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German Pages 206 [209] Year 1988
Volume 3/4
1987/88
Heidegger Studies Heidegger Studien Etudes Heideggeriennes
Duncker & Humblot · Berlin
Volume 3/4
HEIDEGGER STUDIES
1987/88
Editors: Parvis Emad (Chicago, IL. U.S.A.) Friedrich-Wilhelm von Herrmann (Freiburg, Germany)
Kenneth Maly (La Crosse, WI. U.S.A.) François Fédier (Paris, France)
Associate Editors: John Sallis (Chicago, IL. U.S.A.) Ingeborg Schüßler (Lausanne, Switzerland) François Vezin (Paris, France) Editorial Advisory Board: Beda Allemann (Bonn, Germany) Robert Bernasconi (Essex, England) Rudolf Bernet (Louvain, Belgium) Walter Biemel (Aachen, Germany) Heribert Boeder (Braunschweig, Germany) John Caputo (Pennsylvania, U.S.A.) Joseph P. Fell (Lewisburg, Pennsylvania, U.S.A.) Hans-Helmuth Gander (Freiburg, Germany) Gérard Guest (Versailles, France) Albert Hofstadter (Santa Cruz, California, U.S.A.) Samuel Ijsseling (Louvain, Belgium) Petra Jaeger (Düsseldorf, Germany) Dieter Jähnig (Tübingen, Germany)
Joseph J. Kockelmans (Pennsylvania, U.S.A.) David Krell (Essex, England) Graeme Nicholson (Toronto, Canada) William Richardson (Boston, Massachusetts, U.S.A.) Manfred Riedel (Erlangen, Germany) Reiner Schürmann (New York, NY, U.S.A.) Charles Scott (Nashville, Tennessee, U.S.A.) Joan Stambaugh (New York, NY, U.S.A.) Jacques Taminiaux (Louvain, Belgium) Hartmut Tietjen (Freiburg, Germany) Franco Volpi (Padua, Italy) Richard Wisser (Mainz, Germany)
Aim and Scope: Heidegger Studies is an annual publication dedicated to promoting the understanding of Heidegger's thought through the interpretation of his writings. Heidegger Studies provides a forum for the thorough interpretation of the whole of Heidegger's work (including works published during his lifetime) that is called for by the publication of his Gesamtausgabe. In keeping with its international character, Heidegger Studies publishes articles in English, German, and French. The editors of this journal welcome the submission of manuscripts that take up the serious task of interpreting and thinking through Heidegger's work. The editors especially welcome submission of manuscripts devoted to an interpretive exploration of the new texts published in the Gesamtausgabe. Die Heidegger Studien sind eine jährlich erscheinende Zeitschrift, die der Förderung des Verständnisses des Heideggerschen Denkens durch die Interpretation seiner Schriften gewidmet ist. Die Zeitschrift will ein Forum für die gründliche Interpretation von Heideggers Werk im Ganzen (einschließlich der zu seinen Lebzeiten veröffentlichten Werke) bereitstellen, deren Notwendigkeit sich aus der fortlaufenden Veröffentlichung der Gesamtausgabe ergibt. In der Tat machen Spannbreite und Bedeutung der neuen Texte, die in dieser Ausgabe erscheinen, die Heidegger Studien erforderlich. Die Heidegger Studien
Heidegger Studies
Volume 3/4
1987/1988
Table of Contents / Inhaltsverzeichnis / Table des Matières Articles: Martin Heidegger Brief an Jean Beaufret Letter to Jean Beaufret
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Steven Davis The Most Beautiful Gift
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Karin Schoeller-von Haslingen „Was ist Größe?" Eine Widmung Martin Heideggers für Kurt Bauch
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Jean-François Courtine Donner/Prendre: La main
25
Walter Biemel Zu Heideggers Deutung der Ister-Hymne Vorlesung S.S. 1942, GA 53
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George Kovacs The Ontological Difference in Heidegger's Grundbegriffe
61
Hans-Helmuth Gander Martin Heidegger und Erhart Kästner Anmerkungen zu einem Gespräch im Wegfeld von Dichten und Denken
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Rudolf Bernet Die Frage nach dem Ursprung der Zeit bei Husserl und Heidegger
89
Essays in Interpretation: On Reading and Translating Sein und Zeit: A n Editorial Note
107
Table of Contents / Inhaltsverzeichnis / Table des Matieres François Vezin La traduction comme travail phénoménologique Translation as Phenomenological Labor Übersetzung als phänomenologische Arbeit
