem bestehenden System exekutiver Verantwortung ist zwar zum Teil berechtigt, die Lösung kann allerdings nicht in einer „regulier­ te[n] Selbstregulierung“ bestehen397. Es ist für den einzelnen Richter faktisch völlig unerheblich, ob die Bewertung der Qualität eines Urteils im Hinblick auf Verständlichkeit beispielsweise durch den Gerichtspräsidenten erfolgt oder von Seiten eines richterlichen Qualitätsausschusses398 geäußert wird. Solche Modelle stehen daher nah an der Klippe, der institutionellen Unabhängigkeit der Gerichte den Vorzug vor der Unabhängigkeit der Richter selbst zu geben399. Das moderni­ sierte Gerichtsmanagement unter Einbeziehung einer Selbstverwaltung birgt so­ 392  Dazu grundlegend W. Hoffmann-Riem, DRiZ 2000, S.  18 ff.; am Beispiel des Hambur­ ger Konzeptes ders., Modernisierung (Einl., Fn.  7), S.  228 ff. 393  Siehe zusammenfassend J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 (460). – Zur Budgetierung als Steuerungsinstrument siehe instruktiv Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  399 f. 394  Siehe im Überblick Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  399 f. 395  Pessimistisch äußerst sich dazu Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  415 ff., bei dem die Budgetierung insgesamt als „verfassungswidriges Anreizsystem“ betitelt wird. 396  So auch H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2592); zu realpolitischen und verfassungs­ rechtlichen Gründen, die gegen ein eigenes Budgetantragsrecht sprechen, siehe auch K. F. Röhl, JZ 2002, S.  838 (844 f.). – A. A. U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (324). 397  J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 (460 f.). 398  Zur Frage, ob ein solcher Qualitätsausschuss der Exekutive oder der Judikative zuzu­ ordnen wäre, vgl. Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  107. 399  B. Kramer, NJW 2001, S.  3449 (3453). – A. A. T. Groß, Betrifft Justiz 85 (2006), S.  248 (5250 f.).

382

Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

mit die Gefahr der Veränderung des bisherigen Verfassungsverständnisses von der Gleichwertigkeit der individuellen richterlichen und kollektiven gerichtli­ chen Unabhängigkeit. Hierfür gibt es jedoch keinen Grund400. Dies soll indessen nicht bedeuten, dass nicht eine weitgehende Dezentralisierung der Gerichtsver­ waltung sinnvoll ist. Nach dem AKV-Prinzip soll sie zu einer merklichen Steige­ rung der Handlungsmöglichkeiten der Dienststellen und deren Untergliederun­ gen führen401. Dem zuständigen Ministerium verbleiben lediglich ministerielle Kernaufgaben und das steuernde Controlling, während die Koordination und Umsetzung der Vorgaben den Gerichtspräsidenten obliegt. Hier werden regel­ mäßig auch die Richter als kleinste Einheit eingebunden402. Die Gerichte müssen nunmehr eine konkrete und umfassende Vorstellung von der Notwendigkeit eines Gerichtsmanagements entwickeln. Andernfalls werden Modernisierungsmaßnahmen des Neuen Steuerungsmodells, insbeson­ dere die Kostenrechnung, anderen Staatsträgern übertragen403. Nur durch eine intrinsisch motivierte Richterschaft mit einer Bereitschaft zu Reformen kann sich Hilfe zur Selbsthilfe zur „Abwehr ökonomischer Effizienzzwänge“ erge­ ben404. Die Erfolgsaussichten der Modernisierungsmodelle des Neuen Steue­ rungsmodells sind aus rechtspolitischer Sicht fraglich, da diese für die freie Wirtschaft konzipiert worden sind. Eine Einbeziehung betriebswirtschaftlicher Kenntnisse in die Gerichtsverwaltung ist zwar grundsätzlich als sinnvoll und wünschenswert einzustufen405, allerdings wäre es verfehlt, die gesamte Justiz allein aufgrund eines ausschließlich von einem Kosten-Nutzen-Denken gepräg­ ten Effizienzkonzepts zu verwalten406.

400 

J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 (460). – A. A. M. Reinhardt, Richterliche Unabhän­ gigkeit im „ökonomisierten“ Staat, in: Schulze-Fielitz/Schütz, Ökonomisierungsdruck (Teil  2, Fn.  701), S.  179 (197); K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 (227 f.); in diese Richtung auch Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  35. 401  Aufgabenerledigung, Kompetenz und Verantwortung werden idealiter in einer Hand vereinigt, um eine größtmögliche Nähe zum „Kunden“ zu generieren. Hierzu muss konse­ quent nach unten delegiert werden. Siehe dazu den Bericht der Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg vom 15.5.1997, Projekt „Justiz 2000“ – Ziele und Stand des Projekts (Einl., Fn.  61), S.  64 ff.; J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 (461). 402  Siehe zum Verantwortungsprinzip W. Hoffmann-Riem, DRiZ 2000, S.  18 (19); J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 (461). 403  B. Kramer, NJW 2001, S.  3449 (3453). 404  Zur Bedeutung einer justizinternen Qualitätskontrolle siehe K. F. Röhl, JZ 2002, S.  838 (847). 405  So das Fazit K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 (228 ff.), der in seiner Euphorie allerdings zu kurz greift. 406  Siehe zu diesem Aspekt auch H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1094).

B. Die Verwaltung der Gerichte in den USA

383

B. Die Verwaltung der Gerichte in den USA Die Gerichtsverwaltung der U.S.-amerikanischen Gerichte lässt sich aufgrund einer vielgliedrigen historischen Entwicklung und aufgrund der hergebrachten föderalen Vielfalt in den Vereinigten Staaten nicht auf das eine „ideale“ Modell herunterbrechen407. Die Gerichtsverwaltungsstruktur ist – vereinfacht ausge­ drückt – pyramidenförmig aufgebaut und hierarchisch gegliedert: Das adminis­ trative Gerichtspersonal auf unterster Stufe ist gegenüber dem Court Admini­ strator (oder Clerk of Court) verantwortlich, der wiederum dem Chief Justice unterstellt ist408. An der Spitze der Gerichtsverwaltung steht das letztinstanz­ liche Gericht im jeweiligen Bundesstaat bzw. der U.S. Supreme Court, der die administrativen Vorgaben für die nachgeordneten Stellen in Form von Rules of Court, Richtlinien oder Verfügungen macht 409. In nicht-juristischen Verwal­ tungsangelegenheiten untersteht das Gerichtspersonal auch den exekutiven Ver­ waltungsorganen der Judikative410. Die U.S.-amerikanische Gerichtsverwaltung verfügt über erheblich größere Gestaltungsmöglichkeiten als die deutsche, weil die Gerichte mit ihrer Rule-Making Power weitgehend selbst ihr Verfahren be­ stimmen können und der ausschließlich den Richtern vorbehaltene Kernbereich der Rechtsprechung enger begrenzt ist411. Wie schon in Bezug auf die Gewaltenteilung festgestellt, besteht in den USA zwischen den Gewalten eine grundsätzlich strikte Trennung. Daher verwundert es kaum, dass die Justiz nicht von der Exekutive verwaltet wird, sondern eine justizinterne Verwaltungsstruktur besteht. Die begrifflichen Einzelheiten der Court Administration ähneln der Terminologie der Gerichtsverwaltung in Deutschland (I.). Die Organe der Gerichtsverwaltung zeichnen sich durch eine große föderative Vielfalt aus und siedeln sich in erster Linie auf judikativer 407  So auch der Befund bei Tobin, Overview (Teil  1, Fn.  318), S.  25, mit dem er die Orga­ nisation der Gerichtsverwaltungsstrukturen einleitet. 408  McKay/Parkison, States (Teil  2 , Fn.  885), S.  358; Tobin, Overview (Teil  1, Fn.  318), S.  25. – Zur Selbstverwaltungskompetenz der Richter, die sie als Inherent Power begreifen, siehe Buenger/De Muniz, Judicial Power (Teil  1, Fn.  203), S.  34 f. 409  Tobin, Overview (Teil  1, Fn.  318), S.  25 f. 410  Eine Ausnahme bildet hier lediglich der U.S. Supreme Court, bei dem das administra­ tive Gerichtspersonal allein den Richtern untersteht, vgl. McKay/Parkison, States (Teil  2, Fn.  885), S.  358. 411  Zu beachten ist insofern, dass eine dem deutschen Terminus entsprechende Kern­ bereichslehre in den USA nicht existiert. Siehe allgemein zum „Kern“ der Rechtsprechung U.S.-amerikanischer Gerichte K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (226); ders., Ge­ richtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  137; Strempel, Rechtsforschung (Teil  1, Fn.  295), S.  300; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  201; Clark, Sources (Teil  1, Fn.  202), S.  47 f.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  618 f.

384

Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

Ebene an (II.). Es folgt abschließend eine Darstellung der einzelnen Bereiche der Gerichtsverwaltung (III.). I. Gegenstand der Court Administration Die Gerichtsverwaltung in den USA sichert einen reibungslosen Arbeitsablauf und die Wahrung der elementaren Rechtsprechungsfunktion an den Gerich­ ten412. Wie sich im Folgenden zeigen wird, spielen Effizienzgesichtspunkte bei den Zielvorgaben der Court Administration eine übergeordnete Rolle413, sodass sich eine weitestgehend professionalisierte Binnenorganisation an den Gerich­ ten etabliert hat. II. Organe der Gerichtsverwaltung in den USA Die allgemeine Zuständigkeitsverteilung gerichtsverwaltender Maßnahmen ist keiner zentralen Rechtsquelle zu entnehmen (1.). Die Organe der Gerichtsver­ waltung siedeln sich in einem föderalistisch abgegrenzten System auf Bundesund auf einzelstaatlicher Ebene an (2.). 1. Allgemeine Zuständigkeitsverteilung Eine generelle Zuständigkeitsverteilung für die Aufgaben der Gerichtsverwal­ tung lässt sich nicht ausmachen. Die Bundesverfassung enthält keinerlei An­ haltspunkte für eine entsprechende Abgrenzung. In den Einzelstaaten ist aller­ dings eine Kodifizierung einzelner Zuständigkeitsregelungen durch die Über­ tragung von Gerichtsverwaltungszuständigkeiten (inkl. Dienstaufsicht) auf die obersten Gerichtshöfe üblich414. Eine verallgemeinerungsfähige Zuständigkeits­ regelung für die einzelnen Bereiche der Gerichtsverwaltung findet sich hinge­ gen nicht. Stattdessen existieren entsprechende Zuweisungen für die einzelnen gerichtsverwaltenden Maßnahmen in unterschiedlichen Vorschriften. Aus der originären Selbstverwaltungsstruktur der Gerichte ergeben sich zahlreiche Kompetenzen, die ferner durch die Rule-Making Power des U. S. Supreme Courts sowie der obersten Gerichte der Einzelstaaten ergänzt werden415. Auch 412  Siehe hier nur Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  7. – Im Detail zu der terminolo­ gischen Eingrenzung der Gerichtsverwaltung sowie zu den zumeist gleichsinnig gebrauchen Begriffen Court Administration und Judicial Administration siehe bereits Kap.  1 B. II. a). 413  Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  8. 414  So enthalten bspw. die Verfassung von Illinois in Art.  I V §  16 und die Verfassung von New Jersey in Art.  V I §  2 Nr.  3, §  7 Nr.  1 die ausdrückliche Zuweisung der Verwaltungszu­ ständigkeit an den Supreme Court mit dem Chief Justice an der Spitze. Siehe hierzu im ersten Zugriff auch Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  56 f. 415  Bspw. findet sich eine dezidierte Regelung der Zuständigkeit für die Gerichtsverwal­

B. Die Verwaltung der Gerichte in den USA

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in den USA ist das System gerichtsverwaltender Aufgabenerfüllung entspre­ chend den streng föderalistischen Staatsstrukturen zweigliedrig aufgebaut: Die grundsätzliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Einzelstaaten schlägt sich hier nieder416. Beide Ebenen verfügen über ein komplett eigenständiges Verwaltungssystem, in dem die Aufgaben der Gerichtsverwaltung nahezu aus­ schließlich durch die Judikative wahrgenommen werden417. Exekutive und Le­ gislative haben jeweils neben Aufgaben bei der Auswahl von Richtern nur eine untergeordnete Rolle im Rahmen der Gerichtsverwaltung: Der Kongress geneh­ migt Haushaltsmittel und erlässt Gesetze zur Gerichtsorganisation bzw. Ge­ richtsstruktur und überprüft Änderungen der Verfahrensregelungen418. Die Ex­ ekutive hat eine im Gesetzgebungsverfahren maximal als unterstützend zu be­ zeichnende Funktion und steht ansonsten mit der Gerichtsverwaltung lediglich durch die Bereitstellung von öffentlichen Gebäuden zur Gerichtsnutzung oder von Sicherheitsleistungen in Verbindung419. Die exklusiv judikative Selbst­ verwaltung überträgt die Verantwortung für gerichtsverwaltende Maßnahmen entweder einem Richter alleine oder setzt ein kollektivisches Justizgremium („Judicial Body“) ein, welches für die Gerichtsverwaltung verantwortlich ist420. 2. Föderative Aufteilung der Gerichtsverwaltung Die verantwortlichen Organe der Gerichtsverwaltung auf Bundes- (a.) und Staa­ tenebene (b.) ähneln sich. Unterschiede und regulatorische Feinheiten sind der einzelstaatlichen Regelungsvielfalt geschuldet.

tung in Rule 1:33 der New Jersey Rules of Court. Dies ist auch in anderen Bundesstaaten üblich. Siehe insgesamt Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  57. 416  Siehe die separaten Darstellungen bei Baum, Courts (Teil  3, Fn.  316), S.  36 f., 47 f. 417  Shetreet, Independence (Teil  1, Fn.  257), S.  6 44 f.; Mit dem Hinweis auf die „Self-Regulation“ des U.S. Supreme Courts siehe Cravens, Judges (Teil  2, Fn.  413), S.  391, 393 ff. – Siehe auch das anschauliche Diagramm bei Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  32 sowie Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  122. 418  Mahoney/Solomon, Court Administration (Teil  1, Fn.  248), S.  36; T. D. Peterson, Wis­ consin Law Review 1998 (1998), S.  993 ff. 419  Siehe zu der marginalen Bedeutung von Legislative und Exekutive im Bereich der Gerichtsverwaltung Mahoney/Solomon, Court Administration (Teil  1, Fn.  248), S.  36; Hays, Managers (Teil  1, Fn.  319), S.  229 Wheeler, Introduction (Teil  2, Fn.  618), S.  2. – Kritisch im Hinblick auf die vergleichsweise ausgeprägte Machtfülle der Richter Smith, Self-Interest (Teil  1, Fn.  205), S.  8 f. 420  Das kollektivische Modell der Selbstverwaltung ist auf Bundesebene und in den meis­ ten Bundesstaaten verbreitet. Allein New York fällt hier aus der Reihe. Vgl. im Detail ­Shetreet, Independence (Teil  1, Fn.  257), S.  644.

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

a) Verwaltung der Gerichte des Bundes Die Organisation der Gerichtsverwaltung auf Bundesebene ist verschiedenen Organen zugewiesen, deren Organisationsstruktur einen zum Teil etwas will­ kürlichen Eindruck macht421. Nach einem kurzen (historischen) Überblick zum U.S. Department of Justice (aa.) beschäftigt sich der folgende Anschnitt in erster Linie mit den Organen der selbstverwalteten Justiz. An der Spitze der Verwal­ tungsorganisation steht der Chief Justice of the United States, der das Tagesge­ schäft der Gerichtsverwaltung mit seinen Law Clerks erledigt (bb.). Die Verwal­ tung der Bundesjustiz in ihrer Gesamtheit wird zentralisiert durch das Administrative Office of the U.S. Courts koordiniert (cc.)422. Neben dem Administrative Office unterstehen dem Chief Justice weiterhin das Federal Judicial Center als Agentur für Weiterbildung und Forschung423 (dd.) sowie die Judicial Conference of the United States Courts, die als richterliches Gremium in erster Linie eine beratende Funktion hat (ee.)424. Der Judicial Conference of the U.S. Courts ge­ hört unter anderem der Chief Judge of the Circuit an, der auch Vorsitzender der Judicial Conference of the Circuit ist; weiterhin handelt es sich bei dem Judicial Council of the Circuit sowie den Committees of the Judicial Conference um un­ tergeordnete Gremien der Judicial Conference of the U.S. Courts, die allerdings keine tragende Funktion innehaben425. Lediglich die Judicial Councils sollen hier als Überwachungsorgan auf Bezirksebene kurz Erwähnung finden (ff.). aa) U.S. Department of Justice Seit der Gründung des U.S. Department of Justice im Jahre 1870 oblag die Ver­ antwortung für die Gerichtsverwaltung zunächst der Exekutive426. Eine Stär­ kung des Gewaltenteilungsgrundsatzes vollzog sich erst mit der Übertragung der gerichtsverwaltenden Aufgaben auf das Administrative Office of the United 421  Zu dieser Einschätzung siehe Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  70 ff. – Einen Überblick über die Organe der Gerichtsverwaltung der Bundesgerichte geben weiter­ hin Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  32 ff.; ausführlich Fish, Administration (Teil  2, Fn.  62), S.  166 ff.; Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  119 ff.; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  183 ff.; Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  18 ff.; knapp auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  631 ff.; Wheeler, Introduction (Teil  2, Fn.  618), S.  2 ff.; ders., Independence (Einl., Fn.  75), S.  523 ff. 422  Siehe zu den Bestrebungen, die Verwaltung der Gerichte wie die Justiz an sich zu zentralisieren Wasby, Administration (Teil  1, Fn.  289), S.  127 ff. 423  Siehe hier nur Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  21. 424  Siehe für einen Überblick die Grafik bei Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  122. 425  Siehe knapp dazu Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  122. 426  Fish, Administration (Teil  2 , Fn.  62), S.  91 ff., 125 ff.; Cameron/Zimmerman/Dowling, Justice (Teil  1, Fn.  213), S.  445; Wasby, Administration (Teil  1, Fn.  289), S.  126 f.; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  523; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  72.

B. Die Verwaltung der Gerichte in den USA

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States Courts. Zum Teil wird kritisiert, dass damit zwar der Selbstverwaltung der Gerichte der Weg geebnet worden ist, der politische Einfluss der Gerichts­ verwaltung allerdings zurückgedrängt wurde427. Dem kann entgegengehalten werden, dass nunmehr verstärkt bewusst solche Richter für den Kontakt mit dem Kongress (beispielsweise für Budgetverhandlungen) ausgewählt werden, die über Verbindungen zu den entscheidenden Gesetzgebern verfügen428. Die Bereiche, in denen ein (marginaler und fast trivialer) exekutiver Einfluss nach wie vor in die Judikative durchschlägt, werden dennoch misstrauisch beäugt 429. bb) Der Chief Justice und sein Verwaltungsstab In personeller Hinsicht obliegt die Durchführung der Verwaltungsaufgaben in der Regel dem Chief Justice des U.S. Supreme Courts bzw. dem jeweiligen Chief Judge der unteren Bundesgerichte, der grundsätzlich mit dem Clerk of Court sowie Verwaltungsassistenten zusammen agiert 430; die Zentralisierung der gerichtsverwaltenden Strukturen auf diese Personen gilt im Bund wie in den Einzelstaaten als essentielles Ziel431. Dem Chief Justice obliegt als Aufsichts­ organ über das gesamte Bundesgerichtssystem nicht nur die Verwaltung des obersten Gerichtes, sondern des gesamten Gerichtssystems432. Als oberstem Richter kommt dem Chief Justice von Amts wegen die Mitgliedschaft in den nachfolgend zu besprechenden administrativen Organisationen zu433. Hier ver­ wischen die Grenzen zwischen judikativer und politischer Funktion434. Zudem ist er zuständig für die Besetzung wichtiger Verwaltungsposten435. Der Clerk of 427 

Wasby, Administration (Teil  1, Fn.  289), S.  126 f. So auch Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  524. 429  Dies gilt vor allem für gerichtliches (Sicherheits-)Personal, das unter Führung des AO in Zusammenarbeit mit der General Services Administration (GSA) agiert, vgl. zu den – zu­ gegebenermaßen aus deutscher Sicht paranoid anmaßenden – Friktionen der Gewaltentei­ lung Wasby, Administration (Teil  1, Fn.  289), S.  127. 430  Zur Rolle des Chief Justice und seiner „Helfer“ im Rahmen der Gerichtsverwaltung siehe Flanders u. a., Management (Teil  1, Fn.  252), S.  9; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  71. – Siehe zur unterstützenden Funktion der Magistrate Judges, die überwiegend als gewinnbringend eingeschätzt wird, Flanders u. a., Management, ebd., S.  60 f.; Friesen/ Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  169 ff.; Smith, Self-Interest (Teil  1, Fn.  205), S.  25 ff., 95; Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  18 ff. 431 So Mahoney/Solomon, Court Administration (Teil  1, Fn.  248), S.  4 4; K. Heller, EuGRZ 1985, S.  685 (696); siehe auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  633. 432 Vgl. Hays, Managers (Teil  1, Fn.  319), S.  223 f.; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  71. 433 Vgl. D. Chutkow, Journal of Law and Courts 2014, S.  301 (302 f.). Siehe sogleich unten die weiteren Punkte ab B. II. 2. a) cc). 434 Vgl. D. Chutkow, Journal of Law and Courts 2014, S.  301 (304). 435  Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  71. 428 

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

Court führt die Verwaltungsgeschäfte des Gerichts häufig als Court Administrator aus436. Er verwaltet die Aufgaben des Gerichts, die nicht zur rechtspre­ chenden Tätigkeit gehören, nach den vom jeweiligen Gericht gesetzten Richt­ linien und berichtet dem Gericht hierüber direkt über den Chief Judge437. Da­ rüber hinaus arbeiten mehr als zweitausend Law Clerks (vergleichbar mit Wissenschaftlichen Mitarbeitern in Deutschland) im Rahmen der Bundesjustiz für einzelne Bundesrichter, fast halb so viele sind den Bankruptcy Judges sowie den U.S. Magistrate Judges zugeteilt 438. Darüber hinaus gibt es einige Law Clerks, die für ganze Gerichte (zum Teil für Berufungsgerichte, in erster Linie aber für District Courts) zuständig sind439. Sie übernehmen verschiedene Auf­ gaben440, haben jedoch primär eine beratende und unterstützende Funktion, in­ dem sie Opinions, also Vermerke schreiben, die auf Recherchen zu dem jewei­ ligen Fall basieren441. Damit haben Law Clerks einen nicht unerheblichen Ein­ fluss auf die Rechtsprechung des ihnen zugeteilten Richters; es ist nicht selten zu beobachten, dass auch Law Clerks in ihrer politischen Ideologie sehr linien­ 436  Siehe 28 U.S.C. §§  251 ff. – Siehe aus zeitgenössischer Sicht zur Entwicklung der Court Clerks zu Court Administrators hier nur Flanders u. a., Management (Teil  1, Fn.  252), S.  9. 437  Zu den konkreten Aufgaben der Law Clerks gehören: Verwaltung und Pflege der Ge­ richtsakten, Verwaltung der Informationstechnologiesysteme am Gericht, Zahlung aller Ge­ bühren, Geldstrafen, Kosten und sonstiger Gelder an das U.S.-Finanzministerium, Verwal­ tung des Jury-Systems des Gerichts, Bereitstellung von Dolmetschern und Gerichtsrepor­ tern, Senden von offiziellen Gerichtsakten und Vorladungen, Bereitstellung von Gerichtssaal, Dienstleistungen u.v.m. Siehe dazu Flanders u. a., Management (Teil  1, Fn.  252), S.  9; Wilson, Justice System (Teil  3, Fn.  116), S.  83; C. P. Banks, The State and Federal Courts. A Comple­ te Guide to History, Power, and Controversy, 2017, S.  238 f.; aus historischer Sicht zu den Aufgaben des Clerk of Court I. S. Messinger, Order in the Courts: A History of the Federal Court Clerk’s Office, 2002, S.  1 ff. (abrufbar unter https://public.resource.org/scribd/8763902. pdf, 19.3.2020). 438  Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2 , Fn.  909), S.  40. – Zur historischen Entwicklung des Berufes des Law Clerks siehe instruktiv P. R. Baier, Vanderbilt Law Review 26 (1973), S.  1125 (1129 ff.); Posner, Challenge (Teil  2, Fn.  40), S.  124 ff.; knapp auch Cohen, Appellate Courts (Teil  3, Fn.  120), S.  87 f.; T. C. Peppers/C. Zorn, DePaul Law Review 58 (2008), S.  51 (54 f.); Burnham, Introduction (Teil  2, Fn.  132), S.  197 f. 439  Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2 , Fn.  909), S.  40. 440  Aufgrund der inneren Organisationautonomie der Gerichte lässt sich nur schwer ein verallgemeinerndes Bild der Aufgaben eines Law Clerks zeichnen. Im Folgenden wird daher lediglich überblickshalber dargestellt, wo sich zumeist gemeinsame Schnittstellen finden. Siehe zum Darstellungsproblem auch C. Newland, Oregon Law Review 40 (1961), S.  299 (311): „Because of the confidential nature of the court’s inner operations, it is impossible to describe the duties of the clerks in exacting detail“. 441  Siehe zum Aufgabenprofil eines Law Clerks zusammenfassend P. R. Baier, Vanderbilt Law Review 26 (1973), S.  1125 (1143 ff.); Flanders u. a., Management (Teil  1, Fn.  252), S.  62; detailliert Cohen, Appellate Courts (Teil  3, Fn.  120), S.  88, 90 ff.; Burnham, Introduction (Teil  2, Fn.  132), S.  199; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  40 f.

B. Die Verwaltung der Gerichte in den USA

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treu sind442. Die Law Clerk-Positionen an den oberen Bundesgerichten gelten als prestigeträchtiges Karrieresprungbrett, sodass sie zumeist den besten Absol­ venten der juristischen Fakultäten vorbehalten sind443. cc) Administrative Office of the United State Courts Mit dem Administrative Office Act wurde die Zuständigkeit für die Bundes­ justizverwaltung auf die Judikative übertragen444, indem das Administrative Office of the United State Courts (AO) als Verwaltungsamt in Washington ge­ gründet und nunmehr die Selbstverwaltung der Bundesgerichte etabliert wur­ de445. Der Direktor des Administrative Office wird vom Chief Justice des U.S. Supreme Courts ernannt. Er steht unter der Aufsicht der Judicial Conference of the United States und erstattet dieser regelmäßig Bericht446. Die Gerichtsver­ waltung der Bundesgerichte wird in ihrer Gesamtheit durch das Administrative Office organisiert, das daher auch die Bezeichnung als „judiciary’s housekeeping agency“ erhielt447. Die wesentlichen Aufgaben des Administrative Office beste­ 442 

Siehe dazu T. C. Peppers/C. Zorn, DePaul Law Review 58 (2008), S.  51 (55 ff., 60 ff.); A. Liptak, A Sign of the Court’s Polarization: Choice of Clerks, in: The New York Times, 6.9.2010 (abrufbar unter http://www.nytimes.com/2010/09/07/us/politics/07clerks.html, 19.3.­ 2020). 443  Zu den Auswahlkriterien siehe Cohen, Appellate Courts (Teil  3, Fn.  120), S.  88 ff. – Es ist insbesondere nicht ungewöhnlich, dass ehemalige Law Clerks am U.S. Supreme Court später selbst eine einflussreiche Position als Richter, in einer großen Rechtsanwaltssozietät oder bei der Regierung erhalten, vgl. W. L. Anderson/M. J. Headrick, The Legal Profession. Is it for you?, 1996, S.  110 f.; R. Morse, New Law School Ranking: Judicial Clerkship Jobs, 3.9.2009 (abrufbar unter https://www.usnews.com/education/blogs/college-rankings-blog/ 2009/09/03/new-law-school-ranking-judicial-clerkship-jobs, 19.3.2020). 444  53 Stat. 1223 (7 August 1939). Siehe zur Entwicklung allgemein A. T. Vanderbilt, Uni­ versity of Cincinnati Law Review 26 (1957), S.  155 (204 ff.); Fish, Administration (Teil  2, Fn.  62), S.  125 ff.; McKay, Councils and Conferences (Teil  2, Fn.  65), S.  120 f.; Röhl, Gerichts­ verwaltung (Einl., Fn.  18), S.  49 f.; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  523; Neubauer/ Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  72. 445  Fish, Administration (Teil  2 , Fn.  62), S.  125 ff.; K. Heller, EuGRZ 1985, S.  685 (693); Tobin, Overview (Teil  1, Fn.  318), S.  11 f.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  49 f.; J. B. Oakley/V. D. Amar, American Civil Procedure. A Guide to Civil Adjudication in US Courts, 2009, S.  43 f.; Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  20 f. – Zum Administrative Office Act von 1939 siehe Hurst, Growth (Teil  3, Fn.  85), S.  114 f.; C. J. Wallace, Brigham Young University Law Review 1978, S.  39 (45); Graham, Reshaping (Teil  1, Fn.  297), S.  13 ff. 446  28 U.S.C. §  601. – Siehe Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  523 f.; Neubauer/ Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  72. 447 So Fish, Administration (Teil  2 , Fn.  62), S.  166; aufgegriffen von Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  184; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  41; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  72.

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

hen in der Erstellung eines jährlichen Haushaltsplanes für die Bundesgerichte sowie in der Klärung von Personal- und Sachfragen, insbesondere im Hinblick auf die Gebäudenutzung448. Friktionen mit der richterlichen Unabhängigkeit werden entweder ignoriert oder lapidar als haltlos abgewiesen449. Als offizieller Repräsentant der Judicial Conference tritt das Administrative Office nicht nur für Budgetverhandlungen mit dem Kongress in Verbindung, sondern beantragt auch die Schaffung neuer Richterstellen oder übermittelt Anträge auf Änderun­ gen in den Court Rules450. Vor allem zum Zwecke der Unterbringung gericht­ licher Akten in staatlichen Gebäuden, um die Datenerhebungen in Personalsa­ chen zu gewährleisten, besteht die Notwendigkeit der Koordination mit anderen staatlichen Stellen451. Weiterhin nimmt das Administrative Office organisatori­ sche Funktionen wahr und hat insofern für die Judicial Conference eine Perso­ nalfunktion452. Um die Arbeit der Judicial Conference als Verordnungsgeberin im Hinblick auf gerichtsverwaltende Vorschriften zu ermöglichen, versorgt das Administrative Office die entsprechenden Komitees mit unerlässlichem statisti­ schem Material und fungiert überdies als Übermittler entsprechender Informa­ tionen und Anfragen, die sich an die Judicial Conference richten453. dd) Federal Judicial Center Dem Administrative Office angegliedert ist das Federal Judicial Center, das sich aus neun Mitgliedern aus der Richterschaft zusammensetzt – dem Chief Justice als Vorsitzendem, dem Direktor des Administrative Office als ständigem Mit­ glied sowie zwei Circuit Judges, drei District Judges, einem Bankruptcy Judge und einem Magistrate Judge, die jeweils durch die Judicial Conference gewählt werden454. Die Hauptaufgabe des Federal Judicial Center besteht in der Gewähr­ 448 Vgl. McKay/Parkison, States (Teil  2 , Fn.  885), S.  361; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  49 f.; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  184 f.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  631 f.; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  72. 449  So bspw. Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  524. 450  Grundlage diese Anträge sind die von den unteren Bundesgerichten übermittelten Da­ ten, die überdies durch das AO jährlich zusammengetragen, ausgewertet und veröffentlich wer­ den. Siehe dazu Fish, Administration (Teil  2, Fn.  62), S.  173, 200 ff.; Carp/Stidham/Manning/ Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  41 f.; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  72. 451  Carp/Stidham/Manning, Federal Courts (Teil  1, Fn.  207), S.  21; dies./Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  41 f. 452  Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2 , Fn.  909), S.  41. 453  Siehe dazu Fish, Administration (Teil  2 , Fn.  62), S.  200 ff.; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  184 f.: „veritable gold mine of statistics“ (Zitat auf S.  184); Carp/Stidham/­ Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  41. 454  28 U.S.C. §§  620–629. Aus historischer Perspektive siehe instruktiv R. R. Wheeler, Law & Contemporary Problems 51 (1988), S.  31 ff. Siehe weiterhin Friesen/Gallas/Gallas,

B. Die Verwaltung der Gerichte in den USA

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leistung kontinuierlicher (Weiter-)Bildung sowie in allgemeiner Forschungsar­ beit455. Dabei konzentriert sich das Zentrum auf drei wesentliche Themengebie­ te: Wissenschaftliche Nachforschungen zu den Bundesgerichten, Empfehlungen zur Verbesserung der Gerichtsverwaltung und des Court Management der Bun­ desgerichte sowie die Entwicklung von Aus- und Weiterbildungsprogrammen für das juristische Personal an den Gerichten des Bundes456. Vor allem Magistrate Judges, Bankruptcy Judges und das Verwaltungspersonal haben so von ei­ ner großen Bandbreite an Bildungsmaßnahmen profitiert, die aufgrund der Nut­ zung technologischer Mittel eine enorme Vielzahl von Mitarbeitern erreichen konnten457. Die Berichte des Federal Judicial Center haben darüber hinaus eine nicht zu unterschätzende justizpolitische Bedeutung, da sie unter anderem die Lobby-Arbeit der Judicial Conference gegenüber dem Kongress ermöglichen458. ee) Judicial Conference of the United States Bei der Judicial Conference of the United States handelt es sich formal betrachtet um ein Judicial Council (Justizrat), obwohl sie ausschließlich mit Richtern be­ setzt ist459. Sie ist mithin ein Gremium (nicht eine Tagung460), das aus dem Chief Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  78; Fish, Administration (Teil  2, Fn.  62), S.  369 ff.; Röhl, Gerichts­ verwaltung (Einl., Fn.  18), S.  68; Smith, Self-Interest (Teil  1, Fn.  205), S.  96 f.; Wheeler, Intro­ duction (Teil  2, Fn.  618), S.  10 f.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  632; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  82. – Zur Bedeutung der Gründung des Centers Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  185: „The establishment […] is a highly commendable step in the right direction“. 455  K. Heller, EuGRZ 1985, S.  685 (696); Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  100 Fn.  162; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  632; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  41 f. 456  Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  68; Wheeler, Introduction (Teil  2 , Fn.  618), S.  10 f.; Wilson, Justice System (Teil  3, Fn.  116), S.  109; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Pro­ cess (Teil  2, Fn.  909), S.  42. 457  Probates Mittel zur Verbreitung von Weiterbildungsprogrammen sind Videos, die im ganzen Land empfangen werden können, vgl. Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  42; ähnlich auch Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  72. 458  McKay/Parkison, States (Teil  2 , Fn.  885), S.  365 f.; K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (225); eindringlich warnend Smith, Self-Interest (Teil  1, Fn.  205), S.  20 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  632. 459  28 U.S.C. §  331. Zur Judicial Conference im Überblick vgl. Fish, Administration (Teil  2, Fn.  62), S.  228 ff., 269 ff.; McKay, Councils and Conferences (Teil  2, Fn.  65), S.  120 ff.; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  183 f.; Wilson, Justice System (Teil  3, Fn.  116), S.  108 f.; Cravens, Judges (Teil  2, Fn.  413), S.  391; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  71. – In vielen Einzelstaaten bestehen Judicial Councils häufig nicht nur aus Richtern, sondern auch aus Anwälten und Vertretern der Legislative, siehe Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  42; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  525. 460  Zu den begrifflichen Ungenauigkeiten siehe Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1,

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

Justice des U.S. Supreme Courts, der den Vorsitz innehat, den Chief Judges der 13 Courts of Appeals sowie des Court of International Trade besteht 461. Darüber hinaus gehören ihm zwölf Richter der District Courts an, welche wiederum durch Richter aus dem jeweiligen Circuit gewählt werden462. Der Judicial Conference angegliedert sind 25 Komitees, die Konzepte und Empfehlungen für das lediglich zwei Mal im Jahr tagende Gremium ausarbeiten463. Es existieren zum Teil durch den Kongress direkt an die Judicial Conference übertragene Aufga­ ben, die vornehmlich in der Entwicklung und Überarbeitung von Court Procedures sowie Empfehlungen für die Legislative bestehen464. Hauptsächlich be­ steht die Funktion der Judicial Conference jedoch darin, die Zuständigkeiten des Administrative Office zu überwachen und zu lenken465. Hierzu zählen die Vorbe­ reitung der jährlichen Haushaltsforderung sowie die sachgerechte Verteilung der Mittel und die Festlegung von Regeln für das Gerichtspersonal sowie statistische Berichtsanforderungen466. Durch die Regulierungsmöglichkeit hinsichtlich der finanziellen Verpflichtungen des Administrative Office steht der Judicial Conference zumindest mittelbar die theoretische Möglichkeit offen, Personalplanungs­ entscheidungen des Administrative Office zu beeinflussen. Da allerding keine originären Kompetenzen zur Erteilung von Verwaltungsaufgaben bestehen, wird die Gefahr der Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit durch die Übernahme von Gerichtsverwaltungsaufgaben durch die Judicial Conference als marginal eingeschätzt 467; gleichwohl sind Spannungen zu vernehmen. Fn.  332), S.  43. Danach existieren auch in den Bundesstaaten „Judicial Conferences“, bei denen es sich allerdings zum Teil nicht um Gremien, sondern um Konferenzen im Sinne von Versammlungen aller Richter handelt. 461  Diese Richter erhalten ihren Sitz im Gremium aufgrund von Alter bzw. Dienstalter, vgl. 28 U.S.C. §  258. 462  Fish, Administration (Teil  2 , Fn.  62), S.  269 ff.; McKay, Councils and Conferences (Teil  2, Fn.  65), S.  120 ff.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  50; Smith, Self-Interest (Teil  1, Fn.  205), S.  16; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  183 f.; Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  120 f.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  631; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  525; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  71. 463 Vgl. Wheeler, Introduction (Teil  2 , Fn.  618), S.  9 f.; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  71. 464  Siehe für mehr Details 28 U.S.C. Kapitel  131; zu der nicht unwesentlichen Einfluss­ nahmemöglichkeit der Judicial Conference siehe Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  43: „The role […] is significant“; McKay, Councils and Conferences (Teil  2, Fn.  65), S.  121; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  184; Wheeler, Introduction (Teil  2, Fn.  618), S.  8; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  71. 465  28 U.S.C. §  604 (a): „supervision and direction“; siehe dazu Wheeler, Introduction (Teil  2, Fn.  618), S.  8; ders., Independence (Einl., Fn.  75), S.  526; D. Chutkow, Journal of Law and Courts 2014, S.  301 (302). 466  Siehe zu diesem Aufgabentableau 28 U.S.C. §  604. 467  Wheeler, Introduction (Teil  2 , Fn.  618), S.  8 f.

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ff) Judicial Councils Neben der Judicial Conference of the United States verfügen alle 12 Circuits des Bundes jeweils über ein Judicial Council, welches je zur Hälfte aus District und Circuit Judges besteht und dessen Vorsitz der Chief Circuit Judge über­ nimmt468. Durch den Kongress werden die Judicial Councils mit weitreichen­ den Kompetenzen ausgestattet, die es ihnen ermöglichen, sämtliche notwendi­ gen und angemessenen Verfügungen zu erlassen, um eine effektive und rasche Verwaltung der Gerichte sicherzustellen469. Diese offen formulierte Ermächti­ gung führt zu einer zum Teil erodierenden Ausweitung informaler Arbeits­ strukturen, was leicht zu einer Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängig­ keit führen kann470. Ein fragiler Aufgabenbereich der Judicial Councils ist bei­ spielsweise die Prüfung von Beschwerden über richterliches Fehlverhalten471. b) Verwaltung der Gerichte der Einzelstaaten Seit geraumer Zeit sind auf Staatenebene Bestrebungen zu verzeichnen, die Ge­ richtssysteme zu vereinheitlichen und an das bestehende dreistufige Modell der Gerichtsorganisation auf Bundesebene anzupassen472. Illinois, New Jersey und auch Virginia gelten dabei auf einzelstaatlicher Ebene als Paradebeispiele für ein solches „Unified Court System“, während New York als Gegenbeispiel der Vereinheitlichung und Zusammenlegung mehrerer Gerichtszweige dient473. Oberstes Ziel der Unified Court Systems ist – neben der Vereinfachung der Ge­ richtsstrukturen – die Gerichtsverwaltung von der lokalen Kontrolle zu einem zentralisierten Management zu entwickeln; dies gilt vor allem im Bereich der 468  28 U.S.C. §  332 (a); Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  72. Zur Dezentrali­ sierungswirkung der Circuit Judicial Councils siehe R. R. Wheeler, Law & Contemporary Problems 51 (1988), S.  31 ff. 469  Siehe zu diesen Statutory Functions instruktiv Fish, Administration (Teil  2 , Fn.  62), S.  392 ff.; Wasby, Supreme Court (Teil  2, Fn.  406), S.  67 f.; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  72. 470  Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  528; ders., Introduction (Teil  2 , Fn.  618), S.  13 f. 471  Siehe hier nur Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  528, 548 ff. 472  Mit Argumenten für und gegen die Vereinheitlichung der bundesstaatlichen Gerichts­ strukturen und allgemein zur Frage, ob viele spezialisierte Gerichte oder ein allgemeines oder ein spezialisiertes Gericht in der ersten Instanz sinnvoller wären Aikman, Administrati­ on (Teil  1, Fn.  2), S.  42 ff., 54 ff.; siehe allgemein auch Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  52 ff.; Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  90 ff. 473  Siehe instruktiv zu den unterschiedlichen Gerichtsorganisationen L. C. Berkson, Judi­ cature 60 (1977), S.  372 ff.; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  156 f.; Baum, Courts (Teil  3, Fn.  316), S.  44 ff.; anschaulich auch zu den genannten Bundesstaaten Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  95 f.

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

Budgetierung474. Entsprechende Reformtendenzen verbuchen einen nicht uner­ heblichen Erfolg, da inzwischen nahezu alle Bundesstaaten ihr Gerichtssystem vereinheitlicht, einen drei- oder vierstufigen Gerichtsaufbau etabliert und eine zentrale Gerichtsverwaltungsstelle eingesetzt haben475. Vorreiter war der Bun­ desstaat New Jersey476, der im Folgenden für die Organe der Gerichtsverwal­ tung als Anschauungsbeispiel dienen soll, wenn – wie so oft – das Auffinden verallgemeinerungsfähiger Aussagen über die Organisationsstruktur durch die föderale Gestaltungsvielfalt im Rahmen der Gerichtsverwaltung behindert wird. Dem obersten Richter des jeweiligen Supreme Court obliegt regelmäßig die Leitung sowie die Aufsicht der Gerichtsverwaltung (aa.), bei der er durch die Clerks of Court, die sich inzwischen flächendeckend zu dem professionellen Berufsbild des Court Administrator gewandelt haben, unterstützt wird (bb.). Wie auf Bundesebene sind nunmehr in allen Bundesstaaten Administrative Offices eingerichtet worden (cc.). Durch Ausschüsse und weitere Gremien wird die Gerichtsverwaltung im Einzelnen unterstützt (dd.)477. aa) Verwaltungszuständigkeit der Supreme Courts Die obersten Gerichtshöfe in den Bundesstaaten sind in der Regel für die Fest­ legung der Richtlinien der Gerichtsverwaltung der einzelstaatlichen Gerichte sowie für deren Überwachung zuständig478. Mit der Rule-Making Power steht und fällt ihre Selbstverwaltungskompetenz479. Die Implementierung und Um­ setzung der Rules of Court, von ergangenen Richtlinien und Verfügungen wird in der Regel durch den Chief Justice überwacht480. Diese Vormachtstellung als 474 

Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  94 f., 98. Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  52 ff.; Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  99 f. – Eine veraltete Bilanz ziehen insofern Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  31 ff. 476  Siehe zur Vorbildfunktion hier nur R. Pound, Harvard Law Review 66 (1952), S.  28 ff.; Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  34 f.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  54 f. 477  Siehe im ersten Zugriff für einen verallgemeinernden Überblick der Organe der Ge­ richtsverwaltung der Bundesstaaten Tobin, Overview (Teil  1, Fn.  318), S.  25 ff.; Baum, Courts (Teil  3, Fn.  316), S.  47 f. 478  Siehe hierzu am Beispiel des Bundesstaates Illinois Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  56 f.; im Detail siehe weiterhin Tobin, Overview (Teil  1, Fn.  318), S.  26 ff.; Hays, Managers (Teil  1, Fn.  319), S.  222 ff. 479  So auch Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  57. – Zu teilweisen Tendenzen der Legislative, die Kompetenzen der Supreme Courts, eigene Regelungen zu erlassen, zu be­ schneiden, siehe Tobin, Overview (Teil  1, Fn.  318), S.  27 f. 480 Zur Rolle des Chief Justice siehe Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  56 f.; ­Tobin, Overview (Teil  1, Fn.  318), S.  25, 28 f. – Siehe ausführlich zur Verwaltungsverantwort­ 475 

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Head of Administration wird dem Chief Justice zumeist durch die jeweilige Ver­ fassung oder durch Gesetz übertragen. In New Jersey enthält Art.  VI §  7 Nr.  1 der Verf. von New Jersey eine solche Kompetenznorm481. Die Befugnisse des Chief Justice variieren je nach der Art seiner Bestellung, der Dauer seiner Amtszeit und dem Aufbau des Gerichtssystems: Bei politisch gewählten Rich­ tern mit langer Amtszeit in einem hierarchisch vertikal aufgebauten Gerichts­ system ist die Machtbefugnis erfahrungsgemäß am größten482. Um den Supreme Court von New Jersey bei der Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben der Gerichtsverwaltung zu unterstützen, ermächtigt die Verfassung von New Jersey den Chief Justice zur Ernennung eines Administrative Directors und zur Dele­ gation von gerichtsverwaltenden Aufgaben483. Im District of Columbia hat sich indessen eine Besonderheit in der Gerichts­ verwaltungsstruktur herausgebildet. An der Spitze der Organisationsstruktur steht nicht das oberste Gericht, sondern das Joint Committee on Judicial Administration484. Weiterhin wird einfach-gesetzlich ein Executive Officer einge­ setzt, der für die Verwaltung bzw. das Management der Gerichte zuständig ist, dabei jedoch der Beaufsichtigung der Chief Judges des District of Columbia Court of Appeals sowie des Superior Court of the District of Columbia unter­ liegt, welche wiederum die Umsetzung der allgemeinen Verwaltungsrichtlinien und Vorgaben des Joint Committees überwachen485. bb) Clerks of Court und Court Administrators Der Clerk of Court bzw. Court Clerk hat üblicherweise die Verantwortung über die tägliche Verwaltungsordnung am Gericht – er bucht Gerichtssäle, fertigt Aufzeichnungen zum Verlauf von Fällen an und kümmert sich um die Durch­ setzung der Urteile, wodurch ihm ferner die Eintreibung von Geldstrafen und lichkeit in den einzelnen Bundesstaaten die Tabelle bei Rottman/Strickland, Organization (Teil  2, Fn.  618), S.  63 f. 481  Art.  V I §  7 Nr.  1 S.  1 der Verf. von New Jersey: „The Chief Justice of the Supreme Court shall be the administrative head of all the courts in the State“; zusätzlich verstärkt Rule 1:33-1 der New Jersey Rules of Court diese Kompetenzzuweisung. Siehe im Überblick hierzu auch Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  34 f. – Kompetenznormen zum „Administrative Head“ sämtlicher Bundesstaaten sind zusammengefasst durch das NCSC unter http://www.ncsc.org/Topics/Court-Management/Administrative-Offices-of-the-Courts/State-­ Links.aspx?cat=Administrative%20Head%20of%20Judicial%20Branch (22.11.2017). 482  Tobin, Overview (Teil  1, Fn.  318), S.  28. 483  Siehe Art.  V I §  7 Nr.  1 S.  2 der Verf. von New Jersey und dazu knapp Röhl, Gerichts­ verwaltung (Einl., Fn.  18), S.  54. 484  D.C. Code §  11-1701 (2016). 485  D.C. Code §  11-1702 (a), (b) i. V. m. §  11-1703 (2016).

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

Gerichtsgebühren obliegt 486. Zumeist werden diese unmittelbaren administrati­ ven Tätigkeiten durch den Clerk of Court durchgeführt, allerdings firmiert die­ ser zum Teil auch unter anderen Berufsbezeichnungen487. In New Jersey existie­ ren am Supreme Court sowie an den unteren Staatengerichten Court Clerks für die Erfüllung spezifischer gerichtsverwaltender Maßnahmen488. In vielen Bundesstaaten wurden die klassischen Court Clerks im Zuge von Reformen des Gerichtssystems489 durch explizite und besser ausgebildete Court Administrators bzw. Court Manager ersetzt oder um eine solche Position er­ gänzt. Der Court Clerk kümmert sich nunmehr nicht mehr nur um einen einzi­ gen Gerichtssaal, sondern geht dem vorsitzenden Richter bei der Verwaltung des gesamten Gerichtsgebäudes zur Hand490. Bei den Bezeichnungen handelt es sich weniger um Berufsbilder, sondern vielmehr um Rollenbeschreibungen. Zu­ meist ist festzustellen, dass in der Position des Court Clerk nunmehr neue, pro­ fessionalisierte Aufgabenfelder vereinigt wurden491. Dabei haben Court Clerk und Chief Justice idealiter Hand in Hand zu agieren; nicht selten offenbart sich allerdings ein Konfliktfeld in ihrer kompetenziellen Abgrenzung492. Die Befug­ 486 

Im Überblick zu den verschiedenartigen Aufgabenfeldern der Clerks of Court siehe Hays, Managers (Teil  1, Fn.  319), S.  231 f.; Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  102; Burnham, Introduction (Teil  2, Fn.  132), S.  199; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  62. 487  L. C. Berkson/S. W. Hays, The Justice System Journal 2 (1976), S.  57 (57 mit Fn.  4); R. Y. Schauffler, Utrecht Law Review 3 (2007), S.  112 (117); Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  62. 488  Die Einrichtung der Court Clerks wird durch den Supreme Court vorgenommen und richtet sich nach NJ Rev. Stat. §  2B:3-1 (2016). Einzelheiten sind Rule 1:34-2 der New Jersey Rules of Court zu entnehmen: 489  Siehe zu den Reformen zum Zwecke der Reorganisation der Gerichte und zur Verein­ heitlichung des Gerichtssystems (vor allem in den Bereichen der Finanzierung und des Per­ sonals) in diesem Zusammenhang L. C. Berkson/S. W. Hays, The Justice System Journal 2 (1976), S.  57 (57 f.); Berkson, History (Teil  2, Fn.  81), S.  7 ff.; Gazell, Reform (Teil  3, Fn.  316), S.  79 ff. 490  Allgemein gehalten hierzu Tobin, Overview (Teil  1, Fn.  318), S.  28; Hays, Managers (Teil  1, Fn.  319), S.  221 f.; siehe auch die Auflistung bei Rottman/Strickland, Organization (Fn.  618), S.  175 ff.; Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  101 ff. – Zum „Court Management“ als Karriereoption Echaore-McDavid, Career (Teil  1, Fn.  291), S.  140 f. 491  Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), 103. Zur Entwicklung des modernen Court Managements und insbesondere zu den gängigen Berufsbezeichnungen der modernen Gerichts­ manager, die regelmäßig nach wie vor Court Clerk oder Court Administrator heißen, siehe Saari/Planet/Reinkensmeyer, Court Managers (Teil  1, Fn.  268), S.  237 ff., 242 ff. 492  Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  106 ff. mit zahlreichen Beispielen. – Einen optimistischen Eindruck machen insofern jedoch Saari/Planet/Reinkensmeyer, Court Mana­ gers (Teil  1, Fn.  268), S.  249 f. – Idealiter arbeiten Chief Judge und Court Manager jedoch in einem Führungsteam zusammen. Angeregt wird dies unter anderem durch P. DeLosh u. a., The Court Administrator. Court Administration: A Guide to the Profession, 2016, S.  6 f. (ab­

B. Die Verwaltung der Gerichte in den USA

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nis des Court Clerks kann ferner stets nur so weit gehen, wie die Delegation durch das Gericht bzw. den Chief Justice reicht493. Infolgedessen sind die Auf­ gabenfelder der Gerichtsverwalter kaum einheitlich dazustellen. Ihnen kommen bisweilen verantwortungsvolle Aufgaben zu, die sich in einer Gemengelage zur eigentlichen Rechtsprechungstätigkeit befinden, da sie unter anderem das Caseflow Management umfassen und insofern auch die Geschäftsverteilung dem Clerk obliegt494. Erschwert wird die kompetenzmäßige Konturierung der Auf­ gaben von Chief Justice und Court Clerk dadurch, dass seit 1971 an den Federal Courts of Appeals sog. Circuit Executives zur Erfüllung von Gerichtsverwal­ tungsaufgaben bestellt werden können495 und damit eine weitere Lenkungs­ ebene existiert. cc) State Court Administrative Offices Auch in den Einzelstaaten sind seit der zweiten Hälfte des 20.  Jahrhunderts Court Administrative Offices mit einem State Court Administrator an der Spitze entstanden. Sie haben gegenüber dem jeweiligen Supreme Court bzw. dem je­ weiligen Chief Justice für die Verwaltung der Gerichte eine unterstützende Funktion496. Größe, Mittel und Aufgabenfelder der Administrative Offices vari­ ieren zwar je nach Größe und Kapazität des jeweiligen Bundesstaates. Üblicher­ weise werden jedoch Budgetvorbereitungen für die Gerichtshaushalte getroffen, Daten gesammelt und verarbeitet und Aufgaben im Bereich der Gebäudever­ waltung, juristischer Weiterbildung und Forschung sowie Öffentlichkeitsarbeit übernommen497. Neben solchen Aufgaben sind die Administrative Offices der rufbar unter https://nacmnet.org/wp-content/uploads/The-Court-Manual-final_print.pdf, 19.3.2020). Siehe so auch R. B. Hoffman, The Justice System Journal 15 (1991), S.  652 ff.; Steelman/Goerdt/McMillan, Caseflow Management (Teil  1, Fn.  245), S.  63. 493  In New Jersey bspw. unterliegt der Court Clerk überdies der Aufsicht des Administrative Director of the Courts, siehe Rule 1:34-2 der New Jersey Rules of Court. Siehe weiterhin Tobin, Overview (Teil  1, Fn.  318), S.  30. 494 Siehe Saari/Planet/Reinkensmeyer, Court Managers (Teil  1, Fn.  268), S.  247 ff., 252 ff.; Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  164 ff. 495  Die derzeitigen Bestimmungen über die Ernennung, die Zuständigkeiten und die Ent­ schädigung der Circuit Executives sind in 28 U.S.C. §  332 (e), (f) niedergelegt. Siehe Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  50 f. 496  Einen Überblick verschaffen bereits Ross/Millsap, Government (Teil  3, Fn.  57), S.  313 f.; L. C. Berkson/S. W. Hays, The Justice System Journal 2 (1976), S.  57 (57 f.); Friesen/ Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  34 f.; siehe auch Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  52 ff.; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  524; Carp/Stidham/Manning/­ Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  62. 497  Einzelne Aufgabenfelder rekapituliert Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  55; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  62. – Siehe am Beispiel New Jerseys auch Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  34.

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

Bundesstaaten zum Teil auch für die Bewährungshilfe verantwortlich und küm­ mern sich um Möglichkeiten der alternativen Streitbeilegung498. Das Tages­ geschäft der gerichtsverwaltenden Aufgaben übernimmt regelmäßig der State Court Administrator, dessen Einsetzung (als Administrative Director) in New Jersey auf Art.  VI §  7 Nr.  1 S.  2 der Verfassung beruht 499. Zusammen mit dem Chief Justice ist der Administrative Director als Leiter des Administrative Office of the Courts von New Jersey für die Gerichtsverwaltung der Justiz in ihrer Gesamtheit zuständig500. Ähnlich ist die Verwaltungspraxis auch in den meisten anderen Bundesstaaten ausgestaltet, wobei die Auswahl des State Court Administrator in aller Regel dem Chief Justice vorbehalten ist und nur selten andere Modelle – wie die Auswahl durch ein Judicial Council501 – praktiziert wer­ den502. Die Position des Court Administrators verfolgt in jedem Fall das Ziel einer professionellen und effizienten Umsetzung der Gerichtsverwaltungsvor­ gaben unter einer Implementierung von Managementideen503. Ein verallgemei­ nerungsfähiges Aufgabenprofil lässt sich indessen nicht erstellen, da die State Court Administrators in allen Bundesstaaten lediglich beauftragt und nicht mit eigenen Kompetenzen ausgestattet werden. Ihre Befugnisse reichen mithin stets nur so weit wie das Wohlwollen („Pleasure“) des Gerichts504.

498  Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2 , Fn.  909), S.  61 f.; im Detail siehe auch die Tabelle bei Rottman/Strickland, Organization (Teil  2, Fn.  618), S.  126 ff. 499  Dort heißt es explizit: „[The Chief Justice of the Supreme Court] shall appoint an Ad­ ministrative Director to serve at his pleasure.“ Siehe dazu Tobin, Overview (Teil  1, Fn.  318), S.  28. 500  NJ Rev. Stat. §  2A:12-1 (2013). 501  So bspw. in Kalifornien (Art.  V I §  6 (c) der Verf. von Kalifornien). 502 Vgl. Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  58, der hier insofern etwas unpräzise ist, als das Joint Committee on Judicial Administration im District of Columbia (D.C. Code §  11-1701 [2016]) im Zusammenhang mit der Auswahl des State Court Administrators ge­ nannt wird, obwohl die personelle Ausstattung des AO nicht zu dessen Aufgabenportfolio gehört; Tobin, Overview (Teil  1, Fn.  318), S.  29. 503  Zu den Anfängen am Beispiel Floridas siehe L. C. Berkson/S. W. Hays, The Justice System Journal 2 (1976), S.  57 (59 ff.); Tobin, Overview (Teil  1, Fn.  318), S.  29; R. Y. Schauffler, Utrecht Law Review 3 (2007), S.  112 (117). 504 Der Chief Justice in New Jersey ernennt den State Court Administrator mithin „to serve at his pleasure“ (siehe Art.  V I §  7 Nr.  1 S.  2 a. E. der Verf. von New Jersey). Gleichsin­ nig L. C. Berkson/S. W. Hays, The Justice System Journal 2 (1976), S.  57 (68); Röhl, Gerichts­ verwaltung (Einl., Fn.  18), S.  59; Tobin, Overview (Teil  1, Fn.  318), S.  30. – Eine übersichtli­ che Zusammenstellung der Aufgaben eines SCAO findet sich für die Gerichte im Bundesstaat Mississippi unter https://courts.ms.gov/aoc/aoc.html (zuletzt abgerufen am 5.7.2017).

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dd) Judicial Councils und Judicial Conferences Die Gerichtsverwaltung wird in den Bundesstaaten regelmäßig durch weitere Gremien und Ausschüsse unterstützt, die sich zwar in der konkreten Ausgestal­ tung unterscheiden, jedoch über gemeinsame Schnittstellen verfügen505. Nichts­ destotrotz besteht weiterhin eine recht unübersichtliche Vielzahl an verschiede­ nen Kommissionen und Gremien in den unterschiedlichen Einzelstaaten, die Einzelaufgaben der Gerichtsverwaltung übernehmen506. Insbesondere ist die Einrichtung von Judicial Councils und Judicial Conferences üblich507. Judicial Councils existieren lediglich in einigen wenigen Bundesstaaten508. Es handelt sich um als Justizräte eingesetzte staatliche Gremien, die zumeist von Verfas­ sung wegen gegründet werden und unter dem Vorsitz des Chief Justice mit der Verbesserung der Qualität der Rechtsprechung509 und der Förderung der konse­ quenten, unabhängigen, unparteiischen und zugänglichen Rechtspflege durch die Justizbehörde zugunsten der Öffentlichkeit betraut sind510. Die Gremien be­ stehen in der Regel nicht nur aus richterlichen Mitgliedern, sondern umfassen auch Delegierte aus der Anwaltschaft sowie der Legislative511. 505  Siehe im Überblick McKay, Councils and Conferences (Teil  2 , Fn.  65), S.  113 ff.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  57 f.; ausführlich insbesondere Rottman/Strickland, Organization (Teil  2, Fn.  618), S.  68 ff. 506  Vgl. mit dieser Tendenz Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  52 ff., 56 ff. (am Beispiel von Illinois); Hays, Managers (Teil  1, Fn.  319), S.  226; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  633. 507  Mit weiteren Gremien am Beispiel von Illinois siehe auch Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  57 f., der hier bspw. das Supreme Court Rules Committee, das Judicial Inquiry Board, die Courts Commission sowie das Judicial Management Advisory Committee nennt; Oakley/Amar, Procedure (Fn.  445), S.  44. 508  Siehe näher Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  525. Ihre Gründung geht zurück auf die Vereinheitlichungsbestrebungen von Chief Justice Burger, vgl. J. W. Winkle, The­Jus­ tice System Journal 6 (1981), S.  240 (241); Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  185. 509  Im Wortlaut heißt es häufig „fairness of justice“. Eine Übersetzung im Sinne von Rechtsprechungsgerechtigkeit wäre nicht hinreichend greifbar. Siehe Wheeler, Independen­ ce (Einl., Fn.  75), S.  525. 510  Beispielhaft muss hier der Judicial Council in Kalifornien herhalten, da er aufgrund seiner Effektivität besondere Reputation genießt, vgl. Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  43. Siehe zur Errichtung Art.  V I §  6 der Verf. von Kalifornien i. V. m. Rule 10.1 der California Rules of Court. – Utah bildet im Hinblick auf das Zuständigkeitsportfolio üb­ licher Judicial Councils eine Ausnahme, da das Gremium gem. Art.  V III §  12 der Verf. von Utah i. V. m. UT Code §  78A-2-104 (2016) in diesem Bundesstaat als das „policy-making body for the judiciary“ bezeichnet wird, vgl. https://www.utcourts.gov/knowcts/adm/ (5.7.­ 2017); siehe dazu auch Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  525. – Allgemeingültige Aufgabenbeschreibungen stellen sich abermals schwierig dar, vgl. J. W. Winkle, The Justice System Journal 6 (1981), S.  240 (246 ff.). 511 Vgl. zu der Diversität auch Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  42 f.;

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In terminologischer Hinsicht ist die Bezeichnung der „Judicial Conference“ etwas ungenau, da die Judicial Conference of the United States ein instanzen­ übergreifendes Gremium ist, das sich aus Bundesrichtern zusammensetzt. In den meisten Einzelstaaten existieren hingegen im wörtlichen Sinne juristische Versammlungen, die an den einzelnen Gerichten in regelmäßigen Abständen abgehalten werden und bei denen die Richter des entsprechenden Gerichts zu­ gegen sind512. In New Jersey ist daher mindestens einmal im Jahr eine Konfe­ renz aller Richter des Bundesstaates (außer der Municipal Courts) vorgesehen. Mindestens einmal pro Jahr soll es darüber hinaus eine Konferenz aller Richter der Municipal Courts in jedem County geben. Zweck dieser beiden Konferen­ zen ist es, die Standards der gerichtlichen Leistung zu erhöhen und die Gerichts­ verwaltungsstrukturen der Gerichte im gesamten Bundesstaat zu vereinheitli­ chen513. Zu unterscheiden sind diese jährlichen „Conferences of Judges“ von der „Judicial Conference of New Jersey“514. Bei letzterer handelt es sich – ähnlich der Judicial Conference of the United States – um ein Gremium, das aus Rich­ tern der verschiedenen gerichtlichen Instanzen besteht und der Unterstützung des Supreme Courts von New Jersey im Hinblick auf die Verbesserung der ge­ richtsverwaltenden Praxis sowie der Gerichtsorganisation in der Justiz dient515. III. Bereiche der Gerichtsverwaltung Die U.S.-amerikanischen Gerichte verfügen mit Ausnahme des Bereichs der Richterpersonalverwaltung über eine weitgehende Autonomie in der engeren Gerichtsverwaltung516. Die Art und Weise der Gerichtsverwaltung sowie die Zuständigkeitsverteilung hinsichtlich der Ausführung gerichtsverwaltender Maßnahmen ist an nahezu allen Gerichten mindestens marginal unterschied­ lich, ergibt sich aber aus der jeweiligen Gerichtsverwaltungsmaßnahme517. Die Hays, Managers (Teil  1, Fn.  319), S.  226. Siehe konkret Art.  V I §  6 (a) der Verf. von Kalifor­ nien: „four members of the State Bar appointed by its governing body for three-year terms; and one member of each house of the Legislature appointed as provided by the house“. 512  Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  42 f. 513  Siehe Rule 1:35-2 der New Jersey Rules of Court. 514  Diese ist einzurichten gem. Rule 1:35-1 der New Jersey Rules of Court. 515  Rule 1:35-1 (a) der New Jersey Rules of Court. – Die Konferenz trifft sich mindestens einmal jährlich zu einer Generalversammlung; Ort und Zeit werden durch den Supreme Court anberaumt (Rule 1:35-1 (e) der New Jersey Court Rules). 516  Mahoney/Solomon, Court Administration (Teil  1, Fn.  248), S.  35 ff.; McKay/Parkison, States (Teil  2, Fn.  885), S.  358 ff.; Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  119 ff.; Wittreck, Ver­ waltung (Einl., Fn.  9), S.  631. – Mit frühen Vorschlägen zu einer deutschen Reform nach U.S.-amerikanischem Vorbild siehe Fritz, DJZ 1927, Sp.  1589 (1590 f.). 517  Mahoney/Solomon, Court Administration (Teil  1, Fn.  248), S.  36 f.; K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (224 f.).

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einzelnen Bereiche gerichtsverwaltender Tätigkeit an den Gerichten ähneln ins­ gesamt stark den deutschen Kategorien der Gerichtsverwaltung, wenngleich eine Kategorisierung in Infrastruktur- (1.) und Ablaufverwaltung (2.) im Fol­ genden lediglich für eine bessere Vergleichbarkeit mit der deutschen Verwal­ tungsstruktur erfolgen wird. Die Gerichte sind in der Regel zusätzlich zu den klassischen Infrastruktur- und Ablaufmaßnahmen mit folgenden Aufgaben be­ traut518: Dem Policy-Making, dem Caseflow Management, Budget and Fiscal Management sowie dem Jury Management, das der deutschen Rechtsordnung aufgrund der Unterschiede in der Rechtstradition weitgehend fremd ist und hier nicht näher beleuchtet werden soll. Hinzu kommen zahlreiche Nebenaufga­ ben519. Das Personnel Management, also die Personalverwaltung, gehört nur eingeschränkt zu den klassischen Aufgaben der Selbstverwaltung (3.). Direkten Einfluss ist den Richtern hingegen häufig im Bereich der Finanzverwaltung ein­ geräumt (4.). Die unterschiedlichen Gerichte im U.S.-amerikanischen Gerichts­ system haben dabei höchst verschiedene Anforderungen an die Gerichtsverwal­ tung520. Insbesondere in den Einzelstaaten herrscht daher eine große Bandbreite unterschiedlichster Aufgabenportfolios, deren Vereinheitlichung im Übrigen die ABA Standards of Court Organization intendieren521. 1. Infrastrukturverwaltung Die Ausstattung mit Sachmitteln im Sinne einer Sorge für die notwendigen Räumlichkeiten und den erforderlichen Bürobedarf firmiert zumeist unter der Terminologie „Space and Equipment Management“ und ist ein recht spärlich beleuchtetes Aufgabenfeld der Gerichtsverwaltung in den USA522. Die Verant­ wortung für eine sachgerechte Ausstattung der einzelnen Gerichtssäle gewinnt allerdings vor dem Hintergrund Bedeutung, dass an den U.S.-amerikanischen 518  Abermals muss an dieser Stelle der Hinweis erfolgen, dass die Literatur zur Gerichts­ verwaltung bzw. zur Court Administration bzw. Judicial Administration bzw. zum Court Management eher spärlich gesät ist. Vor allem neuere Untersuchungen sind äußerst selten. Vgl. hierzu bereits Smith, Self-Interest (Teil  1, Fn.  205), S.  11. 519  Im Überblick siehe Cameron/Zimmerman/Dowling, Justice (Teil  1, Fn.  213), S.  451 ff.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  73 ff., 77 ff.; Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  197 ff. Ein weiteres, eher als Unterkategorie zu qualifizierendes Tätigkeitsfeld bildet im Übrigen das sog. Records Management (Schriftgutverwaltung), vgl. dazu allgemein T. G. Dibble, A Guide to Court Records Management, 1986; Wong, Administration (Teil  1, Fn.  266), S.  125 ff.; Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  215 ff. 520  Wong, Administration (Teil  1, Fn.  266), S.  74, 82. 521  Siehe so auch Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  73 ff.; Graham, Standards (Teil  2, Fn.  957), S.  101 ff. 522  Mahoney/Solomon, Court Administration (Teil  1, Fn.  248), S.  42; Aikman, Administ­ ration (Teil  1, Fn.  2), S.  248 ff.

