Heterosemie und Grammatikalisierung bei Modalpartikeln: Eine synchrone und diachrone Studie anhand von »eben«, »halt«, »e(cher)t«, »einfach«, »schlicht« und »glatt« [Reprint 2014 ed.] 9783110960907, 9783484304505

Modal particles and their same-form counterparts in other parts of speech display heterosemic relations (cross-category

199 19 15MB

German Pages 258 [260] Year 2002

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Table of contents :
1. Einleitung
1.1. Die Bedeutung von Modalpartikeln
1.1.1. MPn als Einstellungsausdrücke
1.1.2. Modalpartikeln als Illokutionstypmodifizierer
1.1.3. Zusammenfassung
1.2. Die Syntax von Modalpartikeln
1.2.1. Syntaktische Eigenschaften von Modalpartikeln
1.2.2. Analysen im Rahmen der generativen Grammatik
1.2.3. Zusammenfassung
1.3. Grammatikalisierung
1.3.1. Grammatikalisierungstheorie und ihre Anwendbarkeit auf die Modalpartikeln
1.3.2. Bisherige Ansätze zur Grammatikalisierung und historischen Entwicklung von Modalpartikeln
1.3.3. Zusammenfassung
2. Das Bedeutungsfeld eben - halt - einfach - schlicht - glatt aus synchroner Sicht
2.1. Einleitung
2.2. Eben und glatt - propositionaler Gebrauch
2.3. Einfach und schlicht(weg) - propositionaler und nicht-propositionaler Gebrauch
2.3.1. Kategorial unspezifischer Gebrauch bei Handlungsbezug
2.3.2. Kategorial unspezifischer Gebrauch in Erklärungs- und Begründungskontexten
2.3.3. Einfach und schlicht(weg) als Steigerungspartikeln
2.4. Schlicht(weg) und glatt(weg) - propositionaler Gebrauch
2.5. Einfach, schlicht(weg) und glatt - propositionaler und nicht- propositionaler Gebrauch
2.6. Eben und halt - nicht-propositionaler Gebrauch
2.7. Einfach, schlicht(weg), eben und halt - propositionaler und nicht- propositionaler Gebrauch
2.8. Zusammenfassung
3. Die diachrone Perspektive. Eben, halt, einfach, schlicht, glatt vom Mittelhochdeutschen bis ins Neuhochdeutsche sowie ahd. eckorôdilo, mhd./fnhd. e(ch)t
3.1. Einleitung
3.2. Bisherige empirische Studien zur historischen Entwicklung von Modalpartikeln
3.3. Die diachrone Entwicklung von eben
3.3.1. Überblick über die Entwicklung bis zum Mittelhochdeutschen
3.3.2. Mhd.eben
3.3.3. Fnhd. eben
3.3.4. Die Entwicklung im Nhd
3.3.5. Zusammenfassung: Die Entwicklung vom Mhd. bis ins Nhd
3.4. Die diachrone Entwicklung von halt
3.4.1. Die Entwicklung im Got. und Ahd
3.4.2. Mhd. halt
3.4.3. Fnhd. halt
3.4.4. Die Entwicklung im Nhd
3.4.5. Zusammenfassung: Die diachrone Entwicklung von halt
3.5. Die diachrone Entwicklung von eckorôdi/-o/e(ch)t. Eine frühe Modalpartikel und ihr Untergang im Frühneuhochdeutschen
3.5.1. Überblick über die Entwicklung im Ahd
3.5.2. Mhd. et
3.5.3. Fnhd. echt und die Entwicklung im Nhd
3.5.4. Zusammenfassung: Die Entwicklung vom Ahd. bis ins Nhd
3.6. Die diachrone Entwicklung von einfach
3.6.1. Die diachrone Entwicklung von einfältig seit dem Mhd
3.6.2. Die diachrone Entwicklung von einfach seit dem Fnhd
3.6.3. Zusammenfassung: Die diachrone Entwicklung von einfältig/einfach
3.7. Die diachrone Entwicklung von schlicht
3.7.1. Ahd. sleht(o)
3.7.2. Mhd. sieht und adverbiale Formen
3.7.3. Fnhd. schlicht/schlecht und adverbiale Formen
3.7.4. Die Entwicklung im Nhd
3.7.5. Zusammenfassung: Die diachrone Entwicklung von schlicht/schlecht
3.8. Die diachrone Entwicklung von glatt
3.8.1. Ahd. glat
3.8.2. Mhd. glat
3.8.3. Fnhd. glatt
3.8.4. Die Entwicklung im Nhd
3.8.5. Zusammenfassung: Die diachrone Entwicklung von glatt
4. Abschlussbetrachtung: Heterosemie und Grammatikalisierung bei MPn
5. Abkürzungsverzeichnis
5.1. Quellen
5.2. Sonstige Abkürzungen
6. Literatur
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Heterosemie und Grammatikalisierung bei Modalpartikeln: Eine synchrone und diachrone Studie anhand von »eben«, »halt«, »e(cher)t«, »einfach«, »schlicht« und »glatt« [Reprint 2014 ed.]
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Linguistische Arbeiten

450

Herausgegeben von Hans Altmann, Peter Blumenthal, Hans Jürgen Heringer, Ingo Plag, Heinz Vater und Richard Wiese

Tanja A u tenrie th

Heterosemie und Grammatikalisierung bei Modalpartikeln Eine synchrone und diachrone Studie anhand von »eben«, »halt«, »e(cher)t«, »einfach«, »schlicht« und »glatt«

Max Niemeyer Verlag Tübingen 2002

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Autenrieth, Tanja: Heterosemie und Grammatikalisierung bei Modalpartikeln : eine synchrone und diachrone Studie anhand von »eben«, »halt«, »e(cher)t«, »einfach«, »schlicht« und »glatt« / Tanja Autenrieth. Tübingen : Niemeyer, 2002 (Linguistische Arbeiten ; 450) Zugl.: Tübingen, Univ., Diss., 2000 ISBN 3-484-30450-2

ISSN 0344-6727

CO Max Niemeyer Verlag G m b H , Tübingen 2002 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck: Weihert-Druck G m b H , Darmstadt Einband: Industriebuchbinderei Nadele, Nehren

Vorwort

Ich möchte all denen danken, durch deren hilfreiche Unterstützung diese Arbeit mitbewerkstelligt wurde. An erster Stelle sei hier Marga Reis genannt, die mir stets den nötigen Rückhalt gegeben und die nötige Freiheit gelassen hat. Sie war immer ein wichtiger Ansprechpartner für inhaltliche Auseinandersetzungen und eine verlässliche Stütze bei der Beschaffung der finanziellen Rahmenbedingungen. Nicht zuletzt hat sie ihre betreuerischen und menschlichen Qualitäten auch beim Auftreten von Schaffenskrisen unter Beweis gestellt. Sehr großer Dank für Förderung und Unterstützung gilt auch Jörg Meibauer. Er hat ebenfalls wichtige Voraussetzungen für das Entstehen dieser Arbeit geschaffen, inhaltliche Anregungen geliefert und konstruktive Kritik geübt. Ebenso möchte ich Paul Sappler danken, der mich wesentlich bei der Zusammenstellung des diachronen Textkorpus unterstützt hat, mir eine wichtige Hilfe bei der Übersetzungsarbeit war und mir insbesondere in der Anfangsphase der Arbeit mit mediävistischem Sachverstand zur Seite stand. Für inhaltlichen Beistand danke ich außerdem Jürgen Pafel und Ingo Reich. Fruchtbare Anregungen ergaben sich auch aus der kollegialen Zusammenarbeit im Rahmen des Tübinger Graduiertenkollegs »Integriertes Linguistik-Studium«. Für wichtige technische Hinweise im Hinblick auf die Auswertung der diachronen Textkorpora danke ich Ulrike Demske. Ganz besonderer Dank gilt schließlich auch Catherine Hornung, Holger Steidele und Reinhold Weber, die die mühselige Arbeit der orthographischen und sprachlichen Korrektur des Manuskripts auf sich genommen haben. Gewidmet ist diese Arbeit Andi. Er war nicht nur bei der Erstellung der Druckvorlage unersetzlich. Tübingen, im August 2001

Tanja Autenrieth

Inhalt

1. Einleitung 1.1. Die Bedeutung von Modalpartikeln 1.1.1. MPn als Einstellungsausdrücke 1.1.1.1. Was sind Einstellungsbedeutungen? 1.1.1.2. Sind Modalpartikeln Träger von Einstellungsbedeutungen? 1.1.2. Modalpartikeln als Illokutionstypmodifizierer 1.1.3. Zusammenfassung 1.2. Die Syntax von Modalpartikeln 1.2.1. Syntaktische Eigenschaften von Modalpartikeln 1.2.2. Analysen im Rahmen der generativen Grammatik 1.2.3. Zusammenfassung 1.3. Grammatikalisierung 1.3.1. Grammatikalisierungstheorie und ihre Anwendbarkeit auf die Modalpartikeln 1.3.2. Bisherige Ansätze zur Grammatikalisierung und historischen Entwicklung von Modalpartikeln 1.3.3. Zusammenfassung 2. Das Bedeutungsfeld eben - halt - einfach - schlicht - glatt aus synchroner Sicht 2.1. Einleitung 2.2. Eben und glatt - propositionaler Gebrauch 2.3. Einfach und schlicht(weg) - propositionaler und nichtpropositionaler Gebrauch 2.3.1. Kategorial unspezifischer Gebrauch bei Handlungsbezug 2.3.2. Kategorial unspezifischer Gebrauch in Erklärungs- und Begriindungskontexten 2.3.3. Einfach und schlichtweg) als Steigerungspartikeln 2.4. Schlichtf weg) und glatt(weg) - propositionaler Gebrauch 2.5. Einfach, schlichtweg) und glatt - propositionaler und nichtpropositionaler Gebrauch 2.6. Eben und halt - nicht-propositionaler Gebrauch 2.7. Einfach, schlichtweg), eben und halt - propositionaler und nichtpropositionaler Gebrauch 2.8. Zusammenfassung 3. Die diachrone Perspektive. Eben, halt, einfach, schlicht, glatt vom Mittelhochdeutschen bis ins Neuhochdeutsche sowie ahd. eckorddi/o, mhd./fnhd. e(ch)t. 3.1. Einleitung 3.2. Bisherige empirische Studien zur historischen Entwicklung von Modalpartikeln

1 6 7 7 14 24 26 26 26 32 37 38 38 48 52 55 55 56 64 68 77 81 83 85 88 99 100

103 103 106

VIII 3.3. Die diachrone Entwicklung von eben 3.3.1. Überblick über die Entwicklung bis zum Mittelhochdeutschen 3.3.2. Mhd.eben 3.3.3. Fnhd.eben 3.3.4. Die Entwicklung im Nhd 3.3.5. Zusammenfassung: Die Entwicklung vom Mhd. bis ins Nhd 3.4. Die diachrone Entwicklung von halt 3.4.1. Die Entwicklung im Got. und Ahd 3.4.2. Mhd. halt 3.4.3. Fnhd. halt 3.4.4. Die Entwicklung im Nhd 3.4.5. Zusammenfassung: Die diachrone Entwicklung von halt 3.5. Die diachrone Entwicklung von eckorödi/-o/ e(ch)t. Eine frühe Modalpartikel und ihr Untergang im Frühneuhochdeutschen 3.5.1. Überblick über die Entwicklung im Ahd 3.5.2. Mhd. et 3.5.3. Fnhd. echt und die Entwicklung im Nhd 3.5.4. Zusammenfassung: Die Entwicklung vom Ahd. bis ins Nhd 3.6. Die diachrone Entwicklung von einfach 3.6.1. Die diachrone Entwicklung von einfältig seit dem Mhd 3.6.2. Die diachrone Entwicklung von einfach seit dem Fnhd 3.6.3. Zusammenfassung: Die diachrone Entwicklung von einfältig/einfach 3.7. Die diachrone Entwicklung von schlicht 3.7.1. Ahd. sleht(o) 3.7.2. Mhd. sieht und adverbiale Formen 3.7.3. Fnhd. schlicht/schlecht und adverbiale Formen 3.7.4. Die Entwicklung im Nhd 3.7.4.1. Schlecht und komplexe adverbiale Formen 3.7.4.2. Schlicht 3.7.5. Zusammenfassung: Die diachrone Entwicklung von schlicht/schlecht 3.8. Die diachrone Entwicklung von glatt 3.8.1. Ahd. glat 3.8.2. Mhd. glat 3.8.3. Fnhd. glatt 3.8.4. Die Entwicklung im Nhd 3.8.5. Zusammenfassung: Die diachrone Entwicklung von glatt

114 114 115 119 130 140 142 142 143 147 149 153 154 154 160 171 175 176 177 182 187 188 188 191 198 206 207 213 214 215 215 216 218 225 229

4. Abschlussbetrachtung: Heterosemie und Grammatikalisierung bei MPn

231

5. Abkürzungsverzeichnis 5.1. Quellen 5.2. Sonstige Abkürzungen

239 239 240

6. Literatur

241

1. Einleitung

Seit Weydt (1969) die Modalpartikeln (MPn) als Gegenstand für die linguistische Forschung entdeckt hat, haben sie sich immer wieder als widerspenstige, aber für die Theoriebildung herausfordernde Untersuchungsobjekte erwiesen. Eines der zentralen Probleme der MP-Forschung besteht darin, dass MPn stets mehrere Bedeutungsvarianten aufweisen. So z.B. in (1) - (3). (1) (2) (3)

Morgen ist doch Sonntag! Wie hieß doch deine Schwester? Komm doch rein!

Während in (1) die Bedeutung von doch in einer ersten intuitiven Annäherung als nachdrücklicher Hinweis auf das Zutreffen des im Satz bezeichneten Sachverhalts umschrieben werden könnte, scheint in (2) durch die MP zum Ausdruck zu kommen, dass der Sprecher sich an den erfragten Sachverhalt nicht mehr erinnern kann, während in (3) ausgedrückt zu werden scheint, dass der Realisierung der im Imperativsatz bezeichneten Handlung nichts entgegensteht. Diesem Phänomen wurde teilweise durch die Annahme mehrerer Bedeutungen pro MP Rechnung zu tragen versucht. Ein solcher bedeutungsmaximalistischer Ansatz findet sich z.B. unter den neueren Arbeiten noch in Heibig (1988), der für doch nicht weniger als sieben verschiedene MP-Bedeutungen angibt. 1 Bedeutungsmaximalistische Ansätze haben den Nachteil, dass sie fast ausschließlich von deskriptivem Nutzen sind und nur sehr wenig Uber das Zustandekommen der verschiedenen MP-Varianten sowie das Zusammenspiel von semantischen und pragmatischen Bedeutungskomponenten aussagen. Solche Zusammenhänge können aber nur aufgedeckt werden, wenn eine strenge Trennung zwischen Semantik und Pragmatik vorgenommen wird. Dies ist das Ziel bedeutungsminimalistischer Ansätze. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass möglichst wenig bzw. nur eine Bedeutung pro MP angenommen wird und die Variantenbildung durch die Interaktion mit anderen, meist nichtsemantischen Komponenten erklärt wird. 2 In neuerer Zeit lassen sich v.a. drei Entwicklungen innerhalb der MP-Forschung feststellen: 1. Bedeutungsminimalistische Ansätze gewinnen gegenüber bedeutungsmaximalistischen Ansätzen mehr und mehr an Gewicht. 2. MPn werden immer häufiger im Sinne der modularen Sprachtheorie untersucht (Doherty 1987, Jacobs 1991a, Meibauer 1994, Ormelius 1993, 1997; Ormelius-Sandblom 1997). 3. Die Frage nach der Grammatikalisierung von MPn tritt immer stärker ins Zentrum der Diskussion (Abraham 1991c, 1995; Diewald 1997, Meibauer 1994, Ormelius-Sandblom 1997, Wegener 1998).

1

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Heibig versucht allerdings, einen Zusammenhang zwischen den verschiedenen MP-Varianten sowie sogar den nicht-MP-Varianten der jeweiligen Partikeln herauszuarbeiten, indem er jeweils eine »Gesamtbedeutung« angibt. So z.B. Abraham 1991a, Bublitz 1978, Doherty 1985, 1987; Hentschel 1986, Jacobs 1991a, Meibauer 1994, Ormelius 1993, 1997; Ormelius-Sandblom 1997, Thurmair 1989.

2 Diese drei Wege der theoretischen Betrachtung sind eng miteinander verknüpft. Modulare Ansätze basieren auf der Vorstellung in sich autonomer, aber interagierender syntaktischer, semantischer und pragmatischer Sprachmodule. Bedeutungsvarianten werden dabei aus minimalen semantischen Basen, also im Sinne bedeutungsminimalistischer Ansätze, abgeleitet. Bedeutungsminimalismus und Modularität sind andererseits insofern mit Fragen der Grammatikalisierung verbunden, als die minimale Bedeutung einer M P nicht nur das gemeinsame Bedeutungselement aller MP-Varianten sein kann, sondern auch, synchron und/oder diachron, in Relation zu den traditionell als Homonyme betrachteten Gegenstücken von MPn in anderen Wortarten stehen kann. Der Begriff Homonymie kann semantische Beziehungen dieser Art allerdings nicht sinnvoll erfassen, da er keine etymologische Verwandtschaft und prinzipiell auch keine Bedeutungsrelation zwischen den Varianten des betroffenen Lexems voraussetzt. Ähnlich problematisch ist in diesem Zusammenhang auch die Anwendung des Begriffes Polysemie. Von Polysemie kann nur dann gesprochen werden, wenn extrem eng verwandte Varianten ein und derselben grammatischen Kategorie vorliegen, die aus einer synchron offensichtlichen gemeinsamen Grundbedeutung ableitbar sind. Dies ist bei M P n aber nicht der Fall. Zwar sind zumindest bei einigen Modalpartikeln auch aus rein synchroner Sicht relativ enge Bedeutungsrelationen zu ihren Gegenstücken festzumachen. So geht z.B. Diewald (1997:78) im Fall von aber von einer Rekonstruierbarkeit der MP-Bedeutung aus der adversativen Bedeutung der Konjunktion aus. Abraham (1991a) misst den M P n sogar selbst gar keine eigene Bedeutung zu, sondern postuliert, dass diese generell aus der Bedeutung der jeweiligen nicht-MP-Varianten im aktuellen Kontext abgeleitet wird. Demnach ergibt sich beispielsweise die MP-Bedeutung von nur in (4) durch die Übertragung der Gradpartikelbedeutung auf die Wunschäußerung, was Abraham durch die Paraphrase >It does not take more than the ceasing of the rain to make me happy< wiedergibt. (4)

Wenn es nur aufhören würde zu regnen! (Abraham 1991a:223)3

Abraham (ebd.:234) muss jedoch eine Subklasse von »konventionalisierten« MPn annehmen (z.B. eh, schon, vielleicht)4, deren Bedeutung vollkommen unabhängig von der der nicht-MP-Varianten zu sein scheint, so dass hier kein Rekonstruktionsprozess möglich ist. Das schwer wiegendste Problem für die Annahme von Polysemie zwischen Modalpartikeln und ihren Gegenstücken ist aber die M P halt, die synchron gar keine nicht-MP-Variante aufweist, so dass jegliche Basis für eine polyseme Beziehung fehlt. 5

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Kursivierungen in von anderen Autoren übernommenen Beispielen wurden, soweit sie sich nicht auch dort finden, von mir vorgenommen. Bei den anderen hier von Abraham (ebd.) angeführten Lexemen, allerdings, immerhin, wohl, handelt es sich um Adverbien. Es könnten aber, wie u.a. im Rahmen dieser Arbeit deutlich werden soll, mindestens noch ja, halt, eben und eigentlich zu dieser Gruppe gezählt werden. Eine Verbindung zum Verb halten ist, wie Hentschel (1986:50f.) deutlich macht und unten gezeigt werden soll, nicht einmal diachron plausibel.

3 Ich möchte deshalb im Anschluss an Meibauer (1994) den auf Persson (1988) und Lichtenberk (1991) zurückgehenden Begriff der Heterosemie für die Beziehung zwischen MPund nicht-MP-Varianten verwenden. Lichtenberk (1991:476) ordnet darunter solche Fälle ein, »where two or more meanings or functions that are historically related, in the sense of deriving from the same ultimate source, are borne by reflexes of the common source element that belong in different morphosyntactic categories.« Damit entfallen die oben angesprochenen Probleme, da 1. von etymologischer Verwandtschaft ausgegangen wird, 2. offen gelassen wird, wie eng die daraus resultierenden Bedeutungsrelationen sind und 3. Kategorienwechsel vorausgesetzt wird. Lassen sich aber Grammatikalisierungsprozesse und daraus resultierende Heterosemiebeziehungen nachweisen, erlaubt das andererseits auch Rückschlüsse für die aus synchroner Sicht bekanntermaßen äußerst schwierige Analyse der Bedeutung von MPn. Besonders hilfreich kann die Annahme von Heterosemie dabei für eine bedeutungsminimalistisch bzw. modular ausgerichtete Analyse der MP-Bedeutung sein, da die semantische Beziehung zu den Heterosemen Hinweise für das Herausdestillieren einer minimalen lexikalischen Bedeutung liefern kann. Zu den Fragen, die in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen, gehört deshalb: 1. Wie eng sind die synchronen Bedeutungsrelationen zwischen MP und Heterosemen? 2. Welche Bedeutungsentwicklung hat diachron stattgefunden und welche Ableitungsbeziehungen lassen sich feststellen? 3. Welche Erkenntnisse können wir aus der diachronen Bedeutungsentwicklung und der Annahme von Heterosemie für die synchrone Bedeutung ziehen? Die bislang zu (1) und (2) formulierten Thesen (Abraham 1991c, 1995; Burkhardt 1994; Diewald 1997, Wegener 1998) basieren überwiegend auf den von Hentschel (1986) untersuchten Daten, die nur die Phase bis zum Mhd. abdecken und aus einem relativ eng begrenzten Textkorpus stammen. Bezüglich der Grammatikalisierung von MPn gibt es jedoch auch unabhängig von der Bedeutungsentwicklung noch ungeklärte Fragen. Eines der wesentlichen grammatischen Merkmale von M P n ist, dass sie fast ausschließlich im Mittelfeld auftreten. Daraus hat Abraham (1991c) die These abgeleitet, dass der Grammatikalisierungsprozess von MPn in Verbindung mit der Herausbildung der deutschen Satzklammer stehen müsse und somit das Mhd. und Fnhd. die zentrale Phase für ihre Entwicklung sei. Die empirische Basis für diesen Ansatz besteht aber ebenfalls weitgehend in der Arbeit von Hentschel (1986), die mit der Phase des Mhd. abschließt. Meibauer (1994) nimmt deshalb im Rahmen seiner Arbeit eine Untersuchung kleineren Umfangs für das Fnhd. am Beispiel der M P ja vor, die jedoch keine generellen Aussagen für die Entwicklung der MPn in dieser Epoche liefern kann und soll. Ziel dieser Arbeit ist es deshalb, die Phase vom Mhd. bis ins Nhd. genauer zu untersuchen. Dabei sollte geklärt werden, ob 1. die Herausbildung der Satzklammer tatsächlich eine wesentliche Rolle für die Grammatikalisierung von MPn spielt, 2. ob sich wirklich für die Gesamtheit der MPn ein Zeitraum ausmachen lässt, in dem die Grammatikalisierung der Klasse eingesetzt hat oder wesentlich vorangeschritten ist und ob es sich 3., wenn es einen solchen Zeitraum gibt, dabei um das Fnhd. handelt. Die Beantwortung dieser Fragen ermöglicht außerdem Erkenntnisse darüber, welche Rolle die Existenz eines Mittelfelds in einer Sprache grundsätzlich für das Auftreten von MPn spielt (vgl. Abraham (1991c), der darin eine wesentliche Bedingung für MP-Vorkommen sieht).

4 Schließlich kann der Blick auf die diachrone Entwicklung von MPn auch aufschlussreich für die Frage ihrer Kategorisierung sein. Meibauer (1994) plädiert ebenso wie OrmeliusSandblom (1997) für eine eigenständige Wortart »Modalpartikeln«. Problematisch ist jedoch, dass nur eine sehr geringe Anzahl derjenigen Lexeme, die bezüglich ihrer Bedeutung und Funktion typische MP-Eigenschaften aufweisen, aufgrund ihrer grammatischen Eigenschaften eindeutig den MPn zugeordnet werden können. 6 Dafür sind unterschiedliche Erklärungen denkbar: a. Die typischerweise der Wortart MPn zugeschriebenen semantischen Eigenschaften und Funktionen können auch Lexeme mit anderer Wortartzugehörigkeit besitzen. b. Bei den entsprechenden »dubiosen« Kandidaten handelt es sich um potentielle MPn, deren Grammatikalisierung noch nicht vollständig abgeschlossen ist. c. Die Annahme einer eigenständigen Wortart ist bei MPn letztendlich nicht gerechtfertigt und man sollte stattdessen wie z.B. Altmann (1979) und Thurmair (1989) nur von der Übernahme von MP-Funktionen in spezifischen Kontexten oder gar grundsätzlich von adverbiellem Status ausgehen (so Abraham 1991a, Burkhardt 1994, Jacobs 1991a). In diesem Zusammenhang kann ein Vergleich der Grammatikalisierungsmuster von aus synchroner Sicht eindeutigen und weniger eindeutigen MP-Kandidaten mehr Klarheit verschaffen und soll deshalb im Rahmen dieser Arbeit anhand von eben, halt, einfach, schlicht und glatt vorgenommen werden. Eben und halt gehören zu den am gründlichsten untersuchten MPn und verfügen vollkommen zweifelsfrei über alle typischen MP-Eigenschaften. Dagegen wurde einfach in der Literatur bisher in viel geringerem Umfang behandelt, wobei häufig von einem »Übergangsstatus« zwischen adverbialer und MP-Funktion die Rede ist. Glatt hat bislang ausschließlich bei Meibauer (1994) eine Erwähnung als M P gefunden und schlicht wurde trotz seiner offensichtlichen semantischen Nähe zu einfach bisher noch gar nicht als M P behandelt. Im historischen Teil der Untersuchung wird der Untersuchungsgegenstand zusätzlich um e(cher)t erweitert. Es soll gezeigt werden, dass es sich auch dabei um eine unzweifelhafte, seit dem Ahd. auftretende, jedoch in der Phase des Fnhd. untergegangene M P handelt. Insgesamt ergibt sich aus dieser Betrachtung eine Dichotomie zwischen eben, halt und e(cher)t auf der einen Seite und einfach, schlicht und glatt auf der anderen Seite, aufgrund derer in dieser Arbeit für die Erklärung in (b) und somit auch für die Annahme einer eigenständigen MP-Kategorie plädiert wird. Darüber hinaus zeigt sich aber auch, dass unabhängig von der Zugehörigkeit zu einem MP-Paradigma zumindest den MPn sehr ähnliche semantische und kommunikative Eigenschaften auftreten können und außerdem bei den unter (b) zu subsumierenden Fällen nicht vollkommen klar sein kann, welche weiteren Grammatikalisierungswege die entsprechenden Lexeme langfristig beschreiten werden. Aus diesen Gründen wird gleichzeitig auch für (a) argumentiert. Die Gruppe eben, halt, e(cher)t, einfach, schlicht, glatt als Untersuchungsgegenstand weist aber auch noch weitere Vorteile auf. Die einzelnen Lexeme sind durch verschiedene Synonymiebeziehungen 7 , und zwar auf unterschiedlichen Ebenen der Bedeutung, miteinander verbunden. Die Untersuchung eines solchen »Bedeutungsfeldes« soll es erleichtern,

6

Vgl. z.B. Heibig (1988:36), der zwischen MPn im »Zentrum« und an der »Peripherie« der Klasse unterscheidet.