109 123 139
Pierre Jacerme A propos de la traduction française de Être et Temps
155
List of Already Published Volumes of the Gesamtausgabe
201
List of the Addresses of the Contributors
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Brief an Jean Beaufret© Martin Heidegger Freiburg, den 22. II. 75 Lieber, im Herzen und der Sache des Denkens getreuer Freund, herzlichen Dank für die zwölf Antworten auf die zwölf Fragen, die Ihnen von den beiden gewiss jüngeren Freunden gestellt wurden. Diese selbst schickten mir ein Exemplar des Textes mit einem Zitat aus der Dichtung von St. George, das ich bisher nicht kannte. Ich habe ihnen mit meinem Bild und einem kurzen Begleitwort gedankt. Die Frager haben am Beginn ihrer Einleitung eine ungewöhnlich treffende, schöne Charakteristik von J. B. gegeben. Wer und wo sind die beiden Fragenden, deren Namen ich bisher nie gehört oder gelesen habe? Sie selbst aber müssen bei der Niederschrift Ihrer Antworten mit einer besonders günstigen Sammlung und Wachheit des Denkens beschenkt gewesen sein. Ihr Gesagtes ist so frei und frisch, so entschieden wie geistreich, so einfach und stets am Wesentlichen bleibend, dass jeder Leser Ihnen für diese Hilfe zum Nach-denken danken wird. Wo ist dieser Text gedruckt und erschienen? Alle Antworten sind erhellend. Aber ich möchte besonders n. 3-4, ebenso n. 10 und 11 hervorheben, weil gerade sie das fragendere Fragen wecken und fördern. So haben die Hinweise auf die Kehre in der Bestimmung der Seinsvergessenheit und auf das Durchhalten derselben Frage in Sein und Zeit wie in der „Topologie des Seins" ihr eigenes Gewicht. Aber n. 10 und 11 über die Poesie und über das Wesen der Technik sind das eigentliche Meisterstück des Ganzen. Ich kenne nichts, was hinsichtlich der Durchsichtigkeit und der Dichte des Sagens damit vergleichbar wäre. Eine Gefahr allerdings bleibt bei solchen Antworten bestehen: dass der flüchtige Leser zu der Meinung kommt, nun wisse er endgültig über die „Philosophie" Heideggers Bescheid, während im Gegenteil jetzt erst das rechte Fragen beginnen muss; zum Beispiel die Frage nach dem Verhältnis von Technik, Sprache, Dichten und Denken. Die steigende Herrschaft der Linguistik und der Informatik droht die Bemühungen des Denkens und des Dichtens und deren grosse Überlieferung aus dem Gesichtskreis der Menschen zu vertreiben, sodass sie nur noch unbekannte Inseln bleiben. Wie diesem Geschick, und ob jemals, zu begegnen sei, weiss ich ι
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nicht. Dies ist freilich kein Grund, von den genannten Bemühungen im geringsten abzulassen. Es gilt vielmehr inständig im Denken zu versuchen, ein wenngleich fernes Echo zu werden für das im Wort des Parmenides Gesagte. Nur auf diese Weise wird die Gegen-Wart des Anfangs für den Weg-Blick des Denkens gerettet. Dagegen bleibt für das Rechnen des historischen Vorstellens die Philosophie der Griechen endgültig ein Vergangenes. Darum behält die Parmenides-Interpretation ihr einzigartiges Gewicht. Sie sollten diese Arbeit möglichst bald wieder aufnehmen. René Char schickte mir vor wenigen Tagen ein sehr bedeutsames Gedicht Orion (1975). Seinem Gruss lag eine Ansichtskarte von Malaucène bei; dort waren wir doch bei meinem letzten Aufenthalt in der Provence und vor allem auf der Fahrt von meiner Frau und mir mit Ihnen. Wir machten dort Rast, bevor wir von der Nordseite her auf den Mont Ventoux gelangten. Wir leben sehr zurückgezogen in diesem seltsamen Winter in unserem Alterssitz. Dahin möchten wir Sie einladen und zwar zum 1. April (Osterdienstag) bis Freitag abend oder Samstag früh, je nachdem wie mein Befinden ist; denn ich muss mit meinen Kräften sparsam umgehen. Wir grüssen Sie herzlich in alter Freundschaft und freuen uns auf das Wiedersehen. Ihr Martin Heidegger Freundliche Grüsse an alle Freunde und an die beiden Fragenden. © Dr. Hermann Heidegger, der Sohn und Nachlaßverwalter Martin Heideggers, hat freundlicherweise der Veröffentlichung dieses Briefes in den Heidegger Studies zugestimmt.