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

Gerichten jedem Richter praktisch ein Gerichtssaal zugeordnet wird, zu dem ein Dienstzimmer gehört und in welchem täglich Verhandlungen (auch auf Ab­ ruf) geführt werden523. Ferner erhält die Konzeption und die Verortung von Gerichtsgebäuden bisweilen aufgrund der kommunalpolitischen Verflechtung der Gerichte Aufmerksamkeit524. Zur Infrastrukturverwaltung gehört im wei­ testen Sinne auch die Wahrnehmung des Hausrechts als Teil der Hausverwal­ tung; dem einzelnen Richter stehen hier im Rahmen des Rechtsinstituts des Contempt of Court teilweise recht weitgehende Kompetenzen zum Ausschluss ungebetener Personen von seiner Verhandlung zu525. Dem Court Clerk obliegt es in diesem Zusammenhang wiederum, die Sicherheit aller Belange im Ge­ richtsgebäude sicherzustellen, was für beteiligte Personen (insbesondere die Richter) sowie die verarbeiteten Informationen gilt526. Zu der Infrastrukturver­ waltung gehört überdies die Ausstattung der Gerichte mit moderner Informati­ onstechnik. Der Ausbau eines einheitlichen Justizinformationssystems steht dabei im Fokus von Vereinheitlichungsbestrebungen zur effektiven Vernetzung der Gerichte aller Einzelstaaten527. Eine zentrale Aufgabe des Court Managements liegt daher heutzutage in der Auswertung von Gerichtsdaten, die zu zahl­ reichen und ausführlichen Statistiken über nahezu alles führt, was den Ge­

523  Zu den Eitelkeiten unter Richtern und den Gängeleien im Hinblick auf die „besseren“ Gerichtssäle siehe Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  83; mit dem Hinweis der Be­ deutung des Equipment Managements für das Caseflow Management siehe Mahoney/Solomon, Court Administration (Teil  1, Fn.  248), S.  42. – Beispielhaft zu den Regeln der Vertei­ lung von Gerichtssälen auf die einzelnen Richter siehe J. R. James/D. C. Steelman, Judge and Courtroom Assignments for the Eighteenth Judicial District Court in Sedgwick County (Wi­ chita), Kansas. Technical Assistance Report, April 1988, National Center for State Courts (abrufbar unter http://ncsc.contentdm.oclc.org/cdm/ref/collection/judicial/id/21, 19.3.2020). 524  Siehe hierzu Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  82 f. – Siehe eingehend und in Umfang sowie Tiefe einzigartig Wong, Administration (Teil  1, Fn.  266). Zur Verflechtung von Space Management und anderen Fragen der Gerichtsverwaltung siehe ebda. S.  8 ff. 525  Vgl. hier nur Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  66; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  16 Rn.  68. 526  Das Sicherheitsbedürfnis an den Gerichten ist besonders hoch. Im Fokus stehen primär Gefahren, die von potenziellen Gewalttätern sowie Umweltkatastrophen ausgehen, wie Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  260 ff. sehr anschaulich und ausführlich herausstellt; siehe auch Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  562. – Die U.S.-amerikanische Literatur zu diesem Thema erscheint aus deutscher Sicht fast ein wenig paranoid zu sein, vgl. hier nur T. L. Jones, Court Security. A Guide for Post 9–11 Environments, 2003. Instruktiv ist hinge­ gen der National Association for Court Management (Hrsg.), Court Security Guide, 2005. 527  Siehe hierzu Punkt 1.64 der ABA Standards Relating to Court Organization zum The­ ma „Court System Use of Other Technology“ (Stand: 2004); dazu Graham, Standards (Teil  2, Fn.  957), S.  114 ff.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  82; Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  230 f.

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richtsalltag betrifft528. Beispiellos zusammengetragen werden all diese Daten durch das State Court Statistics Project (CSP) – ein gemeinsames Projekt des NCSC und der Conference of State Court Administrators (COSCA); es ver­ öffentlicht Caseload-Daten von den Gerichten der fünfzig Bundesstaaten, des District of Columbia und Puerto Ricos529. Im Zuge der Modernisierung der Ge­ richte und mit Blick auf die zahlreichen anfallenden Gerichtsverfahren an den unteren Staatengerichten ist auch eine EDV-gestützte Aktenführung inzwi­ schen an vielen Gerichten verbreitet. In New Jersey beispielsweise ist eine elek­ tronische Klageeinreichung möglich530.

528 Siehe K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (225); ders., Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  82; Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  234 ff. Interessant sind vor allem die Statistiken über den Geschäftsanfall an den Bundesgerichten (abrufbar durch das AO unter http://www.uscourts.gov/statistics-reports/analysis-reports/federal-judicial-case load-statistics, 19.3.2020) sowie die vierteljährlich erscheinenden Federal Courts Management Statistiken (siehe http://www.uscourts.gov/statistics-reports/analysis-reports/federalcourt-­management-statistics, 19.3.2020). Ähnliche Statistiken werden i. d. R. auch auf Staate­ nebene durch die SCAO erstellt (vgl. hier nur die Court Management-Statistiken aus dem Bundesstaat New Jersey unter https://www.judiciary.state.nj.us/public/stats.html, 6.7.2017). 529  Siehe http://www.courtstatistics.org/ (6.7.2017). Siehe dazu zunächst die Resolution 5 der COSCA (In Support of the Court Statistics Project), abrufbar unter http://ccj.ncsc.org/~/ media/Microsites/Files/CCJ/Resolutions/07252012-In-Support-of-the-Court-Statistics-Pro­ ject.ashx (19.3.2020); zur Unterstützung durch die NACM siehe die Resolution „State Court Guide to Statistical Reporting, 2003“, abrufbar unter http://www.courtstatistics.org/~/media/­ Microsites/Files/CSP/Home%20Page/NACMRes.ashx (19.3.2020); aus der Literatur siehe Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  82 sowie zur Bedeutung der Daten Mahoney/ Solomon, Court Administration (Teil  1, Fn.  248), S.  39 f. 530 Vgl. M. Schwoerer, Die elektronische Justiz. Ein Beitrag zum elektronischen Rechts­ verkehr und zur elektronischen Akte unter Berücksichtigung des Justizkommunikationsge­ setzes, 2005, S.  76 f. Parallel zu der Entwicklung elektronischer Aktenführung ist nicht nur die Möglichkeit eines öffentlichen Zugriffs auf diese Akten – genannt Public Access to Court Electronic Records (PACER) – entstanden, sondern für die Bundesgerichtsbarkeit auch ein Next Generation (NextGen) Case Management/Electronic Case Files (CM/ECF) System (siehe http://www.uscourts.gov/courtrecords/electronic-filing-cmecf, 6.7.2017). Auch an den einzelstaatlichen Gerichten ist in aller Regel eine elektronische Klageeinreichung möglich (siehe für New Jersey das eCourts-System https://www.judiciary.state.nj.us/attorneys/ ecourts.html, 6.7.2017). In New Jersey regelt NJ Rev. Stat. §  2B:1-4 (2016) i.V.m Rule 1:32-2A der New Jersey Rules of Court die Befugnis des SCAO zur Einführung eines elektronisch formatierten Datenverarbeitungssystems, das es der Öffentlichkeit ermöglicht, auf Gericht­ sinformationen zuzugreifen und Gerichtsdokumente einzureichen. – Zur Kritik, die mit der elektronischen Aktenführung verbunden ist, siehe Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  215.

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

2. Ablaufverwaltung Im Fokus der Court Administration steht der reibungslose und insbesondere effiziente Ablauf der Rechtsprechung531. Zur Durchführung des täglichen Dienstbetriebes ist seit jeher die Pflege von Aufzeichnungen und Akten als Records Management (Aktenführung) erforderlich und unerlässlich532. In der Regel ist der Court Clerk verantwortlich für den Empfang von Unterlagen und die Aktualisierung der fallbezogenen und administrativen Akten533. Zumeist sind die (lokalen) Vorgaben zum Records Management in den einzelstaatlichen Gesetzen oder Court Rules festgelegt534. Im Zusammenhang mit der Aktenfüh­ rung steht darüber hinaus die Veröffentlichung von Gerichtsurteilen, die aller­ dings – vor allem an den unteren Gerichten – kaum eine praktische Rolle spielt, da nur eine geringe Anzahl der Entscheidungen (Opinions) überhaupt veröf­ fentlicht wird535. Weiterhin ist die Öffentlichkeitsarbeit Teil der Gerichtsver­ waltung, die an den U.S.-Gerichten durch einen regen Kontakt mit der Presse, eine gewissenhafte Pflege von Internetauftritten und der Suche nach Unterstüt­ zung in der Öffentlichkeit vergleichsweise ausgeprägt ist536. Bürgerbefragun­ 531  Siehe

zu den generellen Zielen der Gerichtsverwaltung hier nur Graham, Standards (Teil  2, Fn.  957), S.  103. 532  Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  82; Mahoney/Solomon, Court Administra­ tion (Teil  1, Fn.  248), S.  39; Wong, Administration (Teil  1, Fn.  266), S.  125 ff.; Aikman, Admi­ nistration (Teil  1, Fn.  2), S.  215 ff.: „Records are the lifeblood of courts“ (Zitat auf S.  215). – Rule 1:38 der New Jersey Rules of Court beschäftigt sich mit dem Aktenwesen und gibt unter anderem Aufschluss darüber, was terminologisch unter „Record“ zu verstehen ist. 533  Mit Details siehe Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  216. 534  Siehe zu den niedergelegten Details abermals Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  216 f. – In New Jersey ist für die unteren Gerichte bspw. der Superior Court Clerk zustän­ dig für die Verwaltung der Akten, vgl. Rule 1:32-2 (a) der New Jersey Rules of Court. – Aus historischer Perspektive wird das Records Management an den Bundesgerichten beleuchtet von dem Leitfaden des FJC (Hrsg.), A Guide to the Preservation of Federal Judges’ Papers, 3.  Aufl. 2018 (abrufbar unter https://www.fjc.gov/sites/default/files/materials/36/Guide_to_ Preservation_of_Federal_Judges_Papers_Third_Public.pdf, 19.3.2020). 535 Vgl. Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  88; siehe für Details über den Ent­ scheidungsprozess zur Veröffentlichung einer Entscheidung K. Swenson, The Justice System Journal 25 (2004), S.  121 ff. 536  An einigen Gerichten gibt es sogar einen spezialisierten Public Information Officer, dessen Aufgaben anderswo durch den Court Clerk erfüllt werden. Siehe im Überblick zu­ nächst McKay/Parkison, States (Teil  2, Fn.  885), S.  369 f.; G. A. Caldeira, Courts and Public Opinion, in: Gates/Johnson, Courts (Teil  1, Fn.  274), S.  303 ff.; K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (225 f.); ders., Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  89; Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  321 f. – Das NCSC führt zur Herstellung eines besseren Verhältnisses zwi­ schen Gerichten und der Öffentlichkeit jährlich eine Bürgerbefragung durch, siehe bspw. die jüngste Erhebung: The State of State Courts. A 2016 NCSC Public Opinion Survey (abrufbar

B. Die Verwaltung der Gerichte in den USA

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gen537 sowie gerichtsinterne Evaluierungen der Court Performance538 gehören als Mittel der Qualitätsverbesserung der Rechtsprechung zu den neueren Auf­ gaben der Gerichtsverwaltung539. In enger Beziehung mit der Öffentlichkeitsar­ beit steht auch die Erstellung von Annual Reports durch nahezu alle Organe der Gerichtsverwaltung540. Neben den Rechenschaftsberichten des Federal Judi­ cial Center und des National Center of State Courts erlangen vor allem die Berichte des U.S. Supreme Courts541 sowie der obersten Staatengerichte Auf­ merksamkeit, die allesamt durch das jeweilige State Court Administrative Office angefertigt werden542. Zu einem Nebengebiet der Gerichtsverwaltung ge­ hört außerdem das Jury Management. Es hat sich bei größeren Gerichten zu einem derartig umfangreichen Aufgabenfeld entwickelt, dass es zum Teil ex­ plizite Jury Administrators oder sogar ein Jury Management Team gibt543. Zum Jury Management gehören alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um die ad­ äquate Anzahl an zufällig ausgewählten Geschworenen zur richtigen Zeit im richtigen Gerichtssaal zu koordinieren544. Als Konfliktfeld im Rahmen der Gerichtsverwaltung gilt vor allem das Caseflow Management, das gleichzeitig auch am intensivsten in der Literatur thema­ tisiert wird545. Mit dem deutschen Anforderungsprofil der Geschäftsverteilung unter http://www.ncsc.org/~/media/Files/PDF/Topics/Public%20Trust%20and%20Confiden ce/SoSC_2016_Presentation.ashx, 19.3.2020). 537 Siehe instruktiv Alfini, Evaluation (Teil  2 , Fn.  423), S.  85 ff.; Baum, Courts (Teil  3, Fn.  316), S.  16 f. 538 Eingehend F. Feeney, The Justice System Journal 12 (1987), S.  148 ff.; E. Kennedy, State Court Journal 11 (1987), S.  4 ff.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  100 ff. 539  Siehe eingehend zum Qualitätsmanagement als modernes Instrumentarium der Ge­ richtsverwaltung in den USA Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  95 ff. 540  Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  89 f. 541  Die vorgestellten Informationen reichen von der Finanzierung der Bundesgerichte, der Kommunikation mit dem Kongress über Fragen des Rechenschafts- und Ressourcenmanage­ ments sowie Sicherheitsbelangen in den Gerichtsgebäuden hin zur Vorstellung neuer Strate­ gien in der Gerichtsverwaltung zur Steigerung der Effektivität von Gerichtsverfahren, wozu auch die Maßnahmen zur Förderung des gerichtlichen Personals gehören. Siehe im Detail zum Annual Report 2016 http://www.uscourts.gov/statistics-reports/annual-report-2016 (7.7.­ 2016). 542  Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  90. – Siehe bspw. den Annual Report of the New Jersey Courts 2014–2015, herausgegeben von dem SCAO (abrufbar unter http://www. njcourts.gov/public/assets/annualreports/AnnualReportCY15_web.pdf, 19.3.2020). 543  In New Jersey existiert ein entsprechendes Jury Management Office. 544  Details über dieses Aufgabenportfolio sind zu finden bei Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  88; eingehend G. T. Munsterman, Jury Management. Emerging Strategies and Dilemmas, in: Hays/Graham, Court Administration (Teil  1, Fn.  252), S.  405 (406 ff.); ­Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  223 ff. 545  Siehe im ersten Zugriff die Beiträge von Mahoney/Solomon, Court Administration

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

ließe sich das Caseflow Management nicht beschreiben; es handelt sich viel­ mehr um ein fallnahes „Justizmanagement“, mit dem die aktive Steuerung der eingehenden Fälle bis zum Zeitpunkt ihrer Erledigung bezweckt wird546. Das Caseflow Management vereinigt dabei Aufgaben der Geschäftsverteilung mit denen der Terminierung und Terminvorbereitung547. Die Verteilung der Ge­ schäfte innerhalb der District Courts des Bundes richtet sich nach 28 U.S.C. §  137 und den „Rules and Orders“, die hiernach erlassen werden. Soweit die Court Rules der Gerichte solche Zuständigkeitsregeln nicht vorsehen, ist der Chief Judge verantwortlich für die Geschäftsverteilung und die Einzelzuwei­ sung der Fälle548. Caseflow Management ist die Koordination und Verteilung von Ressourcen pro Gerichtsverfahren, sodass anhängige Verfahren vom Zeit­ punkt der Einreichung der Klage bis zum Ende eines Verfahrens möglichst zü­ gig bearbeitet werden549. Hierfür gibt es häufig einen Master Calendar, in den alle eingehenden Verfahren verbucht werden, um sie möglichst effizient auf ei­ nen verfügbaren Richter zu verteilen550. Ziel ist es, durch die Richter551 und die anderen Organe der Gerichtsverwaltung überlange Verfahrensdauern zu ver­ hindern und so die Qualität der Rechtsprechung zu verbessern, indem ein Ge­ richt den Fortschritt einer Verhandlung ab dem Zeitpunkt der Einreichung der Klage überwacht, sinnvolle Fristen bereits im Vorfeld festlegt und während des gesamten Verfahrens kontrolliert552. Zur Überwachung ist die Nutzung von (Teil  1, Fn.  248), S.  37 ff.; Mahoney, Times (Teil  1, Fn.  252), S.  71 ff.; Solomon, Caseflow Ma­ nagement (Teil  1, Fn.  252), S.  369 ff.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  83 ff.; Steelman/Goerdt/McMillan, Caseflow Management (Teil  1, Fn.  245), S.  187 ff.; Aikman, Adminis­ tration (Teil  1, Fn.  2), S.  213 f. – Für Kanada siehe eingehend Millar/Baar, Administration (Fn.  3), S.  195 ff. 546 Instruktiv Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  83 ff.; ders., DRiZ 1998, S.  241 (243). 547  K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (226). 548 Vgl. Koch, Gesetzlicher Richter (Teil  1, Fn.  218), S.  292. 549  Siehe mit Definitionsansätzen Solomon, Caseflow Management (Teil  1, Fn.  252), S.  371 f.; Fabri, Issues (Teil  1, Fn.  2), S.  190; Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  213; Wilson, Justice System (Teil  3, Fn.  116), S.  430. 550  Vgl. hierzu und zu alternativen Terminierungsverfahren Mahoney, Times (Teil  1, Fn.  252), S.  72. 551  Letztentscheidungskompetenz hat auch hier der Chief Justice, vgl. 28 U.S.C. §  137; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  85. 552  Neben dem Pretrial Management und der Organisation des eigentlichen Gerichtsver­ fahrens sind wesentliche Elemente des Caseflow Management auch das sog. Monitoring und Tracking. Gleichsinnig Mahoney/Solomon, Court Administration (Teil  1, Fn.  248), S.  37; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  85 f.; Tobin, Judicial Branch (Teil  1, Fn.  247), S.  187 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  635 f.; Wilson, Justice System (Teil  3, Fn.  116), S.  431 ff. – Zur Methode des Calendaring siehe Friesen/Gallas/Gallas, Courts (Teil  1, Fn.  332), S.  173 ff.; Müller, Rahmen (Teil  2, Fn.  133), S.  207 f.

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(technologisch innovativen) Informationssystemen naheliegend553. Die mitunter geäußerte Kritik554, der Effizienzgedanke des Court Managements könne sich auch auf die rechtsprechende Tätigkeit der Richter auswirken, ist nicht unbe­ rechtigt und wirft in der Gemengelage mit der richterlichen Unabhängigkeit – zumindest aus deutscher Sicht555 – verfassungsrechtliche Fragen auf. Der be­ fürchteten Übermachtstellung der Court Manager steht allerdings die Tatsache gegenüber, dass zumindest der Chief Justice als Kopf der Gerichtsverwaltung insofern eine Kontrollfunktion innehat und über die Verteilung der richterlichen Geschäfte verfügt556. Zwar ist eine kurzfristige Zuweisung einzelner Richter zu anderen Gerichten möglich, und zum Teil sind für einzelne Prozessabschnitte unterschiedliche Richter zuständig557, jedoch ist ein Fall für die Dauer des ge­ samten Verfahrens regelmäßig einem Richter zugeteilt. Im Zweifel entfallen jedoch die aus deutscher Sich bedenklichen Friktionen mit der Garantie des gesetzlichen Richters, da es ein solches Verfassungsprinzip in den USA nicht gibt558. Die Rule-Making Power der U.S.-amerikanischen Gerichte streitet eben­ falls für die richterliche Autonomie; sie ist gleichzeitig eines der wichtigsten Instrumentarien der Gerichtsverwaltung559. Die so entstehenden Court Rules erstrecken sich auf verschiedene Fragen der Gerichtsorganisation und -verwal­ 553  Zum Zusammenhang zwischen der Einführung neuer Technologien und der Verbesse­ rung der Effizienz durch das Caseflow Management siehe Steelman/Goerdt/McMillan, Case­ flow Management (Teil  1, Fn.  245), S.  99 ff. 554  Kritische Anm. finden sich bei W. A. Taggert/G. L. Mays/D. Hamilton, The Justice Sys­ tem Journal 19 (1985), S.  19 ff.; Rosett, Career (Teil  1, Fn.  335), S.  19. Siehe zusammenfassend auch Solomon, Caseflow Management (Teil  1, Fn.  252), S.  370; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  132 ff.; Wilson, Justice System (Teil  3, Fn.  116), S.  433. 555 So auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  635 f. – Zum Konfliktpotenzial des ­Caseflow Management aus der Perspektive des gesetzlichen Richters siehe auch Müller, Rah­ men (Teil  2, Fn.  133), S.  189. – Siehe zu detaillierten Überlegungen zur Übertragbarkeit eines an Effizienzgesichtspunkten orientierten Geschäftsverteilungsmodells Kap.  5 B. III. 556  Formalisierte Geschäftsverteilungsmodelle, bspw. durch gesonderte Niederlegung in den Court Rules, wirken insofern zusätzlich konfliktvermeidend, vgl. Röhl, Gerichtsverwal­ tung (Einl., Fn.  18), S.  85; siehe weiterhin zur Zuordnung von Fällen zu den einzelnen Rich­ tern Steelman/Goerdt/McMillan, Caseflow Management (Teil  1, Fn.  245), S.  111 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  635 f. Siehe weiterhin zur Vormachtstellung des Chief Justice hier beispielhaft nur Art.  V I §  7 Nr.  1 S.  1 der Verf. von New Jersey. 557 Vgl. Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  545 f. 558  Zu den Freiheiten des Chief Judges im Rahmen der Geschäftsverteilung siehe McKay/ Parkison, States (Teil  3, Fn.  885), S.  359 f.; K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (225 f.); ders., Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  84; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  636.; Müller, Rahmen (Teil  2, Fn.  133), S.  207. 559  Eingehend zur Bedeutung der Rule-Making Power durch Gerichte für die Gerichtsver­ waltung Weinstein, Rule-making (Teil  2, Fn.  179), S.  127 ff.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  44 ff.; siehe weiterhin Baum, Courts (Teil  3, Fn.  316), S.  8.

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

tung, was wiederum auf Staatenebene zu einer unübersichtlichen Fülle einzel­ ner Regelungen führt560. Bisweilen ist die Akzeptanz managementorientierter Gerichtsverwaltungs­ verfahren innerhalb der Richterschaft eher gering, was nicht selten auf eine ge­ wisse Skepsis gegenüber dem Einsatz moderner Technologien zurückzuführen ist561. Es werden daher – unter anderem durch das Federal Judicial Center bzw. in den meisten Staaten durch State Courts Administrators Offices – für Richter und das Verwaltungspersonal vielseitige Weiterbildungsmöglichkeiten ange­ boten562. 3. Personalverwaltung Ein wesentliches Element der Gerichtsverwaltung stellt ferner als Personnel Management die Betreuung des nicht-richterlichen Personals dar563. Den Court Managern ist in Ermangelung an vorgegebenen Laufbahnen und aufgrund weit­ gehend fehlender einheitlicher Tarife des gerichtlichen Personals hier ein großer Spielraum eröffnet564. Die State Court Administrative Offices übernehmen in der Regel die Personalplanung, während die einzelnen Gerichte – unter Feder­ führung des Chief Justice bzw. Chief Judges – die praktische Personalverwal­ tung übernehmen565. Weitere Besonderheiten ergeben sich an dieser Stelle nicht, weshalb sich die Arbeit im Rahmen der Personalverwaltung auf die Richter­ 560 

So auch die Einschätzung von Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  632 f. Hays, Managers (Teil  1, Fn.  319), S.  227. 562  Es gibt unter anderem Kurse zum Jury Management, zum Calendar Management und auch allgemeine Angebote zur Stressbewältigung sowie zum Umgang mit neuen technologi­ schen Errungenschaften, siehe dazu auch Mahoney/Solomon, Court Administration (Teil  1, Fn.  248), S.  42 f.; Hays, Managers (Teil  1, Fn.  319), S.  228; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  563 f. – Siehe speziell zu den Weiterbildungsmöglichkeiten für Court Manager H. E. Solomon, The Training of Court Managers, in: Hays/Graham, Court Administration (Teil  1, Fn.  252), S.  285 ff. 563  Siehe für einen ersten Überblick Saari, Management (Teil  1, Fn.  200), S.  77 ff.; K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (225); ders., Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  78 f.; Saari/Planet/Reinkensmeyer, Court Managers (Teil  1, Fn.  268), S.  257; S. W. Hays, Staffing the Bench. Personnel Management and the Judiciary, in: ders./Graham, Court Ad­ ministration (Teil  1, Fn.  252), S.  293 ff.; Baum, Courts (Teil  3, Fn.  316), S.  37. 564 Vgl. Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  78 f.; D. E. Fuller, Personnel System Operations in Judicial Administration, in: Hays/Graham, Court Administration (Teil  1, Fn.  252), S.  265 ff. 565  Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  78. – Details ergeben sich auch aus dem NACM Model Code of Conduct for Court Professionals, insbesondere aus Canon 2.2 (Perso­ nal Relationships), siehe dazu P. DeLosh u. a., The Court Administrator. Court Administra­ tion: A Guide to the Profession, 2016, S.  26 (abrufbar unter https://nacmnet.org/wp-content/ uploads/The-Court-Manual-final_print.pdf, 19.3.2020). 561 

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bestellung (a.) sowie die weiteren Richterpersonalangelegenheiten (b.) konzen­ triert, wenngleich der Einfluss der Gerichtsverwaltung insofern nur marginal ist. a) Richterbestellung Richterpersonalsachen gehören weitestgehend nicht in den Aufgabenbereich des Court Management und fallen nur bedingt in die ansonsten umfangreiche Autonomie der U.S.-amerikanischen Gerichtsverwaltung566. Es sei vorwegge­ nommen, dass eine ansonsten vielfach diskutierte Übertragbarkeit der Richter­ bestellung aus anderen Rechtsordnungen durch einen Justizwahlausschuss567 hier kaum Relevanz haben wird. Die Kompetenz zur Auswahl und Bestellung von Richtern liegt in den USA zumeist außerhalb des klassischen Justizappara­ tes568 und ist daher für Reformmodelle eher unattraktiv569. Insbesondere haben Justizräte (Judicial Councils) in den Vereinigten Staaten lediglich eine margi­ nale Bedeutung im Vergleich zu anderen Staaten, in denen die Übernahme von Personalsachen durch solche Gremien üblich ist570. Die Betrachtung des U.S.-amerikanischen Verständnisses vom Richterberuf unter soziologischen Aspekten (aa.) sowie die Bestellung von Bundes- und Landesrichtern (bb.) soll im Folgenden daher nur überblickshalber erfolgen571.

566 Gleichsinnig

K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (225); ders., Gerichtsver­ waltung (Einl., Fn.  18), S.  79. 567  Diskutiert wird insbesondere die Übertragbarkeit der Selbstverwaltungsmodelle aus den Staaten Südeuropas, so bspw. M. Jeschke, KritV 93 (2010), S.  233 ff.; vgl. mit einer über­ sichtlichen Zusammenfassung Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  63 ff. Siehe bspw. jüngst Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7). 568  Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  79. 569  Zu den sich hier stellenden verfassungsrechtlichen Fragestellungen siehe Kap.  5 A. VI. und B. VI. 570  Zu den Aufgaben der Judicial Conference of the United States gehören keinerlei Per­ sonalangelegenheiten sowie sehr eingeschränkte Disziplinarmaßnahmen vgl. 28 U.S.C. §  355; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  525. 571  Für Details zur Richterbestellung siehe insbesondere die Ausführungen bei Kayser, Auswahl (Einl., Fn.  18), S.  168 ff. (einzelstaatliche Richter), 233 ff. (Bundesrichter); L. C. Berkson, Judicial Selection, Compensation, Discipline and Mandatory Retirement, in: Klein, Improvement (Teil  1, Fn.  248), S.  61 (61 ff.); ders./S. Beller/M. Grimaldi, Judicial Selection in the United States. A Compendium of Provisions, 1981; Volcansek/Lafon, Selection (Teil  2, Fn.  57), S.  15 ff., 75 ff.; Sheldon/Lovrich, Recruitment (Teil  2, Fn.  408), S.  161 ff.; Goldman, Recruitment (Teil  1, Fn.  274), S.  189 ff.; Morrison, Courts (Teil  3, Fn.  356), S.  57 ff.; Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  129 ff., 169 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), 40 ff., S.  113 ff.; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  538 ff.; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  92 ff. (State Judges), 123 ff. (Federal Judges); Neubauer/Meinhold, Process (Einl., Fn.  2), S.  150 ff.

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

aa) Das U.S.-amerikanische Verständnis vom Richterberuf Die Funktion des Richters in den Vereinigten Staaten zeichnet sich zunächst einmal – wie in anderen Common Law-Ländern ebenfalls üblich – durch eine stark politische Rolle aus, die sich nicht nur durch eine Rechtsanwendung, son­ dern durch eine darüberhinausgehende Rechtsschöpfung auszeichnet572. Die richterliche Politisierung geht mit einer Laufbahn einher, die anders als in büro­ kratischen Justiz-Modellen wie Deutschland nicht als Karriere-Richteramt be­ zeichnet werden kann; die Justiz der Vereinigten Staaten kennzeichnet sich durch ein Model of a Professional Judiciary573: Die Ernennung zum Richter erfolgt häufig erst nach einer längeren juristischen Tätigkeit in der Praxis – bei­ spielsweise als Rechtsanwalt oder Staatsanwalt574. Daher sind die meisten Rich­ ter in den USA vergleichsweise alt und deutlich erfahrener hinsichtlich gericht­ licher Abläufe575. Außerdem gibt es meist keine Laufbahnen und somit kaum Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb der Gerichtsbarkeiten. Die Richter verblei­ ben zumeist an dem Gericht, für das sie ernannt wurden576. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass es kaum formale Möglichkeiten einer Laufbahnentwick­ lung oder einer Beförderung gibt577. Auch weil die richterlichen Laufbahnen so begrenzt sind, wird dem Ernennungsakt eine übergeordnete und zumeist politi­ sche Bedeutung beigemessen578. Das richterliche Ansehen in der Öffentlichkeit ist insgesamt größer als das deutscher Richter, was sich teilweise dadurch erklä­ ren lässt, dass es in Deutschland eine vergleichsweise größere Anzahl an Rich­ tern gibt579. All diese Umstände führen zu der Überzeugung, die richterliche 572 

Gee, Selection (Teil  2, Fn.  902), S.  127; Epstein/Landes/Posner, Behavior (Teil  2, Fn.  916), S.  1 ff. heben die Bedeutung der Richterschaft in der U.S.-amerikanischen Rechts­ ordnung hervor; allgemein auch Burnham, Introduction (Teil  2, Fn.  132), S.  188; Schreier, Legitimation (Einl., Fn.  18), S.  239. 573  Siehe zu der Unterscheidung der Justiz-Modelle instruktiv Guarnieri/Pederzoli, Power (Teil  2, Fn.  441), S.  66 ff.; Gee, Selection (Teil  2, Fn.  902), S.  123 ff., 127 ff.; N. Garoupa/ T. Ginsburg, The American Journal of Comparative Law 57 (2009), S.  201 (211 f.); ähnlich auch Kischel, Rechtsvergleichung (Einl., Fn.  23), §  5 Rn.  131. 574  Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  34; Heun, Rechtssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  240; Gee, Selection (Teil  2, Fn.  902), S.  127 ff.; Baum, Supreme Court (Teil  2, Fn.  892), S.  49 ff.; Burnham, Introduction (Teil  2, Fn.  132), S.  187; Schreier, Legitimation (Einl., Fn.  18), S.  241. 575  So auch Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  34; Guarnieri/Pederzoli, Power (Teil  2, Fn.  441), S.  67; Gee, Selection (Teil  2, Fn.  902), S.  128; Epstein/Landes/Posner, Behavior (Teil  2, Fn.  916), S.  341; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  90 ff., 109 ff. 576  Heun, Rechtssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  240; Gee, Selection (Teil  2 , Fn.  902), S.  127. 577 Siehe Gee, Selection (Teil  2 , Fn.  902), S.  129. 578 Siehe Guarnieri/Pederzoli, Power (Teil  2 , Fn.  4 41), S.  34. 579 So auch Fulda, Einführung (Teil  1, Fn.  202), S.  26; aus aktueller Perspektive Gee, Selection (Teil  2, Fn.  902), S.  127 ff.; Schreier, Legitimation (Einl., Fn.  18), S.  241; explizit zum Ansehen der deutschen Justiz siehe R. Gaier, NJW 2013, S.  2871 (2873).

B. Die Verwaltung der Gerichte in den USA

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Unabhängigkeit sei grundsätzlich in professionalisiert ausgelegten Justiz-Mo­ dellen wie in den USA besser verwirklicht als in Staaten mit Bürokratie-Model­ len580. Ob dies so absolut gilt, muss aufgrund der häufig politisierten Richteraus­ wahl bezweifelt und näher untersucht werden. bb) Einstellungsverfahren der Bundes- und Staatenrichter Wie schon hinsichtlich der Gerichtsstrukturen bemerkt wurde, sind auch die Auswahl- und Bestellungsmodalitäten für Richter auf Bundes- und Staaten­ ebene in den USA höchst unterschiedlich. Während die Bundesrichter durch die Exekutive ausgewählt werden (1), finden sich für die Staatenrichter zahllose unterschiedliche Auswahlmethoden (2). (1) Bundesrichter Für die Federal Courts werden sämtliche Richter durch den Präsidenten in sei­ ner Exekutivfunktion vorgeschlagen und nach der Bestätigung durch den Senat durch diesen ernannt581. Die Nominierung des Präsidenten bedarf nach Art.  II §  2 der U.S.-Verf. einer mehrheitlichen Zustimmung der anwesenden Senato­ ren582. Die Richterbestellung ist also zwischen Exekutive und Legislative auf­ geteilt und wird als wesentliches Machtinstrumentarium begriffen583. Die Betei­ ligung der Exekutive führt jedoch nicht zu einer Entpolitisierung der Richter­ auswahl; vielmehr ist die Auswahlprärogative des Präsidenten zumeist das ideologische Leitmotiv584. Weder Anforderungen an die Qualifikationen der 580 Vgl.

Gee, Selection (Teil  2, Fn.  902), S.  129. Siehe zur Auswahl der Bundesrichter im Überblick Goldman, Recruitment (Teil  1, Fn.  274), S.  189 ff.; ders., Judges (Teil  2, Fn.  909), S.  5 ff. mit historischen Bezügen; Röhl, Ge­ richtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  23 f.; M. C. Trolley, Legal Controversies over Federal Judi­ cial Selection in the United States: Breaking the Cycle of Obstruction and Retribution over Judicial Appointments, in: K. Malleson/P. H. Russell (Hrsg.), Appointing Judges in an Age of Judicial Power. Critical Perspectives from around the World, 2007, S.  80 ff.; Tushnet, Selec­ tion (Teil  1, Fn.  2), S.  135 ff.; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  533 ff.; Burnham, Intro­ duction (Teil  2, Fn.  132), S.  189 ff. – Mit Kritik an der ebenfalls dem Präsidenten zustehenden Auswahl des Chief Justice siehe T. E. Pettys, Journal of Law and Politics 22 (2006), S.  231 ff. 582  Die Befugnis zur Bestellung der Richter zu den unteren Bundesgerichten ergibt sich überdies aus 28 U.S.C. §  44 (a) für die Richter der Courts of Appeals und 28 U.S.C. §  133 (a) für die Richter der District Courts. Vgl. hierzu Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  43. 583  Goldman, Recruitment (Teil  1, Fn.  274), S.  201; H. J. Abraham, Justices, Presidents, and Senators. A History of the U.S. Supreme Court. Appointments from Washington to Clin­ ton, 3.  Aufl. 1992, Nachdr. 1999, S.  17 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  43; Carp/ Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  120 f. 584  Heun, Verfassung (Teil  2, Fn.  162), S.  115 f.; vgl. weiterhin D. ten Brinke, United States of America, in: ders./H.-M. Deml (Hrsg.), Judges in the Service of the State? Procedures, Cri­ teria and Political Influence on National Selection of Judges for the Highest Judicial Offices and 581 

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

Bundesrichter noch der Auswahlprozess sind gesetzlich niedergelegt oder an­ derweitig formalisiert585. Insbesondere ist eine juristische (universitäre) Ausbil­ dung der zukünftigen Bundesrichter (bis hin zum U.S. Supreme Court) formal nicht vorgesehen586, es gibt jedoch einige informelle Anforderungen an poten­ zielle Bundesrichter. Es ist beispielsweise normativ nicht verankert, dass die Bundesrichter vor ihre Bestellung einen anderen juristischen Beruf ausgeübt haben müssen, allerdings ist die Nominierung eines Kandidaten unwahrschein­ lich, der nicht über eine gewisse juristische – in der Regel anwaltliche587 – Be­ rufserfahrung verfügt588. Inzwischen zeichnet sich indessen eine vorherige Richterlaufbahn als Karrieresprungbrett – primär für die oberen Bundesgerich­ te – ab589. Im Übrigen ist eine politische Zugehörigkeit zur Partei des ernennen­ den Präsidenten in aller Regel von Vorteil590. Dennoch scheinen sich Befürch­ tungen der parteipolitischen Zugehörigkeit und einer damit im Zusammenhang stehenden Auftragsrechtsprechung nicht zu bewahrheiten; vielmehr entwickeln die Bundesrichter eine von eigenen Überzeugungen geleitete Dynamik in ihrer Entscheidungspraxis591. Nicht selten wird dies zu gewissen Enttäuschungen bei their Possible Influence on the International Criminal Court, 2002, S.  57 (61 ff.); Tushnet, Selec­ tion (Teil  1, Fn.  2), S.  136 f. – Es wurde oben jedoch bereits dargelegt, dass die Richter zwar nach ihren eigenen politischen Ideologien handeln und diese denen der bestellenden Präsiden­ ten naturgemäß ähnelt, dass allerdings die Beeinflussung von Rechtsprechungstendenzen durch das sog. Court Packing nicht nachweislich vorkommt, vgl. Kap.  2 C. V. 2. b) aa) (2) (b). 585  Goldman, Recruitment (Teil  1, Fn.  274), S.  191 f.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  34 f., 43 ff. – Zu Formalisierungsideen einiger U.S.-amerikanischer Präsidenten sie­ he Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  179 ff. – Siehe zur Professionalisierung des Richterbe­ rufes aus historischer Perspektive D. M. Provine, Judging Credentials. Nonlawyer Judges and the Politics of Professionalism, 1986, S.  9 ff. 586  Holland, Courts (Teil  3, Fn.  83), S.  17; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  34 f.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  620. 587  Siehe zu dieser Tradition des Common Law, nur erfahrene Rechtsanwälte für den Richterberuf auszuwählen Rosett, Career (Teil  1, Fn.  335), S.  14 f.: „mid-career and middle age“ (Zitat auf S.  14). 588 Vgl. Holland, Courts (Teil  3, Fn.  83), S.  16 f.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  35; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  620 f.; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  533; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  111 ff. 589  Von einem Beförderungswesen kann hier jedoch nicht die Rede sein. So auch Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  35, 39; Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  145: „‚promo­ tions‘ from lower to higher courts are rare.“ – Mit Skepsis zur Richterkarriere nach kontinen­ taleuropäischem Vorbild siehe Rosett, Career (Teil  1, Fn.  335), S.  16 f.; zusammenfassend Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  621. 590 Siehe Kayser, Auswahl (Einl., Fn.  18), S.  261 f.; Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  197; T. E. George, Ohio State Law Journal 64 (2003), S.  1 (3); Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  529; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  120 f. 591  Siehe hierzu die Rechtsprechungsanalyse von Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  118 ff., 127 sowie das Fazit von Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  623.

B. Die Verwaltung der Gerichte in den USA

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dem Ernennenden geführt haben592. Als – nicht weniger politisches – Korrektiv fungiert im Übrigen der Senat, der durch ein ablehnendes Votum im Zweifel einen politischen Wandel am Gericht verhindern kann593. Im Bestellungsverfahren spielt vor allem die auf die Nominierung durch den Präsidenten folgende öffentliche Diskussion der Geeignetheit des Kandidaten eine tragende Rolle594. Mitunter werden die Debatten intensiv geführt und gip­ feln regelmäßig in der Anhörung des Kandidaten vor dem Judiciary Committee des Senats595. Hier werden die potenziellen Bundesrichter auf ihre Positionen zu kontroversen gesellschaftspolitischen Streitthemen und ihrer „Judicial Philosophy“ abgeklopft, die nicht selten bereits Gegenstand höchstrichterlicher Recht­ sprechung waren596, bevor die Personalentscheidung im Idealfall durch den ­Senat bestätigt wird597. Ungefähr 20  % der Kandidaten scheitern an dieser öf­ fentlichen Anhörung598, was auf die dem Präsidenten oftmals diametral ent­ gegengesetzte politische Stoßrichtung des Kongresses in der Politikpraxis zu­ 592  Jüngstes Beispiel ist die kürzlich erfolgte Bestellung des Richters Gorsuch zum U.S. Supreme Court, der sich prompt gegen das von Präsident Trump initiierte Einreiseverbot für Staatsbürger einiger mehrheitlich muslimisch geprägter Staaten ausgesprochen hat. Es gibt allerdings auch Gegenbeispiele: Siehe zu der Liberalisierung der Courts of Appeals durch die Ernennungspolitik von Präsident Carter Goldman, Recruitment (Teil  1, Fn.  274), S.  204 f.; ähnlich ders., Judges (Teil  2, Fn.  909), S.  285 ff.: „Reaganizing the Judiciary“. 593  Bestes Beispiel ist die Verhinderung der Bestellung des Kandidaten für den U.S. Supreme Court, Bork, mit dem es möglicherwiese zu einer ideologischen Kehrtwende in der Rechtsprechung gekommen wäre. Ähnliches gilt ferner für die verschleppte Ernennung des von Präsident Obama vorgeschlagenen Richters Garland. Siehe gleichsinnig B. A. Ackerman, Harvard Law Review 101 (1988), S.  1164 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  140 ff.; Heun, Verfassung (Teil  2, Fn.  162), S.  115 f. mit Fn.  95. 594  Formales Element innerhalb der Debatte ist die Evaluierung des jeweiligen Kandida­ ten durch das Komitee des ABA. Vgl. Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  621. 595  Siehe mit thematischen Beispielen zu den Befragungen des Senats Tribe, Court (Teil  2 , Fn.  911), S.  93 ff.; Goldman, Recruitment (Teil  1, Fn.  274), S.  204; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  621 f.; Heun, Verfassung (Teil  2, Fn.  162), S.  117. 596  Beliebt sind Themen wie Abtreibung, Todesstrafe und gleichgeschlechtliche Partner­ schaft. Siehe Tribe, Court (Teil  2, Fn.  911), S.  94 ff., 106 ff.; Goldman, Recruitment (Teil  1, Fn.  274), S.  204; einen Überblick verschafft auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  622. – Für die Einführung einer öffentlichen Anhörung als Teil der Bundesverfassungsrichter­ wahl siehe hier nur P. Häberle, Bundesverfassungsrichter-Kandidaten auf dem Prüfstand? Ein Ja zum Erfordernis der „öffentlichen Anhörung“, in: B. Guggenberger/A. Meier (Hrsg.), Der Souverän auf der Nebenbühne, 1994, S.  131 ff. 597  Siehe eingehend dazu Kayser, Auswahl (Einl., Fn.  18), S.  242 ff. (zur Rolle des Senats); C. H. Sheldon/L. S. Maule, Choosing Justice. The Recruitment of State and Federal Judges, 1997, S.  156 ff., 159 f.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  43 f. 598  Siehe zu diesen Zahlen Holland, Courts (Teil  3, Fn.  83), S.  17; Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  205 ff.; aufgegriffen von Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  622.

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

rückzuführen ist599. Es wird inzwischen (und vor allem außerhalb der USA) Kritik an dieser Anhörungspraxis geübt, da sie im Ergebnis weniger der Trans­ parenz des Auswahlprozesses dient, sondern vielmehr ein schlechtes Licht auf das Richteramt an sich wirft600. Um die Unabhängigkeit der Richter abzusichern, werden sie auf Lebenszeit ernannt und dürfen laut Art.  III §  1 der U.S.-Verf. nicht abberufen werden, so­ lange ihre Amtsführung einwandfrei ist601. In aller Regel ziehen sich die Bun­ desrichter mit Erreichen des 70. Lebensjahres aus dem aktiven Richterdienst zurück, behalten jedoch formal gesehen ihren Richterstatus und können daher als sog. Senior Judges bei Bedarf aushelfen602. (2) Einzelstaatliche Richter Da die meisten Fälle vor den Gerichten der Einzelstaaten verhandelt werden603, liegt auf der Bestellung des für diesen erheblichen Arbeitsaufwand notwendi­ gen Richterpersonals ein besonderes Augenmerk. Im Hinblick auf die Qualifi­ kation der Richter ist erfreulich, dass es in den meisten Bundesstaaten das Er­ fordernis einer juristischen Ausbildung für den Richterberuf gibt604. Ein Law 599  So

auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  622. – Zu den seltenen Fällen der Er­ nennung eines Richters, der aus der jeweils anderen Partei als der ernennende Präsident stammte, siehe eingehend Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  71 ff. („Crossing Party Lines“). 600  Siehe bspw. S. L. Carter, The Confirmation Mess. Cleaning Up the Federal Appoint­ ments Process, 1994, S.  57 ff., 85 ff.; B. Fein/B. Neuborne, Judicature 84 (2000), S.  58 (58 f.); D. Majer, Die Auswahl der Verfassungsrichter in Westeuropa und den USA, in: G. Jenny/W. Kälin (Hrsg.), Festgabe Schweizerischer Juristentag, 1988, S.  177 (197 f.); Wittreck, Verwal­ tung (Einl., Fn.  9), S.  622. – Eingehend zu der Frage der Vereinbarkeit der Praxis des Anhö­ rungsverfahrens mit der richterlichen Unabhängigkeit Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  140 ff. 601  Siehe im ersten Zugriff Weston/Wells, Administration (Teil  1, Fn.  205), S.  82; zum Zu­ sammenhang von Lebenszeiternennung und richterlicher Unabhängigkeit auch T. Ginsburg/­ J. Melton, Journal of Law and Courts 2014, S.  187 (195). Siehe zu den Absetzungsmöglich­ keiten im Wege eines Impeachment-Verfahrens hier nur Abraham, Pillars (Teil  1, Fn.  2), S.  26 f.; Heine, impeachment-Verfahren (Teil  2, Fn.  598). 602  Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  24. 603  Zu dieser Bedeutungszumessung gleichsinnig Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  23 f., 130; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  623; Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  143. – Siehe eingehend zu Arbeitslast der erstinstanzlichen Staatengerichte B. J. Ostrom/ N. B. Kauder/R. C. LaFountain, Examining the Work of State Courts, 2001. A National Per­ spective from the State Statistics Project, 2001, S.  10 ff. 604  Siehe zur idealen fachlichen Eignung von Richterkandidaten Punkt 1.21 (a) der ABA Standards Relating to Court Organization (Stand: 2004); so auch Kayser, Auswahl (Einl., Fn.  18), S.  190 ff.; mit Fokus auf die Entwicklung der Professionalisierung Rosett, Career (Teil  1, Fn.  335), S.  12 f.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  33 f.; Abraham, Process

B. Die Verwaltung der Gerichte in den USA

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Degree wird in der Regel für die Einstellung an den Appellate Courts sowie den Trial Courts of General Jurisdiction gefordert, während an den Trial Courts of Limited Jurisdiction gelegentlich auch Laienrichter605 tätig sind606. In großer Mehrzahl stammen die (vielfach männlichen) Richter nach abgelegter universi­ tärer Ausbildung an den einzelstaatlichen Gerichten aus der Anwaltschaft607 und sind fast durchweg einem gehobenen bürgerlichen protestantischen Milieu zuzuordnen608. Die Bestellung der Richter in den einzelnen Staaten erfolgt nicht einheit­ lich609. Vielmehr gibt es eine Vielzahl an Auswahlsystemen, die sich jeweils aus den entsprechenden Vorschriften der einzelnen Verfassungen der Bundesstaa­ (Teil  1, Fn.  278), S.  54 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  35; Burnham, Introducti­ on (Teil  2, Fn.  132), S.  136 ff. 605  In den meisten Bundesstaaten ist das Laienrichtertum nach wie vor verbreitet. Trotz der Kritik, Laienrichter seien häufig lokal-politischem Druck ausgesetzt, wird ihr Einsatz als verfassungskonform angesehen, da man die Due Process Clause des 5. Zusatzartikels der U.S.-Verf. für unanwendbar hält. Siehe zu der vorgebrachten Kritik Provine, Credentials (Fn.  585), S.  57 f., 91 ff.; zu der Kritik auch Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  37, 42 ff. Zur Verfassungsmäßigkeit des Laienrichtertums siehe North v. Russell, 427 U.S.  328 (1976) sowie F. S. Le Clercq, Tennessee Law Review 47 (1980), S.  689 (719 f.). 606  Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  33 f.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  35; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  282. – Siehe zu den Anforderungen in den einzelnen Staaten im Detail insbesondere Rottman/Strickland, Organization (Teil  2, Fn.  618), S.  29 ff. (Qualifications to Serve as an Appellate Court Judge), 40 ff. (Qualifications to Serve as a Trial Court Judge). 607  Oftmals ist es erforderlich, dass ein Kandidat seit einer gewissen Zeit bereits die An­ waltszulassung besitzt, vgl. Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  35; siehe zu den „Legal Credentials“ an den einzelnen Gerichten in den Einzelstaaten im Detail auch Rottman/Strickland, Organization (Teil  2, Fn.  618), S.  29 ff., 40 ff.; Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  144 f. – In New Jersey bspw. ist das Erfordernis, dass Richter mindestens zehn Jahre praktiziert ­haben müssen, um als Kandidat in Frage zu kommen, in Art.  V I §  6 Nr.  2 der Verf. von New Jersey festgeschrieben. 608  Siehe näher Sheldon/Lovrich, Recruitment (Teil  2 , Fn.  408), S.  179 ff.; Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  153 ff.; O’Brien, Storm (Teil  2, Fn.  914), S.  48 ff. – Im Hinblick auf den Minderheitenschutz liegt ein unbestreitbarer Vorteil bei den Exekutivernennungen, vgl. Sheldon/Lovrich, Recruitment (Teil  2, Fn.  408), S.  168. 609  Siehe im Überblick zu der Richterbestellung auf Ebene der Bundesstaaten in den USA Hays, Staffing (Fn.  563), S.  294 ff.; R. A. Schotland, Georgetown Law Journal 95 (2007), S.  1077 (1084 ff.); Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  143; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  529 ff.; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  92 ff. – Eine Übersicht über die Literatur zu den Auswahlmethoden bieten E. E. Slotnick, The Justice Sys­ tem Journal 13 (1988), S.  109 ff.; ferner Sheldon/Lovrich, Recruitment (Teil  2, Fn.  408), S.  161 ff.; P. D. Webster, Florida State University Law Review 23 (1995), S.  1 (12 ff.); Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  143 ff.; Burnham, Introduction (Teil  2, Fn.  132), S.  191 ff. – Ebenso wenig einheitlich erfolgt überdies die Auswahl des jeweiligen Chief Justices an den obersten Staatengerichten, vgl. T. E. Pettys, Journal of Law and Politics 22 (2006), S.  231 (235 f.).

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

ten ergeben. Es gibt nahezu so viele Auswahlmechanismen wie es Staaten in den USA gibt610. Hieraus folgt, dass in der Praxis nahezu jeder Staat (vor allem durch die Kombination unterschiedlicher Systeme) seine eigene Methode an­ wendet, um seine Richter auszuwählen bzw. im Amt zu bestätigen611. Die Be­ schreibung und kritische Würdigung der unterschiedlichen Modelle der Rich­ terbestellung (a) dient als Grundlage für eine sich anschließende Einordnung der einzelnen Staaten (b). (a) Modelle der Richterbestellung – Auswahlsysteme Die Metamorphose der Richterbestellung in den Einzelstaaten nimmt ihren An­ fang in einer an die Bundesrichterbestellung angelehnten Auswahl der Richter durch den jeweiligen Gouverneur612 und entwickelte sich über eine Reform­ bewegung im 19.  Jahrhundert, durch welche die Richteraus- und -abwahl durch das Volk zum Ideal wurde613, hin zu der allmählichen Einführung der leistungs­ basierten Richterwahl, die als Missouri-Plan bezeichnet wird614. Als Folge die­ ser sukzessiven Evolution lassen sich nunmehr fünf verschiedene Auswahlsys­ teme herausarbeiten (aa), die allerdings nicht völlig kritiklos geblieben sind (bb). 610 Gleichsinnig Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  21; T. R. Phillips, Harvard Journal of Law & Public Policy 32 (2009), S.  67 (68); vor allem mit Blick auf die Veränderungen der Auswahlmethoden C. G. Geyh/K. Thrapp, Legal Landscape of Judicial Elections, in: Bon­ neau/Hall, Judicial Elections (Teil  2, Fn.  413), S.  15 ff. 611 Vgl. R. A. Schotland, Georgetown Law Journal 95 (2007), S.  1077 (1084); Burnham, Introduction (Teil  2, Fn.  132), S.  191; gleichsinnig C. W. Bonneau/M. G. Hall, Judicial Elec­ tions in the 21st Century, in: dies., Judicial Elections (Teil  2, Fn.  413), S.  3 (9 ff.). Siehe im Detail die Tabelle in Kap.  4 B. III 3. a) bb) (2) (b), die verdeutlicht, dass es fast in jedem Bundesstaat eine Besonderheit im Rahmen der Richterbestellung gibt. 612  Vgl. Volcansek/Lafon, Selection (Teil  2 , Fn.  57), S.  17 ff.; Rosett, Career (Teil  1, Fn.  335), S.  12; Sheldon/Maule, Justice (Fn.  597), S.  1 ff.; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  279. 613  Die demokratisierende Direktwahl setzte sich in erster Linie als demokratisierendes Ge­ genmodell zur Entmachtung der britischen Krone durch, vgl. Kayser, Auswahl (Einl., Fn.  18), S.  173 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  41; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  278 ff.; R. A. Schotland, Georgetown Law Journal 95 (2007), S.  1077 (1093 ff.); S. D. O’Connor/R. Anderson Jones, Arizona Law Review 50 (2008), S.  15 (16 f.); J. M. Shepherd, Duke Law Journal 58 (2009), S.  623 (631 ff.); Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  144. 614  Zu dieser Entwicklung auch Kayser, Auswahl (Einl., Fn.  18), S.  200 f.; G. R. Winters, The Merit Plan for Judicial Selection and Tenure – It’s Historical Development, in: ders. (Hrsg.), Selected Readings. Judicial Selection and Tenure, 1973, S.  29 ff.; Berkson, Judicial Selection (Fn.  571), S.  62 ff.; Rosett, Career (Teil  1, Fn.  335), S.  13 f.; Röhl, Gerichtsverwal­ tung (Einl., Fn.  18), S.  33; J. Goldschmidt, University of Miami Law Review 49 (1994), S.  1 (7 ff.); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  623 f.; S. D. O’Connor/R. Anderson Jones, Ari­ zona Law Review 50 (2008), S.  15 (17 ff.).

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(aa) Darstellung der Auswahlmethoden Neben der Richterwahl durch das Volk, die in der Praxis in den Varianten als Partisan Election (parteiliche Wahl) und Non-Partisan Election (unparteiliche Wahl) existiert (α), ist vor allem die Auswahl nach dem Missouri-Plan verbrei­ tet, die auch als Commission-Selection (Auswahl durch eine Kommission) oder Merit Selection bezeichnet wird (β)615; darüber hinaus gibt es vereinzelt die Election by Assembly, auch Legislative Election (Wahl durch das Parlament) genannt, sowie mitunter das traditionelle Modell des Gubernatorial Appointment (Bestellung durch den Gouverneur) (γ)616. Da sich häufig auch der ersten Auswahl des Richters nach dem Missouri-Plan ein Prozedere der Wiederwahl (Retention Election) durch das Volk anschließt617, lässt sich feststellen, dass na­ hezu 89  % aller einzelstaatlichen Richter durch eine Volkswahl ins Amt geho­ ben oder in diesem bestätigt werden618. Die Vermischung dieser unterschiedli­ chen Modelle führt unter anderem zu Zuordnungsschwierigkeiten (δ). α) Richterwahl durch das Volk Das am häufigsten angewandte Auswahlmodell ist somit die (parteiliche oder unparteiliche) Richterwahl durch das Volk, die vor allem an vielen Trial Courts Anwendung findet619. Zwar besteht ein grundlegender Unterschied zwischen 615 

Siehe zu den unterschiedlichen Terminologien Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  531. 616  Einen Überblick verschaffen Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  21 ff.; Zätzsch, Un­ abhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  40 ff., der hier allerdings eine etwas unübersichtliche Darstel­ lung der Auswahlmethoden anhand der Beteiligung der verschiedenen Staatsgewalten wählt; R. A. Schotland, Georgetown Law Journal 95 (2007), S.  1077 (1084 f.) mit einer anschau­ lichen Aufschlüsselung der zum Teil hybriden Auswahlmechanismen; Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  143 f. – Aus historischer Perspektive siehe F. A. Hanssen, The Journal of Legal Studies 33 (2004), S.  431 ff. 617  Siehe zum Prozedere der Retention Election näher McKay/Parkison, States (Teil  2 , Fn.  885), S.  367; Rosett, Career (Teil  1, Fn.  335), S.  13; L. T. Aspin/W. K. Hall, Judicature 77 (1994), S.  306 ff.; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  282 ff.; Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  145; L. T. Aspin, Judicial Retention Elections, in: Bonneau/Hall, Judicial Elections (Teil  2, Fn.  413), S.  93 ff. 618 Siehe D. C. Brody, Denver University Law Review 86 (2008), S.  1 (12); ähnlich Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  121, der einen marginal anderen Prozentsatz von 87  % angibt; zu dieser Zahl weiterhin R. A. Schotland, Georgetown Law Journal 95 (2007), S.  1077 (1077); Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  529. – Lediglich zwölf Staaten (Connecti­ cut, Delaware, Hawaii, Maine, Massachusetts, New Hampshire, New Jersey, New York, ­R hode Island, South Carolina, Vermont, Virginia) verzichten völlig auf eine Richterwahl oder Bestätigungswahl, vgl. die Tabelle 2 in Kap.  4 B. III 3. a) bb) (2) (b). 619  Siehe zu diesem Befund Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  36; Zätzsch, Unabhän­ gigkeit (Einl., Fn.  7), S.  41, 130; R. A. Schotland, Georgetown Law Journal 95 (2007), S.  1077

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beiden Wahlmethoden darin, dass sich erstere als politische Wahl mit einem Parteistimmzettel vollzieht, während Letztere nicht-parteipolitischer Natur ist620. In der Praxis hat sich allerdings gezeigt, dass auch bei der nicht-partei­ lichen Wahl die Richterkandidaten um eine (finanzielle) Unterstützung von Po­ litikern nicht herumkommen und daher zumindest auf die Unterstützung von parteinahen Organisationen oder Interessenverbänden angewiesen sind621. Am rechtspolitischen Mehrwert dieser Richterwahlen lässt sich – abgesehen von der Abhängigkeit der Kandidaten von Wahlkampfspenden622 – bereits aufgrund ih­ rer Unübersichtlichkeit sowie wegen des mangelnden Interesses innerhalb der Bevölkerung zweifeln623. Dass die Wahlbeteiligung bei Richterwahlen mitunter niedrig ist, muss vor allem aufgrund der bisweilen horrenden Summen für Wahlkampfauftritte (inklusive eigener Werbespots für die Richter) als erschre­ ckend bezeichnet werden624. Vor allem an den oberen Gerichten schwindet die Methode der Volkswahl von Richtern zunehmend625. β) Leistungsbasierte Wahl nach dem Missouri-Plan An den oberen Staatengerichten ist die Auswahl der Richter nach dem Missouri-­ Plan das am weitaus häufigsten zu findende Modell626. Benannt nach dem ersten (1084, 1104); Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  529. – Dass alle Richter in einem Bundesstaat durch eine Partisan Election gewählt werden, ist indessen äußerst selten, vgl. P. D. Webster, Florida State University Law Review 23 (1995), S.  1 (17). 620  Siehe zu den praktizierten Wahlverfahren instruktiv Kayser, Auswahl (Einl., Fn.  18), S.  180 f., 195 ff.; Sheldon/Maule, Justice (Fn.  597), S.  43 ff. (Recruitment by Nonpartisan Elec­ tions), 69 ff. (Partisan Judicial Recruitment); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  41 f.; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  281 f.; Baum, Courts (Teil  3, Fn.  316), S.  100. 621 Vgl. Jacob, Courts (Teil  3, Fn.  229), S.  19; C. S. Thomas/M. L. Boyer/R. J. Hrebenar, Interest Groups and State Court Elections: A New Era and its Challenges, in: Slotnick, Judi­ cial Politics (Teil  3, Fn.  195), S.  53 ff.; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  281; R. Y. Schauffler, Utrecht Law Review 3 (2007), S.  112 (115 f.); Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  529 f. – Die erhofften Vorteile einer nicht-parteilichen Wahl im Vergleich zur par­ teilichen sind insgesamt nicht eingetreten, siehe mit einer Bewertung Kayser, Auswahl (Einl., Fn.  18), S.  207 m. w. N. 622 Siehe Kayser, Auswahl (Einl., Fn.  18), S.  205; K. F. Röhl, DRiZ 1993, S.  301 (306); Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  281. 623  Eindringlich hierzu Kayser, Auswahl (Einl., Fn.  18), S.  197, 206 f.; K. F. Röhl, DRiZ 1993, S.  301 (306). 624  Mit einer ähnlich negativen Grundhaltung siehe auch J. R. Grodin, Elections, in: J. T. Noonan/K. I. Winston (Hrsg.), The Responsible Judge. Readings in Judicial Ethics, 1993, S.  311 (321), der aus eigener Erfahrung von seinem Wahlkampf berichtet. 625  Siehe ähnlich auch Burnham, Introduction (Teil  2 , Fn.  132), S.  192. 626  Siehe zur Verbreitung J. Goldschmidt, University of Miami Law Review 49 (1994), S.  1 (46 ff.); zu diesem Befund auch Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  46; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  624.

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Staat, der sich dieser Auswahlmethode bediente, prüft und wählt eine aus Rich­ tern, Anwälten sowie Laien bestehende Kommission627 zunächst vorläufig pas­ sende Kandidaten nach ihrem Leistungsstand (merit based) aus, woran sich eine abschließende Auswahl durch den Gouverneur anschließt628. In vielen Bundes­ staaten kommt es nach einer ersten, verkürzten Amtszeit zusätzlich zu einer Be­ stätigungswahl in Form einer Retention Election629, in der zumeist kein Ge­ genkandidat vorgesehen ist630. Ganz überwiegend unterstützen auch hier die Gouverneure bei ihrer Entscheidung die Kandidaten ihrer eigenen Partei, ob­ wohl die Vorschläge der Kommission nicht parteigebunden erfolgen631. In der Regel erfolgt nach Ablauf der ersten regulären Amtszeit eine Wiederwahl; län­ gere Amtszeiten sind durchaus erwünscht, weshalb Bestätigungen der Richter 627  Instruktiv

zur Zusammensetzung der Kommissionen N. Garoupa/T. Ginsburg, The American Journal of Comparative Law 57 (2009), S.  201 (218 ff.). 628 Siehe L. M. Hyde, The Missouri Non-Partisan Court Plan, in: G. R. Winters. (Hrsg.), Selected Readings. Judicial Selection and Tenure, 1973, S.  91 (91); J. Goldschmidt, Universi­ ty of Miami Law Review 49 (1994), S.  1 (19 ff.); P. D. Webster, Florida State University Law Review 23 (1995), S.  1 (29 ff.); Sheldon/Maule, Justice (Fn.  597), S.  127 ff.; Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  39 f.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  46 f.; Tschentscher, Legi­ timation (Teil  1, Fn.  1), S.  283; Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  145. – Siehe instruktiv zu den historischen Gründen einer Implementierung von leistungsbasierten Kriterien Winters, Merit Plan (Fn.  614), S.  32 ff.; Sheldon/Maule, Justice (Fn.  597), S.  125 ff. 629  Einige Autoren unterliegen dem Missverständnis, dass der Missouri-Plan stets auch eine Bestätigungswahl vorsehen muss, obwohl es nicht wenige Staaten gibt, in denen sich die Richter des obersten Bundesgerichtes keinerlei Bestätigungswahl stellen müssen. Dies ist der Fall in Connecticut, Delaware, Hawaii, Maine, Massachusetts, New Hampshire, New York, Rhode Island und Vermont. Mit einem solchen Irrtum bspw. Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  163; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  46, der allerdings wohl davon ausgeht, dass die Richter in den entsprechenden Staaten nicht nach dem Missouri-Plan ausgewählt werden; differenziert hingegen Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  532. – Zu den Erfolgsaus­ sichten einer solchen Wiederwahl in der historischen Entwicklung seit der Mitte des letzten Jahrhunderts bis 2010 siehe L. T. Aspin, Judicature 94 (2011), S.  218 ff. 630  In aller Regel erfolgen solche Bestätigungswahlen problemlos und fast unbemerkt, die allermeisten Richter sind hier erfolgreich. Siehe dazu Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  624. – Ausnahmen bestätigen diese Regel, und so wurde die nicht erfolgte Wiederwahl des kalifornischen Chief Justice Rose Bird aufgrund einer Propaganda gegen ihre liberale Hal­ tung gegenüber der Todesstrafe zu einem kleinen Präzedenzfall. Siehe Rosett, Career (Teil  1, Fn.  335), S.  13; P. D. Carrington, Law and Contemporary Problems 61 (1998), S.  79 (81 ff.); mit weiteren problematischen Fällen, die sich auffällig häufig an der Todesstrafe aufhängen, Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  178 ff.; allgemein auch K. Berry, How Judicial Elec­ tions Impact Criminal Cases, 2015, S.  7 ff. – Zu einer ähnlichen, jüngeren Kampagne siehe H. Fischer, East Valley Tribune, 23.10.2012 (abrufbar unter http://www.eastvalleytribune. com/arizona/groups-campaign-to-oust-arizona-supreme-court-judge/article_caa262501d43-­11e2-ad7a-0019bb2963f4.html, 14.7.2017). 631  Kayser, Auswahl (Einl., Fn.  18), S.  182 ff., 209 f. macht diese Beobachtung zumindest in Missouri; gleichsinnig Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  284.

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durch diese Wahlen sehr üblich sind632. Missouri gilt als Pionier durch die Ein­ führung eines einzigartigen Systems, um die Richter für den Supreme Court und den Court of Appeals auszuwählen. Seit 1940 gibt es also einen unpartei­lichen Court Plan, der leistungsbezogen ist (merit-based)633. Ist eine Stelle vakant, wird eine Judicial Nominating Commission eingesetzt, welche die Be­werbungen der Kandidaten prüft, Bewerbungsgespräche führt und dem Gouverneur anschlie­ ßend drei Nominierte vorschlägt. Daraufhin ernennt der Gouverneur einen der drei Nominierten. Schließlich findet zumeist ein Jahr nach der Ernennung eine Bestätigungswahl statt, in welcher sich der zuvor ausgewählte Richter der Bestä­ tigung durch die Wähler stellen muss. Erst dann ist der Richter endgültig für die Dauer der Amtsperiode in sein Amt aufgenommen634. γ) Legislative und Gubernative Richterauswahl Die Richterbestellung durch die Legislative findet sich lediglich in zwei Staaten, namentlich in Virginia und South Carolina635. Auch die alleinige Bestellung der Richter durch den Gouverneur ohne jegliche Beteiligung einer Kommission ist selten und findet sich in dieser rein verwirklichten Form inzwischen nur noch in Kalifornien und New Jersey636. Eine vergleichbare exekutive Richterbestellung gewinnt allerdings dann an Bedeutung, wenn Richter vor dem Ablauf ihrer Amtsperiode aus dem Richterdienst ausscheiden, da die Neubesetzung dann

632 

K. F. Röhl, DRiZ 1993, S.  301 (306); Guarnieri/Pederzoli, Power (Teil  2, Fn.  441), S.  33; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  624. 633  Vgl. Art.  V §  25(a) der Verf. von Missouri. 634  Siehe hierzu im Detail Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  133 ff.; Tschentscher, Legi­ timation (Teil  1, Fn.  1), S.  282 f. 635  Siehe zu den Einzelheiten Sheldon/Maule, Justice (Fn.  597), S.  87 ff.; Carp/Stidham/ Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  100. – Genau genommen wird in Virginia ein leicht verändertes Modell der Richterauswahl durch die Legislative praktiziert, vgl. Art.  I V §  7 S.  1 der Verf. von Virginia: „The justices of the Supreme Court shall be chosen by the vote of a majority of the members elected to each house of the General Assembly for terms of twelve years.“ 636  Siehe speziell zu New Jersey Pinello, Impact (Teil  2 , Fn.  921), 36 f.; einen Überblick verschaffen überdies Sheldon/Maule, Justice (Fn.  597), S.  105 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  44 f.; Carp/Stidham/Manning/Holmes, Process (Teil  2, Fn.  909), S.  99 f. – Durch die häufige Beteiligung der Volksvertretung im Zusammenspiel mit dem Gouverneur kommt es hier zu Überschneidungen mit der Auswahl der Richter nach dem Missouri-Plan: So wenden die Staaten Maine und New Hampshire eine abgewandelte Form des Missouri-Plans an, die ansonsten zum Teil der Ernennung durch die Exekutive zugeordnet wird, so Sheldon/Maule, Justice (Fn.  597), S.  105; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  44; Baum, Courts (Teil  3, Fn.  316), S.  101.