7

Im Sinne von partieller, d.h. nicht uneingeschränkte Austauschbarkeit in allen Kontexten voraussetzender, Synonymie.

5 Antworten auf Fragen nach Art und Intensität der Bedeutungsbeziehung zwischen MPn und ihren Heterosemen zu geben. Dabei spielt sowohl der synchrone als auch der diachrone Aspekt von Heterosemie eine Rolle. Welche Parallelen lassen sich beispielsweise in der diachronen Entwicklung der im Gegenwartsdeutschen fast vollkommen synonymen MPn eben und halt ausmachen? Auch hierauf kann die Arbeit von Hentschel (1986) keine Antwort geben, da sich im Fall von eben in dem von ihr untersuchten Zeitraum noch keine eindeutigen MP-Funktionen feststellen lassen, so dass keine Beurteilung der Gesamtentwicklung möglich ist. Sind andererseits aus synchroner Sicht bei partiell synonymen Adjektiven wie einfach und schlicht bzw. eben und glatt funktions- und bedeutungsgleiche bzw. sich in ihrer Funktion und Bedeutung überschneidende nicht-propositionale Pendants (oder möglicherweise MP-Funktionen) erkennbar und welche diachronen Bedeutungsentwicklungen liegen dann diesen zugrunde? In der Arbeit soll ein modularer Ansatz verfolgt werden, der sich im Rahmen der in den verschiedenen Arbeiten von Bierwisch (1979, 1982, 1983, 1987a, 1987b) vorgestellten Theorie bewegt. Wesentliche Vorarbeiten wurden dafür von Meibauer (1994) und Ormelius-Sandblom (1997) geleistet, mit deren Ansätzen ich mich deshalb besonders intensiv auseinandersetze. Dies gilt einerseits insofern, als in vieler Hinsicht an die dort vorgestellten Ergebnisse angeschlossen werden kann, andererseits natürlich auch im Hinblick auf Diskussion und Kritik. Ein zentraler Punkt ist dabei auch, ob sich Argumente für eine Behandlung der MPn als Einstellungsausdrücke finden lassen. Die Arbeit ist folgendermaßen aufgebaut: In den weiteren Abschnitten von Kapitel 1 wird zunächst eine Einführung in die für die geschilderte Zielsetzung jeweils wichtigsten Aspekte, die hinsichtlich Bedeutung und Syntax von MPn aus synchroner Sicht diskutiert wurden, gegeben und zu wesentlichen Punkten Stellung genommen. Dem folgt eine kurze Einführung in die Grammatikalisierungstheorie sowie eine Diskussion bisheriger Ansätze zur Grammatikalisierung bzw. historischen Entwicklung von MPn. In Kapitel 2 soll genauer gezeigt werden, inwiefern aus rein synchroner Sicht eine Legitimation dafür vorliegt, im Fall von eben, halt, einfach, schlicht und glatt von einem »Bedeutungsfeld« zu sprechen. Dabei werden die synonymischen Relationen im propositionalen und nicht-propositionalen Bereich aufgezeigt. Vor dem Hintergrund der Frage, inwieweit aus synchroner Sicht für Heterosemie plädiert werden kann, werden auch die über die Synonymierelationen hinausreichenden Bedeutungsvarianten miteinbezogen. Außerdem soll auf die kategoriale Zugehörigkeit der einzelnen Varianten eingegangen und insbesondere gefragt werden, ob bzw. inwieweit im Bereich der nicht-propositionalen Verwendungen eine Zuordnung zu den Modalpartikeln gerechtfertigt erscheint oder von möglicherweise nicht abgeschlossenen Grammatikalisierungsprozessen ausgegangen werden kann. In Kapitel 3 gehe ich auf die diachrone Entwicklung von eben, halt, e(cher)t, einfach, schlicht, glatt vom Mhd. bis ins frühe 20. Jh. auf der Basis der Auswertung historischer Textkorpora ein. Zusätzlich wird in den Fällen, in denen die Lexeme bereits vor dem Mhd. auftreten, ein Überblick über die Entwicklung im Ahd. gegeben, was sowohl unter Rückgriff auf die Ergebnisse von Hentschel (1986) als auch der Angaben in historischen Wörterbüchern geschieht. Es soll herausgearbeitet werden, inwiefern einheitliche Grammatikalisierungsprozesse stattgefunden haben, welche Bedeutungsentwicklung sich im Zuge dieses Prozesses vollzogen hat und ob aus diachroner Sicht weitere Synonymierelationen innerhalb des untersuchten Bedeutungsfeldes vorliegen. Die Frage, ob ein bestimmter Zeitraum mit besonders intensiven Grammatikalisierungsschüben erkennbar ist, soll außerdem der Über-

6 prüfung der oben angesprochenen »Mittelfeldthese« dienen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist allgemein der Blick auf die Dichotomie zwischen der Entwicklung von eben, halt und e(cher)t im Gegensatz zu einfach, schlicht und glatt. In Kapitel 4 werden die Ergebnisse der synchronen und diachronen Untersuchung verglichen und eine abschließende Bewertung vorgenommen.

1.1. Die B e d e u t u n g von Modalpartikeln

Die Tatsache, dass MPn lange Zeit als der sprachwissenschaftlichen Betrachtung unwürdige »Flick-« oder »Würzwörter« abgetan wurden, ist darauf zurückzuführen, dass sie nicht zum propositionalen Gehalt eines Satzes beitragen, also keine wahrheitswertfähigen Ausdrücke sind. Für einen Satz wie (5) gelten dieselben Wahrheitsbedingungen wie für (6). (5) (6)

Die Straßen sind nass. Die Straßen sind ja/doch/halt/eben/

nass.

Bei den MPn handelt es sich also um nicht-propositionale Ausdrücke, ebenso wie beispielsweise bei der Interjektion in (7) dem Satzadverb in (8) oder dem Satzkonnektor übrigens in

(7) (8) (9)

Oh, die Straßen sind nass! Die Straßen sind leider nass. Übrigens, die Straßen sind nass.

Gerade dieser Umstand erweckte aber in den 70er und 80er Jahren, im Zuge der »kommunikativ-pragmatischen Wende« (Heibig 1988: 17), sehr großes Interesse an den MPn. Die frühe Phase ihrer Erforschung ist daher durch zahlreiche Untersuchungen gekennzeichnet, die fast ausschließlich auf den Aspekt ihrer kommunikativen Funktionen ausgerichtet sind. Dabei werden sie z.B. als »Mittel der Dialoggestaltung« (Thun 1984), als »KonsensusKonstitutiva« (Lütten 1979), als »Argumentationssignale« (Brausse 1986), als Mittel des »Interaktionsmanagements« (Franck 1979), als »illokutive Indikatoren« (Heibig 1977, ähnlich Franck 1979, Thurmair 1986) sowie als »Ausdrucksmittel der Sprechereinstellung« (Bublitz 1978, ähnlich Dahl 1985, Doherty 1985,1987; Hartmann 1986, Kriwonossow 1977, Weydt 1969, Wolski 1989) beschrieben, um nur einige Aspekte und Autoren zu nennen. 10

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9

10

Vgl. jedoch zur Problematisierung einer generellen Gleichsetzung von Wahrheitsrelevanz und Propositionalität Kap. 1.1.1.1. Thim-Mabrey (1985) bezeichnet Satzkonnektoren, die bei Erststellung im Satz sowohl die Position einer koordinierenden Konjunktion (Vor-Vorfeld/KOORD-Position) als auch das Vorfeld besetzen können, als Para-Konjunktionen. Bei Stellung vor dem Vorfeld üben diese diskursgliedemde Funktionen aus. Einen ausführlichen Überblick über den Stand der Forschung in den späten 80er Jahren bietet die

7 Dass die zentralen Funktionen von MPn im pragmatischen Bereich liegen, steht auch aus heutiger Sicht außer Frage, auch wenn inzwischen Syntax und Semantik viel stärker in die Betrachtung miteinbezogen werden. Von den angeführten Punkten werden aber inzwischen nur noch zwei intensiver diskutiert, nämlich die Frage, ob MPn Einstellungsausdrücke sind (Burkhardt 1994, Ickler 1994, Meibauer 1994, Ormelius 1993, 1997; Ormelius-Sandblom 1997) und die Frage, ob sie illokutionstypmodifizierende Funktion haben (Ickler 1994, Jacobs 1991a, Ormelius 1994). Beides erscheint mir für die Analyse von MPn zentral zu sein und deshalb eine etwas ausführlichere Erläuterung zu verdienen. Es soll insbesondere dafür plädiert werden, dass es sich bei MPn um Einstellungsausdrücke handelt und gefragt werden, in welcher Weise dies mit einer minimalistischen Analyse im Rahmen eines modularen Ansatzes vereinbar ist.

1.1.1. MPn als Einstellungsausdrücke 1.1.1.1. Was sind Einstellungsbedeutungen? Wie Rosengren (1984:159) betont, sind Einstellungen im eigentlichen Sinn dieses Terminus vom Ausdruck von Gefühlen oder der Beschreibung psychischer oder physischer Zustände im Allgemeinen zu unterscheiden. So fallen Äußerungen wie (10) und (11) nicht unter den Einstellungsbegriff. (10) Ich bin müde. (11) Ich mag Schokolade.

Stattdessen beziehen sich Einstellungen immer auf einen propositional repräsentierten Sachverhalt, wobei sie epistemischer, doxastischer oder evaluativer Natur sein können (vgl. Rosengren ebd.). Zu den Einstellungsausdrücken sind von daher insbesondere epistemisch gebrauchte Modalverben, Satzadverbien, die sog. Verben der propositionalen Einstellung sowie, wie unten gezeigt werden soll, die skalaren Gradpartikeln (GPn) zu zählen. Auf die Frage, inwiefern auch die MPn zu den Einstellungsausdrücken gehören, komme ich in 1.1.1.2. zurück. Zunächst soll genauer geklärt werden, welche Charakteristika Einstellungsbedeutungen allgemein zuzuschreiben sind. Das Kriterium der Bezugnahme auf Propositionen wird in (12) - (14) sowohl durch müssen als auch durch leider und bedauern erfüllt. (12) Peter müsste jetzt schon zu Hause sein. (13) Leider ist Peter krank. (14) Ich bedaure, dass ich dir nicht helfen kann.

Dabei wird durch das epistemisch gebrauchte Modalverb eine Einstellung hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, mit der ein durch die Proposition ρ bezeichneter Sachverhalt zutrifft zum Ausdruck gebracht, durch das Satzadverb ebenso wie durch das Verb der propositiona-

Partikelbibiographie von Weydt/Ehlers (1987), vgl. außerdem den Einleitungsteil in Heibig (1988).

8 len Einstellung eine emotionale Evaluation des durch ρ bezeichneten Sachverhalts. Die letzten beiden Fälle unterscheiden sich also ausschließlich durch den Propositionsbezug von solchen wie (10) und (11). (14) unterscheidet sich andererseits von (12) und (13) dadurch, dass die Einstellung hier selbst Teil einer Proposition ist und wahrheitsrelevant assertiert wird. 11 Dass dies in (12) und (13) im Gegensatz dazu nicht der Fall ist, äußert sich deutlich im Negationsverhalten, da nur bedauern mit normaler Satznegation negierbar ist. ( 1 5 ) Ich bedaure

nicht, dass ich dir nicht helfen kann.

( 1 6 ) *Peter müsste nicht jetzt schon zu Hause sein. ( 1 7 ) *Peter ist nicht leider krank.

Sowohl das epistemisch gebrauchte Modalverb als auch das Satzadverb sind dagegen ausschließlich durch nicht-wahrheitsrelevante replazive Negation (Jacobs 1991b), für die auch der Begriff der metalinguistischen Negation (vgl. Hentschel 1996, Horn 1989) gebraucht wird, negierbar, wie die folgenden Beispiele veranschaulichen. ( 1 8 ) Peter MÜSSTE

nicht jetzt schon zu Hause sein, sondern er IST jetzt schon zu Hause!

( 1 9 ) Peter ist nicht LEIDER

krank, sondern G L Ü C K L I C H E R W E I S E !

Die Terminologie von Jacobs hat den Vorteil, dass sie den der metalinguistischen Negation zugrunde liegenden Mechanismus deutlich macht. Ebenso wie bei wahrheitsrelevanter replaziver Negation wie in (20) liegt stets enger Skopus und enger, kontrastiver Fokus vor. ( 2 0 ) Nicht M A X ist krank, sondern NATHALIE.

Bei wahrheitsrelevanter replaziver Negation wird das fokussierte Element negiert und durch einen dazu in wahrheitsrelevant kontrastiver Beziehung stehenden Inhalt ersetzt. Ebensowenig wie in (18) und (19) hat die Negation in (20) also Skopus über die Proposition. Während jedoch im Fall der wahrheitsrelevanten replaziven Negation stattdessen Teile der Proposition im Negationsskopus stehen, sind dies im Fall der metalinguistischen, nichtwahrheitsrelevanten Negation außerhalb der Proposition stehende Bedeutungselemente. So handelt es sich dabei z.B. in (21) nach Jacobs (ebd.) um eine »Art konversationeller Impli-

11

Rosengren ( 1 9 8 4 a , 1 9 8 5 ) vertritt dagegen die Auffassung, dass durch Verben der propositionalen Einstellung im Standardfall sog. Einstellungsbekundungen realisiert werden, durch die kein Wahrheitsanspruch

erhoben

wird

(vgl.

hierzu

auch

Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann

1992:68f.). In Bezug auf Sätze wie ( 1 4 ) argumentiert sie u.a. ( 1 9 8 4 : 1 5 8 ) : »(...) auch wenn der Sender kein Bedauern hegt und somit sicherlich auch keinen Wahrheitsanspruch darauf erhebt, daß er bedauert, kann er den Satz äußern und im Kommunikationsprozeß erfolgreich sein.« Ich halte dies für ausgeschlossen. Würde z.B. ein Sprecher ( 1 4 ) mit einem breiten Grinsen äußern, könnte er sicher in keinem denkbaren Kontext erfolgreich eine Bekundung des Bedauerns kommunikativ vermitteln, sondern würde großen Protest hervorrufen. Die als weiteres zentrales Argument vorgebrachte Beobachtung, dass eine Äußerung wie »Das stimmt nicht.« als Reaktion auf Sätze wie ( 1 4 ) in vielen Fällen (d.h. den Standardfällen) unangemessen ist ( 1 9 8 5 : 3 2 7 ) , erklärt sich m.E. dadurch, dass dabei unklar ist, auf welche der Propositionen Bezug genommen wird. Weitere Argumente für den generell assertiven Status entsprechender Sätze finden sich in Pasch ( 1 9 8 5 ) .

9 katur«, die darin besteht, dass die Angabe über das Geburtsdatum in der vorliegenden Situation nicht präzis genug ist. Entsprechend kann sich metalinguistische Negation auch auf bloße Formulierungsaspekte einer Proposition beziehen. 12 (21) Goethe wurde nicht MITTE des 18. JahrHUNderts geboren, sondern am 28. 8. 1749. (22) Das ist nicht eiNE AdverBIALE, sondern EIN AdverBIAL. (Jacobs 1991b:588)

Ein wesentlicher Unterschied zwischen wahrheitsrelevanter replaziver Negation und metalinguistischer replaziver Negation ist, dass bei veränderten formalen Bedingungen, die eine Interpretation als nicht-replazive Negation erzwingen, ausschließlich die Fälle, in denen nicht-wahrheitsrelevante Elemente im Negationsskopus stehen, inakzeptabel werden. (23) Max ist NICHT krank. (Aber) Nathalie ist krank. (24) */r>Das IST keine Adverbiale. Das ist ein Adverbial. (25) */r?Goethe wurde NICHT Mitte des 18. Jahrhunderts geboren. Er wurde am 28.8.1749 geboren.

Das Negationsverhalten bestätigt also einerseits den nicht-wahrheitsrelevanten Status von müssen in (12) und leider in (13), andererseits den wahrheitsrelevanten Status von bedauern in (14). Die fehlende Wahrheitsrelevanz in (12) und (13) ist somit nicht auf die Einstellungsbedeutung als solche, sondern ausschließlich auf ihren nicht-propositionalen Status zurückzuführen, was auch den Terminus der propositionalen Einstellung für Verben wie bedauern rechtfertigt (vgl. Meibauer 1994:12). 13 Die Frage, die sich stellt, ist dann aber, wie der nicht-propositionale Status bei leider und müssen zustande kommt, da er j a offensichtlich, wie das Beispiel bedauern zeigt, auch nicht allein durch den Skopus über eine Proposition erklärbar ist. M.E. kommt als Begründung ausschließlich die Tatsache in Frage, dass anders als beim Gebrauch eines Verbs mit einstellungsbezogener Bedeutung, bei dem notwendigerweise ein Einstellungsträger durch das Subjekt festgelegt ist (vgl. Meibauer ebd.), bei Satzadverbien und epistemischen Modalverben dieser bzw. seine Existenz als solche nicht expliziert wird, sondern nur kontextuell bestimmt werden kann. Es muss sich dabei nicht notwendigerweise um den Sprecher handeln, wie der epistemische Gebrauch eines Modalverbs wie sollen in (26) oder der Gebrauch des Satzadverbs wahrscheinlich in einem Kontext wie (27) zeigt. (26) Michaela soll einen Lippenstift geklaut haben. (27) Wer von euch kommt morgen wahrscheinlich?

Bei epistemischem Gebrauch von sollen wird eine doppelte Einstellung zum Ausdruck gebracht, nämlich einerseits diejenige der Personen, die ρ behauptet haben, und andererseits

12

13

Hentschel (1998:25f.) stellt diese Funktion m.E. zu stark in den Vordergrund und betrachtet sie als »metalinguistische Negation im engeren Sinne«. Da durch diesen Terminus unterstellt wird, dass Einstellungsbedeutungen prinzipiell propositoinalen Status haben können.

10 diejenige des Sprechers, der sich durch die Referenz auf Dritte von einem Wahrheitsanspruch auf ρ distanziert. Alle potentiellen Einstellungsträger sind aber ausschließlich durch den Kontext bestimmbar. In (27) sind die Einstellungsträger die Adressaten von p, sie können also ebenfalls nur im Kontext festgelegt werden. Man könnte sagen, dass vom Adressaten bei der Interpretation solcher Äußerungen in dreifacher Hinsicht kognitive Arbeit geleistet werden muss: Er muss erstens erkennen, dass eine Einstellung ausgedrückt wird, zweitens, dass ein Einstellungsträger festzulegen ist, und drittens erkennen, wer dieser Einstellungsträger ist. Das spezifische Negationsverhalten scheint also dadurch zustande zu kommen, dass die Einstellungen erst durch im Kontext zugängliche Einheiten zu vollständigen Propositionen spezifiziert werden können. Auffällig ist, dass diese Einstellungsausdrücke in bestimmten Fällen dennoch Einfluss auf den Wahrheitswert der Proposition in ihrem Skopus nehmen können. So ist z.B. (28) nicht unter denselben Bedingungen wahr wie derselbe Satz ohne die Satzadverbien. (28) Sabine kommt möglicherweise/vermutlich/vielleicht

erst eine Stunde später an.

Da hier epistemische Einstellungen zum Ausdruck kommen, die gerade auf das Zutreffen von ρ Bezug nehmen und dabei gleichzeitig einen nicht absoluten Wahrscheinlichkeitsgrad festlegen, wird durch ihren Gebrauch der Wahrheitsanspruch hinsichtlich ρ relativiert. M.E. ist es dennoch gerechtfertigt, den entsprechenden Einstellungsausdrücken nicht-propositionalen Status zuzuschreiben, da sie in der oben beschriebenen Weise komplex spezifizierungsbedürftig und nicht negierbar sind. Sie nehmen sozusagen »von außen« Einfluss auf die Wahrheitsbedingungen von p. Wahrheitsrelevanz und Propositionalität können also nicht grundsätzlich gleichgesetzt werden. 14 Vor dem Hintergrund der bisherigen Überlegungen ist interessant, dass Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann (1992:66ff.) (im Folgenden BRRZ) nicht bei allen Satzadverbien vom Status als Einstellungsausdrücke ausgehen wollen. Sie unterscheiden zwischen Faktizit ä t s o p e r a t o r e n ( z . B . wirklich,

tatsächlich,

wahrhaftig,

gewiss15),

Modaloperatoren

(z.B.

14

Dagegen, Wahrheitsrelevanz und Propositionalität ausnahmslos gleichzusetzen, spricht m.E. auch, dass Imperativsätze und Interrogativsätze offensichtlich propositionalen Gehalt besitzen, ohne dass dieser in direkte Beziehung mit einem Wahrheitswert gesetzt werden kann. Die unbestreitbare Tatsache, dass Propositionen prinzipiell durch ihre Wahrheitsbedingungen repräsentierbar sind und somit im Normalfall fehlende Wahrheitsrelevanz auch nicht-propositionalen Status bedeutet, soll dadurch nicht in Frage gestellt werden.

15

Ormelius-Sandblom (1997:79) schließt dagegen gewiss von den Faktizitätsoperatoren aus, und begründet dies damit, dass die Verwendung in diesem Fall auch mit noch nicht vorliegenden Sachverhalten kompatibel sei (»Er wird gewiss/*tatsächlich/*wahrhaftig ein guter Lehrer.«). M.E. ist die Beobachtung richtig, aber die Begründung falsch. Mit zukünftigen Sachverhalten sind auch tatsächlich, wirklich, wahrhaftig durchaus vereinbar, sofern es sich dabei um mit Sicherheit zu erwartende Sachverhalte handelt: »Stellt euch vor, er wird tatsächlich, wirklich, wahrhaftig kommen.« Bei Ormelius-Sandbloms Beispiel handelt es sich dagegen um eine in die Zukunft weisende subjektive Einschätzung, so dass hier durchaus ein Argument dafür vorliegt, gewiss ebenso wie sicher (»Du wirst das sicher schaffen.«) zu den epistemisch/doxastischen Operatoren zu zählen, da

11 vielleicht, möglicherweise, notwendigerweise, unbedingt), epistemisch/doxastischen Operatoren (z.B. vermutlich, wahrscheinlich, zweifellos) und evaluativen Operatoren (z.B. leider, bedauerlicherweise, glücklicherweise). Nur die epistemisch/doxastischen Operatoren und die evaluativen Operatoren drücken nach Ansicht der Autorinnen eine nicht wahrheitsrelevante Einstellungsbedeutung aus. 1 6 Betrachtet man j e d o c h das Negationsverhalten, so kann die Auffassung von B R R Z m.E. ausschließlich in B e z u g auf wirklich, notwendigerweise sowie unbedingt aufrecht erhalten werden. Faktizitäts- und Modaloperatoren verhalten sich ansonsten genau gleich wie epistemisch/doxastische und evaluative Operatoren. D i e kontrastiven Anschlüsse in (31) lassen darüber hinaus vermuten, dass eine Unterscheidung von epistemisch/doxastischen und M o daloperatoren aufgrund ihres semantischen T y p s nicht generell gerechtfertigt ist. (29) a. *Max ist NICHT vermutlich/wahrscheinlich/zweifellos intelligent. b. Max ist nicht VERMUTLICH/WAHRSCHEINLICH/ZWEIFELLOS intelligent, sondern SICHER/(nur) WAHRSCHEINLICH. (30) a. *Nathalie hat NICHT leider/bedauerlicherweise/glücklicherweise keine Zeit. b. Nathalie hat nicht LEIDER/BEDAUERLICHERWEISE/GLÜCKLICHERWEISE Zeit, sondern GLÜCKLICHERWEISE/LEIDER.

keine

(31) a. *Max ist NICHT vielleicht/möglicherweise intelligent. b. Max ist nicht VIELLEICHT/MÖGLICHERWEISE intelligent, sondern SICHER/?NOTWENDIGERWEISE/?UNBEDINGT. (32) a. *Max ist NICHT tatsächlich intelligent. b. Max ist nicht TATSÄCHLICH intelligent, sondern MÖGLICHERWEISE. (33) Nathalie ist NICHT wirklich/notwendigerweise/unbedingt krank. (Sie kann auch einfach im Stau stecken). Zwar scheint auch in (33) ein kontrastiver Anschluss gefordert, oder zumindest angemessen, j e d o c h , o h n e dass dabei die f ü r metalinguistische Negation charakteristische Fokussierung der Bezugskonstituente notwendig wäre. D i e Anwendbarkeit der Satznegation korrespondiert in diesen Fällen mit d e m intuitiven Verständnis, dass ein Satz wie »Nathalie ist nicht wirklich krank.« nicht unter denselben Bedingungen wahr ist wie »Nathalie ist wirklich krank.« W i e sind diese Daten zu erklären? Zunächst zur Frage der Unterscheidung einer eigenständigen Subklasse von Modaloperatoren. Dass dies nicht mit den Wahlmöglichkeiten f ü r kontrastive Ausdrücke in (31) korrespondiert, ist dadurch zu begründen, dass zumindest die modalen Satzadverbien vielleicht und möglicherweise generell epistemisch interpretiert werden. Anders notwendigerweise und unbedingt, diese scheinen genau wie die faktitiven

16

sie ebenso wie das epistemisch gebrauchte müssen aufgrund subjektiver Einschätzung auf ein Maximum an Wahrscheinlichkeit verweisen. Dabei muss es sich auch ihrer Auffassung nach nicht notwendig um eine Einstellung des Sprechers handeln.