Letter to Jean Beaufret Martin Heidegger Freiburg, February 22, 1975 Dear and true friend, both in heart and in the matter of thinking, Heartfelt thanks for the twelve answers to the twelve questions that were posed to you by the two younger friends. They themselves sent me a copy of the text, with a quotation from Stephan George that I had not hitherto known. I have thanked them, sending along a picture of me and a short note. A t the beginning of their introduction the questioners have given an unusually striking and beautiful characterization of Jean Beaufret. Where and who are the two questioners, whose names I have not hitherto heard or read? You yourself, however, must have been blessed with an especially favorable gathering and awakening of thought as you were putting down your answers. What you said is so free and fresh, so decisive as well as rich, so simple while yet staying with what is essential, that every reader will thank you for this aid to reflection [Nachdenken]. Where has this text appeared? All the answers are illuminating. But I would like to emphasize especially numbers 3 and 4, as well as numbers 10 and 11; for it is precisely these that awaken and further deeper questioning. It is in this way that the references to the turn in the determination of the forgottenness of being and to the perseverance in the same question in Being and Time as in the "topology of being" have their proper weight. But numbers 10 and 11, on poetry and essence of technology, are the real masterpieces of the whole thing. I know of nothing that is comparable to it, with regard to the clarity and conciseness of its expression [Sagen]. However, a danger remains with such answers: that the superficial reader will come to believe that now he finally knows all about the "philosophy" of Heidegger, whereas, on the contrary, the proper questioning must now first begin—for example, the question about the relationship of technology, language, poetizing, and thinking. The ascending dominion of linguistics and of the information sciences threatens to drive the efforts of thinking and poetizing and their great tradition out of human eyesight, so that they will only remain as unknown islands. How
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and whether ever this destiny can be countered I do not know. Of course, that is no reason in the least to give up such efforts. Rather what is urgent upon us is to attempt in thinking to become an echo, even when distant, for that which is said in Parmenides' saying. Only in this way will the presence [Gegen-Wart] of the beginning be saved for the look away [WegBlick ] of thinking. In contrast to that, for the calculation of historical representation, the philosophy of the Greeks remains once and for all something in the past. For that reason the Parmenides-interpretation retains its unique weight. You should take this work up again as soon as possible. A few days ago René Char sent me a very significant poem, Orion (1975). Enclosed with his greetings was a postcard of Malaucène. We were there during my last stay in the Provence and above all on the trip that my wife and I made with you. We stopped there before we arrived on Mont Ventoux from the North. We are living quietly in our retirement home during this strange winter. We would like to invite you here for the first of April (Easter Tuesday) until Friday evening or early Saturday, depending on my condition—for I must be careful with my energies. We greet you warmly from out of our long friendship and are looking forward to seeing you again. Yours Martin Heidegger Friendly greetings to all friends and to the two questioners. Translated by Steven Davis
The Most Beautiful Gift Steven Davis The title comes from Heidegger. 1 It is what he says of those questions, essential questions, that occasion a renewed meditation on the part of one who thinks. One is struck by the simplicity and uncomplicated character of the questions, questions which were posed by others but that match the style of Heidegger himself. They are unadorned and direct, not to mention penetrating, in their going to the heart of those issues that must concern every reader of Heidegger. In view of this and as a model, they bear repeating: 1. Who were you, Jean Beaufret, before you found experiencing yourself turned towards Heidegger's thought? 2. In what way does the putting of metaphysics into question recover for Heidegger the making of time itself the fundamental question? 3. Why did Heidegger not adhere to his initial project by publishing the Second Part of Being and Time , which he nevertheless had announced in 1927? 4. But why, from the beginning to the end of Heidegger's thought, this return to the Greeks? 5. What do you mean when you write that Heidegger's work, [l'oeuvre] in its way and for the first time, responds to Rimbaud's impatient utterance "To possess the truth in one soul and one body"? 6. A commentator has said that Heidegger's thought, which appeared under nascent Nazism, raised a political question without respite up to the present time. What do you think of that? 7. Nevertheless, is not Heidegger considered as the enemy of rationalism? And does he not interpret the course of history in an unusual way as decline? 8. It is still puzzling that in our world, so anxious to define a table of values for itself, that Heidegger would strike at the validity of the very concept of value . . . . 9. In your eyes does archaic Greece have another attraction than that of having been the birthplace of philosophy? 10. Why has Heidegger asked himself about poetry? What is the originality of his investigation in relation to contemporary linguistics? 11. Wherein does Heidegger's questioning concerning technology differ from that of Marx? 12. What relation between occidental philosophy and oriental thought is possible today?2