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zumeist dem Gouverneur obliegt637. Eine gesonderte Darstellung beider Aus­ wahlmethoden kann aufgrund ihrer geringen Reichweite unterbleiben638. δ) Zuordnungsprobleme Eine eindeutige Zuordnung aller Staaten in diese Kategorien ist indessen nicht immer zweifelsfrei möglich. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass häufig innerhalb eines Bundesstaates die Richter zu den unterschiedlichen Ge­ richten nicht einheitlich bestellt werden639. Zudem wenden einige Staaten Kom­ binationsmodelle verschiedener Bestellungsmethoden an640. Darüber hinaus ergeben sich zum Teil formale Einteilungsprobleme: Beispielsweise basieren sowohl die Auswahl durch den Missouri-Plan als auch die Bestellung durch den Gouverneur letztlich auf einer leistungsorientierten Entscheidung unter mehr oder weniger starker Beteiligung des Gouverneurs (Merit Selection)641. Bei einem Blick auf die Karte der Vereinigten Staaten offenbaren sich zu­ nächst im Hinblick auf die Einordnung der Staaten in Auswahlsysteme kleinere Unterschiede. So ist in den Südstaaten der USA die parteiliche Wahl von Rich­ terkandidaten verbreitet, während die nicht-parteiliche Wahl eher im Nord­ westen des Landes praktiziert wird. In den Zentralstaaten ist vor allem die Ver­ wendung des Missouri-Plans üblich. Die Staaten an der Ostküste bedienen sich hingegen keinem spezifischen Muster; hier sind alle fünf Auswahlsysteme – vor allem auch die Bestellung durch den Gouverneur und die Legislative – zu fin­ den642. 637 Eingehend

Stumpf/Culver, Politics (Teil  3, Fn.  312), S.  43; P. D. Webster, Florida State University Law Review 23 (1995), S.  1 (13); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  45. 638  Mit Kritik an der Legislativbestellung siehe instruktiv C. W. Tobias, University of Richmond Law Review 43 (2008), S.  37 ff. 639  Die Arbeit konzentriert sich im Folgenden in erster Linie auf die Bestellung der Rich­ ter zu den obersten Staatengerichten. Siehe für eine umfassende tabellarische Übersicht der Bestellungsmethoden zu den Trial Courts und Appellate Courts hier nur Rottman/Strickland, Organization (Teil  2, Fn.  618), S.  25 ff. (Selection of Appellate Court Judges), 33 ff. (Selection of Trial Court Judges). 640  So auch das knappe Fazit bei Kayser, Auswahl (Einl., Fn.  18), S.  180 f.; McKay/Parkison, States (Teil  2, Fn.  885), S.  360; Stumpf/Culver, Politics (Teil  3, Fn.  312), S.  38; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  40; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  624 Rn.  634. 641  In der Praxis ließen sich einige Grenzfälle (zu diesen Staaten gehören mindestens Connecticut, Maine, Maryland, Massachusetts und New Hampshire) je nach Gewichtung vertretbarerweise sowohl dem Gubernatorial Appointment sowie der Auswahl nach dem Missouri Plan zuordnen, siehe im Detail Sheldon/Maule, Justice (Fn.  597), S.  125 ff. 642  Siehe mit einer anschaulichen Übersicht zu den geographischen Feinheiten der Richt­ erwahlmethoden in den Bundesstaaten die Liste der American Judicature Society, die abruf­ bar ist unter http://web.archive.org/web/20150222053432/http://judicialselection.us/judicial_ selection/methods/selection_of_ judges.cfm?state= (zuletzt abgerufen am 7.11.2017).

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(bb) Rechtspolitische Würdigung In der rechtspolitischen Diskussion ist die Wahl der Richter durch das Volk nach wie vor Grund für Reformvorschläge. So fordert die ABA nachdrücklich die Abschaffung aller Richterwahlen durch das Volk643. In West Virginia wurde bei­ spielsweise aufgrund des politischen Einflusses auf die (parteilichen) Richter­ wahlen diese Auswahlmethode mit Wirkung zum Jahresbeginn 2016 geändert. Die Richterwahl wird nunmehr (immerhin) als Non-Partisan Election durchge­ führt644. Aus rechtspolitischer Sicht steht bei Volkswahlen zu befürchten, dass zumindest nicht ausschließlich leistungsbasierte Kriterien berücksichtigt wer­ den645. Es drängen sich ferner aus deutscher Sicht verfassungsrechtliche Friktio­ nen der Richterwahl mit der richterlichen Unabhängigkeit förmlich auf646. Insbesondere das Prozedere der Retention Election der Richter genießt in den USA unter Kritikern einen schlechten Ruf, da sie eine Wiederwahl durch das Volk beinhaltet, sodass es nicht völlig ausgeschlossen ist, dass Richter bei ihrer Entscheidung nicht allein der eigenen Überzeugung folgen, sondern auch auf die Zufriedenheit innerhalb der Bevölkerung schielen647. Auch eine Beeinflus­ 643  Punkt 1.21 (a) der ABA Standards Relating to Court Organization (Stand: 2004): „Election of Judges should be abolished“; siehe dazu weiterhin Graham, Standards (Teil  2, Fn.  957), S.  106; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  33; M. J. Streb/B. Frederick, Ju­ dicial Reform and the Future of Judicial Elections, in: M. J. Streb (Hrsg.), Running for Judge. The Rising Political, Financial, and Legal Stakes of Judicial Elections, 2007, S.  204 (205); Burnham, Introduction (Teil  2, Fn.  132), S.  192 f. – Ähnlich auch die Forderung von P. D. Carrington, Law and Contemporary Problems 61 (1998), S.  79 (114 f.). 644  Art.  V III §  2 S.  2 der Verf. von West Virginia i. V. m. WV Code §  51-1-1 (2016); zu dem allgemeinen Trend, die Richterbestellung von dem parteipolitischen Einfluss zu lösen, siehe N. Garoupa/T. Ginsburg, The American Journal of Comparative Law 57 (2009), S.  201 (202). – Dass die nicht-parteiliche Wahl insofern keine zwangsläufige Verbesserung darstellt, arbei­ tet Kayser, Auswahl (Einl., Fn.  18), S.  206 f. heraus. 645  So traten mitunter Fälle zutage, bei denen ein Kandidat letztlich nur aufgrund ander­ weitiger Popularität oder wegen einer Namensverwechslung mit einer berühmten Person des öffentlichen Lebens erfolgreich war. Siehe zu ersterem Fall J. M. Shepherd, Duke Law Jour­ nal 58 (2009), S.  623 (634 f.), der dies allerdings als Erfolg für das System der Volkswahl im Hinblick auf den Minderheitenschutz verbucht, da es sich in dem beschriebenen Fall um ei­ nen afro-amerikanischen ehemaligen Football-Spieler handelte; allgemein auch Kayser, Aus­ wahl (Einl., Fn.  18), S.  206 f.; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  281; Zätzsch, Un­ abhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  131 konstatiert, dass sich Wähler nahezu ausschließlich von politischen oder anderen Faktoren und i. d. R. nicht von der fachlichen Qualifikation der Kan­ didaten leiten lassen. 646  So die Bewertung bei Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  137 f.; ähnlich auch S. D. O’Connor/R. Anderson Jones, Arizona Law Review 50 (2008), S.  15 (21 ff.); J. M. Shepherd, Duke Law Journal 58 (2009), S.  623 (625 ff.); Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  528 f.; eher beschwichtigend Burnham, Introduction (Teil  2, Fn.  132), S.  192 ff. 647  Siehe zu dieser Kritik auch C. Nelson, A Re-Evaluation of Scholarly Explanations for

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sung des richterlichen Entscheidungsverhaltens durch Geldgeber steht zu be­ fürchten, da auch im Rahmen des Missouri-Plans oft eine Bestätigungswahl nach einer kurzen ersten Amtsperiode von zumeist ein bis zwei Jahren ansteht, deren Kampagne es zu finanzieren gilt648. Solche Wahlkampagnen stehen zu­ nehmend in der Kritik, da sie weniger die richterlichen Qualifikationen als viel­ mehr politisch-reißerische Themen und die Diffamierung etwaiger Gegenkan­ didaten zum Gegenstand zu haben649. Insbesondere seitdem der U.S. Supreme Court klargestellt hat, dass sich Richter an ihre im Zuge von Wahlkampfauftrit­ ten getätigten Äußerungen im Rahmen ihrer Rechtsprechung nicht halten müs­ sen650, sind ausufernde Tendenzen in den Wahlkampfreden zu beobachten651. Aus verfassungspolitischer Sicht und zur Verstärkung des Schutzumfanges der Judicial Independence ist diese Rechtsprechung zu begrüßen. In den USA herrscht hingegen – trotz gelegentlich geäußerter Kritik652 – die Überzeugung vor, dass richterliche Unabhängigkeit und Judicial Accountability miteinander the Rise of the Elective Judiciary in Antebellum America, in: American Journal of Legal History 37 (1993), S.  190 (224); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  626; Clark, Limits (Teil  2, Fn.  875), S.  71 ff.; mit einer empirischen Untersuchung J. M. Shepherd, Duke Law Journal 58 (2009), S.  623 (652 ff.). – Umfragen unter Richtern scheinen diese Vermutung zu bestätigen, vgl. L. T. Aspin/W. K. Hall, Judicature 77 (1994), S.  306 (312 f.). 648  Einen Überblick über die finanziellen Dimensionen und Eskalationen der Wahlkampa­ gnen verschaffen McFadden, Justice (Fn.  609), S.  25; P. D. Carrington, Law and Contempo­ rary Problems 61 (1998), S.  79 (91 f. [Herkunft des Geldes], 112 f. [Medien als Kostenverursa­ cher], 117 f. [Expenditure Limits]); zu den Problemen der Wahlkampffinanzierung instruktiv Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  132 ff.; ähnlich auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  626; C. G. Geyh, Dædalus 2008, S.  86 (91 ff.); Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  147; J. Park, Akron Journal of Constitutional Law and Policy 2 (2011), S.  163 (174 f.); C. W. Bonneau, Fundraising and Spending in State Supreme Court Elections, in: ders./Hall, Judici­ al Elections (Teil  2, Fn.  413), S.  79 (83 ff.). 649 Vgl. R. A. Schotland, Law Review of State Michigan State University Detroit College of Law 3 (2001), S.  849 ff.; detailliert Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  131 ff.; R. P. Caufield, Judges’ Journal 46 (2007), S.  6 (10); J. M. Shepherd, Duke Law Journal 58 (2009), S.  623 (649 ff.); J. L. Gibson, Electing Judges. The Surprising Effects of Campaigning on Ju­ dicial Legitimacy, 2012, S.  105 ff. – Zu den Gefahren für die Justiz, die eine solche Herange­ hensweise an den „Wahlkampf“ mit sich bringt, siehe P. D. Carrington, Law and Contempo­ rary Problems 61 (1998), S.  79 (107 ff.). 650  Republican Party of Minnesota v. White, 536 U.S.  765 (2002). 651 Siehe zu der Bewertung dieser Rechtsprechung C. G. Geyh, Dædalus 2008, S.  86 (92 ff.); Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  149 f.; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  531; E. T. Kasper, Impartial Justice. The Real Supreme Court Cases that Define the Cons­ titutional Right to a Neutral und Detached Decisionmaker, 2013, S.  14 ff., der herausstellt, dass der Gesichtspunkt der richterlichen Neutralität offensichtlich hinter dem Recht des Kan­ didaten auf freie Rede zurückzustehen hat (S.  15); Geyh/Thrapp, Elections (Fn.  610), S.  18 ff. 652 Zusammenfassend J. M. Shepherd, Duke Law Journal 58 (2009), S.  623 (630 ff.); M. J. Chertoff, McGeorge Law Review 42 (2010), S.  47 ff.

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zu vermischen sind653. Die Nachteile für die richterliche Unabhängigkeit, die sich offensichtlich bei einer (Wieder-)Wahl durch das Volk ergeben, werden wissent­ lich und gewollt in Kauf genommen und durch eine Verschiebung hin zur Accountability der Richter ausbalanciert und gerechtfertigt654. Obwohl das Risiko parteilicher oder nicht-parteilicher Volkswahlen durchaus wahrgenommen wird, überwiegt am Ende doch die Überzeugung, die direkte Einbindung der Bürger bringe mehr Vor- als Nachteile mit sich655. Konstruktiv, wenngleich vielleicht nicht unbedingt erfolgsversprechend, sind zumindest die Vorschläge, die Bürger besser auf die Wahl der Richter und ihre Bedeutung vorzubereiten656. Nicht ver­ gessen werden darf indessen, dass – trotz an sich offenkundiger Transparenz- und Qualitätsvorteile bei der Richterbestellung657 – auch der Missouri-Plan kritisiert wird. Im Fokus (konservativer) Gegner der Merit Selection steht dabei der Um­ stand, dass mitunter auch Anwälte in den Auswahlkommissionen beteiligt sind und im Ergebnis die Auswahl demokratischer Kandidaten wahrscheinlicher ist658. 653 Gleichsinnig J. M. Shepherd, Duke Law Journal 58 (2009), S.  623 (630 ff.); Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  529. 654  Siehe zu der Bedeutung der Judicial Accountability im Vergleich zur richterlichen Unab­ hängigkeit Wasby, Accountability (Teil  2, Fn.  406), S.  145; gleichsinnig Sheldon/Lovrich, Rec­ ruitment (Teil  2, Fn.  408), S.  164 ff.; Smith, Self-Interest (Teil  1, Fn.  205), S.  8; kritisch Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  176 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  626. 655  Sinnbildlich ist insofern folgendes Zitat einer richterlichen Kampagne des Florida Supreme Court: „Every judicial election presents both a great opportunity and a great risk. Those elections present us with a great opportunity to educate our citizens about the proper role and responsibility of the Third Branch […]. Of course, absolute impartiality and freedom from partisan influences are the most important of these responsibilities. At the same time, however, judicial elections present a great risk – a risk that the public will be misinformed about the proper role and responsibilities of judges and that because of that misinformation, confidence in our justice system will be undermined or shaken if the public perception is that judges may act in partisan manner – rather than strictly adhere to the Rule of Law“, vgl. H. L. Anstead, Court publicly reprimands Judge Angel, in: Florida Bar News, 1.7.2004 (abrufbar unter https://www. floridabar.org/news/tf b-news/?durl=/DIVCOM/JN/jnnews01.nsf/cb53c80c8fabd49d85256b 5900678f6c/E234C7DEA394278B85256EBB0055162E!opendocument, 19.3.2020). 656 Siehe R. A. Schotland, Georgetown Law Journal 95 (2007), S.  1077 (1088 f.) m. w. N.; dies problematisiert ebenfalls J. Park, Akron Journal of Constitutional Law and Policy 2 (2011), S.  163 (175 f.). – Allgemein zu den Reformvorhaben im Hinblick auf die Richterwahl siehe Streb/Frederick, Reform (Fn.  643), S.  204 ff. 657 Siehe P. D. Webster, Florida State University Law Review 23 (1995), S.  1 (29 ff.); Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  35; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  532. 658 Siehe zusammenfassend R. A. Schotland, Georgetown Law Journal 95 (2007), S.  1077 ff.; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  532 f. – Siehe zu der in der Tat aus par­ teipolitischer Sicht einseitigen Zusammensetzung der Kommissionen ferner W. G. Eckhardt/­ J. Hilton, The Consequences of Judicial Selection. A Review of the Supreme Court of Mis­ souri, 1992–2007, S.  1 ff. (abrufbar unter http://www.fed-soc.org/publications/detail/the-con

B. Die Verwaltung der Gerichte in den USA

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Eine Erkenntnis bleibt zumindest: Das perfekte Richterauswahlmodell gibt es nicht659. (b) Praktizierte Auswahlsysteme an den Supreme Courts der Einzelstaaten In der folgenden Tabelle 2 sind in alphabetischer Reihenfolge die Bundesstaaten der USA sowie der District of Columbia aufgeführt660. Sie zeigt grundsätzlich die Auswahlmethode und die Amtszeit für die Richter an den höchsten Gerichten der Einzelstaaten. Falls sich die Auswahlmethoden zu den Richterämtern an den un­ tergeordneten Gerichten (vor allem den Trial Courts) anders darstellt, ist dies durch eine Fußnote kenntlich gemacht. Es kann insgesamt aufgrund der Vielfäl­ tigkeit nicht jede bundesstaatliche Eigenheit dargestellt werden, die sich unter anderem bereits dadurch ergeben kann, dass eine zu besetzende Stelle nicht im Zuge der Beendigung einer Amtsperiode neu zu besetzen ist, sondern aufgrund eines unplanmäßigen Ausscheidens außerhalb der Amtsperioden (Interim); allein in einem solchen Fall kann sich die Auswahlmethode innerhalb eines Bundes­ staates bereits beträchtlich von der üblichen Vorgehensweise unterscheiden661. Zunächst wird zwischen dem grundsätzlichen Typ der Bestellung unterschieden: Wahl oder Ernennung. Weiterhin gibt die Tabelle 2 Aufschluss über das Aus­ wahlsystem in dem jeweiligen Bundesstaat: Partisan Election, Non-Partisan Election, Missouri-Plan, G(ubernatorial) Appointment oder L(egislative) Appointment. Es ist überdies dargestellt, ob es eine bestätigende Wiederwahl (Retention Election) gibt und wie die Amtszeit ausgestaltet ist; dabei bezieht sich die Amtsdauer der „Erstwahl“ in der Regel auf die Zeit bis zur Retention Election, während der Terminus der „Wiederwahl“ die gewöhnliche Amtsdauer angibt662 , sequences-of-judicial-selection-a-review-of-the-supreme-court-of-missouri-1992-2007, 19.3.­2020). 659  Ähnlich auch das Fazit bei P. D. Webster, Florida State University Law Review 23 (1995), S.  1 (38 ff.). 660  Siehe hierzu und zum Folgenden (inklusive der Tabelle) Willoughby, Principles (Teil  1, Fn.  274), S.  367 ff.; J. N. Eule, Yale Law Journal 99 (1990), S.  1503 (1589 f.); Sheldon/Maule, Justice (Fn.  597), S.  34 ff.; F. A. Hanssen, American Economic Review 93 (2004), S.  712 (716); R. A. Schotland, Georgetown Law Journal 95 (2007), S.  1077 (1104, 1105); J. M. Shepherd, Duke Law Journal 58 (2009), S.  623 (638); M. J. Chertoff, McGeorge Law Review 42 (2010), S.  47 (63 f.); R. Fortson/K. S. Knudsen, Alaska Justice Forum 32 (2015), S.  6 (8); Bonneau/Hall, Elections (Fn.  611), S.  9 ff. 661  So bspw. in Minnesota, wo die Richter üblicherweise gewählt werden, allerdings bei „Interim“ freiwerdenden Stellen durch eine Ernennung des Gouverneurs ins Amt gelangen, vgl. Art.  V I §  10 der Verf. von Minnesota. 662  Hier terminologisch von einer „Wahl“ zu sprechen, ist zum Teil etwas missverständ­ lich, da es einige Staaten gibt, die vollkommen ohne eine klassische Richterwahl auskom­ men, mithin auch keine Kombination aus Missouri-Plan und Retention Election haben. Siehe im Detail F. A. Hanssen, American Economic Review 93 (2004), S.  712 (716).

426

Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

wobei auch danach in der Regel weitere Amtsperioden im Sinne des Auswahl­ systems folgen können663. Tabelle 2

Bundesstaat

1. Alabama

Wahl

Er­ nen­ nung

X

2. Alaska

X

3. Arizona665 4. Arkansas

X X

Auswahlsystem

Wieder­ wahl (Re­ tention Elec­ tion): Ja (X) / Nein (‒)

Dauer der Amtszeit Erstwahl664/ Wiederwahl

Partisan Election



Missouri-Plan

X

3

10

2

6

Missouri-Plan

X

Non-Partisan Election



6

8

5. Colorado

X

Missouri-Plan

X

6. Connecticut

X

Missouri-Plan**



8

7. Delaware

X

Missouri-Plan**



12

Missouri-Plan

X

Non-Partisan Election



6

Missouri-Plan**



10

Non-Partisan Election



6

8. Florida

666

9. Georgia

X X

10. Hawaii

X

11. Idaho

X

12. Illinois

X

2

6*

10

6

Partisan Election

X

X

Missouri-Plan

X

Missouri-Plan

X

1

8

15. Kalifornien

X

G-Appointment

X

4*

12

16. Kansas668

X

Missouri-Plan

X

1

6

13. Indiana667 14. Iowa

10 2

10

663  In Delaware bspw. können sich die Richter nach der Amtszeit von 12 Jahren bei der Ernennungskommission bewerben und für eine weitere Amtsperiode von 12 Jahren ernannt werden. Vgl. Art.  I V §  3 der Verf. von Delaware. 664  Diese wird nur angegeben, falls sie in der Amtsdauer von der „Wiederwahl“ abweicht. 665  Die Richter an den Superior Courts in Arizona werden in einigen Counties nach dem Missouri-Plan gewählt, während in kleineren Counties eine parteiliche Vorauswahl üblich ist, die dann gefolgt wird von einer Non-Partisan Election. 666  Auf dem Trial Court-Level (Circuit und County Courts) werden Richter durch eine Non-Partisan Election erwählt. 667  Die Richter für die Circuit und Superior Courts sowie der sonstigen unteren Gerichte werden i. d. R. durch Partisan Elections ausgewählt. 668  Die Richter für den Kansas Court of Appeals werden vom Gouverneur ausgewählt

427

B. Die Verwaltung der Gerichte in den USA

Bundesstaat

Wahl

17. Kentucky

X

18. Louisiana

X

Er­ nen­ nung

Auswahlsystem

Wieder­ wahl (Re­ tention Elec­ tion): Ja (X) / Nein (‒)

Non-Partisan Election



Dauer der Amtszeit Erstwahl664/ Wiederwahl

8

Partisan Election



6

19. Maine

X

Missouri-Plan**





20. Maryland

X

Missouri-Plan**

X

21. Massachusetts

10

Missouri-Plan**



***

22. Michigan

X

Non-Partisan Election



8

23. Minnesota

X

Non-Partisan Election



6

24. Mississippi

X

Non-Partisan Election



8

25. Missouri

X

1*

669

26. Montana

X X

27. Nebraska

X

28. Nevada

X

Missouri-Plan

X

Non-Partisan Election

(X)****

Missouri-Plan

X

Non-Partisan Election



1–3*

12 8

3*

6 6

29. New Hampshire

X

Missouri-Plan**



30. New Jersey

X

G-Appointment



Partisan Election670

X

8

Missouri-Plan**



14

Partisan Election672



8

31. New Mexico 32. New York

X

671

X

33. North Carolina

X

34. North Dakota

X

35. Ohio 36. Oklahoma

673

X

∞*** 7

∞***

Non-Partisan Election



10

Non-Partisan Election



6

Missouri-Plan

X

1

6

(Gubernatorial Appointment) und müssen durch den Senat bestätigt werden. Die Richter für die District Courts werden zum Teil durch Partisan Elections ausgewählt. 669  Zu Teil werden die Richter für die Circuit Courts durch eine Partisan Election ausge­ wählt. 670  In New Mexico werden die Richter war zunächst vom Gouverneur aufgrund eines Kommissionsvorschlages ausgewählt; ins Amt gelangen sie allerdings nur durch eine Volks­ wahl. Es handelt sich um eine Mischform aus Missouri-Plan und Partisan Election. 671  Das höchste Gericht in New York ist der Court of Appeals; der Supreme Court ist nicht das oberste Gericht, sondern eines auf dem Eingangslevel. Dort werden Richter üblicherwei­ se durch Partisan Elections ausgewählt. 672  Seit 2016. 673  Die Richter der Oklahoma District Courts werden per Non-Partisan Election gewählt.

428

Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

Bundesstaat

Wahl

37. Oregon

X

38. Pennsylvania

X

Er­ nen­ nung

39. Rhode Island 40. South Carolina 41. South Dakota

674

42. Tennessee675 43. Texas

X

6

X

10

Missouri-Plan**





X

L-Appointment



6

X

Missouri-Plan

X

X

Missouri-Plan

X

X

46. Virginia



Partisan Election

X

45. Vermont

Non-Partisan Election

Dauer der Amtszeit Erstwahl664/ Wiederwahl

X

X

44. Utah

Auswahlsystem

Wieder­ wahl (Re­ tention Elec­ tion): Ja (X) / Nein (‒)

Partisan Election



Missouri-Plan**

X

Missouri-Plan**

3

8 8 6

3

10



L-Appointment

6



47. Washington

X

48. West Virginia

X

Non-Partisan Election Non-Partisan Election

49. Wisconsin

X

Non-Partisan Election



676

12



6



12

50. Wyoming

X

Missouri-Plan

X

51. D  istrict of Columbia677

X

Missouri-Plan



10 1

8 15

* Die Retention Election findet bei der nächsten allgemeinen Wahl nach der ersten Aus­ wahl statt. ** Diese Staaten wenden eine leicht abgewandelte Form des Missouri-Plans an, bei dem der Gouverneur den von ihm ausgewählten Kandidaten durch die Legislative (in der Regel durch den Senat678) bestätigen lassen muss. In Maine fehlt eine vorherige Vor­ 674  Die Wahlen für die Circuit Courts in South Carolina werden als unparteiliche Volks­ wahl abgehalten, die Richter für die Magistrate Courts werden durch den Vorsitzenden Rich­ ter des jeweiligen Circuit Courts ausgewählt. 675  Die Richter der unteren Staatengerichte werden durch eine Partisan Election ausge­ wählt. 676  Seit 2016. 677 Der District of Columbia stellt einen Sonderfall in dieser Tabelle 2 dar, da es sich nicht um einen Bundesstaat im formellen Sinne handelt und die Richterbestellung durch die Bundes­ verwaltung sowie den Senat erfolgt. Siehe hierzu D.C. Code §§  1-204.31 (b), 1-204.33 (a) (2016). 678  In Connecticut wird die Legislative als Connecticut General Assembly bezeichnet. In Massachusetts ist das bestätigende Organ nicht der Senat, sondern das Govenor’s Council; ähnlich in New Hampshire, wo eine Bestätigung durch das Executive Council erforderlich

B. Die Verwaltung der Gerichte in den USA

429

schlagsliste durch eine Kommission, der Gouverneur muss seine Auswahl lediglich durch den Senat bestätigen lassen. *** Faktisch handelt es sich um eine unbegrenzte Amtsdauer, die durch das Erreichen eines Lebensalters (Massachusetts, New Hampshire: 70) begrenzt wird. **** Eine Retention Election wird nur dann durchgeführt, wenn der Richter unangenehm aufgefallen ist.

b) Andere Personalauswahlangelegenheiten Die Richterbestellung ist das weitaus am kontroversesten diskutierte Thema in der U.S.-amerikanischen Rechtsdebatte zur Gerichtsverwaltung. Im Hinblick auf die Personalverwaltung lohnt es sich dennoch, einen kurzen Blick auf die Beurteilung (aa.), Beförderung (bb.), die Dienstaufsicht (cc.) sowie das Diszi­ plinarwesen (dd.) an den Bundesgerichten sowie den Gerichten in den Einzel­ staaten zu werfen, obschon die begrifflichen Ähnlichkeiten nicht zu der Annah­ me verleiten dürfen, dass die Parameter vollumfänglich vergleichbar sind mit den Termini der deutschen Gerichtsverwaltung. aa) Beurteilungen Das Richteramt ist in den USA nicht als Karriere- oder Laufbahnmodell zu verstehen, da Beförderungen unüblich sind679. Dementsprechend haben dienst­ liche Beurteilungen einen geringeren Stellenwert und verfolgen insgesamt ei­ nen anderen Zweck als in Deutschland680. Routinemäßige Beurteilungen in ei­ nem regelmäßigen Turnus sind aufgrund der Auswahl der Richter, die regel­ mäßig eine (zumindest bestätigende) Volkswahl und begrenzte Amtsperioden vorsieht, aus U.S.-amerikanischer Sicht nicht notwendig681. Ein Laufbahnmo­ dell gibt es ohnehin nicht682. Mit dem Abrücken vieler Staaten von der herge­ ist. In Rhode Island tritt zu der Bestätigung des Senats auch einer Confirmation durch das Repräsentantenhaus des Bundesstaates hinzu (zusammen genannt General Assembly, Art.  V I §  3 der Verf. von Rhode Island). 679  Siehe eingehend Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  540 f. 680  Siehe zu den Zielen hier nur Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  111; ders., DRiZ 1993, S.  301 (308); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  208 f. stellt eine funktio­ nale Vergleichbarkeit zwischen der richterlichen Beurteilung in den USA und in Deutschland heraus. 681  Zumindest herrscht teilweise die Überzeugung vor, dass Richterwahlen eine ähnliche Funktion wie richterliche Beurteilungen erfüllen, vgl. F. Feeney, The Justice System Journal 12 (1987), S.  148 (152); siehe dazu auch Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  80; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  208 f. – Insofern ist die Aussage von Karpen, Ge­ richtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  994, Evaluationen gerichtlicher Leistung lägen bei einer Richterwahl auf Zeit nahe, ungünstig formuliert. 682  Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  80; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  540.

430

Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

brachten Richterwahl durch das Volk und mit der Etablierung des Missouri-­ Plans wird überwiegend jedoch die Notwendigkeit individueller Richter- und kollektiver Gerichtsbeurteilungen anerkannt683. Fast die Hälfte aller Bundes­ staaten verfügt inzwischen über ein zentrales Evaluationsprogramm684, welches dem primären Zweck der Sicherstellung der Judicial Accountability dient685. Entstanden sind die heutigen Judicial Performance Evaluation-Programme in den 70er Jahren als Folge zahlreicher privater Court Watching Groups686. Ein ähnliches Vorgehen ist für die grundsätzlich auf Lebenszeit ernannten Bundes­ richter nicht ersichtlich. Bei der Judicial Performance Evaluation (JPE) handelt es sich nicht um ein klassisches Management-Instrument, das überdies nicht in das Haupttätigkeits­ feld der Gerichtsverwaltung fällt687. JPE-Programme sind Mechanismen, durch 683  Dies zeigt bereits die flächendeckende Verbreitung der Judicial Performance Evaluation in den Bundesstaaten. Siehe instruktiv die tabellarische Aufstellung bei Rottman/Strickland, Organization (Teil  2, Fn.  618), S.  53 ff.; siehe weiterhin Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  80. – Siehe zu den Unterschieden einer kollektiven Court Performance Evaluation sowie der individuellen Judicial Performance Evaluation K. F. Röhl, DRiZ 1993, S.  301 (303 ff., 307 ff.). – Mit Blick auf die Balance zwischen richterlicher Unabhängigkeit und de­ mokratischer Legitimation der Richter ist das Modell von Justice O’Connor vielverspre­ chend, nach dem folgende Elemente konstitutiv sein sollen: eine Judicial Nominating Commission, die Auswahl des Richters durch den Gouverneur, Judicial Performance Evaluations sowie eine Retention Election, siehe hierzu am Beispiel von Arizona S. D. O’Connor/R. Anderson Jones, Arizona Law Review 50 (2008), S.  15 (24). 684  Hierzu gehören Alaska, Arizona, Colorado, Connecticut, Florida, Hawaii, Idaho,­Illi­ nois, Maryland, Massachusetts, Michigan, Minnesota, New Hampshire, New Jersey, New Mexico, Rhode Island, Tennessee, Utah, Vermont sowie der District of Columbia, vgl. ­Rottman/Strickland, Organization (Teil  2, Fn.  618), S.  53 ff.; J. K. Elek/D. B. Rottman/B. L. Cutler, Judicature 96 (2012), S.  65 (65). Ältere Untersuchungen führen zum Teil noch Dela­ ware auf, das sein JPE-Programm offenbar eingestellt hat, vgl. Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  109; siehe zu den ursprünglichen Staaten, die eine JPE eingeführt haben, R. C. Kearny, Public Administration Quarterly 23 (1999), S.  468 ff. 685  K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (224) stellt hier sehr treffend heraus, dass es sich bei den Evaluierungsmechanismen nicht in erster Linie um ein Management- und mithin ein Kontrollinstrument handelt, sondern die demokratische Bindung der Richter im Vordergrund steht. 686  Siehe zu den historischen Hintergründen und insbesondere zu den genannten Court Watching-Organisationen zeitgenössisch M. Stecich, Judicature 58 (1975), S.  468 ff.; K. Carl­ son/L. Morris/R. Spangenberg/D. Whitcomb, Citizen Court Watching. The Consumer’s Per­ spective, 1977; siehe im Überblick weiterhin Mahoney/Solomon, Court Administration (Teil  1, Fn.  248), S.  48 f.; P. Nejelski/F. K. Zemans, The Justice System Journal 12 (1987), S.  170 (170); Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  109; ders., DRiZ 1993, S.  301 (308); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  629. 687 Vgl. P. Nejelski/F. K. Zemans, The Justice System Journal 12 (1987), S.  170 ff.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  108; ders., DRiZ 1993, S.  301 (301).

B. Die Verwaltung der Gerichte in den USA

431

welche die Justiz versucht, ein Gleichgewicht zwischen richterlicher Unabhän­ gigkeit und Accountability herzustellen688. Diese Programme werden einerseits verwendet, um eine Überprüfung einzelner Richter vor einer Retention Election zu ermöglichen und die Bevölkerung vor der Wahl über die Eignung des Rich­ ters zu informieren689. Andererseits steht die Selbstverbesserung (Self-Improvement) der einzelnen Richter im Vordergrund der Evaluationen690. Die Evalua­ tionsergebnisse werden indessen in keinem Fall als Grundlage für eine Diszip­ linarmaßnahme herangezogen691. In den Bundesstaaten Alaska, Arizona, Colorado, Missouri, New Mexico und Utah dienen die Evaluationen der Infor­ mation der Bevölkerung vor anstehenden Bestätigungswahlen. In Connecticut, New Jersey, Vermont, Virginia und dem District of Columbia stehen diese In­ formation dem Gremium zur Verfügung, das für die Wiederwahl zuständig ist. In Hawaii und New Hampshire werden die Ergebnisse der Befragungen (anony­ misiert) der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, um das Vertrauen in die Ge­ richte zu erhöhen. In Florida, Idaho, Illinois, Massachusetts und Rhode Island sind die Leistungsbewertungen hingegen nur den einzelnen Richtern zur Selbst­ verbesserung zugänglich692. Die Einführung der JPE erfolgt regelmäßig durch Gesetz oder in den Court Rules, zum Teil aber auch direkt in der Verfassung693. Die meisten JPE-Pro­ gramme nutzen Performance-Erhebungen, die auf dem populären ABA-Modell basieren, das am häufigsten von Anwälten und Gerichtsbeamten abgeschlossen 688  Siehe zu der Zielsetzung von JPE-Programmen laut dem NCSC die Ausführungen un­ ter http://www.ncsc.org/Topics/Judicial-Officers/Judicial-Performance-Evaluation/Resource-­ Guide.aspx (19.7.2017). – Zu dem Erfordernis einer juristischen Rechenschaftspflicht im Zu­ sammenhang mit der JPE siehe instruktiv G. Gallas/E. C. Gallas, The Justice System Journal 15 (1991), S.  605 (614); D. C. Brody, Denver University Law Review 86 (2008), S.  1 ff.; Gill, Performance Evaluations (Teil  2, Fn.  413), S.  175 ff. 689  Der Öffentlichkeit wird insofern jedoch nur mitgeteilt, ob der entsprechende Richter den Leistungskriterien genügt. I.d.R. folgen die Wähler dem Ergebnis der Evaluation bei ih­ rer Bestätigungsentscheidung, vgl. Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  111, 113; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  208 f.; D. C. Brody, Denver University Law Review 86 (2008), S.  1 (16 f., 18 f.); J. Park, Akron Journal of Constitutional Law and Policy 2 (2011), S.  163 (175 f.); Gill, Performance Evaluations (Teil  2, Fn.  413), S.  175. 690  Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  111; D. C. Brody, Denver University Law Review 86 (2008), S.  1 (42). 691 Disziplinarverfahren laufen streng getrennt vom Beurteilungswesen ab, vgl. K. F. Röhl, DRiZ 1993, S.  301 (309); deutlich insofern auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  629, der allerdings zutreffend die inhaltliche Nähe von Evaluationen und Disziplinarwesen herausstellt. 692  Siehe mit Details zu den einzelnen Bundesstaaten Rottman/Strickland, Organization (Teil  2, Fn.  618), S.  53 ff. 693  K. F. Röhl, DRiZ 1993, S.  301 (308); siehe im Detail zu den rechtlichen Grundlagen Rottman/Strickland, Organization (Teil  2, Fn.  618), S.  53 ff.

432

Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

wird694. Nicht nur die ABA-Standards haben insofern zu einer zunehmenden Vereinheitlichung der JPE-Programme geführt, sondern auch Trial Court Performance Standards von 1990695. Die JPE vollzieht sich, indem Richter selbst sowie Anwälte und andere Gerichtsmitarbeiter anonym zu gerichtlichen Quali­ tätsgesichtspunkten befragt werden bzw. Fragebögen zu richterlichem Verhal­ ten ausfüllen696. Die Erstellung und Auswertung der Befragungen übernimmt jeweils der Judicial Council697. In New Jersey existiert ein aus mindestens sechs Richtern, zwei Anwälten und zwei Mitgliedern aus der Bevölkerung bestehen­ des Judicial Performance Committee, dessen Amtszeit drei Jahre beträgt698 und welches in einem Prüfungszeitraum von neun Monaten anonyme Umfragen an alle Anwälte, die vor dem entsprechenden Richter verhandelt haben, und über­ dies an solche Richter sendet, welche eine Berufung gegen Entscheidungen des zu beurteilenden Richters bearbeitet haben699. Um die Einhaltung eines bestimmten Qualitätsniveaus in der Justiz zu mes­ sen und zu überprüfen, bedarf es neben der klaren Definition des zu erreichen­ den Ziels der Rechtsprechung700 insbesondere geeigneter Beurteilungskriterien und -kategorien; diese sind in allen Bundesstaaten ähnlich701. Es wird in erster 694 Die

Guidelines for the Evaluation of Judicial Performance sind seit 1990 als Punkt 1.27 Bestandteil der ABA Standards Relating to Court Organization, vgl. Röhl, Gerichtsver­ waltung (Einl., Fn.  18), S.  109 ff.; zu den Hintergründen auch D. C. Brody, Denver University Law Review 86 (2008), S.  1 (5). 695  Siehe hierzu im ersten Zugriff K. F. Röhl, DRiZ 1993, S.  301 (306 f.); Wittreck, Verwal­ tung (Einl., Fn.  9), S.  630. 696 Vgl. Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  112; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  209; am Beispiel New Hampshires Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  630. – Siehe mit einem Musterbefragungsbogen Institute for the Advancement of the American Le­ gal System (Hrsg.), Transparent Courthouse. A Blueprint for Judicial Performance Evaluati­ on, 2006, S.  43 ff. (abrufbar unter http://iaals.du.edu/sites/default/files/documents/publica­ tions/tcq_blueprint_ jpe2006.pdf, 19.3.2020). – Evaluiert wird im Übrigen nicht nur das Verhalten der einzelnen Richter, sondern auch die Leistung der gerichtlichen Mitarbeiter, insbesondere der Court Manager, vgl. K. F. Röhl, DRiZ 1993, S.  301 (307). 697  Siehe zu diesem Verfahren P. D. Carrington, Law and Contemporary Problems 61 (1998), S.  79 (121); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  629 f. 698  Die Einrichtung und Autorisierung ergibt sich aus Rule 1:35A-1 der New Jersey Rules of Court. Zusätzliche Mitglieder können im Übrigen durch den Supreme Court von New Jersey bestimmt werden. 699 Vgl. Rottman/Strickland, Organization (Teil  2 , Fn.  618), S.  54. 700  Zunächst bedarf es für die Bemessung der Justizqualität eines geeigneten Bewer­ tungsmaßstabs, den F. Feeney, The Justice System Journal 12 (1987), S.  148 (149) bereits treffend herausstellt: „These [goals] are to decide cases: (1) expeditiously, (2) at a reasonable cost to litigants and the public, (3) fairly, and (4) in a manner that provides adequate public protection“; aufgegriffen wird dies von K. F. Röhl, DRiZ 1993, S.  301 (303 f.). 701  Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  111 f.

B. Die Verwaltung der Gerichte in den USA

433

Linie die Kompetenz der Richter sowie ihre Sorgfalt abgefragt; darüber hinaus haben die Befragten in der Regel eine Einschätzung zur Unparteilichkeit, Inte­ grität sowie der Effizienz der Richter abzugeben702. In der jüngeren Vergangen­ heit wurde häufig die Befürchtung geäußert, der angelegte Bewertungsmaßstab mit den eben genannten Kriterien würde systematisch Frauen und Minderheiten diskriminieren703, weshalb es Verbesserungsvorschläge für die Evaluations­ kriterien der JPE gibt704. Die insgesamt große und verbreitete Zustimmung in­ nerhalb der Richterschaft705 ist ein weiteres Indiz dafür, dass die richterliche Unabhängigkeit in den Vereinigten Staaten zumeist hinter dem Erfordernis der Judicial Accountability zurücksteht und das Bedürfnis nach einer Kontrollier­ barkeit der Justiz groß ist. Die Sicherstellung einer richterlichen Rechenschafts­ pflicht ist wiederum darauf zurückzuführen, dass die Justiz über eine weitge­ hende Autonomie verfügt und die Qualitätskontrolle in der Selbstverwaltung die Notwendigkeit der Kontrollierbarkeit verkörpert706. bb) Beförderung Ein Laufbahnmodell wie an den deutschen Gerichten existiert in den USA nicht, sodass es auch praktisch keine Beförderungsmechanismen gibt707. In der Regel verbleiben Richter in ihrem ursprünglich erlangten Amt. Die Bestellung an ein anderes bzw. höheres Gericht erfolgt demgemäß durch eine erneute Be­ werbung708. Inzwischen ist es indessen nicht mehr völlig unüblich, dass Richter 702  Siehe eingehend zu diesen und weiteren Kriterien Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  111 f.; D. C. Brody, Denver University Law Review 86 (2008), S.  1 (15). 703  Siehe zusammenfassend die Untersuchung von N. Knowlton/M. Reddick, Leveling the Playing Field. Gender, Ethnicity, and Judicial Performance Evaluation (Institute for the Ad­ vancement of the American Legal System), S.  10 ff. (abrufbar unter http://iaals.du.edu/sites/ default/files/documents/publications/iaals_level_the_playing_field.pdf, 19.3.2020). Die tabel­ larischen Übersichten deuten eine zum Teil relativ ausgeprägte Bevorzugung männlicher Richter mit christlicher Konfession an. Ähnliche Kritik findet sich auch bei J. K. Elek/D. B. Rottman/B. L. Cutler Judicature 96 (2012), S.  65 (67). 704  Siehe eingehend J. K. Elek/D. B. Rottman/B. L. Cutler, Judicature 96 (2012), S.  65 ff. 705  Siehe zu dieser Einschätzung K. F. Röhl, DRiZ 1993, S.  301 (308); Wittreck, Verwal­ tung (Einl., Fn.  9), S.  630; eingehend D. C. Brody, Denver University Law Review 86 (2008), S.  1 (26 ff.), der zumindest andeutet, dass viele Richter keinen negativen Effekt im Hinblick auf ihre richterliche Unabhängigkeit verspüren (S.  29). 706  Ähnlich zur Bedeutung der justizinternen Qualitätskontrolle K. F. Röhl, JZ 2002, S.  838 (847). – Siehe zur Verknüpfung der Ergebnisse von JPE und von folgenden Retention Elections Gill, Performance Evaluations (Teil  2, Fn.  413), S.  182 ff. 707  Siehe hier nur Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  108 f.; Wheeler, Indepen­ dence (Einl., Fn.  75), S.  540. 708  Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  109; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  540.

434

Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

insbesondere auf Bundes-, aber auch auf einzelstaatlicher Ebene, die für ein höheres Richteramt bestellt werden, zuvor bereits ein anderes Richteramt inne­ hatten709. Einen Sonderfall stellt es auf Bundesebene dar, wenn ein Richter ei­ nes unteren Bundesgerichts durch den Präsidenten an ein höheres Bundes­gericht berufen wird710. Von einer Beförderungssituation im eigentlichen Wortsinn kann insofern indessen nicht gesprochen werden711. Bis auf Richterin Elena Kagan sind heutzutage alle Richter am U.S. Supreme Court bereits vor ihrer Ernennung an einem unteren Bundesgericht tätig gewesen. Da die Anzahl der Richter am höchsten Gericht in den Vereinigten Staaten jedoch gering ist, bleibt auch die „Beförderungsrate“ im Gesamtsystem der Justiz sehr niedrig712. cc) Aufsichts- und Disziplinarmaßnahmen Zur Gerichtsverwaltung gehören auch die Dienstaufsicht über Richter und das Disziplinarwesen, die zumeist unter den Termini Judicial Discipline und Removal of Judges firmieren713. Aufsichts- und Disziplinarmaßnahmen wirken an den Gerichten in den USA in der Regel zusammen, um die Verantwortlichkeit der Richter für die Rechtsprechung und ihre Rückkopplung an das Volk im Sinne der Judicial Accountability zu ermöglichen714. Die Rechenschaftspflicht ist zu­ nächst ein Kernwert der Bundesjustiz, wie im strategischen Plan für die Bundes­

709  Insbesondere gilt dies für die Richter am U. S. Supreme Court, aber auch für die der Courts of Appeals. Siehe bereits Kayser, Auswahl (Einl., Fn.  18), S.  249 ff.; im Detail Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  149; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  540; Epstein/­ Landes/Posner, Behavior (Teil  2, Fn.  916), S.  337. – Richter an einem unteren Bundesgericht schaffen den Sprung indessen zumeist nicht (direkt) an den Obersten Gerichtshof, vgl. hierzu bereits Peltason, Courts (Teil  3, Fn.  175), S.  32. 710  Siehe hierzu K. Swenson, The Justice System Journal 27 (2006), S.  208 ff. 711  Eine solche Vorgehensweise darf schließlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein entsprechender Richter nichtsdestotrotz den Auswahlvorgang abermalig vollständig zu durchlaufen hat. 712  Siehe instruktiv Epstein/Landes/Posner, Behavior (Teil  2 , Fn.  916), S.  337 ff. 713  Siehe für einen kurzen Überblick Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  80 f.; Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  141 ff. (für Bundesrichter), 147 ff. (für Staatenrichter); E. C. Barbour, Judicial Discipline Process. An Overview (Congressional Research Service), 2011, S.  2 ff. (abrufbar unter https://fas.org/sgp/crs/misc/R41758.pdf, zuletzt abgerufen am 19.3.2020); Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  547 ff.; Burnham, Introduction (Teil  2, Fn.  132), S.  195 ff. 714 Siehe zunächst allgemein zu diesem Zusammenhang S. Anderson, The American Journal of Comparative Law 28 (1980), S.  393 ff.; Berkson, Judicial Selection (Fn.  571), S.  71; Shetreet, Independence (Teil  1, Fn.  257), S.  654 f.; Friedman, History (Teil  2, Fn.  848), S.  99 ff.; Tushnet, Accountability (Teil  2, Fn.  411), S.  66 f.; Müller, Rahmen (Teil  2, Fn.  133), S.  189; Kosař, Perils (Teil  2, Fn.  406), S.  25 ff.

B. Die Verwaltung der Gerichte in den USA

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gerichtsbarkeit715 dargelegt ist. Die Zuständigkeit für disziplinarische Maßnah­ men liegt bei der Judicial Conference of the United States, den regionalen Circuit Judicial Councils716, den einzelnen Gerichten selbst und zum Teil auch beim Direktor des Administrative Office717. Wesentlicher Bestandteil des Disziplinar­ wesens der Bundesgerichte sind die Rules for Judicial Conduct. Dies sind Ver­ haltensregeln für Richter718. Bundesrichter sind primär durch gesetzliche Ver­ fahrensregeln719 und die Codes of Conduct720 gebunden. Sie regeln die ordnungs­ gemäße Erfüllung der amtlichen Pflichten und begrenzen bestimmte externe Tätigkeiten, um Interessenkonflikte zu vermeiden721. Ein Disziplinarverfahren gegen einen U.S.-Bundesrichter wird mit der Einreichung einer Beschwerde 715 

Judicial Conference of the United States, Strategic Plan for the Federal Judiciary, 2015 (abrufbar unter http://www.uscourts.gov/sites/default/files/federaljudiciary_2015strategic­ plan.pdf, 19.3.2020). 716 Die ursprüngliche Bestrebung, eine eigene Disziplinarkommission zu etablieren, scheiterte am richterlichen Widerstand, sodass mit entsprechenden Aufgaben die Circuit ­Judicial Councils betraut worden sind. Jeder Judicial Council hat die weite Befugnis, „[to] make all necessary and appropriate orders for the effective and expeditious administration of justice within its circuit“, vgl. 28 U.S.C. §  332 (d) (1). Siehe zu der Diskussion um die Einfüh­ rung einer entsprechenden Kommission auf Bundesebene Fish, Administration (Teil  2, Fn.  62), S.  398 f., 402 f.; S. Anderson, The American Journal of Comparative Law 28 (1980), S.  392 (412 ff.); aufgegriffen von Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  629; siehe weiterhin Shaman/Lubet/Alfini, Conduct and Ethics (Teil  2, Fn.  855), S.  9 ff. (§  1.04); Wheeler, Indepen­ dence (Einl., Fn.  75), S.  549. 717  Die Kompetenzzuweisung ergibt sich aus 28 U.S.C. §§  351 ff. 718  Vgl. Shaman/Lubet/Alfini, Conduct and Ethics (Teil  2 , Fn.  855), S.  3 ff. (§  1.02); Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  563; Schneider, Ethik (Einl., Fn.  5), S.  146 ff. 719  Siehe 28 U.S.C. §§  351 ff. Siehe zu diesen Vorschriften weiterhin Barbour, Discipline (Fn.  713), S.  2 ff. 720  Judicial Conference of the United States, Guide to Judiciary Policy, Bd.  2: Ethics and Judicial Conduct, Ch. 2: Code of Conduct for United States Judges (März 2014), abrufbar unter http://www.uscourts.gov/sites/default/files/vol02a-ch02_0.pdf (19.3.2020); Ebda., Ch. 3: Rules for Judicial Conduct and Judicial Disability Proceedings (September 2015), abrufbar unter http://www.uscourts.gov/sites/default/files/guide-vol02e-ch03.pdf (19.3.2020). Siehe hierzu Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  81; Schneider, Ethik (Einl., Fn.  5), S.  147 ff. 721 Siehe hierzu Volcansek, Misconduct (Teil  2 , Fn.  185), S.  101 ff. – Ein Jahresbericht über die Justizgeschäfte der Gerichte der Vereinigten Staaten (Annual Report on the Judicial Business of the United States Courts) enthält alle wesentlichen Informationen zu den kürz­ lich eingereichten gerichtlichen Beschwerden. Jeder Richter ist überdies verpflichtet, eine Liste über persönliche und finanzielle Interessen zu erstellen, um automatisch ermitteln zu können, ob er sich in einem bestimmten Fall in einem Interessenkonflikt gem. 28 U.S.C. §  455 oder im Sinne der Codes of Conduct befindet. Vgl. den Annual Report on the Judicial Business of the United States Courts, 2019 (abrufbar unter https://www.uscourts.gov/statis tics-reports/judicial-business-2019, 19.4.2020). – Siehe zu der Formulierung von Ethik-Co­ dices in den USA E. Kreth, KritV 91 (2008), S.  475 (477).

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Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

durch eine Person722 initiiert, die behauptet, dass ein Richter sich mit Blick auf die effektive und zügige Verwaltung der Gerichtsangelegenheiten abträglich ver­ halten habe oder dass er aufgrund einer mentalen oder physischen Beeinträchti­ gung nicht in der Lage sei, alle Geschäfte seines Amtes ordnungsgemäß zu er­ füllen723. Beispielsweise kann eine solche Beschwerde eingereicht werden, falls ein Richter im Verlauf eines Verfahrens Familienmitglieder oder Freunde un­ rechtmäßig besser behandelt hat724. Es handelt sich bei den disziplinarischen Be­ schwerden nicht um ein Rechtsmittel, sodass der Inhalt einer richterlichen Ent­ scheidung ebenso wenig berücksichtig wird wie prozessuale Fragen725. Zuständig für die Bearbeitung der Beschwerde ist der Chief Justice, der dar­ über entscheidet, ob die Beschwerde abzuweisen oder anzunehmen ist726. Für den Fall der Annahme der Beschwerde hat der Chief Justice ein Komitee zu bilden, welches die Vorwürfe untersucht727. Das eingesetzte Komitee hat nach eigenem Ermessen solche Untersuchungen einzuleiten, die es für notwendig er­ achtet, und hat sodann einen umfassenden schriftlichen Bericht über seine ­Untersuchung bei dem zuständigen Circuit Judicial Council einzureichen728, 722 

Zumeist werden Beschwerden durch betroffene (und unzufriedene) Prozessparteien eingereicht, aber auch durch andere Richter und bisweilen sogar Zuschauer, vgl. Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  199. 723  28 U.S.C. §  351 (a): „Any person alleging that a judge has engaged in conduct prejudi­ cial to the effective and expeditious administration of the business of the courts, or alleging that such judge is unable to discharge all the duties of office by reason of mental or physical disability, may file with the clerk of the court of appeals for the circuit a written complaint containing a brief statement of the facts constituting such conduct“; siehe mit begrifflichen Erklärungen und Definitionen C. G. Geyh, University of Pennsylvania Law Review 142 (1993), S.  243 (248 ff.). – Siehe zu der Einreichung einer Beschwerde Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  141 f.; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  549 f. 724  Beispielhaft aufgeführt sind Fälle richterlichen Missverhaltens in Judicial Conference of the United States, Guide to Judiciary Policy, Bd.  2: Ethics and Judicial Conduct, Ch. 3: Rules for Judicial Conduct and Judicial Disability Proceedings (September 2015), Commen­ tary on Rule 2, S.  5 f. (abrufbar unter http://www.uscourts.gov/sites/default/files/guide-vo l02e-ch03.pdf, 19.3.2020): „Misconduct includes, but is not limited to“. 725  Vgl. 28 U.S.C. §  352 (b)(1)(A)(ii): „the chief judge, by written order stating his or her reasons, may dismiss the complaint if the chief judge finds the complaint to be directly related to the merits of a decision or procedural ruling“; siehe hierzu Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  201; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  450. 726  Die erste Überprüfung durch den Chief Justice ergibt sich aus 28 U.S.C. §  352 (a); siehe hierzu auch eingehend Barbour, Discipline (Fn.  713), S.  3. 727  28 US.C. §  353 (a)(1): „the chief judge shall promptly appoint himself or herself and equal numbers of circuit and district judges of the circuit to a special committee to investiga­ te the facts and allegations contained in the complaint“. 728  Dies ergibt sich aus 28 US.C. §  353 (c). Dem Circuit Judicial Council obliegt es ferner, zu entscheiden, ob weitere Untersuchungen notwendig sind; es kann die Beschwerde über­ dies abweisen, vgl. 28 US.C. §  354 (a)(1)(A) und (B).

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welches das Disziplinarverfahren nach eigenem Ermessen an die Judicial Conference weiterleiten kann729. Weist das zuständige Judicial Council eine Be­ schwerde nicht ab, hat es alle für eine effektive und zügige Verwaltung der An­ gelegenheiten des betroffenen Gerichts erforderlichen Maßnahmen zu treffen730. Insbesondere kann dies beinhalten, dass dem zu disziplinierenden Richter keine weiteren Fälle mehr zugewiesen werden und er offiziell getadelt und suspendiert wird731. Die Disziplinarbefugnisse des Judicial Council beinhalten indessen keine Entfernung des betroffenen Bundesrichters aus dem Amt732. Hierfür steht ledig­ lich das Verfahren des Impeachment gem. Art.  II §  4 i. V. m. Art.  I §§  2 Abs.  5, 3 Abs.  6 f. der U.S.-Verf. zur Verfügung, das allerdings unter Praktikabilitätsge­ sichtspunkten nur eine begrenzte Wirkkraft hat733. Eine Anklage des Richters erfolgt aufgrund Beschlusses des Repräsentantenhauses nach Art.  I §  3 Abs.  5 der U.S.-Verf. mit einfacher Mehrheit; zur Verurteilung bedarf es darüber hin­ aus gem. Art.  I §  3 Abs.  6 und 7 der U.S.-Verf. einer gerichtsähnlichen Verhand­ lung vor einer zwölfköpfigen Kommission des Senats und einer Zwei­ drittelmehrheit in der anschließenden Abstimmung734. Diese Hürden lassen das Schwert des Impeachments als Kontrollinstrument insgesamt etwas stumpf er­ scheinen, und in der Tat belegt die restriktive Handhabung des Amtsenthe­ bungsverfahrens seine begrenzte Wirkmacht nur zu deutlich735. 729 

28 US.C. §  354 (b)(1); siehe hierzu Barbour, Discipline (Fn.  713), S.  4. Siehe 28 US.C. §  354 (a)(1)(C): „The judicial council of a circuit […] if the complaint is not dismissed, shall take such action as is appropriate to assure the effective and expeditious administration of the business of the courts within the circuit“. 731  Vgl. 28 US.C. §  354 (a)(2)(A)(i) und (ii), (iii). Der Tadel kann persönlich oder alternativ durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen. Siehe auch Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  199. 732  Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  199 f. – Der betroffene Richter kann gem. 28 U.S.C. §  354 (a)(2)(B)(ii) lediglich dazu aufgefordert werden, sich freiwillig und frühzeitig in den Ruhestand zu begeben. 733 So auch Berkson, Judicial Selection (Fn.  571), S.  72; Weston/Wells, Administration (Teil  1, Fn.  205), S.  83; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  203; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  629. – A. A. Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  211 ff.; Abraham, Pillars (Teil  1, Fn.  2), S.  28. 734  Siehe zur Bedeutung des Impeachment-Verfahrens bei Bundesrichtern mit lebenslan­ ger Amtsdauer P. B. Kurland, University of Chicago Law Review 36 (1969), S.  665 ff. sowie allgemein hier nur Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  141. – Mit (aus deutscher Sicht recht empfindlicher) Kritik an der Involvierung der Legislative A. Barak, The Judge in a Demo­ cracy, 2006, S.  79. 735 Gleichsinnig C. G. Geyh, University of Pennsylvania Law Review 142 (1993), S.  243 (314 f.); Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  44 ff., 49 f.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  203; Friedman, History (Teil  2, Fn.  848), S.  110; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  548. 730 

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Im Unterschied zu den Bundesrichtern, die grundsätzlich lebenslang „during good behaviour“ im Amt verbleiben, werden die Richter der meisten Bundes­ staaten bereits aus dem Amt entlassen, wenn sie in einer Retention Election oder einer Wiederwahl nicht obsiegen736. Das Impeachment-Verfahren hat daher eine eingeschränkte Bedeutung, obschon inzwischen nahezu jeder Einzelstaat in den USA auch ein dem Bundesverfahren der Amtsenthebung äquivalentes Verfah­ ren zur Entfernung eines Staatenrichters aus dem Amt eingeführt hat737. Es wird allerdings – insbesondere gemessen an der Vielzahl an Richtern – noch seltener durchgeführt als auf Bundesebene738. Der Grund hierfür liegt indessen nicht darin, dass die Gerichte auf Staatenebene nicht mit richterlichem Fehlverhalten konfrontiert werden739, sondern kann unter anderem darin gesehen werden, dass die meisten Bundesstaaten auch in ihren jeweiligen Codes of Conduct Möglichkeiten zur Amtsenthebung vorsehen740. Seit der Mitte der 1950er Jahre sind sukzessiv in den Bundesstaaten Kommissionen eingerichtet worden741, die mit Dienstaufsichts- und disziplinarischen Maßnahmen gegen Richter betraut sind742. Diese Kommissionen sind in den meisten Staaten nicht nur mit Richtern 736  Siehe zu den Einzelheiten der Richterwahl im Zusammenhang mit dem Disziplinar­ recht hier nur Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  147. 737 Vgl. Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  148. – Siehe bspw. Art.  V I §  6 Nr.  4 der Verf. Von New Jersey; Art.  V I §§  1, 32, 34 der Verf. von New Mexico; in Tennessee ist dem Amts­ enthebungsverfahren sogar ein gesamter Artikel in der Verfassung gewidmet: Art.  V der Verf. von Tennessee. 738  Siehe hierzu Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  148, der angibt, es seien seit den 90er Jahren lediglich zwei Richter im Rahmen eines Impeachment-Verfahrens angeklagt, ledig­ lich ein Richter sei schließlich verurteilt und nur fünf weitere Richter seien überhaupt in Amtsenthebungsuntersuchungen involviert gewesen. Die Angaben stützen sich auf eine Un­ tersuchung der American Judicature Society, die allerdings bereits 2014 aufgelöst worden ist. 739  Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  148 zählt zahlreiche Beispiele auf, die beweisen, dass das Gegenteil der Fall ist; ähnlich Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  550 f. 740 Vgl. Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  50 f.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  199; Marks/Cooper, State (Teil  2, Fn.  561), S.  182; Schneider, Ethik (Einl., Fn.  5), S.  150 f. 741  Erster Bundesstaat, der eine mit dem heutigen Disziplinarwesen vergleichbare Kom­ mission eingeführt hat, war Kalifornien. Zur Entstehungsgeschichte und der Entwicklung der einzelstaatlichen Disziplinarkommissionen siehe E. J. Schoenbaum, Chicago-Kent Law Re­ view 54 (1977), S.  1 (19 ff.); knapp auch Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  199 mit Fn.  205; mit Beispielen aus North Carolina und Kentucky siehe Marks/Cooper, State (Teil  2, Fn.  561), S.  182 ff. 742  Berkson, Judicial Selection (Fn.  571), S.  73 ff.; McKay/Parkison, States (Teil  2 , Fn.  885), S.  368 f.; Weston/Wells, Administration (Teil  1, Fn.  205), S.  83; Holland, Courts (Teil  3, Fn.  83), S.  19; Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  165 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  199 f.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  628; Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  122; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  548 f. – Siehe zu der unüber­

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besetzt, sondern auch mit Anwälten und Bürgern743. Dass Richter in den Diszi­ plinarkommissionen in der absoluten Mehrheit sind, ist äußerst selten und in lediglich acht Bundesstaaten der Fall744. Es ist jedoch recht verbreitet, dass die Anzahl richterlicher Mitglieder zumindest den Anteil einer anderen Mitglieder­ gruppe übersteigt745. In der absoluten Minderheit sind Richter sehr häufig746, zum Teil ist die Anzahl richterlicher Mitglieder identisch mit der der jeweils anderen Mitgliedergruppen747. Die Codes of Conduct enthalten ähnlich wie die entsprechenden Verhaltensregeln auf Bundesebene neben persönlichen und ethischen Verhaltensregeln für Richter in der Regel auch Vorschriften, die aus deutscher Perspektive dem Prozess- und Gerichtsverfassungsrecht zugeordnet werden würden748. Die durch die Kommissionen verhängten Maßnahmen äh­ neln denen der Circuit Judicial Councils und reichen von einer Ermahnung oder Suspendierung hin zur ultima ratio der Amtsenthebung749. dd) Haftung U.S.-amerikanische Richter genießen weitgehende Freiheit von zivilrechtlicher Verfolgung, sofern das richterliche Handeln im Zusammenhang mit dem Recht­ sprechungsakt steht750. Die Immunität des Richters dient der Wahrung seiner sichtlichen Vielzahl an unterschiedlichen Disziplinargremien und ihren Kompetenzen im Überblick die Tabelle bei Rottman/Strickland, Organization (Teil  2, Fn.  618), S.  56 ff. 743  Es herrscht eine etwas diffuse Uneinigkeit darüber, ob die Kommissionen zum Groß­ teil mit Richtern besetzt oder diese in der Unterzahl sind. Siehe Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  199, der von einer großen Anzahl richterlicher Kommissionsmitglieder aus­ geht; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  549 stellt fest, dass Richter häufig eine Min­ derheit sind; eingehend und mit Details zur Auswahl der Kommissionsmitglieder Shaman/ Lubet/Alfini, Conduct and Ethics (Teil  2, Fn.  855), S.  429 (§  13.02). 744  Dies ist bspw. in South Carolina der Fall, wo das Commissioners on Judicial Conduct-Gremium aus 14 Richtern, 3 Anwälten und 2 Laien besteht. Siehe hierzu und zu den folgenden Zahlen die Tabelle bei Rottman/Strickland, Organization (Teil  2, Fn.  618), S.  56 ff. 745  Dies ist in knapp 33  % der Einzelstaaten der Fall. Darüber hinaus übersteigt die An­ zahl der Richter in Montana, Nebraska, North Carolina, Rhode Island, Virginia und West Virginia jeweils für sich die Anzahl der Mitglieder an Anwälten und Laien, ohne jedoch eine absolute Mehrheit zu stellen. 746  Dies ist in 19 Staaten der Fall, wobei Hawaii insofern als Sonderfall gelten muss, da es keinerlei richterliche Kommissionsmitglieder vorsieht. 747  So bspw. in Alaska, Arkansas, Louisiana, Massachusetts, Missouri und Oregon, wo sowohl drei Richter als auch drei Anwälte und drei Laien vertreten sind. 748  Hierzu zählen bspw. Befangenheitsregularien sowie Vorschriften über die Zulassung von Foto- oder Filmaufnahmen im Gerichtssaal, siehe dazu Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  81. 749  Shaman/Lubet/Alfini, Conduct and Ethics (Teil  2 , Fn.  855), S.  431 ff. (§  13.03); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  199. 750 Siehe zur richterlichen Haftung Hurst, Growth (Teil  3, Fn.  85), S.  123 f.; Holland,

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richterlichen Unabhängigkeit751. Strafrechtlich relevante Handlungen werden indessen auch dann verfolgt, wenn diese in Verbindung mit dem Richteramt und judikativer Aufgabenwahrnehmungen stehen752. 4. Finanzverwaltung Die Autonomie der gerichtlichen Selbstverwaltung erstreckt sich insbesondere auf die Finanzverwaltung753. Für die Federal Courts wird ihre Haushaltsforde­ rung durch die Judicial Conference und das Administrative Office vorbereitet754. Über die Bewilligung des Haushalts entscheidet abschließend der Kongress755. An der Beteiligung der Legislative im Rahmen der Finanzierung der Bundesge­ richte reibt sich zum Teil die Literatur und sieht hierin eine Gefährdung der Unabhängigkeit der Gerichte756. Die Finanzierung der einzelstaatlichen Gerichte erfolgt abermals nach kei­ nem einheitlichen Muster757; hinsichtlich des Budgetierungsprozesses und der Höhe des Budgets ergeben sich mitunter gravierende Unterschiede758. Verallge­ Courts (Teil  3, Fn.  83), S.  19; ausführlich Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  204 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  630 f.; Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  141. 751 Vgl. Pierson v. Ray, 386 U.S.  547, 554 (1967); Shaman/Lubet/Alfini, Conduct and Ethics (Teil  2, Fn.  855), S.  489 ff. (§  14.01); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  204. 752 Vgl. Burnham, Introduction (Teil  2 , Fn.  132), S.  197. 753  K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (225); ders., Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  81; im Überblick zur Finanzverwaltung siehe J. K. Hudzik, Courts, Financing the, in: J. Rabin (Hrsg.), Encyclopedia of the Public Administration and Public Policy, Bd.  1, 2003, S.  281 ff.; Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  238 ff.; Müller, Rahmen (Teil  2, Fn.  133), S.  186. 754  Siehe instruktiv zur Finanzierung der Bundesgerichte K. Heller, EuGRZ 1985, S.  685 (696); knapp auch Oakley/Amar, Procedure (Fn.  445), S.  44. 755  Siehe im Detail J. P. Nase, The Justice System Journal 10 (1985), S.  56 ff.; G. Bermant/ ­R. R. Wheeler, Mercer Law Review 46 (1995), S.  835 ff.; T. D. Peterson, Wisconsin Law Review 1998 (1998), S.  993 ff. – Siehe im Überblick zur Kompetenz des Kongresses und seiner Aus­ schüsse (sowie insbesondere seiner Hilfsorgane wie das CBO und das GAO) im Rahmen der Finanzverwaltung W. Heun, Das Budgetrecht im Regierungssystem der USA, 1989, S.  16 ff. 756 So G. Bermant/R. R. Wheeler, Mercer Law Review 46 (1995), S.  835 ff.; siehe auch Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  557 f. 757  Einen Überblick über die Finanzierung der Gerichte der Einzelstaaten verschafft Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  41 ff., 81; siehe für Details Rottman/Strickland, Organi­ zation (Teil  2, Fn.  618), S.  80 ff.; knapp auch Oakley/Amar, Procedure (Fn.  445), S.  44. 758  Siehe zu den zum Teil irreführenden Ergebnissen, die im Vergleich der Finanzierung in den einzelnen Bundesstaaten entstehen, weil teilweise bereits unterschiedliche Positionen in den Haushaltsplan aufgenommen werden, F. K. Zemans, Court Funding. Prepared for the American Bar Association Standing Committee on Judicial Independence, 2003, S.  1 (abruf­ bar unter https://www.americanbar.org/content/dam/aba/administrative/judicial_independen ce/courtfunding.authcheckdam.pdf, 21.7.2017).