12 Satzadverbien stets als Referenz auf objektiv vorliegende Tatsachen interpretiert zu werden, was eine Erklärung für ihre wahrheitsrelevante Negierbarkeit liefert. Offen bleibt die Frage, weshalb nun gerade tatsächlich, das aufgrund seiner lexikalischen Bedeutung neben wirklich am deutlichsten auf empirisch in der Realität konstatierbare Sachverhalte zu verweisen scheint, nicht durch Satznegation negierbar ist, also nichtpropositionalen Status zu besitzen scheint. Für die Beantwortung dieser Frage muss m.E. bedacht werden, dass wirklich und tatsächlich nicht vollkommen synonym sind. Zusätzlich zum Verweis auf die empirisch überprüfbaren Tatsachen kommt bei tatsächlich anders als bei (nicht-akzentuiertem) wirklich zum Ausdruck, dass der Sachverhalt, auf den Bezug genommen wird, in dieser Form nicht zu erwarten war. Dies kann als eine konventionalisierte Implikatur, die auf der Basis des Relevanzprinzips (vgl. Sperber/Wilson 1986) aus dem expliziten Hinweis auf die »Tatsachen« abgeleitet ist, erklärt werden. Bei BRRZ spiegelt sich diese Komponente der Bedeutung durch eine doppelte Negation in der für tatsächlich vorgeschlagenen, auf einem Faktizitätsoperator FAKT basierenden SF wieder. (34) [->

FAKT p]

Der wesentliche Punkt ist nun, dass es sich auch bei der Nichterwartbarkeit von ρ um eine Einstellung hinsichtlich des entsprechenden Sachverhalts handelt, deren Einstellungsträger nicht explizit genannt wird, sondern im Kontext festzulegen ist. (35) Ich hätt's ja nie gedacht, aber Peter hat tatsächlich Urlaub gemacht. Entsprechende einstellungsbezogene Implikaturen sind auch bei wirklich, notwendigerweise und unbedingt oder auch sicher und gewiss ableitbar, scheinen aber nur bei tatsächlich konventionalisiert zu sein. Als nicht zu den Einstellungsausdrücken zu zählende Satzadverbien bleiben damit ausschließlich die Faktizitätsoperatoren, mit Ausnahme von tatsächlich übrig. Letzteres nimmt eine Art Zwitterstellung zwischen den Faktizitäts- und den epistemisch/doxastischen Operatoren ein, wobei die Zuordnung zu den epistemisch/doxastischen Operatoren durch die zusätzliche konventionelle Implikatur gerechtfertigt ist. Der sich daraus ergebende Kontrast zwischen Einstellungsbedeutung und faktitiver Bedeutung ist auch eine Erklärung dafür, weshalb die epistemische Bewertung hier anders als z.B. bei vermutlich keinen Einfluss auf den Wahrheitswert der Proposition hat, da sie sozusagen »gelöscht« wird. Erst aus dem Kontrast ergibt sich auch der spezifische auf Nichterwartbarkeit und somit auch Überraschung hinsichtlich ρ verweisende kommunikative Effekt. In der selben Weise wie tatsächlich verweisen auch skalare GPn wie sogar, gerade, ausgerechnet auf die Nichterwartbarkeit eines Sachverhalts. 17 Im Unterschied zu den Satzadverbien, den epistemisch gebrauchten Modalverben und den Verben der propositionalen Einstellung haben sie aber nicht generell Skopus über eine Proposition, sondern nur dann, wenn sie mit Bezug auf Nebensätze wie in (36) gebraucht sind. Auch sie sind ausschließlich durch metalinguistische Negation negierbar, wobei allerdings in etwas komplexerer Art auf die Einstellung Bezug genommen werden muss.

17

Vgl. hierzu auch Altmann (1978:150ff.).

13 (36) Sogar, wenn du mich auf Knien darum anflehst, werde ich dir nicht helfen. (37) a. Sogar PETER hat sich gefreut. b. »Nicht sogar PETER hat sich gefreut. c. Es hat sich nicht SOGAR PETER gefreut, sondern Peter hat sich halt (auch) gefreut/7sondern AUCH PETER. Dass das spezifische Negationsverhalten auch in diesen Fällen durch die auf Nichterwartbarkeit verweisende Einstellungsbedeutung begründet ist, zeigt der Vergleich mit nichtskalar gebrauchten GPn. 18 (38) Nicht nur PETER ist krank. Auch alle anderen fühlen sich miserabel. Da skalare GPn eine quantifizierende (additive oder restriktive) Bedeutungskomponente miteinschließen, steht die epistemische Einschätzung auch hier im Kontrast zu einem faktitiven Verweis auf das Zutreffen von ρ bzw. des Sachverhalts, auf den die Bezugskonstituente referiert, was erklärt, dass deren Wahrheitswert durch die epistemische Bedeutung nicht modifiziert wird. Als Charakteristika von Einstellungsbedeutungen können somit folgende Phänomene betrachtet werden: a. b.

Skopus über gesamte Propositionen, bei evaluativer oder epistemisch/doxastischer Bedeutung. Bezugnahme auf im Kontext zugängliche evaluative oder epistemisch/doxastische Bewertungen eines Sachverhalts.

Wenn ein Einstellungsausdruck vorliegt, muss (a) und/oder (b) erfüllt sein. Bei (a) und (b) handelt es sich also jeweils um hinreichende Bedingungen, (b) ist jedoch eine notwendige Voraussetzung dafür, dass die Einstellungsbedeutung nicht-propositionalen Status hat. Aus der Tatsache, dass die entsprechende Bewertung nur im Kontext zugänglich ist, folgt, dass auch ein zugehöriger Einstellungsträger festgelegt werden muss. Als SF für einen lexikalisch verankerten Hinweis auf die Einstellung, dass - φ gilt, schlage ich (39) vor. (39) ax X £ K [x->--p] Dabei steht Κ für die Menge aller im Kontext zugänglichen Annahmen. Aus dem zweiten Teil der Formel [x —> -> p] kann abgeleitet werden, dass sich die im Kontext enthaltene Annahme χ auf das Zutreffen von ρ bezieht und somit eine epistemische Bewertung vorliegt. Damit muss die Annahme χ einem im Kontext zu spezifizierenden Einstellungsträger zuge-

18

Allerdings ist die nicht-skalare additive GP auch ebenfalls nicht negierbar: (i) »Peter ist NICHT auch krank. In diesem Fall ist das Negationsverhalten auf die Tatsache zurückzuführen, dass die GP ausschließlich eine konventionelle Implikatur zur Satzbedeutung beiträgt und somit ebenfalls nichtwahrheitsrelevanten Status hat (vgl. König 1991:790). Der Fall nur in (38) zeigt aber dennoch sehr deutlich, dass unabhängig von anderen Faktoren skalar gebrauchte GPn aufgrund ihrer einstellungsbezogenen Bedeutung prinzipiell nicht negierbar sind.

14 schrieben werden. Die Variable ρ steht f ü r eine Proposition, d.h. in (39) wird entsprechend weiter S k o p u s vorausgesetzt. Auf der E b e n e von S E M wird mit dieser S F kein Einstellungsträger verankert und auch die Tatsache, dass überhaupt eine Einstellungsbedeutung vorliegt, geht nur aus der Gesamtheit der Formel, d.h. der Kombination aus der Verankerung im Kontext und d e m Rest der dargestellten Relation, hervor. W a s durch eine solche S F nicht geleistet werden kann, ist eine graduelle W i e d e r g a b e der epistemischen Einstellung. Die Stärke, mit der ein bestimmter Sachverhalt als nicht zu erwarten eingeschätzt wird, und der daraus resultierende Grad an Überraschung hinsichtlich seines Zutreffens ist hier also nicht repräsentiert.

1.1.1.2. Sind Modalpartikeln Träger von Einstellungsbedeutungen? Ich möchte nun auf die eigentlich interessierende Frage zurückkommen, inwiefern auch die M P n als Einstellungsausdrücke betrachtet werden können. E s wurde bereits oben deutlich, dass d a f ü r in der überwiegenden Zahl der in den 70er und 80er Jahren erschienenen Arbeiten plädiert wird. Mit Schwerpunkt auf Meibauer (1994) und Ormelius-Sandblom (1997) sollen im Folgenden mögliche Argumente, die f ü r und gegen eine solche Auffassung ins Feld geführt werden können, diskutiert werden. Beide Arbeiten bewegen sich im R a h m e n von Bierwischs modular ausgerichteter Zwei-Ebenen-Semantik und bieten somit die für die vorliegende Arbeit relevante Diskussionsgrundlage. 1 9 Hiervon ausgehend w e r d e ich außerd e m auf einige Arbeiten eingehen, die M P n kontextuell einordnende Funktionen zuschreiben. Nach A u f f a s s u n g von Ormelius-Sandblom (1997:76) spricht gegen die Analyse von M P n als Einstellungsausdrücke, dass unklar ist, o b in diesem Fall eine oder mehrere Einstellungen pro M P a n g e n o m m e n werden müssen. Sie demonstriert das Problem an folgenden Beispielen aus Heibig (1988: 167f.). (40) Es ist ja heute kalt! (41) Arbeite jä fleißig! W ä h r e n d ja in (40) nach Heibig »Staunen und Überraschung« ausdrückt, gibt er für die Verw e n d u n g in (41) an, dass das befohlene Verhalten als das in den Augen des Sprechers »einzig richtige« dargestellt wird, so dass bei ja also zwei Einstellungen konstatierbar seien. Der A n n a h m e von nur einer Einstellung pro M P steht nach Ormelius-Sandblom (ebd.) entgegen, dass unklar ist, wann welche Einstellung die relevante ist. E s könnten auch nicht, wie z.B. bei vermutlich, etymologische Kriterien als Entscheidungshilfe für eine der Varianten herangezogen werden. Die Einstellung sei außerdem eher pragmatischer als semantischer Natur, da sie mit Kontext und Betonung variiere. 2 0

19

20

Vgl. zu den ebenfalls modular basierten Arbeiten von Doherty (1987) und Jacobs (1991) auch Ormelius-Sandblom (1997:Kap. 2.2.), zu Jacobs (1991) auch unten 1.1.2. Als weiteres Argument zieht Ormelius-Sandblom (ebd.:77) ein Beispiel heran, bei dem die Einstellung des Sprechers, dass »in his/her eyes the proposition ρ is not controversial« (Lindner 1991:174) in Kontrast zu einer Vorgängeräußerung steht. Dies spreche insofern gegen die Analyse

15 Dem kann entgegengehalten werden, dass prinzipiell nichts dagegen spricht, Einstellungsbedeutungen minimalistisch zu analysieren und die kontextuelle Variation aufgrund einer »Basiseinstellung« abzuleiten. Wie diese festzulegen ist, ergibt sich dann ebenso wie bei allen anderen minimalistischen Analysen aus der Ableitbarkeit aller weiteren Varianten unter Miteinbeziehung kontextueller Faktoren, wobei die abgeleiteten Varianten als sekundär einzustufen sind. Genau dies ist das Grundprinzip minimalistischer Bedeutungsanalysen, ganz unabhängig davon, ob die Basisbedeutung einstellungsbezogen ist oder nicht. Dafür, dass etymologische Überlegungen als Basis für die Festlegung eines Bedeutungspostulats herangezogen werden, besteht m.E. keine grundsätzliche theoretische Notwendigkeit. Überdies geht es Ormelius-Sandblom insbesondere darum, dass bei MPn auf der Ebene von SEM keine Einstellungsbedeutungen anzusetzen sind, Einstellungen also nicht Teil ihrer grammatisch determinierten Bedeutung sind, sondern »sich in konsistenter Weise aus einer mageren Semantik auf pragmatischer Ebene ableiten lassen (...)« (ebd:77). Dies ist mit den oben angenommenen generellen Charakteristika von Einstellungsbedeutungen aber durchaus vereinbar und lässt vermuten, dass das gesamte Problem hier letztendlich auf eine Frage der Terminologie reduziert wird. Ein weiteres Problem für die Analyse von MPn als Einstellungsausdrücke sieht Ormelius-Sandblom in der Tatsache, dass die von ihr untersuchten MPn ja, doch und schon scheinbar nicht in derselben Art und Weise eine Einstellung ausdrücken wie z.B. das Satzadverb vermutlich, da nur bei vermutlich eine Einstellung vom Gesprächspartner wieder aufgegriffen und thematisiert werden könne. Vgl. (42) A: Anna wird vermutlich morgen nach Hause fahren. B: Warum vermutest du das? (43) A: Anna wird ja morgen nach Hause fahren. B: Warum Vst du das? (wobei V für irgendein Verb steht) (Ormelius-Sandblom 1997:76) Eine entsprechende Thematisierung ist aber z.B. ebenso wenig im Fall von tatsächlich möglich, das, wenn die Überlegungen in 1.1.1.1. richtig sind, ebenfalls zu den einstellungsbezogenen Satzadverbien gezählt werden muss. (44) A: Anna wird tatsächlich morgen nach Hause fahren. B: Warum Vst du das?/Hast du das nicht immer geVt?

als Einstellungsausdrucke (auf der semantischen Ebene), als die Einstellung dann nicht in allen Kontexten vorhanden wäre. Vgl.: (i) A: Da kann Karin beim Umziehen helfen! B: Nein. Sie ist ja verreist. M.E. ist die Verwendung der MP ja in (i) aber gar nicht akzeptabel, stattdessen scheint hier eher der Gebrauch von doch gefordert. Außerdem müsste auch gefragt werden, ob die angenommene Einstellung >p is not controversial überhaupt die adäquate ist.

16 Das Verhalten steht in direktem Zusammenhang damit, dass zwar bei vermutlich eine stammgleiche verbale Entsprechung vorhanden ist, nicht aber bei tatsächlich und ja. Lässt man zu, dass die Thematisierung auch durch »frei gewähltes« lexikalisches Material erfolgt, können sowohl tatsächlich als auch ja thematisch wieder aufgegriffen werden. Als Arbeitshypothese soll für ja der intuitiv gut nachvollziehbare Verweis auf »Bekanntheit« als Bedeutung zugrundegelegt werden. 21 (45) A: Anna wird tatsächlich morgen nach Hause fahren. B: Hast du denn je was anderes vermutet? (46) A: Anna wird ja morgen nach Hause fahren. B: Hätte ich das denn wissen sollen?/Davon hab ich nichts gewusst!

Ormelius-Sandblom zählt die MPn aufgrund der dargelegten Argumentation zu den Faktizitätsoperatoren, wobei sie sich auf die Klassifizierung der Satzadverbien bei BRRZ (1992) bezieht. Auf der Ebene der grammatisch determinierten Bedeutung setzt sie für ja, doch und schon demnach einen Operator FAKT als Basis an. Die MPn werden also als Operatorausdrücke analysiert. In Anlehnung an Löbner (1990) nimmt sie (ebd.:81) an, dass FAKT Teil einer Dualitätsgruppe ist. Dem unterschiedlichen »Faktizitätsgrad« der MPn kann so durch vier mögliche Spezifizierungen Rechnung getragen werden. Diese bestehen in der Bildung jeweils neuer Operatoren durch die Operationen »innere Negation« (FAKT-·), »äußere Negation« (->FAKT) und »duale Negation« (-'FAKT-') sowie FAKT selbst. Daraus entwickelt Ormelius-Sandblom (ebd. 82ff.) die semantischen Repräsentationen (47) für ja, (48) für doch und (49) für schon, wobei für doch interessanterweise eine zusätzliche konventionelle Implikatur mit Bezug auf Annahmen im Kontext angenommen wird (vgl. hierzu unten): (47) λρ[ΤΑΚΤ ρ] mit FAKT e S/S, ρ ε S, wobei ρ = e INST q (48) λρ [FAKT p] IMPLIKATUR [3q [q -> -.p]] mit FAKT e S/S, ρ e S, wobei ρ = e INST r (49) λρ [-. FAKT-.p] mit FAKT e S/S, ->e S/S, p e S , wobei ρ = e INST q

Diese Bedeutungen tragen nicht zu den Wahrheitsbedingungen bei und sind nicht Teil der Proposition, für die Ormelius-Sandblom (ebd.:87) in Anlehnung an BRRZ (1992:36) die semantische Struktur [e INST p] annimmt. Dabei ist der Funktor INST ein zweistelliges Prädikat, das aus einer Proposition q und einem Sachverhalt e eine neue Proposition bildet.

21

Ein ähnliches Beispiel für tatsächlich gibt Ormelius-Sandblom (1997:78) auch selbst an: A: Karin will tatsächlich anfangen zu tauchen. B: Ist das wirklich eine Tatsache? Das bezweifle ich sehr.

17 Die MPn nehmen die Proposition [e INST p] in ihren Skopus 22 und bilden mit ihr zusammen eine neue Proposition, die wiederum im Skopus des Satzmodus liegt. NichtPropositionalität von MPn bedeutet hier also nur, dass die MP-Bedeutung nicht Teil der »am tiefsten eingebetteten« Proposition [e INST p] ist. Problematisch erscheint mir an diesem Ansatz, dass gerade die faktitiven Satzadverbien, auf die mit der Analyse von MPn als Faktizitätsoperatoren Bezug genommen wird, mit Ausnahme des Sonderfalls tatsächlich als propositional betrachtet werden müssen. Der Grund dafür ist aber gerade ihre Referenz auf empirisch überprüfbare Tatsachen, also ihre Faktizität im eigentlichen Sinn. Ormelius-Sandblom (ebd.:78) selbst erklärt den Unterschied im semantischen Status damit, dass Satzadverbien im Unterschied zu den MPn »referentiell« seien, was m.E. letztendlich nichts anderes als das eben Festgestellte aussagt und nicht über eine reine Symptombeschreibung hinausgreift. Sie beruft sich dabei wiederum auf die unterschiedliche Kommentierbarkeit, die aber, wie oben zu zeigen versucht wurde, ein nicht unzweifelhaftes Kriterium ist. M.E. kann eine Analyse von MPn als Faktizitätsoperatoren nur dann gerechtfertigt werden, wenn eine strukturelle Begründung dafür erkennbar wird, weshalb sich der Verweis auf Faktizität in ihrem Fall nicht auf die Propositionalität auswirkt. Bezüglich des Problems der Variantenbildung von MPn beschränkt sich OrmeliusSandblom hauptsächlich darauf, den Zusammenhang zwischen den akzentuierten und den nicht-akzentuierten MP-Varianten aufzuzeigen. Dies ist auf der Basis der Faktizitätsoperatoren gut möglich (vgl. ebd.:129ff.). In der Literatur häufig angeführte Bedeutungsvarianten wie z.B. der illokutive Effekt der Drohung bei betontem Ja in Imperativsätzen oder der Hinweis auf Bekanntheit bei ja und doch betrachtet Ormelius-Sandblom nur unter dem Gesichtspunkt, ob es sich dabei um Elemente des semantischen Gehalts der MPn handelt. Da sie zu dem Ergebnis kommt, dass diese Elemente nicht in allen Verwendungskontexten der entsprechenden MPn auftreten, schließt sie sie aus der weiteren Betrachtung aus. Ein mögliches Zustandekommen solcher Varianten durch pragmatische Mechanismen in Zusammenhang mit kontextuellen Einflüssen erwägt sie nicht, obwohl dies m.E. eine wichtige Überprüfungsmethode für die Richtigkeit von minimalistischen MP-Bedeutungspostulaten ist. Das Hauptanliegen von Ormelius-Sandblom in Bezug auf die pragmatischen Funktionen von MPn ist zu zeigen, dass diese keinen direkten Einfluss auf die Thema-RhemaGliederung ausüben (s. hierzu 1.2.2.). Darüber hinaus erklärt sie die Kompabilität von ja, doch, schon mit verschiedenen Illokutionstypen auf der Basis von (47) - (49) und geht auf die oben angesprochenen kontextuell einordnenden Funktionen von MPn ein. Auf letzteren Punkt komme ich unten zurück. Anders als Ormelius-Sandblom (1997) plädiert Meibauer (1994) dafür, MPn als Einstellungsausdrücke zu betrachten. Das zentrale Argument für eine einstellungsbezogene MPBedeutung ist für ihn, dass, wenn sowohl Satzmodus als auch MPn als Einstellungsausdrücke definiert werden, erklärbar ist, weshalb MPn mit bestimmten Satzmodi nicht kompatibel sind. Solche Inkompatibilitäten müssen allerdings, wie Ormelius-Sandblom (1997:116ff.) zeigt, nicht notwendigerweise auf der Ebene der SF vorliegen, sondern können auch durch pragmatische Mechanismen auf der Basis nicht-einstellungsbezogener grammatisch determinierter MP- und Satzmodusbedeutungen zustande kommen.

22

Oder eine andere +V-Einheit vom Typ S, vgl. Ormelius-Sandblom (1997:87).

18 Auch Meibauers Anliegen ist es vor allem, die akzentuierten und nicht-akzentuierten Varianten von MPn im Sinne der Zwei-Ebenen-Semantik auf der Basis einer gemeinsamen lexikalischen Bedeutung zu erfassen. Sein Vorgehen soll am Beispiel der Modalpartikelvarianten ja/JA illustriert werden. Prätheoretisch geht Meibauer (ebd.: 150) von zwei unterschiedlichen Einstellungsbedeutungen, (50) für nicht-betontes ja und (51) für betontes JA, aus. (50) Der Sprecher nimmt an, daß es unkontrovers ist, daß p. (51) Der Sprecher will, daß es unkontrovers ist, daß p.

Die Annahme, dass es sich beim Einstellungsträger grundsätzlich um den Sprecher handelt, wird von Meibauer (ebd.) relativiert, da insbesondere das Auftreten in Nebensätzen wie dem folgenden gegen ein solches Postulat spricht. (52) Sabine legt Wert darauf, dass du auch JA rechtzeitig nach Hause kommst.

Die beiden Varianten (50) und (51) gilt es aus einer gemeinsamen Minimalbedeutung abzuleiten. Als Basis für die gemeinsame semantische Repräsentation geht Meibauer (ebd.: 153) deshalb von >Unkontroversheit von p< aus und leitet daraus die SF (53) ab: (53) SEM von ja/JA λρ [-3q [q -> -p]]:p

Dabei ist der innere Teil der Formel so zu interpretieren, dass es keine Proposition q gibt, so dass gilt, aus q folgt ->p. Der Doppelpunkt gibt an, dass der Teil der SF in eckigen Klammern eine Vorbedingung für die Anwendbarkeit des Rests der Formel, also des LambdaOperators ist (vgl. ebd.:153f.). 23 Die SF von ja/JA nimmt nach Meibauer (ebd. 154) nicht direkt auf Einstellungen eines Einstellungsträgers Bezug, indirekt würden aber Einstellungen hier insofern eine Rolle spielen, als es für einen Einstellungsträger (z.B. den Sprecher einer Äußerung mit ja/Ja) unkontrovers sein müsse, dass ρ gilt. Das wesentliche Kriterium einer Einstellungsbedeutung scheint also für Meibauer die explizite Festlegung eines Einstellungsträgers zu sein, die aber seiner Auffassung nach nicht auf der Ebene von SEM stattfinden kann. Andererseits hält er dies (ebd.) auch für problematisch, da nur durch die Kennzeichnung als Einstellungsbedeutung der nicht-wahrheitsrelevante Status von MPn repräsentierbar sei. Gegen die Aufnahme von Einstellungen eines Einstellungsträgers in eine Repräsentation der grammatisch determinierten Bedeutung spricht seiner Meinung nach aber andererseits, dass es sich dabei dann nicht mehr um eine semantische Form handeln könne. Das von Meibauer thematisierte Problem resultiert m.E. aus der Annahme, dass einerseits Einstellungsbedeutungen per se nicht wahrheitsrelevant sind und andererseits nur für propositionale Bedeutungen eine semantische Repräsentation durch eine logische Form möglich ist. Gerade im Rahmen von Bierwischs Theorie stellt sich diese Schwierigkeit aber nicht, da SEM lexikalische Bedeutungen enthält, d.h. kontextneutrale als invariant im lexikalischen

23

M.E. ist Lambda-Abstraktion in der SF von MPn nur im Hinblick auf eine kategorialgrammatische Einordnung von Bedeutung.