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Although a simple listing of these questions loses some of the connection between them, it still preserves the elemental force that derives from their simplicity and concern with those issues that must always engage one who comes to Heidegger with the intention of understanding the path of his thought. A n overview of them discloses the following key matters for thought: 1. the relationship of metaphysics and time; 2. the reason for the suspension of the publication of the Second Part of Being and Time ; 3. the reason for Heidegger's return to the Greeks; 4. the relevance of politics for Heidegger's thought; 5. the relation of his thought to rationalism; 6. the relation of the history of being to history as progress; 7. the status of any ethics that would employ the concept of value; 8. the question of poetry's significance for Heidegger and thinking; 9. the nature of Heidegger's understanding of technology and how it differs from others, most notably that of Marx; 10. the possibility of a dialogue between Western philosophy and Eastern thought. Singled out in this manner, these issues reflect almost all of those concerns, in one way or another, that occupy interpreters of Heidegger's thought. Of course — and this is the reason for first providing a translation of the questions — such a list does nothing to convey the salutary form in which they are presented for thought. But let us leave that issue to the side for the moment — or at least put it at the periphery — and consider only four of the above questions, those dealing with Being and Time , the Greeks, poetry, and technology. The answers to these are especially noteworthy, as Heidegger himself notes: All the answers are illuminating. However, I would like to emphasize especially numbers 3 -4, as well as numbers 10 and 11, for it is precisely these that awaken and further deeper questioning. It is in this way that the references to the turn in the determination of the forgottenness of being and to the perseverance in the same question in Being and Time as in the "topology of being" have their proper weight. But numbers 10 and 11, poetry and the essence of technology, are the real masterpiece of the whole. I know of nothing that is comparable to it, with regard to the clarity and conciseness of its expression [Sagen] 3. What is it that Beaufret has to say about the "turn" and how Heidegger held to the same question throughout, from Being and Time to the topology of being, not to mention what he has to say about poetry and technology? According to Beaufret, the Second Part of Being and Time was never published because of something that became clear after and through the first two divisions of the First Part. The project was to understand being against or upon
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the horizon of time, i. e. in terms of time and not as beyond time. The temporality of being was what the tradition had forgotten, not necessarily being itself. But the problem became this: that the forgottenness did not simply issue from the side of Dasein; it was not simply, in other words, a forgottenness of being in the objective genitive sense. Rather, Heidegger came to see that the forgottenness of being had to be understood also and primarily in a subjective genitive way; that is to say, the forgottenness of being had to be seen as issuing from being itself, from something peculiar to being itself, wherein being withdraws itself at the same time that it discloses itself in beings. But this means that the question of the meaning or truth of being must be approached differently than if it were simply a matter of Dasein's never before having raised the question in the way that Heidegger does. There must be something about being that still needs elucidation, if we are to understand it as fully as possible. More specifically, it became a matter of seeing the withdrawal of being in its temporal and historical character, i. e. not as the history of events but as the event of history in the form of the withdrawal of being. What made possible this meditation on being as withdrawal is presented in the essay "On the Essence of Truth," first delivered three years after the publication of Being and Time and published in 1943 after many revisions. It was here that the turn {le virage ) took place, and this is why Beaufret says that in this short text one finds the filigree of all later work of Heidegger. 4 It is decisive, however, to realize that this turn was not in any way a rejection of Being and Time or a leaving of it behind in such a way as to go on to what would follow it. Rather, Heidegger's later work was a return to the place {topos) of being that had been approached in Being and Time , that place that had made its first appearance {début) there, and hence the attempt at finding the place of being issued in the return to the Greeks, the premiere topologists of being. But, of course, Heidegger did not only return to the Greeks. He also, in his later work, examined poetry as the equal of philosophy (or thinking) — something no less outrageous for those who would subsume not only poetry but all art under a branch of philosophy (namely, aesthetics) than his return to the Greeks was baffling for those who see only a progress of philosophy throughout history, so that we have long ago left the Greeks behind us. When asked why Heidegger questioned poetry, Beaufret gave the simplest answer possible: "why not?" 5 As Beaufret points out, philosophy had been examining poetry and art for two-hundred years, so why not investigate them? The problem was not that Heidegger thought them worthy of consideration, but that he took them seriously — so seriously that he was willing to grant them autonomy, something that metaphysics in its drive to classify and master all forms of "knowledge" could neither understand nor allow. Heidegger's questioning of poetry was not one that wanted to rejuvenate aesthetics, which attempts to give a metaphysics of beauty and the work of art in such a way that their primary object is to delight, indeed in such a way that the