B. Die Verwaltung der Gerichte in den USA

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meinernd wird der Haushaltsplan der Gerichte in den meisten Bundesstaaten und dem District of Columbia durch drei verschiedene Stellen vorbereitet759: In den meisten Bundesstaaten wird das Budget durch das jeweilige Administrative Office berechnet und vorbereitet, in 10  % der Staaten erfolgt die Vorbereitung des Haushaltes durch das jeweils höchste Staatengericht und in wiederum rund 10  % der Staaten bringen alle Gerichte ihren eigenen Finanzbedarf vor760. Wäh­ rend sich die Bundesgerichte vollständig aus dem Haushalt des Bundes finanzie­ ren, ist eine Finanzierung aus dem Staatshaushalt auf einzelstaatlicher Ebene nur in einigen Staaten verbreitet761. Es ist in vielen Bundesstaaten nach wie vor üblich762 , dass die lokalen Verwaltungsträger zumindest Teile der Finanzen der Gerichte verwalten763. Die dezentrale Finanzverwaltung in vielen Bundesstaa­ ten wird empfindlich behütet und durch die Gerichte unter Berufung auf ihre Inherent Powers begründet764. Die erforderliche Rückkopplung an Exekutive und/oder Legislative im Hinblick auf den Haushaltsplan wird auch in den ein­ zelstaatlichen Rechtsordnungen als Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit begriffen765. In allen Bundesstaaten ist der Haushaltsplan entweder bei der Judi­ kative oder der Exekutive, seltener bei beiden Staatsgewalten einzureichen; in einigen Staaten steht der Exekutive sodann das Recht zu, den eingereichten 759  Siehe hierzu und zum Folgenden R. W. Tobin, Funding the State Courts. Issues and Approaches (National Center for State Courts), 1996, S.  15 f.; J. W. Douglas/R. E. Hartley, Public Budgeting & Finance 21 (2001, S.  35 (36 f.); Rottman/Strickland, Organization (Teil  2, Fn.  618), S.  80: „Who prepares budget?“. 760  Diese Zusammenfassung entspricht im Wesentlichen auch der Einteilung von C. Baar, Separate but Subservient. Court Budgeting in American States, 1975, S.  11; aufgegriffen von J. W. Douglas/R. E. Hartley, Public Budgeting & Finance 21 (2001), S.  35 (36). 761  Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  43; R. Y. Schauffler, Utrecht Law Review 3 (2007), S.  112 (114 f.). 762  Zur historischen Dimension der lokalen Finanzverwaltung an den einzelstaatlichen Gerichten siehe Mahoney/Solomon, Court Administration (Teil  1, Fn.  248), S.  45 f.; Röhl, Ge­ richtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  41 f. 763 Siehe Mahoney/Solomon, Court Administration (Teil  1, Fn.  248), S.  4 4 ff.; im Detail auch Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  43; P. M. Shane, Law and Contemporary Problems 61 (1998), S.  21 (45). 764 In Wachtler v. Cuomo (1991) wurde die Inherent Powers-Doktrin erstmalig durch ein oberstes Staatengericht gegen eine andere Gewalt angeführt, vgl. The Michigan Law Review Association, Michigan Law Review 81 (1983), S.  1687 ff.; K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (224); P. M. Shane, Law and Contemporary Problems 61 (1998), S.  21 (45); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  633; A. W. Yates, Duke Law Journal 62 (2013), S.  1463 (1465 f., 1474 ff.); Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  98. – Grundlegend zur Inhe­ rent Powers-Doktrin H. B. Glaser, Pace Law Review 14 (1994), S.  111 (113 ff.). 765 Siehe J. W. Douglas/R. E. Hartley, Administration and Society 33 (2001), S.  54 (56 ff.); vgl. auch die Einleitung bei P. M. Shane, Law and Contemporary Problems 61 (1998), S.  21 (21 ff.) sowie die Beispiele bei A. W. Yates, Duke Law Journal 62 (2013), S.  1463 (1475 f.).

442

Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

Haushaltsplan zu ändern766. Das Gefahrpotenzial wird allerdings – trotz Fi­ nanzkrise767 – als eher gering eingeschätzt768. Im System von Checks und Balances ist eine Kontrollfreiheit der Justiz ferner nicht angelegt769.

C. Abschließender Vergleich Im Vergleich mit Deutschland ist die außerordentliche Kompetenz, welche die Bundesverfassung der richterlichen Gewalt in den USA eröffnet, fast befremd­ lich umfangreich770. Es hat sich gezeigt, dass die Verwaltung der Gerichte in Deutschland und den USA konzeptionell unterschiedlich ausgestaltet ist (I.), sich inhaltlich im Aufgabenumfang aber in beträchtlichem Maße ähnelt (II.). I. Organstruktur Bereits die Organe der Gerichtsverwaltung siedeln sich in beiden Rechtsord­ nungen auf unterschiedlichen Ebenen an. Dabei darf allerdings nicht die auf den ersten Blick zutreffende Erkenntnis, die U.S.-amerikanischen Gerichte würden sich im Gegensatz zu den deutschen Gerichten selbst verwalten, dazu führen, ihnen eine Vergleichbarkeit abzusprechen. Auf den zweiten Blick offenbart sich nämlich, dass das in den USA der Justiz zuzuordnende Court Management zu­ mindest in einigen Aspekten einer faktischen Fremdverwaltung – wie durch die Exekutive in der deutschen Rechtsordnung – gleichkommt. Die faktische Fremdverwaltung wird ferner durch die behördenähnliche Struktur der Ge­ richtsverwaltungsorgane verstärkt. Dass man im Rahmen des deutschen Ge­ richtsverwaltungssystems von einer exekutivischen Fremdverwaltung spricht, während in den Vereinigten Staaten von einer Selbstverwaltung die Rede ist, liegt zum Teil nur an einer unterschiedlichen Zuordnung der Organe der Ge­ 766 

Rottman/Strickland, Organization (Teil  2, Fn.  618), S.  80 („Budget submitted to“), 81 („Can executive branch amend the budget?“); R. Y. Schauffler, Utrecht Law Review 3 (2007), S.  112 (115). 767  Zu den einschneidenden Budgetkürzungen seit 2007 siehe A. W. Yates, Duke Law Journal 62 (2013), S.  1463 (1464 ff.). 768  Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  558. 769  Eine autonome Finanzierung der Gerichte würde die Gleichstellung der Gewalten un­ tergraben, vgl. P. M. Shane, Law and Contemporary Problems 61 (1998), S.  21 (46 f.). 770  So wird bspw. durch W. Soltau, JR 1950, S.  485 ff. konstatiert, dass „weit über die kon­ tinentalen Begriffe vom Rechtsstaat hinaus – sozusagen schon im Sinne einer justizstaat­ lichen Regelung – nämlich der Sache nach grundsätzlich jeder innerstaatliche Konflikt der verschiedensten Stufen öffentlichen und privaten Lebens, der irgendwie das Bundesrecht berührt, als möglicher (und zulässiger!) Rechtsstreit der richterlichen Gewalt unterstellt, d. h. juristischer Kontrolle unterworfen wird.“

C. Abschließender Vergleich

443

richtsverwaltung zu den Staatsgewalten. Die Exekutive erfährt in den USA be­ reits generell deutlich beschnittenere Funktionszuweisungen als in Deutsch­ land771. Dies gilt insbesondere für die Gerichtsverwaltung. Die Hauptakteure der Court Administration sind der Judikative zuzuordnen. Das Administrative Office of the United States Courts ähnelt in seiner Zuständigkeitszuordnung im Bereich des Haushaltsrechts der Gerichte dem in Deutschland hierfür (unter anderem) zuständigen Justizministerium. In Deutschland gibt es statt eines wei­ testgehend ungebundenen Richters wie in den USA auf letzter Stufe der Verwal­ tungshierarchie den weisungsgebundenen Gerichtspräsidenten, der sich zur Un­ terstützung in Gerichtsverwaltungsangelegenheiten anderer Richter bedient772. Ähnlich ist wiederum die Beziehung zwischen deutschen Richtern und den Ge­ schäftsstellen an den Gerichten sowie den U.S.-amerikanischen Richtern zu den Court Clerks, die ein der Geschäftsstelle ähnliches Büro leiten und so die alltäg­ lichen Geschicke am Gericht koordinieren773. Von einer richterlichen Selbstver­ waltung kann in den USA indessen nicht gesprochen werden, obwohl der Court Clerk oder Court Administrator letztlich dem obersten Richter unterstellt ist. Dennoch werden die Geschicke des Richters regelmäßig durch die profes­ sionalisierte Gerichtsverwaltungsstruktur überlagert und sind an die behörden­ ähnliche Struktur der Gerichtsverwaltungsorgane gebunden. Ein vergleichbares professionelles Gerichtsmanagement existiert in Deutsch­ land im Übrigen nicht, ebenso wenig findet der generelle Management-Gedanke im Bereich der Gerichtsverwaltung Anklang774. Grund hierfür sind die auf die verschiedenen Gewalten aufgeteilten Kompetenzen in gerichtsverwaltenden Belangen775. Allein das Bundesverfassungsgericht nimmt hier eine Sonderrolle ein und wartet mit einer für die sonstigen deutschen Gerichte vergleichsweise weitgehenden gerichtlichen Selbstverwaltungsstruktur auf776. Die weitreichen­ de Machtfülle der Exekutive im Hinblick vor allem auf das Budgetrecht für die deutschen Gerichte ist dem U.S.-amerikanischen Gerichtssystem per se fremd. Die Eigenverantwortung der Gerichte auf Bundes- wie auf Staatenebene ist grundsätzlich groß, wenngleich es mitunter zu Konflikten zwischen Richter und Court Manager kommt777. Von einer völligen Selbstverwaltung der Richter 771  Siehe zu den Aufgaben von Verwaltung und Rechtsprechung im Vergleich bereits oben Kap.  1 B. I. 772 Vgl. K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (242). 773 Vgl. Flanders u. a., Management (Teil  1, Fn.  252), S.  63 ff. 774  Gleichsinnig auch K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (242). – Zu Reformtendenzen im Hin­ blick auf moderne Managementverfahren siehe K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (241). 775  Siehe im Überblick Shetreet, Independence (Teil  1, Fn.  257), S.  6 44 ff. 776 Dazu Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  274. 777  Shetreet, Independence (Teil  1, Fn.  257), S.  6 46 f.; Saari/Planet/Reinkensmeyer, Court Managers (Teil  1, Fn.  268), S.  255 f.; Hudzik, Courts (Fn.  753), S.  281 ff.

444

Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

kann indessen in den USA deshalb nicht gesprochen werden, da Rückbindungen der Justiz an den Kongress bzw. an das einzelstaatliche Parlament (wie im Be­ reich des Gerichtshaushaltes778) erforderlich sind. So unterschiedlich die Syste­ me der Gerichtsverwaltung in Deutschland und den USA zunächst scheinen, so frappierend sind gewisse Ähnlichkeiten im Bereich der „Fremdsteuerung“ dann doch – ob diese Lenkung durch exekutive oder innerorganisatorische Vorgaben erfolgt, ist indessen unerheblich. II. Gerichtsverwaltende Tätigkeitsfelder Trotz grundlegender institutioneller Verschiedenheiten offenbaren sich in den einzelnen Bereichen gerichtsverwaltender Tätigkeit erstaunlich viele Gemein­ samkeiten. Bereits die einschlägigen Aufgabenfelder decken sich fast vollstän­ dig. Begutachtet man die Aufgabenfelder detailliert, zeigt sich jedoch, dass die Kompetenzen der Gerichtsverwaltung in den USA deutlich weiter gehen als in der deutschen Rechtsordnung und diese häufig keiner eindeutigen oder abschlie­ ßenden gesetzlichen Reglementierung unterliegen. Während die Aufgabenfel­ der der Infrastruktur- und Ablaufverwaltung (1.) wenig nennenswerte Unter­ schiede offenbaren, zeigen sich die exekutivischen Einflüsse auf die Verwaltung der deutschen Gerichte deutlich im Rahmen der Geschäftsordnungsautonomie (2.), die in den Vereinigten Staaten sehr ausgeprägt ist. Die Richterbestellung erfolgt grundlegend verschieden (3.). Das U.S.-amerikanische Recht kennt über­ dies kein mit der deutschen Gerichtsverwaltung vergleichbares Beurteilungsund Beförderungssystem (4.). Eine Kontrolle richterlichen Handelns durch dienstaufsichtsrechtliche und disziplinarische Maßnahmen wird in beiden Rechtsordnungen praktiziert, wenngleich die Relevanz der richterlichen Unab­ hängigkeit höchst unterschiedlich ist (5.). Die Geschäftsverteilung ist auch in Deutschland Teil der richterlichen Selbstverwaltung (6.). Dependenzen der deutschen Justiz offenbaren sich im Bereich der Finanzverwaltung noch mehr als in der U.S.-amerikanischen Rechtsordnung (7.). 1. Infrastruktur- und Ablaufverwaltung Während die grundlegenden Belange der Infrastrukturverwaltung – also die Ausstattung mit Sachmitteln – in beiden Rechtsordnungen nahezu gleichläufig organisiert werden und es hier nur im Detail spezifische Unterschiede gibt (wie beispielsweise die Unterschiede in der Zuweisung von Gerichtssälen), ergeben 778  Auch

die Inkraftsetzung der Rules of Court durch den U.S. Supreme Court bedarf zumindest theoretisch der Genehmigung durch den Kongress, da diesem ein Veto-Recht zu­ steht, vgl. K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (243).

C. Abschließender Vergleich

445

sich erste Unterschiede im Rahmen der Wahrnehmung des Hausrechts: In Deutschland schränkt der Öffentlichkeitsgrundsatz die Handhabe der Richter zum Verweis aus dem Gerichtssaal erheblich ein779, während die Richter in den USA einen weitgehenden Spielraum zum Ausschluss von Personen von den Verhandlungen haben. Auch Modernisierung und Digitalisierung sind an den U.S-amerikanischen Gerichten deutlich weiter vorangeschritten als in Deutsch­ land, wo bereits die Einführung neuer Telefonanlagen zu zum Teil hysterischer Kritik führen kann780. Dennoch ist mit dem Vormarsch des eJustice eine erheb­ liche Steigerung der Digitalisierung an deutschen Gerichten zu verbuchen. Ver­ einzelte Pilotprojekte testen sogar ein völlig papierloses Gericht. Auch in den USA blieb zwar die Einführung einer elektronischen Aktenführung nicht kri­ tiklos781, allerdings gewinnt man insgesamt den Eindruck, dass das Unwohlsein weniger verfassungsrechtlicher Natur ist, sondern eher aus Praktikabilitäts­ gründen geäußert wird. Ähnlich entspannt geht es offenbar auch im Hinblick auf die Amtstracht zu. Dass richterliche Roben zu tragen sind, ergibt sich aus keiner gesetzlichen Regelung, sondern ist vielmehr allein eine Tradition782. 2. Geschäftsordnungsautonomie Die Geschäftsordnungsautonomie ist an den U.S.-amerikanischen Gerichten beispiellos ausgeprägt. In Deutschland besitzt lediglich das Bundesverfassungs­ gericht eine vergleichbare Geschäftsordnungsbefugnis. Die Gerichte in den USA verfügen hingegen über eine darüber weit hinausgehende Rule-Making Power783. Die Geschäftsordnungen der Bundesgerichte enthalten indessen noch vergleichsweise irrelevante Regelungen, da diese lediglich einen ergänzenden Charakter haben784, während die insgesamt eher unübersichtlich gestalteten Court Rules vieler einzelstaatlicher Gerichte an Detailreichtum kaum zu über­ treffen sind. Die deutsche Legislative ist in den Entstehungsprozess der Ge­ schäftsordnungen überdies intensiver involviert als der Kongress, da der Bun­ desrat die beschlossene Satzung bestätigen muss, während dem Kongress ledig­ lich ein Veto-Recht bezüglich der Court Rules zusteht. 779  Es ist lediglich die rudimentäre Abhilfemöglichkeit des §  178 GVG gegeben, vgl. Kissel/­Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  16 Rn.  68. 780  Die dienstaufsichtsrechtliche Maßnahme zur Veranlassung der Billigung und Duldung der Nutzung einer neuen Telefonanlage mit automatischer Gesprächserfassung kann gegen die richterliche Unabhängigkeit verstoßen, siehe BGH NJW 1995, S.  731 ff. 781  Zusammenfassend siehe Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  215. 782  J. Frank, Courts on Trial. Myth and Reality in American Justice, 1973, S.  254 ff. 783 Zur inhaltlichen Gestaltungsfreiheit bei den Rules of Court siehe Clark, Sources (Teil  1, Fn.  202), S.  48. 784 Vgl. T. Ritterspach, EuGRZ 1976, S.  57 ff.; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  12 Rn.  29.

446

Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

In den mit den Richterpersonalsachen in Verbindung stehenden Bereichen der Gerichtsverwaltung offenbaren sich deutliche Unterschiede in der Wahrneh­ mung des Richterberufes an sich und der Vorstellung von Umfang bzw. Intensi­ tät richterlicher Kompetenzen. Die für die Zusammensetzung des Bundes­ verfassungsgerichts geltende Quorenregelung der §§  6 Abs.  5, 7 BVerfGG soll einen Minderheitenschutz und die politische Neutralität des Bundesverfas­ sungsgerichts garantieren. Umgekehrt jedoch beweisen bereits die unerfüllten Erwartungen des U.S.-amerikanischen Präsidenten im Rahmen einer politi­ schen Beeinflussbarkeit der Gerichte durch die Auswahl der Richter am U.S. Supreme Court, dass sich eine Beeinflussung der Rechtsprechung durch politi­ sche Lenkung nicht von selbst ergibt785. Dass die Richter des U.S. Supreme Courts allerdings im Rahmen der Rechtsprechung ihre eigene politische Agen­ da verfolgen, ist unbestritten786. Die in den USA als probates Mittel zur Sicher­ stellung der Linientreue neuer Richter praktizierte öffentliche Vorstellung der Richter vor dem Parlament, in der sich die Kandidaten zu kontroversen Rechts­ themen äußern müssen, ist mit Blick auf die politische Neutralität des Bundes­ verfassungsgerichts nicht handhabbar787. 3. Richterbestellung Die Richterbestellung ist in beiden Rechtsordnungen in weiten Teilen grundver­ schieden. Unterschiede offenbaren sich bereits in den Anforderungen an die Qualifikation der Richterkandidaten. Die deutsche Einheitlichkeit einer univer­ sitären Ausbildung als Qualifikation für den Richterberuf hat sich in den USA (noch) nicht vollumfänglich durchgesetzt. Vielmehr wird die rechtliche Kompe­ tenz – vor allem an den Bundesgerichten – durch eine umfangreiche Praxiser­ fahrung ersetzt788. In Deutschland hingegen tritt der Faktor der Berufserfah­ rung ein ganzes Karriereleben lang hinter den Noten in den juristischen Staats­ prüfungen zurück789. Überdies lebt die deutsche Rechtsordnung nach wie vor die Idee des „geborenen Richters“, während in den USA der Einstieg ins Rich­ teramt erst nach einer nicht unbeträchtlich langen Phase in einem anderen juris­ tischen Berufsfeld erfolgt790. Für beide Rechtsordnungen lässt sich feststellen, 785 

Wieland (Fn.  202), Art.  94 Rn.  11. politisch-ideologisch linientreuen Rechtsprechung der Richter siehe bereits Kap.  2. C. V. 2. b) aa) (2) (b). 787 Vgl. U. Goll, ZRP 2001, S.  480 (481). 788  Volcansek/Lafon, Selection (Teil  2 , Fn.  57), S.  141 f. 789  Vgl. auch Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  36; Guarnieri/Pederzoli, Power (Teil  2, Fn.  441), S.  34; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  204 ff. 790  Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  36; Schreier, Legitimation (Einl., Fn.  18), S.  241. 786 Zur

C. Abschließender Vergleich

447

dass sich die Richterschaft ganz allgemein recht homogen aus einem gut situier­ ten, gehobenen, christlich geprägten Umfeld zusammensetzt791. In Deutschland ist allerdings die Frauenquote in der Richterschaft inzwischen mit knapp über 46  % in der ordentlichen Gerichtsbarkeit an den Landesgerichten vergleichs­ weise hoch792. Eine interessante Gemeinsamkeit im Rahmen der Richterbestellung offenbart sich im Vergleich der Wahl der Landesverfassungsrichter in Deutschland sowie einiger einzelstaatlicher Richter in den USA, da jeweils zum Teil eine mögliche Wiederwahl der Richter (gepaart mit einer an sich bereits kurzen Amtszeit) vor­ gesehen ist. Hier drängen sich Gefahren für die richterliche Unabhängigkeit gleichermaßen auf793. Insbesondere eine Richterwahl durch das Volk findet in der deutschen Rechtsordnung kein vergleichbares Äquivalent. Zwar kam in den 791  Im Jahre 2016 wurde erstmals ein muslimischer Kandidat für ein Bundesgericht nomi­ niert. Die Nominierung von Abid Qureshi durch Präsident Obama ist am 3. Januar 2017 mit dem Ende des 114. Kongresses abgelaufen, vgl. die Pressemitteilung des Weißen Hauses (abrufbar unter https://obamawhitehouse.archives.gov/the-press-office/2016/09/06/president-­ obama-nominates-abid-riaz-qureshi-serve-united-states-district, 19.3.2020). 792  Dass die Justiz als attraktiver Arbeitgeber gilt, legen vor allem die steigenden Frauen­ quoten unter den Proberichtern nahe. Hier liegt der Frauenanteil an den ordentlichen Gerich­ ten zum Stichtag am 31. Dezember 2018 bei über 58  %. Vgl. mit Zahlen und Details zu allen Gerichtszweigen Bundesamt für Justiz, Zahl der Richter, Richterinnen, Staatsanwälte, Staatsanwältinnen und Vertreter, Vertreterinnen des öffentlichen Interesses in der Rechts­ pflege der Bundesrepublik Deutschland am 31. Dezember 2018 (abrufbar unter file:///C:/ Users/s.michel/Downloads/Richterstatistik_2018.pdf, 18.4.2020). – Für eine verbindliche Frauenquote in der Bundesrichterwahl spricht sich dennoch C. Nordmann, ZRP 2012, S.  139 ff. aus. 793  Zu diesem Einwand siehe C. Starck, HStR³ VI, §  130 Rn.  31 im Hinblick auf die deut­ schen Landesverfassungsrichter in Bayern (Amtsdauer acht Jahre, Wiederwahl zulässig, vgl. Art.  4 Abs.  1 S.  1, Abs.  3 BayVerfGHG), Bremen (Amtsdauer vier Jahre, vgl. §  2 Abs.  2 BremStGHG i. V. m. Art.  75 Abs.  1 BremVerf., eine Wiederwahl ist zulässig gem. §  2 Abs.  5 BremStGHG), Hamburg (Amtsdauer sechs Jahre, einmalige Wiederwahl, vgl. §  6 HambVerf­ GG, Hessen (Amtsdauer sieben Jahre, vgl. §  2 Abs.  1 S.  1 HessStGHG, Wiederwahl zuläs­ sig), Niedersachsen (Amtsdauer sieben Jahre, einmalige Wiederwahl, vgl. Art.  55 Abs.  2 NdsVerf.), Rheinland-Pfalz (Amtsdauer sechs Jahre, einmalige Wiederwahl, vgl. §  5 Abs.  1 S.  1, 2 R-PVerfGHG), im Saarland (Amtsdauer sechs Jahre, Wiederwahl zulässig, vgl. §  2 Abs.  1 S.  3, §  3 Abs.  2 S.  2 SaarlVerfGHG), in Sachsen (Amtsdauer neun Jahre, Wiederwahl zulässig, vgl. Art.  81 Abs.  3 S.  1 SächsVerf. i. V. m. §  3 Abs.  3 S.  4 SächsVerfGHG), Sachsen-­ Anhalt (Amtsdauer sieben Jahre, einmalige Wiederwahl, vgl. §  3 Abs.  1 S.  3, 4 S-AVerfGG), und Thüringen (Amtsdauer sieben Jahre, einmalige Wiederwahl, vgl. §  3 Abs.  1 S.  1, Abs.  2 S.  1 ThürVerfGHG), wo die Amtszeit kurz und zusätzlich eine Wiederwahl zulässig ist. – In Nordrhein-Westfalen ist eine Wiederwahl der Landesverfassungsrichter seit dem 1.7.2017 ausgeschlossen. Ihre Amtszeit beträgt zehn Jahre (Art.  76 Abs.  2 S.  1, 2 NWVerf., §  4 Abs.  1 S.  1, Abs.  3 S.  1 VGHG NRW). – Zur Kritik in den USA an der Praxis der sog. Retention Election siehe hier nur Clark, Limits (Teil  2, Fn.  875), S.  71 ff.; J. M. Shepherd, Duke Law Journal 58 (2009), S.  623 (652 ff.).

448

Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

Beratungen zur Weimarer Reichsverfassung die Forderung nach einer Volks­ wahl kurz auf, wurde aber im Ergebnis abgelehnt794. Das Parteibuch der Kandi­ daten spielt ferner bei der Richterauswahl in den Vereinigten Staaten eine zen­ trale Rolle. Vor allem die Bundesrichter sowie Staatenrichter, die im Wege einer parteilichen Wahl ausgewählt werden, unterliegen einer unvermeidbaren Politi­ sierung795. Abgesehen von der Auswahl der Richter zum Bundesverfassungsge­ richt und der obersten Bundesrichter hat die parteiliche Zugehörigkeit bei der Richterbestellung in Deutschland keine nennenswerte Bedeutung796. Insgesamt lässt sich darüber hinaus das Fazit ziehen, dass eine flächendeckende Richter­ wahl in Deutschland nahezu undenkbar wäre797. Sie würde insbesondere dem Idealbild des unabhängigen und neutralen Richters widersprechen798. Aus Legi­ timationssicht wäre eine Richterwahl verfassungsrechtlich nicht zu beanstan­ den799, allerdings mit Blick auf die Anzahl der deutschen Richter – insofern herrscht Konsens – nicht praktikabel800. Aus verfassungsrechtlicher Sicht zeigt sich einmal mehr, dass die deutsche Rechtsordnung eine ausgewogene Balance zwischen richterlicher Unabhängigkeit und dem Erfordernis demokratischer Legitimation schafft801. Das Berufungsverfahren neuer Bundesrichter in Deutschland vollzieht sich ähnlich wie die Berufung der Bundesrichter in den USA sowie der einzelstaat­ lichen Richter nach dem Missouri-Plan in zwei Schritten802: Zunächst wird ein Kandidat durch den Richterwahlausschuss bzw. werden in den USA mehrere Kandidaten durch die hierfür eingesetzte Commission ausgewählt, sodann er­ folgt in Deutschland die abschließende Zustimmung durch den Bundesjustizmi­ nister, während in den USA der Präsident, der den Kandidaten bereits vorge­ 794 Siehe aus rechtsvergleichender Perspektive auch Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  129 f. 795  Mit einer ähnlichen Tendenz Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  528 f. 796  So auch Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  468; Minkner, Gerichtsverwal­ tung (Einl., Fn.  7), S.  302. – Siehe zum politischen Einfluss im Rahmen der Beförderung an den obersten Bundesgerichten abermals Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  476. 797  Siehe im Detail zu der verfassungsrechtlichen Bewertung der Einführung einer unmit­ telbaren Volkswahl im Rahmen der Richterauswahl in Kap.  5 B. VI. 1. 798  Möllers, Demokratie (Teil  2 , Fn.  187), S.  70. 799 So P. Schneider, Demokratie und Justiz, in: Rechts- und wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Mainz (Hrsg.), FS 150 Jahre OLG Zweibrücken, 1969, S.  257 (266); mit dieser Tendenz auch U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (328). 800  Siehe zusammenfassend Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  126 f. 801  Ähnlich auch Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  718. 802  Siehe mit einem ähnlichen Vergleich aus der Perspektive der leistungsbasierten Merit Selection U.S.-amerikanischer Richter mit der Auswahl deutscher Richter durch „Councils“ N. Garoupa/T. Ginsburg, The American Journal of Comparative Law 57 (2009), S.  201 (208 f.).

C. Abschließender Vergleich

449

schlagen hatte, ernennt und der Gouverneur eine abschließende Auswahl trifft. Die Richterwahlausschüsse für die Bundesrichterwahl sowie einige Richter­ wahlausschüsse in den Bundesländern bestehen allerdings im Gegensatz zu den Commissions aus dem zuständigen Minister sowie vom Parlament gewählten Mitgliedern803. Die Commissions nach dem Missouri-Plan verfügen in der Re­ gel auch über richterliche Mitglieder und Mitglieder aus der Bevölkerung804. In Hamburg beispielsweise ist der Richterwahlausschuss ganz ähnlich ausgestal­ tet: Art.  63 Abs.  1 S.  2 der Hamburgischen Verfassung bestimmt, dass der Richterwahlausschuss aus drei Mitgliedern des Senats oder Senatssyndici, sechs bürgerlichen Mitgliedern, drei Richtern und zwei Rechtsanwälten be­ steht805. Die Richterwahlgremien verfolgen in beiden Rechtsordnungen – vor allem mit Blick auf ihren historischen Ursprung als Gegenmodell – die gleiche Funktion: Die Zurückdrängung einseitiger politischer Einflussnahme806. 4. Richterbeurteilung und Beförderungsmechanismen Die Richterbeurteilung erfolgt in den USA im Vergleich zu den deutschen Ge­ richten selten periodisch und vor allem nicht als Grundlage für eine Beförde­ rungsentscheidung807. Eine funktionale Vergleichbarkeit lässt sich herstellen, wenn man den grundlegenden Zweck der Beurteilung in beiden Rechtsordnun­ gen berücksichtigt, da sie jeweils als Bewertungsmaßstab für eine Richteraus­ wahl im weitesten Sinne herangezogen wird – in Deutschland für ein höheres Richteramt und in den USA im Rahmen der Bestätigungswahl808. Im Gegensatz zu der energischen Verweigerung von „Kundenbefragungen“ – wie sie auch das Neue Steuerungsmodell vorsieht – durch die deutschen Richter, sehen die U.S.-amerikanischen Richter die angesetzten Judicial Performance Evaluations größtenteils gelassen809. Deutlich wird vor allem, dass die richterliche Un­ abhängigkeit in den USA in diesem Zusammenhang keine große Rolle spielt. Der Judicial Accountability der Richter in Form einer als notwendig erachteten Qualitätskontrolle kommt hier eine höhere Bedeutung zu als in Deutschland. Überdies ist auffällig, dass insbesondere die Bewertung der Richter durch An­ 803  Siehe zur Zusammensetzung der Richterwahlausschüsse abermals Tschentscher, Le­ gitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  173 ff., 315 ff. 804 Vgl. J. Goldschmidt, University of Miami Law Review 49 (1994), S.  1 (21 f.); Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  162. 805  Siehe im Detail zur Richterauswahl in Hamburg Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  363 ff. 806  Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  160. 807  Siehe abermals Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  80. 808 Gleichsinnig Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  208 f. 809 Vgl. Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  630.

450

Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

wälte überwiegend sehr positiv ausfällt810. Es mag am in Deutschland ausge­ prägten berufsständischen Denken liegen, welches zumindest die vage Vermu­ tung nahelegt, dass die deutsche Anwaltschaft ein solch positives Bild von der Justiz und dem einzelnen Richter womöglich nicht zeichnen würde. Beförderungen sind lediglich in Deutschland üblich und vorgesehen; dies liegt in der hergebrachten Tradition der Bestenauslese und des Berufs- und Laufbahnbeamtentums begründet811. In den USA hingegen kann man allge­ mein nicht von einer Richterlaufbahn sprechen. 5. Kontrolle richterlichen Handelns: Dienstaufsicht und Disziplinarmaßnahmen Kontrollmechanismen für die richterliche Tätigkeit sehen beide Rechtsordnun­ gen vor812. Eine inhaltliche Kontrolle der Rechtsprechung darf es jeweils nur im Rahmen der Kontrolle durch Rechtsmitteleinlegung und die Überprüfung im Wege des Instanzenzuges geben813. Im Gegensatz zum zweistufigen deutschen Disziplinarverfahren ist das Verfahren gegenüber den U.S.-amerikanischen Bundesrichtern einstufig, da Sachverhaltsaufklärung und Verfahren sowie Ver­ hängung der Maßnahme durch dasselbe Gremium vollzogen werden814. Weder in der deutschen noch in der U.S.-amerikanischen Rechtsordnung darf sich die disziplinarische Maßnahme gegen den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung wenden815. Dem steht die richterliche Unabhängigkeit entgegen816. Eine dem §  26 DRiG entsprechende Regelung gibt es in den USA nicht, ebenso wenig eine Kernbereichslehre, die in Deutschland unter Zugrundelegung etwas diffuser Kriterien den disziplinarresistenten Teil der Justiztätigkeit absteckt. Zum Teil 810 

Siehe dazu bereits Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  119 f. Siehe zum deutschen Karriere-Juristen aus U.S.-amerikanischer Perspektive D. S. Clark, Southern California Law Review 61 (1988), S.  1798 (1820); Guarnieri/Pederzoli, Po­ wer (Teil  2, Fn.  441), S.  34; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  187. 812  Siehe eingehend zur Kontrolle von Richtern während ihrer Amtszeit im internationa­ len Vergleich M. Cappelletti, The American Journal of Comparative Law 31 (1983), S.  1 (18 ff.); aus rechtsvergleichender Perspektive mit Blick auf Deutschland und die USA siehe insbesondere Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  193 ff. 813  Die Kontrolle im U.S.-amerikanischen Rechtsmittelsystem ist geringer ausgeprägt als in der deutschen Rechtsordnung, vgl. K. F. Röhl, DRiZ 1993, S.  301 (306); ähnlich Müller, Rahmen (Teil  2, Fn.  133), S.  189. 814 In den meisten Bundesstaaten wiederum ist das Disziplinarverfahren ähnlich dem deutschen zweistufig aufgebaut, vgl. Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  199. 815  In der Praxis allerdings wird dieser Grundsatz durch vereinzelte Entscheidungen auf­ geweicht, vgl. Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  148 f. 816  Siehe hier nur Voßkuhle, Rechtsschutz (Teil  1, Fn.  1), S.  283 f., der noch einmal sauber herausstellt, dass in den Kernbereich der Rechtsprechung nicht eingegriffen werden darf. 811 

C. Abschließender Vergleich

451

richten sich Disziplinarmaßnahmen in den USA daher auch gegen die inhaltli­ che Rechtsanwendung; die Grenzen zum Bereich richterlicher Unabhängigkeit sind hier fließend817. Einsatz und Wirkkraft disziplinarischer Maßnahmen sind im Übrigen in beiden Rechtsordnungen begrenzt und zuvorderst präventiver Natur818. Richteranklage und Impeachment-Verfahren werden überdies ver­ gleichbar selten als Abberufungsmethode unliebsamer Richter genutzt819. In den USA finden insofern zumindest vereinzelte Untersuchungen statt, während sich die Richteranklage nach deutschem Recht dank praktischer Alternativen bislang als überflüssig erwiesen hat820. Aus Kontrollgesichtspunkten reicht es indessen bereits, dass es dieses Instrumentarium gibt und zumindest theoretisch richterlicher Willkür Einhalt geboten werden kann. Es ist gleichwohl zu beach­ ten, dass in Deutschland die richterliche Unabhängigkeit hoch angesiedelt ist und mithin häufiger zumindest der Weg über eine Anklage wegen Rechts­ beugung nach §  339 StGB gegangen wird821. 6. Geschäftsverteilung Geschäftsverteilung bzw. das noch weitergehende Caseflow Management stel­ len in beiden Rechtsordnungen das konfliktgeladenste Feld der Gerichtsverwal­ tung dar. Die Befugnisse der Court Administration können nur deshalb derartig ausladende Dimensionen annehmen, weil ein mit der Garantie des gesetzlichen Richters vergleichbares Verfassungsprinzip in den USA nicht existiert822. Dies ermöglicht dem Court Administrator ein großes Maß an Flexibilität. 817 Gleichsinnig

Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  200 f. Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  201; zu den Gründen der seltenen Anwen­ dung von disziplinarischen Maßnahmen gegenüber Bundesrichtern auch Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  142 f. 819  Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  201 ff. 820  F. Wittreck, VVDStRL 74 (2015), S.  115 (146): „Die Richteranklage hat sich bislang bekanntlich als unnötig erwiesen – verhaltensauffällige Angehörige entsorgt die Justiz durch den Amtsarzt.“ 821  Siehe im ersten Zugriff zu §  399 StGB M. Hoenigs, Zur Existenzberechtigung des Straf­ tatbestandes der Rechtsbeugung, 2010, S.  104; v. Bernstorff, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  93 ff. Vgl. aus der einschlägigen Rechtsprechung beispielhaft BVerfG NJW 2016, S.  3711 ff.; jüngst BGH NZWiSt 2017, S.  399 ff. – Es muss zwar eine verhältnismäßig hohe Strafandrohung des §  399 StGB konstatiert werden (vgl. mit Kritik G. Bemmann/M. Seebode/G. Spendel, ZRP 1997, S.  307 ff.), jedoch bleibt die richterliche Unabhängigkeit durch die Praxis einer einge­ schränkten Auslegung des objektiven Tatbestandes durch den BGH gewahrt, vgl. BGHSt 59, 144 (147); T. Fischer, StGB-Kommentar, 67.  Aufl. 2020, §  339 Rn.  15, 31. Die Schwelle für eine Verurteilung nach §  399 StGB ist überdies sehr hoch, tatsächliche Fälle daher rar gesät, vgl. BGH, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 2013, S.  106; dazu B. Hecker, in: JuS 2012, S.  1042 ff.; G. Kirchhoff, Kein-Urteil-Schelte, in: Betrifft Justiz 118 (2014), S.  102 ff. 822  Dementsprechend ist die Zu- bzw. Überweisung eines Falles im Laufe des Verfahrens 818 

452

Vierter Teil: Gerichtsverwaltung

7. Finanzverwaltung Die gerichtliche Selbstverwaltungsautonomie der U.S.-amerikanischen Justiz zeigt sich ferner am deutlichsten in der Finanzverwaltung. Hier ist in den grund­ sätzlichen Zügen verwirklicht, was in Deutschland mitunter gefordert wird823: Die Justizorgane fertigen die Haushaltspläne für die Gerichte an. Dass dabei auf Bundes- wie auf Staatenebene zumindest eine Bestätigung des Finanzhaushal­ tes durch das jeweilige Parlament zu erfolgen hat, wird teilweise als Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit gesehen, ist dem Grunde nach jedoch ohnehin meist eine Formsache. Die Kritiker verkennen dabei, dass das praktizierte Sys­ tem der Finanzierung der Gerichte den Grundsatz der Gewaltenteilung berück­ sichtigt und die Gleichberechtigung der drei Staatsgewalten sicherstellt824. In Deutschland tritt indessen bei der Finanzierung der einfachen Gerichte das zu­ ständige Ministerium dazwischen. Ähnliche Kompetenzen kommen in den USA dem Administrative Office zu.

an einen anderen Richter nach U.S.-amerikanischem Recht – wenngleich unüblich – nicht untersagt, vgl. Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  84; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  636. 823  Siehe zur Finanzverwaltung als Aspekt der Selbstverwaltungsforderungen Kap.  4 B. III. 4. 824  Vgl. abermals P. M. Shane, Law and Contemporary Problems 61 (1998), S.  21 (47).

Fünfter Teil

Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells auf die deutsche Gerichtsbarkeit Im fünften Kapitel der Untersuchung steht die Frage im Vordergrund, ob das U.S.-amerikanische Modell der Gerichtsverwaltung auf die deutsche Justiz übertragen werden und einzelnen Elementen eine zumindest Vorbildfunktion zukommen kann1. Diese Frage muss zunächst von der grundsätzlichen Zuläs­ sigkeit der Selbstverwaltung der Gerichte abstrahiert werden, die in der rechts­ wissenschaftlichen Diskussion einen breiten Raum einnimmt2. Bei den Reform­ vorschlägen in Bezug auf die Selbstverwaltung der Justiz stehen allerdings ­weniger Modernisierungsbestrebungen im Vordergrund, sondern das Eigen­ interesse der Justiz, die Richter aus den hierarchischen Strukturen der exekutiv dominierten Gerichtsverwaltung zu befreien3. Eine verfassungsrechtliche Not­ wendigkeit zur Einführung von Selbstverwaltungsstrukturen besteht hingegen nicht4; ebenso wenig vermögen rechtspolitische Gründe zu überzeugen5. Ob­ wohl es in der deutschen rechtswissenschaftlichen Debatte Stimmen gibt, wel­ che die Implementierung des Gerichtsmanagements unter gleichzeitiger Ver-

1  Beschäftigt hat sich die deutsche Literatur hiermit bisher wenig. Siehe an dieser Stelle zunächst nur die zum Teil knappen Beiträge bei Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18); ders., DRiZ 1998, S.  241 ff.; Strempel, Rechtsforschung (Teil  1, Fn.  295), S.  299 f.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  637 f. („Court administration als Vorbild?“). 2  Siehe insbesondere Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  6 42 ff.; jüngst mit ablehnen­ dem Votum nur Franke im Beitrag von J. Petermann/E. Franke, DRiZ 2013, S.  250 (251); Poseck, Selbstverwaltung (Einl., Fn.  16), S.  185 ff.; Heusch (Teil  2, Fn.  692), Art.  97 Rn.  15. – Siehe mit einem Votum für mehr Selbstverwaltung hingegen E. Kreth, DRiZ 2013, S.  236 ff. 3  Dies wurde bereits herausgestellt von Wassermann, Gerichtsverwaltung (Teil  4, Fn.  54), S.  126; umfassend hierzu auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  642 ff.; aus rechtsver­ gleichender Sicht mit ähnlichem Fazit im Hinblick auf die Selbstverwaltung Minkner, Ge­ richtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  751 ff. 4  Papier, Selbstverwaltung (Teil  2 , Fn.  638), S.  185 ff. 5  H. Mertin, ZRP 2002, S.  332 (334 f.); eingehend auch das Fazit bei Minkner, Gerichts­ verwaltung (Einl., Fn.  7), S.  751 ff.

454 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells wirklichung einer Selbstverwaltung der Gerichte befürworten6, soll der Fokus der folgenden Untersuchung diese Reformidee weitestgehend ausblenden und sich allein an den U.S.-amerikanischen Strukturen orientieren. Dass insofern von einer klassischen Selbstverwaltung der Gerichte nicht die Rede sein kann, wurde bereits erörtert7. Im Vordergrund steht die verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung der Gerichtsverwaltungselemente in den USA aus deutscher Perspektive (B.). Neben der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit soll das Modell der Court Administration im Hinblick auf die Notwendigkeit und Erforderlichkeit entsprechender Reformen einer rechtspolitischen Bewertung unterzogen werden, nachdem die Schwächen des U.S.-amerikanischen Modells der Gerichtsverwaltung noch einmal zusammengefasst werden (A.) und sodann ein abschließendes Fazit folgt (C.).

A. Schwächen der amerikanischen Selbstverwaltung Die verheißungsvolle Selbstverwaltung der U.S.-amerikanischen Gerichte darf über die Schwächen, die das System der Gerichtsverwaltung gleichermaßen mit sich bringt, nicht hinwegtäuschen. Nachteile im Organisationssystem würde man mit der Implementierung vergleichbarer Gerichtsverwaltungsstrukturen im Zweifel in die deutsche Rechtsordnung übertragen. Die organisatorische Grundstruktur der U.S.-amerikanischen Justiz weist ein behördenähnliches Muster auf, ohne dass einzelne Gremien jedoch adäquat voneinander abge­ grenzt werden können (I.). Zwischen den Richtern und der zweiten Führungse­ bene in Form der Court Manager gibt es weiterhin Konfliktpotenzial (II.), das auf die Fokussierung des Court Managements auf Effizienzgesichtspunkte zu­ rückzuführen ist (III.). Überdies können die weitreichenden Befugnisse der Ge­ richtsverwaltung (vor allem im Hinblick auf das Budgetrecht) zu einer Verschie­ bung des Gleichgewichts der Staatsgewalten führen (IV.). Insbesondere die Ein­ flussnahme und Kontrollierbarkeit von richterlichen Entscheidungen wirft Fragen zum Spannungsfeld der richterlichen Unabhängigkeit auf (V.). Der rich­ terlichen Unabhängigkeit widerfahren allerdings auch aufgrund der weitrei­ chenden Politisierung der U.S.-amerikanischen Justiz entsprechende Einschrän­ kungen (VI.). 6  Siehe

zuvorderst K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (246); ders., JZ 2002, S.  838 (843 ff.); U. Berlit, KritJ 32 (1999). S.  58 (67 f.). 7  Die Selbstverwaltung betrifft vielmehr die Justiz als solche, die wiederum eine behörde­ nähnliche Struktur aufweist und viele Aufgaben insofern auslagert. Originäre Selbstverwal­ tungsaufgaben der Gerichte verbleiben in speziellen Fällen und sind dem gerichtsverwalten­ den Personal übertragen. Siehe hierzu das Fazit von Kap.  4 C. I.

A. Schwächen der amerikanischen Selbstverwaltung

455

I. Strukturprobleme Probleme bereitet zunächst die organisatorische Struktur der Gerichtsverwal­ tung der U.S.-amerikanischen Gerichte sowohl auf Bundes- als auch auf Ein­ zelstaatenebene8. Eine Kontrollierbarkeit der zahlreichen Gremien, die ohne feste Aufgabenzuweisung oft nebeneinander existieren, ist zumeist nur schwer möglich. Dies führt unter anderem zu einer informellen Aufgabenausweitung einzelner Gremien, die auch in Konflikt mit der richterlichen Unabhängigkeit gerät9. Auch im Hinblick auf das originäre Gerichtsverwaltungspersonal treten Kompetenzprobleme auf, da es eine unüberschaubare Vielfalt an Positionen so­ wie Positionsbezeichnungen gibt10, ohne dass ein einheitlicher Kompetenzrah­ men für den Bund und die einzelnen Bundesstaaten festgelegt ist. Die Intrans­ parenz der Strukturen ist zum Teil frappierend. II. Konfliktpotenzial zwischen Richtern und Court Managern Dass es sich bei der Beziehung zwischen Gerichtsverwaltungspersonal und Richtern um eine konfliktträchtige Symbiose handelt, zeigt sich unter anderem in der Position des State Court Administrators, der lediglich im Rahmen des Wohlwollens des Gerichts agieren kann. Zumindest legen dies die meisten ein­ zelstaatlichen Verfassungen ausdrücklich fest. Eine konkrete Abgrenzung der Zuständigkeiten fehlt indessen11. Die Vormachtstellung des Richters steht auch in der Beziehung zum Court Manager einer konstruktiven Gerichtsverwaltung im Wege, weil es bereits an einer allgemeinen und zuverlässigen Abgrenzung der Aufgabenfelder beider Ämter fehlt12 und der Court Manager den Weisungen des Chief Justice untersteht13. Das Frustrations- und Konflikt­potenzial wird durch die fehlende Abgrenzbarkeit der Position des Court Managers zu anderen

8 

Vgl. zum bisweilen als willkürlich zu bezeichnenden Aufbau der Gerichtsverwaltungs­ strukturen hier nur Neubauer/Meinhold, Process (Teil  1, Fn.  2), S.  48 ff. Wheeler, Introducti­ on (Teil  2, Fn.  618), S.  2 ff.; ders., Independence (Einl., Fn.  75), S.  523 ff. gibt einen guten Überblick über die Organe der Gerichtsverwaltung in den USA. 9  Mit dieser Einschätzung auch Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  528. 10  Siehe hier nur die Positionen von Clerk of Court bzw. Court Clerk, Court Administrator und Court Manager. Stichhaltige Aufgabenbeschreibungen liefern Hays, Managers (Teil  1, Fn.  319), S.  221 f.; Rottman/Strickland, Organization (Teil  2, Fn.  618), S.  175 ff.; Aikman, Ad­ ministration (Teil  1, Fn.  2), S.  101 ff. 11 Vgl. Tobin, Overview (Teil  1, Fn.  318), S.  30. 12  Es wird daher die Notwendigkeit der kollegialen Abstimmung zwischen dem Chief Justice und dem Court Manager betont von R. B. Hoffman, The Justice System Journal 15 (1991), S.  652 ff.; Steelman/Goerdt/McMillan, Caseflow Management (Teil  1, Fn.  245), S.  63. 13  Siehe dazu Mahoney/Solomon, Court Administration (Teil  1, Fn.  248), S.  46 ff.

456 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells Akteuren der Gerichtsverwaltung überdies noch erhöht14. Zwar gibt es in den USA zahlreiche gesonderte Ausbildungsprogramme für zukünftige Court Manager, jedoch scheint die Balance zwischen juristischer und betriebswirtschaft­ licher Ausrichtung der entsprechenden Kenntnisse noch nicht stimmig zu sein15. Die unterschiedlichen Zielsetzungen der Akteure führen dementsprechend zu Differenzen in der Aufgabenwahrnehmung, die mit unterschiedlichen Prioritä­ ten angegangen werden16 und insofern die Unauflösbarkeit des beschriebenen Spannungsverhältnisses noch zusätzlich bedingen. III. Konzentration auf Effizienzgesichtspunkte Die mit der Einführung des Court Managements intendierte Verbesserung der Effizienz der Gerichtsverwaltung stieß in den Vereinigten Staaten zwar nicht auf mit dem Widerstand in der deutschen Richterschaft vergleichbare Kritik. Dennoch wurde zumindest das Gefahrpotenzial angemerkt, die Effizienzge­ sichtspunkte könnten sich umfassend auch auf die Rechtsprechung als solche übertragen17. Es ist die Überzeugung vorherrschend, ein reines Effizienz­ management gehe zulasten des Qualitätsmanagements18. Inzwischen hat sich daher ein umfassendes Qualitätsmanagement durchgesetzt, das unter anderem auch die Fairness des Verfahrens zu messen versucht, sog. Performance Evaluations19. Performance Evaluations werden inzwischen flächendeckend durchge­ führt, betreffen dabei allerdings nicht nur die Leistung des Gerichts, sondern die eines jeden einzelnen Richters und bewegen sich damit ganz konkret im Span­ nungsfeld mit der richterlichen Unabhängigkeit20. Dennoch werden die Evalua­ tionen trotz zum Teil unwägbarer Kriterien und trotz umfassender „Kun­ den“-Befragungen von den Richtern überwiegend begrüßt21. Der Akzeptanz wohnt möglicherweise auch die Intensität der Spannungen mit dem Court Management inne, da die alleinige Orientierung an Effektivitätsgesichtspunkten 22 nicht im Interesse der Richterschaft sein kann. 14  K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (228, 231); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  634. 15  Siehe instruktiv J. K. Hudzik, The Justice System Journal 15 (1991), S.  677 ff. 16 Gleichsinnig S. Flanders, The Justice System Journal 15 (1991), S.  6 40 ff. 17  So auch Rosett, Career (Teil  1, Fn.  335), S.  19 f.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  636. 18  Siehe zu der vergleichbaren Argumentationslinie in Deutschland in Bezug auf die Vor­ gabe von Erledigungszahlen unten Kap.  5 B. IV. 3. 19  Siehe zu den einzelnen Komponenten der Messung der Rechtsprechungsqualität so­ gleich in Kap.  5 B. IV. 1. 20  Siehe instruktiv D. C. Brody, Denver University Law Review 86 (2008), S.  1 ff. 21  A. Kaminski, Betrifft Justiz 77 (2004), S.  212 (213); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  630. 22  Zu den Zielen des Court Managements, bei denen Effizienzgesichtspunkte eine überge­

A. Schwächen der amerikanischen Selbstverwaltung

457

IV. Eigenes Budgetrecht Eines der zentralen Felder des Court Managements stellt das Budgetrecht dar. Hier spiegelt sich die weitgehende Autonomie der amerikanischen Gerichte an­ schaulich wider. Die erforderliche Rückkopplung an den Kongress bei der Ge­ nehmigung des Haushaltsplanes wird teilweise kritisiert23. Eine Lösung von der Legislative kann indessen nicht befürwortet werden. Auch aus der Perspektive der U.S.-amerikanischen Rechtsordnung würde die Gleichrangigkeit der drei Staatsgewalten und damit das System der Checks and Balances untergraben werden, wenn sich die Justiz ihren Haushalt nicht mehr genehmigen lassen müsste24. V. Inhaltliche Kontrolle der Rechtsprechung Eine Inhaltskontrolle der Rechtsprechung ist auch in den USA allein über den Instanzenzug zulässig25. Disziplinarische und dienstaufsichtsrechtliche Maß­ nahmen dürfen auf den Inhalt der Rechtsprechung keinen Bezug nehmen. Gleichwohl entwickeln sich ausufernde Tendenzen der disziplinarischen Kon­ trolle, welche an sich jedoch strikt vom Inhalt der Rechtsprechung zu trennen wäre und daher kritisiert wird26. Überdies ermöglicht das Caseflow Management der Gerichtsverwaltung einen weitreichenden Zugriff auf die Rechtspre­ chung als solche, weil Richtern recht willkürlich bestimmte Fälle zugewiesen werden können. Zwar benötigt eine funktionierende und unabhängige Rechts­ pflege ein Institut, das dem gesetzlichen Richter in Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG ent­ spricht, nicht zwingend 27, allerdings ist die richterliche Unabhängigkeit so weit wie möglich abzusichern. Die U.S.-amerikanische Justiz setzt ihren Fokus in diesem Zusammenhang auf eine flexible Gestaltung der Rechtspflege, die bis­ weilen mit unwillkürlichen Richterwechseln während laufender Prozesse ein­ hergeht28. Wenngleich ein Verstoß gegen das Prinzip des gesetzlichen Richters mangels Existenz eines entsprechenden Verfassungsinstituts in den USA nicht ordnete Rolle spielen, siehe P. J. Glauben, DRiZ 1991, S.  260 (262); Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  8. 23  Siehe zur Finanzverwaltung an den Gerichten in den USA oben Kap.  4 B. III. 4. 24  So auch P. M. Shane, Law and Contemporary Problems 61 (1998), S.  21 (47). 25 Ähnlich Brand-Ballard, Limits (Teil  2 , Fn.  945), S.  62 ff. 26  Siehe zum U.S.-amerikanischen Disziplinarrecht bereits oben Kap.  4 B. III. 3. b) cc). 27  Dies zeigt der internationale Vergleich von Classen (Teil  2 , Fn.  680), Art.  101 Rn.  5 mit Fn.  12, dem zu entnehmen ist, dass die Verbreitung einer Garantie des gesetzlichen Richters begrenzt ist und die deutsche Rechtsordnung hier offenbar einen Sonderfall darstellt. 28 Zu Freiheit des Chief Justice bei der Geschäftsverteilung siehe Steelman/Goerdt/­ McMillan, Caseflow Management (Teil  1, Fn.  245), S.  111 ff. – Positiv gestimmt im Hinblick auf die Nachahmungsfähigkeit des Caseflow Managements ist Fabri, Issues (Teil  1, Fn.  2), S.  192 f.

458 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells angenommen werden kann, bestehen zumindest für die Unabhängigkeitsgaran­ tie Gefahren. VI. Politisierung der Justiz Die Gewichtung der Verfassungsprinzipien schlägt sich in der Ausstattung der Gerichtsverwaltung mit weitreichenden Kompetenzen nieder. Dass die richter­ liche Unabhängigkeit aufgrund der Kontroll- und Organisationsbefugnisse der Court Administration hinter dem Grundsatz der Judicial Accountability zu­ rückzutreten hat29, liegt überdies an der Möglichkeit zur politischen Einfluss­ nahme der Richter30. Die Politisierung der Rechtsprechung ist eine kalkulierte Intention der Selbstverwaltung der U.S.-amerikanischen Gerichte. Sie ist auf die Faktoren zurückzuführen, welche die Common Law-Rechtsordnung charak­ terisieren31: Die Befugnis zur umfassenden Judicial Review32 , die aktiv betrie­ bene Rechtsauslegung33 sowie das Judge-Made Law34 ermöglichen den Rich­ tern eine weitgehende Eigenständigkeit. Insbesondere die obersten Gerichte der Bundesstaaten verfügen über einen großen gesetzgeberischen Einfluss und sind nicht selten als Vorreiter in gesellschaftspolitischen Fragen aktiv35. Als Korrelat zur richterlichen Unabhängigkeit kann eine Gesetzesbindung daher nicht fun­ gieren – was in der Tradition des Common Law nicht weiter verwunderlich ist36. Es braucht daher eine anderweitig ausgestaltete Rückbindung des Richters im Gefüge einer funktionierenden Demokratie. Die Richterauswahl unter maßgeb­ licher Beteiligung der politischen Parteien trägt zur Rechenschaftspflicht der Richter bei und legitimiert überdies die umfangreichen Befugnisse der Gerich­ te, die sich als offen legislativ darstellen37. Die Rechtsvergleichung mit den Er­ 29  Vgl.

abermals K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (224). – Diese Tragweite übersieht Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  241. 30 Gleichsinnig H. Mertin, ZRP 2002, S.  332 (333). 31  Ähnlich auch Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  619. – Zur politischen Rolle der Gerichte siehe Holland, Activism (Teil  3, Fn.  229), S.  21, 25 ff. 32  Siehe zur Entwicklung und zum Umfang des richterlichen Prüfungsrechts in der ame­ rikanischen Rechtsordnung Kap.  3 B. II. 1. a) cc) (2). 33  Zum Streit zwischen Judicial Activism und Judicial Restraint siehe Kap.  3 B. II. 1. a) cc) (3). 34  Im Übrigen steht mit der Rulemaking-Power der Gerichte ihre Selbstverwaltung. Zur Reichweite der Judicial Review sowie des Judge-Made Law siehe rechtsvergleichend Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  212 ff. 35 Kritisch P. M. Shane, Law and Contemporary Problems 61 (1998), S.  21 (33 ff.). 36  Siehe hierzu nur Wasby, Accountability (Teil  2 , Fn.  406), S.  148 f.; Hughes, Common Law (Teil  2, Fn.  133), S.  18. 37 Vgl. Wasby, Accountability (Teil  2 , Fn.  406), S.  155; Guarnieri/Pederzoli, Power (Teil  2, Fn.  441), S.  31, 76 f.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  618 f.

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung

459

fahrungen von Selbstverwaltungsmodellen im Ausland zeigt mithin nicht nur, dass sich durch eine sich selbst verwaltende Justiz nicht ohne weiteres eine po­ litische Beeinflussung der Rechtsprechung verhindern ließe38. Es wird überdies deutlich, dass mit der Autonomie der Justiz auch die politische Einflussnahme steigt oder sogar steigen muss, um weitreichende Kompetenzen von Richtern zu legitimieren und bisweilen auch zu überwachen.

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung der Gerichtsverwaltungselemente aus deutscher Perspektive Die verfassungsrechtliche Bewertung der Übertragbarkeit von Strukturen der Gerichtsverwaltung U.S.-amerikanischer Gerichte vollzieht sich zunächst an den Paradigmen der deutschen Verfassungsprinzipien, die sich für die Gerichts­ verwaltung als entscheidend erwiesen haben39. Es sei vorweggenommen, dass sich das amerikanische Modell der Court Administration vor allem unter Einbe­ ziehung des professionellen Court Managements insbesondere an den grundge­ setzlichen Prinzipien der richterlichen Unabhängigkeit i. S. d. Art.  97 GG sowie des gesetzlichen Richters nach Art.  100 Abs.  1 S.  2 GG und zum Teil des Demo­ kratieprinzips i. S. d. Art.  20 Abs.  1, Abs.  2 S.  1 GG reibt. Die professionellen Gerichtsverwaltungskomponenten in den Vereinigten Staaten weisen überdies eine erstaunliche Ähnlichkeit zu dem Reformmodell des Neuen Steuerungsmo­ dells auf, das unter anderem die Einführung eines Gerichtsmanagements for­ dert (I.). Als fruchtbar könnte sich insbesondere die Überlegung erweisen, den Bereich der Geschäftsverteilung nach dem Vorbild des U.S.-amerikanischen Caseflow Managements zu reformieren (II.). Auch die Finanzverwaltung deut­ scher Gerichte steht unter Reformdruck; insofern ist das eigenständige Budget­ recht der U.S.-Gerichte zu untersuchen (III.). Der Erfolg der Evaluationspraxis in der Justiz der Vereinigten Staaten könnte überdies mit Blick auf ein Quali­ tätsmanagement an deutschen Gerichten vor allem die diesbezügliche Skepsis in der deutschen Richterschaft abbauen (IV.). Überdies handelt es sich bei den Richterpersonalsachen in den U.S.-amerikanischen Einzelstaaten im Vergleich zu den anderen Bereichen der Gerichtsverwaltung um ein häufiger aufgegriffe­ nes Thema in der deutschen Literatur40. Da sich die Richterbestellung indessen 38 

H. Mertin, ZRP 2002, S.  332 (333); umfangreich auch zu den Problemen der italieni­ schen Selbstverwaltung Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  702 ff. (Systemver­ gleich), 736 ff. (Bewertung des italienischen Modells der Gerichtsverwaltung). 39  Siehe hierzu ausführlich Kap.  2 C. 40  Vgl. explizit hier nur bei Kayser, Auswahl (Einl., Fn.  18), S.  168 ff., 233 ff.; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  40 ff., S.  113 ff.

460 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells nicht als originäres Feld der Court Administration ausweist und die Richterwahl sich auch nur begrenzt als Reformidee der deutschen Richterbestellung eignet, soll hierauf nur in gebotener Kürze eingegangen werden (V.). I. Court Manager oder Gerichtsverwalter für deutsche Gerichte? Die Überlastung der deutschen Justiz war in weiten Teilen und insbesondere in der ordentlichen Gerichtsbarkeit offenkundig41 und wandelt sich inzwischen zu­ nehmend einer gewissen Langeweile in den unteren Riegen der amtsgerichtli­ chen Richter42; hinzukommen Personalabbau und Mittelkürzungen, sodass eine Entlastung der Justiz durch eine optimale Aufbau- und Ablaufstrukturierung unausweichlich ist43. In absoluten Zahlen ist die Anzahl der eingegangenen Kla­ gen in der ordentlichen Gerichtsbarkeit 44 zwischen 2006 und 2016 von 1.314.738 auf 986.139 Neuzugänge zurückgegangen. In ähnlichem Umfang sind in diesem Zeitraum auch die Erledigungszahlen geschrumpft. Neben der zunehmenden Komplexität der Fälle und der steigenden Verfahrensdauer45 legt auch der Um­ stand, dass die meisten Dezernate mit Altlasten teilweise völlig überfrachtet sind, den Schluss nahe, dass nur allein aufgrund sinkender Klageeingänge nicht auch automatisch von einer sinkenden Arbeitsbelastung der einzelnen Richter auszugehen ist. Eine mögliche Professionalisierung der Gerichtsverwaltung im Hinblick auf ein effizienteres Personalmanagement, moderne Kommunikations- und Infor­ mationstechnik, Aufgabenkritik und Optimierung der Aufbau- bzw. Ablauf­ 41 

Siehe m. N. bereits Einl., Fn.  4. Den Rückgang von Klageeingangszahlen belegen aktuelle Zahlen, allerdings führt al­ lein der Rückgang der eingehenden Klagen nicht zwangsläufig auch zu einer reduzierten Arbeitsbelastung. Belastend wirkt zusätzlich oft auch die so wahrgenommene Eintönigkeit der juristischen Arbeit. Siehe hierzu A. Höland/C. Meller-Hannich, Rückgang der Klageein­ gangszahlen – wo liegt das Problem?, in: dies., Nichts zu klagen? (Einl., Fn.  60), S.  11 ff.; W. Schubert, Gehen der Justiz in Deutschland die Zivilverfahren aus? Fakten, Überlegungen, Maßnahmen insbesondere mit Bezug zu Sachsen-Anhalt, ebd., S.  21 ff. Zu den Gründen des Rückgangs von Klageeingängen siehe H. Rottleuthner, Prozessflut und Prozessebbe – Fragen und Forschungsbedarf, ebd. S.  100 (104 ff.); zur fehlenden Arbeitsmoral mancher Amtsrichter siehe Wagner, Wahrheitssuche (Teil  4, Fn.  221), S.  55. 43 Siehe gleichsinnig W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1997, S.  290 (290); Weber-Hassemer, ­Justizmanagement (Einl., Fn.  61), S.  149 ff.; treffend formuliert dies Wagner, Wahrheitssuche (Teil  4, Fn.  221), S.  206: „Die Mär von der Überlastung: die ungerechte Verteilung der Arbeit.“ 44  Siehe die Zusammenstellung zur Geschäftsentwicklung bei Gerichten und Staatsan­ waltschaften des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz (abrufbar unter ­https://www.bundesjustizamt.de/DE/SharedDocs/Publikationen/Justizstatistik/Geschaefts entwicklung_Gerichte_Staatsanwaltschaften.pdf?__blob=publicationFile&v=13, 19.3.­2020). 45  Dieser Aspekt wird auch aufgegriffen von R. Gaier, NJW 2013, S.  2871 (2872 f.); B. Hirtz, NJW 2014, S.  2529 (2529); Greger, Postkutsche (Einl., Fn.  60), S.  139. 42 

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung

461

strukturen, Organisationsentwicklung, Öffentlichkeitsarbeit sowie Gebäude­ management und Materialwirtschaft stellt die Justiz noch immer vor Heraus­ forderungen46. Nach dem amerikanischen Vorbild des Court Managers sollte man daher über die Zweckdienlichkeit der Implementierung eines spezialisier­ ten Gerichtsmanagers zur Steigerung der Effizienz der Gerichtsverwaltung so­ wie der Rechtsprechung nachdenken47. Aufgabenspektrum (1.) und strukturelle Anforderungen (2.) an die Tätigkeit eines Gerichtsmanagers stehen insofern auf dem Prüfstand. Insbesondere wohnt der Implementierung einer zweiten Len­ kungsebene neben den Richtern ein nicht unerhebliches Konfliktpotenzial inne (3.), welches indessen nicht zu der vorschnellen Ablehnung sämtlicher manage­ mentorientierter Ideen für die deutsche Gerichtsverwaltung führen darf (4.). 1. Aufgabenspektrum Viele der angesprochenen dezentral organisierten Aufgaben der Gerichtsver­ waltung werden in Deutschland traditionell bereits durch die Gerichtspräsiden­ ten wahrgenommen, sodass es im Rahmen der Einführung des Gerichtsmanage­ ments nicht um eine völlige Neuschaffung von Organisationsstrukturen gehen muss, sondern die Weiterentwicklung bestehender Führungsaufgaben ausrei­ chen könnte48. Problematisch ist eingedenk der steigenden Komplexität gericht­ licher Strukturen sowie wachsender Aufgaben der Gerichtsverwaltung, dass dem Gerichtspräsidenten neben richterlichen und repräsentativen Funktionen die zunehmend komplexeren Aufgaben des Gerichtsmanagements zuwachsen49. Wie auch die Geschäftsleiter verfügen die mit der Gerichtsverwaltung betrauten Richter über eine vorrangig auf die Betätigung im Rahmen der Rechtsprechung 46 

Siehe zu diesen Tätigkeitsfeldern den Bericht der Justizbehörde (Einl., Fn.  61), S.  64 ff.; W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1998, S.  109 (114); Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  989 f., 991 f.; K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 (220 f.); B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (309 ff.); dies., NJW 2001, S.  3449 (3450). 47  Entsprechende Überlegungen wurden im Zusammenhang mit den Court Managern aus den USA bisher selten angestellt. Instruktiv hier die Untersuchungen von Gerichte K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 ff.; ders., Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  3; ders., DRiZ 1998, S.  241 ff., die allerdings nicht den gewünschten Nachklang fanden, sondern nur vereinzelt aufgegriffen worden sind; siehe bspw. W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1997, S.  290 ff.; H. Leeb, DRiZ 1997, S.  287 ff.; Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  993 ff.; T. Groß, Die Verwaltung 34 (2001), S.  371 (378 f.); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  634 ff. 48  Bericht der Justizbehörde (Einl., Fn.  61), S.  104 ff.; gleichsinnig T. Groß, Die Verwal­ tung 34 (2001), S.  371 (379). – Siehe aus U.S.-amerikanischer Sicht zu dem entscheidenden Faktor einer geeigneten Führung durch Richter im Rahmen der Gerichtsverwaltung Solomon/Somerlot, Caseflow (Teil  1, Fn.  245), S.  8 f.; Steelman/Goerdt/McMillan, Caseflow Ma­ nagement (Teil  1, Fn.  245), S.  61 ff. 49 Vgl. W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1997, S.  290 (291).