19 Gedächtnis abgespeicherte Bedeutungseinheiten. Dies bietet die Möglichkeit, semantischen Gehalt unabhängig von Wahrheitsbedingungen zu definieren. 24 In 1.1.1.1. wurde überdies deutlich zu machen versucht, dass auch nicht-propositionale Bedeutungseinheiten durch abstrakte logische Repräsentationen wiedergegeben werden können, wie auch die Arbeit von Ormelius-Sandblom (1997) deutlich zeigt. Auch Meibauer selbst entscheidet sich letztendlich für diesen Weg. Einstellungskonzepte treten nach Meibauer (ebd.:153f.) aus den angesprochenen Gründen erst auf der Ebene des kommunikativen Sinns CS bzw. der Äußerungsbedeutung m auf. Dabei ergeben sich auf der Ebene von m die beiden folgenden konzeptuellen Schemata (ebd.: 154). (54) a. F a n n (SEM) b . FWILL ( S E M )

Dabei steht F für den Einstellungsträger, ANN und WILL repräsentieren die Einstellungen »annehmen« und »wollen« und der Aspekt der Unkontroversheit von ρ wird in der oben beschriebenen Weise durch SEM realisiert. Aus (54) ergeben sich die CS-Interpretationen (50) und (51) (vgl. ebd.: 154). Die b-Variante in (54) bezieht sich also ebenso wie (51) auf Fälle von akzentuiertem JA. Die Grundidee ist, dass sich die veränderte Bedeutung aus der Interaktion von SEM mit dem Kontrastakzent ergibt. Dabei wird die Äußerungsbedeutung F W I L L (SEM) für alle Vorkommen von akzentuiertem JA vorausgesetzt, zu denen Meibauer (ebd.: 146) einerseits intentionales JA in Imperativsätzen, andererseits aber auch kontrastives JA wie in (55) zählt. (55) Mach JA deine Hausaufgaben! (56) A: Fritz hat nicht geheiratet. B: Fritz hat JA geheiratet! Ich halte Letzteres in doppelter Hinsicht für problematisch. Erstens scheint mir die Einstellung des Wollens, dass p, beim Gebrauch in Imperativsätzen nicht allein auf der Basis der für ja/JA postulierten SF (53) in Verbindung mit dem Kontrastakzent ableitbar zu sein. Die Unkontroversheit einer Proposition kann auch kontrastiv hervorgehoben werden, ohne dass sie ein Einstellungsträger »will«. Stattdessen scheint sie erst durch die Interaktion mit dem Satzmodus Imperativ zum Ausdruck zu kommen, in dessen SF nach Rosengren (1993b:25) ein Notwendigkeitsoperator angesetzt werden kann. 25 Setzt man voraus, dass die MP im Skopus des Satzmodusoperators steht (vgl. BRRZ 1992:72), ist die Einstellungsbedeutung »Der Sprecher will, dass ρ unkontrovers ist« problemlos ableitbar. Unabhängig von diesem

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25

Vgl. Bierwisch (1983:62): »Nur bestimmte lexikalische Einheiten sind Belegungen konzeptueller Strukturen, die Objekte, Eigenschaften, Relationen der (realen oder fiktiven) Umwelt repräsentieren. Andere, wie etwa >undabermanchmal< beziehen sich auf Beziehungen in und zwischen internen Repräsentationen von Sachverhalten oder auch auf Einstellungen zu solchen Repräsentationen, wie z.B. >vermutlichetwadoch< usw.« Ohne dass deshalb angenommen werden muss, dass der Satzmodus Imperativ selbst auf der Ebene von SEM eine Einstellung festlegt.

20 grammatischen Kontext erscheint mir dies aber äußerst schwierig. Es muss m.E. gefragt werden, ob F W IL L nicht eher die Äußerungsbedeutung oder CS-Bedeutung des Imperativsatzes als die Äußerungsbedeutung der MP wiedergibt. Daraus ergibt sich das zweite Problem, nämlich die Übertragung von F W I L L auf die Fälle von kontrastivem JA im DS. Zwar ist die vorausgesetzte Einstellung mit diesen Verwendungen kompatibel, es ist jedoch fraglich, ob sie auf streng minimalistischem Weg ableitbar ist bzw. ob Meibauer hier nicht die eigentlich auf der Ebene m angesiedelte Bedeutung als generelle SF der akzentuierten Variante von JA voraussetzt. In diesen Fällen ist die kontrastive Hervorhebung der Unkontroversheit von ρ aber ausreichend, um den kommunikativen Effekt entsprechender Sätze zu erklären. Die Arbeiten von Meibauer (1994) und Ormelius-Sandblom (1997) machen m.E. deutlich, dass eine Behandlung der MPn im Rahmen einer modular ausgerichteten Theorie sehr gewinnbringend ist. Sie scheinen mir aber weder wirklich schlagkräftige Argumente gegen noch für eine Behandlung von MPn als Einstellungsausdrücke zu liefern. Im Folgenden möchte ich deshalb auf einige Arbeiten eingehen, die sich mit kontextuell einordnenden Funktionen von MPn befassen. Ich möchte zeigen, dass ausgehend von den in 1.1.1.1. angestellten Überlegungen dabei Argumente für eine solche Zuordnung gefunden werden können. Auf die Funktion von MPn, Äußerungen in Kontexte einzuordnen, wird schon seit der frühen Phase der MP-Forschung immer wieder hingewiesen. So spricht beispielsweise Franck (1979:80) davon, dass durch MPn »Kontextualisierungsanweisungen« gegeben würden, nämlich »Hinweise für den Hörer, dass er auf ganz bestimmte Kontextkategorien sein Augenmerk richten oder bestimmte Bezugsgrößen aussuchen und verarbeiten muss.« Foolen (1989:312f.) nimmt sogar als »Klassenbedeutung« von MPn an, »daß sie immer auf eine implizite, im Kontext relevante Funktion hinweisen.« Auch Thurmair (1989:95) verweist darauf, dass MPn »Inhalte von Äußerungen im dialogischen Kontext verankern«. Sie gibt daher als Bedeutungen von MPn wie einfach und eben u.a. das Merkmal an (ebd.:101), das auf die Funktion der thematischen Verknüpfung, z.B. die Anknüpfung an Vorgängeräußerungen hinweist. Bedeutungsmerkmale dieser Art finden sich auch in den Beschreibungen von Heibig (1988), der z.B. für eigentlich in W-Fragen feststellt, dass es »meist auf Vorausgehendes Bezug« nehme und »rückwärts-konnektierend« sei (ebd.: 130). Eine sehr geeignete Basis für die Analyse solcher MP-Funktionen liefert die in Sperber/Wilson (1986) entwickelte Relevanztheorie. Der darin vorgestellte Kontextbegriff umfasst neben den im Verlauf eines Gesprächs gemachten Äußerungen die äußere Umgebung, in der ein Gespräch stattfindet sowie alle Annahmen, die den Kommunikationsteilnehmern in anderer Weise »zugänglich« sind, d.h. die a. Inhalt von Äußerungen waren, b. in ihrem Gedächtnis abrufbar sind oder c. aus anderen vorhandenen Informationen abgeleitet werden können. Da Annahmen nicht grundsätzlich mit Wissen gleichzusetzen sind, ist die »Stärke« einer Annahme von großer Bedeutung. Im Kommunikationsprozess vorgebrachte neue Informationen können deshalb dadurch relevant sein, dass sie Widersprüche zu alten Annahmen aufdecken und so die Stärke dieser Annahmen vermindern. Oder aber dadurch, dass sie neue Anhaltspunkte für die Richtigkeit einer Annahme liefern und sie dadurch verstärken. Unter »alten Annahmen« sind bereits im Kontext vorhandene Annahmen zu verstehen, die dort für die relevante Verarbeitung einer neuen Information aber erst »aufgefunden«, d.h. zugänglich gemacht oder selektiert werden müssen.

21 In diesem theoretischen Rahmen bewegt sich die Arbeit von König/Requardt (1991). Die Autoren stellen einen relevanztheoretischen Ansatz der MP-Analyse vor und klassifizieren die deutschen MPn nach drei Funktionsklassen (ebd.:70). (57) a. identification of inconsistencies: doch, etwa b. indicators of strength: aber, vielleicht, erst, schon, ja, wohl, eben, nun mal, halt c. selection of context: auch, eben, nun mal, halt, schon, denn, eigentlich, einfach, nur, bloß, wohl.26 Die Elemente aller drei Funktionsklassen dienen nach König/Requardt (ebd.:63) als »metapragmatic instructions to process the utterance containing them in certain types of context«. Bei a. ist das dadurch gegeben, dass eine »identification of inconsistencies« sich immer auf Widersprüche zu im Kontext vorhandenen Annahmen bezieht. Bei b. dadurch, dass auf im Kontext vorhandene Evidenz für eine Annahme verwiesen wird, was zu einer Verstärkung der Annahme führt. Die Funktion der Elemente in c. erläutern König/Requardt (ebd.:73) am Beispiel von auch: Die MP dient dazu, den Satz, in dem sie gebraucht wird, als Voraussetzung, Ursache oder Begründung für eine im Kontext vorhandene Annahme zu charakterisieren. Mir erscheint dieser Ansatz sehr sinnvoll, wobei allerdings die vorgenommene Klassifizierung nicht in allen Punkten nachvollziehbar ist. So müsste m.E. die MP aber eher der Gruppe (a) zugerechnet werden und auch in einigen anderen Fällen könnte nur eine genauere Analyse der jeweiligen MP-Bedeutung zeigen, ob die Einordnung in die jeweilige Klasse gerechtfertigt ist (so z.B. im Fall von vielleicht, erst). Z.T. ist auch fraglich, ob es sich bei den aufgelisteten Ausdrücken tatsächlich um MPn handelt (so z.B. bei nun mal und wohl). Überdies müsste bei der der Klasse (b) zugeschriebenen Funktion klarer gemacht werden, in welcher Weise die entsprechenden MPn auf Evidenz im Kontext verweisen können. Auch Ormelius-Sandbloms (1997) Analyse der kontextuell einordnenden Funktionen von MPn basiert auf Sperber/Wilsons Relevanztheorie. Die Relevanz einer Äußerung, die die von ihr untersuchten MPn ja, doch, schon enthalte, hänge ebenso wie die jeder anderen Äußerung von den nur aus dem Kontext erschließbaren Annahmen des Adressaten ab. Da es sich bei ja, doch, schon aber um Faktizitätsoperatoren handele, sei eine solche Äußerung nur dann relevant, wenn die Existenz des durch ρ beschriebenen Sachverhalts in der Welt in Frage gestellt werden könne, d.h. wenn eine Annahme, dass - φ gilt, im Kontext vorhanden sei (ebd.: 127). Es handelt sich nach Ormelius-Sandblom dabei also um kontextuelle Bedingungen, die beim Gebrauch der Faktizitätsoperatoren gegeben sein müssen, und nicht um lexikalisch verankerte Hinweise auf in Kontrast zu ρ stehende Annahmen. Allgemein dient die kontextuell einordnende Funktion der MPn nach Ormelius-Sandblom (ebd.: 129) dem Zweck, die Verarbeitung einer aktuellen Äußerung im gegebenen Kontext zu erleichtern. Da nach Sperber/Wilson die Relevanz einer Äußerung in umgekehrter Relation zu dem für ihre Verarbeitung nötigen kognitiven Aufwand steht, dienen die MPn damit auch zur Steigerung der Relevanz einer Äußerung. Im Fall von doch geht Ormelius-Sandblom allerdings, wie oben gezeigt wurde, von Konventionalisierung einer entsprechenden Implikatur aus, so

26

Bei nun mal erscheint mir die Zuordnung zu den MPn nicht ganz einsichtig, da es sich um eine Partikelkombination handelt.

22 dass der Verweis auf ->p Teil der lexikalischen Bedeutung ist. Bei der Annahme, dass -ip gilt, handelt es sich dabei ihrer Auffassung nach u m diejenige eines Adressaten. In Analogie zu den in 1.1.1.1. betrachteten Fällen, könnte hier also von einer Einstellungsbedeutung ausgegangen werden. 2 7 2 8 D i e Frage ist nun, o b ein solcher lexikalisch verankerter Verweis auf A n n a h m e n im Kontext nicht auch bei anderen M P n anzusetzen ist. Wertvolle Hinweise liefert diesbezüglich der oben dargestellte Ansatz von König/Requardt (1991). S o könnte z.B. die dort vorausgesetzte Funktion einer M P wie ja, auf Evidenz im Kontext zu verweisen, in Anbetracht der Tatsache, dass in der überwiegenden Zahl der Untersuchungen dieser M P ein Hinweis auf Bekanntheit von ρ als Basisbedeutung postuliert wird, durch einen lexikalisch verankerten Verweis auf die Zugehörigkeit von ρ zur Menge Κ aller im Kontext zugänglichen Annahmen erklärt werden. Setzt man also ein Element wie [p e K] zumindest als Teil der S F von ja/JA voraus, so sind daraus m.E. die verschiedenen akzentuierten und nicht-akzentuierten M P - B e d e u t u n g e n ableitbar. Relevante Verwendungstypen sollen (58) bis (61) nochmals veranschaulichen. (58) Morgen soll es ja regnen. (59) Da ist ja meine Brille! (60) Komm JA rechtzeitig nach Hause! (61) A: Max hat nicht geheiratet. B: Max hat JA geheiratet! In (58) wird durch den Hinweis auf Zugänglichkeit von ρ im Kontext deutlich gemacht, dass ρ f ü r den Adressaten keine neue Information, allenfalls eine Erinnerung an bereits Bekanntes darstellt. 2 9 B e i Verwendungen wie (59) handelt es sich um diffizile Fälle, die auf den ersten Blick nicht mit einem Hinweis auf Bekanntheit oder Kontextzugehörigkeit von ρ zu vereinbaren sind, da hier Überraschung hinsichtlich ρ zum Ausdruck kommt. M i r scheint der kommunikative Sinn hier ähnlich wie in (58) auf der Basis einer Art »Wiedererkennungseffektes« erklärbar zu sein. D.h. ρ war bereits vor d e m Sprechzeitpunkt im Kontext zugänglich, im aktuellen Bewusstsein des Sprechers aber bis zu diesem M o m e n t nicht präsent. Im Falle d e s akzentuierten Gebrauchs in (60) kommt ein m.E. aus der Zuordnung von ρ zu Κ bei zusätzlicher Akzentuierung ableitbarer kommunikativer E f f e k t der D r o h u n g zum Ausdruck, der aus der durch JA zum Ausdruck gebrachten nachdrücklichen Erinnerung an den Inhalt der A u f f o r d e r u n g und aus möglichen Konsequenzen der Nichterfüllung resultiert. Aufgrund der kontrastiven Verwendung von JA kann durch die Hervorhebung der Zugänglichkeit von ρ im Kontext einerseits deren Zutreffen unterstrichen werden, andererseits dem

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Die Autorin selbst zählt diesen Teil der lexikalischen Bedeutung nicht zu den kontextuell einordnenden Funktionen von MPn. Dies folgt allerdings nicht notwendig aus Sperber/Wilsons Theorie, da es sich hier bei Annahmen um Informationen verschiedenster Art handeln kann. Durch die Verwendung der MP kann sich der Sprecher damit auch davor schützen, dass seine Äußerung als irrelevant im Sinne von Sperber/Wilson (1986) betrachtet wird.

23 Adressaten signalisiert werden, dass er selbst ρ hätte erkennen können, was m.E. dem intuitiven Verständnis entspricht. Kommunikative Effekte wie die der Drohung oder Überraschung kommen also bei Zugrundelegung eines Hinweises auf Zugehörigkeit von ρ zum Kontext in SEM erst auf der CS-Ebene zustande. In Anschluss an Meibauer (1994) könnte als weiterer Teil der SF von ja/JA (53) vorausgesetzt und angenommen werden, dass bereits auf der Ebene der Äußerungsbedeutung auf eine epistemische Einstellung, dass ρ gilt, geschlossen wird. Da ja/Ja nicht zum Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit gehört, möchte ich aber auf weitere Detailüberlegungen verzichten, es soll hier nur ein Grundprinzip veranschaulicht werden. Für die vorliegende Arbeit ergibt sich aus dem bisher Dargestellten folgende These: Auf Kontexteinheiten verweisende SF-Merkmale sind ein generelles Charakteristikum von MPBedeutungen. Sie rechtfertigen einerseits unter Voraussetzung der Überlegungen in 1.1.1.1. die Zuordnung der MPn zu den Einstellungsausdrücken und bieten andererseits, ebenfalls vor dem Hintergrund dieser Überlegungen, eine Erklärung für den nicht-wahrheitselevanten Status von MPn. Diese These soll in Kapitel 2 und 3 am Beispiel von eben, halt, e(cher)t, einfach, schlicht und glatt anhand synchroner und diachroner Heterosemiebeziehungen überprüft werden. Offen bleibt die von Ormelius-Sandblom (1997:75ff.) thematisierte Frage, ob es sich bei Satzadverbien und MPn um Einstellungsausdrücke desselben Typs handelt. Prinzipiell ist dies m.E. mit ja zu beantworten, dennoch sind auch einige Unterschiede festzumachen. Zunächst sind zwar MPn ebensowenig wie einstellungsbezogene Satzadverbien wahrheitsrelevant negierbar (vgl. hierzu auch unten 1.2.), jedoch ist bei ihnen gewöhnlich auch metalinguistische Negation nicht möglich oder zumindest stark markiert. (62) a. *Er ist NICHT ja gekommen. b. */??Er ist nicht JA gekommen, sondern DOCH. (63) a. *Er ist NICHT halt gekommen. b. */ Er ist nicht HALT gekommen, sondern SCHON. Hierfür kann aber v.a. die Nicht-Akzentuierbarkeit der meisten MPn verantwortlich gemacht werden. Außerdem scheinen hier ebenso wie bei den skalaren GPn komplexere kontrastive Anschlüsse gefordert zu sein. So ist m.E. in (64), wo im Gegensatz zu (62) ein eindeutiger Kontext für akzentuiertes JA vorliegt, beim Anschluss einer komplexen kontrastierenden Phrase metalinguistische Negation möglich. Und selbst für eine nicht-akzentuierbare MP wie halt sind bei entsprechenden Anschlussphrasen m.E. Kontexte für metalinguistische Negation denkbar, wie (65) veranschaulichen soll. (64) Du sollst nicht JA rechtzeitig nach Hause kommen, sondern nur, wenn du es halt irgendwie einrichten kannst. (65) Max ist nicht HALT krank, sondern schon zum fünften Mal in diesem Monat, und er muss wahrscheinlich demnächst ins Krankenhaus! Der wesentliche Unterschied zwischen MPn und einstellungsbezogenen Satzadverbien scheint mir zu sein, dass letzere mit Ausnahme von tatsächlich die durch sie ausgedrückte

24 Einstellung aufgrund ihrer Wortstämme semantisch transparent machen. So ist vermutlich offensichtlich auf vermuten, leider offensichtlich auf Leid, glücklicherweise offensichtlich auf glücklich zurückführbar etc. Daraus resultiert auch eine relativ starke Spezifizierbarkeit der Einstellung, was insbesondere bei der epistemischen Bewertung von Bedeutung ist. Bei den MPn kann dagegen, wie ich u.a. in dieser Arbeit zeigen möchte, die Einstellungsbedeutung nur aus ihrer jeweiligen semantischen Entwicklungsgeschichte rekonstruiert werden. Sie besitzt einen stärkeren Abstraktionsgrad und ist nur bedingt spezifizierbar. Im folgenden Abschnitt möchte ich auf die ebenfalls häufig diskutierte Frage zurückkommen, ob MPn Illokutionstypmodifizierer sind.

1.1.2. Modalpartikeln als Illokutionstypmodifizierer Die Annahme, dass MPn als Illokutionstypmodifizierer fungieren, wird v.a. durch Daten wie die folgenden begründet: (66) a. b.

Bleib draußen! Bleib JA draußen!

(67) a. b.

Komm rein! Komm ruhig rein!

(68) a. Wer möchte das? b. Wer möchte das schon? (69) a. *Wenn sie käme! b. Wenn sie doch/nur/bloß käme!

In (66) - (69) realisieren offensichtlich die Sätze mit MP andere Sprechhandlungen als die Sätze ohne MP. In (66) wird durch die akzentuierte MP JA eine Modifizierung einer Aufforderung zu einer Drohung vollzogen, in (67) durch ruhig eine Modifizierung einer Aufforderung zu einer Erlaubnis, in (68) durch schon eine Modifizierung einer Frage zu einer Behauptung und in (69) insofern eine Modifizierung des Illokutionstyps, als ohne die MPn gar keine Illokution zustande kommt, mit der MP aber ein Wunsch ausgedrückt wird. Welche Konsequenzen daraus für den Status der MPn zu ziehen sind, hängt aber stark vom zugrunde liegenden Begriff des Satzmodus bzw. Illokutionstypus ab. Außerdem natürlich davon, ob man in diesem Verhalten die primäre Funktion von MPn sieht und ob man annimmt, dass diese generell, d.h. von allen MPn und in allen Kontexten ausgeübt wird. Jacobs (1991:140) geht davon aus, dass zumindest »the great majority« der MPn den IIlokutionstyp des Satzes, in dem sie auftreten, modifizeren. Der Illokutionstyp ist seiner Auffassung nach Teil der konventionellen Bedeutung von Sätzen, ihm wird also semantischer Gehalt zugeschrieben. 30 Da Illokutionstypen komplex seien, könne ihre Bedeutung gegebenenfalls durch eine Menge verschiedener Operatorbedeutungen zusammengesetzt sein. MPn

30

Die Ausführungen von Jacobs basieren auf der in Zaefferer (1979, 1984) entwickelten illokutionären Semantik.

25 modifizierten den Illokutionstyp, indem sich ihre Bedeutung kompositional mit der des Illokutionstyps verbinde. Jacobs geht dabei in beiden Fällen von Einstellungsbedeutungen aus. 31 Bei maximalem Fokus verbindet sich demnach eine Assertion mit der MP-Bedeutung von nicht-akzentuiertem ja zu einem neuen Illokutionstyp J-ASSERT. Aus der Annahme, dass die Illokutionstypbedeutung auf der Ebene der Semantik anzusiedeln ist, folgen bei Jacobs bestimmte Voraussagen für Stellungsregularitäten von MPn. So dürften diese z.B. nicht durch maximale Projektionen vom Skopus des Illokutionstypoperators abgetrennt werden (ebd.: 156), so dass sie nicht in eingebetteten Nebensätzen vorkommen dürften. Dies wird jedoch von Ormelius-Sandblom (1997:19) anhand von (70) (72) eindeutig widerlegt. (70) Sie meint, dass sie in München doch eine viel bessere Stelle finden könnte. (71) Er glaubt, dass sie es schon schaffen würde. (72) Sie hofft, dass ihre Tochter JA studieren kann.

Die angeführten Daten können auch gleichzeitig gegen das zweite Argument, das Jacobs für seine Thesen vorbringt, angeführt werden. Die Tatsache, dass in Fällen wie (69) (oben) der Gebrauch als selbstständiger Nebensatz ohne MP nicht möglich ist, muss seiner Ansicht nach darauf zurückgeführt werden, daß die MP dabei notwendige Bedingung für den Vollzug einer Illokution ist. In (70) - (72) treten MPn aber in Nebensätzen auf, ohne dass mit diesen eine Illokution vollzogen würde (vgl. Ormelius-Sanblom 1991:18), die Zuordnung eines Illokutionstyps in NSn kann also keine generelle Funktion von MPn sein. Geht man im Unterschied zu Jacobs davon aus, dass der Vollzug von Ulokutionen ein rein pragmatisches Phänomen ist, ist die Annahme, dass MPn einen Einfluss auf die »Interpretation« des Illokutionstypus ausüben können, völlig unproblematisch. Da für die Zuordnung des Illokutionstyps dann auch andere Faktoren wie Kontext, Intonation und propositionaler Gehalt eine Rolle spielen, ist auch klar, weshalb MPn nur in bestimmten Konstellationen den Illokutionstyp modifizieren. Geht man von der traditionellen Illokutionstypologie aus, verändern MPn wie ja, eben oder halt in DSn den Illokutionstyp Assertion z.B. nicht. (73) a. b.

Ich bin rechtzeitig gekommen. Ich bin ja/halt/eben rechtzeitig gekommen.

BRRZ (1992:73) erklären sich den (potentiellen) Zusammenhang zwischen MP und Illokutionstyp durch deren »besondere Nähe zum Satzmodus«, ohne dies jedoch näher zu erläutern. Diese Beziehung besteht m.E. darin, dass sich sowohl Satzmodus als auch MPn auf das Zutreffen oder Nicht-Zutreffen der im Satz ausgedrückten Proposition beziehen - ohne dass dabei Einstellungsbedeutungen auf der semantischen Ebene in der Art, wie Jacobs das tut, angenommen werden müssen. Es handelt sich also insofern um Bedeutungen gleichen Typs, die daher einerseits miteinander kompatibel sein müssen und andererseits durch ihre

31

Sehr ähnlich ist hinsichtlich der Kompositionalität von Einstellungsbedeutungen der Ansatz von Doherty (1985; 1987).

26 Kombination eine modifizierte semantische Basis für die Zuordnung eines Illokutionstyps bilden können.

1.1.3. Zusammenfassung In diesem Kapitel wurde zunächst knapp auf in der frühen MP-Literatur vorgestellte Ansätze zur Beschreibung der MP-Bedeutung eingegangen. Daraus ergaben sich als aus heutiger Sicht und auch für die vorliegende Arbeit zentralste Fragen, ob es sich bei MPn um Einstellungsausdrücke handelt und ob MPn als Illokutionstypmodifizierer betrachtet werden können. Zur Klärung des ersten Punkts habe ich zunächst versucht, generelle Charakteristika von Einstellungsbedeutungen herauszuarbeiten. Als solche wurden einerseits Bezug über gesamte Propositionen und andererseits Bezugnahme auf im Kontext zugängliche Einheiten bei jeweils evaluativem oder epistemisch/doxastischem Bedeutungstyp festgehalten. Ein weiteres Ergebnis war, dass Einstellungsbedeutungen nur dann nicht-wahrheitsrelevanten Status haben, wenn sie auf der Basis von Verweisen auf Kontexteinheiten zustande kommen. Es wurde vorgeschlagen, nicht-wahrheitsrelevante Einstellungsbedeutungen auf der SF-Ebene durch eine Zuordnung von Variablen zu einer Menge Κ aller im Kontext zugänglichen Annahmen zu repräsentieren. Unter Voraussetzung der Hypothese, dass auch MPn generell auf im Kontext zugängliche Einheiten verweisen, wurde dann dafür plädiert, sie zu den Einstellungsausdrücken zu zählen. Hinsichtlich der Frage, ob MPn Illokutionstypmodifizierer sind, wurde festgestellt, dass die Modifikation von Illokutionstypen als eine potentielle pragmatische Funktion der MPn zu betrachten ist, so dass sich diese nicht zur Charakterisierung der Klasse als solcher eignet. Als Konsequenz für das Vorgehen in dieser Arbeit ergibt sich aus den Thesen zur einstellungsbezogenen Bedeutung von MPn, dass festgestellt werden muss, ob auf Kontexteinheiten verweisende Bedeutungsanteile aus dem synchronen oder diachronen Bedeutungsspektrum ableitbar sind und ihre Aufnahme in die SF dadurch gerechtfertigt werden kann.