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poet and the artis are transformed into confectioners whose main purpose is to satisfy our sweet-tooth. What ist completely forgotten in such an approach — and here we return to the Greeks in yet another dimension — is that for the Greeks the beautiful was the way in which being showed forth in this world. With regard to poetry in particular, modern linguistics completely misses this when it interprets poetry as merely another form of language wherein there is a system of signs that symbolically designates something else; in other words, linguistics understands poetry and what it "speaks about" just as it does the relation between any use of language and what is spoken about "in it": it understands it as the relation of signifier and signified. As aesthetics, linguistics is metaphysical in character; and this is displayed in no greater way than when it treats language and poetry as forms of assertion or simply as tools to talk "about something." By doing so, the unconcealing and creative character of language in the Greek sense ofpoiesis is covered over and lost. Its power for naming, thereby allowing us to see something that otherwise would remain concealed, is precisely this power that thinking must take into account if it wants to understand even itself. For thinking in its guise of philosophy has traditionally understood itself at least partially in terms of its contrast to and subordination of poetry, and both of these moves are radically called into question in Heidegger's thought (not to mention in that of Nietzsche and some of our contemporaries). But the area of poetry is not only one that becomes questionable and, along with it then, philosophy. In a similar way, science and technology as modes of uncovering come into question; and since philosophy has traditionally distinguished itself from such "practical" disciplines as technology as being theoretical, it must also and again make itself available for questioning about its status. The usual picture of the sciences is that they have made progress since the time of the Greeks — admittedly with some regressions but, at least since the time of the Renaissance and Descartes, with more or less steady advances. The problem with this view is that modern science is radically different from ancient "science," so much so that to speak of anything approaching a unilinear development is impossible in principle. It is true that the Greeks viewed theoretical knowledge with regard to praxis as well, but there are two related and radical differences between their "science" and ours: 1.) Greek science was optically oriented, ours mathematically, and 2.) their praxis was not meant to dominate the world but to respond or correspond to it. Hence, in its very essence modern science is not comparable with ancient "science," and therefore it cannot be seen as a simple improvement upon it. However, that does not mean that the roots of modern science and technology do not find their source elsewhere than in Descartes. Indeed, the source of technology is none other than the Greek techne , although of course techne had another significance for the Greeks than for technology. Techne , as the decisive form of knowledge in the rapport of man to the world, and from which theoria as well as praxis take their point of departure—this techne becomes reversed with the " I " of Descartes and the modern subject-object distinction: technology
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becomes the science of how to make, to force, the world to respond to man6. In other words, technology is not to be viewed, as traditionally thought, as the application of theory to practice but as their source. But what, then, is the essence of technology? " . . .concerning techne Aristotle tells us that it is, in its essence, rapport with that which the Greeks called aletheia ,"7 This, of course, is not the truth of the Romans, the Middle Ages, or the Modern Period, i.e. the truth of agreement of adequation of thought (or proposition) and object, which the Greeks already knew and called homoiosis. 8 But how are aletheia and techne , not to mention theoria and praxis , to be understood? Just as Heidegger has done, so we too must bring the discussion up to its proper level, i. e. one that accords with the Greek language — with its words that say too much but have not yet been heard, let alone understood. Our history rests with them. Indeed it has no other source than these Greek words — a source that has been forgotten and taken for granted, as has so much else in our technological age, which fosters a lack of discernment in its reducing all things to mathematical and orderable uniformity. This uniformity requires no essential distinctions and no thought beyond calculation. But the latter thinking, issuing as it does from theoria as philosophy, is incapable of understanding itself; for it has already decided the issue with its opposition of theoria and praxis and its placing of itself in the former. The calling into question of the relation of theoria and praxis through the question of the essence of technology calls philosophy itself radically (i.e. in its very roots, historically and essentially) into question. What is necessary is a renewed meditation {Besinnung) on those words that say too much — and for that a return to the Greeks is demanded. But then we return to where we began — Being and Time and the need for a topology of being among the Greeks — and it becomes clear why Heidegger singled out the questions and answers that he did. It is not only that the questions are well formulated and to the point; likewise, it is not only because Beaufret's answers are clear and concise; nor is it because any one issue in any particular exchange is more important than those dealt with in the answers not singled out by Heidegger. Rather, what most of all distinguishes the four questions and answers is the way in which they show Heidegger's path of thinking and the reasons for its various stations along the way. What is most evident is the rootedness of his thought in Greek thinking, so much so that one might almost maintain that his "return" to the Greeks was inevitable if the question of being were to be asked in the most thoughtful manner, for it is there that our thought (or lack thereof) of being finds its arche , one that determines us down to the present, including technology and our "relation" to it. The return from Being and Time to the Greek is not a "return to" but a re-turn in the sense of a turning towards in order to recover what has long been buried and forgotten, not in order to repeat it nor to surpass it but rather in order to see it for the first time — to see for the first time that which is more originary than the traditional theoria praxis dichotomy that is supposed to be able to explain the essence of technology which dominates our age and more originary than the usual distinction of