462 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells fixierte Ausbildung, ohne Fokus auf allgemeine Verwaltungsfragen50. Zuneh­ mend erfordert die gerichtsverwaltende Aufgabenerfüllung – vor allem wegen der diskutierten Modernisierungs- und Rationalisierungsprozesse – Fähigkei­ ten, die in der juristischen Ausbildung indessen nicht vermittelt werden51. Die Frage nach einer optimalen Führungsorganisation drängt dabei in zwei Rich­ tungen52: Zunächst geht es darum, ob die Aufgabenbündelung beim Gericht­ spräsidenten bestehen bleiben kann oder ob neben dem bisher verantwortlichen Gerichtspräsidenten eine zweite Führungsebene in Form eines Court Managers bzw. Gerichtsverwalters kreiert werden sollte53. Nachrangig, aber nicht weniger wichtig ist die sich anschließende Folgefrage, wie eine solche Position ausge­ staltet sein müsste54 und ob die bisher beim Gerichtspräsidenten liegenden Auf­ gaben der §§  21a ff. GVG unverändert Bestand haben sollten55. 2. Strukturelle Anforderungen an eine zweite Lenkungsebene Die strukturellen Anforderungen einer zweiten, spezialisierten Lenkungsebene sind im Detail nicht nachzuzeichnen56, weil sich die Strukturprobleme bereits aufdrängen. Die Verwaltungslenkung durch einen nichtrichterlichen Gerichts­ verwalter als „Verwaltungschef“ bleibt faktisch – auch wenn dies unter dem 50 

W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1997, S.  290 (291); ders., DRiZ 1998, S.  109 (114). Dies ist die einhellig verbreitete Meinung. So auch H. Leeb, DRiZ 1997, S.  287 (288); W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1997, S.  290 (291, 292); Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  992. 52  Ähnliche Grundüberlegungen finden sich bei Gerichte K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (220 f., 227 f.). 53  Zu dieser grundlegenden Fragestellung siehe zunächst W. Hoffmann-Riem, Die Verwal­ tung 30 (1997), S.  481 ff.; Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  992. Für die grund­ legende Notwendigkeit der Einführung eines Gerichtsmanagers sprechen sich aus W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1997, S.  290 ff., der sich allerdings auf die Darlegung rechtspolitischer Gründe beschränkt; F.-J. Mehmel, Betrifft Justiz 63 (2000), S.  324 (327). Überwiegend herrscht allerdings eine ablehnende Haltung, siehe so H. Leeb, DRiZ 1997, S.  287 ff.; W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1998, S.  109 (115); R. Faupel, DRiZ 2000, S.  312 (321); B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (312 f.); U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (326); Wittreck, Verwal­ tung (Einl., Fn.  9), S.  634 ff. Differenziert anhand der unterschiedlichen Aufgaben der Ge­ richtsverwaltung siehe Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  994, der folglich kein eindeutiges Fazit ziehen kann; ohne erkennbare Tendenz leider T. Groß, Die Verwaltung 34 (2001), S.  371 (378 f.). 54  Bericht der Justizbehörde (Einl., Fn.  61), S.  107; Weber-Hassemer, Professionelles Jus­ tizmanagement (Einl., Fn.  61), S.  158 ff.; Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  998 f. 55  Vgl. hierzu W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1998, S.  109 (115). 56  Ein zumindest vages Anforderungs- und Statusprofil für einen Gerichtsmanager ent­ wirft W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1997, S.  290 (292 f.); ähnlich zu der sich im Zweifel aufdrän­ genden Besoldungsfrage H. Leeb, DRiZ 1997, S.  287 (289). 51 

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung

463

Deckmantel der Selbstverwaltung proklamiert werden sollte57 – Lenkung von außen, durch eine idealerweise weiterhin der Exekutive zuzuordnende, in die eigentliche Rechtsprechungstätigkeit nicht involvierte, professionelle Person58. So verbieten sich aus personalpolitischen Gründen bereits sämtliche Konzepte zur Einführung eines Gerichtsmanagers, die eine zweite Lenkungsebene in die Justizhierarchie implementieren wollen – sei es als Jurist mit Verwaltungser­ fahrung oder als spezialisierter Nicht-Jurist59. Die Übertragung des Tätigkeits­ feldes der Dienstaufsicht ist ferner aus rechtlichen Gründen undurchführbar, da diese nach wie vor ausschließlich von einem Richter wahrgenommen werden kann (§  22 Abs.  3 GVG)60. Der Kernbereich richterlicher Tätigkeit muss unan­ getastet bleiben und entzieht sich jeglicher Form des Managements, sodass im Endeffekt unter der Voraussetzung traditioneller Orientierung an richterlicher Unabhängigkeit und dem gesetzlichen Richter für ein Gerichts­management we­ nig Raum bleibt61. Insbesondere die Implementierung einer Doppelspitze beste­ hend aus Gerichtspräsident und einem Gerichtsmanager birgt die Gefahr, die richterliche Weisungsfreiheit des Art.  97 Abs.  1 GG für die eigent­liche Recht­ sprechungstätigkeit der entscheidungsbetroffenen Richter zu untergraben62. Durch ein selbstverwaltetes Gerichtsmanagement wird der Friktion mit der richterlichen Unabhängigkeit überdies keine Abhilfe geschaffen, sodass dem von Röhl vorgeschlagenen Konzept, das Gerichtsmanagement in eine Selbst­ verwaltungsstruktur der Justiz zu implementieren63, an dieser Stelle vehement widersprochen werden muss64. Man mag in einer Professionalisierung der Auf­ gabenwahrnehmung dennoch den Vorteil sehen, dass ein spezialisierter Funkti­ onsträger aufgrund einer an betriebswirtschaftlichen oder verwaltungswissen­ schaftlichen Fähigkeiten orientierten Ausbildung den wachsenden Aufgaben 57 

Aus ihrer Warte nachvollziehbarerweise verknüpfen vor allem Richter den Professiona­ lisierungsaspekt der Gerichtsverwaltung mit der Aufwertung ihrer eigenen Tätigkeit. Siehe hierzu auch K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (245): „Das Neue Steuerungsmodell lässt sich auf die Justiz nur übertragen, wenn man ihr Selbstverwaltung gewährt“; deutlich auch B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (301, 312), die ein solches Konzept nachvollziehbar ablehnt. 58  Siehe gleichsinnig Weber-Hassemer, Justizmanagement (Einl., Fn.  61), S.  160 f.; B. Kra­ mer, ZZP 114 (2001), S.  267 (301, 315). 59  Siehe zu den einzelnen Konzeptionen eines Gerichtsmanagers Gerichte K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (220 f.); im Detail auch Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  998 f. 60  Vgl. hierzu auch H. Leeb, DRiZ 1997, S.  287 (287); W. Hoffmann-Riem, Die Verwaltung 30 (1997), S.  481 (993). 61  K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (244); Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  993, 998, 1001; U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (326). 62  Siehe so auch U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (326) m. w. N. 63  Siehe hier nur K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (245). 64  Eine ähnlich ablehnende Haltung artikuliert B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (301).

464 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells der komplexen Gerichtsverwaltungstätigkeit besser gewachsen ist als Akteure mit rein rechtswissenschaftlichem Hintergrund65. 3. Konfliktpotenzial Die Logik, die Managementidee auch personell und organisatorisch aus dem Richterberuf herauszulösen und zu verselbstständigen, ist als erster Impuls zu­ nächst einleuchtend, aber nicht die zwingend richtige Konsequenz66. Die Erfah­ rung in den USA hat überdies gezeigt, dass es vor allem im Bereich der Aufga­ benzuweisung zwischen Richtern und professionellen Court Managern Kon­ fliktpotenzial gibt67. Hintergrund der Konflikt-Gemengelage von richterlicher Unabhängigkeit und Court Management sind insofern nicht nur die verfas­ sungsrechtlichen Schranken, die der Einflussnahme auf die Richter im Rahmen ihrer Rechtsprechung gesetzt sind, sondern auch die grundlegend verschiede­ nen professionellen Zielsetzungen der beiden Personengruppen: Während auch die Richter an den amerikanischen Gerichten in aller Regel selbst über die Vor­ nahme gerichtsverwaltender Maßnahmen entscheiden möchten und sich daher zu ihrer Unterstützung als Court Administrator einen ausgebildeten Juristen wünschen, ist die Überzeugung des professionellen Court Managements auf den Gedanken der Spezialisierung gerichtet, der beinhaltet, dass die Richter sich der Rechtsprechung widmen, während die verwaltenden Aufgaben am Ge­ richt durch einen besonders ausgebildeten Spezialisten mit betriebswirtschaftli­ chem Fokus übernommen werden68. Konträre Überzeugungen auf Seiten der Handelnden begründen die Gefahr, die Effektivität der Gerichtsverwaltung zu hemmen, sodass die Implementierung einer zweiten Führungsebene an deut­ schen Gerichten in Form eines Gerichtsmanagers auch von diesem Standpunkt aus nicht uneingeschränkt empfehlenswert ist69. Überdies zeigt die 65 

So die zentrale These von W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1997, S.  290 (292). T. Groß, Die Verwaltung 34 (2001), S.  371 (379). 67 Vgl. K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (228); instruktiv auch mit Blick auf das Konfliktpotenzial zwischen Gerichtsmanagern und Geschäftsleitern H. Leeb, DRiZ 1997, S.  287 (288 f.); so auch eine der zentralen Thesen bei Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  1001. 68  Siehe instruktiv zu unterschiedlichen Ausgestaltungskonzepten einer Position als Ge­ richtsmanager K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (227 f.). Vgl. weiterhin R. B. Hoffman, The Justice System Journal 15 (1991), S.  652 ff.; Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  141; Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  152 ff., 158 ff. – Dieses Problem sieht in der deutschen Rechtsordnung auch H. Leeb, DRiZ 1997, S.  287 (288 f.); ohne ausreichend kritische Würdigung W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1997, S.  290 (293), der in Folge dessen die Definition eines adäquaten Anforderungsprofils offenlässt. 69  Dies entspricht auch der traditionellen Kritik des DRB, vgl. Positionspapier des DRB, in: DRiZ 1999, S.  457 (461 f.). So auch das Fazit bei Weber-Hassemer, Justizmanagement 66 

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung

465

U.S.-amerikanische Erfahrung eine gewisse Tendenz von Court Managern zu einer faktischen Autonomie und Verselbstständigung ihrer Position, obwohl sie rechtlich den Chief Judges unterstellt sind70. Bezogen auf Deutschland würde ein aus der Rechtspflegelaufbahn entlehnter Gerichtsverwalter gegenüber einer Aufgabenwahrnehmung durch Richter insofern keinen nennenswerten Vorteil bringen; zudem würde der Kompetenzzuwachs in Person des Geschäftsleiters lediglich zu Zuständigkeitskomplikationen führen71. Daher sind in der Person des richterlichen Gerichtsleiters Führungskompetenzen auszubauen72. 4. Dennoch: Grundsätzliche Notwendigkeit betriebswirtschaftlicher Orientierung Die mangelnde Vergleichbarkeit der deutschen und amerikanischen Gerichts­ verfassung sperrt sich mithin im Ergebnis gegenüber einer Übernahme des Court Managers nach amerikanischem Vorbild73. Dieses nunmehr wenig eu­ phorische Fazit darf allerdings nicht über die grundsätzliche Notwendigkeit ei­ nes Umdenkens in der Gerichtsverwaltung hinwegtäuschen74 und insbesondere nicht verschleiern, dass ein an betriebswirtschaftlichen Elementen ausgerichte­ tes Gerichtsmanagement auch Vorteile zu bringen vermag, sofern es in die be­ stehende ministeriale und richterliche Leitungshierarchie integriert wird. Einen einheitlichen Idealvorschlag für alle deutschen Gerichte kann es insofern jedoch nicht geben, da unterschiedliche Größen- und Strukturverhältnisse an den Ge­ richten nach flexiblen Modellen verlangen. So wird ein großes Landgericht mit ausgeprägtem Ressourcenbedarf ein weitaus größeres Potenzial für die Imple­ mentierung betriebswirtschaftlicher Elemente haben als es bei einem Amtsge­ richt der Fall wäre, das in einer entlegeneren Region liegt75. (Einl., Fn.  61), S.  160 f.; B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (312); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  637 f. 70  Dies wird plausibel auf ein deutsches Szenario übertragen von Karpen, Gerichtsmana­ ger (Einl., Fn.  10), S.  994. 71  Kritisch hierzu K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (220); H. Leeb, DRiZ 1997, S.  287 (288 f.). 72 Gleichsinnig Hertig/Emery, Richter (Rn.  362), S.  106. 73 Zumindest skeptisch im Hinblick auf die Vorbildfunktion des U.S.-amerikanischen Court Managements zeigt sich auch der Bericht der Justizbehörde (Einl., Fn.  61), S.  107; W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1998, S.  109 (115). 74  W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1997, S.  290 (293) legt dies im Zusammenhang mit einer Einführung von Selbstverwaltungsstrukturen dar. Dieser Einschätzung kann eingedenk der Nachteile, die eine Selbstverwaltung der Gerichte mit sich bringen würde, nicht gefolgt wer­ den. 75  Ähnlich auch der Ansatz von W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1997, S.  290 (292, 293); gleich­ sinnig F.-J. Mehmel, Betrifft Justiz 63 (2000), S.  324 (327, 328).

466 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells a) Erfordernis erweiterter Kenntnisse Zur Bewältigung des eingangs beschriebenen Aufgabenspektrums wären erwei­ terte betriebswirtschaftliche und verwaltungswissenschaftliche Kenntnisse der leitenden Richter sowie der Geschäftsstellenleiter erforderlich, die im Rahmen der regulären juristischen und rechtspflegerischen Ausbildung nach wie vor nicht vermittelt werden. Bisher ist fraglich, ob die amtierenden Gerichtspräsidenten insofern über ausreichende Managementqualifikationen verfügen und die beste­ henden Weiterbildungsmaßnahmen einen hinreichenden Qualifikationsmecha­ nismus darstellen76. Die Implementierung von professionellen Spezialkenntnis­ sen in den Bereich der Gerichtsverwaltung kann im Übrigen selbstverständlich nur dann funktionieren, wenn der richterliche „Gerichtsverwalter“ in dieser Funktion von seiner richterlichen Tätigkeit freigestellt wird, da es andernfalls zu Kollisionen mit seiner eigentlichen Rechtsprechungstätigkeit kommen würde – dem steht §  4 Abs.  1 DRiG zurecht entgegen77. Nur bei einer strikten Trennung der gerichtsverwaltenden und rechtsprechenden Aufgaben sowie einer adäqua­ ten Aufgabenallokation innerhalb der Richterschaft unter vorsichtiger Lenkung durch das zuständige Ministerium kann die Bewältigung des Mehraufwandes, den die Gerichtsverwaltung für den Gerichtspräsidenten bedeutet, auch in Anse­ hung erweiterter betriebswirtschaftlicher Kenntnisse gelingen78. b) Umfang der Aufgabenwahrnehmung Da Richter nicht gleichzeitig Rechtsprechungs- und Exekutivorgan sein dürfen, kann sich die Übernahme von Aufgaben der Gerichtsverwaltung nur nach §  4 Abs.  2 Nr.  1 DRiG richten. Die Verpflichtung zur Übernahme von Gerichtsver­ waltungsaufgaben ist unter den Voraussetzungen der §§  42, 46 DRiG i. V. m. §  64 BBG nur dann möglich, wenn diese Nebentätigkeit den Richter „nicht über Gebühr in Anspruch nimmt“ und seine Tätigkeit im Hauptamt nicht beeinträch­ tigt79. Die Grenzen einer Inanspruchnahme über Gebühr sind fließend, müssen aber zugunsten eines flexiblen Richtereinsatzes in der Gerichtsverwaltung 76  Bericht der Justizbehörde (Einl., Fn.  61), S.  106 f.; Weber-Hassemer, Justizmanagement (Einl., Fn.  61), S.  158 f.; mit Zweifeln diesbezüglich offenbar Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  994 f., der es zweifelhaft findet, ob „eine bloße Zusatzqualifikation des Gericht­ spräsidenten für Managementaufgaben ausreichend ist“, schließlich aber einschränkend eben solche Weiterbildungsmaßnahmen in Erwägung zieht (ebda., S.  999). 77  Vgl. hierzu B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (313); H. Mertin, ZRP 2002, S.  332 (333). 78 Für kleinere Gerichte insofern gleichsinnig W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1997, S.  290 (292). 79  Siehe hierzu B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (313); Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  46 Rn.  38.

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung

467

grundsätzlich weit ausgelegt werden80. Haupttätigkeit soll weiterhin die Recht­ sprechung sein, deren Qualität unter der Übernahme von gerichtsverwaltenden Aufgaben nicht leiden darf. Ziel kann daher mit Blick auf den Justizgewährleis­ tungsanspruch sowie den Grundsatz der Gewaltenteilung i. V. m. Art.  92, 1. Hs. GG grundsätzlich nicht die Freistellung des Richters von Rechtsprechungsauf­ gaben sein81. Vielmehr ist ein System anzustreben, in dem der einzelne Richter neben sei­ ner Funktion als Organ der Rechtsprechung auch als Manager des äußeren Ord­ nungsbereichs der richterlichen Tätigkeit agiert. Verfassungsrechtliche Proble­ me ergeben sich nur dann, wenn die nicht-richterliche dienstliche Tätigkeit, die im Zusammenhang mit der Rechtsprechungstätigkeit steht, der Weisungsbefug­ nis der Exekutive unterstellt werden würde82. Insbesondere ist der Umgang mit möglichen Ingerenzen zwischen potenziellen Managementaufgaben und der inneren Unabhängigkeit eine dem Richter persönlich zufallende Aufgabe, die nicht der Verfassung anheim zu stellen ist83. Es geht hier nicht um eine breit angelegte Übertragung der Gerichtsverwaltungsaufgaben auf die Gerichte im Zuge einer richterlichen Selbstverwaltung84, sondern um die Professionalisie­ rung bestehender Strukturen. c) Umdenken im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit Eingedenk der wachsenden Autonomiebestrebungen der Richterschaft ist aller­ dings kaum vorstellbar, dass ein Modell, welches die Autonomie der Gerichte im Bereich der Gerichtsverwaltung vergrößert, auf Akzeptanz innerhalb der Justiz stoßen würde85. Kritisiert wird insbesondere, dass der vermeintliche Mehrwert einer professionellen Gerichtsverwaltungseinheit gegenüber dem be­ stehenden Gerichtsverwaltungssystem lediglich in der Fixierung eines profes­ 80 

Siehe im Detail zu den Grenzen der Übernahme einer Nebentätigkeit Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  42 Rn.  8. 81  Die (teilweise oder vollständige) Freistellung eines Richters von der Rechtsprechung zugunsten der Übernahme von Aufgaben der Gerichtsverwaltung ist nur nach Anhörung des Präsidiums gem. §  21e Abs.  6 GVG zulässig, vgl. Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  21e Rn.  58. 82  Vgl. hier nur BGH DRiZ 1997, S.  467 ff.; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  53 ff. 83  Siehe hier nur zu der persönlichen Verpflichtung des Richters, sich von unzulässigen Einwirkungen frei zu machen, W. Schaffer, BayVBl. 1991, S.  641 ff. – A. A. B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (314). 84  So ähnlich wird eine Professionalisierung der Gerichtsverwaltung beispielsweise von W. Hoffmann-Riem, Die Verwaltung 30 (1997), S.  481 (485 ff.); K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 (227 f.); ders., JZ 2002, S.  838 (843 ff.) proklamiert. 85  Ähnlich auch H. Leeb, DRiZ 1997, S.  287 (289), der davon abrät, eine weitere Hierar­ chieebene zu etablieren; gleichsinnig B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (312).

468 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells sionellen Managements auf Qualitäts- und Effizienzgesichtspunkte liege86. Ohne die Selbstverwaltungsbestrebungen der Richterschaft aus verfassungs­ rechtlicher und rechtspolitischer Sicht zu unterstützen87, lässt sich doch zumin­ dest das Fazit ziehen, dass die Aufgabenwahrnehmung an sich durch den inso­ fern geschulten Gerichtspräsidenten in seiner Funktion als exekutiver Amts­ walter ebenso gut erfüllt werden könnte, ohne dass die Gefahr einer rein instrumentellen Effizienzfokussierung durch eine zweite Lenkungsebene be­ stünde88. Einigkeit im rechtswissenschaftlichen Diskurs besteht zumindest in­ sofern, als dass auf rechtswissenschaftliche Fähigkeiten und entsprechende Er­ fahrungen auch im Bereich der Gerichtsverwaltung nicht verzichtet werden kann89. Einen gewissen Konsens findet auch die grundsätzliche Feststellung, dass betriebswirtschaftliche bzw. verwaltungswissenschaftliche Kompetenzen der Gerichtsverwaltung heutzutage zweckdienlich und förderlich wären90. Mehr als alles andere steht jedoch die Bereitschaft aus den Reihen der Rich­ terschaft selbst in Frage91. Die richterliche Unabhängigkeit steht zwar einer Mo­ dernisierung der Gerichtsverwaltung grundsätzlich nicht entgegen, sie wird al­ lerdings zunehmend als Privileg empfunden und als Individualrecht der Richter eingesetzt92. Die duale Verwaltung der Gerichte unter Beteiligung eines Court Managers in den USA ist auch nur deshalb verfassungsrechtlich zulässig, da die richterliche Unabhängigkeit lediglich einen engeren Bereich der Justiz­tätigkeit absteckt93. Es ist in diesem Zusammenhang die intrinsische Motivation und Leistungsbereitschaft der einzelnen Richter entscheidend, sodass statt der Ein­ führung einer zweiten Hierarchieebene in Deutschland idealerweise die Selbstheilungskräfte innerhalb der Justiz im Sinne der internen Akquise von Führungskräften zu aktivieren sind. Eine weitere Lenkungsebene hätte über­ dies die Funktion eines störenden Fremdkörpers94. Führungskompetenzen sind 86 

Weber-Hassemer, Justizmanagement (Einl., Fn.  61), S.  161. Siehe hierzu im Detail bereits oben Kap.  4 A. IV. 1. 88  Ähnlich auch Weber-Hassemer, Justizmanagement (Einl., Fn.  61), S.  161, die allerdings den Folgeschluss zieht, dass daher nur ein Selbstmanagement der Richterschaft in Betracht käme, wogegen oben bereits verfassungsrechtliche Gründe angeführt wurden; Karpen, Ge­ richtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  999. 89 Vgl. W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1997, S.  290 (293). 90  Wertungsfrei insofern W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1997, S.  290 (293); ders., DRiZ 1998, S.  109 (114); Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  997. 91  Zur Notwendigkeit einer Diskussionsbereitschaft siehe F.-J. Mehmel, Betrifft Justiz 63 (2000), S.  324 (328). 92 Gleichsinnig Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  997; F.-J. Mehmel, Betrifft Justiz 63 (2000), S.  324 (326). 93 Vgl. Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  1001; T. Groß, Die Verwaltung 34 (2001), S.  371 (378). 94 Gleichsinnig R. Faupel, DRiZ 2000, S.  312 (321). 87 

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung

469

daher zunächst als Fortbildungsmaßnahmen zu stärken95. In diesem Segment ist eine steigende Bereitschaft der Richterschaft zu vernehmen96. Eine Fortbil­ dungspflicht kann es in Ansehung der richterlichen Unabhängigkeit indessen nicht geben. Daher ist die in dem neu geschaffenen §  13 NWRiStaG in Nord­ rhein-Westfalen vorgesehene Fortbildungspflicht für Richter auch nur freiwilli­ ger Natur97. Unabhängig von Weiterbildungsmaßnahmen für bereits eingesetzte Gerichtspräsidenten ist die Fokussierung kommender richterpersonalpolitischer Auswahlentscheidungen auch an den Anforderungen des modernen Verwal­ tungsmanagements auszurichten98. Exekutive Weisungsrechte sind fer­ner uner­ lässlich; sie können im Zweifel verbleibende Unzulänglichkeiten aufzeigen und externe Lösungsmöglichkeiten und Sachverstand akquirieren99. Andernfalls untergräbt sich die Justiz selbst, sodass am Ende eine zweite Führungsebene als betriebswirtschaftlicher Gegenpol unausweichlich zu werden droht100.

95  Zu einer „Qualifizierungsoffensive“ in den 1990er Jahren in Bayern siehe bereits H. Leeb, DRiZ 1997, S.  287 (288, 289), dessen Ausführungen – auch wenn etwas veraltet – einen allgemeinen und anschaulichen Empfehlungscharakter haben; ähnlich W. Hoffmann-­ Riem, Die Verwaltung 30 (1997), S.  481 (498 ff.); mit Blick auf die Forderungen aus der Rich­ terschaft nach einer Selbstverwaltung so auch B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (313). Siehe zur Richterfortbildung als Element zur Verbesserung der Rechtsprechungsqualität G. Mackenroth, DRiZ 2000, S.  301 (309); C. Balzer, DRiZ 2007, S.  88 (89 f.); E. Hartung, DRiZ 2013, S.  392 f.; Schneider, Ethik (Einl., Fn.  5), S.  554: „berufsmoralisch drängt es sich auf, dass die verantwortliche Ausübung des Richterberufs die beständige und breit angelegte Fortbildungs­ bereitschaft verlangt“. 96  Siehe DRB, Eckpunkte zur Fortbildung der Richter und Staatsanwälte, Stand: 29.4.2016, Punkt 1: „Die berufliche Fortbildung gehört seit jeher zum Selbstverständnis der Richter und Staatsanwälte“ (abrufbar unter http://www.drb.de/fileadmin/docs_public/Positionen/DRB_ 160428_Eckpunkte_zur_Fortbildung_der_Richter_und_Staatsanw%C3%A4lte.pdf, zuletzt abgerufen am 9.8.2017). 97 Siehe T. Trierweiler/T. Baumanns, NWVBl. 2016, S.  52 (54). 98 Vgl. W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1998, S.  109 (114); F.-J. Mehmel, Betrifft Justiz 63 (2000), S.  324 (328) mit der Einschränkung, dass dies zumindest für große Gerichte zu gelten habe; G. Mackenroth/R. Wilke, DRiZ 2001, S.  148 (160). – Siehe zu den bestehenden Fortbil­ dungsmaßnahmen in Nordrhein-Westfalen für die ordentliche Gerichtsbarkeit E. Hartung, DRiZ 2013, S.  392 f., deren Bericht allerdings die Ausbaufähigkeit des Fortbildungssystems im Hinblick auf Führungskompetenzen nahelegt, wenngleich er ein durchweg positives Bild von den Weiterbildungsmechanismen zeichnet; vgl. weiterhin T. Trierweiler/T. Baumanns, NWVBl. 2016, S.  52 (54). 99  Zu optimistisch ist hier das Fazit von H. Leeb, DRiZ 1997, S.  287 (289), der im Zweifel auf die Zuhilfenahme externen Sachverstandes zurückgreifen will, falls interne Förderungs­ maßnahmen nicht ausreichen; ähnlich auch Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  999. 100  Ein gleichsinniges Fazit zieht F.-J. Mehmel, Betrifft Justiz 63 (2000), S.  324 (326), der die Gefahr sieht, die Justiz könne „durch eigene Weigerung denen in die Hand arbeiten, die Justiz als reine Kostenlast sehen“.

470 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells II. eJustice Der Einsatz moderner Informationstechnologien stellte die Justiz in der jünge­ ren Vergangenheit vor die größten Herausforderungen101. Das aktuell am weit­ aus häufigsten aufgegriffene Thema in der Reformdebatte der dritten Gewalt ist die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs in der Justiz102. Das sog. eJu­ stice-Gesetz ist am 1. Januar 2018 in Kraft getreten und legt der deutschen Justiz eine zum Teil als solche empfundene Bürde auf103. Die Elektronisierung der Justiz hat sich in den USA bereits wie selbstverständlich im Rahmen des tech­ nologischen Fortschritts vollzogen104. Es lässt sich indessen auch aus deutscher Sicht konstatieren, dass zum einen weite Bereiche des rechtswissenschaftlichen Rechtsverkehrs – vor allem in Anwaltssozietäten und Unternehmen – bereits digitalisiert sind105 und dass zum anderen auch die Einführung von IuK-basier­ ter Technik Bestandteil der Gegenwart der Justiz ist. Es geht hier nicht mehr um die Frage, ob eine elektronisch arbeitende Justiz kommt, es geht vielmehr um die Art, den Umfang und die Geschwindigkeit der weiteren Entwicklung106. Praktische Befürchtungen werden indessen nicht zu Unrecht laut107. Bezüg­ lich der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs, die sich durch die Ab­ 101 

Zum Einsatz moderner IT-Strukturen in der Justiz und den rechtlichen Rahmenbedin­ gungen siehe M. Ballhausen, IT-Einsatz in der Justiz. Technik, Recht, Realisierung, 2012, S.  1 ff., 46 ff.; R. Köbler, DRiZ 2013, S.  76 ff.; R. Gaier, NJW 2013, S.  2871 (2873 f.); B. Hirtz, NJW 2014, S.  2529 (2531 f.); U. Berlit, Betrifft Justiz 121 (2015), S.  15 ff.; H. Schmitz/L. Prell, NVwZ 2016, S.  1273 ff. 102  Die Reformdiskussion wird übersichtlich und instruktiv nachgezeichnet von H. Müller, JuS 2015, S.  609 ff.; auf den neuesten Stand bringt N. Fischer, ZAP 2019, S.  147 ff. 103  H. Müller, JuS 2015, S.  609 (613) zeichnet das Stimmungsbild in der Richterschaft nach und deckt auf, dass vor allem in der Alterskohorte zwischen 45 und 55 Jahren die Rich­ ter der Einführung von eJustice skeptisch und pessimistisch gegenüberstehen; knapp hierzu W. Viefhues, Betrifft Justiz 121 (2015), S.  11 (13). 104  Siehe instruktiv zur elektronischen Aktenführung an U.S.-amerikanischen Gerichten Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  215. 105  So der Ausgangsbefund von H. Müller, JuS 2015, S.  609 (609). – Die Probleme, welche der Digitalisierungsaufschwung innerhalb der Justiz und der Gerichtskommunikation mit sich bringt, sind indessen frappierend. Insbesondere das besondere elektronische Anwalts­ postfach (beA) wirft auch zwei Jahre nach der Einführung nicht nur neue rechtliche Fragen (vor allem der Fristwahrung) auf, sondern wird aufgrund eklatanter technischer Mängel und wegen regelmäßigen Ausfällen zur Geduldsprobe für viele Anwältinnen und Anwälte. Siehe allgemein zum beA C Brosch/C. Sandkühler, NJW 2015, S.  2760 ff.; A. Löschhorn, MMR 2018, S.  204 ff.; C. Ulrich/P. Schmieder, NJW 2019, S.  113 ff.; siehe beispielhaft aus der Rspr. OVG Lüneburg, Beschl. v. 31.3.2020 – Az. 9 LA 440/19. 106  So bereits U. Berlit, JurPC-Web-Dok. 171/2007, Abs.  19 ff.: „E-Justice ist als Realität irreversibel“ (Zitat Abs.  22); ähnlich auch H.-G. Hansen, DRiZ 2012, S.  150 (150); R. Krisze­ leit, AnwBl. 2013, S.  91 ff. 107  Zu den Herausforderungen, die das eJustice-Gesetz mit sich bringt, siehe hier nur

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung

471

lösung von Post und Telefax durch EGVP, De-Mail108 und Digifax vollzieht, ist die Justiz mit neuen Rechtsfragen konfrontiert: Insbesondere die Form- und Fristwahrung ist aus technischer Sicht zu beurteilen; hier wird Rechtssicherheit durch Übergangsfristen im eJustice-Gesetz gewährleistet109. Ebenso ergeben sich Detailfragen zur elektronischen Signatur110 sowie zum Datenschutz111 und zur Datensicherheit112. Allerdings bietet die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs umso mehr Chancen auf dem Weg zu einer effizienteren Gestal­ tung der Rechtspflege113, sofern insbesondere die Umstellung auf die eAkte stö­ rungsfrei gewährleistet werden kann. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist die elektronische Aktenführung hingegen prekär114. Von Seiten der Richter wurde teilweise moniert, dass man sich nicht in ein elektronisches Schema pressen lassen wolle, dessen Arbeitsabläufe im Zweifel unausgereift und zeitaufwändig seien und von der Exekutive diktiert würden115. So bedeutet eine elektronische Aktenführung in zunehmend digitalisierten Zeiten ein strukturell erhöhtes Ge­ fahrpotenzial für das Verfassungsprinzip der richterlichen Unabhängigkeit116. T. Dickert, DRiZ 2014, S.  128 (130 f.); etwas pessimistisch ist C. Schürger, DRiZ 2014, S.  92 (93) im Hinblick auf die Umsetzbarkeit. 108  Eine De-Mail unterliegt besonderen Verschlüsselungsanforderungen, vgl. §  1 Abs.  1 De-MailG. 109  M. Weller, DRiZ 2013, S.  290 (293); H. Meyer, NZS 2014, S.  294 f.; H. Müller, JuS 2015, S.  609 (610 ff.). 110  Siehe H.-G. Hansen, DRiZ 2012, S.  150 (151 f.); M. Weller, DRiZ 2013, S.  290 (291 f.); H. Müller, JuS 2015, S.  609 (611); K. Bacher, NJW 2015, S.  2753 (2753 f.); aus praktischer Perspektive zu den Anforderungen E. Lamminger/C. Ulrich/P. Schmieder, JW 2016, S.  3274 ff. 111  Die Gewährleistung des Datenschutzes scheint in diesem Zusammenhang indessen das geringste Problem zu sein. Zu entsprechenden Risiken siehe dennoch S. Wußler, DRiZ 2014, S.  366 f., der ein pessimistisches Bild der Verschlüsselung elektronischer Akten zeich­ net; H. Müller, JuS 2015, S.  609 (613). – Siehe auch den Beitrag von A. Voßhoff/P. Büttgen, DRiZ 2015, S.  88 f. vor dem Hintergrund allgemeiner Hacker-Skandale. 112  Insbesondre ergeben sich in Bezug auf die eAkte hohe Anforderungen, siehe U. Berlit, Betrifft Justiz 121 (2015), S.  15 (22 f.); mit großer Skepsis W. Kaleck, Betrifft Justiz 128 (2016), S.  201 (204). 113  So auch das Fazit bei H. Müller, JuS 2015, S.  609 (613); gleichsinnig W. Viefhues, DRiZ 2015, S.  312 (316 f.); U. Berlit, Betrifft Justiz 121 (2015), S.  15 (16 f.); . N. Fischer, ZAP 2019, S.  147 ff.. 114  W. Bernhardt, NJW 2015, S.  2775 (2776); G. Starosta, DÖV 2020, S.  216 ff. 115 Siehe T. Dickert, DRiZ 2014, S.  128 (129): „Nicht das Programm soll die Arbeitsweise des Entscheidungsträgers beeinflussen, sondern umgekehrt“; mit leiser Kritik aus richter­ licher Perspektive G. Gundlach, DRiZ 2015, S.  96 (99 ff.); siehe zusammenfassend W. Bernhardt, NJW 2015, S.  2775 (2776); siehe auch B. J. Scholz, DRiZ 2016, S.  22 (24); perspekti­ visch M. Gogger, DRiZ 2016, S.  420 ff. 116  Mit dieser Tendenz auch J. Krüger/F. Möllers, MMR 2016, S.  728 (730). Gefahren für die richterliche Unabhängigkeit werden im Übrigen anschaulich beleuchtet von U. Berlit, Betrifft Justiz 121 (2015), S.  15 (17 ff.); siehe jüngst auch G. Starosta, DÖV 2020, S.  216 ff.

472 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells Der Bestand der Papierakte ist zwar nicht von Art.  97 Abs.  1 GG geschützt117. Die richterliche Unabhängigkeit könnte jedoch gefährdet sein, weil durch die Metadaten der eAkte digitale Spuren erzeugt werden und so über ein differen­ ziertes Tätigkeitsprofil auch eine Kontrolle von tatsächlichen Zugriffen auf die Dokumente möglich wird118. Vor dem Hintergrund des Art.  97 Abs.  1 GG und um jeglichen psychischen Druck auf die Arbeitsweise der Richter zu vermeiden, sind daher besondere technische Vorkehrungen zu treffen, um den Zugriff durch die Gerichtsverwaltung auf Metadaten der elektronischen Akten zu verhin­ dern119. Überdies darf die elektronische Aktenführung nicht zu (mittelbaren) Vorga­ ben in der Bearbeitungsreihenfolge führen120. Sofern mit der Einführung verän­ derter Arbeitsmittel nicht ein – wenn auch nur mittelbarer oder subtiler – Druck auf das richterliche Zeitmanagement und die Arbeitsweise verbunden ist, sind Friktionen mit der richterlichen Unabhängigkeit ganz allgemein nicht ersicht­ lich121. Nachteile der Arbeit in elektronischer Form, wie längere Bildschirmar­ beit, ergonomische Nachteile oder die allgemeine Qualität der elektronischen Ausstattung, sind ebenso wenig wie der erhöhte Arbeitsaufwand, der regelmä­ ßig mit der Einarbeitung in technologische Neuerungen einhergeht, per se ein Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit, auch wenn in diesem Zusammen­ hang mitunter eine mittelbare Beeinflussung der richterlichen Arbeitsweise nicht ausgeschlossen erscheint122. Weitere verfassungsrechtliche Bedenken sind im Rahmen der eJustice-Debatte nicht ersichtlich, sodass hier der Hinweis auf die Vorteile des elektronischen Rechtsverkehrs für die Effizienz der Rechtspre­ chung und mithin für die Justizgewähr des einzelnen Bürgers genügen soll123. Insbesondere ermöglicht die elektronische Aktenführung dem einzelnen Rich­ 117 Vgl.

U. Berlit, Betrifft Justiz 121 (2015), S.  15 (17). Siehe BVerfG NJW 2013, S.  2102; U. Berlit, Betrifft Justiz 121 (2015), S.  15 (19); J. Krüger/F. Möllers, MMR 2016, S.  728 (730); differenzierend G. Starosta, DÖV 2020, S.  216 ff. 119  Auf das Bestehen entsprechender Schutzvorrichtungen hat der Richter i. d. R. zu ver­ trauen und darf sich ohne konkreten Anlass also nicht in seiner Arbeit durch die Befürchtung beirren lassen, er sei kontrollierbar. So auch Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  205 ff.; U. Berlit, Betrifft Justiz 121 (2015), S.  15 (18 f.); J. Krüger/F. Möllers, MMR 2016, S.  728 ff. 120  Siehe hierzu U. Berlit, Betrifft Justiz 121 (2015), S.  15 (17); B. J. Scholz, DRiZ 2016, S.  22 (24 f.); so auch der positive Bericht aus richterlicher Perspektive von P. Pöhlmann/ A. Begemann, DRiZ 2016, S.  132 f.; ein positives Feedback ist auch aus Nordrhein-Westfalen zu vernehmen, siehe B. Sczech, DRiZ 2016, S.  206 f. 121  So auch U. Berlit, Betrifft Justiz 121 (2015), S.  15 (17). 122  Siehe instruktiv U. Berlit, Betrifft Justiz 121 (2015), S.  15 (18). 123 Zu den praktischen Vorteilen der elektronischen Fallbearbeitung siehe anschaulich R. Köbler, Vom „Mehrwert“ elektronischer Fallbearbeitung, in: DRiZ 2013, S.  76 ff.; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  197 ff. 118 

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung

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ter eine größere Entscheidungsfreiheit über Ort und Zeitpunkt der Aktenbear­ beitung, sodass mit ihr eine Stärkung der richterlichen Unabhängigkeit verbun­ den ist124. Die Umsetzung sämtlicher eJustice-Maßnahmen bedarf indessen nicht nur Zeit und Geld für eine hinreichende Hardware-Ausstattung auf dem neusten technischen Stand, sondern insbesondere einer innovationsoffenen Ein­ stellung in der Richterschaft125. Die langfristige Rentabilität im Hinblick auf den Kosten- und Zeitfaktor stellt insofern einen wesentlichen Anreiz dar126 und sollte über die mittelfristigen Be­ denken der Sinnhaftigkeit der elektronischen Justiz hinweghelfen. Insgesamt kann derweil ein positives Meinungsbild im Hinblick auf die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs sowie der elektronischen Aktenführung ver­ nommen werden127, das einen mit Blick auf die Aktualität des eJustice zumin­ dest zu dem positiven Zwischenfazit führt, dass sich die Binnenstrukturen der Justiz grundsätzlich offen gegenüber Modernisierungsmaßnahmen zeigen. Wenngleich besonders der durch die Einführung der eAkte und des elektroni­ schen Posteingangs entstehende Mehraufwand insbesondere für die Geschäfts­ stellen angemahnt wird, ist der allgemeine Tenor hinsichtlich der Digitalisie­ rung der Justiz vor allem unter jungen Richtern sehr positiv. Hier werden Fak­ toren wie Kosteneinsparungen und effizientere Arbeitsabläufe als langfristig zu erzielende Vorteile angesehen128. III. Caseflow Management Der rationelle Einsatz von Ressourcen richterlicher Arbeitskraft ist eine der we­ sentlichen Triebfedern zur Verbesserung der Rechtsprechungsqualität129. Aus aktuellem Anlass sei insbesondere die Erwähnung der alternativen Streitbeile­ gung in den USA hervorgehoben, die ein Feld des Case Managements darstellt: So eröffnet die Alternative Dispute Resolution (ADR) der Beilegung von Strei­ tigkeiten an U.S.-amerikanischen Gerichten variable Möglichkeiten, die Perso­ 124 Anschaulich

Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  220. auch R. Köbler, Vom „Mehrwert“ elektronischer Fallbearbeitung, in: DRiZ 2013, S.  76 ff.; W. Viefhues, DRiZ 2015, S.  312 (317); ders., Betrifft Justiz 121 (2015), S.  11 (13); U. Berlit, Betrifft Justiz 121 (2015), S.  15 (17 f., 25 f.). 126 Vgl. M. Weller, DRiZ 2013, S.  290 (295). 127 Siehe mit einer Zusammenfassung Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  203 ff.; eigene Erfahrungen schildert H. Müller, DRiZ 2014, S.  290 f.; siehe auch das Fazit bei B. J. Scholz, DRiZ 2016, S.  22 (24). 128  Mit dieser Tendenz siehe die Untersuchungen bzw. Befragungen von H. Müller, JuS 2015, S.  609 (613). 129  So eingehend C. Balzer, DRiZ 2007, S.  88 (88); H.-P. Freymann/S. Geib, DRiZ 2014, S.  372 (372). 125  Ähnlich

474 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells nal und Kosten sparen130. Die Frage nach der Einführung eines professionali­ sierten Gerichtsmanagements stellt sich vor allem im Bereich der Geschäftsver­ teilung131, die in den Vereinigten Staaten als Caseflow Management mit deutlich umfangreicheren Kompetenzen als in Deutschland ausgestattet (1.) ist132 und sich daher nur bedingt für eine Übertragung auf die deutsche Gerichtsverwal­ tung eignet (2.). 1. Ausgestaltung des Caseflow Managements im Vergleich zur deutschen Gerichtsverwaltung Das Caseflow Management beschäftigt sich neben der Verteilung der anfallen­ den Geschäfte des Gerichts darüber hinaus mit der Prozessterminierung und -vorbereitung133. Es kann in diesem Umfang bereits deshalb nicht als Modell für eine Reform der Geschäftsverteilung an deutschen Gerichten dienen, da sich der Kern richterlicher Tätigkeit in den USA auf den Trial (also lediglich die münd­ liche Verhandlung) selbst bezieht und insofern prozessvorbereitende Maßnah­ men dem Schutz der richterlichen Unabhängigkeit entzogen sind134. Prozessvor­ bereitungsmaßnahmen und faktisch alles, was sich außerhalb der mündlichen Verhandlung abspielt, können in den Vereinigten Staaten daher unproble­matisch auch nicht-richterlichem Personal überlassen werden135. In Deutschland hinge­ gen bezieht der Kernbereich der Rechtsprechung all diejenigen richter­lichen Handlungen mit ein, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Rechtsfindung stehen und die daher durch den gesetzlichen Richter i. S. d. Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG wahrzunehmen sind136. Der Vorgang der Geschäftsver­ teilung unterliegt überdies dem Bereich der richterlichen Selbstverwaltung und ist mithin sämtlichen exekutiven Weisungen ausdrücklich entzogen137. Mangels 130  Mahoney, Times (Teil  1, Fn.  252), S.  63 ff.; Steelman/Goerdt/McMillan, Caseflow Ma­ nagement (Teil  1, Fn.  245), S.  119 ff. 131  K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (244 f., 248); Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  995; H. Wipfli, Justizmanagement am Beispiel eines Steuergerichts. Struktur, Organisation und Führung, 2006, S.  69 ff. 132  Vgl. instruktiv Mahoney, Times (Teil  1, Fn.  252), S.  71 ff. 133  Siehe hierzu bereits umfassend Kap.  4 B. III. 2. 134 Gleichsinnig K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (226). 135  Siehe hierzu auch K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (226 f.). 136  Hierzu gehören bspw. die Anordnung einer Beweisaufnahme sowie die Termins­ bestimmung, vgl. Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  299; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  2), Art.  92 Rn.  37. 137  Siehe hier nur Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  136; Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  26, 94 f.; C. Degenhart, HStR³ V, §  114 Rn.  36; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  84, §  21e Rn.  20; J. Rathmann, in: I. Saenger (Hrsg.), ZPO-Kommentar, 8.  Aufl. 2019, §  21e GVG Rn.  1.

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung

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Spezialisierung ist an den meisten U.S.-amerikanischen Gerichten eine flexible Verteilung der eingehenden Fälle nach Verfügbarkeit der Richter praktikabel, während in Deutschland durch den hohen Spezialisierungsgrad der Richter in­ dessen jeweils nur ein gewisser Teil der an einem Gericht tätigen Richter für einen bestimmten Fall überhaupt zuständig sein kann. 2. Eingeschränkte Übertragbarkeit des Caseflow Management-Gedankens auf die deutsche Gerichtsverwaltung Eine uneingeschränkte und unreflektierte Übertragbarkeit des amerikanischen Prinzips des Caseflow Managements auf die deutsche Gerichtsverwaltung, wel­ ches im Zweifel auch eine kurzfristige Änderung des zuständigen Richters und seine Zuweisung an ein anderes Gericht möglich machen würde138, ist nicht Ziel der folgenden Ausführungen. Dem Grunde nach ist der einzelne Richter nicht austauschbar139; daher soll es nicht Intention dieser Untersuchung sein, ein vor diesem Hintergrund an dem U.S.-amerikanischen Caseflow Management orien­ tiertes Modell unter Beteiligung eines Court Managers zu entwerfen, da eine solche Delegation bereits an den Anforderungen der Geschäftsverteilung im Hinblick auf die Weisungsfreiheit scheitern würde140. Gleichwohl soll ein Übergang auf eine Verteilung der eingehenden Fälle un­ ter Effizienzgesichtspunkten erwogen werden, die den zu erwartenden Zeitauf­ wand der Bearbeitung sowie die bisherige Auslastung der Richter tagesaktuell berücksichtigt141. Eingehende Fälle könnten somit flexibel unter Berücksichti­ gung der Eignung der Richter sowie der zu erwartenden Bearbeitungsdauer und -intensität auf die einzelnen Richter und Spruchkörper außerhalb des Jahrespla­ nes bedarfsgerecht verteilt werden142. Eingedenk der unaufhörlichen Kritik an der punktuellen Überlastung der Justiz bzw. einzelner Dezernate könnte durch ein solches „fallnahes“ Gerichtsmanagement die optimale Einsetzung vorhan­ dener Ressourcen im Wege einer sachgerechten, aber zugleich flexibleren Ge­ schäftsverteilung erreicht werden143. Hierfür streitet im Übrigen auch der Zweck 138 

Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  545 f. Classen, Legitimation (Einl., Fn.  78), S.  52. 140 Gleichsinnig Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  995. 141  Fabri, Issues (Teil  1, Fn.  2), S.  192 beschreibt dies anschaulich als Praxis eines U.S.-­ amerikanischen Court Managers. Siehe am Beispiel Saarbrückens mit einem positiven Er­ fahrungsbericht H.-P. Freymann/S. Geib, DRiZ 2014, S.  372 ff. 142  Vgl. jedoch mit einem ablehnenden Votum Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  995. – Positiv votiert dem Grunde nach F.-J. Mehmel, Betrifft Justiz 63 (2000), S.  324 (326), der die Möglichkeit der Aufgabenverteilung auf Basis von Belastungsanalysen sieht. 143  So auch K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (248); instruktiv zu den sog. Ressourcenma­ nagementaufgaben Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  991 f. m. w. N. 139 

476 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG, neben der Bestimmtheit des gesetzlichen Richters auch die Effektivität und Fairness richterlichen Rechtsschutzes zu gewährleis­ ten144. Insofern hat es zum Teil bereits ein Einlenken des Bundesverfassungsge­ richts bezüglich der ansonsten starren personellen Festlegung auf den einen gesetzlichen Richter gegeben, indem das Gericht zumindest andeutet, dass die Effektivität der Rechtsprechung bei der Geschäftsverteilung nicht völlig unbe­ rücksichtigt bleiben kann und soll145. Die entsprechende Entscheidung gilt in­ dessen lediglich für bereits anhängige Verfahren. Für den Gerichtszugang ist somit weiterhin Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG gewahrt. Die Entscheidung ist im Üb­ rigen als Ausnahmefall anzusehen, da nach wie vor hohe Hürden hinsichtlich der Dokumentation und Begründung aufgeführt werden. Die „Gesetzlichkeit“ des Richters muss daher einer genaueren Untersuchung unterzogen werden. Schaut man lediglich auf den Wortlaut des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG könnte man dem vorschnellen Irrtum unterliegen, dass das Prinzip des gesetzlichen Richters allein die nachträgliche Entziehung des festgelegten Rich­ ters untersage. Die Determination der Geschäftsverteilung durch das Anforde­ rungsprofil des Art.  101 Abs.  2 S.  1 GG im Zusammenhang mit der Geschäfts­ verteilung ergibt sich indessen auf unterschiedlichen Ebenen. Näher zu beleuch­ ten sind daher das Vollständigkeitsprinzip (a.), das Vorauswirkungsprinzip (b) sowie der Bestimmtheitsgrundsatz (c) des Geschäftsverteilungsplanes. a) Vollständigkeitsprinzip Zunächst lässt sich über eine mögliche Aufweichung des Vollständigkeitsprin­ zips nachdenken, nach dem grundsätzlich alle Geschäftsaufgaben zu verteilen sind146. Die ausnahmslose Geltung147 des Vollständigkeitsprinzips soll dabei nicht in Frage gestellt werden, da die Verteilung sämtlicher anfallender Auf­ gaben stets Ziel der Geschäftsverteilung bleiben muss148. Es ist allerdings nicht 144 Siehe

instruktiv Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  310; Kissel/ Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  16 Rn.  69, 79 ff. 145  Vgl. BVerfG NJW 2009, S.  1734 (1734): „Die Rechtsprechungstätigkeit der Gerichte und ihrer Spruchkörper oder Abteilungen wird immer wieder auch mit nicht vorhersehbaren Ereignissen und Entwicklungen wie Überlastung, unzureichender oder ungleicher Auslas­ tung, Ausscheiden oder langfristiger Verhinderung einzelner Richter konfrontiert. Solche Umstände erfordern ein Eingreifen des Spruchkörpers oder des Präsidiums, um die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen“; siehe dazu Classen (Teil  2, Fn.  680), Art.  101 Rn.  48 ff.; G.-P. Calliess, NJW-Beil. 2014, S.  27 (29). 146 Siehe hierzu Sowada, Richter (Teil  2 , Fn.  668), S.  251 f.; Schilken, Gerichtsverfas­ sungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  374; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  21e Rn.  92. 147  So die einhellige Ansicht bei O. Feiber, NJW 1975, S.  2005 f.; Reichl, Probleme (Teil  2 , Fn.  668), S.  111 ff.; Sowada, Richter (Teil  2, Fn.  668), S.  251. 148  Siehe instruktiv Sowada, Richter (Teil  2 , Fn.  668), S.  251.

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung

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als Verstoß gegen das Vollständigkeitsprinzip zu werten, wenn in Ansehung einer hinreichenden Personalausstattung für alle Rechtssachen faktisch mehr als ein Richter vorgesehen wird – wie dies im Rahmen von Vertretungsregelun­ gen bereits der Fall ist. Das Vollständigkeitsprinzip zielt gemäß dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte von §  21e Abs.  1 S.  1 GVG darauf ab, zu verhin­ dern, dass bestimmte Geschäfte, die beispielsweise als nicht justiziabel oder weniger wichtig eingestuft werden, überhaupt nicht verteilt werden149. Die Zu­ ständigkeit eines bestimmten Richters ergibt sich hieraus jedoch noch nicht; vielmehr können grundsätzlich auch mehrere Richter in alternativer Reihen­ folge festgelegt werden, um dem Vollständigkeitsprinzip dennoch Genüge zu tun, solange aus inhaltlich-sachlicher Perspektive alle Geschäftsaufgaben be­ rücksichtigt werden. b) Vorauswirkungsprinzip Im Hinblick auf das Vorauswirkungsprinzip150, welches besagt, dass alle Ge­ schäfte im Voraus verteilt werden müssen, stellt sich die Frage nach zulässigen Grenzen, in denen die Vorausbestimmung des gesetzlichen Richters nicht ab­ schließend konkretisiert wird bzw. abänderbar bleibt. Der Schutzzweck der Vo­ rauswirkung des §  21e Abs.  1 S.  2 GVG bezieht sich auf ein Verbot rückwirken­ der Geschäftsverteilungsentscheidungen151. Obwohl grundsätzlich die abstrakt-­ generelle Verteilung der Verfahren zu erfolgen hat, bevor sich diese konkretisiert haben, ist auch nach herrschender Ansicht eine Umverteilung bereits anhängi­ ger Sachen aus zwingendem Anlass möglich152. Daher ließe sich aus denselben Gründen bereits im Vorhinein ein gewisser Spielraum für eine flexiblere Um­ verteilung schaffen, ohne dass ein Verstoß gegen das Vorauswirkungsprinzip vorläge. Zu diesen zwingenden Gründen zählen unter anderem ein Mangel an verfügbaren Richtern sowie eine nicht anders zu handhabende Überbelastung von Kammern oder Spruchkörpern153. Wenn eine Umverteilung der Geschäfte 149  Zur Auslegung von §  21e Abs.  1 S.  1 GVG im Zusammenhang mit den Erfordernissen der Vollständigkeit der Geschäftsverteilung siehe hier nur O. Feiber, NJW 1975, S.  2005 f.; Sowada, Richter (Teil  2, Fn.  668), S.  251. 150  BVerfGE 69, 112 (121); C. Degenhart, Gerichtsorganisation, in: HStR³ V, §  114 Rn.  35, 36; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  21e Rn.  98; Schulze-Fielitz (Teil  2, Fn.  668), Art.  101 Rn.  43. 151  Im Umkehrschluss sind Anordnungen (des Präsidiums) lediglich für die Zukunft zu treffen, vgl. Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  21e Rn.  98. 152  Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  21e Rn.  98. – Zu diesem Zwecke existieren bspw. Vertre­ tungsregelungen, die den augenscheinlichen Vorteil haben, dass in Ansehung von Art.  101 Abs.  2 S.  1 GG dem Bürger sein gesetzlicher Richter zumindest zunächst einmal zugeteilt worden ist. 153  Siehe im Detail Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  21e Rn.  98. – Siehe weiterhin BVerfG

478 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells im Nachhinein in Ausnahmefällen möglich ist, ist nicht ersichtlich, weshalb nicht im Vorhinein eine solche Option für Ausnahmefälle außerhalb des Prozederes der Änderung des Geschäftsverteilungsplanes geschaffen werden sollte, da sich auf diese Weise inner-justizielle Kompetenzstreitigkeiten vermeiden ließen. c) Der Bestimmtheitsgrundsatz als Bewertungsmaßstab für eine Übertragbarkeit Die Bestimmtheit der Geschäftsverteilung ist eingedenk von Optimierungs­ überlegungen des Geschäftsverteilungsplanes der entscheidende Grundsatz, da er die möglichst eindeutige Bestimmung des (einzelnen) gesetzlichen Richters voraussetzt154. Fraglich ist, ob es Möglichkeiten gibt, die grundsätzliche Unver­ änderbarkeit des Geschäftsverteilungsplanes zu flexibilisieren, indem der Ge­ schäftsverteilungsplan eine im Wesentlichen allgemeine Verteilung vorsieht, damit im Bedarfsfall und vor allem tagesaktuell – bei Über- oder partieller Un­ terbelastung – Anpassungen im Hinblick auf den tatsächlichen Geschäftsanfall unter Berücksichtigung tatsächlicher Arbeitsbelastungen vorgenommen werden können155. Bestimmtheit und Änderungsmöglichkeiten des Geschäftsvertei­ lungsplanes (aa.) gehen dabei Hand in Hand mit der Auslegungstradition der Garantie des gesetzlichen Richters, der eine Änderung widerfahren muss (bb.). aa) Bestimmtheit und Änderung des Geschäftsverteilungsplanes Die hergebrachte Tradition des Rechts auf den gesetzlichen Richter i. S. d. Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG sperrt sich grundsätzlich gegen eine solche Modernisie­ rungsmaßnahme156, da die Vorschrift im Gegensatz zu anderen Rechtsordnun­ gen den personalen Charakter der Geschäftsverteilung in Gestalt eines indivi­ duellen Richters ausdrücklich betont157. Diese totale Verrechtlichungsdynamik NJW 1959, S.  871 f. mit der grundsätzlichen Botschaft, dass eine endgültige Bestimmung des gesetzlichen Richters aus der Natur der Sache unmöglich ist. 154  BVerfGE 95, 322 (329); W. Leisner, NJW 1995, S.  285 (287); Sowada, Richter (Teil  2 , Fn.  668), S.  256; Schmitz, Zuständigkeiten (Teil  2, Fn.  668), S.  60 mit zahlreichen Nachwei­ sen aus der Rechtsprechung; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  306 ff., 374 f.; C. Degenhart, HStR³ V, §  114 Rn.  35; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  21e Rn.  95. 155  So wäre im Zweifel auch eine bedarfsgerechte und praktikable Zusammenlegung von Verfahren möglich, die faktisch zusammengehören, allerdings im Laufe des Geschäftsjahres zu unterschiedlichen Zeiten anhängig gemacht werden. Siehe zu einem solchen Beispiel K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (248); allgemeiner und vor dem Hintergrund der Zuständig­ keitsverteilung an Strafgerichten auch Schmitz, Zuständigkeiten (Teil  2, Fn.  668), S.  58 f. 156 So Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  995; siehe auch das knappe Fazit bei Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  636. 157  Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass die meisten Rechtsordnungen die Not­

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im Geschäftsverteilungsplan führt jedoch auch dazu, dass sich jeder andere als der individuell zuständige Richter unverantwortlich fühlt158 und Zweckmäßig­ keitserwägungen nicht ausreichend Berücksichtigung finden können159. Inso­ fern wird von Richterseite auch die Änderung des Geschäftsverteilungsplanes als eher schwerfällig empfunden160. Die existierenden Möglichkeiten der Ände­ rung eines Geschäftsverteilungsplanes reichen im Falle akut ungleichmäßiger Belastungen indessen nicht aus, um eine sachgerechte und flexible Verteilung der Geschäfte zu ermöglichen161. So erlaubt §  21e Abs.  3 S.  1 GVG zwar grund­ sätzlich die Änderung des Geschäftsverteilungsplanes aufgrund Überlastung oder wegen ungenügender Auslastung eines Richters162 , jedoch wird die Schwel­ le der Erheblichkeit vermehrten Geschäftsanfalls streng ausgelegt163. Ferner er­ folgt die Änderung eines Geschäftsverteilungsplanes nach den allgemeinen, genannten Grundsätzen und darf sich daher nur im Ausnahmefall auf bereits eingegangene Geschäfte beziehen164. bb) Änderung der Auslegungstradition des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG Fraglich ist indes weiterhin, ob durch eine Änderung der Auslegungstradition von Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG der Schutzbereich der Garantie des gesetzlichen Richters auf justizinterne Manipulationsmaßnahmen begrenzt werden kann165, da der Entzug des gesetzlichen Richters durch die Exekutive ohnehin nur noch ein historisches Konstrukt ist166. Wie soeben angedeutet, bietet sich eine zeit­ wendigkeit der Bestimmung des konkret zur Entscheidung berufenen Richters nicht kennen, vgl. Classen (Teil  2, Fn.  680), Art.  101 Rn. Rn.  5 m. w. N. in Fn.  12; ähnlich bereits Eser, Ge­ setzlicher Richter (Teil  2, Fn.  668), S.  258 ff. 158  G.-P. Calliess, NJW-Beil. 2014, S.  27 (28). 159 Gleichsinnig K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (248). 160  Die Praxis des AG Duisburg zeigt z. B., dass eine Änderung des Geschäftsverteilungs­ planes durchschnittlich einmal pro Monat vorgenommen wird. Die Geschäftsverteilungsund Änderungspläne der vergangenen Jahre sind abrufbar unter https://www.ag-duisburg. nrw.de/aufgaben/geschaeftsverteilung/zt_geschaeftsvert_vergangenheit/ (19.3.2020). 161 Vgl. K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (248). – Zu den Änderungsbeschlüssen zum Ge­ schäftsverteilungsplan nach §  21e Abs.  3 GVG siehe Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  21e Rn.  108 ff. 162  Siehe hierzu Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  21e Rn.  112. 163  Vgl. BGH NStZ-RR 2016, 218. 164  Siehe BVerfG NJW 2009, S.  1734 (1735): „Eine nachträgliche Änderung der Ge­ schäftsverteilung kann namentlich dann geboten sein, wenn nur auf diese Weise dem Verfas­ sungsgebot einer beschleunigten Behandlung namentlich von Strafsachen nachzukommen ist“; Rathmann (Fn.  137), §  21e GVG Rn.  19; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  21e Rn.  112. 165  K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (244, 248 f.). – Zur Schutzfunktion des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG nach „innen“ siehe BVerfGE 82, 286 (298). 166  Zum geringen Einfluss der Exekutive auf die gerichtliche Zuständigkeitsverteilung

480 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells gemäße Auslegung vor allem unter dem Aspekt der „Bestimmtheit“ des Ge­ schäftsverteilungsplanes und mithin des gesetzlichen Richters an167. Dass der Geschäftsverteilungsplan die zu berufenen Richter so eindeutig wie möglich festzulegen hat, ergibt bereits der Wortlaut von Art.  101 Abs.  1 S.  1 GG und §  16 S.  2 GVG. Hieran zu rütteln, soll jedoch nicht Ziel der folgenden historischen (1) und dogmatischen (2) Überlegungen sein, deren Ziel es ist, justizinterne Mani­ pulationen durch die Geschäftsverteilung zu marginalisieren (3) und einen rechtspolitisch brauchbaren Weg zu finden, Effizienzgesichtspunkte in die Ge­ schäftsverteilung zu integrieren (4). (1) Historische Überlegungen Aus historischer Perspektive ergibt sich ein Leitmotiv des Gesetzgebers bezüg­ lich des gesetzlichen Richters, welches sich mit der heutigen Realität der richter­ lichen Unabhängigkeit nicht mehr vereinbaren lässt. Als Bollwerk gegen die Kabinettsjustiz im 19.  Jahrhundert hat Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG insofern aus heu­ tiger Sicht an Rechtfertigungs- und Existenzgrundlage eingebüßt168. Ihrem Sinn und Zweck nach dient die Vorschrift dem Schutz vor sachfremden Einflüssen169, die heutzutage von der Regierung nicht mehr ausgehen. Inzwischen dient die Garantie des gesetzlichen Richters faktisch dem Protektorat vor justizinternen Einflüssen170. Insbesondere eine justizinterne Manipulation der Rechtspre­ chungsorgane ist indessen aus heutiger Sicht – vor allem eingedenk der Ge­ schäftsverteilung als richterliche Selbstverwaltungsangelegenheit – ein denkba­ res Gefährdungsszenario171. Gezeichnet wird hier ein Bild von überlasteten siehe Kunig (Teil  2, Fn.  668), Art.  101 Rn.  30. – A. A. C. Degenhart, HStR³ V, §  114 Rn.  35, der den Zweck des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG in der primären Abwehr von Eingriffen durch die Exekutive sieht. 167  Siehe hierzu instruktiv K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (249). – Siehe zur besonderen Bedeutung des Bestimmtheitserfordernisses für die personelle Komponente der Geschäfts­ verteilung Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  375. – Siehe im Überblick zur Methodik der Verfassungsauslegung im Rahmen von Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG Sowada, Richter (Teil  2, Fn.  668), S.  50 ff.; allgemein zur Verfassungsinterpretation auch R. Wahl, Ver­ fassungsänderung – Verfassungswandel – Verfassungsinterpretation II, in: ders., Verfas­ sungsänderung (Teil  2, Fn.  476), S.  65 (65 f., 75 ff.). 168 So K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (248 f.); a. A. Schmitz, Zuständigkeiten (Teil  2 , Fn.  668), S.  61 ff., 69 ff., 80 f., der die Gefahr einer exekutiven Rechtsprechungslenkung latent dramatisiert. 169  Siehe hierzu im Detail Detterbeck (Teil  2 , Fn.  668), Art.  101 Rn.  5. 170  So auch K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (249); gleichsinnig Classen (Teil  2 , Fn.  680), Art.  101 Rn.  6 f. 171  Die Schutzwirkung des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG richtet sich auch auf gerichtsorganisa­ torische Maßnahmen, die auf die Entziehung des gesetzlichen Richters gerichtet sein können, vgl. BVerfGE 82, 286 (298); H. Sodan, HStR³ V, 2007, §  113 Rn.  63. – Der Schutz der richter­

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Richtern, die um jeden Preis von einem Mehraufwand an Arbeit verschont blei­ ben wollen. Die von einem solchen Szenario ausgehende Manipulationsgefahr durch Richter selbst würde sich zumindest auch dann nicht eklatant erhöhen, wenn die Bestimmtheit des gesetzlichen Richters im Rahmen des Geschäftsver­ teilungsplanes in ihrer Auslegung modernisiert und gelockert werden würde. Die Eindeutigkeit der Geschäftsverteilungsregelung leidet folglich nicht in ver­ fassungswidriger Weise darunter, wenn der Geschäftsverteilungsplan für das jeweils folgende Geschäftsjahr mit einem über existierende Vertretungsregelun­ gen hinausgehenden Reaktionsspielraum versehen wird. Dass der konkrete Richter neben dem Spruchkörper im Voraus festzulegen ist, scheint zwar zu­ nächst ein Flexibilitätshemmnis zu sein, drängt sich allerdings eingedenk auch justizinterner Zuständigkeitsquerelen unter Richtern am Ende auf. Um ein aus­ reichendes Maß an Flexibilität zu sichern, böte es sich an, neben der konkreten Person des gesetzlichen Richters eine bedarfsgebundene Alternative vorzu­ schreiben und so einen gewissen Auslegungsspielraum zu schaffen. Dies ist in engeren Grenzen bereits gängige Praxis, durch welche für Ausnahmefälle die mögliche Verhinderung eines Richters einkalkuliert wird172. Außerhalb der Än­ derung des Geschäftsverteilungsplanes im Vorfeld sowie der Vertretungs­ regelung im Nachhinein böte das Instrumentarium des Case Managements ei­ nen spontaneren Zugriff außerhalb des starren Änderungsprozederes sowie der unflexiblen Ausnahmetatbestände einer Vertretung. (2) Dogmatische Überlegungen Aus dogmatischer Sicht handelt es sich hierbei um eine Erweiterung der in §§  21e Abs.  1 S.  1, 21f Abs.  2 S.  1 GVG bestehenden Vertretungsregelungen. Diese sehen das Erfordernis einer abstrakt-generellen Bestimmung eines Ver­ treters für den Fall der Verhinderung oder des Ausscheidens eines Richters vor173. Eine zeitweise ad-hoc Vertreterbestellung bei lediglich vorübergehender Verhinderung eines Richters soll hiermit nicht einhergehen174. Vielmehr soll die lichen Unabhängigkeit bezieht sich infolgedessen unter anderem auch auf die Weisungsfrei­ heit innerhalb der Justiz selbst, vgl. eindringlich Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  183 ff.; siehe allgemein auch Seibert-Fohr, Independence (Einl., Fn.  58), S.  499 ff. 172 Vgl. A. Hänlein, in: Umbach/Clemens, GG (Teil  1, Fn.  9), Art.  101 Rn.  39; C. Degenhart, HStR³ V, §  114 Rn.  41. 173  Siehe zu den Vertretungsregeln im Überblick Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  141; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  375; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  21e Rn.  140 ff. 174  Eine solche Vorgehensweise verbietet sich mit Blick auf den gesetzlichen Richter, sie­ he Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  4), Rn.  375; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  21e Rn.  143.