1.2. Die Syntax von Modalpartikeln

In diesem Kapitel möchte ich einen knappen Überblick über die bisherige Behandlung der MP-Syntax in der Literatur geben. Der Schwerpunkt soll auf den für Fragen der Grammatikalisierung wesentlichen Aspekten liegen.

1.2.1. Syntaktische Eigenschaften von Modalpartikeln Lange Zeit beschränkte man sich in der MP-Literatur darauf, die syntaktischen Eigenschaften von MPn rein deskriptiv als Listen von Merkmalen anzugeben. Dabei wurden v.a. die folgenden Punkte angeführt (vgl. Heibig 1988 sowie Thurmair 1989:37):

27 a. b. c. d. e. f. g. h. i. j.

MPn sind unflektierbar, sie sind unbetonbar, sie können nicht im Vorfeld stehen, sie treten stattdessen ausschließlich im Mittelfeld auf, sie stehen im Mittelfeld vor dem Rhema, sie sind nicht erfragbar, sie sind nicht negierbar, sie sind untereinander kombinierbar, sie sind fakultativ, ihre Distribution ist satztypabhängig.

Im Anschluss an Meibauer (1994:30) kann dieser Liste noch (k), im Anschluss an Reis (1992:19) (1) hinzugefügt werden: k. 1.

MPn sind nicht koordinierbar, sie sind nicht modifizier- oder erweiterbar.32

Als weiteres charakteristisches Merkmal kann m.E. außerdem noch das folgende genannt werden: m.

unbetonte MPn stehen vor, betonte MPn i.d.R. nach Satzadverbien.

Im Folgenden möchte ich auf (a)-(m) etwas näher eingehen und diskutieren, inwiefern die Postulierung der einzelnen Kriterien gerechtfertigt ist. Punkt (a), dass MPn generell nicht flektierbar sind, ist offensichtlich und verbindet sie mit allen anderen Partikeln, einschließlich der Konjunktionen und Präpositionen. Er ist als Abgrenzungskriterium für die MPn daher nur bedingt geeignet. Die Kriterien (b), (c) und (d) können in dieser Absolutheit inzwischen nicht mehr als richtig angesehen werden: Dass einige Modalpartikeln auch betont auftreten, haben sowohl Meibauer (1994) als auch Ormelius-Sandblom (1997) überzeugend gezeigt. Darauf, dass sie entgegen (c) in seltenen Fällen zwar nicht allein, aber zusammen mit einer w-Phrase im Vorfeld auftreten wie z.B. in (74), wurde erstmals in Meibauer (1986:114), im Anschluss daran auch in BRRZ (1992:75f.), Meibauer (1994:31) und Ormelius-Sandblom (1997:33) hingewiesen. (74) Wer bloß hat sich das ausgedacht? Allein können MPn aber dennoch ausschließlich im Mittelfeld stehen, so dass (d) von solchen Daten nicht wirklich in Frage gestellt wird. 33 Da es sich dabei gleichzeitig um die einzige syntaktische Eigenschaft handelt, die die MPn nicht in irgendeiner Form mit anderen Elementen teilen, handelt es sich gleichzeitig um das wichtigste Abgrenzungskriterium für die Klasse der MPn. Das Kriterium der Mittelfeldstellung wurde teilweise auf die Stellung in der sog. Wackernagel-Position direkt hinter dem finiten Verb spezifiziert. Dagegen, hier-

32 33

Im Sinne der X-bar-Theorie. Vgl. zu scheinbaren Auftreten von halt und eben im Nachfeld Kapitel 2.6.

28 bei von der Normalposition der MPn auszugehen, spricht allerdings nach Abraham (1988:456), dass unbetonte Personalpronomen die MPn aus dieser Position verdrängen. 34 (75) a. b.

Max hat halt Nathalie getroffen, Max hat sie halt getroffen.

Für die Beschreibung von diachron auftretenden Oberflächenstrukturen ist dieses Charakteristikum jedoch unter Mitberücksichtigung des Hinweises von Abraham sehr gut geeignet, weshalb ich bei der Auswertung der historischen Daten darauf zurückgreifen werde. Wesentlich für die Argumentation in Kapitel 2 ist außerdem, dass Satzadverbien im Unterschied zu MPn allein im Vorfeld stehen können, Grad- und Steigerungspartikeln (StPn) zusammen mit ihren jeweiligen Bezugskonstituenten, d.h. in ersterem Fall gewöhnlich einer NP, im letzteren einer Adjektiv- oder Adverbialphrase. (76) Leider/Glücklicherweise/Vermutlich hat sich das Nathalie ausgedacht. (77) Nur/auch/gerade Nathalie hat sich das ausgedacht. (78) Sehr/besonders/ungemein gut hat Max das gemacht!

Daneben können (Satz-) Adverbien und skalare GPn in bestimmten Kontexten auch anders als die MPn mit beliebigen Elementen der VP ins Vorfeld treten. 35 Bei den skalaren GPn kann dabei im Vergleich zu den Standardfällen von erweitertem Skopus ausgegangen werden. (79) Leider/Vermutlich/Wahrscheinlich mal wieder den schwächsten hat es getroffen. (80) Ganz schnell versteckt hat sie sich. (81) Heimlich davonstehlen mussten wir uns. (82) Sogar freundlich begrüßt hat sie mich! (83) Sogar was Leckeres zu Essen gekocht hat er! (84) a. Es hat ja mal wieder den schwächsten getroffen, b. *Ja mal wieder den schwächsten hat es getroffen. (85) a. Sie hat sich ja schnell versteckt, b. *Ja schnell versteckt hat sie sich. (86) a. Wir mussten uns ja davonstehlen, b. *Ja davonstehlen mussten wir uns.

Bei (e) handelt es sich um ein weiteres Kriterium, das inzwischen nicht mehr akzeptiert werden kann. Es lassen sich Gegenbeispiele wie (87) und (88) finden, die zeigen, dass MPn durchaus auch nach dem Rhema auftreten können. 36 (87) A: Wer hat sich ein Fahrrad gekauft? B: PETER hat sich doch ein Fahrrad gekauft.

34 35 36

Vgl. zur Analyse von MPn als VP-Adjunkte Kapitel 1.2.2. Vgl. zur komplexen Vorfeldbesetzung in Verbindung mit Adverbien auch Frey/Pittner (1998:507). Diese Vermutung geht v.a. auf Kriwonossow (1977:300) zurück, vgl. auch Thurmair (1989) und Hentschel (1986).

29 (Thurmair 1989:31; Kursivierung T.A.) (88) A: Hans ist trotz eines Kilos Heroin im Koffer freigesprochen worden. B: Da muss er schon dem Staatsanwalt eine schöne Geschichte erzählt haben. (nach Ormelius-Sandblom 1994:112)

Meibauer (1994:86) modifiziert die Rhema-These im Anschluss an BRRZ (1992:75) insofern, als er annimmt, dass in der D-Struktur Fokusexponenten immer rechts von MPn stehen. Ormelius-Sandblom (1994) geht noch einen Schritt weiter. Sie stellt fest, dass MPn die Fokus-Hintergrund-Gliederung nicht beeinflussen können und auch keinerlei Einfluss auf die Thema-Rhema Gliederung haben. 37 Ein solcher Eindruck entsteht, wie sie zeigt, nur dadurch, dass MPn eine feste Position am Anfang der VP haben (vgl. hierzu 1.2.2.), über die gescrambelte Phrasen hinwegbewegt werden müssen. Auf diese Weise werden nach Ormelius-Sandblom (ebd.: 109) Bewegungen aus der Fokusdomäne heraus sichtbar, die »ihrerseits Folgen für die FHG haben können«. Dass die Abfolge [Thema-MP-Rhema] dennoch sehr häufig ist, muss demnach als Folge einer Interaktion zwischen der (grammatischen) Fokus-Hintergrund-Gliederung und der (pragmatischen) Thema-Rhema-Gliederung angesehen werden. Auf Punkt (f) die Nicht-Negierbarkeit von MPn wurde bereits oben ausführlich eingegegangen und gezeigt, dass sie aus dem nicht-wahrheitsrelevanten bzw. nicht-propositionalen Status der MPn resultiert. Letzteres gilt auch für (g), das Kriterium der Nicht-Erfragbarkeit der MPn, das sie ebenfalls mit den nicht-wahrheitsrelevanten Satzadverbien teilen. (89) A: Wie ist Peter nach Hause gekommen? B: *Leider/ja/halt/eben.

Mit Kriterium (h), der Kombinierbarkeit von MPn, hat sich Thurmair (1989) intensiv auseinandergesetzt. Dass die Zahl der gleichzeitig in einem Satz verwendbaren MPn fast unbegrenzt zu sein scheint, zeigen Beispiele wie das folgende (von mir konstruierte): (90) Das ist ja denn doch wohl eigentlich nicht mehr zu ertragen.

Im Normalfall scheinen die Mehrfachkombinationen jedoch auf drei bis vier MPn begrenzt zu bleiben, wie das Belegmaterial von Thurmair deutlich macht (vgl.ebd.:283ff.). Thurmair befasst sich v.a. mit den Abfolgeregularitäten, die für die MPn untereinander gelten. Worauf diese letztendlich zurückzuführen sind, ist bislang noch nicht völlig geklärt. Allem Anschein nach sind die Ursachen dafür aber semantischer und nicht syntaktischer Natur. 38 Teilweise

37

38

MPn nehmen nach Ormelius-Sandblom (1994:115) außerdem selbst nicht an der Thema-RhemaGliederung teil. Dies ergibt sich daraus, dass sie aufgrund ihrer Nicht-Referentialität grundsätzlich nicht thematisch sein können. Thurmair (1989:288) nimmt u.a. an, dass jeweils die MP mit der unspezifischsten Bedeutung an erster Stelle in einer Kombination steht. Ormelius-Sandblom (1997:94) wendet dagegen jedoch ein, dass dadurch Fälle, in denen zwei MPn »gleich stark« sind, wie ihrer Analyse entsprechend z.B. ja und doch, nicht erfasst werden können.

30 ergeben sich auch Kombinationsverbote daraus, dass sich die Bandbreite der Satztypen, mit denen die jeweiligen MPn (aufgrund ihrer Bedeutung) kompatibel sind, nicht überschneidet. Punkt (i), die Fakultativität, ist bei MPn einerseits als semantisches, andererseits aber auch als syntaktisches Kriterium anzusehen. Auch hier lassen sich allerdings Gegenbeispiele anführen, nämlich die obligatorische Verwendung von MPn in sog. Wunschsätzen wie (91) und (92). (91) (92)

Wäre es doch schon morgen! Wenn es bloß/nur aufhören würde zu regnen!

Wichtig ist dabei, v.a. für Fragen der Behandlung der MPn im Rahmen der Grammatikalisierungstheorie, ob es sich um syntaktische oder semantische Obligatorizität handelt. Ich möchte für Letzteres plädieren, da die Sätze ohne MPn m.E. nicht ungrammatisch sind, sondern nur eine andere Bedeutung haben, nämlich die von Bedingungssätzen. Sie sind in dieser Bedeutung als selbstständige Nebensätze unangemessen, da sie aufgrund ihrer Semantik einen Hauptsatz, der die zugehörige Folge angibt, notwendig fordern. In Bezug auf (j), die Satztypabhängigkeit von MPn, stellt sich m.E. die Frage, ob diese eher als semantisches oder als syntaktisches Phänomen einzustufen ist. Mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann m.E., dass die Restriktionen pragmatisch begründet sind. So können z.B. MPn, die in Interrogativsätzen unakzeptabel sind, dennoch in assertiven Fragen gebraucht werden. Umgekehrt sind diejenigen MPn, die ausschließlich in Interrogativsätzen verwendet werden können, nicht gleichermaßen in assertiven Fragen möglich. (93) (94) (95) (96)

*Kommst du doch morgen um zehn? Du kommst doch morgen um zehn? Kommst du denn/eigentlich morgen um zehn? *Du kommst denn/eigentlich morgen um zehn?

Dafür, dass die Restriktionen auf der semantischen Ebene verursacht werden, spricht das Verhalten in eingebetteten Nebensätzen. (97) (98) (99) (100)

Ich möchte wissen, ob du eigentlich/*denn morgen kommst. Peter fragte sich plötzlich, ob es die Leute eigentlich/denn wirklich alle so eilig hatten. Ich möchte wissen, wann du eigentlich/*denn/denn nun morgen kommst. Ich weiß, warum es die Leute *denn/*eigentlich alle so eilig haben.

Offensichtlich sind die Restriktionen nicht syntaktischer Natur, sonst müssten sich die MPn in allen eingebetteten Nebensätzen gleich verhalten. Auch die Kompatibilität mit dem Satzmodus scheint nicht allein ausschlaggebend zu sein, da die selben MPn in den beiden unterschiedlichen eingebetteten w- bzw. E-Interrogativsätzen nicht gleich angemessen sind. 39 Stattdessen scheint die Akzeptabilität davon abhängig zu sein, inwiefern Satzmodusbedeutung sowie der propositionale Gehalt des Matrix- und des eingebetteten Satzes mit der

39

Vgl. zum Satzmodus von eingebetteten Nebensätzen BRRZ (1992).

31 MP-Bedeutung vereinbar sind.40 Nur so sind m.E. die subtilen Unterschiede in der Grammatikalität der Sätze erklärbar. Obwohl die MPn sehr häufig kombiniert auftreten, sind sie gemäß (k) nicht koordinierbar. Dies unterscheidet sie von ebenfalls nicht-propositionalen Elementen wie den evaluativen Satzadverbien, die zumindest in bestimmten Kontexten durch disjunktive Konjunktionen verknüpft werden können. Es handelt sich dabei also um ein wesentliches Abgrenzungskriterium, auf das ich im Rahmen der Untersuchung von einfach, schlicht und glatt zurückgreifen werde. (101) (102)

*Peter hat ja und/oder doch/eigentlich/halt sein Examen bestanden. Peter hat leider oder glücklicherweise sein Examen bestanden - wie man's nimmt!

Punkt (1) ist ein wesentliches Kriterium für die Frage, welcher Status den MPn im Rahmen der X-bar-Theorie zugeschrieben werden kann (vgl. unten). Die Eigenschaft, nicht erweiterbar oder modifizierbar zu sein, teilen die MPn mit den Gradpartikeln. (103)

* Sehr/Vollkommen auch Peter hat geheiratet.

Zu (m) ist festzustellen, dass die Abfolge MP-Satzadverb nicht frei ist. Als Grundregel gilt, dass unbetonte MPn in der Regel vor, betonte MPn dagegen gewöhnlich nach Satzadverbien stehen. (104)

a. Peter wird halt leider erst morgen anrufen, b. ??Peter wird leider halt erst morgen anrufen.

(105)

a. Peter wird leider DOCH erst morgen anrufen, b. "Peter wird DOCH leider erst morgen anrufen.

Allerdings gibt es hier Ausnahmen. So steht beispielsweise die unbetonte MP schon ebenfalls nach Satzadverbien.41 (106)

a. Peter wird das wahrscheinlich schon schaffen, b. *Peter wird das schon wahrscheinlich schaffen.

Ormelius-Sandblom (1997:47) geht davon aus, dass die Abfolgeregularitäten zwischen MPn und Satzadverbien v.a. semantisch (und indirekt pragmatisch) begründet sind. Ihrer Auffassung nach ist völlig unklar, welche syntaktischen Regeln für die Festlegung der Abfolge herangezogen werden könnten. Ich schließe mich dieser Sicht an.

40

Ormelius-Sandblom (1997) geht dagegen bezüglich der von ihr untersuchten MPn davon aus, dass die eingeschränkte Satztypdistribution ausschließlich auf die notwendige Kompatibiltität von MPund Satzmodusbedeutung zurückzuführen ist.

41

Vgl. Ormelius (1993:154f.), Ormelius-Sandblom (1997:47).

32 1.2.2. Analysen im Rahmen der generativen Grammatik Eine Behandlung der MP-Syntax im Rahmen der generativen Grammatik wurde lange Zeit unterlassen. Dies ist wohl v.a. darauf zurückzuführen, dass MPn »aus dem X-bar-Schema herauszufallen« scheinen (vgl. Reis 1992a: 19), da sie einerseits keine Phrasen sind, andererseits aber auch nicht projizieren. Darüber hinaus macht sie ihre Fakultativität für eine Theorie der Syntax relativ uninteressant, so dass sich die generative Grammatik mit MPn ebenso wie mit anderen »Nebenwortarten« im allgemeinen nur wenig auseinandergesetzt hat. Erst in neueren Arbeiten wurde eine generative Einordnung der MPn versucht. Ich möchte im Folgenden kurz die Lösungen von Abraham (1991a), BRRZ (1992), Haider (1993), Meibauer (1994) und Ormelius-Sandblom (1997) vorstellen. Angesichts der Tatsache, dass MPn nicht projizierende lexikalische Elemente sind, ist eine zentrale Frage, welchen Status man ihnen im Rahmen der X-bar-Theorie zuschreiben will. Diskutiert wird insbesondere, ob sie als funktionale Köpfe oder als XPs zu beschreiben sind. 42 Eine Analyse der MPn als Köpfe hätte den großen Vorteil, dass so erklärt werden könnte, weshalb sie nicht allein im Vorfeld auftreten. Nach Ormelius-Sandblom (ebd.:39) können MPn aber insbesondere deshalb keine Köpfe sein, weil sie sich, wenn sie zusammen mit w-Phrasen im Vorfeld auftreten, dabei scheinbar an die gesamte w-Phrase anlehnen können. Sie erklärt die Nicht-Vorfeldfähigkeit von MPn stattdessen unabhängig von ihrem syntaktischen Status dadurch, dass sie aufgrund ihrer Nicht-Referentialität typische Vorfeldfunktionen wie z.B. die Wiederaufnahme thematischer Elemente nicht ausüben können (ebd.:43). 43 Ein weiteres Gegenargument ist, dass MPn nicht projizieren. Als mögliche Lösung diskutieren deshalb sowohl Meibauer (ebd.:54) als auch Ormelius-Sandblom (ebd.:40) die Alternative, sie als kleine funktionale Köpfe im Sinne von Rothstein (1991) zu analysieren. Solche kleinen funktionalen Köpfe sind nach Rothstein die englischen Konjunktionen and und or sowie die Intensivierungspartikel too. Sie unterscheiden sich von funktionalen Köpfen wie DET und INFL dadurch, dass sie keine Theta-Positionen in den Theta-Rastern ihrer Komplemente binden und keine Kategoriemerkmale projizieren. Sie subkategorisieren aber Komplemente, wobei im Falle der MPn VP als Komplement in Frage käme. Anders als die von Rothstein aufgeführten Konjunktionen, die Konstituenten gleicher Kategorie subkategorisieren, haben MPn aber nach Meibauer (ebd.) keinen strukturbestimmenden Charakter. Ormelius-Sandblom (ebd.) gibt hier zwar zu bedenken, dass die MPn ähnlich wie too mit verschiedenen syntaktischen Kategorien verbunden sein könnten (mit VPs und DPs mit dem Merkmal [+w]). Letztendlich hält sie diese Lösung aber für unattraktiv, da anders als bei too kein gemeinsamer semantischer Nenner erkennbar ist. Ihr Hauptargument gegen eine Analyse im Sinne von Rothstein ist aber, dass MPn, die im Vorfeld zusammen mit einer w-Phrase auftreten, in SpecS stehen müssen und deshalb keine funktionalen Köpfe sein können.

42

Vgl. zu der von Reis (1992) vertretenen These, dass MPn Klitika sind, die Kritik von Meibauer (1994) sowie Ormelius-Sandblom (1997).

43

Haider (1993:177, FN 56) verweist hier auf das Verhalten von Reflexiva. Während inhärente Reflexiva genau wie MPn nicht vorfeldfähig sind, gilt dies für anaphorische Reflexiva nicht, so dass nach Haider die Kategorie nicht als Ursache für das Verhalten gelten kann. Demnach müsse es zusätzliche Gründe geben, die die Topikalisierung unterbinden.

33 Die Annahme, dass es sich bei den MPn um XPs handelt, ist dagegen mit dem Problem behaftet, dass es sich dabei um lexikalische Elemente handelt, sie also eigentlich als X°Elemente analysiert werden müssten (vgl. Meibauer ebd.:55). Als Lösung schlägt er in Anlehnung an Grewendorf/Hamm/Sternefeld (1987:204) vor, MPn den Status sog. Modifizierer zuzuschreiben, die die Eigenschaft hätten, gleichzeitig maximal und minimal zu sein. Als solche könnten z.B. auch die Gradpartikeln und Steigerungspartikeln eingestuft werden. Das Konzept des Modifizierers erlaubt es nach Meibauer (ebd.), MPn als »in gewissem Sinne maximal« zu betrachten, obwohl sie lexikalische Elemente sind. Gleichzeitig besteht für ihn jedoch hierbei das Problem, dass MPn »auf keinen Fall« als XPs betrachtet werden dürfen, da sie nicht projizieren und nicht allein im Vorfeld stehen können. Dem hält Ormelius-Sandblom (ebd.:42) das Grundprinzip entgegen, dass jeder Nicht-Kopf eine Phrase ist, was einen Zwischenstatus zwischen Maximalität und Minimalität nicht zulässt. 44 Es zeigt sich m.E., dass das oben angesprochene Dilemma, dass MPn aus dem X-barSchema herauszufallen scheinen, nur schwer auflösbar ist. Die Lösung von Ormelius-Sandblom erscheint mir angesichts dessen als am wenigsten unattraktiv, da sie am stärksten regelgeleitet ist. Ich möchte mich deshalb ihrer Auffassung anschließen und gehe davon aus, dass MPn XPs sind. Abraham (1991a:240-242) geht von einer flexiblen Basisgenerierung von MPn in allen Positionen, in denen sie auftreten können, aus. Dementsprechend kann eine MP an V', VP oder IP adjungiert sein. Er stellt fest, dass die Bandbreite der Stellungsmöglichkeiten von MPn mit denen von Adverbien und Präpositonalphrasen übereinstimmen, allerdings mit der Ausnahme, dass MPn keine »landing site« im Vor- und Nachfeld haben (ebd.:242). Gegen die Annahme einer flexiblen Basisgenerierung kann nach Ormelius (1993:156, 1997:88) sowie Ormelius-Sandblom (1997:43) eingewendet werden, dass sie ad ftoc-Charakter hat, da unklar ist, weshalb MPn nicht wie andere Elemente des Satzes den »normalen« Stellungsregularitäten unterliegen sollen. 45 Sowohl BRRZ (1992), Haider (1993) als auch Meibauer (1994) und Ormelius-Sandblom (1997) gehen dagegen von einer Adjunktionsposition an VP für MPn aus. Gegen eine Bewegungsanalyse sprechen einerseits - wenn man von Bewegung tiefer in die VP hinein ausgeht - bindungstheoretische Gründe, da die bewegte Phrase ihre Spur nicht c-kommandieren würde, andererseits - wenn man von einer tiefer als die MP liegenden Position ausgehen wollte - , dass eine in der S-Struktur markierte Position als Basisposition angenommen werden müsste. 46 ' 47 Ich möchte mich deshalb dieser Auffassung anschließen.

44 45

46 47

Vgl. z.B. Chomsky (1995:242), Stechow/Sternefeld (1988:126). Vgl. außerdem Meibauer (1994:81), der daraufhinweist, dass eine flexible Basisgenerierung eine Bezugnahme der MPn auf IP, VP und V' voraussetzen würde. Unter Zugrundelegung der Struktur von Haider (1993) (vgl. unten) entsteht dieses Problem nicht. Vgl. Ormelius 1993:156, 1997:89ff; Ormelius-Sandblom 1997:44. Ein weiteres Argument gegen eine höher gelegene Basisposition liefert Meibauer (1994:81) auf der Basis der von Haider (1993:177) vorgestellten Daten, die zeigen, dass indefinite w-Phrasen sich im Mittelfeld anders als definite NPs verhalten. Vgl. (i) a. dass hier ja wohl der Meister die bessere Lösung nicht verworfen haben könnte b. dass hier der Meister ja wohl die bessere Lösung nicht verworfen haben könnte c. dass hier der Meister die bessere Lösung ja wohl nicht verworfen haben könnte

34 In den vier Arbeiten werden unterschiedliche syntaktische Modelle bei die Analysen in Bezug auf die festgelegte Adjunktionsposition für stimmen. Haider (ebd.: 176) versucht der Komplexität des Mittelfelds ner Schalenstruktur gerecht zu werden. Er geht von folgender Struktur (107)

zugrunde gelegt, woM P n jedoch übereindurch das Modell eiaus:

[WP[VP ... XPj... [P[VP[... e i ... V]]

Dabei ist die innerste Schale das Resultat der Projektion der Argumentstruktur. Diese ist eingebettet in eine zweite Schale, die die Scrambling-Positionen enthält. Die deutlichste Evidenz für die Abgrenzung einer solchen Schale sind nach Haider (ebd.: 177) gerade die M P n . Ihre Position ist im Modell durch die mit »P« ausgezeichnete Stelle wiedergegeben. D i e dritte Schale ist durch das syntaktische Verhalten der unbetonten Pronomina in der sog. Wackernagel-Position (»WP«) begründet. Ormelius-Sandblom (1997:37) unterscheidet zwei funktionale Projektionen, und zwar eine »Sentence type Phrase« (SP), die die Satztypmerkmale trägt und in selbstständigen ebenso wie in eingebetteten Sätzen vorzufinden ist, und eine »Modusphrase« (MoodP), wobei sich »mood« nicht auf den Satz-, sondern auf den Verbmodus bezieht. Die Adjunktsposition für M P n befindet sich am oberen Ende der VP.