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philosophy and poetry, with the explanation of the latter by the former. In other words, what is to be seen for the first time is aletheia and its import for the relation of thought to being as the withdrawal of that which grants what is to be thought. To put it most succinctly and in a form that reveals the supreme difficulty of what is demanded in the thinking of being: the task is to think the lethe at the heart of aletheia, the source at the forgottenness (and, in our age, the oblivion) of being. Of course, the latter is anathema to calculative and technological "thinking," for such a task acknowledges something beyond the orderable, something beyond its reach. But there is also another, not totally unrelated, way of thinking that also has difficulty with such a task, indeed is inimitably opposed to it although it seems to be its ally. It is that way of thinking that would, after having "understood" Beaufret's answers, then know all about Heidegger's "philosophy." 9 But such a position is not possible if one takes seriously the radically questionable character of the issue at the center of Heidegger's thought. It is not simply a matter of its being too complex to be summarized — in that case, it would only be an accidental feature of his thought. What is crucial is to see that the questionableness of the issue for thinking renders that thinking itself, when it truly follows what is at issue for it, questionable. It is the virtue of Beaufret's answers — which are disarmingly simple if one allows them to be — that, when read closely, they allow the questionable character of Heidegger's thought to remain at the same time that they provide a few essential signposts along the way. Simple questions — simple answers. But thought-provoking nevertheless, especially if we take seriously the lines from Stefan George affirmed at the beginning of Douze Questions : Lang ist gang in gleicher spur: Was ihr denkt und lernt und schafft ... Doch des götter-rings verhaft Dauert einen sommer nur! 1 0 Notes 1
Eryck de Rubercy and Dominique Le Buhan, Douze questions posées à Jean Beaufret à Propos de Martin Heidegger (Paris: Aubier Montaigne, 1983), p. 8. 2 Ibid., pp. 17-69. The questions are to be found on these pages, interspersed with Beaufret's answers to them. 3 Ibid., p. 74. 4 Ibid., p. 28. 5 Ibid., p. 57. 6 It is worth noting here that the concern with establishing a set of values in order to, among other things, guide us in our "use of technology" is not the solution to that problem or any other facet of ethics, for the concept of value is based upon the same foundation as technology insofar as it has its roots in Descartes (ibid., pp. 47 - 52). It stems from the same optical and representational view, not to mention its origin in the subject-object dichotomy that rules modern thought down to the present day and that would, through
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the subject, augment its power through the positing of values that serve its dominion. On this see also H. Mongis, Heidegger et la critique de la notion de valeur (LaHaye, 1976) and Parvis Emad, Heidegger and the Phenomenology of Values (Glen Ellyn: Torey Press, 1981), especially "Chapter Two: Heidegger on the Question of Value," pp. 49-105, and "Chapter Four: The Overcoming of Value," pp. 153-171. 7 8 9 10
Ibid., p. 64; cf. also Aristotle's Nicomachean Ethics 1140al0 and 1140a21. Ibid. Ibid., p. 74. Ibid., p. 7.
„Was ist Größe?" Eine Widmung Martin Heideggers für Kurt Bauch
Karin Schoeller-von Haslingen
Zu Beginn der „Wegmarken", dem 9. Band der Gesamtausgabe Martin Heideggers, erschienen 1976 im Todesjahr des Philosophen, gedenkt dieser seines verstorbenen Freundes Kurt Bauch mit den Worten:
Kurt Bauch zum Gedächtnis In der gegenseitigen Teilnahme an den kunsthistorischen und philosophischen Vorlesungen und Seminaren gründete und bewährte sich unsere fruchtbare Freundschaft. Die Fordernis durch ein gesammeltes Miteinander des fragenden Denkens bestimmt mich, diesen Sammelband von Arbeiten — eine Reihe von Aufenthalten im Unterwegs der einen Seinsfrage — dem verstorbenen Freund zu widmen.
M. H. Von dieser langjährigen, engen Freundschaft zeugt auch ein kleines Bändchen der Insel-Bücherei, „Größe, Glück und Unglück in der Weltgeschichte" von Jakob Burckhardt, das Martin Heidegger Kurt Bauch 1937 zu Weihnachten schenkte. Die Worte, die Martin Heidegger Kurt Bauch in diesem Buch widmete, lassen das Miteinander des fragenden Denkens der Freunde zum Vorschein kommen. Die Widmung lautet:
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Karin Schoeller-von Haslingen
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Da die deutsche Schrift, in der Martin Heidegger zu schreiben pflegte, manchem Leser nicht mehr vertraut sein mag, sei der Text in der heutigen, lateinischen Druckschrift wiederholt: Was ist Größe? Die in einem durch sie selbst gegründeten Grund sich verwurzelnde Errichtung des Seyns, dem entspringen muß, was seiend werden will und dem Unseienden ein Anstoß bleiben muß. Kurt Bauch zu Weihnachten 1937 Martin Heidegger©
»Was ist Größe?"