482 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells Möglichkeit der Berücksichtigung von bisheriger Arbeitsintensität und Arbeits­ belastung im laufenden Geschäftsjahr im Rahmen einer fortlaufenden Vertei­ lung neu anhängig gemachter Verfahren auf Richter und Spruchkörper zugelas­ sen werden. Auch die Eignung der Richter kann insofern eine Rolle spielen, sofern die Berücksichtigung der persönlichen Qualifikation nicht zu einem ­Disziplinarinstrument verkommt oder mit finanziellen Anreizen verbunden wird175. Der von einer entsprechenden Einbeziehung richterlicher Qualifikatio­ nen ausgehende mittelbare Druck hat im Zweifel eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit zur Folge, da die Auslegung von Art.  97 Abs.  1 GG bisher sehr eng ist. Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Zuständigkeitsregelung sowie der grundsätzlichen Formalisierung der spruchkörperinternen Zuständigkeit soll durch eine weitere Flexibilisierung der Vertretungsregelungen indessen nicht untergraben werden176. Es sollen hingegen zumindest teilweise individualisie­ rende personenbezogene Zuweisungen ermöglicht werden, deren Anwendungs­ fälle hinreichend normiert werden können177. Die Notwendigkeit und Dring­ lichkeit eines solchen Vorgehens wird durch die inzwischen breite Qualifikations­ spanne deutscher Richter untermauert. Sie ist auf ansteigende Verfahrenszahlen178 und sinkende Anforderungsprofile für die Einstellung in den Richterdienst zu­ rückzuführen179 und macht ferner die Einhaltung identischer Qualitätsstandards in der Rechtsprechung bei gleichen Erledigungszahlen unmöglich180. Die Funk­ tionsfähigkeit der Rechtsprechung sowie der Anspruch des Bürgers auf Justiz­ gewähr streiten daher für ein variables Modell der Geschäftsverteilung. Es ist im Rahmen einer Abwägung die Herstellung einer praktischen Konkordanz zwischen Art.  101 Abs.  2 S.  1 GG und Art.  97 Abs.  1 GG auf der einen Seite sowie der Funktionsfähigkeit der Rechtsprechung i. S. v. Art.  20 Abs.  3 GG auf der anderen Seite herzustellen. Im Zweifel tritt Art.  101 Abs.  2 S.  1 GG zuguns­ ten des Anspruchs des rechtssuchenden Bürgers auf einen Verfahrensabschluss in angemessener Dauer zurück, weil der sich wiederum an Art.  6 EMRK i. V. m. 175 

Hierin liegt unstreitig ein Verstoß gegen die richterliche Unabhängigkeit, siehe Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  217 f.; Heusch (Teil  2, Fn.  692), Art.  97 Rn.  28. 176  So offenbar die Befürchtung bei Schmitz, Zuständigkeiten (Teil  2 , Fn.  668), S.  59. 177 Bei I. Müller, Rechtsstaat und Strafverfahren, 1980, S.  133 stößt dies auf Ablehnung. 178  Siehe hierzu zwar aus richterlicher Perspektive, aber dennoch mit zahlreichen berei­ chernden Ansätzen F. O. Fischer, DRiZ 2015, S.  392 ff. 179  Besonders auffällig ist dies in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, wo die Gerichte manch­ erorts von ihrer vormaligen Erwartung zweier doppelstelliger Examina aus dem gehobenen Bereich bereits weit abgerückt sind. 180  In diese Richtung bereits G. Mackenroth/H. Teetzmann, ZRP 2002, S.  337 (338); J. v. Bargen, NJW 2006, S.  2531 (2532); T. Mushoff, NZS 2016, S.  93 (94 f.).

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung

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Art.  19 Abs.  4 GG reibt181. Eine an den individuellen Kapazitäten orientierte Verteilung der Geschäfte für den Fall der Notwendigkeit einer Umverteilung darf niemanden übervorteilen und hat sich soweit es möglich ist an den Kriteri­ en der Vollständigkeit, Vorauswirkung und Bestimmtheit zu orientieren182. Ein tagesaktuelles Umverteilungsmodell erfordert wiederum Führungsqualitäten auf der Hierarchieebene, namentlich in den Präsidien, und bedarf ferner einer Kontrolle der Verteilung183 sowie geeigneter Evaluationsmethoden184. (3) Gefahr einer justizinternen Manipulation Justizinterne Manipulationsmöglichkeiten sind bei einer Aufweichung der Aus­ legung des gesetzlichen Richters und einer entsprechenden Öffnung der Ge­ schäftsverteilungsdichte nicht von der Hand zu weisen185. Ein institutioneller Schutz der Justiz durch den Gewaltenteilungsgrundsatz sowie der Schutz der Rechtsprechung bleiben jedoch weiterhin hinreichend durch die richterliche Un­ abhängigkeit garantiert. Überdies sind die im Rahmen einer Flexibilisierung des Geschäftsverteilungsplanes „unvermeidlichen“ Ungenauigkeiten186 der Vor­ausbestimmung des gesetzlichen Richters bei einer Regelung der Geschäfts­ verteilung durch die Judikative selbst als zulässig anzusehen187. Mit Blick auf den geschützten Personenkreis von Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG, aus dem der Rich­ ter selbst auszuklammern ist188, wäre eine aufweichende Auslegung überdies 181 

Siehe zu dem Recht auf angemessene Verfahrensdauer Kap.  2 C. III. 1. So böte es sich an, bei akuter und unvorhergesehener Überlastung eines Richters die weiterhin bei ihm anhängigen Verfahren nach der praktizierten abstrakt-generellen Methode (nach Eingangsdatum, Herkunftsbezirk o. ä.) umzuverteilen, vgl. allgemein C. Degenhart, HStR³ V, §  114 Rn.  40; Classen (Teil  2, Fn.  680), Art.  101 Rn.  48 f. 183  So auch das Votum von Classen (Teil  2 , Fn.  680), Art.  101 Rn.  51, der sich für eine flexiblere Ausgestaltung der Geschäftsverteilung ausspricht bei realer Kontrollierbarkeit; zur Notwendigkeit von Führungspersönlichkeiten in der Gerichtsverwaltung siehe Wagner, Wahrheitssuche (Teil  4, Fn.  221), S.  224 ff. 184  Zu den Möglichkeiten der Einführung von Evaluationen der Gerichte sowie der einzel­ nen Richter im Rahmen eines Controllings siehe sogleich in Kap.  5 B. IV. 185 Siehe Müller, Rechtsstaat (Fn.  177), S.  135; Schmitz, Zuständigkeiten (Teil  2 , Fn.  668), S.  59; siehe zum Verhältnis der Bestimmung des gesetzlichen Richters und der Justiz Schulze-­ Fielitz (Teil  2, Fn.  668), Art.  101 Rn.  50 ff. – Aus praktischer Sicht weiß Wagner, Wahrheits­ suche (Teil  4, Fn.  221), S.  52 ff. von zahlreichen Reibereien zu berichten. 186  Siehe aus der Rechtsprechung zur möglichst eindeutigen Vorausbestimmung des ge­ setzlichen Richters BVerfGE 6, 45 (50 f.). 187  Vgl. BVerfGE 20, 336 (343 ff.); so auch Schulze-Fielitz (Teil  2 , Fn.  668), Art.  101 Rn.  43. 188  Vgl. zu dieser einhelligen Ansicht, nach der es dem Richter nicht möglich sein soll, selbst Verfassungsbeschwerde mit der Begründung zu erheben, für einen bestimmten Fall nicht zuständig zu sein, Henkel, Richter (Teil  2, Fn.  668), S.  119; Reichl, Probleme (Teil  2, 182 

484 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells statthaft. Das Recht auf den gesetzlichen Richter ist demnach kein dem Richter zustehendes Individualrecht. Wenn allerdings der Anspruch des Bürgers auf wirkungsvollen Rechtsschutz in der konkreten Rechtsanwendung hinter der Subjektivierung von Art.  97 und Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG durch den einzelnen Richter zurücktritt, besteht ferner eine Gefahr für den Justizgewährleistungsan­ spruch189. Im Kern adressieren die Art.  97 und 101 GG nicht den einzelnen Richter, sondern die Justiz als solche, um diese vor strukturellen Gefährdungen zu schützen190. Einer Optimierung der Balance zwischen gesetzlichem Richter und Justizgewährleistung stehen diese Verfassungsnormen mithin nicht entge­ gen191. Auch wenn es dem Wortlaut des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG („entzogen werden“192) überdies nicht widerspricht, wenn sich eine ad-hoc Zuweisung des Richters mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten ändern würde, ist in Bezug auf die Dispositionsbefugnis über das Recht auf den gesetzlichen Richter Vor­ sicht geboten193. Ein flexiblerer Richtereinsatz ist zwar tunlich und mit Blick auf die Effektivität des gerichtlichen Rechtsschutzes sowie im Interesse des Rechts­ suchenden notwendig194, sollte sich allerdings nicht auf die Änderung bestehen­ der Geschäftsverteilungsentscheidungen beziehen, sondern auf eine im Vorfeld entzerrend wirkende Regelung. (4) Rechtspolitische Erwägungen Aus rechtspolitischer Perspektive drängt sich ferner die Kritik auf, es bestünde die Gefahr einer missbräuchlichen, weil willkürlichen Verteilung der Geschäfte an den Gerichten bei einer allein an Effizienzgesichtspunkten orientierten Vor­ gehensweise195. Auch die Infizierung der Rechtsprechungstätigkeit selbst mit reinen Effizienzerwägungen durch den Ansatz einer effizienten Geschäftsver­

Fn.  668), S.  52, 55 f.; Sowada, Richter (Teil  2, Fn.  668), S.  158; Kunig (Teil  2, Fn.  668), Art.  101 Rn.  11; Detterbeck (Teil  2, Fn.  668), Art.  101 Rn.  4. 189  Dieser setzt ein Effektivitätsgebot für die Rechtsprechung fest, siehe Fuchs, Verfas­ sungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  108 f.; F. Wittreck, VVDStRL 74 (2015), S.  115 (137 ff.); G.-P. Calliess, NJW-Beil. 2014, S.  27 (28 f.). 190 So Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  20 ff.; G.-P. Calliess, NJW-Beil. 2014, S.  27 (29). 191  G.-P. Calliess, NJW-Beil. 2014, S.  27 (29). 192  Siehe instruktiv Kunig (Teil  2 , Fn.  668), Art.  101 Rn.  21 f. 193  Überzeugend insofern Sowada, Richter (Teil  2 , Fn.  668), S.  163; ähnlich Detterbeck (Teil  2, Fn.  668), Art.  101 Rn.  6. – Insbesondere ist jegliches Ermessen der Gerichtsvorsitzen­ den in der Verteilung der Geschäfte als verfassungswidrig einzustufen, vgl. Schulze-Fielitz (Teil  2, Fn.  668), Art.  101 Rn.  51. 194  Vgl. Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  21e Rn.  79 ff.; ähnlich auch Wagner, Wahrheitssuche (Teil  4, Fn.  221), S.  52 ff., der gar von einer „Selbstfesselung der Justiz“ spricht (Zitat S.  52). 195  Siehe zu dieser Kritik hier nur Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  636.

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung

485

teilung stünde zu befürchten196. Man muss dieser Sichtweise zweifelsohne zu­ geben, dass eine ausschließlich an der schnellen Erledigung von Rechtsstreitig­ keiten orientierte Justiz nicht Ziel einer Reform sein darf. Effizienz bedeutet jedoch nicht die unbedingte Orientierung an der Schnelligkeit oder an möglichst hohen Erledigungszahlen. Effizienz ist auch anhand qualitativer Erwartungen an die Rechtsprechung zu messen und dient als ein Reaktionsinstrument auf beispielsweise einen vom Normalfall abweichenden erhöhten Geschäftsan­ fall197. Insofern bietet sich insbesondere die verstärkte Einbeziehung von Perso­ nalbedarfsberechnungsmethoden wie PEBB§Y an198. Es ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt ratsam, dass den Gerichten in der personalen Zuweisung der eingehenden Fälle zu einzelnen Richtern mehr Spielräume ermöglicht wer­ den. Aus rechtspolitischer wie aus verfassungsrechtlicher Sicht stellt dies zu­ dem ein zulässiges Wagnis dar, sofern die entsprechende Entscheidung über die Geschäftsverteilung durch die Gerichte selbst nach sachgerechten Kriterien vorgenommen und diese nicht von außen diktiert wird199. IV. Evaluationen Die Vorgabe von Leistungszielen für die Justiz und richterliche Unabhängigkeit stehen sich dem Grunde nach diametral gegenüber200. Will man allerdings effi­ zienzorientiertes Arbeiten unter Managementgesichtspunkten innerhalb der Justiz durchsetzen, ist zumindest die Idee einer Erfolgskontrolle nicht ohne ei­ nen näheren Blick hierauf zu verwerfen 201. Gerichtsmanagement kann sich grundsätzlich nie nur mit der Verwaltung von Ressourcen zufriedengeben, son­ dern muss stets auch auf die qualitative Kontrolle der Ressourcenverwendung und des Outputs richterlicher Streitbeilegung abzielen 202. Als Modellvorbild ist 196  So auch das Fazit für die USA bei K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (229 f.), ders., Ökonomisierung (Einl., Fn.  9), S.  107; siehe weiterhin zur Gefahr der Ökonomisierung der Justiz H. Sodan, NJW 2003, S.  1494 (1495). 197 Gleichsinnig U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (321); Röhl, Ökonomisierung (Einl., Fn.  9), S.  114; Classen (Teil  2, Fn.  680), Art.  101 Rn.  15, 51; siehe zum Zusammenhang von rückgängigen Klageeingangszahlen, längerer Verfahrensdauer und dem korrespondie­ renden Rückgang von Erledigungszahlen auch B. Hirtz, NJW 2014, S.  2529 (2529); Greger, Postkutsche (Einl., Fn.  60), S.  139. 198  Zur Geschäftsverteilung unter Einbeziehung von PEBB§Y instruktiv H.-P. Freymann/S. Geib, DRiZ 2014, S.  372 ff. 199  Vgl. auch Classen (Teil  2 , Fn.  680), Art.  101 Rn.  51. – Zu den Einflussnahmemöglich­ keiten der Exekutive siehe Schulze-Fielitz (Teil  2, Fn.  668), Art.  101 Rn.  47 ff. 200  Siehe zu diesem Befund hier zunächst nur K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (241). 201  K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (241); siehe mit einem Ansatz zur richterlichen Leis­ tungsüberprüfung auch H. Schnellenbach, RiA 1999, S.  161 ff. 202 Vgl. K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (242); ders., DRiZ 2000, S.  220 (228 f.); B. Kramer,

486 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells das Evaluierungssystem U.S.-amerikanischer Staatenrichter heranzuziehen, auch wenn diese im Gegensatz zu deutschen Richtern nicht in klassischer Weise beurteilt werden 203, jedoch – ebenso wie die Gerichte als institutionelle Einheit selbst – regelmäßigen Qualitätskontrollen unterliegen 204. Zur Erfüllung einer Rechenschaftspflicht205 innerhalb der autonom verwalteten Justiz in den USA sind Evaluationen als Judicial Performance Evaluations in wiederkehrendem Turnus üblich. Die JPE dienen einerseits einer ausgereiften Informationspolitik für die Bevölkerung vor anstehenden Richterwahlen, was für die deutsche Rechtsordnung irrelevant ist; andererseits fördern sie wiederum auch die Selbst­ kontrolle innerhalb der Justiz206. Mit dem Ziel der Messung des Qualitäts­niveaus in der Justiz durch Befragung prozessbeteiligter Personen zu Kompetenz, Sorg­ falt, Integrität und Effizienz der Richter207 trifft das amerikanische Modell der Richterevaluierung zwar auch einen deutschen Nerv, jedoch müsste ein effekti­ ves Qualitätsmanagement auch ein adäquates Quantitätsmanagement implizie­ ren 208. Es bestünde die Gefahr, dass über den Randbereich der Rechtsprechung hinaus nicht unwesentlich auch der Kern der eigentlichen Rechtsprechungstä­ tigkeit tangiert würde. Da in den USA der Kern rechtsprechender Tätigkeit viel enger begrenzt ist, besteht an den Gerichten insofern ein viel größerer Hand­ lungsspielraum für autonome Qualitätskontrollen 209. Wenn man über die Einführung von Richterevaluationen in Deutschland nachdenkt, stellt sich der weitreichendste Klärungsbedarf hinsichtlich dreier wesentlicher Punkte. Zunächst steht die Frage nach dem „Wie“ der Qualitäts­ messung in Rede (1.). Hiermit eng verwoben ist die Frage nach einer möglichen institutionellen Einkleidung der Qualitätsmessung (2.), welche sich eingedenk der Bedeutung der richterlichen Unabhängigkeit deutscher Richter als beson­ ders kritisch darstellen dürfte (3.), die in diesem Zusammenhang in der U.S.-­ ZZP 114 (2001), S.  267 (310 f.); U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (321, 325); J. v. Bargen, NJW 2006, S.  2531 (2533 ff.); Röhl, Reform (Teil  2, Fn.  765), S.  1308 ff. 203  Zum in den USA unbekannten Laufbahnmodell für Richter siehe Wheeler, Indepen­ dence (Einl., Fn.  75), S.  540. 204  Siehe hierzu und zum Folgenden ausführlich Kap.  4 B. III. 3. b) aa). 205  Siehe zum Zusammenhang zwischen Evaluationen und Rechenschaftspflicht K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (224). – Siehe zu dem Duktus der Rechenschafts­ pflicht im Zusammenhang mit der Diskussion um die Einführungen von Richterevaluationen in Deutschland B. Hirtz, NJW 2014, S.  2529 (2533). 206 Siehe D. C. Brody, Denver University Law Review 86 (2008), S.  1 (42). 207 Vgl. zu diesen und weiteren Bewertungskriterien Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  111 f.; D. C. Brody, Denver University Law Review 86 (2008), S.  1 (15). 208  K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (245). 209  So auch die Zusammenfassung der Kernthesen bei K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (217).

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung

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amerikanischen Rechtsordnung vor allem hinter dem Bedürfnis der Sicherstel­ lung einer ausreichenden Judicial Accountability zurücksteht210. 1. Das „Wie“ der Qualitätsmessung Die Frage nach der Einführung von Evaluationen innerhalb der Justiz ist zu­ nächst an folgender Prämisse zu orientieren: Justizcontrolling soll nicht in erster Linie als „Kontrolle“ im Sinne einer Aufsicht über die Zielerreichung verstan­ den werden, sondern ist vielmehr als Qualitätssicherung zu interpretieren 211. Damit ist die Evaluierung von Richtern oder Gerichten zwar im Zweifel not­ wendiger Bestandteil einer eigenverantwortlichen Budgetierung212 , kann von der Diskussion um eine Selbstverwaltung der Justiz allerdings abgekoppelt be­ gutachtet werden. Controlling im Sinne des Neuen Steuerungsmodells verbin­ det Budget, Produktdefinition, damit verbundene Leistungsvereinbarungen und entsprechende -messungen mit einer allgemeinen Qualitätskontrolle213. Im Zu­ sammenhang mit dem Qualitätsmanagement geht eine Evaluierung der richter­ lichen Tätigkeit über die sachgerechte Ressourcenallokation und Messung der Verwendung der rein monetären Mittel hinaus und soll allgemein das Erreichen der Ziele der Justiz absichern 214, um eine Fixierung auf quantitative Gesichts­ punkte gerade zu verhindern 215. Wie und unter Zugrundelegung welcher Krite­ rien die Qualität gemessen werden kann, ist dabei bisher ungeklärt. Das „Wie“ der Qualitätssicherung setzt der Einfachheit halber zunächst an der Datenerhe­ bung der gerichtlichen Verfahrensbilanz an. Interessant ist unter anderem eine statistische Aufstellung der Verfahrensdauer sowie des jeweilig eingebrachten 210  K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (224) stellt diesen Zusammenhang tref­ fend heraus. 211  Siehe hier nur K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (246 mit Fn.  12); R. Pitschas, DÖV 1998, S.  907 (913 f.); Klein, Qualitätssicherung (Teil  4, Fn.  378), S.  55 ff.; W. Damkowski/J. Precht, NVwZ 2005, S.  292 (292); Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  358 ff.; Röhl, Ökonomisierung (Einl., Fn.  9), S.  114 ff.; zu den Controlling Funktionen instruktiv Horváth/Gleich/Seiter, Controlling (Teil  2, Fn.  769), S.  16 ff. 212  Häufig wird das Thema eines Justizcontrollings im Zusammenhang mit der Selbstver­ waltung der Justiz angeführt, aus der sich die selbstständige Einwerbung des Justizbudgets mit einhergehender Kontrolle der Verwendung des Budgets ergeben müsste, vgl. K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (246); F.-J. Mehmel, Betrifft Justiz 63 (2000), S.  324 (326); deskriptiv B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (296 f.); mit einem Plädoyer für richterliche Selbstverwal­ tung auch U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (329 ff.). 213  W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1998, S.  109 (112); T. Groß, Die Verwaltung 34 (2001), S.  371 (380); U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (327). 214  B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (296); U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (325 ff.). 215  Ähnlich auch H. Sodan, DÖV 2005, S.  764 (769).

488 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells Arbeitsaufwandes in Zeit sowie der Verfahrensgestaltung im Einzelnen 216. Zu­ sätzlich sind Evaluationen bzw. „Kunden“-Befragungen der Prozessbeteiligten wegen der im Neuen Steuerungsmodell angelegten Kunden- und Serviceorien­ tierung der Gerichte denkbar217. „Produkt“- (a.) und Kunden-Kriterium (b.) die­ nen als Bewertungsdeterminanten aus unterschiedlichen Perspektiven. a) Das „Produkt“-Kriterium als Bewertungsdeterminante Die Kriterien zur Leistungsmessung hängen eng mit der Beschreibung des zu bewertenden Produkts und dem Ziel der Justiz zusammen 218. Als Produkt der Justiz wird einhellig der „Verfahrensabschluss nach ordnungsgemäßer Verfah­ rensdauer“ angegeben 219. Die Wirksamkeit der Rechtsprechung im Sinne einer Effektivität des Rechtsschutzes ist durch die Rechtsweggarantie des Art.  19 Abs.  4 GG verfassungsrechtlich verankert und gelangt durch Art.  6 Abs.  1 S.  1 EMRK zu einem Rechtsschutz bei überlanger Verfahrensdauer220. Eine Leis­ tungsmessung ist bei Berücksichtigung rein quantitativer Kriterien durchaus denkbar, kann jedoch nicht alleiniger Anspruch einer umfassenden Evaluation sein, da sich ohne Berücksichtigung der inhaltlichen Qualität der Rechtspre­ chung schnell eine Fixierung der Justiz auf reine Ökonomisierungserwägungen einstellen könnte221. Die richterliche Kritik, die Qualität der Rechtsprechung sei schlicht nicht messbar, nicht in Kennzahlen ausdrückbar und der Kern richterli­

216  Vergleichbare Statistiken sind an den Gerichten bereits flächendeckend nutzbar, je­ doch bleibt ihre Verwendung unter dem Aspekt der richterlichen Unabhängigkeit kritisch. Siehe im Detail B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (297); U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (327). 217  Siehe zur Dienstleistungsfunktion der Rechtsprechung F.-J. Mehmel, Betrifft Justiz 63 (2000), S.  324 (325); K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 (229 f.); G. Mackenroth, DRiZ 2000, S.  301 (304); U. Freudenberg, ZRP 2002, S.  79 (81 ff.); U. Sandherr, DRiZ 2014, S.  364 (364 f.). 218 Vgl. K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 (227); G. Mackenroth, DRiZ 2000, S.  301 (304). 219  Siehe hierzu Eifert, Steuerungsmodell (Teil  2 , Fn.  761), S.  168 f.; U. Berlit, Betrifft Jus­ tiz 70 (2002), S.  319 (326); kritisch Böttcher, Produkt (Teil  2, Fn.  767), S.  29 ff.; J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 (458). 220  Siehe zum Rechtsschutz bei überlanger Verfahrensdauer und in diesem Zusammen­ hang bereits zum Justizgewährleistungsanspruch H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2592 f.) sowie U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (320): „Rechtsstaatlichkeit ist nicht effizienz­ blind“; S. Fleck, NJW 2007, S.  1427 (1428); R. Bram, Betrifft Justiz 120 (2014), S.  188 (192); zur mangelnden Wirkung des Rechtsschutzes siehe Wagner, Wahrheitssuche (Teil  4, Fn.  221), S.  101 ff. 221  So auch Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  1000; U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (321, 326); H. Sodan, NJW 2003, S.  1494 (1495); H. Sodan, DÖV 2005, S.  764 (767); Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  367; Röhl, Ökonomisierung (Einl., Fn.  9), S.  115.

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung

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cher Tätigkeit schon gar nicht standardisierbar222 , leuchtet zwar intuitiv ein und hat im Wesentlichen ihre Berechtigung, kann allerdings nicht als Modernisie­ rungshemmnis oder gar Universalargument gegen die generelle Einführung von modernem Qualitätsmanagement angeführt werden 223. Wesentlicher Be­ standteil der Beschreibung des wirkungsorientierten Justizproduktes im Rah­ men einer Evaluierungsdiskussion ist indessen die Produktqualität224. Die Qualität der Justiz ist terminologisch multidimensional und so komplex, dass sie sich lediglich an vagen Kriterien messen lässt225, was die Festlegung von Evaluierungsstandards wiederum vor große Probleme stellt. Die Frage, was eine qualitativ gute oder gerechte Rechtsprechung ausmacht226, liest sich wie eine Gewissensfrage und lässt sich allein in Kennzahlen nur schwerlich aus­ drücken – dies zeigt im Ergebnis auch das Beispiel der U.S.-amerikanischen Justiz­evaluation 227. Klassische Messwerte wie Schnelligkeit bzw. Verfahrens­ dauer, kostengünstiges Vorgehen, niedrige Rechtsmittel- sowie Rechtsmittel­ erfolgsquote eignen sich jedenfalls als Qualitätsindikatoren 228. Zumindest trifft 222  So insbesondere und zweifelsfrei niedergelegt im DRB, Thesenpapier (Einl., Fn.  74), S.  5; hierzu auch K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 (224); U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (326); H. Sodan, DÖV 2005, S.  764 (766); Röhl, Ökonomisierung (Einl., Fn.  9), S.  115. 223  W. Hoffmann-Riem, DRiZ 2000, S.  18 (28); K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 (224) führt in einem kreativen Ansatz die „Genietheorie“ der Justiz vor und bezeichnet die grundlegende Ablehnungshaltung vieler Richter als „nicht akzeptabel“. Jedoch lehnt er im Folgenden eine externe Qualitätskontrolle der Justiz ab und spricht sich für eine Selbstverwaltung der Justiz aus. Ähnlich auch die Ansicht bei U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (326, 329 ff.). Deutlich wird in diesem Zusammenhang insbesondere B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (300), die den Richtern die Eigenschaft als „Modernisierungsbremser“ ankreidet; gleichsin­ nig Papier, Selbstverwaltung (Teil  2, Fn.  638), S.  198: „Darüber hinaus sollten die Standes­ vertreter darauf verzichten, die richterliche Unabhängigkeit wie eine Monstranz vor sich her zu tragen“. 224 Vgl. K. F. Röhl, DRiZ 1993, S.  301 ff.; ders., DRiZ 2000, S.  220 (224); U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (322); Röhl, Ökonomisierung (Einl., Fn.  9), S.  115 ff. 225  U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (326); grundlegend Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  380 ff.; ähnlich auch H. Addicks, Betrifft Justiz 87 (2006), S.  363 (364); R. Bram, Betrifft Justiz 120 (2014), S.  188 (192). 226  Dieser Frage widmen sich auch U. Hochschild/T. Schulte-Kellinghaus, DRiZ 2003, S.  413 (414 ff.); H. Sodan, NJW 2003, S.  1494 (1495 f.); H. Addicks, Betrifft Justiz 87 (2006), S.  363 ff.; S. Fleck, NJW 2007, S.  1427 ff. 227  K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 (224). 228  Siehe mit ähnlichen Parametern auch im Zusammenhang mit Modernisierungsmaß­ nahmen in der Justiz und der richterlichen Unabhängigkeit U. Berlit, KritJ 32 (1999). S.  58 (64); U. Hochschild/T. Schulte-Kellinghaus, DRiZ 2003, S.  413 (414 f.); U. Berlit, Betrifft ­Justiz 70 (2002), S.  319 (326); H. Sodan, NJW 2003, S.  1494 (1496); instruktiv zu den hierar­ chischen Zielebenen im Justizcontrolling W. Damkowski/J. Precht, NVwZ 2005, S.  292 (293); H. Addicks, Betrifft Justiz 87 (2006), S.  363 (364), der die Ergebnisse eines Quali­ täts-Workshops des Justizministeriums in Nordrhein-Westfalen zusammenfasst; S. Fleck,

490 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells die reine Rechtsmittelquote eine belastbare Aussage, während die Rechtsmittel­ erfolgs­quote wiederum Gegenstand einer unabhängig getroffenen richterlichen Einzelentscheidung ist. Für sich genommen bilden diese Indikatoren die Quali­ tät der Rechtsprechung indessen nicht ausreichend ab: Weder besagt die Rechts­ mittelquote etwas über die Richtigkeit einer Entscheidung noch ist schnelle Rechtsprechung automatisch auch gute Rechtsprechung229. Weitere Bewer­ tungsdeterminanten sind daher hinzuzufügen. Die Wirksamkeit sowie Effekti­ vität des Rechtsschutzes, Fairness und Transparenz der Verfahrensgestaltung sowie die Unparteilichkeit der Entscheidung dienen als Ergänzung230. So ergibt sich ein von der rein betriebswirtschaftlichen Ökonomisierungsdiskussion ab­ hebbares Qualitätsbild der Justiz im Hinblick auf das Ergebnis, den Prozess und die Struktur der Rechtsprechung. Diese Ergebnisqualität bezieht sich indessen nicht auf die inhaltliche Richtigkeit der richterlichen Entscheidung231. b) Das „Kunden“-Kriterium als Bewertungsdeterminante Schlüssel zu aussagekräftigen Evaluationen hinsichtlich der Prozessqualität sind überdies „weiche“ Bewertungsdeterminanten. Die Verpflichtung zur Kun­ denorientierung ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass gerichtliche Urteile „im Namen des Volkes“ ergehen 232. Durch Kundenbefragungen ließe sich die Zufriedenheit der „Kunden“ der Justiz mit der Rechtsprechung ermitteln und damit möglicherweise die Herstellung von Rechtsfrieden verbessern 233. Solche Performance Evaluations der Justiz nach U.S.-amerikanischem Vorbild, welche sich auf die Abbildung der von den Gerichten zu erfüllenden Kundenerwartun­ gen beschränken, können indessen nicht dem Anspruch eines umfassenden Qualitätsmanagements genügen und sind daher zusätzlich in ein System von Datenerhebungen und -auswertungen einzubetten 234. Nichtsdestotrotz kann die Außenbeziehung zwischen Gericht bzw. Richter und Prozessbeteiligten Auf­ schluss über justizielle Defizite geben, sofern im Rahmen der Auswertung die NJW 2007, S.  1427 (1428); E. Alt, Betrifft Justiz 97 (2009), S.  28 ff. – Siehe zur Problematik von Leistungsvereinbarungen in der Justiz hier nur Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  1000 f. 229  So auch H. Sodan, NJW 2003, S.  1494 (1496). 230 Ähnlich gesehen in den Erwägungen von K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 (224); U. Hoch­schild/T. Schulte-Kellinghaus, DRiZ 2003, S.  413 (415 f.); H. Sodan, NJW 2003, S.  1494 ff.; S. Fleck, NJW 2007, S.  1427 (1428). 231  U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (326); H. Sodan, NJW 2003, S.  1494 (1495). 232  Mit einer ähnlichen Herleitung auch G. Mackenroth, DRiZ 2000, S.  301 (304). 233  Siehe zu dieser Idee auch F.-J. Mehmel, Betrifft Justiz 63 (2000), S.  324 (328); U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (326 f.). 234  Ähnlich auch U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (326).

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung

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Inkonsistenz von „Kundenerwartungen“ je nach Standpunkt des Befragten be­ rücksichtigt wird 235. Insbesondere eine Befragung von Rechtsanwälten wäre hier entscheidend und kann durchaus zielführend sein 236. Auch Randbereiche der Justiz können in diesem Zusammenhang evaluiert werden; zu nennen wären hier die Zugänglichkeit der Gerichtsgebäude, die Qualität von Serviceleistun­ gen sowie die Offenheit der Kommunikationswege237. c) Zusammenfassung Für ein adäquates Qualitätsmanagement wäre zukünftig neben der eindeutigen Definition des unklaren Qualitätsbegriffs die kontinuierliche Erfassung von Da­ ten zur Messung dieser vielfältigen Qualitätsdimensionen notwendig. Dies er­ öffnet neue Tätigkeitsfelder der Gerichtsverwaltung238. Quantitative Kriterien wie Verfahrensdauer, kostengünstiges Vorgehen und die Rechtsmittel(erfolgs-) quote können im Wege einer Datenerhebung als Indikatoren für die Ermittlung von Rechtsprechungsqualität im Sinne einer Effizienzermittlung herangezogen werden, sofern nach der Vorgabe einer Leistungsvereinbarung eine Abwei­ chungsanalyse des Ist-Zustandes von dem Soll-Zustand angefertigt wird 239. Als zweite Datenerhebungsebene dient der Qualitätsermittlung die Einführung ei­ ner Kundenbefragung zur Prozessqualität, die sich an Fragen der Wirksamkeit des Rechtsschutzes, der empfundenen Fairness und der Transparenz des Ver­ fahrens sowie der Unparteilichkeit240 des Richters orientiert. Nur im Wege eines umfassenden Ansatzes ließe sich eine Entscheidungsqualität abbilden, die über eine ausschließlich an betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu messende Kosten-Nutzen-Analyse hinausgeht241. Die Determinanten wirken zusammen und ergänzen sich. Der konkrete Umgang mit den Daten muss jedoch vorsichtig 235 Mahnend

U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (326). Dies wird festgestellt von D. Schubmann-Wagner, ZRP 2003, S.  408 ff.; Schütz, Rich­ ter (Einl., Fn.  9), S.  390. – Die Ähnlichkeit zu dem Ansatz der Evaluationen in den USA ist frappierend, vgl. D. C. Brody, Denver University Law Review 86 (2008), S.  1 (15 ff.). 237  Siehe mit weiteren Beispielen Röhl, Ökonomisierung (Einl., Fn.  9), S.  116. 238  Vgl. mit Details zur Ausgestaltung U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (326, 327). – Ablehnend DRB, Thesenpapier (Einl., Fn.  74), S.  5. 239 Siehe K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 (224); ders., Ökonomisierung (Einl., Fn.  9), S.  110; ähnlich F.-J. Mehmel, Betrifft Justiz 63 (2000), S.  324 (427 f.); instruktiv insbesondere B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (297); U. Hochschild/T. Schulte-Kellinghaus, DRiZ 2003, S.  413 (417); J. Berchtold, NZS 2011, S.  401 (405 f.). 240  Insbesondere vor der Hintergrund der Pluralisierung der modernen Gesellschaft er­ scheint das Bewertungskriterium der Unparteilichkeit wichtiger denn je. Siehe hierzu diffe­ renziert hinsichtlich der inneren Haltung und der äußeren Erscheinung von Richterinnen und Richtern H. Wißmann, ZRP 2019, S.  218 ff. 241  Ähnlich auch Röhl, Ökonomisierung (Einl., Fn.  9), S.  115 f. 236 

492 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells entwickelt werden. Zunächst sollten sie nur dem Dienstvorgesetzten oder dem einzelnen Richter als eine Art Selbstkontrolle zugänglich sein. 2. Institutionelle Einkleidung Die Exekutivsteuerung der Gerichtsverwaltung242 stößt im Zusammenhang mit der Justizmodernisierung im Allgemeinen und mit der Einführung von Cont­ rolling-Maßnahmen im Besonderen auf vielfache Kritik. So herrscht unter den Systemkritikern die verbreitete Überzeugung vor, das Neue Steuerungsmodell könne (ob vollständig oder nur bedingt) jedenfalls nur dann in bestehende Strukturen implementiert werden, wenn das Controlling den Gerichten selbst übertragen wird 243. Dass eine institutionelle Entkleidung der Justiz aus dem ak­ tuell bestehenden gewaltengliedernden System weder von der Verfassung gefor­ dert wird noch rechtspolitisch stichhaltig ist, wurde bereits dargelegt244. Frag­ lich ist indessen, wer die Verantwortung für entsprechende Evaluationsmaßnah­ men übernehmen soll. Es handelt sich de lege lata nicht um eine originäre Selbstverwaltungsangelegenheit der Richter, da das bestehende Beurteilungs­ wesen unter Beteiligung der Exekutive den Gewaltenteilungsgrundsatz absi­ chert. Erhebung und Auswertung von Evaluationsdaten müssten daher die Dienstvorgesetzten übernehmen, was wiederum gegenüber dem einzelnen Richter zu einer erhöhten Akzeptanz entsprechender Maßnahmen führen kann. Im Sinne gegenseitiger Machtmäßigung und Gewaltenbalancierung245 ist im Rahmen der Gerichtsverwaltung die Beteiligung aller drei Gewalten beizube­ halten, um eine Machtkonzentration bei einer einzigen Gewalt zu verhindern 246. Die Konflikte, welche – auch im Rahmen der Justizmodernisierung und im Zusammenhang mit einem Qualitätsmanagement – bislang zwischen Exekutive und Judikative vorkommen und sich als Kompetenzstreitigkeiten kennzeichnen, würden sich durch eine Übertragung der Verantwortlichkeit für das Controlling auf die Justiz überdies nicht auflösen, sondern lediglich verschoben werden 247. 242 Siehe

Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  368 ff. So die einhellige Ansicht derjenigen, die sich für eine Selbstverwaltung der Justiz positionieren, siehe F.-J. Mehmel, Betrifft Justiz 63 (2000), S.  324 (326 f.); K. F. Röhl, DRiZ 2000, S.  220 (227); K. Redeker, NJW 2000, S.  2796 (2798); U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (324 f., 329 ff.); S. Fleck, NJW 2007, S.  1427 (1428 ff.). – Zurückhaltend und realitätsnah äußerst sich insofern G. Mackenroth, DRiZ 2000, S.  301 (303 f.), der eine vollständige Selbst­ verwaltung der Justiz als kurz- oder mittelfristigen Weg für unwahrscheinlich hält; ähnlich G. Mackenroth/R. Wilke, DRiZ 2001, S.  148 (157). 244  Siehe hierzu Kap.  4 A. IV. 1. 245  BVerfGE 95, 1 (15,17); BVerfGE 22, 106 (111). 246  Siehe BVerfGE 34, 52 (59); B. Kramer, NJW 2001, S.  3449 (3451 f.); Fuchs, Verfas­ sungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  85 ff. 247  Papier, Selbstverwaltung (Teil  2, Fn.  638), S.  191; C. Sennekamp, NVwZ 2010, S.  213 (213). 243 

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung

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Auch für die richterliche Unabhängigkeit bestünde hierin kein Gewinn 248. Ein justizinternes Controlling ist daher nicht geboten. Eine transparente Festlegung von Qualitätsstandards könnte ebenso gut durch die Exekutive unter ministeri­ eller Leitung erfolgen, wobei diese sich zu diesem Zwecke einer Zusammenar­ beit mit den Gerichten bedienen müsste. Insofern wäre eine selbstkritische Mit­ wirkung der Richter gleichwohl unentbehrlich 249. Auf gerichtlicher Ebene böte sich daher tatsächlich die Einführung von Qualitätszirkeln oder Kommissionen an 250, die als Bindeglied zwischen ministerieller Verwaltungsebene und den Richtern fungierten. Als „Controller“ haben sodann die einzelnen Richter zu dienen 251. Es schafft Vertrauen und Akzeptanz, wenn die Datenauswertung durch den dienstvorgesetzten Richter erfolgt. Zwar mag dieser im Rahmen sei­ ner überprüfenden Tätigkeit weisungsgebunden sein, es ist jedoch nicht ersicht­ lich, dass sich ein eklatanter Unterschied für den kontrollierten Richter daraus ergeben würde, dass der ihm vorgesetzte Richter die erhobenen Daten im Rah­ men einer selbstverwalteten Justiz auswertet und nutzt. 3. Gefährdung der richterlichen Unabhängigkeit Ein auf Gerichte und insbesondere auf Richter bezogenes Qualitätsmanagement ist permanent der Gefahr einer Kollision mit der Garantie der sachlichen Unab­ hängigkeit der Richter ausgesetzt252. Einhellig anerkannt und dem Grunde nach richtig ist, dass die Vorgabe von Zielen wie einer maximalen Verfahrensdauer und abzuleistenden Erledigungszahlen mit der richterlichen Unabhängigkeit nicht vereinbar ist, da auf den Richter im Rahmen seiner Entscheidungs­findung 248 

C. Sennekamp, NVwZ 2010, S.  213 (213). W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1998, S.  109 (119); F.-J. Mehmel, Betrifft Justiz 63 (2000), S.  324 (326); J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 (461). – Ein erster Ansatz ist der von Calliess vorgeschlagene „Rechenschaftsbericht Zivilrechtspflege“. Vgl. G.-P. Calliess, NJWBeil. 2014, S.  27 (29); dazu B. Hirtz, NJW 2014, S.  2529 (2533). 250  J. v. Bargen, NJW 2006, S.  2531 (2536). 251  Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  384. 252  Die Sinne für diese Konfliktlage sind bei ausnahmslos allen Kommentatoren des The­ mas geschärft, siehe hier nur W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1998, S.  109 (111 ff.); U. Berlit, KritJ 32 (1999). S.  58 (65); T. Groß, Die Verwaltung 34 (2001), S.  371 (375 ff.); B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (297 ff.); dies., NJW 2001, S.  3449 (3451 f.); K. F. Röhl, JZ 2002, S.  838 (839, 842 f.); H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2586); U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (320 ff.); ders., Unabhängigkeit (Teil  2, Fn.  701), S.  161, 172 ff.; optimistisch bezüglich eigen­ verantwortlicher Evaluationen innerhalb der Richterschaft auch G. Seidel, RuP 38 (2002), S.  98 (104); H. Sodan, DÖV 2005, S.  764 (769 f.); W. Damkowski/J. Precht, NVwZ 2005, S.  292 (292 f.); Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  358 ff.; J. v. Bargen, NJW 2006, S.  2531 (2533); S. Fleck, NJW 2007, S.  1427 (1428 ff.); besonders pessimistisch D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  46; J. Berchtold, NZS 2011, S.  401 (405 f.). 249 Vgl.

494 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells und mithin im Kernbereich der Rechtsprechung kein derartiger – wenn auch nur mittelbarer – Druck aufgebaut werden darf253. Controlling-Maßnahmen sind indessen nicht per se als verfassungswidrig ein­ zustufen. Die dienstgerichtliche Rechtsprechung zur Dienstaufsicht überprüft die Verfassungsmäßigkeit des Justizcontrollings ergebnisoffen unter anderem nach Maßgabe von Art.  97 Abs.  1 GG254. Es ist zumindest die allgemeingültige Rechtsprechungslinie festzustellen, dass die Einführung von Controlling- und Evaluationsmaßnahmen mit der richterlichen Unabhängigkeit vereinbar ist, so­ fern der Kernbereich richterlicher Tätigkeit unangetastet bleibt (sog. Kern­ bereichslehre)255. Der Kernbereichslehre ist nicht zu Unrecht die Kritik wider­ fahren, zu offen für eine konkrete Aussage über den entziehungsfesten Kern der Rechtsprechung zu sein 256. Es muss zumindest gewährleistet sein, dass der Rich­ ter im Rahmen seiner rechtsprechenden Tätigkeit im weitesten Sinne von jegli­ chen Einwirkungen anderer staatlicher Hoheitsträger in recht­licher wie tatsäch­ licher Hinsicht frei bleibt. Dies gilt insbesondere für die Entscheidungsfreiheit des Richters257. Der Modus der Leistungserbringung, der in diesem Fall mit der Gestaltung der äußeren Organisation richterlicher Tätigkeit gleichzusetzen ist, und die generellen Arbeitsabläufe im Gericht unterliegen hingegen nicht in glei­ chem Umfang der Garantie der richterlichen Unabhängigkeit258. Vor diesem Hintergrund lässt sich die oben angesprochene Datenerhebung zu Verfahrensarten, -dauer und der aufgewendeten Arbeitszeit pro Richter grund­ sätzlich noch rechtfertigen. Problematisch ist jedoch eine hierauf basierende Abweichungsanalyse von einem zuvor festgelegten Soll-Zustand, sofern solche 253 So H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1094); W. Damkowski/J. Precht, NVwZ 2005, S.  292 f.; Röhl, Ökonomisierung (Einl., Fn.  9), S.  114; R. Bram, Betrifft Justiz 120 (2014), S.  188 (188 f.); Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  212 f.; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  42. 254  Die dienstgerichtliche Rechtsprechung zeigt sich jedoch richterfreundlich, vgl. BGH NJW 2002, S.  359 ff.; OVG Berlin, NVwZ-RR 2004, S.  627 ff.; siehe hierzu R. Enzian, DRiZ 1974, S.  118 (120); W. Hassemer, DRiZ 1998, S.  391 (395); Meyer (Teil  2, Fn.  691), Art.  97 Rn.  9. – A. A. T. Schulte-Kellinghaus, Betrifft Justiz 84 (2005), S.  198 (198 f.). 255  BGH NVwZ-RR 2015, S.  826 (827); G. Mackenroth, DRiZ 2000, S.  301 (305, 311); H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1094); W. Damkowski/J. Precht, NVwZ 2005, S.  292 (292); H. Sodan, DÖV 2005, S.  764 (770); Röhl, Ökonomisierung (Einl., Fn.  9), S.  115 f. 256 Gleiches gilt auch für das Gegenstück des Kernbereichs, den äußeren Ordnungs­ bereich der Rechtsprechung. Vgl. zusammenfassend F. A. Meik, Der Kernbereich der Tarif­ autonomie. Dargestellt am Funktionszusammenhang von Unternehmens-, Betriebs- und Ta­ rifautonomie, 1987, S.  25 ff. 257  T. Groß, Die Verwaltung 34 (2001), S.  371 (380 f.); W. Damkowski/J. Precht, NVwZ 2005, S.  292 (292).; Röhl, Ökonomisierung (Einl., Fn.  9), S.  115. 258  So bereits Eifert, Steuerungsmodell (Teil  2 , Fn.  761), S.  170; H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1094); W. Damkowski/J. Precht, NVwZ 2005, S.  292 (292).

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Daten für Steuerungsmaßnahmen, Verwaltungslenkung und Disziplinarmaß­ nahmen verwendet werden 259. Die Grenzen dieser Determinanten sind indessen fließend. Unter Zugrundelegung der inhaltlichen Vorgaben des Dienstaufsichts­ rechts und unter Maßgabe des §  26 Abs.  1 DRiG sind Überwachungen und Be­ anstandungen der richterlichen Tätigkeit grundsätzlich untersagt260. Ein wirksames Controlling-System ist jedoch auch mit einem Berichtswesen zu verbinden, das nicht nur eine Methode der Informationsbeschaffung (Daten­ recherche) ist, sondern das die erhobenen Daten auch verarbeiten und interpre­ tieren soll, um dem übergeordneten Zweck der Informationssteuerung nachzu­ kommen. Anders können Kennzahlen als Qualitätsmaßstab nicht nutzbar ge­ macht werden 261. Es wäre somit verkürzt, die Dienstaufsicht auf die alleinige Vorhaltung auf Grundlage des Ist-Zustandes zu beschränken und damit eine kontinuierliche Kontrolle des Soll-Zustandes per se als Verstoß gegen die sach­ liche Unabhängigkeit zu werten 262. Sofern hingegen eine Vergleichsanalyse mit „zukunftsorientierten Kennzahlen“ verbunden wird, gehen hiermit im Zwei­ felsfall mindestens mittelbare Einwirkungen auf die richterliche Entscheidungs­ freiheit einher. Solche Maßnahmen erstrecken sich ihrer Wirkung nach auch auf die inhaltliche Entscheidungsfreiheit des Richters und betreffen ferner nicht mehr nur den Modus der Leistungserbringung263. Während Berechnungsanaly­ sen allein noch dem äußeren Ordnungsbereich zuzurechnen sind264, wären die Vorgabe, zeitabschnittsweise festgelegte Planungsziele zu verfolgen, und ein damit evtl. verbundener Zwang zur Rechtfertigung im Falle eines Nichterrei­ chens mit der richterlichen Unabhängigkeit nicht mehr vereinbar265. Ziel muss daher zunächst eine möglichst unabhängigkeitsschonende Qualitätskontrolle in ausgewogener Konkordanz der betroffenen Verfassungsgüter sein 266. Wie eine 259  So

das beschriebene Szenario bei B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (297); ähnlich auch R. Bram, Betrifft Justiz 120 (2014), S.  188 (189). 260 Vgl. Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  26 Rn.  2; im Detail zur Einzelfallrechtspre­ chung Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  33 ff.; differenziert Jünemann, Unabhängig­ keit (Teil  2, Fn.  716), S.  66 f. 261  W. Damkowski/J. Precht, NVwZ 2005, S.  292 (293); gleichsinnig Röhl, Ökonomisie­ rung (Einl., Fn.  9), S.  116; ähnlich auch Hertig/Emery, Richter (Rn.  362), S.  113 m. w. N. 262 So J. Berchtold, NZS 2011, S.  401 (406); in diese Richtung überdies B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (300). 263  So auch das deutliche Fazit bei H. Sodan, DÖV 2005, S.  764 (770 f.); J. Berchtold, NZS 2011, S.  401 (406). 264  Zur Nutzung von Pensenschlüsseln für die Berechnung eines durchschnittlichen Ar­ beitspensums siehe OVG Münster NJW 2002, S.  1592 (1592); Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  34. 265  J. Berchtold, NZS 2011, S.  401 (406). 266  So auch T. Groß, Die Verwaltung 34 (2001), S.  371 (381); A. Lienhard, Leistungsbeur­ teilung in der Justiz. Verfassungsrechtliche Auslegeordnung und Gedanken zur Ausgestal­

496 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells solche ausgestaltet sein könnte, muss vor dem Hintergrund der richterlichen Unabhängigkeit erarbeitet werden (a.). Diese wiederum muss für ein effektives Controlling gewissen Einschränkungen unterworfen werden (b.). a) Ausarbeitung eines effektiven Evaluationssystems Wie bereits festgestellt, kann es nicht Ziel der Rechtsprechungsevaluation sein, allein die Zahl der Erledigungen ohne Rücksicht auf die Entscheidungsqualität als Maßstab zu etablieren. Ein umfangreiches Evaluationssystem muss daher über quantitative Datenerhebungen hinausgehen und die Qualität der Recht­ sprechung gleichermaßen berücksichtigen. Ein Qualitätsmanagement im Sinne einer sensiblen Qualitätskontrolle ist nur dann möglich, wenn man in der Ge­ mengelage der richterlichen Unabhängigkeit einen Weg findet, die Qualität der Rechtsprechung sicherzustellen, ohne auf die konkrete richterliche Entschei­ dung als solche einzuwirken 267. Dienstaufsichtsrechtliche sowie disziplinari­ sche Konsequenzen und Beförderungsentscheidungen müssen grundsätzlich von Evaluierungsergebnissen abgekoppelt sein. In den USA laufen Evaluie­ rungs- und Disziplinarverfahren daher strikt getrennt ab, sodass die erhobenen Daten für disziplinarische Maßnahmen keine Grundlage bilden dürfen 268. Es stellt sich nunmehr unter der Prämisse, dass weder Leistungsvorgaben noch Be­ anstandungen im Zusammenhang mit dem Kernbereich richterlicher Tätigkeit mit Controlling- und Evaluationserhebungen verbunden sein dürfen, die Frage, welchen Zweck die Erhebung von entsprechenden Daten noch erfüllen soll. Im Sinne ihrer Beobachtungs- und Berichtigungsfunktion 269 muss es der Dienst­ aufsichtsbehörde unbenommen bleiben, dem Richter in den engen Grenzen des §  26 Abs.  1 DRiG i. V. m. Art.  97 Abs.  1 GG Evaluationsergebnisse vorzuhalten und ihn in noch engeren Grenzen sogar zu ermahnen 270. Gleicher­maßen können auch die Erledigungszahlen von Kollegen als Indiz für die Rechtsprechungseffi­ zienz des einzelnen Richters herangezogen werden 271. Im Übrigen ist festzuhal­ tung, in: Stadelmann/Gass/McCombe, Unabhängigkeit (Teil  2, Fn.  699), S.  15 (36); Jünemann, Unabhängigkeit (Teil  2, Fn.  716), ebda., S.  59. 267 Optimistisch zeigen sich insbesondere B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (300 f.); Röhl, Ökonomisierung (Einl., Fn.  9), S.  115 ff. 268 Vgl. K. F. Röhl, DRiZ 1993, S.  301 (309). 269 Vgl. S. Haberland, DRiZ 2002, S.  301 (303 f.); Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  26 Rn.  5. – S. Fleck, NJW 2007, S.  1427 (1428) folgert hieraus allerdings ohne weitere Begrün­ dung, dass zusätzliche Qualitätsstandards nicht erforderlich seien. 270  Die Gegenansicht wird pointiert dargelegt von Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  348 ff. 271  Vgl. BGH Urt. v. 3.11.2004 – RiZ (R) 4/03 – juris; H. Sodan, DÖV 2005, S.  764 (770). – A. A. R. Bram, Betrifft Justiz 120 (2014), S.  188 (189), der in einem solchen Vorhalt eine ver­ deckte Einzelanweisung sieht.

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ten, dass schwächere Maßnahmen als Vorhalt und Ermahnung wie beispiels­ weise bloße Hinweise, eine Belehrung oder Rüge sowie die Unterrichtung, ein kollegiales Gespräch und vor allem Beobachtungsmaßnahmen – selbstverständ­ lich unter strenger Abwägung mit der Unabhängigkeits­garantie – überdies zu­ lässig sein können 272. Die Annahme, Datenerhebungen an sich seien mit der richterlichen Unabhän­ gigkeit vereinbar, wäre widersinnig, wenn gleichzeitig die Verwendung der Da­ ten im Rahmen eines gesetzlich normierten dienstaufsichtsrechtlichen Systems wiederum mit Verweis auf die strenge Auslegung des Art.  97 Abs.  1 GG gar nicht erlaubt wäre. Daher ist die Erhebung, Sammlung und Speicherung von in­ dividualisierten Prozessdaten nicht nur sinnvoll, sondern erforderlich und teil­ weise bereits gängige Praxis. Es ist indessen Intention eines Controlling-Sys­ tems, die richterlichen Sinne für eine qualitativ hochwertige Arbeit bei zuneh­ mender Arbeitsbelastung zu schärfen, ohne sich hierfür allein auf das Amtsethos aller Richter verlassen zu müssen 273. Das Pflichtbewusstsein in der Richterschaft ist sicherlich nicht nur in den oberen Hierarchieebenen ausreichend ausgeprägt, sondern eine flächendeckende ethische Grundhaltung, auf die sich der Rechts­ staat verlassen muss. Es ist idealiter davon auszugehen, dass sich jeder Richter im Rahmen seiner Möglichkeiten und unter Berücksichtigung seiner Persönlich­ keit auf seine Weise um eine möglichst effektive Justizgewähr bemüht274. Jedoch muss gleichsam für Negativausfälle ein geeigneter Qualitätsstandard gefunden werden, von dem vor allem diejenigen Richter profitieren sollen, die überobliga­ torischen Einsatz zeigen 275. Darüber hinaus können Evaluationsmechanismen die Kontinuität intrinsischer Arbeitsmotivation von Richtern fördern, da es weit­ gehend an extrinsischen Motivationsfaktoren in der Justiz fehlt276. 272 

So im Ergebnis auch B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (300). – Siehe zu diesem Maß­ nahmenkatalog grundlegend Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (Teil  1, Fn.  117), S.  196, 198 f.; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  52. 273  Dies befindet H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1094) indessen für ausreichend. Dass im Hinblick auf die Eigenverantwortung der Richter ihre Einstellung zum Teil noch optimie­ rungsbedürftig ist, stellt G. Mackenroth, DRiZ 2009, S.  79 (83) heraus. – Instruktiv zum Ju­ ristenethos kontinentaleuropäischer Juristen im Vergleich mit Juristen aus dem Common Law-Raum siehe E.-W. Böckenförde, Vom Ethos der Juristen, 2.  Aufl. 2011, S.  20 ff., 29 ff.; allgemein zum richterlichen Amtsethos auch Schneider, Ethik (Einl., Fn.  5), S.  85 ff., 97 ff. 274  H. Sodan, DÖV 2005, S.  764 (771) erachtet das Vertrauenskriterium als Qualitätssiche­ rung für ausreichend. Dennoch erkennt er die Notwendigkeit der Beurteilung von Rechtspre­ chungsqualität an und sieht darin eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“. 275  Anschaulich zur Belastungsschere unter den Richtern, vor allem in den ersten Instan­ zen, G. Kirchhoff, Betrifft Justiz 114 (2013), S.  63 (65). 276  So auch die Zusammenfassung von P.-A. Albrecht, KritV 97 (2014), S.  387 (402 f.). G. Kirchhoff, Betrifft Justiz 114 (2013), S.  63 (66) sieht hier insbesondere die Gerichtsverwal­ tung in einer motivatorischen Pflicht.

498 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells b) Unabhängigkeitskriterium als partielles Interpretationsphänomen Die Einführung standardisierter Evaluationen und das permanente Bench­ marking277 sind weiterhin unter dem Aspekt der hierdurch hervorgerufenen so­ zialen Kontrolle richterlicher Tätigkeit problematisch, da vor allem der einzelne Richter aufgrund einer andauernd vergleichenden Bewertung einem stetigen sozialen Druck ausgesetzt wird 278. Insbesondere für die innere Unabhängigkeit des einzelnen Richters stellt sich das Controlling innerhalb der Justiz zwar als großes Problem dar279, doch wird diese vom Schutz des Art.  97 Abs.  1 GG nicht umfasst280. Allerdings kann die Garantie der Unabhängigkeit für die Richter nicht in jedem Fall einer geforderten sozialen Anpassung als Schutzschild be­ nutzt werden 281. Soziale Anpassbarkeit wird von den Richtern im Übrigen gene­ rell auf vielfältige Art und Weise gefordert, sodass strukturelle Veränderungen des richterlichen Anforderungsprofiles nicht per se zu einem Verstoß gegen die richterliche Unabhängigkeit führen können 282. Aus Art.  97 Abs.  2 GG und der persönlichen Unabhängigkeit folgt grundsätz­ lich, dass die Justiz – nach der Probezeit – sogar einen gänzlich ungeeigneten Richter zu dulden und mitzutragen hat283. Dieses Verständnis der richterlichen Unabhängigkeit ist ebenso wie die damit zusammenhängende Ausdehnung des 277 Vgl. G. Mackenroth, DRiZ 2000, S.  301 (310). Bisher wurde auf die Verwendung des Begriffes „Benchmarking“ aufgrund einer negativen Konnotation der Terminologie verzich­ tet, zumal hiermit lediglich eine kontinuierlich vergleichende Bewertung (der Richter) ge­ meint ist, auf die es im Übrigen bei Evaluationsprozessen nicht primär ankommt. Pessimis­ tisch J. Berchtold, NZS 2011, S.  401 (406); diese Kritik wird überdies aufgegriffen von Röhl, Ökonomisierung (Einl., Fn.  9), S.  111. Für erforderlich hält ein flächendeckendes Benchmar­ king B. Hirtz, NJW 2014, S.  2529 (2533). 278  Dies ist eine verbreitete Angst unter Richtern, wie nicht nur das Positionspapier des DRB, in: DRiZ 1999, S.  457 (561) nahelegt, sondern auch der Kommentar hierzu von J. Grotheer, DRiZ 1999, S.  458. Siehe auch J. Berchtold, NZS 2011, S.  401 (406). 279  So auch eine zentrale These bei Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  428; siehe hierzu fer­ ner Röhl, Ökonomisierung (Einl., Fn.  9), S.  113. 280  So auch B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (300 f.); differenziert L. C. Faissner, Ge­ richtsverwaltung (Einl., Fn.  17), S.  48 f. 281 Ähnlich Voßkuhle, „Produkt“ (Teil  2 , Fn.  767), S.  45. – Ausufernde Tendenzen der Re­ kurrierung auf die richterliche Unabhängigkeit zeigt auch P. Weber, Betrifft Justiz 82 (2005), S.  84 (85), der die Tatsache, dass ein Richter seine Robe nach einer bestehenden Kleiderord­ nung nicht alleine anlegen kann, als Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit versteht; ähnlich auch Wagner, Wahrheitssuche (Teil  4, Fn.  221), S.  64 ff. 282 Gleichsinnig G. Mackenroth, DRiZ 2000, S.  301 (310); Voßkuhle, „Produkt“ (Teil  2 , Fn.  767), S.  45; Röhl, Ökonomisierung (Einl., Fn.  9), S.  113. – Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass im Parlamentarischen Rat bei der Konzeption der richterlichen Unabhängig­ keit die Gewissensbindung zugunsten der Unterstreichung der Rechtsbindung in den Art.  97 GG nicht mit aufgenommen wurde, vgl. Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  8. 283  J. Berchtold, NZS 2011, S.  401 (406).

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Kernbereichs richterlicher Tätigkeit284 auf alles, was Bestandteil einer Quali­ tätsverbesserungsmaßnahme sein könnte, mit den modernen Anforderungen an die Justiz nicht mehr uneingeschränkt vereinbar. Es ist daher ein Umdenken sowie die partielle Neubestimmung des Verständnisses richterlicher Unabhän­ gigkeit notwendig285. Diese „Deindividuation“286 des Richters im Justizapparat erfordert die Akzeptanz des einzelnen Amtsträgers, dass seine Person hinter dem Zweck der neutralen Rechtsprechung zurücktreten muss. Zweifellos ist die richterliche Unabhängigkeit kein individuelles Recht des einzelnen Richters im Sinne eines Standesprivilegs, sodass sie den Richtern nicht als Selbstzweck zu­ steht287. Sie wird im Rahmen von Reformdebatten jedoch konsequent als rich­ terliches Argument angeführt, wobei Art.  97 GG nicht als Strukturprinzip her­ angezogen, sondern als Individualrecht des einzelnen Richters zweckentfrem­ det wird288. Die richterliche Unabhängigkeit ist indessen nicht mehr wie ursprünglich in der Form notwendig, um die Justiz vor Einwirkungen durch die Exekutive zu schützen 289, da sich die Gewaltenteilung institutionalisiert und in Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG manifestiert hat290. 284  Mit einem Plädoyer für die Eingrenzung des Kernbereichs richterlicher Tätigkeit, das allerdings verfassungsrechtliche Fragen gänzlich unberücksichtigt lässt, siehe K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (246). 285  U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (323 f.); gleichsinnig das Fazit bei Wagner, Wahrheitssuche (Teil  4, Fn.  221), S.  47 ff. – A. A. Röhl, Ökonomisierung (Einl., Fn.  9), S.  117, der allerdings einen ähnlichen Ansatz hat, jedoch die richterliche Unabhängigkeit durch Con­ trollingmaßnahmen mit reinem „Empfehlungscharakter“ nicht beeinträchtigt sieht. 286  Der Begriff ist aus der Diskussion um die Kennzeichnungspflicht von Polizisten ent­ lehnt, vgl. E. Aronson/T. D. Wilson/R. M. Akert, Sozialpsychologie, 6.  Aufl. 2008, S.  285 ff.; hierauf ebenfalls aus polizeirechtlicher Sicht bezugnehmend T. Barczak, LKV 2014, S.  391 (392). In diese Richtung auch H. Wißmann, DRiZ 2016, S.  224 (227), der Richterinnen im Vergleich zu Lehrerinnen in der Frage um ein Kopftuchverbot eine weniger ausgeprägte Wichtigkeit ihrer Individualität bescheidet; siehe vertiefend auch F. Brosius-Gersdorf/ H. Gers­dorf, NVwZ 2020, S.  428 (429, 431 f.). 287  So recht deutlich F.-J. Mehmel, Betrifft Justiz 63 (2000), S.  324 (326); W. Hoffmann-­ Riem, DRiZ 2000, S.  18 (19); H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1089); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  174 ff.; ders., VVDStRL 74 (2015), S.  115 (137). 288  K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (245); deutlich auch W. Hoffmann-Riem, DRiZ 2000, S.  18 ff.; B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (298). 289  Ähnlich auch Voßkuhle, Rechtsschutz (Teil  1, Fn.  1), S.  271; W. Hoffmann-Riem, DRiZ 2000, S.  18 (26). Zu den ideengeschichtlichen Hintergründen der richterlichen Unabhängig­ keit vor allem vor dem Hintergrund monarchischer Einflussnahme im Wege der Kabinetts­ justiz mit der Folge von Einzelfallrechtsprechung siehe M. Kotulla, DRiZ 1992, S.  285 ff.; Schulze-Fielitz (Einl., Fn.  6), Art.  97 Rn.  1 f. – Insbesondere ist das Verständnis Montes­ quieus vom Richter als Bouche de la Loi längst nicht mehr zutreffend, sondern äußerst anti­ quiert, vgl. Classen, Legitimation (Einl., Fn.  78), S.  20. 290  Voßkuhle, Rechtsschutz (Teil  1, Fn.  1), S.  272; K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (244).