SP Λ

SpecS

S' Λ



MoodP Λ

SpecMood

Mood' Λ

Mood

0

VP Λ

[MP]

VP Λ v°

(ii) a. dass hier ja wohl wer was nicht kapiert haben könnte b. ??dass hier wer ja wohl was nicht kapiert haben könnte c. ??dass hier wer was ja wohl nicht kapiert haben könnte Die Unangemessenheit von (ii b-c) kann am besten dadurch erklärt werden, dass w-Indefinita sich dem Scrambling widersetzen. Daraus ergibt sich aber auch, dass die MP-Basisposition oberhalb des Subjekts liegen muss.

35 Meibauer (ebd.:73) übernimmt das in BRRZ (1992) entwickelte Satzstrukturmodell 48 sowie die von den Autorinnen vorgeschlagene MP-Position direkt nach 1°, d.h. ebenfalls am Beginn der VP. Im Fall eines Verb-zweit-Deklarativsatzes ergibt sich folgende Struktur:

IP

Λ I1

Specl

Λ 1°

VP

Λ [MP]

VP

A SpecV

V1

A v° In beiden Ansätzen wird davon ausgegangen, dass die MPn Skopus über die gesamte Proposition haben. Sowohl Meibauer (ebd.:Kap.2) als auch Ormelius-Sandblom (ebd.:Kap.4) nehmen an, dass MPn eine eigenständige Wortart bilden. Diese Auffassung steht im Kontrast zu der von Thurmair (1989:8) sowie Oppenrieder/Thurmair (1989:26) vertretenen Ansicht, dass es sich bei den MPn nur um einen spezifischen Funktionstypus handelt, den man der übergeordneten Wortart »Partikeln« zuordnen muss. Das entspricht der in traditionellen Grammatiken üblicherweise vorgenommenen Unterscheidung einer »Klasse der Unflektierbaren«. Fraglich ist aber, ob diese Gruppe auch als Wortart angesehen werden kann, denn aufgrund ihrer morphologischen Unveränderlichkeit zählen dazu sowohl Konjunktionen als auch Präpositionen, Adverbien, Gradpartikeln, Steigerungspartikeln und Antwortpartikeln. Es erscheint mir aber völlig unmöglich, eine Wortart so zu definieren, dass sie die unterschiedlichen syntaktischen Eigenschaften all dieser Partikelklassen gleichzeitig erfassen kann. 49 Ein wesentliches Argument dafür, MPn als eine bloße Funktionsklasse anzusehen, liegt für Thurmair (ebd.:9) darin, dass auf diese Weise die Polyfunktionalität einfacher erklärbar sei. Wie Meibauer (1994:24) zeigt, macht dies jedoch ein Vergleich von MPn, deren Heteroseme einer potentiellen Wortart »Partikeln« zuzuordnen sind, mit solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, unplausibel. So kann die Beziehung zwischen der MP doch und der Konjunktion doch keinesfalls leichter erklärt werden, als die zwischen der MP ruhig und dem Adjektiv ruhig.

48

49

Dieses basiert auf der sog. hybriden Differenzhypothese, die zwischen Verb-erst und Verb-zweitSatz einerseits und Verb-letzt-Satz andererseits insofern unterscheidet, als die ersten beiden Satztypen als reine I-Projektionen analysiert werden, letzterer dagegen als »unifizierte funktionale C/IProjektion (vgl. BRRZ 1992:25). Ebensowenig wie sich für eine Wortart der »Flektierbaren« vernünftig argumentieren ließe.

36 Meibauer (1994) versucht eine Abgrenzung der Kategorie MPn im Sinne der generativen Grammatik. Dies fällt jedoch insofern schwer, als die für die Definition der Hauptwortarten verwendeten Merkmale [+/-N] und [+/-V] nach Meibauer (ebd.:51) nicht ausreichen, um die Eigenschaften der »kleinen Wortarten« zu erfassen und voneinander abzugrenzen. In Anlehnung an Muysken (1983) plädiert er deshalb für eine Erweiterung durch die Merkmale [+/- maximal] und [+/- Projektion]. Für die übergreifende Klasse der Partikeln schlägt er die folgende Kombination vor: (108)

Prt [-N, -V, -proj, +max]

Für die Abgrenzung der einzelnen Partikel-Subkategorien werden aber weitere Merkmale benötigt. Deshalb gibt Meibauer (ebd.) für den Bereich der MPn, GPn und Satzadverbien die in (109) angeführten Merkmalsmengen an: (109)

a. MP [α,β, +S, -adv] b. GP laß, -S, -adv] c. SAdv [α,β, +S, +adv] wobei a —»[-N, -V] β —» [- proj, +max]

Das Merkmal [+S] steht für Satzskopus bzw. Skopus über die höchste CP, 50 [-S] entsprechend für Bezugnahme auf Nicht-S-Konstituenten. Das Merkmal [+/-adv] trägt der alleinigen Vorfeldfähigkeit Rechnung, die im Bereich der Partikeln ausschließlich bei den Adverbien vorliegt. Die in (109) aufgeführten Merkmale erlauben die Bildung sog. natürlicher Klassen auf der Basis geteilter bzw. nicht geteilter Merkmale auch für die »Nebenwortarten«. Es ließe sich nach Meibauer (ebd.:52) für folgende natürliche Klassen plädieren 51 : (110)

a. [+S] = {MP, SAdv} b. [-S] = {GP} c. [-adv] = {MP, GP} d. [+adv] = {SAdv]

In der natürlichen Klassenbildung sieht Meibauer (ebd.:52) ein Erklärungsmuster für Heterosemie. Demzufolge können nur solche Kategorien Heterosemierelationen herausbilden, die auch natürliche Klassen sind. Auf diese Weise könnte z.B. die potentielle Heterosemie von MPn und Satzadverbien erklärt werden, die aufgrund des gemeinsamen Merkmals [+S] eine natürliche Klasse bilden. Die Tatsache, dass zwischen Satzadverbien und GPn dagegen keine Heterosemie möglich ist, wird dann dadurch erklärbar, dass sie eine unnatürliche Klasse bilden. Dies halte ich aber in mehrfacher Hinsicht für problematisch. Erstens scheinen mir Fälle von Heterosemie zwischen MPn und Satzadverbien eher selten zu sein, das einzige Beispiel ist, soweit ich sehen kann, vielleicht. Zweitens genügt nach Meibauer ein einziges gemeinsames Merkmal, in diesem Fall [+S] für die Bildung einer natürlichen Klas-

50 51

Vgl. hierzu Meibauer (1994:52, FN 40). Die Merkmale α und β sind jeweils hinzuzufügen.

37 se. Da aber gemäß (109) alle Partikelklassen die Merkmale [-N, -V] und [-proj, +max] 52 besitzen, bilden sie im Sinne von Meibauer auch alle natürliche Klassen. Heterosemie zwischen GPn und Satzadverbien kann damit also nicht ausgeschlossen werden. Drittens weist Meibauer selbst auf das Problem hin, dass gemäß seiner Klassifizierung auch {A, MP} eine unnatürliche Klasse bilden würden. 53 Dies ist v.a. in Hinblick auf die vorliegende Arbeit von Interesse, da hier in allen untersuchten Fällen Heteroseme als Adjektive vorliegen. Meibauer (ebd.:FN 41) vermutet, dass die Entwicklung in solchen Fällen über das Adverb verläuft, da Unflektierbarkeit eine Voraussetzung für MP-Status ist. Auch bei {Adv, MP} ist aber m.E. fraglich, ob eine natürliche Klasse vorliegt, da Adverbien nicht generell Satzskopus haben, also [+S] auch hier nicht als gemeinsames Merkmal in Frage kommt. Die These, dass die Entwicklung vom Adjektiv zur MP über das Adverb geht, kann darüber hinaus, wie ich in Kapitel 3 zeigen möchte, durch die von mir untersuchten Daten nicht bestätigt werden.

1.2.3. Zusammenfassung In den letzten beiden Abschnitten wurden zunächst häufig in der MP-Literatur aufgeführte grammatische Merkmale von MPn einer kritischen Betrachtung unterzogen. Dabei ergab sich, dass die Annahme, dass MPn generell unbetonbar sind, nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Außerdem wurde deutlich, dass das Kriterium der ausschließlichen Stellung im Mittelfeld insofern modifiziert werden muss, als MPn zumindest zusammen mit wPhrasen auch ins Vorfeld treten können. Als ebenfalls nicht haltbar hat sich die Vermutung erwiesen, dass MPn im Mittelfeld grundsätzlich vor dem Rhema stehen. Außerdem wurde zu zeigen versucht, dass das Kriterium der Satztypabhängigkeit von MPn relativiert werden muss, da bei den auftretenden Restriktionen auch allgemeine semantische Faktoren eine Rolle spielen. Daneben wurde auf Stellungskriterien hingewiesen, die für die empirische Untersuchung in dieser Arbeit wesentlich sind, da sie die MPn von den Satzadverbien, GPn und StPn abgrenzen. Dabei handelt es sich um: a. die alleinige Stellung im Vorfeld (Satzadverbien), b. die Stellung mit Bezugskonstituente im Vorfeld (GPn und StPn) und c. die Stellung im Vorfeld mit Teilen der VP (Satzadverbien, skalare GPn). Im Anschluss daran wurden Ansätze zur Betrachtung der MPn im Rahmen der generativen Grammatik vergleichend diskutiert. Ich habe mich der Auffassung angeschlosssen, dass MPn an VP adjungierte XPs sind. Außerdem wurde dafür argumentiert, dass MPn eine eigene Wortart bilden. Für Letzteres soll die diachrone Untersuchung von eben, halt, e(cher)t, einfach, schlicht und glatt weitere Argumente liefern.

52 53

Dort als α und β wiedergegeben. Vgl. Meibauer (1994:52, FN 41).

38 1.3.

Grammatikalisierung

Unter Grammatikalisierung versteht man im Allgemeinen die Entwicklung eines (relativ) autonomen lexikalischen Elements zu einem (stärker) grammatischen Element, im typischen Fall einem gebundenen Morphem. Meillet (1912:131), der den Begriff zuerst verwendet hat, spricht von »l'attribution du caractere grammatical ä un mot jadis autonome« und bei Kurylowicz (1965:69) findet sich die Definition »Grammaticalization consists in the increase of the range of a morpheme advancing from a lexical to a grammatical or from a less grammatical to a more grammatical status, e.g. from a derivative formant to an inflectional one.«

Dieser Prozess geht charakteristischerweise mit Desemantisierung des betroffenen Elements einher, d.h. einem Verlust an lexikalischer Bedeutung zugunsten einer stärker »grammatischen« Bedeutung, d.h. der Bedeutung, die der syntaktische Funktionstyp, in den das entsprechende Element »hineingrammatikalisiert« wurde, generell zum Ausdruck bringt, wie z.B. »Futur« durch entsprechende Flexionsmorpheme. Grammatikalisierung hat außerdem, wie Lehmann (1985) betont, diachrone und synchrone Aspekte, da sie einerseits historischen Wandel erklärt, andererseits aber auch ein Erklärungsmuster für synchrone sprachliche Varietät liefert. Ich möchte im folgenden Abschnitt zeigen, welche grundlegenden sprachlichen Veränderungen mit Grammatikalisierung in Verbindung gebracht werden und welche Faktoren sie beeinflussen. Dabei muss auch gefragt werden, inwieweit der Begriff Grammatikalisierung auf den Bereich der MPn überhaupt anwendbar ist.

1.3.1. Grammatikalisierungstheorie und ihre Anwendbarkeit auf die Modalpartikeln Auf die Phänomene, die heute unter dem Stichwort Grammatikalisierung behandelt werden, wurde man in der Sprachwissenschaft schon sehr früh aufmerksam. Heine/Claudi/Hünnemeyer (1991:5) sehen beispielsweise die Vorläufer der Grammatikalisierungstheorie bereits im 18. Jahrhundert bei Bonnot, Condillac und Rousseau. Im 19. Jahrhundert haben sich Schlegel und Humboldt mit Fragen des syntaktischen Wandels auseinandergesetzt. Ein ausführlicher Überblick über solche frühen Arbeiten findet sich in Heine/Claudi/Hünnemeyer (1991:5-11) sowie in Lehmann (1982:1-8). In der aktuellen Literatur lassen sich m.E. zwei Aspekte unterscheiden: Erstens die eher deskriptive Seite der Grammatikalisierungstheorie, d.h. die Herausarbeitung und Beschreibung der regelhaft mit Grammatikalisierungsprozessen verbundenen Vorgänge. Zweitens die eher analytische Seite, d.h. der Versuch, die sprachlichen Veränderungen durch Faktoren wie den Einfluss kognitiver Prozesse zu erklären. Da sich die Grammatikalisierungstheorie im Gegensatz zur generativen Grammatik nicht mit Syntax in einem »statischen« Zustand 54 , sondern unter dem Aspekt des Entstehens syntaktischer Strukturen oder Formen

54

Vgl. Claudi/Heine/Hünnemeyer (1991:11).

39 befaßt, 5 5 bleibt sie nicht auf Überlegungen, die ausschließlich das Modul Syntax betreffen, beschränkt, sondern nimmt v.a. die Interaktion zwischen verschiedenen Modulen wie Syntax und Semantik, Phonologie oder Pragmatik (bzw. soziale Interaktion) in den Blick. Grammatikalisierung kann als Ergebnis dieses Zusammenwirkens betrachtet werden. Die regelhaften Prozesse, die im Verlauf von Grammatikalisierungsprozessen konstatiert werden können, hat u.a. Lehmann (1985) beschrieben. Er geht dabei von einer Reihe von Grammatikalisierungsparametern aus, die nach ihrem paradigmatischen und syntagmatischen Aspekt unterschieden werden. Tabelle 1: Grammatikalisierungsparameter

nach Lehmann

(1985:306)

paradigmatisch

syntagmatisch

Gewicht

Integrität

Skopus

Kohäsion

Paradigmatizität

Fügungsenge

Variabilität

paradigmatische Variabilität

syntagmatische Variabilität

Dabei sind »Gewicht«, »Kohäsion« und »Variabilität« drei Aspekte der Autonomie eines Zeichens, die sich umgekehrt propositional zum Grad der Grammatikalisierung verhält. »Integrität«, auf der paradigmatisehen Seite, bezieht sich auf die semantische und phonologische Größe eines Zeichens. Durch den Prozess der Desemantisierung, d.h. des Verlustes von lexikalischer zugunsten von stark abstrahierter »grammatischer« Bedeutung, sowie den der phonologischen Abschwächung wird die Integrität mit zunehmendem Grammatikalisierungsgrad gewöhnlich geringer. In gleicher Weise verringert sich nach Lehmann auf der syntagmatischen Seite mit zunehmender Grammatikalisierung der Skopus eines Zeichens im Satz. Mit »Paradigmatizität« ist der Grad der Integration und Adaption eines Morphems an ein grammatisches Paradigma gemeint. Dieser erhöht sich typischerweise im Verlauf eines Grammatikalisierungsprozesses. Der syntagmatische Aspekt dieses Anpassungsprozesses ist die »Fügungsenge«. Der Begriff nimmt auf die generelle Tendenz Bezug, dass sprachliche Zeichen sich im Verlauf von Grammatikalisierungsprozessen - meist über die Vorstufe der Klitisierung - hin zu gebundenen Morphemen entwickeln. Die paradigmatische Variabilitiät steht in engem Zusammenhang mit der Paradigmatizität. Je stärker ein Zeichen in ein grammatisches Paradigma eingebunden ist, desto geringer wird seine paradigmatische Variabilität, d.h. desto wahrscheinlicher ist es, dass sein Auftreten in bestimmten Kontexten obligatorisch ist und es nicht durch andere Elemente substituiert werden kann. Mit zunehmendem Grammatikalisierungsgrad sinkt die paradigmatische Variabilität.

55

Vgl. z.B. Hopper (1988,1990,1991), der das Konzept einer »emergent grammar« verfolgt.

40 Der Begriff der syntagmatischen Variabilität bezieht sich dagegen auf die Verschiebbarkeit eines Zeichens innerhalb des Satzes. Je stärker ein Zeichen grammatikalisiert ist, desto fester ist seine syntaktische Position. Auf der Basis von Lehmanns Parametern lassen sich also die folgenden, typischerweise mit der Grammatikalisierung eines sprachlichen Elements verbundenen Prozesse festmachen (vgl. Lehmann 1985:307f.): a. b. c. d. e. f.

semantische und phonologische Abnutzung. Paradigmatisierung: zunehmende Gebundenheit an eine Wortart bzw. Bildung einer neuen syntaktischen Klasse. Kondensation: Verengung des Skopus von beliebig komplexen Elementen auf einzelne Wörter oder einen Wortstamm. Obligatorisierung: Entwicklung von freier Wählbarkeit eines Elements hin zur obligatorischen Setzung. Koaleszenz: Tendenz vom Status eines freien Morphems zu dem eines gebundenen Morphems. Fixierung: Verlust von freien Wortstellungsmöglichkeiten zugunsten einer festen Positionierung im Satz.

Bei all den genannten Punkten handelt es sich jedoch ausschließlich um Tendenzen, die im konkreten Fall mehr oder weniger stark ausgeprägt sein können und auch nicht notwendigerweise alle bei der Grammatikalisierung eines einzelnen sprachlichen Elements konstatierbar sein müssen. Diese Einschränkung scheint gerade im konkreten Fall der MPn wesentlich zu sein. Auf sie treffen die von Lehmann aufgeführten Punkte nämlich nur sehr partiell zu. Da die Heteroseme von MPn überwiegend Konjunktionen, GPn und Adjektive bzw. Adverbien sind, bleibt die Fixiertheit der Wortstellung im Verhältnis von MP und Heterosem relativ gleich. Z.B. kann eine GP zwar zusammen mit ihrem Bezugselement im Vorund Nachfeld auftreten, sie ist aber insofern stärker fixiert als die MP, als sie bis auf wenige, relativ markierte Ausnahmen immer direkt vor diesem Bezugselement steht. Eine Tendenz zum Status eines gebundenen Morphems ist bei MPn ebensowenig ersichtlich. 56 Außerdem ist die Obligatorizität bei MPn im Vergleich zu ihren Heterosemen weniger stark anstatt stärker ausgeprägt. Es gibt zwar viele Kontexte, in denen die Konjunktion aber notwendig verwendet werden muss, die MP aber ist jedoch immer fakultativ. Auch Kondensation tritt bei den MPn nicht auf, stattdessen haben sie Skopus über die gesamte Proposition, während z.B. die GPn in den meisten Fällen nur Skopus über ein einziges Wort haben. Relativ deutlich scheint dagegen der Begriff der semantischen Abnutzung auf MPn anwendbar zu sein. Problematisch ist hier jedoch, dass, wie Heine/Reh (1984:67) feststellen, dieser Prozess gewöhnlich auch mit einem Verlust, nicht aber einem Zuwachs an pragmatischen Ausdrucksmöglichkeiten verbunden ist. Der Begriff der Paradigmatisierung scheint eben-

56

Reis (1992) und Wegener (1998) vertreten allerdings die These, dass MPn Klitika sind bzw. zumindest im Fall der einsilbigen MPn sein können. Meibauer (1994) wendet dagegen ein, dass es keinerlei phonologische Verschmelzung mit einem Wirt gibt, dass MPn selbst in der Stellung im Vorfeld mit einer w-Phrase betonbar sind und überdies auch Adverbien zusammen mit einer wPhrase im Vorfeld auftreten, ohne dass man diese als Klitika einstufen wollte, (vgl. auch Ormelius-Sandblom 1994:38f.).

41 falls auf MPn anwendbar zu sein, v.a. wenn man davon ausgeht, dass sie eine eigene Wortart bilden. Auch von phonologischer Abnutzung kann eventuell gesprochen werden, da MPn typischerweise einsilbig sind und die Vermutung naheliegt, dass dies das Ergebnis eines Abnutzungsprozesses ist. Wegener (1998:39) weist auf die MPn mal, eh und denn hin, die aus synchroner Sicht im Vergleich zu ihren Heterosemen Verlust an phonologischer Substanz aufweisen (vgl. hierzu Kapitel 1.3.2.). Hopper (1991:21) kritisiert an Lehmanns Charakteristik, dass sie nur auf diejenigen Fälle anwendbar ist, in denen sich die Grammatikalisierung bereits in einem sehr fortgeschrittenen Stadium befindet, so dass bereits abgeschlossene und von daher eindeutig diagnostizierbare Veränderungen vorliegen. Er schlägt deshalb eine Reihe von Prinzipien vor, die auch frühere Stadien von Grammatikalisierungsprozessen beschreibbar machen sollen. 57 Diese »five principles of grammaticization« 58 sind Schichtung (»layering«), Divergenz, Spezialisierung, Persistenz und Dekategorisierung (ebd.:22). Schichtung bezieht sich auf das weit verbreitete Phänomen, dass eine bestimmte syntaktische Funktion durch mehrere sprachliche Mittel realisiert werden kann. Unterschiedliche Techniken wie z.B. Ablaut, Affigierung und Auxiliarkonstruktionen zur Realisierung von Tempus und Aspekt spiegeln dabei nach Hopper (ebd.:23) unterschiedliche Grammatikalisierungsgrade wider. Ein typisches Beispiel sind die verschiedenen Varianten der Futurbildung im Englischen (vgl. Hopper ebd.:23 im Anschluss an Quirk et al. (1972:87-90): (111) (112)

will: He will be here in half an hour be going + to: She's going to have a baby

(113) (114)

be +- ing: The plane is taking off at 5:20 be + to: An investigation is to take place

Am stärksten grammatikalisiert sind dabei die Konstruktionen mit will und be going + to. Das Prinzip der Divergenz wurde bereits von Heine/Reh (1984) unter der Bezeichnung »split« beschrieben. Sowohl bei Hopper als auch bei Heine/Reh ist gemeint, dass eine lexikalische Form, die einen Grammatikalisierungsprozess durchlaufen hat und dadurch z.B. den Status eines gebundenen Morphems erhalten hat, dennoch auch weiterhin als autonomes lexikalisches Element parallel weiterexistieren kann. Die erhalten gebliebene autonome Form kann deshalb für sich selbst wiederum dieselben Grammatikalisierungswege wie jedes andere Element beschreiten. Als Beispiel gibt Hopper (ebd.:25) die Entwicklung des lateinischen Verbs habere an, das sich im Französischen zu einem Futur-Endungsmorphem entwickelt hat. Aus lat. cantare habeo (»Ich habe zu (muss) singen«) wurde frz. je chanterai (»Ich werde singen«). Daneben entwickelte sich habere aber auch zum frz. Verb avoir, das

57

58

Dabei handelt es sich jedoch, ebenso wie seiner Ansicht nach bei Lehmanns Prinzipien, nicht um Phänomene, die auf den Bereich der Grammatikalisierung beschränkt sind, sondern um allgemeingültige Prinzipien des Sprachwandels. Der Begriff »grammaticization« wird von einigen Autoren alternativ zu »grammaticalization« verwendet. Entsprechend ist in manchen deutschsprachigen Arbeiten von »Grammatisierung« die Rede. Diese Differenzierungen sind aber rein terminologischer Art. Ich verwende in der vorliegenden Arbeit ausschließlich den gebräuchlicheren Terminus »Grammatikalisierung«.

42 als autonome lexikalische Einheit wiederum zum Auxiliar f ü r die Perfektbildung grammatikalisiert wurde (j'ai chante).59 Der Begriff der Spezialisierung kommt nach H o p p e r Lehmanns Begriff der Obligatorisierung sehr nahe. E r versteht darunter Folgendes (ebd.:22): »Within a functional domain, at one stage a variety of forms with different semantic nuances may be possible; as grammaticization takes place, this variety of formal choices narrows and the smaller number of forms selected assume more general grammatical meanings.« D a s Prinzip hat nach H o p p e r gegenüber Obligatorisierung v.a. den Vorteil, dass es nicht erst in den Endstadien eines Grammatikalisierungsprozesses eintritt. E s handelt sich dabei außerdem um ein P h ä n o m e n des allgemeinen Sprachwandels, das zu Grammatikalisierung führen kann aber nicht notwendigerweise muss. Ein typisches Beispiel für Spezialisierung ist die Entwicklung der Negation (z.B.) im Französischen. Die heute zweigliedrige F o r m wird in den meisten Fällen aus ne und pas gebildet. Historisch war die frz. Negation eingliedrig und bestand ursprünglich ausschließlich aus der Negationspartikel ne. Das zweite Negationsglied w u r d e im Verlauf der Entwicklung als Verstärkungselement fakultativ hinzugefügt. In dieser ersten Grammatikalisierungsphase griff man dabei auf eine sehr große Bandbreite von Substantiven wie mie (»Krümel«), gote (»Tropfen«), amende (»Mandel«), areste (»Gräte«) neben pas (»Schritt«) und point (»Punkt«) zurück. Spezialisierung hat insofern stattgefunden, als im Gegenwartsfranzösischen davon nur noch die beiden letzteren gebräuchlich sind. Gleichzeitig haben die erhalten gebliebenen Negationspartikeln ihren Funktionsbereich erweitert und sind daher von ihrer Bedeutung her heute weniger speziell als die ursprünglich gebrauchten. 6 0 Persistenz betrifft die Beziehung eines grammatikalisierten Elements zu dessen »history as a lexical m o r p h e m e « (ebd.:28). In Zwischenstadien der Grammatikalisierung kann es dabei nach H o p p e r zu Polysemie kommen, wobei eine oder mehrere der Bedeutungen des betroffenen L e x e m s möglicherweise die Bedeutung einer »dominanten« früheren Bedeutung widerspiegeln. Möglicherweise kann Persistenz also für Heterosemierelationen oder bestimmte grammatische Eigenschaften von MPn verantwortlich sein. Das Prinzip der Dekategorisierung basiert auf d e m von Hopper/Thompson (1984) beschriebenen Ikonizitätsprinzip. Die Kategorien V e r b und Substantiv werden demnach als protoptypische Instantiierungen betrachtet, wenn sie in der Funktion der Identifizierung von Diskursbeteiligten bzw. der Wiedergabe von Ereignissen gebraucht werden. In diesen Funktionen treten die Substantive mit allen ihren kategorietypischen Merkmalen wie Artikel, Kasusmarkierung etc. auf. W e r d e n sie jedoch in »sekundären Funktionen« gebraucht, d.h. z.B. als Adverbien o d e r Präpositionen, verlieren sie diese M e r k m a l e zunehmend. Daraus muss nach H o p p e r die theoretische Konsequenz gezogen werden, den Begriff der grammatischen Kategorie graduierbar zu machen und durch den eines »degree of categoria-

59

60

Die Entwicklung von avoir macht nach Hopper auch deutlich, dass Schichtung und Divergenz teilweise sich überlappende Phänomene sind, da die Perfektbildung mit avoir und die Futurkonstruktion mit dem -ai-Suffix zwei Grammatikalisierungsschichen im Tempus/Aspekt Bereich darstellen. Diesbezüglich ist der Begriff »Spezialisierung« m.E. etwas irreführend.