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Dem in dieser Widmung Gesagten versuchen wir nachzudenken. Heidegger fragt: „Was ist Größe?" U m der Antwort auf seine Frage folgen zu können, ist es ratsam, zunächst Klarheit darüber zu gewinnen, was Größe in unserem gewohnten Sprachgebrauch heißt. Dieses Wort spricht in verschiedenen Bedeutungen. Größe kann die quantitative Bezeichnung für den meßbaren Umfang und die Ausdehnung von etwas sein. Beim Messen lassen wir uns die Dinge im Hinblick auf das Wieviel ihrer Ausdehnung entgegenstehen. Wir legen den gewählten Maßstab an und zählen das Wievielmal dieses Maßes. Sofern von alters her der Schritt als ein Maßstab gilt, setzen wir Schritt vor Schritt. Die Maßzahl der Schritte ergibt die Größe. So kann Kant sagen: „Den Begriff der Größe [...] kann niemand erklären als etwa so: daß sie die Bestimmung eines Dinges sei, dadurch, wie vielmal eines in ihm gesetzt ist". 1 Eine besondere Bedeutung hat Größe in der wissenschaftlichen Sprache, wo sie als Fachausdruck der Mathematik, und zwar als Übersetzung für quantitas, gebraucht wird. „Quantitas, eine Größe, heißet in der Mathematik alles, was sich vermehren und vermindern lässet."2 Größe spricht aber nicht nur als Quantität, sondern auch im Sinne von inneren Maßverhältnissen, bezogen ζ. B. auf Geburt, Stand und Macht, Begabung, Können und Leistung des Menschen. Ebenso nennt sie geistige und gemütsmäßige Qualitäten, wie wir ζ. B. von der Größe des Herzens sprechen. Auch kennzeichnet sie die innere Hoheit, Erhabenheit und Würde des Menschen. Noch weiter gedacht steht das Wort Größe in Verbindung mit Gott. „Der Herr ist groß [...] und seine Größe ist unaussprechlich" (Psalm 145,3). Aber auch den Dingen kann qualitative Größe zugesprochen werden. So spricht man von einem großen Wein, von der Größe einer Sache oder der Größe eines Werkes. Finden wir nun eine dieser Bedeutungen von Größe in der Antwort Heideggers? Nein. Wir sehen uns vielmehr in seiner Widmung vor etwas uns Fremdes, Unverständliches gebracht. Größe wird hier als die Errichtung des Seyns genannt. „Seyn" ist uns heute in dieser alten Schreibweise nicht mehr vertraut. Wir kennen dafür das Wort „Sein" und verstehen es gewöhnlich im Gegensatz zum Nichtsein. Damit etwas sein kann, bedarf es im Christentum der Schöpferkraft Gottes. Ist Größe demnach in der Widmung Heideggers die Größe Gottes und gründet sie in dessen Macht? Offensichtlich nicht, denn Heidegger sagt, daß die Errichtung des Seyns in einem durch sie selbst gegründeten Grund wurzelt. 2 Heidegger Studies, Vol. 3/4
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So erkennen wir, daß wir mit unserem gewohnten Sprachgebrauch und den geläufigen Vorstellungen nicht an das heranreichen, was Heidegger uns in seinen Worten sagt. Daher müssen wir, um seiner Weise des Sagens folgen zu können, aus dem Bereich unseres gewöhnlichen Denkens und Sprechens herausspringen in die Besinnung auf das, was Heidegger in seinem Denken in einziger Weise erfahren und ins Wort gebracht hat. Heidegger schreibt Sein nicht zufällig mit „ y " und will dabei auch nicht der alten Schreibweise treu bleiben, sondern möchte uns sagen, daß dieses Wort anders zu verstehen ist als in unserem gewöhnlichen Denken und sogar auch anders als im bisherigen Denken der Philosophie. Denn von alters her wurde in der Philosophie nach dem Sein gefragt, aber immer nur nach dem Sein des Seienden. So verstanden die Griechen das Sein des Seienden als Anwesenheit. Da im Mittelalter die Philosophie von der Theologie her bestimmt wurde, war das Sein des Seienden in dieser Zeit die Geschöpflichkeit. Im gegenwärtigen Zeitalter nun, wo die Dinge zu Gegenständen geworden sind, wird das Sein des Seienden als Gegenständigkeit gesehen. Schon