500 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells Idealerweise sollte die Qualitätsdiskussion in der Justiz daher zu einer Schär­ fung des richterlichen Bewusstseins im Hinblick auf den Gewährleistungsge­ halt der richterlichen Unabhängigkeit sowie der Reformnotwendigkeit führen. Die richterliche Unabhängigkeit ist als funktionales Prinzip der Justizgewähr und der Effektivität des Rechtsschutzes zu verschreiben 291 und nicht als Instru­ ment der vordergründigen Abschottung gegen Modernisierung. Die qualitative Bewertung der Justizleistung hätte überdies den Vorteil, dass sie dem Vorwurf einer Vorgabe von Erledigungszahlen durch die für Art.  97 Abs.  1 GG prekäre, rein quantitative Leistungsmessung den Wind aus den Segeln nehmen würde292. Wer sich hingegen der Vorstellung hingibt, dass sich einzelne Richter durch eine Datenerhebung und Kundenbefragungen derart verunsichern und mithin steuern ließen, muss im Übrigen ein schwaches Bild von der deutschen Justiz haben 293. Daher liegt ein zentrales Verantwortungsfeld der Richterschaft auch in ihrer Fremdwahrnehmung294. Die grundsätzliche Sicherstellung der Rechtspre­ chungsqualität soll indessen weder dem Verantwortungsbereich der Richter ent­ zogen noch aus dem Schutz des Art.  97 Abs.  1 GG ausgeklammert werden 295. Es geht auch nicht um eine Eingrenzung der richterlichen Tätigkeit i. S. d. Art.  92 GG nach dem Vorbild des U.S.-amerikanischen Trials, wohl aber um die not­ wendige Feinjustierung der richterlichen Unabhängigkeit, da eine Binnenmo­ dernisierung der Justiz unausweichlich ist und einige Bereiche der richterlichen Tätigkeit nicht länger unter einem bedingungslosen Protektorat des Art.  97 GG stehen können. Hier ist jedoch nicht allein der einzelne Richter in der Pflicht, sondern insbesondere die Gerichtsverwaltung, welche die geeigneten Rahmen­ bedingungen für eine qualitativ hochwertige Rechtsprechung zu schaffen hat, um insbesondere einen teils überobligatorisch hohen Einsatz der Richterschaft abzufangen 296. 291  Gleichsinnig in Bezug auf Art.  19 Abs.  4 GG als Kontrollmechanismus Voßkuhle, Rechtsschutz (Teil  1, Fn.  1), S.  311 ff.; ähnlich, aber im Ergebnis etwas zu weit U. Berlit, Be­ trifft Justiz 70 (2002), S.  319 (324). 292  Ähnlich auch F.-J. Mehmel, Betrifft Justiz 63 (2000), S.  324 (328). 293  Sehr treffend H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1094); B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (300). 294  U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (323); für mehr Selbstkritik auch T. Schulte-­ Kellinghaus, Betrifft Justiz 84 (2005), S.  198 (202), obwohl dieser andererseits Qualitätsmes­ sungen strikt ablehnt. 295  Ähnlich das Fazit bei R. Bram, Betrifft Justiz 120 (2014), S.  188 (193). 296  Vgl. zur Professionalisierung der Gerichtsverwaltung zur Stärkung der Modernisie­ rung der Justiz bereits W. Hoffmann-Riem, Die Verwaltung 30 (1997), S.  481 (498 ff.); siehe weiterhin mit diesem Ansatz G. Kirchhoff, Betrifft Justiz 114 (2013), S.  63 (66); F. Wittreck, Betrifft Justiz 118 (2014), S.  67 (76): „Es kann nicht Aufgabe […] des einzelnen Richters sein, strukturelle Defizite dauerhaft durch substantiell überobligatorische Leistungen aufzufan­ gen“; R. Bram, Betrifft Justiz 120 (2014), S.  188 (193).

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung

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V. Budgetierung Die eigenständige Mitteleinwerbung der deutschen Gerichte im Parlament stellt ein Kernstück und eine zentrale Forderung der Richterschaft im Rahmen ihrer Selbstverwaltungsbestrebungen dar297. Die dezentrale Finanzverwaltung an den U.S.-amerikanischen Gerichten ähnelt den deutschen Bemühungen inso­ fern, als dass es sowohl an den U.S.-amerikanischen Bundesgerichten als auch an den meisten einzelstaatlichen Gerichten üblich ist, dass die einzelnen Ge­ richte oder in der Regel der oberste Gerichtshof den Finanzhaushalt eigenstän­ dig im Parlament vorbringen 298. Der unbestrittene Vorteil liegt in der potenziell bedarfsgerechten Ressourcen- und Personalverteilung299. Da die selbstständige Budgetierung jedoch nicht nur Vorteile für die Justiz mit sich bringt (1.), ist le­ diglich eine partielle Mitwirkung der Gerichte im Rahmen ihrer Haushaltsver­ handlungen anzudenken. (2.). Insbesondere könnte eine maximierte Anspruchs­ haltung der Justiz in Ansehung immer größerer Independenzen drohen (3.). 1. Probleme der selbstständigen Budgetierung deutscher Gerichte Es ist jedoch anzuzweifeln, ob es den deutschen Gerichten eingedenk ihrer ei­ gentlichen Rechtsprechungsfunktion im Staatsgefüge überhaupt möglich sein kann, einen adäquaten Haushaltsplan zu erstellen und diesen eigenständig so­ wie effektiv im Parlament einzufordern300. Es muss bereits in Frage gestellt wer­ de, ob sich die finanzielle Situation der Gerichte durch eine eigenständige Fi­ nanzverwaltung überhaupt verbessern kann. Ein für die Finanzverwaltung bei­ spielsweise einzusetzender Justizverwaltungsrat wäre für Budgetverhandlungen im Endeffekt nicht maßgeblich besser geeignet als das aktuell in diesem Zusam­ menhang zuständige Finanzministerium301. Statt einer Verbesserung der finan­ ziellen Lage der Gerichte wäre mit den gängigen Selbstverwaltungsmodellen vielmehr eine Verschlechterung der Situation wahrscheinlich302. Der Gewaltenteilungsgrundsatz sieht überdies eine Übertragung der Finanz­ verwaltung auf die Justiz selbst nicht zwingend vor, sondern erfordert im Gegen­ teil eine ausgewogene Machtbalance zwischen allen drei Staatsgewalten. Diese 297  So bspw. G. Mackenroth/R. Wilke, DRiZ 2001, S.  148 (158 f.); H. Weber-Grellet, ZRP 2003, S.  145 (147); U. Berlit, DRiZ 2003, S.  292 (296 f.); dies offenbart auch P.-A. Albrecht, KritV 97 (2014), S.  387 (410 ff.) im Rahmen seiner Zusammenfassung der CCJE-Debatte. 298  Siehe zur Finanzverwaltung an den U.S.-amerikanischen Gerichten bereits Kap.  4 B. III. 4. 299  Siehe hier nur Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (242 f.). 300  Mahnend auch W. Hoffmann-Riem, DRiZ 2000, S.  18 (30 f.). So auch die kritische Be­ fürchtung, ein eigenes Haushaltsrecht würde gar zu einer finanziellen Schlechterstellung der Justiz führen, vgl. H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2592); K. F. Röhl, JZ 2002, S.  838 (844 f.). 301  So auch H. Mertin, ZRP 2002, S.  332 (335). 302  H. Mertin, ZRP 2002, S.  332 (335).

502 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells droht ins Wanken zu geraten, sofern die Justiz durch eine eigene Budgetverant­ wortung die Übermacht gegenüber Exekutive und Legislative erhielte303. Die Übertragbarkeit von Einzelbausteinen aus dem Gesamtsystem der Gewalten­ teilung in eine andere Rechtsordnung ist daher schwierig und bedarf einer ge­ wissenhaften Überprüfung, ob sich durch eine Änderung von Kompetenzen nicht die Machtbalance zwischen den Gewalten verschiebt304. Anders als in den Vereinigten Staaten, wo die Autonomie der Gewalten trotz des Systems der Checks and Balances umfassender ausgestaltet ist, fordert Art.  20 Abs.  2 GG insbesondere keine strikte Abkopplung der Justiz von der Exekutive305. Hieran zeigt sich, dass das Konzept der Gewaltenbalance in jeder Rechtsordnung unter­ schiedlich ausgestaltet ist. Aufgrund der jeweilig unterschiedlichen Verfassungs­ systematik und Rechtstraditionen kann es keinen Idealtypus der Gewaltentei­ lung geben306. De lege lata wird im Verfassungsrecht sowie im einfachen Recht dem Gewaltenteilungsgrundsatz und auch der Unabhängigkeit der Richter Rech­ nung getragen307. Das sich nach der deutschen Rechtsordnung insofern abzeich­ nende Bild von der Gewaltenteilung setzt einen Fokus auf die gegenseitige Machtbalance, welche gleichsam die unabhängige Rechtsprechung absichert. 2. Partielle Einbindung der Gerichte als Mittelweg Mit Blick auf die bereits angesprochenen Modernisierungen im Rahmen der Gerichtsverwaltung308 steht die dezentrale Ressourcenverteilung im Fokus des Neuen Steuerungsmodells. Die Aktualität dieses Themas hat zumindest in den letzten zehn Jahren stark abgenommen, ohne dass es insofern zu entscheiden­ den Ergebnissen gekommen wäre309. Mit dem Sekundärziel der eigenverant­ wortlichen Mitteleinwerbung trifft die Thematik der Budgetierung indessen immer noch den Nerv der Justiz310. Eine zumindest partielle Selbstverwaltung in Form einer stärkeren Einbindung der Gerichte bei Budgetfragen kann daher 303 

BVerfGE 34, 52 (59). Siehe grundlegend bereits Leisner, Gewaltenteilung (Teil  2, Fn.  535), S.  281: „Der Proteus der subdividierten Macht ist das Ende der Gewaltenteilung.“ – Im Zusammenhang mit der Selbstverwaltungsidee der Justiz H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2587 f.); H. Mertin, ZRP 2002, S.  332 (334). 304  H. Mertin, ZRP 2002, S.  332 (334). 305  Siehe zu den Dependenzen der Judikative in der U.S.-amerikanischen Verfassungs­ ordnung hier nur Abraham, Pillars (Teil  1, Fn.  2), S.  25 f. 306  Siehe ähnlich bereits Stern, Staatsrecht II (Teil  1, Fn.  11), S.  536 ff.; H. Mertin, ZRP 2002, S.  332 (334). 307  H. Mertin, ZRP 2002, S.  332 (333). 308  Siehe Kap.  4 A. IV. 2. 309  Mit einer ernüchternden Bilanz des Reformeifers siehe M. Heintzen, HStR³ V, §  120 Rn.  97. 310 Siehe H. Weber-Grellet, ZRP 2003, S.  145 (147).

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung

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sinnvoll sein311. Eine solche setzt vor dem Hintergrund des Neuen Steuerungs­ modells die Einbindung der Gerichte in die bestehenden exekutiven Gerichts­ verwaltungsstrukturen voraus312. Aus verfassungsrechtlicher Sicht problema­ tisch ist eine an betriebswirtschaftlichen Leitideen orientierte Budgetierung, weil sie zunächst mit umfassenden Datenerhebungen und einer hierauf basie­ renden Leistungsvorgabe verknüpft ist und schließlich mit einem streng strate­ gischen Controlling einhergeht313. Die Höhe des Budgets orientiert sich nach dem Neuen Steuerungsmodell an der Anzahl der zu erbringenden „Produkte“ – mithin an den Verfahrensabschlüssen eines Gerichts314. Durch solche unweiger­ lich notwendigen, umfassenden Datenerhebungen könnte die richterliche Unab­ hängigkeit beeinträchtigt sein315. Die statistische Erhebung von Daten allein ist allerdings von der Beobach­ tungs- und Berichtigungsfunktion der Dienstaufsicht gedeckt, da sie im Gegen­ satz zu der von Schütz vertretenen Ansicht316 noch nicht zu einem Versuch der Einwirkung erwachsen ist317. Der innere Druck, den der Richter in einer Beob­ achtungssituation erfährt, ist vom Regelungsgehalt des Art.  97 Abs.  1 und Abs.  2 GG indessen nicht erfasst318. Zweifelsohne handelt es sich um eine erwei­ terte Einwirkungsqualität, sofern zu der reinen Datenerhebung die Formulie­ rung von Zielvorgaben hinzutritt319. Leistungsvorgaben sind Teil einer effekti­ ven Budgetierung (KLR)320, üben allerdings im Zusammenspiel mit strategi­ 311 

So auch J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 (460 f.); Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  400. – Siehe auch allgemein zu dem Zusammenhang zwischen Modernisierung und Selbstverwal­ tungsforderungen K. F. Röhl, JZ 2002, S.  838 (840). 312  Siehe zusammenfassend J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 (460). – Zur Budgetierung als Steuerungsinstrument siehe instruktiv Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  399 f. 313  Siehe zu diesem hier nur F.-J. Mehmel, Betrifft Justiz 63 (2000), S.  324 (326); ähnlich auch der grundlegende Tenor bei H. Weber-Grellet, ZRP 2003, S.  145 (147), der im Detail allerdings zu weit geht. 314  Siehe im Überblick B. Kramer, ZZP 114 (2001), S.  267 (293 f.); Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  399 f. 315  Siehe die dezidierten Ausführungen bei Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  346 ff. 316  Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  346 ff. 317  So auch Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  62. – Mit der Befürchtung, die Wissens­ erweiterung durch die Datenerhebung vergrößere auch die Macht der Gerichtsverwaltung U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (322). 318  Dies gibt auch Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  350 bei, plädiert aber für eine entspre­ chende Anpassung des Verständnisses der richterlichen Unabhängigkeit: „Auch die Beob­ achtung ist ein Rechtseingriff, weil sie nicht von einer sanktionierenden Verwendung der dabei gewonnenen Kenntnisse getrennt werden kann und damit die innere Unabhängigkeit gefährdet“. (Zitat S.  352). 319  Siehe im Detail und mit Beispielen Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  349 f. 320  Siehe zu Details zum Neuen Haushaltswesens und der Implementierung eines Kon­ traktmanagements bereits oben Kap.  2 C. V. 1. a) bb) (2) (a).

504 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells schem Controlling einen gegen Art.  97 Abs.  1 GG verstoßenden Druck auf die richterliche Entscheidungsfreiheit aus und sind daher als verfassungswidrig einzustufen321. Hieran kann auch der Vorschlag nichts ändern, das Kontraktma­ nagement lediglich als unverbindliche Grundlage für die Budgetbemessung he­ ranzuziehen322 , da auch eine nur mittelbare Einflussnahme unzulässig ist. 3. Anspruchshaltung im Hinblick auf finanzielle Freiheiten Die weitreichenden Selbstverwaltungskompetenzen (Inherent Powers) der U.S.-Gerichte im Bereich der Budgetierung rufen dennoch Kritik von Seiten der Justiz hervor, die immer noch bestehende Abhängigkeit der Gerichte von der Legislative verstoße gegen die richterliche Unabhängigkeit323. Es deutet sich zu­ mindest die vage Befürchtung an, dass auch die eigenverantwortliche Ausstat­ tung der deutschen Justiz mit Selbstverwaltungskompetenzen zur eigenen Haushaltsverwaltung im Zweifel zu einem mit den U.S.-amerikanischen Rich­ tern vergleichbaren Anspruchsdenken in der Justiz führen könnte. Sofern die Loslösung von der Exekutive verwirklicht würde, bliebe dennoch eine Abhän­ gigkeit von der Legislative, die im Zweifel ebenfalls als Störfaktor angesehen werden könnte. Die Selbstverwaltung der amerikanischen Gerichte ist im Be­ reich der Finanzverwaltung nicht mehr als eine Illusion. Zwar verwaltet die Jus­ tiz sich rechtlich selbst, dem Justizapparat gehören allerdings einige behörde­ nähnliche Institutionen an, die derartig losgelöst von den Gerichten selbst agie­ ren, dass man vor allem im Bereich der Budgetverantwortung kaum von einer richterlichen Selbstverwaltung sprechen kann324. VI. Richterbestellung Die Bestellung der deutschen Richter durch die Exekutive entspringt einer lan­ gen Tradition, die auf die Machtkonzentration des absolutistischen Monarchen zurückreicht. Sie wird daher insbesondere von den Verfechtern einer richter­ 321 

Einhellig bereits H.-J. Papier, NJW 2001, S.  1089 (1094); F. Brosius-Gersdorf, VVD­ StRL 74 (2015), S.  169 (209): „Die Richterschaft sieht in dem neuen Steuerungsmodell nicht weniger als den Untergang des Rechtsstaates“; Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  211 ff.; Kissel/Mayer (Teil  1, Fn.  4), §  1 Rn.  42. 322  So die Ansicht von U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (323). 323 Siehe zu dieser aus deutscher Perspektive weitgehenden Kritik hier noch einmal J. W. Douglas/R. E. Hartley, Administration and Society 33 (2001), S.  54 (56 ff.); Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  557 f. 324  Demgemäß obliegt es der Judicial Conference und dem AO, beim Kongress die Haus­ haltsmittel für die Bundesgerichte einzuwerben, vgl. J. P. Nase, The Justice System Journal 10 (1985), S.  56 ff.

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung

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lichen Selbstverwaltung als „Relikt des monarchischen Prinzips“ abgekanzelt325. Die demokratische Legitimation richterlichen Handelns wird vor dem Hinter­ grund der Beteiligung der Exekutive an der Richterauswahl von Seiten der Rich­ terschaft vehement kritisiert. Insbesondere die als nicht hinreichend empfundene richterliche Beteiligung bei der Zusammensetzung der Richterwahlausschüsse steht unter Beschuss und mit ihr die einschlägigen Normen der Verfassung: Art.  95 Abs.  2 GG und Art.  98 Abs.  4 GG326. Der Ausschluss der Exekutive von der Personalverwaltung, welche die wesentlichen Personalentscheidungen an Richterwahlgremien delegiert, kann jedoch nicht unterstützt werden327. Die de­ mokratische Legitimation der durch sie gewählten Richter steht in Frage, sofern die entsprechenden Kollegialorgane unter Beteiligung selbst nicht legitimierter Mitglieder entscheiden328. Vor dem Hintergrund der demokratischen Legitimati­ on der Rechtsprechung sind eine mögliche Volkswahl der deutschen Richter nach amerikanischem Vorbild mit einer möglicherweise additiv zu vollziehen­ den Bestätigungswahl (1.) bisher kaum in diesem Kontext diskutiert worden. Überdies ist – möglicherweise ganz im Sinne einer abgeschwächten Selbstver­ waltungsdebatte – die richterliche Beteiligung bei der Richterbestellung in den U.S.-amerikanischen Einzelstaaten nach dem Missouri-Plan vor dem deutschen Hintergrund zu beleuchten (2.). Als weitere Änderungsoption kommt eine stär­ kere Beteiligung des Parlaments bei der Richterauswahl in Betracht (3.). 1. Volkswahl und Bestätigungswahl Die Beharrlichkeit, Reichweite und Strenge des Prinzips der richterlichen Unab­ hängigkeit gründen auf seiner wichtigen Funktion als Surrogat für eine schwa­ che demokratische Legitimation der deutschen Richter329. Diese ergibt sich zum einen aus der Lebenszeiternennung gem. Art.  97 Abs.  2 S.  2 GG330. Die richter­ liche Weisungsfreiheit des Art.  97 Abs.  1 GG vermindert zum anderen die sach­ 325 So H. Häuser, Betrifft Justiz 72 (2002), S.  426 (428); H. Weber-Grellet, ZRP 2003, S.  145 (148); T. Groß, DRiZ 2003, S.  298 (302). 326  Vgl. hier nur die fast schon polemisch-einseitige Kritik von H. Weber-Grellet, ZRP 2003, S.  145 (148). 327  Dies ist bereits hinreichend im Rahmen der Debatte um die Selbstverwaltungsmodelle des DRB sowie der NRV diskutiert worden. Siehe hierzu die Nachweise in Kap.  4 A. IV. 1. 328  Siehe zur demokratischen Legitimation von Richterwahlausschüssen instruktiv Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  173 ff., 315 ff.; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  120 ff. 329  Siehe zu den Defiziten der demokratischen Legitimation der Justiz im Vergleich zu den anderen Staatsgewalten Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  127. 330  Siehe zu diesem Zusammenhang nur K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (244); A. Voßkuhle/­ ­G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (678).

506 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells lich-inhaltliche Rückbindung des einzelnen Richters an das Volk 331. Dieser lü­ ckenhafte Verantwortungszusammenhang wird durch die strikte Gesetzesbin­ dung des Richters kompensiert332. Das Demokratieprinzip verlangt in personell-organisatorischer Hinsicht für den einzelnen Richter das Bestehen einer ununterbrochenen Legitimationskette, durch welche die Rückführbarkeit seines gesamten Handelns zum Volk gewährleistet wird 333. Diese Legitima­ tionskette wird durch die Richterauswahl geknüpft, wobei den unterschied­ lichen Formen der Richterbestellung ein unterschiedlicher Grad an Legitima­ tionswirkung zukommt334. Es ist zumindest eine Verstärkung der demokrati­ schen Legitimation der richterlichen Entscheidung durch eine unmittelbare Volkswahl nach dem Vorbild der Richterwahlen in vielen U.S.-amerikanischen Bundesstaaten denkbar335. Eine unmittelbare Volkswahl vermittelt dem einzel­ nen Richter die größte Intensität an persönlicher Legitimation, da er sich unmit­ telbar auf das Legitimationssubjekt berufen kann336. Dennoch wird auf nationaler Ebene nur vereinzelt eine Richterbestellung durch Volkswahl gefordert337. Dies liegt unter anderem an der relativierenden Wirkung von unmittelbaren Volkswahlen bei geringer Wahlbeteiligung und Richterkandidaten, die ohne Gegenkandidaten antreten338. Die Tatsache, dass die Richterwahlen wie in den USA häufig im parteipolitischen Raster erfolgen339, kann die Wirkkraft der demokratischen Legitimation hingegen ebenso wenig hemmen wie eine potentiell schwache Wahlbeteiligung340. Die Bemächtigung 331 Vgl.

Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  155. A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (679); K. Rennert, JZ 2015, S.  529 (530); Dreier (Teil  2, Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  140. 333 Siehe Schliesky, Souveränität (Teil  2 , Fn.  198), S.  290; Dreier (Teil  2 , Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  111; Schreier, Legitimation (Einl., Fn.  18), S.  105 f. 334  Siehe zu den vier reinen Formen der Richterbestellung instruktiv im Hinblick auf ihre Legitimationswirkung Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  241 ff. 335  Siehe für einen Überblick zu den Auswahlmethoden Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  143; Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  529 ff. 336  So auch Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  242; P.-A. Albrecht, KritV 97 (2014), S.  387 (392). 337  Siehe bspw. Wassermann, Richter (Teil  2 , Fn.  338), S.  96 ff. 338  Dies zeigt auch die Praxis der Richterwahl in der Schweiz, die mit geringer Wahlbetei­ ligung und ebenso geringem Interesse in der Bevölkerung bei Wahlen zu kämpfen hat, in denen der Wahlkampf praktisch nicht stattfindet, da es selten einen Gegenkandidaten gibt. Siehe mit Kritik F. Matter, Der Richter und seine Auswahl, 1978, S.  52 f.; zusammenfassend auch Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  242. 339 Kritisch zur faktischen Wahlfreiheit der Wähler äußert sich insbesondere Kayser, Auswahl (Einl., Fn.  18), S.  198. Selbst bei den nicht parteigebundenen Wahlen in den USA zeichnet sich die finanzielle Abhängigkeit der Richterkandidaten von den etablierten Parteien ab, vgl. Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  529 f. 340 Siehe Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  243; ähnlich auch mit Blick auf die 332 

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung

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der Richterauswahl durch eine intermediäre – im Zweifel parteiliche – Kraft wohnt der unmittelbaren Wahl der Richter durch das Volk inne, beraubt diese also nicht „ihrer materiellen Substanz“341. Sofern grundsätzlich die Möglichkeit zur Information und zur Beteiligung an einer Wahl sowie zur Gegenkandidatur besteht, bleibt die hohe Intensität demokratischer Legitimation durch die Volks­ wahl erhalten342. Bisweilen ist die Indifferenz von Volkswahlen im Hinblick auf die Eignung der Richter Gegenstand von Kritik 343; die Befürchtung mangelnder Kompetenz gewählter Richter könnte indessen durch eine parlamentarische oder einer Vorauswahl durch die Exekutive, die in irgendeiner Form ohnehin notwen­ dig wäre, ausgeräumt werden. Die Praktikabilität der Richterwahl durch das Volk ist aus deutscher Sicht allerdings eingeschränkt, da die Besetzung einer Vielzahl von Richterstellen im Verhältnis zur Bevölkerungszahl einen unver­ hältnismäßig großen logistischen Aufwand mit sich bringen würde344. Für eine hinreichende Legitimationskette ist gleichwohl ein „nur“ mittelbarer Zurechnungszusammenhang zwischen Legitimationssubjekt und staatlichem Akteur ausreichend 345, sodass die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Erhöhung der demokratischen Legitimationsintensität durch eine unmittelbare Richterauswahl durch das Volk nicht besteht. Die weitreichenden Kompetenzen der U.S.-amerikanischen Richter zur Rechtssetzung im Rahmen ihrer Recht­ sprechung spiegeln die grundlegend unterschiedlichen Funktionen deutscher und amerikanischer Gerichte wider346, aus der sich in den USA wiederum das Bedürfnis ergibt, auch die Richter und nicht nur die Volksvertreter im Parla­ ment unmittelbar legitimieren zu lassen347. Ein vergleichbares Bedürfnis, Rich­ ter mit begrenzten Amtszeiten durch das Volk wählen (a.) und bestätigen (b.) zu lassen, ist für deutsche Richter nicht ersichtlich.

Schweiz und mit Bezug zur Bundesverfassungsrichterwahl P.-A. Albrecht, KritV 97 (2014), S.  387 (392). 341  So das Fazit bei Matter, Richter (Fn.  338), S.  53. 342  Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  243. 343 Siehe aus amerikanischer Sicht die Kritik von F. N. Judson, Yale Law Journal 21 (1911–1912), S.  659 (659); gleichsinnig Kayser, Auswahl (Einl., Fn.  18), S.  221 ff. – Mitunter wird aber sogar die Verbesserung der Eignung der Richter durch die Einführung des Missou­ ri-­Plans bezweifelt, so bspw. Sheldon/Lovrich, Recruitment (Teil  2, Fn.  408), S.  171. 344  So auch der grundlegende Tenor bei Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  126 f. 345  BVerfGE 47, 253 (275); 93, 37 (66); Schliesky, Souveränität (Teil  2 , Fn.  198), S.  291; E.-W. Böckenförde, HStR³ II, §  24 Rn.  16.; Grzeszick (Teil  2, Fn.  185), Art.  20 II Rn.  121; Dreier (Teil  2, Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  111. 346  Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  82 ff., 104 ff., 175 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  637. 347  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  637.

508 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells a) Auswahlprozedere Konsequent weiter gedacht muss man die Möglichkeit in Erwägung ziehen, die angesprochenen Defizite der personell-organisatorischen Legitimation durch die Einführung begrenzter Amtszeiten nach dem Vorbild der Richter an den U.S.-amerikanischen Staatengerichten zu beseitigen. Durch die Festlegung ei­ ner begrenzten Amtsdauer oder die Einführung des Erfordernisses einer Wie­ derwahl nach Ablauf der Amtsdauer könnte die Kontrolldichte über Richter er­ höht werden348. In Deutschland ermöglicht lediglich das Institut des Richters auf Probe eine zumindest mittelbare Inhaltskontrolle durch die Möglichkeit der Entlassung des Proberichters (§  22 DRiG)349. Der Begrenzung der Amtszeit steht zunächst die persönliche Unabhängigkeit i. S. d. Art.  97 Abs.  2 GG entge­ gen350. Die Beeinträchtigung der sachlichen Unabhängigkeit steht gleichzeitig selbstredend zu befürchten, wenn ein Richter nach einer kurzen Amtsdauer vom Gutdünken einer anderen Staatsmacht abhängig wäre351. Eine Verfassungs­ änderung ist schon aufgrund der Bedeutung und Stellung des Art.  97 Abs.  2 GG nicht ratsam, da die persönliche Unabhängigkeit neben der grundsätzlichen Un­ absetzbarkeit der Richter die Absicherung der sachlichen Unabhängigkeit be­ zweckt352 und darüber hinaus durch die verstärkende Wirkung der Gewalten­ 348  Eine ähnliche hohe Personalkontrolldichte wird in den USA zum Teil auch durch die Möglichkeit eines Recalls von Gouverneuren im Rahmen von Abberufungsinitiativen er­ reicht, vgl. R. J. Watkins, High Crimes and Misdemeanors. The Term and Trials of Former Governor Evan Mecham, 1990, S.  194 f., 274; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  243. – Siehe mit weiteren Informationen zu nahezu allen jemals stattgefundene Recall Elections in den USA http://recallelections.blogspot.de/ (zuletzt abgerufen am 16.8.2017). 349  Siehe allgemein zum Richter auf Probe Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  12 Rn.  2 f. – Die persönliche Unabhängigkeit des Richters auf Probe ist nicht in gleichem Maße ausgestal­ tet wie seine sachliche Unabhängigkeit, woraus sich allerdings wiederum psychologisch ne­ gative Auswirkungen auf die sachliche Unabhängigkeit ergeben können, vgl. P. Stelkens, NWVBl. 1994, S.  258 (259 f., 262 ff.); Schmidt-Räntsch (Teil  1, Fn.  36), §  12 Rn.  4; mit Kritik hierzu siehe R. Lippold, NJW 1991, S.  2383 (2386 ff.), der hierin eine Verletzung von Art.  6 Abs.  1 EMRK sieht; für eine Streichung von §  12 DRiG spricht sich G.-P. Calliess, NJWBeil. 2014, S.  27 (30) aus. 350  Begrenzte Amtszeiten, teilweise in Kombination mit der Möglichkeit zur Wiederwahl, gibt es in Deutschland nur an den Landesverfassungsgerichten. Die potenzielle Gefährdung der richterlichen Unabhängigkeit ist auch insofern Kernbestandteil der Kritik an diesem Vor­ gehen, vgl. Harms-Ziegler, Verfassungsrichterwahl (Teil  4, Fn.  222), S.  199; C. Starck, HStR³ VI, §  130 Rn.  31. Aus diesem Grund ist eine Wiederwahl der auf zwölf Jahre gewählten Bundesverfassungsrichter gesetzlich ausgeschlossen (§  4 Abs.  2 BVerfGG), vgl. Benda/Klein (Teil  3, Fn.  30), §  4 Rn.  119. – Siehe zur Verfassungswidrigkeit der Flexibilisierung der In­ amovibilität von Richtern F. Wittreck, DRiZ 2007, S.  356 ff. 351  Siehe mit dieser Befürchtung bereits Hamilton, No.  78 (Teil  2 , Fn.  4 49), S.  461, der eindringlich vor der „Willfährigkeit“ von Richtern mit begrenzter Amtszeit warnt. 352  Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  178 f.: „Auxiliargarantie“.

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung

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teilung über Art.  20 GG dem Änderungsschutz von Art.  79 Abs.  3 GG unter­ liegt. Gleiches gilt grundsätzlich auch für das Erfordernis der demokratisierenden Wiederwahl nach Ablauf der Amtsperiode. Die U.S.-­ameri­kanische Verfas­ sungsordnung räumt insofern (zumindest auf einzelstaatlicher Ebene), im Ge­ gensatz zum deutschen Grundgesetz, der demokratischen Rückbindung der Richter an das Volk einen höheren Stellenwert ein als der richterlichen Unab­ hängigkeit353. Insbesondere aufgrund der umfangreichen Rechtsetzungs­tätigkeit amerikanischer Gerichte bedürfen ihre Richter einer demokratischen Legitima­ tion in besonderem Umfang354. b) Bestätigungswahl Deutlich wird dies insbesondere in der in vielen Bundesstaaten der USA ange­ wandten Praxis der Retention Elections355. Solche Bestätigungswahlen haben mit dem Modus reiner Wiederwahlen nichts zu tun, sondern zielen alleine darauf ab, die Zufriedenheit der Bevölkerung mit der richterlichen Entscheidungspraxis noch innerhalb der ersten Amtsperiode abzuklopfen356. Durch Wiederwahlen oder Bestätigungswahlen ließe sich die mangelnde Kontrolldichte von Entschei­ dungen deutscher Richter bei einer Ernennung auf Lebenszeit und unter dem Gesichtspunkt der alleinigen Unterwerfung unter das Gesetz faktisch zwar behe­ ben. Im Rahmen ihrer Rechtsprechung sind die Richter allerdings frei von sämt­ lichen Weisungen und dürfen keiner auch nur mittelbaren Beeinflussung ausge­ setzt sein. Daher sind weder Wiederwahlen noch Bestätigungswahlen zulässig. Insbesondere einer Einführung von Retention Elections – auch im Rahmen des aktuell bestehenden Richterwahlsystems und selbst ohne eine Abschaffung der Lebenszeiternennung – muss vehement die sachliche Unabhängigkeit der Rich­ ter entgegengehalten werden. Noch stärker als bei Wiederwahlen begeben sich Richter, die auf eine Bestätigungswahl angewiesen sind, in ein Abhängigkeits­ verhältnis mit der sie unterstützenden politischen Partei oder Interessenverbän­ 353  Sheldon/Lovrich, Recruitment (Teil  2 , Fn.  408), S.  164 ff.; kritisch auch Zätzsch, Unab­ hängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  175 f. Zu der Frage, wie der Grad der Sicherung der richterlichen Unabhängigkeit im Vergleich zur demokratischen Verantwortlichkeit von Richtern auszuge­ stalten ist F. A. Hanssen, American Economic Review 93 (2004), S.  712 ff.; Geyh, Courts (Einl., Fn.  7), S.  6 ff. – Instruktiv zu den Fragen der Unabhängigkeit deutscher und amerika­ nischer Richter im Rahmen eines gelungenen Rechtsvergleichs siehe Zätzsch, Unabhängig­ keit (Einl., Fn.  7), S.  113 ff., 146 ff., 160 ff., 175 ff. 354 Gleichsinnig Holland, Activism (Teil  3, Fn.  229), S.  25 ff.); Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  619 f. 355  Ein Überblick in tabellarischer Form, in welchen Bundesstaaten eine Bestätigungs­ wahl praktiziert wird, findet sich oben in Kap.  4 B. III. 3. a) bb) (2) (b). 356  Siehe zu den Bestätigungswahlen nach U.S.-amerikanischem Recht bereits Kap.  4 B. III. 3. a) bb) (2) (a) (aa) β).

510 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells den357. Der Vorteil erhöhter Kontrolldichte und damit einhergehender Verstär­ kung demokratischer Legitimation hätte eine ungleich stärkere Schwächung der richterlichen Unabhängigkeit zur Folge358. Wird eine (erneute) Unterstützung einer Partei in einem Richterwahlkampf notwendig, liegt der Schluss nahe, dass eine Lösung von den Grundvorstellungen und -idealen der Partei im Rahmen der Rechtsprechung nur bedingt erfolgt oder Richter insofern zumindest Zurückhal­ tung üben359. Es kommt mithin nicht zu einer Legitimationsverstärkung, sondern lediglich zu einer Verschiebung der Abhängigkeit auf einen anderen Funktions­ träger im Staatsgefüge, nämlich auf die politischen Parteien360. Wenngleich die Auswirkungen parteipolitischer Unterstützung bei unmittel­ baren Volkswahlen auf das Abhängigkeitsverhältnis zu den gewählten Richtern schwer zu prognostizieren sind, muss die Gefahr der Hemmung der Richter durch das Erfordernis der Unterstützung von Parteien (zumindest im Rahmen von Erstwahlen) als gering eingeschätzt werden. Dies könnte sich in unruhigen politischen Zeiten allerdings durchaus ändern361. Nur durch eine mit der Lebens­ zeiternennung und mit der Weisungsfreiheit einhergehende Schwächung der sachlich-inhaltlichen Legitimation der Richter ist die adäquate Erfüllung der richterlichen Unabhängigkeit gewährleistet362. Es ist daher nicht das Auswahl­ verfahren zu ändern, sondern lediglich eine anderweitige partielle Stärkung der sachlich-inhaltlichen Legitimation in Erwägung zu ziehen363. Um die Kontroll­ 357 

Eingehend auch Matter, Richter (Fn.  338), S.  57; Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  132 ff.; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  244; ähnlich auch Clark, Limits (Teil  2, Fn.  875), S.  66. – P. D. Carrington, Law and Contemporary Problems 61 (1998), S.  79 (120 ff.) regt daher die Einführung einer staatlichen Wahlkampffinanzierung an. Deutliche Worte fin­ det auch J. R. Grodin, Elections (Teil  4, Fn.  624), S.  318: „The ugliness of fund-raising“. 358 Ähnlich T. Ginsburg/J. Melton, Journal of Law and Courts 2014, S.  187 (195 f.). Ein­ schränkend unter Hervorhebung der positiven Kontrollwirkungen der demokratisierenden Richterwahl Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  243 f., 245. Es wird hier ein Bild gezeichnet, dass vor dem Hintergrund der stark parteilich geprägten Staatenrichter nicht un­ eingeschränkt zustimmungswürdig ist. Einschränkend muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass sich Tschentscher bei seinen Ausführungen vor allem auf die Volkswahlen von Richtern in der Schweiz bezieht. 359  So auch Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  244, der daher die Kontrolle der Parteitätigkeit bei der Auswahl der Richterkandidaten für erforderlich hielte (S.  246). 360  Ähnlich auch Matter, Richter (Fn.  338), S.  57. 361  Siehe zu diesem Fazit auch Matter, Richter (Fn.  338), S.  60; dies mahnt auch O. Afonso, KritV 91 (2008), S.  380 (383 f.) an. 362  Zu der bildlichen Entlassung der Richter aus der Legitimationskette siehe hier nur die Ausführungen von Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  177; Hillgruber (Teil  1, Fn.  118), Art.  97 Rn.  22. – Etwas anderes gilt indessen nur für die Bundes- und Landesverfassungs­ richter aufgrund des demokratischen Prinzips der Betrauung mit Macht auf Zeit, das für Verfassungsorgane gilt, vgl. Klein (Teil  4, Fn.  46), §  5 Rn.  121. 363  Vgl. hierzu Dreier (Teil  2 , Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  142.

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung

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dichte richterlicher Tätigkeit bedarfsmäßig zu erhöhen, ohne gleichzeitig die richterliche Unabhängigkeit zu schwächen, können „weiche“ Legitimationsfak­ toren herangezogen werden364. Die öffentliche Meinung sowie die richterliche Amtshaftung bewirken in sachlicher Hinsicht ebenso wie der Instanzenzug und das Dienstaufsichts- und Disziplinarwesen eine ausreichende Legitimationsver­ stärkung365. Die Notwendigkeit der Einführung von Volkswahlen ist mithin nicht gegeben. Überdies stellt sich neben der Begrenzung der Amtszeit mit der Möglichkeit zur Wiederwahl auch die Einführung von Bestätigungswahlen nach dem Vorbild der Retention Elections als verfassungswidrig dar. 2. Richterliche Beteiligung an der Richterbestellung nach dem Missouri-Plan In Deutschland werden Richter im Regelfall durch eine Exekutivernennung366 im Wege der kontrovers diskutierten Wahl unter Beteiligung eines Richter­ wahlausschusses ausgewählt367. Die Richterbestellung unter Beteiligung eines Richterwahlausschusses ähnelt der Auswahl der Richter in den U.S.-Bun­des­­staaten, die dem Missouri-Plan folgen: Sowohl der Richterwahlausschuss als auch die Commission, die in vielen Bundesstaaten zur Richterauswahl einge­ setzt ist368, prüft zunächst die Eignung bzw. Qualifikation der zuvor vorgeschla­ genen Kandidaten. Sodann unterscheidet sich das Vorgehen marginal: In Deutschland erfolgt die Auswahl durch den Richterwahlausschuss und ein de­ mokratisch legitimiertes Mitglied einer anderen Staatsgewalt – der zuständige Minister bzw. in den Bundesländern teilweise der Ministerpräsident – stimmt der Auswahl zu369. Der Missouri-Plan in den U.S.-Bundesstaaten sieht in der Regel die Auswahl durch den Gouverneur vor, wobei zum Teil zusätzlich eine Bestätigung durch den Senat erforderlich ist370. Entscheidender Unterschied ist die Zusammensetzung von Richterwahlausschüssen und den Commissions im Rahmen des Missouri-Plans. Hier setzt ein Aspekt der Selbstverwaltungsdebat­ te für die deutsche Richterbestellung an.

364 

Siehe hierzu eingehend A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (680 ff.). Siehe zu diesen „weichen“ Legitimationsfaktoren im Überblick Kap.  2 C. I. 1. b) bb) (4). 366  So auch Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  248; C. Sennekamp, NVwZ 2010, S.  213 (214 f.). 367  Siehe im Überblick A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (676); Tschentscher, Legi­ timation (Teil  1, Fn.  1), S.  269 ff.; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  126. 368  Siehe im Überblick über die Verbreitung des Missouri-Plans in den USA R. A. Schotland, Georgetown Law Journal 95 (2007), S.  1077 (1104, 1105); R. Fortson/K. S. Knudsen, Alaska Justice Forum 32 (2015), S.  6 (8). 369  Siehe oben in Kap.  4 A. III. 3. a) bb) und dd). 370  Siehe allgemein hier nur Tushnet, Selection (Teil  1, Fn.  2), S.  145. 365 

512 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells Die Beteiligung von Richtern im Rahmen von Richterwahlausschüssen ist zu­ mindest kurz zu erwägen, da viele Commissions bei der Richterbestellung nach dem Missouri-Plan Mitglieder aus der Richterschaft, der Anwaltschaft und/oder aus den Reihen der Bürger vorsehen371. Unter Zugrundelegung des herrschenden Demokratieverständnisses des Art.  20 Abs.  2 S.  1 GG wäre ein durch ein solches Gremium gewählter Richter jedoch nicht demokratisch legitimiert372. Um ent­ sprechend ausgewählten Richtern ein hinreichendes Maß an organisatorisch-per­ soneller Legitimation zu vermitteln, muss auch das Auswahlgremium selbst de­ mokratisch legitimiert sein373. Dies wird zum verfassungsrechtlich relevanten Problem, sofern dem Kollegialorgan auch Mitglieder angehören, die ihrerseits nicht individuell demokratisch legitimiert sind374. Es muss daher zumindest ein Übergewicht demokratisch legitimierter Mitglieder in den Gremien verlangt werden375. Ein ausschließlich aus Richtern, Anwälten und Bürgern bestehendes Auswahlgremium, wie zum Teil bei der Richterauswahl nach dem Missouri-­ Plan, kann daher in Deutschland nicht eingeführt werden. Die richterliche Betei­ ligung im Rahmen solcher Organe führt überdies zu dem Problem der negativen Kooptation, sofern den richterlichen Mitgliedern neben parlamentarisch bestell­ ten Mitgliedern zumindest ein Veto-Recht zukommt376. Die Existenz eines ver­ gleichbaren Verbots der Selbstergänzung ist den USA nicht ersichtlich377. Da je­ doch die Autonomie der Gerichte in den USA außerordentlich groß ist, herrscht Einigkeit darüber, dass externe Stellen in die Personalentscheidungen umso stär­ 371  In Missouri als Mutter der leistungsbasierten Richterauswahl nach dem Missouri-Plan setzt sich die Auswahlkommission aus einem Richter, drei Anwälten sowie drei Bürgern zusammen, vgl. J. Goldschmidt, University of Miami law Review 49 (1994), S.  1 (82 ff.); all­ gemein auch Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  162 f. 372  Erschwerend für den Mangel an demokratischer Legitimation kommt im Übrigen hin­ zu, dass die Gouverneure bei der Besetzung der Kommissionen regelmäßig Bürger auswäh­ len, die ihnen parteipolitisch wohlgesonnen sind, vgl. Stumpf, Politics (Teil  1, Fn.  202), S.  167. 373 Vgl. Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  121. 374  So etwas bei Gremienmitgliedern aus der Richter- oder Anwaltschaft und auch bei Mitgliedern aus der Bevölkerung, sofern diese nicht beispielweise parlamentarisch legiti­ miert werden. Siehe allgemein hierzu Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  159; Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  400, 686; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  121 ff.; Dreier (Teil  2, Fn.  184), Art.  20 (Demokratie), Rn.  139. 375 Siehe zu dieser Ansicht, die maßgeblich von Böckenförde entwickelt worden ist, ­Böckenförde, Richterwahl (Einl., Fn.  7), S.  74 ff.; ders.; HStR³ II, §  24 Rn.  19; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  81 ff.; Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  123 f. 376  Siehe zum Kooptationsverbot A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (677); H.-J. Papier, NJW 2002, S.  2585 (2590); treffend auch Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  178 f.: „Eine Richterbestellung durch andere Richter würde die Legitimationsketten vom Volk über Parlamente […] bzw. Wahlgremien (Richterwahlausschüsse) unterbrechen.“ 377  So auch Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  156.

B. Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bewertung

513

ker eingebunden sein müssen378. Insgesamt muss daher bei richter­licher Beteili­ gung bei der Richterbestellung die demokratische Legitimation der Richter in ganz besonders hohem Maße überprüft werden. 3. Verstärkung der Parlamentswahl In zwei U.S.-Bundesstaaten werden die Richter an oberen sowie an den unters­ ten Gerichten durch eine Parlamentswahl bestimmt379. Überdies ist sowohl für die Bestellung der Bundesrichter als auch zum Teil für die nach dem Missouri-­ Plan gewählten Richter eine Bestätigung durch den Senat bzw. durch das jewei­ lige Parlament erforderlich380. In Deutschland hingegen werden – bis auf wenige Ausnahmen – nur die Bundes- und Landesverfassungsrichter durch die entspre­ chenden Gesetzgebungsorgane bestimmt381. Wie bei der Volkswahl ist auch bei der Parlamentswahl der Grad an demokratischer Legitimation der Richter als hoch einzustufen. Vergleichbar ist auch der Beitrag zur Inhalts­kontrolle der Richter382. Hiermit geht allerdings die gleichermaßen zu befürchtende Abhän­ gigkeit von den politischen Parteien einher, da nur die im Parlament vertretenen Fraktionen im Proporz der Fraktionsstärke überhaupt die Möglichkeit erlangen, einen Kandidaten einzubringen383. Um die Parteienabhängigkeit zu verringern, sind zumindest lange Amtszeiten notwendig und im Idealfall keine Wiederwah­ len vorzusehen384. Auch wenn dies bisweilen gefordert wird 385, sollte auch ganz allgemein von Parlamentsanhörungen der Richter wie im Rahmen des Berufungsmodells ame­ rikanischer Bundesrichter Abstand genommen werden. Die Transparenz des Auswahlverfahrens mag durch eine öffentliche Anhörung zwar verbessert wer­ den386. Die Gefahr der Politisierung des Anhörungsverfahrens hat sich in den 378 

Vgl. mit dieser Herleitung K. F. Röhl, JZ 2002, S.  838 (845). Siehe hierzu Kayser, Auswahl (Einl., Fn.  18), S.  181 f. – Mit Kritik C. W. Tobias, Uni­ versity of Richmond Law Review 43 (2008), S.  37 ff. 380 Vgl. Abraham, Process (Teil  1, Fn.  278), S.  21 ff., 38 ff. 381  Zur Verfassungsrichterwahl im internationalen Vergleich siehe Heun, Verfassung (Teil  2, Fn.  162), S.  104 ff.; allgemein zur Wahl der Bundesverfassungsrichter auch U. Kischel, HStR³ III, §  69 Rn.  1 ff., 7 ff. – Siehe zum parteipolitischen Einfluss bei den Bundesrichterwahlen darüber hinaus Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  329 ff. 382  Instruktiv Matter, Richter (Fn.  338), S.  63; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  246. 383  Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  246 ff. 384 Vgl. Matter, Richter (Fn.  338), S.  6 4. Siehe daher nochmals zur Kritik an der Auswahl von Landesverfassungsrichtern C. Starck, HStR³ VI, §  130 Rn.  31. 385  Siehe für eine Zusammenfassung und Bewertung entsprechender Erwägungen U. Kischel, HStR³ III, §  69 Rn.  40 ff. 386  Siehe zu diesem Aspekt Kau, Supreme Court (Einl., Fn.  18), S.  191 f.; zur Kritik, das Verfahren zur Bundesrichterbestellung sei mit Blick auf das Erfordernis der Bestenauslese 379 

514 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells USA jedoch mit dem Fall Bork als Negativbeispiel realisiert387 und ist auch in Deutschland ein nicht unwahrscheinliches Szenario. Dies lässt sich zwar nicht mit Sicherheit feststellen, wohl aber aufgrund der Tatsache prognostizieren, dass auch in den USA der Umgang mit den Richterkandidaten ursprünglich als durchaus wohlwollend beschrieben werden kann388. Zur Sicherstellung der fachlichen Eignung wird im Vorfeld der Parlamentswahl eine entsprechende Expertenkommission eingerichtet. Daher ergibt sich im Hinblick auf die Eig­ nung der gewählten Richter so wie in Bezug auf ihre richterliche Unabhängig­ keit kaum etwas anderes als für die unmittelbare Volkswahl389. Der Grundsatz der Gewaltenteilung steht einer Umsetzung der Parlamentswahl von Richtern jedoch entgegen. Das Übergewicht der Legislative über die Judikative würde durch die Übernahme der Personalverantwortung zu einem Ungleichgewicht führen390. In den USA kann die Autonomie der Gerichte getrost durch einen Kompetenzzuwachs der anderen Gewalten bei der Richterbestellung kompen­ siert werden, um das System der Checks and Balances zu gewährleisten. Je größer die Autonomie eines Justizmodells ist, desto stärker müssen die anderen Staatsgewalten wiederum im Interesse einer gleichmäßigen Machtverteilung in die Richterbestellung eingebunden sein391.

C. Fazit Es hat sich gezeigt, dass die Einsetzung eines professionellen Gerichtsmanagers als zweite Lenkungsebene neben den bestehenden Organen der Gerichtsverwal­ tung an deutschen Gerichten nicht empfehlenswert ist. Dies würde nachvoll­ ziehbar von Richterseite zu unüberbrückbaren Differenzen mit einer zweiten Lenkungsebene führen. Die Erfahrungen U.S.-amerikanischer Gerichte haben dies im Hinblick auf das Konfliktpotenzial insbesondere zwischen Court Managern und Richtern gezeigt. Hier zeigt sich ferner auch der Unterschied zu ande­ ren professionalisierten Organisationen392: In Krankenhausverwaltungen hat sich beispielsweise das Krankenhaus- oder Klinikmanagement als Berufsfeld intransparent, siehe E. G. Mahrenholz, NdsVBl. 2003, S.  225 (234 f.); Meyer (Teil  3, Fn.  8), Art.  95 Rn.  12. 387  Detailliert zur ungehörigen Detailbefragung Zätzsch, Unabhängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  140 ff. 388  Vgl. aus amerikanischer Sicht W. G. Ross, Alabama Law Review 57 (1994), S.  993 (994 f.). 389  So auch Matter, Richter (Fn.  338), S.  63 f. 390  Matter, Richter (Fn.  338), S.  65 f. 391  So auch der Ansatz von K. F. Röhl, JZ 2002, S.  838 (845). 392  So im Ansatz auch Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  13 ff.

C. Fazit

515

etabliert393. Ärzte sind indessen in ihrer professionellen Autonomie nicht mit Richtern zu vergleichen, da der Schutz der richterlichen Unabhängigkeit i. S. d. Art.  97 Abs.  1 GG ähnlichen (Leistungs-)Vorgaben einen Riegel vorschieben würde394. Der Ausbau bereits bestehender Justizstrukturen hat sich daher als zweckdienlicher erwiesen; es ist zunächst beim Gerichtspräsidenten sowie den Geschäftsstellen anzusetzen395. Insbesondere die in das hierarchische Gefüge des Gerichts eingebetteten Geschäftsstellenleiter, welche der Weisungsgewalt des Präsidenten unterliegen und ausschließlich mit Verwaltungsaufgaben be­ traut sind, können mit umfassenderen Befugnissen ausgestattet werden. Die Geschäftsstellenleiter existieren inzwischen an allen Gerichten396. Ihr Berufs­ feld könnte im Rahmen der Rechtspflegeausbildung betriebswirtschaftlich un­ termauert und professionalisiert werden. Allerdings nehmen die Geschäfts­ stellen stets nur solche Aufgaben der Gerichtsverwaltung wahr, die nicht den richterlichen Bereich der Rechtsprechung betreffen397. Daher ist auch an der Fortbildung der Richter hinsichtlich der von ihnen übernommenen Gerichtsver­ waltungstätigkeiten anzusetzen. Durch das bestehende System der Gerichtsverwaltung in Deutschland wer­ den die verfassungsrechtlichen Gebote der Gewaltenteilung sowie der richter­ lichen Unabhängigkeit ausreichend abgesichert. Die Verfahren bei der Richter­ berufung, der Grundsatz der Lebenszeiternennung (§  10 DRiG) sowie die ­Unversetzbarkeit von Berufsrichtern (§§  30 ff. DRiG), sichern die Verfassungs­ prinzipien ebenso ab wie die Regulierungen der Dienstaufsicht (§  26 DRiG) so­ wie des Disziplinarwesens (§§  63, 83 DRiG)398. Regelungsbedarf für die Selbst­ verwaltung der Justiz ist mit Blick auf die verfolgten Ziele der Selbstverwal­ tungsmodelle399 mithin nicht ersichtlich400. Insbesondere fordert der Grundsatz der Gewaltenteilung keine Implementierung von Selbstverwaltungsstrukturen 393  Siehe hierzu nur Adam, Krankenhausmanagement (Einl., Fn.  6 4), S.  53 ff.; B. Lüngen/­ M. Zluhan, Strategisches Krankenhausmanagement – in der Praxis, in: J. F. Debatin u. a. (Hrsg.), Krankenhausmanagement. Strategien, Konzepte, Methoden, 2.  Aufl. 2013, S.  119 ff. 394  Ähnlich auch Gerichte K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (219). 395 Gleichsinnig B. Kramer, NJW 2009, S.  3079 (3084). 396 Vgl. W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1997, S.  290 (290 f.). 397  Zum Aufgabenprofil einer Geschäftsstelle siehe W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1997, S.  290 (290 f.). 398  H. Mertin, ZRP 2002, S.  332 (333). 399  Insbesondere werden die Stärkung der richterlichen Unabhängigkeit und eine damit einhergehende Festigung des Vertrauens der Bürger in die Rechtspflege neben der Steigerung der Effektivität der Rechtsprechung durch eine Selbstverwaltung ins Feld geführt, durch die im Übrigen die Interessen der Justiz besser durchgesetzt werden könne. Zusammenfassend zu diesen Zielen Fuchs, Verfassungsmäßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  79 ff. m. w. N. 400  Siehe zusammenfassend Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  753 ff.

516 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells im Hinblick auf Personalentscheidungen, da die Einflussnahme der Exekutive auf die Judikative im bestehenden Modell der Richterbestellung überwiegend ausgeschlossen ist 401. Auch aus praktischer Perspektive haben sich solch pessi­ mistische Szenarien nicht bewahrheitet402. Im Hinblick auf den steigenden Effizienzdruck in der Justiz und das Erforder­ nis höherer Erledigungszahlen hat sich hingegen die Zweckdienlichkeit von ­Modernisierungsmaßnahmen und einer Ökonomisierung herauskristallisiert. Es sind eine bessere richterliche Führung und die Implementierung betriebs­ wirtschaftlicher Strukturkenntnisse in die richterlichen Fort- und Weiterbil­ dungsprogramme notwendig403. Eine in diesem Zusammenhang erwähnens­ werte Neuerung stellt insbesondere §  13 S.  2 NWRiStaG in Nordrhein-West­ falen dar, der gegenüber der Gerichtsverwaltung eine Pflicht zur Bereitstellung von Fortbildungsmaßnahmen für Richter normiert 404. Dass die Gerichtsmoder­ nisierung einerseits erforderlich und andererseits auf dem Vormarsch ist, zeigt sich ferner an der weit fortgeschrittenen Umsetzung der elektronischen Fallbe­ arbeitung. Das eJustice-Gesetz beweist überdies, dass die ablehnende Haltung in der Richterschaft nicht sämtlichen Modernisierungen gilt. Die Forderung nach mehr Selbstverwaltung wird dennoch häufig als Kontrapunkt und faktisch stellvertretend genutzt, um ein inzwischen antiquiertes Bild der richterlichen Unabhängigkeit jeglichen Modernisierungstendenzen zum Trotz zu erhalten. Mit Blick auf eine flexiblere Geschäftsverteilung und das Qualitätsmanage­ ment wäre darüber hinaus eine offenere Haltung der Justiz wünschenswert. Vor dem Hintergrund einer möglichen Einführung eines ganzheitlichen Caseflow Managements regt sich indessen zum Teil zu Recht großer richterlicher Wider­ stand. Zum Case(flow) Management gehört insbesondere die Geschäftsvertei­ lung, die allerdings in Deutschland weitgehend unflexibel ausgestaltet ist, ob­ wohl dieser Bereich in einem so engen Zusammenhang mit einer effizienten und qualitativ hochwertigen Rechtsprechung steht405. Die Geschäftsverteilung wird bereits durch die Beteiligung des Präsidiums in richterlicher Selbstverwaltung 401  Siehe so auch Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  756; Heusch (Teil  2 , Fn.  692), Art.  97 Rn.  15. 402 Dies zeichnet aus richterlicher Perspektive stellvertretend E. Winkelmeier-Becker, Stellungnahme, BT-PlPr. 17/217, S.  26956A-C nach, die den Vorwurf zurückweist, die Judi­ kative werde von der Exekutive beeinflusst. 403 Pessimistisch D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  46; mit praktischen Überlegungen hinge­ gen Hertig/Emery, Richter (Rn.  362), S.  93, 105 ff. 404  Siehe im Vergleich die Vorschrift des §  3 S.  1 LVO NW im Beamtenrecht. Im Detail hierzu siehe T. Trierweiler/T. Baumanns, NWVBl. 2016, S.  52 (54). 405  Vgl. jüngst H.-P. Freymann/S. Geib, DRiZ 2014, S.  372 ff., obwohl das Thema der Ver­ besserung der Rechtsprechungsqualität aktuell kaum Relevanz im rechtswissenschaftlichen Diskurs hat.

C. Fazit

517

wahrgenommen und ist mithin einem richterlichen Selbstverwaltungsorgan zur Entscheidung in richterlicher Unabhängigkeit übertragen406. So sichert die Ge­ schäftsverteilung nicht nur die Gewaltenteilung und die richterliche Unabhän­ gigkeit ab, sondern bestimmt auch den gesetzlichen Richter. Die vollständige Übertragbarkeit eines an das Caseflow Management aus den USA angelehnte Modell scheidet bereits aufgrund der unterschiedlichen Verfassungswirklich­ keit beider Rechtsordnungen aus. Der Schutz des Kernbereichs deutscher Recht­ sprechungstätigkeit ist unantastbar und trotz aller Kritik an ihrer Ungenauigkeit dient die Kernbereichslehre schließlich maßgeblich der Wahrung der richter­ lichen Unabhängigkeit. Mit Blick auf notwendige Modernisierungsmaßnahmen muss dennoch eine Flexibilisierung der Geschäftsverteilung im Rahmen des Schutzumfangs von Art.  97 Abs.  1 GG angestrebt werden. Die Fixierung auf reine Effizienzgesichtspunkte und die Herstellung eines unverhältnismäßigen Ökonomisierungsdrucks können indessen nicht Ziele von zukünftig anzuge­ henden Reformen sein. Nichtsdestotrotz sollte insbesondere das richterliche Verständnis von der Unabhängigkeitsgarantie des Art.  97 Abs.  1 GG sowie das Prinzip des gesetzlichen Richters aus Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG vor dem Hinter­ grund einer Verbesserung der Rechtsprechung überdacht werden. Trotz der Notwendigkeit von Modernisierungsmaßnahmen muss gleichwohl konstatiert werden, dass die Qualität der Rechtsprechung deutscher Gerichte im internationalen Vergleich als hoch eingeschätzt wird407. Vielleicht lässt sich so­ gar festhalten, dass die deutsche Justiz von anderen Rechtsordnungen beneidet 406 

H. Mertin, ZRP 2002, S.  332 (333). Siehe explizit das internationale Ranking des World Justice Project von S. A. Al-Misnad u. a. (Hrsg.), WJP Rule of Law Index 2016, S.  5, abrufbar unter https://worldjusticeproject.org/si tes/default/files/documents/RoLI_Final-Digital_0.pdf (zuletzt abgerufen am 19.3.2020). Dieses listet die deutsche Justiz in der Gesamtwertung der Rechtsstaatlichkeit auf Platz 6 (hinter Däne­ mark, Norwegen, Finnland, Schweden und den Niederlanden) und die Justiz der Vereinigten Staaten lediglich auf Platz 18. Insbesondere in den Kategorien Rechtsdurchsetzung (Rang 5), Civil Justice (Platz 2) und Criminal Justice schneidet die deutsche Rechtsordnung gut ab (siehe ebda., S.  86). Hier befindet sich die Justiz der USA auf den Rängen 19, 28 und 22 von 113 (siehe ebda., S.  153). Wie der Bericht des Word Economic Forums zeigt, liegen die deutsche und die U.S.-amerikanische Rechtsordnung in puncto richterlicher Unabhängigkeit und Effizienz der Rechtsdurchsetzung allerdings gar nicht so weit auseinander. Bzgl. der richterlichen Unabhän­ gigkeit befindet sich Deutschland auf Rang 24 und die USA auf Rang 29, bzgl. der Effektivität der Streitbeilegung hat Deutschland Rang 17 und die USA Rang 21 (von 138) inne, vgl. K. Schwab/ X. Sala-i-Martín (Hrsg.), The Global Competitiveness Report 2016–2017, S.  186 f. (Deutschland), 356 f. (USA), abrufbar unter http://www3.weforum.org/docs/GCR2016-­2017/05FullReport/The GlobalCompetitivenessReport2016-­2017_FINAL.pdf (19.3.2020). – So auch die Einschätzung von C. Balzer, DRiZ 2007, S.  88 (90); H.-E. Böttcher, SchlHA 2014/A, S.  432 (434); Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  754. – Diese Ansicht ist auch unter den Befürwortern der richterlichen Selbstverwaltung verbreitet, vgl. G. Mackenroth, DRiZ 2009, S.  79 (82 f.). 407 

518 Fünfter Teil: Übertragbarkeit des amerikanischen Gerichtsverwaltungsmodells wird. Ein gleichbleibender Qualitätsstandard kann allerdings nur gewährleistet werden, wenn stetig Anpassungen und Modernisierungen vorgenommen wer­ den408. Daher muss eingehend berücksichtigt werden, dass Performance Eva­ luations in der U.S.-amerikanischen Richterschaft weitestgehend begrüßt wer­ den und auf Akzeptanz stoßen. Diese Einstellung könnte auch deutschen Rich­ tern als Vorbild dienen, um Vorbehalte gegenüber regelmäßigen Bewertungen in Form von Umfragen auszuräumen409. Evaluationen dürfen sich einerseits nicht lediglich an Quantitätsmaßstäben orientieren. Andererseits darf die Be­ wertung der Rechtsprechungsqualität auch nicht zu einer Kontrolle des richter­ lichen Verhaltens im Rahmen der Rechtsprechung führen. Der entscheidende Unterschied zu den USA liegt insofern in der unterschiedlichen Bedeutung der richterlichen Unabhängigkeit. Im Rahmen der Finanzverwaltung wird indessen die Ähnlichkeit der Ausge­ staltung des Gewaltenteilungsgrundsatzes deutlich. In beiden Rechtsordnungen verbietet er ein ausschließlich der Justiz zustehendes Budgetrecht. Wenn man bedenkt, dass es deutschen Richtern im Bestreben um mehr Selbstverwaltung in erster Linie um Budget und Einstellungsfragen geht, muss die Selbstverwal­ tung der U.S.-amerikanischen Gerichte auf den Prüfstand gestellt werden, da insofern eine parlamentarische Rückkopplung der Gerichte notwendig ist. Die Richterbestellung in den USA ist als Folge der ansonsten weitgehenden Autonomie der Justiz von der dritten Gewalt abgekoppelt. Der hohe Grad an Politisierung in der Justiz an den U.S.-amerikanischen Gerichten führt zu einer Schwächung der richterlichen Unabhängigkeit, die nicht wie in Deutschland durch eine strikte Gesetzesbindung abgesichert werden kann. Eine solche ist in der Common Law-Rechtstradition traditionell schwach ausgeprägt und wird in der U.S.-amerikanischen Rechtsordnung durch eine ausgeprägte Judicial Accountability ausgeglichen. Der Schutz der richterlichen Unabhängigkeit geht in Deutschland hingegen deutlich weiter. Dies ist bei der Übertragbarkeit aller Maßnahmen der Gerichtsverwaltung der U.S.-amerikanischen Justiz stets zu berücksichtigen. Die politische Einflussnahme bei der Richterwahl durch das Volk oder das Parlament ist kein für Deutschland gangbares Modell. Da mit ei­ ner parlamentarischen Richterauswahl ein Legitimationsverlust der Richter ein­ hergeht, ist eine solche Wahlmethode generell nicht zu empfehlen410. 408  So auch das Votum von Martin Scoppe, dem Vizepräsidenten der Hamburger Rechts­ anwaltskammer, bei der Diskussion zum Thema „Standortvorteile Justiz – Anspruch und Wirklichkeit“ im Rahmen der Reihe „Justiz im Dialog“ der Hamburger Bucerius Law School. Aufgegriffen wird dies von U. Sandherr, DRiZ 2014, S.  364 (365). 409  Ähnlich auch die vage Hoffnung bei Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  638. 410  Siehe auch General Comment Nr.  32 des UNO-Menschenrechtsausschusses zu Art.  14 UNO-Pakt II.

Sechster Teil

Schlussbetrachtung Philip Rosenthal hat mit folgendem Zitat prägnant das Qualitätsproblem der deutschen Justiz in jüngerer Vergangenheit auf den Punkt gebracht: „Wer auf­ hört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein“1. Die aktuellen Reformten­ denzen, vor allem die Forderungen nach einer ökonomisierten (selbstverwalte­ ten) Justiz, sind in den Kreisen der Richterschaft allgegenwärtig, haben bisher jedoch nur zum Teil zu einem Umdenken geführt. Dass gewissen Modernisie­ rungstendenzen überwiegend Skepsis entgegenschlägt und sich der Widerstand gegen Modernisierungen nur selten als geringfügig bezeichnen lässt2 , hat die vorangegangene Untersuchung nachgezeichnet. Nunmehr gilt es, die Ergebnis­ se in thesenform zusammenzufassen und einen Ausblick zu wagen.

A. Erster Teil 1. Die Gerichtsverwaltung stellt sich – nicht nur in terminologischer Hinsicht – als Grenzgang zwischen Verwaltung und Rechtsprechung dar. Unter der Prä­ misse des grundsätzlichen Gebots der Trennung von Rechtsprechung und Ver­ waltung, welches in Deutschlanddurch Art.  92 i. V. m. Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG und in den USA durch die Trennung der Art.  I bis III der U.S.-Verf. verfassungs­ rechtlich verankert ist, sind Rechtsprechungstätigkeit und exekutive Verwal­ tungstätigkeit voneinander abzugrenzen. 2. Es muss bei begrifflichen Vergleichsversuchen beachtet werden, dass das juristische Denken in der deutschen und der U.S.-amerikanischen Rechtsord­ nung aufgrund der vollkommen unterschiedlichen Tradition von Civil Law auf der einen und Common Law auf der anderen Seite sehr unterschiedlich ist. Es kommt überdies die offensichtliche Abneigung der amerikanischen Rechtslehre gegen theoretische Begriffserklärungen und Definitionen hinzu. 1  So auch der Aufsatztitel von U. Sandherr, DRiZ 2014, S.  364 f., in dem die Qualitätsde­ batte in der Justiz anschaulich nachgezeichnet wird. 2  Dies gilt im Hinblick auf die Elektronisierung des Rechtsverkehrs und der Organisa­t ion der Gerichte. Siehe hierzu aus dem Alltag der Gerichte abermals H. Schmitz/L. Prell, NVwZ 2016, S.  1273 ff.