43 lity« zu ersetzen. Ein solcher relativer Kategorienbegriff erlaubt es, die Übergangsphänomene im Verlauf von Grammatikalisierungsprozessen adäquat zu erfassen. Im Normalfall führt Grammatikalisierung nach Hoppers Auffassung zu einem Verlust an morphologischen und syntaktischen Kategoriemerkmalen und somit zu Dekategorisierung. Diese Entwicklung verläuft von den »full categories« Substantiv und Verb hin zu sekundären Kategorien, zu denen er z.B. Adjektive, Partizipien und Präpositionen (ebd.:22) zählt. Werden die grammatikalisierten Elemente jedoch in ihren neuen Funktionen verwendet, so tritt ein »freezing«Effekt oder Verlust an Optionalität ein. So kann z.B. thanks in der festen Wendung thanks to nicht mehr zu z.B. our thanks to erweitert werden (Hopper ebd.:30). Hoppers Prinzipien greifen im Bereich der MPn bedeutend besser als die von Lehmann. So scheint z.B. im Fall von eben Divergenz vorzuliegen, da das Adjektiv einerseits als gebundenes Morphem auftritt wie z.B. in ebenso, andererseits auch eine MP-Variante vorliegt. Wenn sich außerdem synchron eine Bedeutungsrelation zwischen MPn und ihren Heterosemen nachweisen lässt, so entspricht das dem Prinzip der Persistenz und rechtfertigt gewisse Schlüsse für die synchrone Bedeutungsanalyse aus der diachronen Entwicklung von MPn. Auch Dekategorisierung scheint auf dem Weg vom Heterosem zur MP stattgefunden zu haben, da die kategorialen Merkmale von Konjunktionen, Adjektiven oder GPn offensichtlich im Verlauf der Entwicklung (zumindest größtenteils) zugunsten anderer Merkmale verloren gegangen sind. 61 Das Prinzip der Spezialisierung ist im Rahmen der in dieser Arbeit vorgenommenen Untersuchung ebenfalls von Bedeutung - allerdings insofern, als im Fall der MPn gerade der umgekehrte Fall, also eine »Despezialisierung« stattgefunden zu haben scheint (s. hierzu Kapitel 3). Ob das Prinzip der Schichtung auf MPn überhaupt angewendet werden kann, ist sehr fraglich, da sie keine syntaktische Funktion ausüben und auch ihre semantischen und pragmatischen Funktionen allenfalls durch prosodische, nicht aber durch andere, eindeutig sprachliche Mittel übernommen werden können. Es stellt sich mehr und mehr die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, bei MPn von Grammatikalisierung, d.h. einer Entwicklung hin zu (stärker) grammatischen Elementen auszugehen. Die Tatsache, dass MPn fakultative Elemente sind, die, wie bereits erwähnt, im Vergleich zu ihren Heterosemen geringeres syntaktisches (und semantisches) Gewicht haben, scheint dem zu widersprechen. In Traugott/König (1991:189) wird ein etwas weiter gefasster Begriff von Grammatikalisierung vorgestellt als er sich bei Lehmann und Hopper findet. Er geht auf Givon (1979) zurück und wird als »the dynamic, unidirectional historical process whereby lexical items in the course of time acquire a new status as grammatical, morpho-syntactic forms, and in the process come to code relations that either were not coded before or were coded differently«

definiert. Ein solcher Grammatikalisierungsbegriff greift auch in den Fällen, in denen ausschließlich eine Veränderung grammatischer Eigenschaften eingetreten ist, ohne dass die Funktion des betreffenden Lexems stärker grammatisch ausgeprägt ist als zuvor. Genau dies trifft für den Fall eines Kategorienwechsels zu, wie er allem Anschein nach zwischen MPn

61

In diesem Fall sind allerdings bereits die Kategorien, die als Ausgangsbasis für die Entwicklung betrachtet werden können, »sekundär« im Sinne von Hopper.

44 und ihren Heterosemen stattgefunden hat. Die Untersuchung der Geschichte von MPn unter dem Aspekt der Grammatikalisierung scheint somit also prinzipiell gerechtfertigt. Der wesentlichste Punkt, der es trotz allem nahelegt, bei MPn von Grammatikalisierungsprozessen auszugehen, ist v.a. ihr semantischer Status, wie bereits oben in Zusammenhang mit dem Begriff der Desemantisierung deutlich wurde. Vergleicht man ihre Bedeutung mit der ihrer Heteroseme, so legt dies nahe, dass, wenn sie in einer Heterosemierelation zueinander stehen, im Verlauf der historischen Entwicklung ein semantischer Abnutzungsprozess stattgefunden hat. Mit dem Aspekt des semantischen Wandels, der in Verbindung mit Grammatikalisierung auftritt, haben sich v.a. Traugott (1986, 1988; Traugott/Heine 1991; Traugott/König 1991) sowie Sweetser (1986, 1988, 1990) intensiv auseinandergesetzt. In den früheren Stadien der Grammatikalisierung lassen sich nach Traugott die in (115) aufgeführten drei semantisch-pragmatischen Tendenzen feststellen. (115)

Semantic-pragmatic Tendency I: Meanings based in the external described situations > meanings based in the internal (evaluative/perceptual/cognitive) situation. Semantic-pragmatic Tendency II. Meanings based in the described external or internal situation > meanings based in the textual situation. Semantic-pragmatic Tendency III. Meanings tend to become increasingly situated in the speaker's subjective belief-state/attitude toward the situation.

Tendenz III korrespondiert in auffälliger Weise mit der in 1.1.1. diskutierten Annahme, dass es sich bei MPn um Einstellungsausdrücke handelt. Sie muss vor dem Hintergrund der dort angestellten Überlegungen allerdings insofern modifiziert werden, als durch Einstellungsausdrücke nicht nur auf Einstellungen eines Sprechers, sondern auch auf diejenigen des oder der Adressaten Bezug genommen werden kann. Tendenz II korrespondiert ebenso auffällig mit der Tatsache, dass die Heteroseme von MPn häufig Konjunktionen und/oder Temporaladverbien sind, die genau die textverknüpfenden Funktionen ausüben, auf die Traugott hier Bezug nimmt. Inwiefern auch Tendenz I als Entwicklungsstadium bei den in dieser Arbeit zu untersuchenden Lexemen feststellbar ist, soll in Kapitel 2 und 3 genauer überprüft werden. Auch hier handelt es sich um einen Prozess der Subjektivierung, d.h. einen Übergang von der Beschreibung objektiver in der Welt konstatierbarer Sachverhalte zur bewertenden Beschreibung dieser Sachverhalte bzw. der Wiedergabe von subjektiver (aber dennoch auf konkreten Sachverhalten beruhender) Wahrnehmung oder kognitiver Prozesse. Ein Beispiel wäre der Unterschied zwischen aufgeräumt in (116) und (117). (116) (117)

Peters Schreibtisch ist immer aufgeräumt. Peter ist ein sehr aufgeräumter Mensch.

In (117) hat die Bedeutung von aufgeräumt anders als in (116) evaluativen Charakter, da die Bewertung persönlicher Eigenschaften zum Ausdruck gebracht wird. Geht man davon aus, dass MPn Tendenz I-III (in ihrer modifizierten Form) im Verlauf ihrer Entwicklung durchlaufen haben, ist allerdings fraglich, ob es sich dabei um »Frühsta-

45 dien« der Grammatikalisierung handeln kann, da dies eine weitere Entwicklung, möglicherweise hin zu einem rein grammatischen Morphem, voraussetzen würde. Traugott und Sweetser gehen ebenso wie z.B. Heine (1994), Heine/Reh (1984), Heine/Claudi/Hllnnemeyer (1991) oder König (1991) Grammatikalisierungsphänomene weniger unter deskriptiven Gesichtspunkten als im Hinblick auf die den Wandel bewirkenden Mechanismen an. Im Vordergrund stehen v.a. die kognitiven Prozesse, die für semantischen Wandel verantwortlich sind. In diesem Zusammenhang werden insbesondere Metapher und Metonymie als zentrale Übertragungsmechanismen diskutiert. Traugott/König (1991) wenden sich gegen die traditionelle Auffassung, dass die Metapher größeres Gewicht bei Prozessen des semantischen Wandels hat als die Metonymie. Ihrer Ansicht nach ist Letztere gerade in den frühen Stadien des Wandels von großer Bedeutung, und zwar in den Phasen, in denen ein Zuwachs an pragmatischem Ausdruckspotential zu verzeichnen ist - die also Tendenz III oben entsprechen. Der von Traugott/König verwendete Begriff von Metonymie geht auf Anttila (1972) zurück. Ihm zufolge besteht der wesentliche Unterschied zwischen Metonymie und Metapher darin, dass die Übertragung bei der Metapher auf einer Gleichzeitigkeit von Sinneseindrücken beruht und somit ein analoger und ikonischer Prozess ist, während die Metonymie auf Kontiguität beruht und damit indexikalisch ist. Mit »indexikalisch« ist gemeint, dass auf semantische Beziehungen in spezifischen Kontexten verwiesen wird. Es werden drei charakteristische Kontexttypen vorgestellt (ebd.:210). a.

b. c.

Kontiguität im »sozio-physikalischen« oder sozio-kulturellen Erfahrungsbereich. Z.B. (i) lat. coxa (Hüfte) > frz. cuisse (Oberschenkel) (Körperteile mit räumlicher Kontiguität), (ii) boor (Bauer) > »grobe Person« (Assoziation des Verhaltens mit einer bestimmten Person oder Gruppe von Personen), (iii) lat. lingua (Zunge) > »Sprache« (Assoziation der Aktivität mit einem sie ermöglichenden Faktor/Körperteil62, (iv) concern (Interesse, Fürsorge) > »Angelegenheit, die im Interesse steht« (Assoziation eines mentalen Zustande mit seiner Ursache)63. Kontiguität in einer Äußerung/Wendung, häufig verbunden mit einer Ellipse wie z.B. bei »Bild von Picasso« > »ein Picasso«. (Anttila 1972:142). Synekdoche oder Teil/Ganzes-Relation, wie »London« fllr »England«, »Weißes Haus« für »die US-Regierung« u.ä.

Eine Teil/Ganzes-Relation wie in (c) liegt nach Traugott/König (ebd.:211) auch der konversationellen Implikatur zugrunde, die sie deshalb dort, wo sie im diachronen Prozess des semantischen Wandels eine Rolle spielt, als Metonymie einstufen möchten. 64 Sie illustrieren dies an Beispielen, bei denen kausale oder konzessive Bedeutung diachron aus temporaler Bedeutung hervorgegangen ist. Eine solche Entwicklung hat u.a. engl, since durchgemacht. AE sippan war eine temporale Präposition mit der Bedeutung »nachdem«, mit der auf eine punktuelle zeitliche Überlappung mit einem zurückliegenden Ereignis verwiesen wurde. In

62 63 64

Vgl. Kronasser (1952:29). Vgl. Stern (1968:376). Die Motivation für diese Zuordnung besteht darin, dass Traugott/König die konversationelle Implikatur als bisher vernachlässigten Motor für semantischen Wandel in die Diskussion einbringen wollen, ohne die in der Grammatikalisierungstheorie übliche Taxonomie um einen neuen Begriff erweitern zu müssen (ebd.:210).

46 spezifischen Kontexten wurde dabei nach dem post hoc ergo propter hoc Prinzip eine kausale Beziehung konversationeil implikatiert. Traugott/König zitieren folgendes Beispiel65, das die Ambiguität in entsprechenden Kontexten verdeutlicht (ebd.: 195): (118)

Jsa, sij)t>an he irre w a s & gewundod, he ofslog micel Jjaes folces (then, after/since he angry was and wounded, he slaughtered much of that troop.)

Die konversationelle Implikatur wird nach Traugott/König abgeleitet, da der Verweis auf Gleichzeitigkeit dann relevant bzw. ausreichend informativ ist, wenn es mit der temporalen Beziehung »etwas Besonderes auf sich hat« (vgl. ebd.:211). Unter diesem Aspekt kann Kausalität als Teil der temporalen Beziehung betrachtet werden, da sie ihr sozusagen als »semantisches Potential« innewohnt. Dieser Sicht der Dinge steht die von Heine/Claudi/Hiinnemeyer (1991:48) (im Folgenden HCH) entgegen, die entsprechende Übergänge als metaphorische Sprünge betrachten. HCH betonen dabei jedoch, ebenso wie z.B. Diewald (1997), dass der Unterschied zwischen Metonymie und Metapher bei der Anwendung der Begriffe auf Prozesse des semantischen Wandels fließend ist. Nach HCH (ebd.:73) ist die Unterscheidung zwischen Metonymie und Metapher letztendlich der Blick auf ein und dasselbe Phänomen aus unterschiedlicher Perspektive - nämlich aus der Prozess- vs. der Ergebnisperspektive. Diese Auffassung lässt sich m.E. dadurch untermauern, dass die bei Traugott/König ins Zentrum gesetzte Teil/Ganzes-Relation auch der Metapher zugrundeliegt. Betrachtet man z.B. einen metaphorischen Ausdruck wie »Zahn des Berges« für »Gipfel« (vgl. Eco 1985:142), so ist es für den Interpretationsprozess ausschlaggebend, dass Zähne und Berggipfel die gemeinsame Eigenschaft besitzen, spitz zu sein. Dabei ist »spitz« ein Teil aller Eigenschaften, auf die das Substantiv Zahn verweist. Zwischen »spitz« und »Zahn« besteht also eine Teil/Ganzes-Relation, die mit der zwischen »London« und »England« bei der Synekdoche vergleichbar ist. Auch hier basiert der Interpretationsprozess auf einer Implikatur auf der Basis des Relevanzprinzips, da der Adressat »spitz« als relevante Eigenschaft von »Zahn« im Kontext von Bergen erkennen muss.66 Wenn diese Überlegungen richtig sind, bezieht sich Traugott/Königs Begriff von Metonymie genau auf das kognitive Prinzip, das Metonymie und Metapher miteinander verbindet. Hopper/Traugott (1993:82ff.) stellen fest, dass metonymische Prozesse v.a. in der Anfangsphase der Grammatikalisierung auftreten, metaphorische dagegen erst in der Spätphase als deren Ergebnis. Traugott/König (ebd.:213) situieren metaphorische Prozesse bei Übergängen von Bedeutungen, die sich auf die externe Sprecher/Hörer-Situation beziehen zu solchen, die sich auf die interne evaluative, perzeptive oder kognitive bzw. Textsituation beziehen - d.h., die Tendenz I und II oben entsprechen. Beide Sichtweisen sind dadurch erklärbar, dass immer dann, wenn bei einer metonymischen Teil/Ganzes-Relation der »Teil« einer anderen konzeptuellen Domäne zugehört (bzw. zugeordnet werden kann) als das ur-

65

Nach Mitchell (1985,11:352).

66

Darüber hinaus muss er auf weitere Annahmen schließen, die es im Hinblick auf das Relevanzprinzip rechtfertigen, dass der Sprecher die Metapher anstatt des Ausdrucks »Berggipfel« gebraucht (vgl. hierzu Eco 1985), der allerdings keinen Bezug auf die den Interpretationsprozess steuernden pragmatischen Mechanismen nimmt.

47 sprüngliche Ganze, das Ergebnis ein typischer metaphorischer Sprung von einer Bedeutungsdomäne in eine andere ist. M.E. sind Metonymie und Metapher insbesondere bei der für diese Arbeit relevanten Anwendung auf nicht-konkrete Bedeutungsinhalte, wie sie bei Tendenz III vorliegen, im Prozess des semantischen Wandels nicht mehr deutlich unterscheidbar. Ich ziehe deshalb bei der Beschreibung der von Traugott/König als metonymisch eingestuften pragmatischen Prozesse die linguistische Terminologie dem Rückgriff auf die klassische Trope vor, auf den sich auch Traugott/König selbst nicht beschränken. So bezeichnen sie die metonymischen Prozesse gleichzeitig auch als pragmatic strengthening, bzw. strengthening of informativeness. Als Basis für die zugrunde liegenden Implikaturen geben sie das Levinson'sche Informativitätsprinzip »Read as much into an utterance as is consistent with what you know about the world« an (Levinson 1983:146f.), 67 das sie gleichzeitig auch als Relevanzprinzip klassifizieren. Relevanz wird dabei anders als bei Sperber/Wilson (1986) mit (maximaler) Informativität gleichgesetzt. Von der Grice'schen Theorie der konversationeilen Implikatur unterscheidet sich diese Sicht der Dinge dadurch, dass die Implikatur nicht zwingend aus der Aufrechterhaltung eines Kooperationsprinzips folgt. Würde die Implikatur nicht abgeleitet, so wäre damit keine Konversationsmaxime verletzt. Der Hörer implikatiert stattdessen »frei« auf der Basis des ihm zugänglichen Weltwissens. Der Terminus strengthening of informativeness wird von Traugott insbesondere deshalb gewählt, weil sie die beschriebenen Prozesse des semantischen Wandels nicht als semantic bleaching, d.h. als Desemantisierungsprozesse betrachten möchte. Es handelt sich ihrer Auffassung nach nicht um einen Verlust, sondern um einen Zuwachs an Bedeutung. M.E. kann durchaus von Desemantisierung gesprochen werden, da das betroffene Lexem im Zuge des Wandels an konkreter lexikalischer Bedeutung verliert. Dies geht mit einem semantischen Abstraktionsprozess einher, der die Bedeutung auf meist logisch-abstrakte Beziehungen reduziert. Dadurch wird die Verwendung des Lexems als Ausdrucksmittel für textverknüpfende Funktionen möglich, d.h. z.B. als Konjunktionen (Tendenz II oben). Sie ermöglicht außerdem, wie ich in Kap. 3 noch deutlicher zeigen möchte, die Bezugnahme auf im Kontext zugängliche Annahmen verschiedenster Art bezüglich eines Sachverhalts. Daraus resultiert aber, zumindest, wenn es sich um lexikalisierte Bedeutungseinheiten handelt, nicht-wahrheitsrelevanter semantischer Status, so dass aus der Sicht der wahrheitsfunktionalen Semantik ein Verlust an semantischem Gehalt zu verzeichnen ist. Im Gegensatz zu den klassischen Fällen von Grammatikalisierung wird dieser Verlust nicht durch einen Gewinn an grammatisch-funktionaler »Bedeutung«, sondern durch die Ausweitung des pragmatischen oder einstellungsbezogenen Ausdruckspotentials ausgeglichen. Da also der einzige Unterschied im Typus der hinzugewonnen Bedeutung liegt, gibt es m.E. keinen Grund, den Begriff der Desemantisierung hier nicht anzuwenden. Der übergeordnete Begriff Grammatikalisierung ist dabei allerdings nur noch dadurch gerechtfertigt, dass die zu konstatierenden Prozesse mit den bei Grammatikalisierung auftretenden übereinstimmen. Grammatikalisierungsprozesse werden allgemein als unidirektional betrachtet. D.h. die Mechanismen, die für Grammatikalisierung verantwortlich sind, können nicht in umgekehrter Richtung wirksam werden. Eine einmal durchlaufene Entwicklung hin zu einem bestimmten Grammatikalisierungsgrad ist somit nicht umkehrbar. Das bedeutet aber nicht,

67

Vgl. auch Traugott (1988).

48 dass die Sprache durch solche Prozesse zunehmend »grammatisch« wird und in einem derartigen Zustand irgendwann stagniert (vgl. Diewald 1997:111). Grammatikalisierung führt stattdessen nur zu ständiger Erneuerung der greifbaren syntaktischen Ausdrucksmittel. Dieses Phänomen wurde unter dem Begriff des linguistic cycle z.B. von Hodge (1970) aber auch schon seit den frühesten Phasen der Grammatikalisierungsforschung 68 beschrieben. Die Bildung von Grammatikalisierungszyklen erlärt sich durch ein Prinzip der »Erosion in die Richtung des totalen Schwundes« (Diewald 1997:111). D.h. der Effekt der phonologischen und semantischen Abnutzung führt langfristig zum Verschwinden des betroffenen Elements und schafft somit Raum für die Grammatikalisierung neuer Formen und damit auch für die Befriedigung des Bedüfnisses nach Expressivitätssteigerung, die eine der wesentlichen Triebfedern für sprachlichen Wandel ist. Die Entwicklung hin zur Erosion des sprachlichen Elements korreliert typischerweise mit einer Steigerung seiner Häufigkeit, die wiederum darauf zurückzuführen ist, dass seine Bedeutung weniger speziell und abstrakter wird, also semantische Abnutzung stattfindet (Bybee/Pagliuca 1985:76; Givön 1981:51).

1.3.2. Bisherige Ansätze zur Grammatikalisierung und historischen Entwicklung von Modalpartikeln Unter dem Aspekt der Grammatikalisierung haben sich bisher v.a. Abraham (1991c, 1995) sowie Diewald (1997) und Wegener (1998) mit MPn auseinandergesetzt. Hentschel (1986), auf die diese Ansätze teilweise Bezug nehmen, erklärt die Herausbildung von MPn im Rahmen einer Theorie der Textdeixis bzw. metakommunikativen Deixes, die auf dem Bühlerschen Modell (Bühler [1934] 1978) basiert. Als Basis für die Herausbildung von MP-Funktionen nimmt Hentschel (ebd.:Kap.2) an, dass sich charakteristischerweise die auf den Bereich der sinnlichen Wahrnehmung bezogene Deixis 69 über den Bereich der Textdeixis in den der »metakommunikativen« Deixis verschiebt, wobei sich letztere losgelöst von der Bezugnahme auf die außersprachliche Welt auf eine bestimmte Kommunikationssituation bezieht. Hentschel illustriert die verschiedenen Stadien des Gebrauchs am Beispiel des Temporaladverbs jetzt, das in einigen süddeutschen Dialekten auch als Ausdrucksmittel für die sog. metakommunikative Deixis gebraucht wird. (119) (120) (121)

(122)

Es ist jetzt 0.43 h. Rotkäppchen hatte schon viele Blumen gesammelt, und es wurde jetzt Zeit, sich endlich auf den Weg zur Großmutter zu machen. (Aus einem Lehrbuch:) Es folgt jetzt zunächst eine kurze Beschreibung des Analyseverfahrens. Ha, was hädsch jetzt du gemacht domols? (badischer Raum) (Hentschel 1986:33f.)

68

69

Meillet (1912:140f.) spricht von einem »diveloppement en spirale«. Vgl. außerdem v.a. Givön (1971a,b; 1979:208f.), der von folgenden Entwicklungsstadien ausgeht: discourse > syntax > morphology > morphophonemics > zero (> discourse) In Bilhlers Terminologie demonstratio ad oculus.

49 Interessant ist, dass die Thesen von Hentschel große Parallelen zu den oben angeführten drei Tendenzen von Traugott (1988 u.a.) aufweisen. Als Vorstufe zur Entwicklung kommunikativer Funktionen gehen beide Autorinnen von Bedeutungen aus, die auf die »Textsituation« bezogen sind. Auch Traugott gibt als Beispiel für solche Übergänge z.B. den von temporalen Bedeutungen zu »textual cohesive relations« (1991:208) an. 70 Der Unterschied ist, dass bei Traugott auch nicht-deiktische textverknüpfende Funktionen erfasst werden, wie sie z.B. Konjunktionen ausüben. Abraham (1991c) versucht eine Einordnung der MP-Entwicklung in die Grammatikalisierungstheorie auf der Basis der von Hentschel (1986) erhobenen Daten. Dabei kommt auch er zu dem Ergebnis, dass es sich bei MPn um einen spezifischen Typ von Grammatikalisierung handelt, da sich die MPn seiner Auffassung nach niemals zu rein grammatischen Morphemen entwickeln werden (ebd.:371f.). Auch er verweist darauf, dass nicht alle der von Lehmann entwickelten Prinzipien auf die MP-Entwicklung zutreffen. 71 Ein wichtiges Argument für eine Sonderentwicklung ist außerdem auch für ihn der Zuwachs an pragmatischer Bedeutung. Dennoch konstatiert er zumindest einen »shift from less grammatical to more grammatical (...) status« (ebd.:337) (vgl. oben 1.3.1.), der jedoch bei MPn nicht zur Herausbildung von grammatischen Morphemen, sondern von pragmatischen Morphemen geführt habe. 72 Wie schon oben angesprochen wurde, geht Abraham davon aus, dass die Existenz eines Mittelfelds der ausschlaggebende Faktor für die Herausbildung von MPn ist. 73 Er nimmt an, dass ausschließlich in Sprachen, die ein solches aufweisen, auch MPn auftreten können und verweist auf reiche MP-Vorkommen in anderen germanischen Sprachen wie Holländisch, Friesisch und den skandinavischen Festlandsprachen. Allerdings besitzen nicht alle diese Sprachen tatsächlich ein Mittelfeld, so z.B. nicht die skandivanischen Festlandsprachen, die nur über ein sog. »Nexusfeld« verfügen, in dem auch die MPn stehen (ebd. 348f.; Abraham 1988). 74 An anderer Stelle (1991:360) weist Abraham allerdings auch daraufhin, dass auch

70

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72

73

74

Vgl. auch die »Skala der metaphorischen Abstraktion« für Grammatikalisierungsprozesse (Heine/Claudi/Hünnemeyer 1991:48): PERSON > OBJEKT >AKTIVITÄT > RAUM > ZEIT > QUALTIÄT Dabei spiegelt »Qualtität« einen maximalen Abstraktionsgrad der Bedeutung wider, die dementsprechend unspezifisch und somit auf die verschiedensten Bereiche und auf den verschiedensten Ebenen anwendbar ist. Abrahams (1991c:372) Einschätzung unterscheidet sich dabei jedoch von der oben dargestellten insofern, als er in der Herausbildung der MP-typischen Mittelfeldposition und der spezifischen Satztypdistribution von MPn einen Verlust an syntagmatischer Variabilität erkennt, was aber nicht gerechtfertigt ist, wenn man die syntaktischen Restriktionen der MPn im Vergleich zu denen ihrer Heteroseme betrachtet (vgl. oben 1.3.1.). In Anschluß an die von Bybee (1987) entwickelte Terminologie schlägt er die Unterscheidung von grams vs. paragrams vor. Diese These begründet sich bei ihm u.a. durch die Annahme, dass MPn Einfluss auf die ThemaRhema-Bildung haben. Dass dies nicht haltbar ist, wurde oben in Zusammenhang mit den Arbeiten von Meibauer (1994) und Ormelius-Sandblom (1997) gezeigt. Das »Nexusfeld« entspricht dem etwas gängigeren Begriff des S-Feldes, wie er in Höhle (1986:337) vorgeschlagen wird.

50 in Sprachen mit freier Wortstellung wie z.B. Altgriechisch, Hethitisch und Latein MPn auftreten, woraus seiner Auffassung nach gefolgert werden kann, dass es keinen »strukturellen« Grund gibt, dass MPn nicht auch schon im Got. vorhanden waren. Dem kann hinzugefügt werden, dass auch das Russische synchron über eine große Zahl von MPn verfügt. 75 Aufgrund der zentralen Rolle der Mittelfeldstellung können sich MPn nach Abraham frühestens seit dem Mhd. entwickelt haben. Er sieht dies in Hentschels Daten bestätigt, allerdings mit Ausnahme von doch, für das auch er MP-Status schon seit dem Ahd. annimmt. Doch bildet diesbezüglich seiner Auffassung nach aber eine absolute Ausnahme. Wie in 3.2. deutlich werden soll, würde nach den von Wauchope (1991) erhobenen Daten aber mindestens auch ahd. thanne (nhd. denn) und, wie ich in 3.5. zeigen möchte, ebenso ahd. echert eine solche Ausnahme bilden. Außerdem stuft Abraham selbst (ebd.:368) bestimmte Fälle von mhd. ia in Vorfeldstellung als M P ein. Im Anschluss an Hentschel (1986) geht Abraham davon aus, dass die Entwicklung über eine Phase der textdeiktischen Bedeutung verläuft. Er wendet jedoch ein, dass auf der Basis von Hentschels Daten nicht ersichtlich ist, ob es sich dabei um ein generelles Phänomen handelt. Zusätzlich nimmt er ein Stadium der Bedeutungsentwicklung an, in dem der Abstraktionsprozess zum Ausdruck rein logischer Relationen führt. Dies äußert sich in der Entwicklung von satzverknüpfenden Funktionen wie z.B. Konjunktionen. Eine solche Phase der Bedeutungsentwicklung geht nach Abraham (ebd.:350) der Herausbildung der MPFunktion direkt voraus. Er nimmt deshalb die folgenden Phasen der semantischen Entwicklung von MPn an, sofern nicht von vornherein eine logische oder modale Bedeutung vorhanden ist: (123)

LOCALISTIC > TEMPORAL > LOGICAL > ILLOCUTIVE/DISCOURSE FUNCTIONAL

Abraham findet seine Thesen in Hentschels Untersuchung durch die Entwicklung von halt und doch bestätigt (s. hierzu unten 3.2.). Bezüglich eben rekonstruiert er ebenfalls einen entsprechenden Verlauf der Entwicklung, der jedoch in Hentschels Untersuchungszeitraum noch nicht nachgeprüft werden kann. Ich werde hierauf im Rahmen meiner eigenen Untersuchung zurückkommen. Diewald (1997:73ff.) thematisiert ebenfalls das Problem, dass MPn keine grammatischen Morpheme sind und sich von daher nur schwer in die Grammatikalisierungstheorie einordnen lassen. Sie hält eine Einordnung aber dennoch für gerechtfertigt, da zumindest Lehmanns Prinzipien der semantischen Abnutzung, der Paradigmatisierung und der Obligatorisierung ihrer Auffassung nach bei MPn erfüllt sind. Auch von Paradigmatisierung kann ihrer Ansicht nach (ebd.:75) gesprochen werden, da die MPn eine relativ geschlossene Gruppe bilden. Dieser schreibt sie (ebd.) eine gemeinsame grammatische Funktion zu, die weitgehend der oben in 1.1.1. beschriebenen Einstellungsbedeutung entspricht. Nach Diewald handelt es sich hier um eine »relationale Funktion« (ebd.). Wie schon mehrfach deutlich zu machen versucht wurde, kann dabei nicht von einer grammatischen Funktion die Rede sein. Als Argument für eine Obligatorisierung von MPn führt Diewald die Verwendung von nur/bloß/doch in sog. Wunschsätzen an (ebd.:76), die aber, wie ich oben zu zeigen versucht

75

Vgl. Zybatow (1990).

51 habe, hier eher semantische Gründe hat. Auch Diewald nimmt an, dass die Grammatikalisierung von MPn im Sinne der von Traugott beschriebenen Tendenzen verläuft. Außerdem geht sie von einem Desemantisierungsprozess gemäß der von Abraham (1991c) vorgeschlagenen Kette der Abstraktion von konkret lokaler zu temporaler Bedeutung und schließlich zu abstrakten Funktionen aus. In diesem Ablauf der Entwicklung sieht sie das in den verschiedenen Arbeiten von Traugott (et al.) beschriebene Zusammenspiel von metaphorischer Übertragung und metonymischen Implikaturen bestätigt (ebd.:98). Die Voraussetzung für das Zustandekommen der Implikaturen sind nach Diewald logisch-relationale Bedeutungen. Wird z.B. im Text kein Bezugspunkt für eine adversative Bedeutung für den Hörer deutlich, so implikatiert er, dass diese Relation im »pragmatischen Prätext« verankert sein muss und es kommt zu einer Reinterpretation (vgl. ebd.). Unter pragmatischem Prätext sind im Kontext zugängliche Annahmen in Bezug auf die Proposition zu verstehen. Im Fall der MP aber liegt demnach bei einer Äußerung wie (124) der pragmatische Prätext (125) vor. (124) (125)

Das ist aber nicht nett von dir! Jemand denkt, das ist nett von dir. (Diewald 1997:78)

Der pragmatische Prätext beinhaltet somit eine im Kontrast zu ρ stehende Annahme, d.h. die Annahme, dass ->p gilt. Da Diewald entsprechende Annahmen stets dem Sprecher, dem Hörer oder dritten an der Konversation beteiligten Personen zuschreibt, könnten sie auch als Einstellungen in Bezug auf ρ betrachtet werden. Sie selbst nimmt eine derartige Spezifizierung allerdings nicht vor und bleibt m.E. insbesondere mit dem Begriff »pragmatischer Prätext« in ihren Ausführungen zu vage. Für Wegener (1998) besteht neben Paradigmatisierung, Fixierung und semantischer Abnutzung auch in der phonologischen Abnutzung ein wesentliches Argument für die Annahme eines Grammatikalisierungsprozesses im Bereich der MPn. Sie sieht dies bei den MPn mal, eh und denn durch einen synchron konstatierbaren Verlust an phonologischer Substanz im Vergleich zu den heterosemen Temporaladverbien einmal, eher und dann bestätigt. So weisen mal und eh im Vergleich zu den Temporaladverbien einmal und eher Tilgung der ersten bzw. zweiten Silbe auf, denn im Vergleich zum Temporaladverb dann Reduktion des vollen Vokals zum Schwa. Auch Wegener (ebd.:43f) geht davon aus, dass die drei von Traugott beschriebenen Entwicklungsstadien des semantischen Wandels von MPn durchlaufen werden. Dabei setzt sie allerdings voraus, dass pragmatische Verstärkung als generelles Grammatikalisierungsphänomen betrachtet werden kann, was, wie ich in 1.3.1. zu zeigen versucht habe, mit der traditionellen Grammatikalisierungstheorie nicht vereinbar ist. 76 Sie veranschaulicht ihre Thesen anhand der historischen Entwicklung von denn.11 Ausgehend von temporaler Bedeutung nimmt sie eine konzeptionelle Verschiebung im Sinne von Traugott nach dem post hoc ergo propter hoc Prinzip an. Problematisch ist für Wegener (ebd.:

16

77

Außerdem betrachtet Wegener (ebd.:43) auch pragmatische »Verknüpfungsfunktionen«, wie sie z.B. Thurmair durch das Merkmal wiedergibt, als Textverknüpfungsfunktionen im Sinne von Tendenz II, was m.E. mit den von Traugott angegebenen Beispielen und Erläuterungen nicht übereinstimmt. Ohne jedoch auf die frühen bei Wauchope (1991) belegten MP-Beispiele einzugehen.

52 52), dass denn auch eine betonte MP-Variante DENN besitzt, die trotz der phonologischen Abschwächung des Vokals ihrer Auffassung nach nicht phonologisch reduziert ist. Gleichzeitig sei die betonte Variante aber syntaktisch stärker restringiert, so dass sich hinsichtlich der Grammatikalisierung ein widersprüchliches Bild ergebe. Sie geht aber dennoch auch hier von MP-Status aus und stellt die phonologische Reduktion als notwendiges Kriterium für die Grammatikalisierung von MPn deshalb zurück. Sie nimmt außerdem an (ebd.:53), dass die MPn im Verlauf ihrer Grammatikalisierung die in (123) dargestellten von Abraham (1991c) vorausgesetzten Phasen der semantischen Entwicklung durchlaufen. Ebenfalls auf Abraham (1991c) beruft sie sich bei der These, dass als historische Vorläufer von MPn ausschließlich Adverbien in Frage kämen, da nur diese mit dem Mittelfeldkriterium vereinbar seien (ebd.:42). Konjunktionen müssten dementsprechend als direkte Vorläufer von MPn ausgeschlossen werden, denn sie seien mit der Vorfeldrestriktion nicht kompatibel (ebd.:46). Gerade Konjunktionen werden jedoch von Abraham (1991c:351) ebenso wie GPn als Träger logisch-relationer Bedeutungen angeführt, die der Herausbildung von MPn notwendig vorausgehen. Dies entspricht auch dem von Traugott angenommenen Verlauf der semantischen Entwicklung. In dieser Arbeit soll gezeigt werden, dass Traugotts Tendenz I-III unter Mitberücksichtigung der von Abraham vorgenommenen Spezifizierung hinsichtlich Tendenz II sowie der Modifizierung in Bezug auf den Einstellungsträger bei Tendenz III im Verlauf der historischen Entwicklung von MPn regelhaft durchlaufen werden. Die Herausbildung temporaler Bedeutungsvarianten spielt dabei, wie ebenfalls deutlich werden soll, keine wesentliche Rolle und es spricht auch nichts dafür, dass die direkten Vorläufer von MPn prinzipiell Adverbien sind. Entwicklungen gemäß Tendenz I-III sollen als Prozess der semantischen Abnutzung betrachtet werden. Anhand der zu untersuchenden Lexeme möchte ich außerdem prüfen, inwieweit bei MPn auch phonologische Abnutzung stattfindet. Als weitere für MPn relevante Grammatikalisierungsparameter setze ich Persistenz, Dekategorisierung und (allerdings weit weniger zentral) Divergenz voraus. Außerdem soll gezeigt werden, dass die Ausbildung des Mittelfelds keine notwendige Bedingung für die Entstehung von MPn und die Relevanz des Fnhd. für deren Entwicklung entsprechend gering ist. Der Terminus Grammatikalisierung scheint für die Beschreibung der zu untersuchenden Prozesse einerseits aufgrund der (zumindest in den erfüllten Punkten vorliegenden) Analogie zu den »klassischen« Fällen, andererseits aufgrund der vorgestellten weiter gefassten Definitionen des Begriffs gerechtfertigt.

1.3.3. Zusammenfassung In diesem Subkapitel wurden zunächst die typischerweise im Verlauf von Grammatikalisierung auftretenden Prozesse dargestellt. Die Anwendung des Begriffs Grammatikalisierung auf die MPn erschien problematisch, weil in diesem Fall das Resultat potentieller Grammatikalisierungsprozesse selbst keine grammatische Funktion besitzt. Überdies hat sich gezeigt, dass mit Fixierung, Kondensation, Koaleszenz und Obligatorisierung wichtige Grammatikalisierungsparameter bei MPn offensichtlich nicht erfüllt sein können. Andererseits erschien es plausibel, dass bei MPn im Vergleich zu ihren Gegenstücken in anderen Wortarten semantische sowie z.T. phonologische Abnutzung stattgefunden hat. Auch der Begriff der Paradigmatisierung wurde als anwendbar eingestuft, da davon ausgegangen

53 werden soll, dass MPn eine eigenständige Wortart bilden, in die ein Lexem im Verlauf der historischen Entwicklung eingegliedert werden kann. Es hat sich darüber hinaus gezeigt, dass die von Hopper (1991) vorgeschlagenen Grammatikalisierungsparameter Persistenz, Dekategorisierung und Divergenz für die Beschreibung der Entwicklung von MPn geeignet scheinen. Ein weiter gefasster Begriff von Grammatikalisierung, wie ihn Traugott/König (1991) vorstellen, relativiert außerdem das Problem, dass MPn keine rein grammatischen Morpheme sind, da hier auch ein bloßer Wechsel der Kategorie abgedeckt wird. Auf den spezifischen Fall der MPn anwendbar zu sein schienen außerdem v.a. die in den verschiedenen Arbeiten von Traugott postulierten drei Entwicklungsstadien, wobei aber angenommen wurde, dass sie zumindest im Fall der MPn nicht in den Frühstadien von Grammatikalisierung auftreten. Tendenz III erschien insofern modifizierungsbedürftig, als nicht generell vom Sprecher als Einstellungsträger ausgegangen werden kann. Als dieser Entwicklung zugrunde liegender kognitiver Prozess wurde das Levinson'sche Informativitätsprinzip vorausgesetzt. Die Unterscheidung von metonymischen und metaphorischen Prozessen auf der abstrakten Bedeutungsebene wurde als nicht sinnvoll betrachtet. Im zweiten Teil des Kapitels wurden bisherige Arbeiten zur historischen Entwicklung von MPn bzw. ihrer Betrachtung unter dem Aspekt der Grammatikalisierung vorgestellt und dem in dieser Arbeit verfolgten Ansatz gegenübergestellt. Dabei ergab sich durch die Postulierung einer Entwicklung der MPn im Sinne von Tendenz I-III eine Parallele zu den Arbeiten von Diewald (1997) und Wegener (1998), die allerdings die oben angeführten Einschränkungen nicht vornehmen und diesen Phänomenen auch weniger große Relevanz zuschreiben. Von Wegener (1998) wurde die Annahme übernommen, dass MPn z.T. phonologische Abnutzung aufweisen. Als sinnvolle Spezifizierung von Tendenz II erschien außerdem die auf Abraham (1991c) zurückgehende These, dass logisch-relationale Bedeutungen die Basis für die Ableitung von MP-Bedeutungen sind. Als fraglich eingestuft wurde dagegen a. die Annahme, dass die direkten Vorläufer von MPn Adverbien sind (Meibauer 1994, Wegener 1998), b. die Annahme, dass temporale Bedeutungsvarianten für die Entwicklung der MPn eine wesentliche Rolle spielen (Abraham 1991c, Diewald 1997, Hentschel 1986, Wegener 1998) und c. die Annahme, dass die Existenz eines Mittelfelds und somit die Phase des Fnhd. für die Entwicklung von MPn entscheidend ist (Abraham 1991c, Meibauer 1994).

2. Das Bedeutungsfeld eben - halt - einfach - schlicht - glatt aus synchroner Sicht

2.1.

Einleitung

Eine der Hauptthesen dieser Arbeit ist, dass zwischen MPn und ihren Gegenstücken in anderen Wortarten eine semantische Beziehung, also Heterosemie besteht. Dies ist v.a. im Hinblick darauf interessant, inwieweit als Basis für bedeutungsminimalistische Analysen und die Postulierung von MP-Bedeutungen mögliche semantische Beziehungen zu den formgleichen Pendants der MPn in anderen Wortarten in Frage kommen. Da Heterosemie synchrone und diachrone Aspekte hat, d.h. eine etymologisch verankerte Bedeutungsbeziehung voraussetzt, die sich auf die synchrone Bedeutung niederschlägt, muss gefragt werden, wie eng die synchron zu konstatierenden semantischen Relationen noch sind. Nicht auszuschließen ist, dass ausschließlich durch die Miteinbeziehung der diachronen Entwicklung ausreichende Erkenntnisse gewonnen werden können. Setzt man Grammatikalisierung voraus, kann andererseits in der Stärke der synchron konstatierbaren Bedeutungsrelation ein Symptom für den Grad an Grammatikalisierung gesehen werden. In diesem Kapitel möchte ich deshalb die unterschiedlichen kategorialen Erscheinungsformen von eben, halt, einfach, schlicht und glatt in ihren jeweiligen Bedeutungen im Ggwd. darstellen. Es soll geprüft werden, inwieweit verschiedene Bedeutungsvarianten der untersuchten Ausdrücke synchron durch Ableitungsmechanismen miteinander in Beziehung gesetzt werden können. Bei kategorieinterner Variation bezieht sich dies auf den Aspekt der Polysemie, bei kategorieexterner Variation auf den der Heterosemie. 1 Eine wesentliche Rolle spielt die Dichotomie zwischen den »eindeutigen« MPn eben und halt und den weniger offensichtlich dieser Klasse zuzuordnenden Ausdrücken einfach, schlicht und glatt.2 Aus syntaktischer Sicht interessiert hier v.a., inwieweit sich Argumente für eine Zuordnung zur Klasse der MPn finden lassen und ob möglicherweise ein synchron noch »aktiver« Grammatikalisierungsprozess erkennbar wird. Die Ergebnisse dieses Abschnitts sollen außerdem eine alle kategorialen Erscheinungsformen der Lexeme im Ggwd. erfassende Folie für die diachrone Untersuchung bilden.

1

2

Das primäre Ziel ist dabei jedoch der Nachweis von heterosemen Beziehungen. D.h. auch kategorieinteme Bedeutungsvariation soll unter dem Aspekt eines dynamischen Ableitungsprozesses betrachtet werden, der Heterosemie zum Ergebnis hat. Der Aspekt der Polysemie findet dabei also ausschließlich im Hinblick auf die prinzipielle Ableitbarkeit der Varianten aus synchroner Sicht Berücksichtigung. Ziel der Analyse ist es somit nicht, minimale semantische Repräsentationen zu entwickeln, aus denen die verschiedenen polysemen Varianten ableitbar sind, sondern minimale semantische Merkmale herauszuarbeiten, die ein Verbindungsglied zu den Heterosemen darstellen können. Thurmair (1989:131) stellt beispielsweise fest: »Gerade an >einfach< läßt sich der Prozeß der Übertragung von der propositionalen auf die illokutive Ebene (...) und damit das Entstehen einer Modalpartikel gut zeigen.«

56 Mit eben, halt, einfach, schlicht und glatt liegt eine Gruppe von Lexemen vor, die sich dadurch auszeichnet, dass im Ggwd. jedes einzelne Element mit mindestens einem anderen durch eine synomymische Beziehung verbunden ist. Synonymie bzw. »synonymisch« ist dabei im Sinne partieller Synonymie so zu verstehen, dass die Ausdrücke in mindestens einem Typus von Kontexten gegeneinander austauschbar sind. Die Bedeutungen entsprechen sich also nicht notwendigerweise vollständig, es sind aber mehr oder weniger große Überschneidungen vorhanden. Es soll gezeigt werden, inwieweit solche Bedeutungsbeziehungen zwischen eben, halt, einfach, schlicht und glatt synchron vorliegen und auf welchen unterschiedlichen Ebenen der Bedeutung die jeweiligen semantischen Relationen zu verorten sind. Die hinter diesem Vorgehen stehende Frage ist, inwieweit synonymische Beziehungen auf der propositionalen Seite mit synonymischen oder auch nicht-synonymischen, aber sehr engen Bedeutungsrelationen auf der nicht-propositionalen Seite korrelieren. »Spiegelbildbeziehungen« sind v.a. dann zu erwarten, wenn ein in irgendeiner Form regelgeleiteter Ableitungsprozess die Herausbildung der nicht-propositionalen Bedeutungen aus den propositionalen Bedeutungen bestimmt hat. Bedingung dafür ist aber, dass die Synonymie auf der Seite der potentiellen Spenderlexeme zu Beginn bzw. während des Ableitungsprozesses vorhanden ist. Die rein synchrone Betrachtung kann deshalb kein vollständiges Bild liefern, sondern muss durch die diachrone Betrachtung ergänzt werden. Dies gilt insbesondere für die Untersuchung von eben und halt, für die aus synchroner Sicht ausschließlich eine Synonymierelation auf der nicht-propositionalen Ebene konstatiert werden kann, da ein propositionales Heterosem von halt synchron nicht existiert. Auch für diesen Teil der Untersuchung gilt, dass das sich im Ggwd. bietende Bild der diachronen Betrachtung als Folie vorangestellt werden soll. Diesem synchronen Teil der Untersuchung liegen fast ausschließlich introspektive Daten zugrunde. Dies ist deshalb unumgänglich, weil in vielen Fällen spezielle Kontexttypen untersucht werden und negative Daten eine zentrale Rolle für die Argumentation spielen. Die dafür notwendigen Belege in einem Korpus aufzufinden, würde einen m.E. nicht gerechtfertigten Arbeits- und Zeitaufwand erfordern bzw. ist im Fall negativer Daten schlicht unmöglich. Dennoch habe ich zur Unterstützung meiner eigenen Sprecherkompetenz die Mannheimer Korpora der geschriebenen und gesprochenen Sprache im Hinblick auf eben, halt, einfach, schlicht und glatt untersucht und die Ergebnisse bei der Erstellung introspektiver Daten mitberücksichtigt.

2.2. Eben und glatt - propositionaler Gebrauch

Im Bereich der propositionalen Verwendungen weist eben synchron eine relativ große Bandbreite von kategorialen Erscheinungsformen auf. Es tritt als Adjektiv, als Antwortpartikel (AP),3 als GP, als Temporaladverb und, wie ich zeigen möchte, in Kombination mit nicht als Steigerungspartikel (StP) auf.

3

Ich folge der Klassifizierung von Heibig (1988:49f.), derzufolge zu den Antwortpartikeln nicht nur solche Partikeln zählen, die als Antwort auf Entscheidungsfragen auftreten, sondern auch diejeni-

57 Das Adjektiv wird ausschließlich in seiner konkreten, gewöhnlich auf geographische Gegebenheiten bezogenen Bedeutung gebraucht. (126) (127)

In Holland fahren alle Fahrrad, weil es dort so schön eben ist. Stell die Wasserwaage auf die Tischplatte, dann weißt du, ob sie eben ist.

Eben verweist in dieser adjektivischen Verwendung darauf, dass es innerhalb der Fläche, die durch das Adjektiv charakterisiert wird, keine Erhöhungen gibt, andererseits darauf, dass diese Fläche als Gesamtheit keine Steigung enthält. Sie ist somit an allen Punkten, die sich auf ihr befinden, gleich hoch. Damit enthält die Adjektivbedeutung von eben eine empirisch begründete Identitätsaussage, die durch (128) repräsentiert werden kann, wobei f eine Funktion ist, die einem beliebigen Punkt auf einer Fläche F einen spezifischen Höhenwert zuweist. (128)

f(x) = f(y),x,yeF

Als adverbial gebrauchtes Adjektiv tritt eben z.B. in (129) auf. Auch hier kann (128) als SF vorausgesetzt werden. (129)

Der Weg läuft ganz eben dahin.

Das Temporaladverb eben kann sowohl Vorzeitigkeit als auch Gleichzeitigkeit und in seltenen Fällen sogar Nachzeitigkeit ausdrücken. Die Identitätsaussage stellt hier also eine eindeutige Parallele zur Adjektivbedeutung dar. Dennoch ist der Verweis auf Vorzeitigkeit der häufigste Fall, wobei jedoch auf einen Zeitpunkt kurz vor dem Sprechzeitpunkt referiert wird. Hier hat offensichtlich eine Ausdehnung der Gleichzeitigkeit auf einen Zeitpunkt kurz vor to stattgefunden. Beim Verweis auf Nachzeitigkeit entsprechend eine Verschiebung auf einen Zeitpunkt kurz nach t