520

Sechster Teil: Schlussbetrachtung

3. Weder die deutsche noch die U.S.-amerikanische Rechtsordnung halten Definitionen für die Begriffe der Gerichtsverwaltung bzw. Court Administra­ tion sowie der Rechtsprechungs- und Verwaltungstätigkeit bereit. In der deut­ schen rechtswissenschaftlichen Literatur haben sich indessen Meinungsstreitig­ keiten zur terminologischen Eingrenzung von Rechtsprechung und Verwaltung entwickelt. 4. Der deutsche Rechtsprechungsbegriff ist im Gegensatz zum amerikani­ schen sehr weit und lässt demnach für die gerichtsverwaltende Tätigkeit, die sich außerhalb des weisungsfreien Raumes befindet, wenig Spielraum3. Ein um­ fassendes Selbstverwaltungsmodell, das eine völlige Selbstorganisation losge­ löst von der Exekutive vorsieht, hätte zunächst einmal die Voraussetzung einer Verengung des eigentlichen Rechtsprechungsbegriffes, um die Maßnahmen der Gerichtsverwaltung aufsichtsrechtlichen Schritten theoretisch zugänglich zu machen. Hier ist die Vorbildfunktion der USA eingedenk der mit dem engen Rechtsprechungsbegriff verbundenen engen Auslegung der richterlichen Unab­ hängigkeit von begrenzter Sinnhaftigkeit 4. 5. Die Definition von Verwaltungstätigkeit stellt sich in beiden Rechtsordnun­ gen als besonders schwierig dar. Schließlich verhilft insbesondere die negative Abgrenzung zu dem, was insbesondere als nicht verwaltend gilt, zu ersten An­ knüpfungserfolgen. 6. Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich im Rahmen der deutschen Ge­ richtsverwaltung vor allem in Grenzbereichen zwischen rechtsprechender und originär verwaltender Tätigkeit. Namentlich im Bereich der richterlichen Selbst­ verwaltung bereitet eine eindeutige Abgrenzung Schwierigkeiten. Im Allgemei­ nen kann jedoch regelmäßig davon ausgegangen werden, dass strittige Aufga­ benbereiche – mit Ausnahme der richterlichen Selbstverwaltungsangelegenhei­ ten – der vollziehenden Gewalt als Verwaltungsangelegenheit zuzuordnen sind. 7. Ausgehend vom terminologischen Grundverständnis stellt sich die Ge­ richtsverwaltung in Deutschland grundsätzlich als Grenzgang zwischen Judika­ tive und Exekutive dar. 8. Gerichtsverwaltende Tätigkeiten, die den inneren Ordnungsbereich der Gerichte betreffen, sind von solchen Verwaltungsaufgaben abzugrenzen, die den Gerichten in Form der Rechtsfürsorge und im Rahmen der Justizverwal­ tung übertragen sind. Bei dieser Verwaltung durch Gerichte handelt es sich um solche Tätigkeiten, die zunächst mit dem Gericht als Organisationseinheit nichts zu tun haben. 3  Siehe zum Rechtsprechungsbegriff in Deutschland instruktiv D. Wilke, HStR³ V, §  112 Rn.  56 ff. 4 Ähnlich Röhl, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  18), S.  130 f.; T. Groß, Die Verwaltung 34 (2001), S.  371 (378); Müller, Rahmen (Teil  2, Fn.  133), S.  190.

B. Zweiter Teil

521

9. Gerichtsverwaltung und Court Administration umfassen ein ähnliches Aufgabenportfolio. Sie werden als die Gesamtheit der verwaltenden Aufgaben zusammengefasst, welche die für die Gerichte notwendigen sachlichen, organi­ satorischen und personellen Mittel zur adäquaten Durchführung von Recht­ sprechung und Justizverwaltung bereitstellen und aufrechterhalten. In den USA steht es überdies im Fokus der gerichtsverwaltenden Tätigkeit, die Arbeit der Richter zu verbessern und es Anwälten und Bürgern zu erleichtern, Zugang zum Justizsystem zu finden5. 10. Court Management ist eine professionalisierte Form der Court Administration6, welches nicht nur in quantitativer Hinsicht eine Effizienzsteigerung der Gerichte intendiert, sondern überdies eine Qualitätssicherung und -steigerung der rechtsprechenden Tätigkeit der Richter zum Ziel hat. 11. Da die Court Administration in der U.S.-amerikanischen Rechtsordnung in die Selbstverwaltungsstruktur der Gerichte eingebettet ist, findet eine Ab­ grenzung von weisungsunterworfener Gerichtsverwaltungstätigkeit und Aufga­ ben der richterlichen Selbstverwaltung nicht statt. Dementsprechend sind ver­ gleichbare Zuordnungsprobleme des Caseflow Managements wie in der deut­ schen Rechtsordnung in Hinblick auf die Geschäftsverteilung nicht ersichtlich.

B. Zweiter Teil 12. Im historischen Kontext der deutschen sowie der U.S.-amerikanischen Ge­ richtsverwaltung stellt sich jeweils die richterliche Unabhängigkeit als tragender Leitgedanke der Entwicklungen seit dem 18.  Jahrhundert dar. In den USA liegt der Ursprung der Idee der Selbstverwaltung der Judikative zunächst primär in dem Bedürfnis nach Absicherung der Unabhängigkeit der Richter von dem eng­ lischen Mutterland. 13. Es zeigt sich insbesondere im Hinblick auf die Modernisierung der Justiz sehr deutlich, dass die U.S.-amerikanische Gerichtsverwaltung auf ansteigende Verfahrenszahlen mit Modernisierungen reagiert hat, während auf die ähnlich steigende Arbeitsbelastung an den deutschen Gerichten nur zurückhaltend mit einer an Effizienz- und Qualitätsoffensive geantwortet wird. 5  Siehe zu diesem serviceorientierten Ansatz der Court Administration im Sinne eines Court Managements abermals Saari, Management (Einl., Fn.  200); H. O. Lawson/D. Howard, The Justice System Journal 15 (1991), S.  580 (604). 6  Siehe zum Court Management im Überblick H. O. Lawson/D. E. Howard, The Justice System Journal 15 (1991), S.  580 (599 ff.); Aikman, Administration (Teil  1, Fn.  2), S.  197 ff.; zum Berufsfeld, das sich aus der Professionalisierung der Gerichtsverwaltung ergibt, siehe eingehend Echaore-McDavid, Career (Teil  2, Fn.  291), S.  140 f.

522

Sechster Teil: Schlussbetrachtung

14. Die Vielfalt der Verwaltungstätigkeit der deutschen Gerichte sorgt dafür, dass die einschlägigen Vorschriften der Gerichtsverwaltung sich größtenteils in unterschiedlichen Gesetzen Verordnungen, Erlassen und Bekanntmachungen finden. Die Unübersichtlichkeit der gerichtsverwaltenden Strukturen im födera­ listischen Regierungssystem der USA sowie die ausgeprägte judikative Norm­ setzung (Rule-Making Power) der Gerichte machen eine genaue Bestimmung der gerichtsverwaltenden Rechtsquellen nahezu unmöglich. 15. Die Tragweite der Rules of Court der amerikanischen Gerichte lässt sich mit den deutschen Prozess- und Gerichtsverfassungsregeln kaum vergleichen7. Eine entsprechende Autonomie der deutschen Justiz ist undenkbar8 und würde den Grundsatz der Gewaltenteilung als Garant einer gleichmäßigen Verteilung der Staatsgewalt unterlaufen. 16. Als Staatsziel- und Verfassungsprinzip gibt das Demokratieprinzip in Deutschland und in den USA die Rückbindung sämtlichen staatlichen Handelns an das Volk vor, gleichwohl ist die Ausgestaltung des Erfordernisses der Volks­ souveränität in beiden Rechtsordnungen höchst unterschiedlich. 17. In Deutschland richtet sich das Erfordernis der demokratischen Legitima­ tion (Art.  20 Abs.  2 S.  1 GG) der Gerichtsverwaltung nach dem organisato­ risch-formalen Legitimationsmodell. In dogmatischer Hinsicht müssen die drei Formen der Legitimation – funktionell-institutionell, personell-organisatorisch sowie sachlich-inhaltlich – zu einem bilanziellen Mindestmaß an demokrati­ scher Rückbindung führen. 18. Insbesondere das Erfordernis personell-organisatorischer Legitimation erweist sich im Hinblick auf die Judikative als problembehaftet. Personelle Le­ gitimation erfahren die Richter durch den Akt der Ernennung sowie die Zu­ weisung des Richteramtes. Bedenken an der demokratischen Legitimation der Richter ergeben sich insbesondere im Hinblick auf die Vielfalt der Bestellungs­ verfahren der Richter in Bund und Ländern, deren personelle Legitimation auf­ grund des Erfordernisses einer ununterbrochenen Legitimationskette zum Teil angezweifelt wird9. 19. Das deutsche Prinzip lückenloser Legitimationsketten ist der amerikani­ schen Verfassungstheorie gänzlich fremd. Eine vergleichbare Dogmatik mit Blick auf das Erfordernis demokratischer Legitimation sucht man in den Ver­ einigten Staaten vergeblich. Das U.S.-amerikanische Prinzip der Democratic 7 Vgl.

W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1998, S.  109 (115); Müller, Rahmen (Teil  2, Fn.  133), S.  190. 8 Ähnlich K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (218); W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1998, S.  109 (115); Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  994. 9  Siehe hierzu abermals die prägnanten Ausführungen bei Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  307 ff., 395 ff., 413 ff.; Tschentscher, Legitimation (Teil  1, Fn.  1), S.  300 ff., 322 ff., 340 ff.

B. Zweiter Teil

523

Accountability hat gleichwohl den Zweck, richterliches Handeln an das Volk als Träger der Staatsgewalt zurückzubinden. Im Vordergrund stehen insofern je­ doch Kontrollmechanismen über richterliches Verhalten. 20. Das Korrektiv der richterlichen Rückbindung nimmt in der Rechtsord­ nung der USA einen größeren Stellenwert ein als in Deutschland, was sich be­ reits in der in vielen Einzelstaaten verbreiteten Praxis der Richterwahl durch das Volk sowie sich anschließenden Retention Elections zeigt10. 21. In beiden Staaten ist eine inhaltliche Kontrolle richterlichen Handelns stark abgeschwächt11. In formaler wie informaler Weise ermöglichen dienstauf­ sichtsrechtliche- und disziplinarische Maßnahmen, eine zivil- und strafrecht­ liche Verantwortlichkeit der Richter, die Möglichkeit der Richteranklage bzw. des Impeachment-Verfahrens sowie eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit ne­ ben den in den USA verbreiteten Judicial Performance Evaluations einen Zu­ griff auf die Kontrolle richterlichen Handelns. 22. Die Kontrollierbarkeit richterlicher Tätigkeit hat in den USA mit dem Prinzip der Judicial Accountability jedoch einen höheren Stellenwert als in Deutschland. In der U.S.-amerikanischen Verfassungsordnung hat die richter­ liche Unabhängigkeit bisweilen hinter der demokratischen Rückbindung zu­ rückzutreten. 23. In der deutschen wie der U.S.-amerikanischen Rechtsordnungen findet sich die Verteilung der staatlichen Funktionen auf die Trinität von Legislative, Exekutive und Judikative im Sinne einer grundsätzlichen Gewaltenteilung (Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG) bzw. Separation of Powers (in Art.  I §  1, Art.  II §  1 Abs.  1 und Art.  III §  1 S.  1 der U.S.-Verf.12). 24. Eine vollständige Verwirklichung des Gewaltenteilungsgrundsatzes sieht indessen weder das Grundgesetz noch die U.S.-Verf. vor. Vielmehr existieren in verfassungstheoretischer Hinsicht zahlreiche Gewaltenverschränkungen. Den Durchbrechungen des Grundsatzes der Gewaltenteilung werden jedoch in bei­ den Rechtsordnungen wiederum Grenzen gesetzt. Diese sind allerdings in den Vereinigten Staaten nicht einer vergleichbaren dogmatischen Regel unterwor­ fen wie in Deutschland13. 10  Dies wird rechtsvergleichend und sehr anschaulich dargestellt von Zätzsch, Unabhän­ gigkeit (Einl., Fn.  7), S.  175 ff., 193 ff.; siehe weiterhin aus U.S.-amerikanischer Perspektive Wheeler, Independence (Einl., Fn.  75), S.  547 ff. 11  A. Voßkuhle/G. Sydow, JZ 2002, S.  673 (679); Minkner, Gerichtsverwaltung (Einl., Fn.  7), S.  156. 12  Stern, Staatsrecht II (Teil  1, Fn.  11), S.  377 behandelt einen staatstheoretischen Zusam­ menhang zwischen der Separation of Powers und der Gewaltenteilung des GG. 13  Siehe zur Funktionenzuordnung in Deutschland sowie in den USA Möllers, Gewalten­ gliederung (Teil  1, Fn.  41), S.  74 f.

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Sechster Teil: Schlussbetrachtung

25. Die deutsche Gerichtsverwaltung stellt sich als Durchbrechung des Tren­ nungsdogmas der Staatsgewalten dar. Eine sich selbst verwaltende Judikative fordert der Grundsatz der Gewaltenteilung indessen nicht. Insofern ist das Prin­ zip der Separation of Powers in den USA sehr viel reiner verwirklicht. 26. Die deutsche Gerichtsverwaltung muss sich am Justizgewährleistungs­ anspruch orientieren. Die Organe der Gerichtsverwaltung sind verpflichtet, die Gerichte organisatorisch, personell und finanziell so auszustatten, dass diese den Justizgewährleistungsanspruch erfüllen und effektiv Recht sprechen kön­ nen14. 27. Ein dem deutschen Justizgewährleistungsanspruch entsprechendes Äqui­ valent ist in den USA als eigenes Rechtsinstitut nicht existent. Gleichwohl sieht der 6. Zusatzartikel zur U.S.-Verf. beispielweise für Strafsachen das Recht auf ein zügiges Gerichtsverfahren vor (Speedy Trial Clause). 28. Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG gewährt einen subjektiven Anspruch auf den ge­ setzlichen Richter. Die Garantie des gesetzlichen Richters soll der Gefahr vor­ beugen, dass die Justiz durch eine Manipulation der rechtsprechenden Organe sachfremden Einflüssen ausgesetzt wird15. So kommt dem Geschäftsvertei­ lungsplan die in der deutschen Rechtsordnung als überaus wichtig eingeschätzte Funktion zu, den verfassungsrechtlich garantierten gesetzlichen Richter end­ gültig zu bestimmen. 29. In der U.S.-amerikanischen Rechtsordnung gibt es eine entsprechende Garantie des gesetzlichen Richters nicht. Die Geschäftsverteilung folgt daher keinen vergleichbar strengen Regeln und ermöglicht eine flexible Richterzuwei­ sung. 30. Sowohl die deutsche als auch die U.S.-amerikanische Verfassung enthal­ ten Vorgaben zur richterlichen Unabhängigkeit. Die Garantie der richterlichen Unabhängigkeit hat in Art.  97 GG eine prominentere und sehr spezifische Kodi­ fikation erhalten, während sich die Judicial Independence in den USA mittelbar aus der Etablierung der Judikative als unabhängige Gewalt neben Legislative und Exekutive in Art.  I bis III der U.S.-Verf. ergibt. 31. Trotz terminologischer Unterschiede und unterschiedlicher dogmatischer Herleitung statuieren beide Rechtsordnungen durch verfassungsrechtliche Ver­ ankerung und eine Untermauerung in einfachgesetzlichen Vorschriften ein sub­ jektives Recht auf einen unabhängigen und unparteilichen Richter. In persön­ licher Hinsicht besteht nach Art.  97 Abs.  2 GG ein mit Art.  III §  1 der U.S.-Verf. nahezu gleichlautendes Verbot von Amtsenthebung und Versetzung. 14  Siehe zum Entschädigungsanspruch bei überlanger Verfahrensdauer A. Voßkuhle/A.-B. Kaiser, JuS 2014, S.  312 ff. 15  Für Details siehe abermals J. Selder, ZRP 2011, S.  164 (164); Fuchs, Verfassungsmä­ ßigkeit (Einl., Fn.  7), S.  52.

C. Dritter Teil

525

32. Wesentliche Voraussetzung der Unabhängigkeit deutscher Richter ist die in Art.  97 Abs.  1 GG untermauerte alleinige Unterworfenheit unter das Gesetz. Eine solche strikte Gesetzesbindung kann es in den USA bereits deshalb nicht geben, da das Common Law traditionell wenig Gesetze hervorbringt und eine Bindungswirkung der Richter unterer Gerichte an die Entscheidung (Prejudi­ ces) höherer Instanzen existiert. 33. Trotz der unterschiedlichen gerichtsverwaltenden Strukturen existieren in beiden Rechtsordnungen Interdependenzen der Gewalten untereinander sowie Friktionen mit der richterlichen Unabhängigkeit. Trotz der Selbstverwaltung der U.S.-amerikanischen Gerichte wird die Übermacht der Court Manager als Beeinflussung der richterlichen Unabhängigkeit angesehen. Dass in der U.S.-­ amerikanischen Rechtsordnung Beeinträchtigungen für die richterliche Unab­ hängigkeit indessen von justizinternen Maßnahmen ausgehen, ändert nichts an der Tatsache, dass entsprechende Reibungen den exekutiven Eingriffsmöglich­ keiten im System der deutschen Gerichtsverwaltung ähneln. 34. Internationale und völkerrechtliche Vorschriften zum gerichtlichen Zu­ gang enthalten wenige konkrete Vorgaben für die Gerichtsverwaltung, sondern meist allgemeine Justizgrundrechte, die unabhängige und unparteiliche Gerich­ te verlangen. Insbesondere ist ihre Bedeutung für die U.S.-amerikanischen Ge­ richte abgeschwächt.

C. Dritter Teil 35. In dem dualen Gerichtssystem der USA treten die Gerichte des Bundes selb­ ständig neben die Gerichte der Einzelstaaten. Dies macht die Organisation der Gerichte und die Abgrenzung ihrer Zuständigkeiten vergleichsweise kompli­ ziert. Im Gegensatz zur deutschen Gerichtsbarkeit besteht in den USA nur eine partielle Hierarchie zwischen den beiden Ebenen. 36. In den USA ist eine Aufteilung der Gerichtszweige nach Prozessarten im Gegensatz zu dem deutschen Gerichtssystem kaum vorhanden16. Die deutschen Richter sind dementsprechend spezialisierter. Der hohe Spezialisierungsgrad der Richter in Deutschland führt überdies zu einer weitaus größeren Anzahl an Richtern im Verhältnis zu den Einwohnerzahlen als in den USA. 37. Der U.S. Supreme Court übernimmt eine Doppelrolle: Er fungiert zum einen als Rechtsmittelgericht und ist insofern mit den obersten Bundesgerichten 16  So auch die Feststellung bei Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  994; Müller, Rahmen (Teil  2, Fn.  133), S.  190. – Siehe abermals zum Zusammenhang von Spezialisierun­ gen der Gerichte und der Qualität der Rechtsprechung H. Weber-Grellet, ZRP 2013, S.  110 (111, 113).

526

Sechster Teil: Schlussbetrachtung

Deutschlands vergleichbar; er erfüllt allerdings zugleich die Aufgaben eines Verfassungsgerichts, seitdem er sich die Befugnis zur Judicial Review verliehen hat17. Im Trennungsmodell der Bundesrepublik Deutschland ist die Verfas­ sungsgerichtsbarkeit hingegen organisatorisch verselbständigt dem Bundesver­ fassungsgericht zugeordnet. Es verfügt über eigene, originäre Zuständigkeiten und ist von der einfachen Gerichtsbarkeit getrennt. 38. Gerichtsorganisation und Verfahrensregeln sind in beiden Rechtsordnun­ gen von Grund auf verschieden ausgestaltet: Insbesondere der Spielraum der Court Administration und der autonome Einfluss der Gerichte auf die Rules of Court sind in im deutschen Prozess- und Gerichtsverfassungsrecht kaum denk­ bar18. 39. Der Justiz in den Vereinigten Staaten wohnt eine viel größere politische Kraft im amerikanischen Regierungssystem inne als den einfachen Gerichten in Deutschland19. Die Aufgaben der Gerichtsverwaltung, insbesondere der Richterbestellung, gewinnen daher an entscheidender Bedeutung. In Deutsch­ land entfaltet die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine ähnlich politische Wirkung20.

D. Vierter Teil 40. In globaler Perspektive sind die gerichtsverwaltenden Strukturen in Deutschland und den USA äußerst verschieden. Während in den USA ein ex­ klusiv judikatives Selbstverwaltungsmodell praktiziert wird, werden deutsche Gerichte exekutiv unter weisungsgebundener Beteiligung der Judikative ver­ waltet. 41. Die föderalistische Grundstruktur beider Rechtsordnungen findet sich auch im Rahmen der Gerichtsverwaltung verwirklicht. Die Verwaltung der Bundesgerichte wird durch Bundesorgane übernommen, während die Gerichte der Bundesländer bzw. der U.S.-amerikanischen Bundesstaaten im Rahmen ei­ ner jeweilig lokalen Verwaltungsorganisation übernommen wird.

17 Siehe

zu dieser Doppelrolle hier nur Currie, Verfassung (Teil  2, Fn.  589), S.  15 ff.; Wieland (Teil  3, Fn.  391), Art.  93 Rn.  26. 18 Ähnlich K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (218); W. Hoffmann-Riem, DRiZ 1998, S.  109 (115); Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  994. 19  Gellner/Kleiber, Regierungssystem (Teil  1, Fn.  206), S.  109. 20  Siehe daher zur Bedeutung der Bundesverfassungsrichterwahl Landfried, Wahl (Teil  3, Fn.  37), S.  229 ff.; Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht (Teil  3, Fn.  28), Rn.  42 ff.; Schreier, Legitimation (Einl., Fn.  18), S.  25 ff.

D. Vierter Teil

527

42. Die Organe der Gerichtsverwaltung sind in der deutschen und der U.S.-­ amerikanischen Rechtsordnung grundsätzlich auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt. Es stehen sich eine exekutive Fremdverwaltung und eine gerichtli­ che Selbstverwaltung gegenüber. Die U.S.-amerikanische Gerichtsverwaltungs­ struktur darf indessen nicht über gewisse Elemente einer faktischen Fremd­ verwaltung hinwegtäuschen, die sich aus den weitreichenden Kompetenzen der Court Manager ergeben sowie aus der Einbettung der Justiz in eine behörde­ nähnliche Verwaltungsstruktur. 43. In Deutschland erfolgt die Verwaltung der Gerichte in einer streng hierar­ chischen Struktur mit dem zuständigen Ministerium an der Spitze und den nachgeordneten, weisungsgebundenen Gerichtspräsidenten in ihr Funktion als Behörde der Gerichtsverwaltung und mithin als Exekutivorgan. 44. Die Judikative ist in Deutschland überdies durch verschiedene Gremien ebenfalls an der Gerichtsverwaltungstätigkeit beteiligt. Demnach konstituiert sich eine richterliche Mitwirkung an der Gerichtsverwaltung, die sich vor allem durch eine Nähe zur tatsächlichen Entscheidungsfindung auszeichnet. 45. Die Legislative ist lediglich mittelbar und schwach an der Gerichtsverwal­ tung beteiligt – dies gilt für die deutsche wie für die U.S.-amerikanische Rechts­ ordnung, wo gleichermaßen vor allem haushaltsrechtliche Aspekte eine ge­ richtsverwaltende Dimension durch den Gesetzgeber erlangen. 46. An der Spitze der Gerichtsverwaltung der U.S.-amerikanischen Gerichte steht auf Bundes- wie auf Einzelstaatenebene in aller Regel der Chief Justice des obersten Gerichtshofes, dem ein personeller Verwaltungsstab zur Seite ge­ stellt wird. 47. Einen behördenähnlichen Charakter hat bzw. haben das Administrative Office des Bundes bzw die State Court Administrative Offices. Die Bandbreite der den jeweiligen Chief Justice unterstützenden Funktionen ist groß. Die Ver­ waltungsämter sind in eine Verwaltungsstruktur nebst zahlreichen beratenden Gremien eingebettet, zu denen sog. Judicial Conferences und Judicial Councils gehören. 48. In den USA ist der Bereich der Gerichtsverwaltung weitestgehend pro­ fessionalisiert. Vor allem an vielen einzelstaatlichen Gerichten sind spezieller Positionen für Court Manager eingerichtet. Ein vergleichbar professionelles Gerichtsmanagement existiert in Deutschland nicht. Eine generelle betriebs­ wirtschaftliche Orientierung im Bereich der Gerichtsverwaltung findet keinen Anklang. 49. Die Aufgaben der Gerichtsverwaltung in Deutschland und den USA de­ cken sich bis zu einem gewissen Grad. Insbesondere Infrastruktur- und Ablauf­ verwaltung beinhalten ähnliche Tätigkeitsfelder.

528

Sechster Teil: Schlussbetrachtung

50. Im Bereich der Personalverwaltung zeigen sich indessen gravierende Un­ terschiede, die bereits in den Anforderungen an der Qualifikation der Richter­ kandidaten beginnen. Die deutsche Einheitlichkeit einer universitären Ausbil­ dung als Qualifikation für den Richterberuf hat sich in den USA (noch) nicht vollumfänglich durchgesetzt. Vielmehr wird die akademische Kompetenz – vor allem an den Bundesgerichten – durch eine umfangreiche Praxiserfahrung er­ setzt21. In Deutschland hingegen tritt der Faktor der Berufserfahrung ein ganzes Karriereleben lang hinter den Noten in den juristischen Staatsprüfungen zu­ rück. 51. Der Richterbestellung in den USA wohnt nahezu durchweg ein großes Politikum inne, welches sich auf Bundesebene durch die ideologische Unterstüt­ zung durch den Präsidenten und auf einzelstaatlicher Ebene durch eine stark parteiliche Prägung der direkten Richterwahl durch das Volk realisiert. Abgese­ hen von der Auswahl der Richter zum Bundesverfassungsgericht und der ober­ sten Bundesrichter hat die parteiliche Zugehörigkeit bei der Richterbestellung in Deutschland hingegen keine nennenswerte Bedeutung. 52. Das Richteramt ist in den USA nicht in ein Laufbahnmodell integriert wie in Deutschland. Die Richterbeurteilung erfolgt in den USA daher im Vergleich zu den deutschen Gerichten selten periodisch und vor allem nicht als Grundlage für eine Beförderungsentscheidung. 53. Kundenbefragungen in Form von Judicial Performance Evaluations sind in den USA verbreitet, in Deutschland indessen nahezu undenkbar. Deutlich wird vor allem, dass die richterliche Unabhängigkeit in den USA in diesem Zu­ sammenhang keine große Rolle spielt. Der Judicial Accountability der Richter in Form einer als notwendig erachteten Qualitätskontrolle kommt hier eine hö­ here Bedeutung zu als in Deutschland. 54. Kontrollmechanismen für die richterliche Tätigkeit sehen beide Rechts­ ordnungen in Form von disziplinarischen und dienstaufsichtsrechtlichen Maß­ nahmen vor22. 55. Die gerichtliche Selbstverwaltungsautonomie der U.S.-amerikanischen Justiz ist vor allem in der Finanzverwaltung realisiert. Hier ist bereits als In­ herent Power verwirklicht, was vergleichbar in Deutschland im Rahmen der Selbstverwaltungsdebatte gefordert wird, da die Justizorgane die Haushalts­ pläne für die Gerichte anfertigen. Der Justizhaushalt muss dann in der Regel nur noch durch das Parlament bestätigt werden. 21 

Volcansek/Lafon, Selection (Teil  2, Fn.  57), S.  141 f. Siehe eingehend zur Kontrolle von Richtern während ihrer Amtszeit im internationalen aus rechtsvergleichender Perspektive mit Blick auf Deutschland und die USA Zätzsch, Unab­ hängigkeit (Einl., Fn.  7), S.  193 ff. 22 

D. Vierter Teil

529

56. In Deutschland wird (vor allem von Seiten der Richterschaft) in Ansehung der Gewährleistung von richterlicher Unabhängigkeit die Selbstverwaltung der Gerichte gefordert. Insbesondere beziehen sich die Forderungen von DRB und NRV darauf, dass die Gerichte die Befugnis erhalten, ihren Haushalt unmittel­ bar beim Parlament einzuwerben, im verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen ihre Personalentscheidungen selbst zu treffen und dass eine Rechenschafts­ pflicht nur gegenüber dem Parlament besteht. Es handelt sich insofern um Be­ strebungen zur Emanzipation von der Exekutive. 57. Es steht eingedenk der weitreichenden richterlichen Entscheidungsbefug­ nisse zu bezweifeln, ob eine selbstverwaltete Justiz auch dem Ruf nach mehr richterlicher Unabhängigkeit gerecht werden kann 23. Der Grundsatz der Ge­ waltenteilung erfordert eine Selbstverwaltung der Judikative indessen nicht. 58. Die Konzepte des Neuen Steuerungsmodells zur Übertragung betriebs­ wirtschaftlicher Organisations- und Führungsgrundsätze stehen grundsätzlich im Gegensatz zu den Selbstverwaltungsbestrebungen der Richtervereinigun­ gen, da sie die Ökonomisierung der Justiz durch Controlling-Maßnahmen im Rahmen bestehender Strukturen zum Ziel haben und überdies die Implementie­ rung einer zweiten Lenkungsebene in Form eines Gerichtsmanagers anregen. 59. Der von dem Neuen Steuerungsmodell ausgehende Ökonomisierungs­ druck auf die Justiz wird zum Teil mit Recht von der Richterschaft kritisch be­ äugt. Es macht indessen den Eindruck, als hätten nunmehr selbst die kritischs­ ten Unken die Notwendigkeit einer Modernisierung der Justiz erkannt. In tradi­ tioneller Beharrlichkeit springen die Kritiker der Justizökonomisierung auf diesen Zug auf und verknüpfen ihn mit Forderungen nach einer Selbstverwal­ tung der Justiz. 60. Deutlich wird vor allem, dass eine Justizmodernisierung zuallererst an den strukturellen Rahmenbedingungen der Gerichtsverwaltung ansetzt, wo die grundlegenden Weichen für eine effektive und effiziente Rechtsprechung ge­ stellt werden 24. Es wurde insbesondere zu Beginn der Diskussion um die Ein­ führung von betriebswirtschaftlichen Elementen der Justiz die Einführung ei­ nes professionellen Court Managements nicht ernst genommen 25.

23 

Eindringlich warnend Wittreck, Verwaltung (Einl., Fn.  9), S.  667 ff. U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (321). 25 Siehe P. J. Glauben, DRiZ 1991, S.  260 ff.; K. Rudolph, DRiZ 1992, S.  6 (13). 24 

530

Sechster Teil: Schlussbetrachtung

E. Fünfter Teil 61. Die Nachteile des verheißungsvollen Organisationssystems der U.S.-amerikani­schen Selbstverwaltung der Gerichte würde man mit der Implementierung vergleichbarer Gerichtsverwaltungsstrukturen im Zweifel in die deutsche Rechtsordnung übertragen. Die organisatorische Grundstruktur der U.S.-ame­ rikanischen Justiz weist ein behördenähnliches Muster auf, ohne dass einzelne Gremien jedoch adäquat voneinander abgegrenzt werden können. 62. Ähnliche Zweifel drängen sich mit Blick auf die Macht der Court Manager auf. Die Erfahrung in den USA zeigt, dass es vor allem im Bereich der Aufgabenzuweisung zwischen Richtern und professionellen Court Managern Konfliktpotenzial gibt26. Die Implementierung einer zweiten Lenkungsebene neben den mit gerichtsverwaltenden Aufgaben betrauten Richtern ist daher in Deutschland nicht ratsam. 63. Die organisatorischen Erfolge des Court Managements in den USA grün­ den sich unter anderem auf eine verheerende strukturelle Situation vieler Ge­ richte bei der Einführung von Management-Konzepten vor allem in den Ein­ zelstaaten. Es fehlten einheitliche Gerichtsstrukturen und Verwaltungsvor­ schriften. Neu eingestellte Court Manager konnten die Justizstrukturen auf einzelstaatlicher Ebene von Grund auf reorganisieren, führten die Gerichte zu neuer Transparenz und einer einheitlicheren Verwaltungspraxis27. Trotz aller Kritik sowie den vorliegenden funktionalen Defiziten der deutschen Justiz kann man von einer derart desolaten strukturellen Situation an den deutschen Gerich­ ten nicht sprechen, sodass eine Reorganisation der Verwaltung hin zu einem Gerichtsmanagement keine vergleichbaren Erfolge bewirken kann. 64. Die Überlegungen der Professionalisierung der Gerichtsverwaltung ha­ ben für sich genommen – und losgelöst von der reinen Fixierung auf die Schaf­ fung einer institutionell-professionalisierten Position – einen durchaus plausib­ len Kern. 65. Insbesondere lähmen fehlende Effizienz- und Qualitätsstandards die Fort­ entwicklung der Justiz. Richter dürfen sich modernen Entwicklungen des Jus­ tizmanagements nicht mehr versperren. Ansonsten ist es lediglich eine Frage der Zeit, dass ein externes Gerichtsmanagement etabliert wird und Richter ihre internen Befugnisse gerichtsverwaltender Natur verlieren. Dies würde einen Rückschritt der Garantie der richterlichen Unabhängigkeit bedeuten 28. 26 Vgl. K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (228); H. Leeb, DRiZ 1997, S.  287 (288 f.) hat das Konfliktpotenzial zwischen Gerichtsmanagern und Geschäftsleitern im Blick. 27 Siehe Strempel, Rechtsforschung (Teil  1, Fn.  295), S.  300. 28  Ähnlich für die amerikanische Gerichtsverwaltung Tobin, Overview (Teil  1, Fn.  318), S.  8 f.; aufgegriffen wird dies auch von Ostrom u. a., Courts (Teil  1, Fn.  307), S.  1 f.

E. Fünfter Teil

531

66. Erforderlich sind zur Bewältigung der gerichtsverwaltenden Tätigkeits­ felder in Ansehung einer steigenden Arbeitsbelastung der deutschen Richter vor allem erweiterte betriebswirtschaftliche und verwaltungswissenschaftliche Kenntnisse der leitenden Richter sowie der Geschäftsstellenleiter, die im Rah­ men der regulären juristischen und rechtspflegerischen Ausbildung nach wie vor nicht vermittelt werden. 67. Aktuell stellt der Einsatz moderner Informationstechnologien in Form des eJustice-Gesetzes die Justiz vor die größten Herausforderungen. Hierin zeigt sich indessen auch eine vermehrte Modernisierungsbereitschaft innerhalb der Richterschaft. 68. Der rationelle Einsatz von Ressourcen und richterlicher Arbeitskraft ist eine der hauptsächlichen Anknüpfungspunkte zur Verbesserung der Rechtspre­ chungsqualität. Die Frage nach der Einführung eines professionalisierten Ge­ richtsmanagements stellt sich vor allem im Bereich der Geschäftsverteilung29, die in den Vereinigten Staaten als Caseflow Management mit deutlich umfang­ reicheren Kompetenzen als in Deutschland ausgestattet ist. 69. Wenngleich eine direkte Übertragung des Caseflow Managements bereits aufgrund struktureller Unterschiede zwischen der U.S.-amerikanischen und der deutschen Geschäftsverteilung nicht intendiert wird, ist zumindest eine Flexibi­ lisierung des Konzepts der Geschäftsverteilung ratsam. Dies erfordert die Auf­ weichung der Auslegung des Prinzips des gesetzlichen Richters i. S. d. Art.  101 Abs.  2 S.  1 GG. 70. Außerhalb der Änderung des Geschäftsverteilungsplanes im Vorfeld so­ wie der Vertretungsregelung im Nachhinein kann ein an das Case Management angelehntes Instrumentarium einen spontaneren Zugriff außerhalb des starren Änderungsprozederes des Geschäftsverteilungsplanes sowie der unflexiblen Ausnahmetatbestände einer Vertretung ermöglichen. 71. Die Funktionsfähigkeit der Rechtsprechung sowie der Anspruch des Bür­ gers auf Justizgewähr erfordern ein variableres Modell für die Geschäftsvertei­ lung. Der durch Art.  101 Abs.  2 S.  1 GG intendierte Schutz des Bürgers tritt dabei zugunsten des Anspruchs des Einzelnen auf einen Verfahrensabschluss in angemessener Dauer zurück, der aus heutiger Sicht über Art.  6 EMRK eine übergeordnete Bedeutung erlangt hat. 72. Das Recht auf den gesetzlichen Richter ist demnach kein dem Richter zustehendes Individualrecht. Der Anspruch des Bürgers auf wirkungsvollen Rechtsschutz in der konkreten Rechtsanwendung darf daher hinter der Subjek­ tivierung von Art.  97 und Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG durch den einzelnen Richter nicht zurücktreten. 29 

Siehe hierzu Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  995.

532

Sechster Teil: Schlussbetrachtung

73. Die Vorgabe von Leistungszielen für die Justiz ist durch das Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit grundsätzlich ausgeschlossen. Effizienz- und qua­ litätsorientiertes Arbeiten unter Managementgesichtspunkten innerhalb der Justiz erfordert jedoch eine Erfolgskontrolle nach dem Vorbild des Controllings. 74. Die Frage nach der Einführung von Evaluationen innerhalb der Justiz ist unter der Prämisse zu erwägen, dass Justizcontrolling nicht in erster Linie als „Kontrolle“ im Sinne einer Aufsicht über die Zielerreichung verstanden werden soll, sondern ist vielmehr als Qualitätssicherung zu interpretieren. 75. Die Rechtsprechungsqualität ist multidimensional und komplex, sodass sie sich lediglich an vagen Kriterien messen lässt30, was die Festlegung von Evaluierungsstandards wiederum vor große Probleme stellt. Die Frage, was eine qualitativ gute oder gerechte Rechtsprechung ausmacht, kann daher nur durch eine Kumulation verschiedener Faktoren beantwortet werden. 76. Klassische Faktoren wie Schnelligkeit bzw. Verfahrensdauer, ein kosten­ günstiges Vorgehen, niedrige Rechtsmittel- sowie Rechtsmittelerfolgsquoten eignen sich zumindest als Qualitätsindikatoren31. Es müssen gleichwohl weitere Bewertungsdeterminanten hinzugefügt werden, um ein adäquates Qualitäts­ profil für die Justiz zu erstellen. Die Wirksamkeit sowie Effektivität des Rechts­ schutzes, Fairness und Transparenz der Verfahrensgestaltung sowie die Unpar­ teilichkeit der Entscheidung dienen daher als Ergänzung der Messung. 77. Als Datenerhebungsebene dient der Qualitätsermittlung die Einführung einer Kundenbefragung zur Prozessqualität, die sich an Fragen der Wirksam­ keit des Rechtsschutzes, der empfundenen Fairness und der Transparenz des Verfahrens sowie der Unparteilichkeit des Richters orientieren kann. Nur im Wege eines solchen umfassenden Ansatzes ließe sich eine Entscheidungsquali­ tät sinnvoll abbilden. 78. Ein an reinen Effizienzgesichtspunkten orientiertes Evaluierungssystem wäre indessen verfassungswidrig. Einhellig anerkannt ist, dass die Vorgabe von Zielen wie einer maximalen Verfahrensdauer und abzuleistenden Erledigungs­ zahlen mit der richterlichen Unabhängigkeit nicht vereinbar ist, da auf den Rich­ ter im Rahmen seiner Entscheidungsfindung keinerlei – auch nur mittelbarer – Druck aufgebaut werden darf. 79. Ein effektives Controlling-System ist jedoch auch mit einem Berichtswe­ sen zu verknüpfen, welches sich nicht nur in der Informationsbeschaffung bzw. 30 

Solche sind zu finden bei U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (326); grundlegend Schütz, Richter (Einl., Fn.  9), S.  380 ff.; R. Bram, Betrifft Justiz 120 (2014), S.  188 (192). 31  Siehe mit ähnlichen Parametern U. Berlit, KritJ 32 (1999). S.  58 (64); U. Hochschild/ T. Schulte-Kellinghaus, DRiZ 2003, S.  413 (414 f.); U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (326); H. Sodan, NJW 2003, S.  1494 (1496); zur Problematik von Leistungsvereinbarungen für die Richterschaft siehe hier nochmal Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  1000 f.

E. Fünfter Teil

533

Datenrecherche erschöpft, sondern welches die erhobenen Daten auch verarbei­ tet und interpretiert, um dem übergeordneten Zweck der Informationssteuerung gerecht zu werden. Anders können Kennzahlen als Qualitätsmaßstab nicht nutzbar gemacht werden. 80. Das Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit wird im Rahmen von Re­ formdebatten argumentativ nicht als Strukturprinzip herangezogen, sondern als Individualrecht des einzelnen Richters entfremdet. Idealerweise sollte die Qua­ litätsdiskussion in der Justiz daher zu einer Schärfung des richterlichen Be­ wusstseins im Hinblick auf den Gewährleistungsgehalt der richterlichen Unab­ hängigkeit sowie der Reformnotwendigkeit führen. Die richterliche Unabhän­ gigkeit ist als funktionales Prinzip der Justizgewähr und der Effektivität des Rechtsschutzes zu verschreiben32 und nicht als Instrument der vordergründigen Abschottung gegen Modernisierungen33. 81. Im Wege richterlicher Selbstreflektion ist die Tatsache zu akzeptieren, dass Modernisierungs- und damit einhergehende Ökonomisierungstendenzen in den verfassungsrechtlichen Grenzen notwendig sind, um eine Anpassung der steigenden Erwartungen an die Gerichte zu gewährleisten. Das „Ob“ einer Öko­ nomisierung steht längst nicht mehr in Rede; vielmehr geht es in der Diskussion um die Reichweite und die Intensität der Implementierung moderner Steue­ rungsmechanismen34. 82. Mit dem Sekundärziel der eigenverantwortlichen Mitteleinwerbung trifft die Thematik der Budgetierung nach dem Neuen Steuerungsmodell den Nerv der Justiz35. Eine zumindest partielle Selbstverwaltung in Form einer verstärk­ ten Einbindung der Gerichte bei Budgetfragen kann daher sinnvoll sein. 83. Eine weitergehende Selbstverwaltung, insbesondere in Bezug auf Fragen der Personalverwaltung in Form eines Ausschlusses der Exekutive von der Richterbestellung, welche die wesentlichen Personalentscheidungen an Richter­ wahlgremien delegiert, kann jedoch nicht unterstützt werden. 84. Insbesondere kann das System der Gerichtsverwaltung in den USA vor dem Hintergrund der Selbstverwaltung im Gegensatz zu einigen südeuropäi­ schen Modellen36 nur bedingt als Vorbildmodell herangezogen werden, da vor allem die Richterpersonalverwaltung aus dem Gefüge der Gerichtsverwaltung ausgeklammert ist und sich insofern offenkundige Friktionen mit der richter­ lichen Unabhängigkeit ergeben. 32 

Ähnlich, aber im Ergebnis etwas zu weit geht hier U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (324). 33 Gleichsinnig Karpen, Gerichtsmanager (Einl., Fn.  10), S.  997. 34 Vgl. U. Berlit, Betrifft Justiz 70 (2002), S.  319 (320). 35 Siehe H. Weber-Grellet, ZRP 2003, S.  145 (147). 36 Siehe M. Jeschke, KritV 93 (2010), S.  233 ff.

534

Sechster Teil: Schlussbetrachtung

85. Die Richterbestellung in den USA ist als Folge der ansonsten weitgehen­ den Autonomie der Justiz von der dritten Gewalt abgekoppelt. Der hohe Grad an Politisierung in der Justiz an den U.S.-amerikanischen Gerichten führt zu einer Schwächung der richterlichen Unabhängigkeit, die nicht wie in Deutschland durch eine strikte Gesetzesbindung abgesichert werden kann. Die Bindung des Richters an Recht und Gesetz ist in Common Law-Rechtsordnungen traditionell schwach ausgeprägt37 und wird daher in den USA durch eine ausgeprägte ­Judicial Accountability ausgeglichen. 86. Zwar ist eine Direktwahl der Richter durch das Volk nach U.S.-amerikanischem Vorbild für Deutschland aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht per se zu beanstanden, aus rechtspolitischer Perspektive ist eine solche Richterwahl indessen nicht zu empfehlen, da mit ihr nicht selten eine Verstärkung der Politi­ sierung der Justiz einhergeht. 87. Insbesondere das in den U.S.-amerikanischen Einzelstaaten nach wie vor flächendeckend verbreitete Erfordernis einer Bestätigungswahl sowie der Mög­ lichkeit einer Wiederwahl nach einer kurzen Amtsperiode ist mit dem deut­ schen Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit nicht vereinbar.

F. Ausblick Eine Herauslösung der deutschen Gerichtsverwaltung aus der exekutiven Struk­ tur ist weder verfassungsrechtlich indiziert, noch rechtspolitisch notwendig. Im Kern unterscheiden sich die Gerichtsverwaltungsstrukturen in Deutschland und den USA nicht nur durch die Fremd- und Selbstverwaltungskonzepte, sondern vor allem im Hinblick auf ihre Regelungsdichte und Regelungsintention: In Deutschland sind alle Bereiche der Gerichtsverwaltung sowie insbesondere der Bereich der Geschäftsverteilung durch ausgereifte und starre Regelungskon­ zepte geprägt, die andererseits jedoch keine konsequente Ergebnis- bzw. Quali­ tätskontrolle vorsehen oder zulassen. In den USA hingegen sind die entspre­ chenden Bereiche durch ein hohes Maß an Flexibilität und eine Konzentration auf Effizienz- und Qualitätsgesichtspunkte geprägt38. Insofern sind vielmehr die Leitgedanken der U.S.-amerikanischen Court Administration bzw. des Court Managements in die deutsche Gerichtsverwaltung zu implementieren. Die Friktionen mit der richterlichen Unabhängigkeit bei der alleinigen Fixie­ rung auf Effizienzgesichtspunkte sind frappierend. Daher ist ein umfassendes 37  Zur

Bedeutung des Fair Trial-Prinzips, aus der sich (in prozessualer Hinsicht) eine Bindungswirkung für den Richter ergibt, siehe Steinberger, Kritik (Einl., Fn.  18), S.  220. 38 Vgl. K. F. Röhl, Zs. f. Rechtssoz. 12 (1991), S.  217 (220).

F. Ausblick

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Qualitätsmanagement notwendig, das insbesondere Evaluationen in Form von Kundenbefragungen einbezieht. Es muss insofern insbesondere zu einem Um­ denken innerhalb großer Kreise in der Richterschaft kommen. Zwar gründet sich die Starrheit des Prinzips der richterlichen Unabhängigkeit auf ihrer wich­ tigen Funktion als Surrogat für eine mitunter schwache demokratische Legiti­ mation der Richter39. Allein dies kann aber nicht der Grund sein, dass die rich­ terliche Unabhängigkeit zum Teil auch gegen Modernisierungs- und Ökonomi­ sierungstendenzen angeführt wird, ohne dass zumindest über die Rückbesinnung auf den eigentlichen Zweck der richterlichen Unabhängigkeit nachgedacht wird. Eine Interpretation der richterlichen Unabhängigkeit als ein punktuell individu­ elles, subjektives Abwehrrecht ist nicht tragbar, da Art.  97 GG vom eigentlichen Arbeitsauftrag der Justiz nicht abstrahiert werden kann40. Diese Vorstellung muss daher korrigiert werden41, um die Justiz für ein Controll­ing-Modell zu­ gänglich zu machen. Bisweilen hat es indessen den Anschein, dass das überstei­ gerte Selbstbild der richterlichen Unabhängigkeit zum Selbstzweck mit partiell steigenden Erwartungen innerhalb der Bevölkerung an die Justiz einhergeht 42. Hier sind in beide Richtungen Anpassungen in Selbstbild und Erwartungshal­ tung notwendig43. Dass es bisher kein tragfähiges und brauchbares System zur Fehlerursachen­ forschung in der Justiz gibt und nur selten überhaupt von den Gerichten Rechen­ schaft zu ihrer Arbeit abgelegt wird, ist nicht mehr haltbar. Insbesondere die Befragung von Anwälten, Zeugen und Prozessparteien kann insofern Abhilfe schaffen44. Die Schnelligkeit und Kosteneffizienz der Rechtsprechung sollen nicht zur „Primärtugend“ der Richter45 erhoben, die individuelle Ausgestaltung des Richteramtes keineswegs in Frage gestellt werden. Die Justiz ist kein Wirt­ schaftsunternehmen und soll sich auch zukünftig nicht einem reinen Ökonomi­ sierungsdruck ausgesetzt sehen46. Der schwierigen Grenzziehung zwischen richterlicher Unabhängigkeit und einer notwendigen Optimierung der Recht­ sprechungsqualität darf sich dennoch vor dem Hintergrund des Art.  97 Abs.  1 39 

K. F. Röhl, DRiZ 1998, S.  241 (244). Berlit, Unabhängigkeit (Teil  2, Fn.  701), S.  149. 41 Siehe J. P. Francken, NZA 2003, S.  457 (459); prägnant formuliert wurde dies insbeson­ dere von Papier, Selbstverwaltung (Teil  2, Fn.  638), S.  198. 42  Ein ähnlicher Tenor ist auch bei R. Stürner, JZ 2001, S.  699 ff. herauszulesen, der sich explizit jedoch nicht auf die richterliche Unabhängigkeit bezieht; zu gesellschaftlichen Er­ wartungen an die Justiz Hertig/Emery, Richter (Teil  4, Rn.  362), S.  115. 43  Insbesondere manche Richter müssen ihre übersensible Haltung ablegen. Mit dieser Tendenz auch Voßkuhle, Rechtsschutz (Teil  1, Fn.  1), S.  271. 44  G. Mackenroth, DRiZ 2000, S.  301 (308 f., 311). 45  G. Mackenroth, DRiZ 2000, S.  301 (311). 46 Vgl. W. Hoffmann-Riem, DRiZ 2000, S.  18 (27). 40 So

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Sechster Teil: Schlussbetrachtung

GG nicht vorschnell verschlossen werden. Der Festlegung und Überprüfung von Qualitätsstandards stehen die Prinzipien der richterlichen Unabhängigkeit sowie des gesetzlichen Richters nicht per se entgegen47. Ohne die Bereitschaft und den Einsatz der Richter selbst, kann jedoch kein Modernisierungsmodell funktionieren. Die Justiz selber muss daher kritisch überprüfen, inwieweit sich managementorientierte Modelle auf die Gerichtsverwaltung übertragen las­ sen48. Dies ist jedoch nicht allein Aufgabe des einzelnen Richters, sondern ins­ besondere der Organe der Gerichtsverwaltung auf ministerialer Ebene. Die Ex­ ekutive muss die geeigneten Rahmenbedingungen für eine qualitativ hochwer­ tige Rechtsprechung kreieren, um in Ansehung flächendeckend verbreiteter steigender Arbeitsbelastung der Richter einen teils überobligatorisch hohen Einsatz der Richterschaft abzufangen49, um so dem Justizgewährleistungsan­ spruch des Einzelnen auch dauerhaft gerecht zu werden. Nur bei stetiger Wei­ terentwicklung der Gerichtsverwaltungsstandards kann die Justiz ihrem Auf­ trag, Rechtsfrieden zu stiften, adäquat nachkommen.

47  So

auch das Fazit bei W. Hoffmann-Riem, DRiZ 2000, S.  18 (27 f.); G. Mackenroth, DRiZ 2000, S.  301 (311). 48  W. Hoffmann-Riem, DRiZ 2000, S.  18 (25); zwar im Hinblick auf Selbstverwaltungsbe­ strebungen, jedoch im Kern ähnlich G. Mackenroth/R. Wilke, DRiZ 2001, S.  148 (160). 49  Vgl. zur Professionalisierung der Gerichtsverwaltung zur Stärkung der Modernisie­ rung der Justiz bereits W. Hoffmann-Riem, Die Verwaltung 30 (1997), S.  481 (498 ff.); siehe weiterhin mit diesem Ansatz G. Kirchhoff, Betrifft Justiz 114 (2013), S.  63 (66); F. Wittreck, Betrifft Justiz 118 (2014), S.  67 (76); R. Bram, Betrifft Justiz 120 (2014), S.  188 (193).

English Summary Given the efforts to economize and professionalize the administration of the courts in the Federal Republic of Germany, the legal field of court administra­ tion has received a conflict-laden attention in research. In view of the size, com­ plexity and importance of the German judiciary, this dissertation examines the question of whether a modern and professionalized court administration mod­ elled on the court administration in the USA could improve the efficiency of German courts. The increasing demands on the judiciary, financial pressure, high completion rates and the growing need to focus on quality and efficiency aspects could require a more professional management of the justice system. From this point of view, the structure of the court administration in the USA is being subjected to a comprehensive examination from the perspective of consti­ tutional theory and legal policy. The US-American model of court administration in the form of court man­ agement lends itself to a comparison of law in view of the constantly resurgent discussion of quality in the German legal literature. The reform models for Ger­ man court management thereby represent the starting point for the comparison of law with the court management structures in the USA, in order to shed light on concrete factual problems and individual questions. In essence, the court administration structures in Germany and the USA differ not only in their con­ cepts of external and self-administration, but above all in terms of their density of regulations and regulatory intention. In Germany, all areas of court adminis­ tration are characterized by mature and sometimes rigid regulatory concepts, which on the other hand do not provide for or permit consistent result or quality control. In the USA, on the other hand, the corresponding areas are notable for a high degree of flexibility and a concentration on efficiency and quality aspects. In view of the increasing workload of German judges, it is particularly neces­ sary for the senior judges and the managers of the branch offices to have an ex­ tended knowledge of business administration and administrative science in or­ der to cope with the fields of administrative activities of the courts. However, the frictions with the independence of the judiciary in the sole fixation on effi­ ciency aspects are astounding. It is true that the rigidity of the principle of judi­ cial independence is based on its important function as a surrogate for a weak

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English Summary

democratic legitimation of the judges. Yet an interpretation of judicial inde­ pendence as a selective individual, subjective right of defense is not tenable, since Article 97 of the Basic Law cannot be abstracted from the actual task of the judiciary. The judiciary is not a commercial enterprise and should not be exposed to pure economic pressure in the future either. The principles of judicial independ­ ence and of the statutory judge within the meaning of Article 100 (1) sentence 2 of the Basic Law do not per se oppose the establishment and review of quality standards. Without the willingness and commitment of the judges themselves, though, no modernization model can work. The executive branch must provide the appropriate framework conditions for a high-quality judiciary in order to compensate for the increasing workload of judges nationwide, which in some cases is excessive.

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Sachregister Die kursiv gesetzten Ziffern beziehen sich auf den U.S.-amerikanischen Teil Ablaufverwaltung  349, 404 ff., 444 f. Access to Justice  188 f. Administrative Office of the United State Courts  86 f., 227 f., 437 ff. Amtsenthebungsverfahren  177 f., 173, 362 f.; siehe auch Impeachment Amtshaftung der Richter  139, 439 f., 511 Arbeitspensum  11, 495; siehe auch Erledigungszahlen Aufbau der Gerichtsbarkeit, siehe Gerichtsaufbau Ausschuss der ehrenamtlichen Bundes­ sozialrichter 333 Bankruptcy Courts  292 f. Beamtentum  376, 450 Beförderung  171, 322, 349, 358 f., 433 f., 449 f., 496 Berufsethos  379 Besoldung  14, 212 f., 216, 374 Bestätigungswahl, siehe Retention Election Bestimmtheitsgrundsatz  478 ff. Beurteilung  171, 201 f., 208, 329, 342, 357 f., 429 ff., 449 f. Bill of Rights  256 Budgetierung  73, 203 f., 222, 366, 381, 394, 440, 501 ff. Bundesgerichte  247 ff., 258 ff., 311 ff. Bundespersonalausschuss 333 Bundesverfassungsgericht  129, 162, 138, 249 f., 275, 314 ff., 324 ff., 350 ff., 363 Case Law, siehe Common Law Caseflow Management  13, 59 ff., 94, 401, 405 f., 451, 473 ff.

Checks and Balances  159, 172 ff., 182 ff., 215 f., 257, 457 – Separation of Powers  172 f., 181, 184 Chief Justice  74, 86 f., 222, 228, 383, 387 ff., 395 f., 397 f., 407, 455 Clerk of Court  67, 72, 83, 87, 387 ff., 395 ff., 443 Code of Conduct, siehe Judicial Conduct Common Law  51 f., 75, 98 ff., 158, 223, 237, 410, 458 – Case Law  99 ff. – Statutory Law  101 ff. Constitutional Courts  258 ff., 294 Consultative Council of European Judges  371 Controlling  12, 204 f., 367 f., 376 ff., 487, 492 ff., 503 f. Countermajoritarian Difficulty  153 ff., 285 f. Court Administration  9, 50 ff., 60 ff. – Abgrenzung 65 ff. – Begriff  50 ff., 66 f. – Bereiche 51 ff., 384 ff. – Einordnung ins Gewaltengefüge  145, 180 ff. – Übersetzung  9, 50 f. Court Administrator  39, 60, 72 ff., 229, 395 ff., 451 Court Management  65 f., 68 ff. – an deutschen Gerichten  459 ff. – Begriff  65, 68 – Entwicklung 68 ff., 82 ff. – Gefahren für die richterliche Unabhän­ gigkeit  229, 236, 407, 464 ff. – Strukturprobleme 93 f., 455

610

Sachregister

Court Manager  72 ff., 402 f., 455 ff. – Einführung in Deutschland  380 ff., 460 ff. Court Packing  224 f., 286 ff. Courts of Appeals  271 ff., 299 f., Courts of Last Resort  300 f. Demokratieprinzip  107 ff., 144 ff., 367, 459 Demokratische Legitimation  108 ff., 143 ff. – siehe auch Judicial Accountability – der dritten Gewalt  125 ff., 148 ff. – funktionell-institutionelle Legitimation  113 f., 125 f. – personell-organisatorische Legitimation  115 f., 126 ff. – sachlich-inhaltliche Legitimation  116 ff., 136 ff. – von gerichtsverwaltender Tätig­ keit  111 ff., 141 ff., 145 ff., 160 ff. Dezentralisierung  205, 377, 380 f., Dienstaufsicht  47, 142, 200 ff., 230, 337, 360 f., 384, 434 ff., 450 f. – Verhältnis zur richterlichen Unabhängig­ keit  200 ff., 361 Dienstaufsichtsbeschwerde  45 Dissenting Opinion  274 District Courts  261 ff., 294, 406 Disziplinarwesen  163, 186 f., 221, 233, 332, 362, 434 ff., 515 DRB  10 ff., 371 ff. – Diskussionsentwurf  371 ff. – Reformdebatte  10 ff., 367 ff. – Selbstverwaltungsmodelle  369 ff. Drittes Reich  80 f. Effizienz der Justiz  3 f., 12, 37, 68 f., 93 f., 122, 190, 319, 377, 384, 456 ff., 484 f. E-Justice  14, 348, 403, 445, 470 ff., Elektronische Akte, siehe E-Justice Elektronischer Rechtsverkehr, siehe E-Justice Erledigungszahlen  3, 11, 48, 94, 202 ff., 365, 377 f., Error Correction  267; siehe auch Fehlerkorrektur Evaluationen  15, 94, 148, 206, 405, 430 ff., 456, 485 ff.; siehe auch Judicial Performance Evaluation

Exekutive, siehe Verwaltung Fachgerichtsbarkeit  248 f., 252, 335 Federal Judicial Center  87, 390 f., 405, 408 Fehlerkorrektur  265, 267 Finanzverwaltung  365 ff., 440 ff., 452, 501 ff. Föderalismus  173 f., 183, 247 ff., 311, 317 ff. Frauenquote  353 f., 447 Freiwillige Gerichtsbarkeit  38 ff. Gerichtsaufbau  245 ff., 254 ff. Gerichtsmanagement  12, 13, 49, 190, 205 ff., 376 ff., 461 ff. Gerichtspräsident  46, 322 f., 327 ff., 337 ff. Gerichtsverfassung  79, 96 f., 439, 465 Gerichtsverwaltung  17 ff., 45 ff., 50 ff., 321 ff., 383 ff. – siehe auch Court Administration – Abgrenzung zur Justizverwaltung  41 ff. – Begriff  18 ff., 45 ff. – Bereiche  46 ff., 72 ff., 346 ff., 400 ff. – Entwicklung  77 ff., 82 ff. – Organe  322 ff., 384 ff. – Rechtsfürsorge  38 ff. – Zweispurigkeit  324 ff. Geschäftsordnungsautonomie  445 f., 349 Geschäftsverteilung  50, 61, 189 f., 363 ff., 405 f., 451 ff., 474 ff.; siehe auch Caseflow Management Gesetzgebung  19, 25, 104 ff., 166 Gesetzlicher Richter  189 ff., 363, 451, 459, 474 ff. Gewaltenteilungsprinzip  31 f., 164 ff., 172 ff., 375 – Checks and Balances, siehe ebd. – Gewaltenverschränkung  164 ff., 182 ff. – Stellung der Judikative  170 ff. Gewaltenverschränkung, siehe Gewalten­ teilungsprinzip Grand Jury, siehe Jury Trial Haftung des Richters, siehe Amtshaftung Haushaltsverwaltung  47, 366, 369, 504 Hausverwaltung, siehe Infrastrukturver­ waltung

Sachregister Impeachment  177 f., 219 f., 437 f.; siehe auch Richteranklage Inamovibilität  211 f. Informationstechnik  206, 348, 402 Infrastrukturverwaltung  347 f., 401 ff., 444 f. Inherent Powers  106, 441, 504 Instanzenzug  245 ff., 254 ff., 269 ff., 457 Intermediate Appellate Courts  264 ff., 271 ff., 299 f. Judicial Accountability  146 ff., 233, 423 f., 434 – Normverwerfungskompetenz der U.S.-amerikanischen Gerichte  147, 152 ff., 179, 275 ff. – Problem der Richterauswahl  148 ff., 458 Judicial Administration  65 f., 67 Judicial Conduct  105, 217, 230 f., 435 Judicial Conference of the United States  87 f., 227 f., 391 f., 435 Judicial Councils  230, 393, 399 f., 437 Judicial Independence, siehe Richterliche Unabhängigkeit Judicial Performance Evaluation  94, 148, 430 ff., 486 Judicial Power  53 Judicial Resistance  181 Judicial Review, siehe U.S. Supreme Court Judikative, siehe Rechtsprechung Jury Management  401, 405 Jury Trial  255 ff. Justizgewährleistungsanspruch  185 ff., 188 f., 381, 484 Justizminister  127 f., 328, Justizministerium  86, 214, 322 f., 356 Justizräte  374, 399, 409 Justizverwaltung  41 ff., 66 ff. – Materielle Justizverwaltung  42 ff. – Formell-institutionelle Justizverwal­ tung  44 f. Justizverwaltungsrat  10, 371 ff., 501 Kabinettsjustiz  78, 190, 480, 494 Kernbereichslehre  168 ff., 177, 361 Kontrollmechanismen  200 ff., 230, 450 ff. Kooptationsverbot  133 ff., 160 f.

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Laienrichter  255, 415 Landesgerichte  127 f., 251 ff., 336 ff. Landesverfassungsgerichte  252 ff., 336, 354 f. Law Clerk, siehe Clerk of Court Legislative, siehe Gesetzgebung Legislative Courts  290 ff. Legitimationskette  112, 115 ff., 121, 160 ff., 351, 506 Legitimationsmodelle, siehe Demokrati­ sche Legitimation Legitimationsmodus  114, 119 Marbury v. Madison  151, 275 ff., 315 Mehrheitsprinzip  157 Ministerialverwaltung  111, 120, 337 ff. Missouri-Plan  149 ff., 236, 418 ff., 448 f. Montesquieu  79, 175, 275, Nationalsozialismus  80 f. Neues Steuerungsmodell  11, 202 ff., 376 ff., 460 ff. – Verhältnis zur richterlichen Unabhängig­ keit  205, 206 f., 377 Normverwerfungskompetenz   147, 152 ff., 179, 249 f., 275 ff. – der U.S.-amerikanischen Gerichte, siehe Judicial Accountability – des Bundesverfassungsgerichts 249 f. NRV  10 ff., 371 ff. – Diskussionsentwurf  373 ff. – Reformdebatte  367 ff. – Selbstverwaltungsmodelle  369 ff. Oberlandesgerichte  252, 338 Öffentlichkeitsarbeit  74, 206, 349, 397, 404 Öffentlichkeitsgrundsatz  347, 445 Ökonomisierung der Justiz  202 ff., 376 ff., 516 f. Ordentliche Gerichtsbarkeit  246 ff., 251 f. Originalism  103, 156 ff. Output  110 f., 346, 377 PEBB§Y  204, 364 f., 485 Pensenschlüssel, siehe Personalbedarfs­ rechnung Personalbedarfsrechnung  364 f., 485 Personalverwaltung  47, 211, 349 ff., 408 ff.

612

Sachregister

Political Question Doctrine  273 f. Politisierung der Richterschaft  223 ff., 281 ff., 353, 448, 458 ff. Präsidialräte  143, 331, 340 f. Präsidien  330 f., 340 Prinzip der doppelten Mehrheit  116, 131 ff., 375 Qualifikation, richterliche  212, 411 f., 414, 446 f. Qualitätsmanagement  13, 69 f., 94, 377 f., 456 ff. – Qualität der Rechtsprechung, siehe Rechtsprechungsqualität Recht auf effektiven Rechtsschutz  188, 193, 242 Recht auf ein faires Verfahren  188 f., 240 f. Rechtsfürsorge, siehe Gerichtsverwaltung Rechtsprechung  19 ff., 52 ff. – Abgrenzung zur Verwaltung  30 ff., 58 ff. – Begriff  19 ff., 52 ff., 180 – formeller Rechtsprechungsbegriff  21 – funktionaler Definitionsansatz  22 f. – Kernbereiche 23 f. – materieller Rechtsprechungsbegriff  22 – Qualität der Rechtsprechung, siehe Rechtsprechungsqualität Rechtsprechungsmonopol  31, 37, 40, 45, 170 Rechtsprechungsqualität  13, 206, 298, 377 ff., 432, 456 ff., 487 ff. Rechtsschutzgarantie  185 ff., 188 f. – in den USA, siehe Access to Justice Rechtsstaatsprinzip  144, 185, 188 Regelbeurteilung, siehe Beurteilung Ressourcenallokation  487 Retention Election  161, 238, 422 ff., 509 ff. Richteranklage  140, 201, 334 Richterbeförderung, siehe Beförderung Richterbestellung  127 ff., 148 ff., 333 ff., 350 ff., 409 ff. – Bundesverfassungsgericht  350 ff. – Gerichte der Länder – Einzelstaaten  127 ff., 355 f., 414 ff. – Landesverfassungsgerichte  354 f. – Oberste Bundesgerichte – Federal Courts  352 ff., 411 ff.

Richterbeurteilung, siehe Beurteilung Richterdienstgerichtsbarkeit  332, 342 f., Richterliche Selbstverwaltung  37, 49 f., 209, 340 ff. – in den USA  77, 181, 386 ff., 400 ff. – Reformmodelle, siehe DRB und NRV Richterliche Unabhängigkeit  191 ff., 234 ff. – Garantie  192 ff., 215 ff. – Grenzen  135 ff., 496 ff. – decisional Independence  218 ff. – institutionelle Unabhängigkeit – institutional Independence  214 f., 217 f. – persönliche Unabhängigkeit  211 ff., 190 ff. – Politisierung der Richterschaft, siehe ebd. – Qualitätskontrolle, siehe Rechtspre­ chungsqualität – Sachliche Unabhängigkeit  195 ff. – Verhältnis zum Neuen Steuerungs­ modell, siehe Neues Steuerungsmodell – Verhältnis zur Dienstaufsicht, siehe Dienstaufsicht Richterräte  332, 341 f. Richtervereinigungen  367 ff. Richterwahlausschuss  127 ff., 334 ff., 344 ff., 446 f. – Probleme bei der Besetzung  128 ff. Rule-Making Power, siehe U.S. Supreme Court Rules of Court  105 f., 180, 383 Sachmittelausstattung, siehe Infrastruktur­ verwaltung Schöffen  34, 257 Scientific Management  70 f. Selbstverständnis, richterliches  222, 379 Separation of Powers, siehe Checks and Balances Sicherheit, siehe Sitzungspolizei Sitzungspolizei  24, 347 Speedy Trial Clause  188 Staatsgewalt  61 f., 79, 109 ff., 164 ff., 172 ff. State Court Administrative Offices  397 f., 408 Statutory Law, siehe Common Law

Sachregister Trennung von Justiz und Verwaltung  30 ff., 58 ff. Trial  54, 191, 474, 500 Trial Courts  297 ff., 312 ff., 415, 425 Unabhängigkeit, siehe Richterliche Unabhängigkeit Unionsrecht  185, 242 f. Untätigkeitsbeschwerde  187 Urteilsschelte  198, 343 U.S. Supreme Court  102 ff., 154 ff., 225 ff., 267 ff. – Aufgaben und Funktionen  268 ff. – Besetzung 274 – Judicial Review  103, 154, 179, 275 ff., 458 – Judicial (Self-)Restraint und Judicial Activism  281 ff. – Kritik 290 – Rule-Making Power  52, 180, 383 ff., 394, 407, 445 – Vergleich zum Bundesverfassungsge­ richt  314 ff.

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Verwaltung  24 ff., 55 ff., 170 ff. – Abgrenzung zur Rechtsprechung  30 ff., – Begriff  24 ff., 56 ff – formeller Verwaltungsbegriff  25 – Kernbereiche  29 f. – materieller Verwaltungsbegriff  26 f. – organisatorischer Verwaltungsbegriff  25 – Verwaltungsaufbau USA  55 f. Verwaltungsgerichtsbarkeit  33, 246, 364, 372 Volkssouveränität   108 f., 143 f., Völkerrecht  240 ff. Vollständigkeitsprinzip  476 f. Vorauswirkungsprinzip  477 f. Vorsitzender Richter  208 f., 396; siehe auch Chief Justice Weimarer Reichsverfassung  21, 448 Zweispurigkeit, siehe Gerichtsverwaltung