Aristoteles sagte, daß das Seiende in mannigfacher Weise ausgesagt werde. Dieser Satz des Aristoteles war für den jungen Martin Heidegger bereits 1907 der Anstoß zu der Frage: „Welches ist denn die Einheit dieser vielfachen Bedeutungen von Sein, was heißt überhaupt Sein?"3 Diese Frage fragt nicht mehr nach dem Seienden hinsichtlich seines Seins, sondern nach dem Sein als solchem. Im Unterwegs dieser einen Seinsfrage ging Heidegger zurück bis in den Anfang des abendländischen Denkens bei den frühen Griechen Anaximander, Heraklit und Parmenides. Von ihnen wurde Sein als Anwesen erfahren. Doch was heißt Anwesen? Anwesen ist hier nicht als Substantiv, sondern verbal zu verstehen. Wesen, althochdeutsch „wesan", bedeutet währen, weilen. Dies jedoch nicht als das bloße Andauern. An-wesen heißt hervor-währen aus der Verborgenheit und herbei-, an-währen in die Unverborgenheit. Die Griechen nannten es φύσι ς. Verständlich wird es uns am Aufgehen eines Samenkorns oder am Sichöffnen einer Blüte, φύσι ς ist das entbergende Hervorgehen und Sichentfalten. Als entbergendes Aufgehen aus der Verborgenheit ist φύσι ς stets auf Verbergung angewiesen und bleibt in dieser geborgen. Nur aus Verborgenheit ist Aufgehen möglich. Die Verborgenheit gewährt dem Aufgehen sein Wesen, das Aufgehen aber läßt die Verbergung als solche sein. Im Fragment 123 sagt Heraklit in der Übersetzung Heideggers: „Das Aufgehen dem Sichverbergen schenkt's die Gunst." 4 „Die Gunst ist hier das wechselweise Gönnen der Gewähr, die ein Wesen dem anderen gibt, in welcher gegönnten Gewähr die Einheit des Wesens verwahrt ist, das mit dem Namen φύσις genannt wird. Diese denken wir erst dann und nur dann, wenn wir sie aus der ursprünglich einigenden Einheit der Gunst denken." 5
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Das, was die Griechen φύσι ς nannten, haben sie nicht zunächst von den Naturvorgängen, wie ζ. B. am Aufgehen eines Samenkorns, abgelesen, sondern nur weil sie im vorhinein in der Erfahrung des Waltens der φύσις als dem reinen Aufgehen und Scheinen gestanden haben, konnten ihnen die Naturvorgänge in der Weise ihres Hervorgehens und Sichentfaltens sichtbar werden. Denn „die φύσις nennt das, worinnen zum voraus Erde und Himmel, Meer und Gebirg, Baum und Tier, Mensch und Gott aufgehen und als Aufgehende dergestalt sich zeigen, so daß sie im Hinblick darauf als feiendes 4 nennbar sind." 6 Im Walten der φύσις kann ein jegliches aus dem Verborgenen ins Unverborgene aufgehen und so erscheinen und also sein. φύσι ς ist für die Griechen das Lichte im Sinne des Hellen, in dessen Scheinen ein Erscheinen und Sichzeigen von Seiendem allererst möglich ist. So kann der Dichter Pindar (Isthm. V.) die φύσις das Gold nennen, das alles im voraus durchglänzt und so ins Unverborgene seines Erscheinens birgt. 7 Denn die φύσι ς durchwaltet alles Erscheinende, so daß dieses im Unverborgenen stehen und ein Seiendes sein kann. Das Aufgehen selbst jedoch, das alles Erscheinen gewährt, schenkt dem Sichverbergen die Gunst und wird nie ein Erscheinendes unter anderen. Denn wie könnte das Aufgehen sein Wesen als Erscheinenlassen und Entbergen bewahren, würde es selbst ein Seiendes? So ist das Wesen des Aufgehens die Entbergung aus dem Verborgenen und Verhüllten in die Unverborgenheit, griechisch άλήθεια. Im Aufgehen öffnet sich Unverborgenheit und nur in der Unverborgenheit kann Aufgehen geschehen. Aufgehen und Unverborgenheit müssen wir ineins denken. Parmenides nennt im Fragment 1 ,das nichtzitternde Herz der Unverborgenheit'. 8 Es ist das „Anwesend: Anwesen selbst". 9 Anwesen, d. h. Aufgehen, west an in der Unverborgenheit. „Dies, das Anwesend-Anwesen selbst durchstimmt die schicklich es entbergend umkreisende Unverborgenheit." 10 Das Sichöffnen der Unverborgenheit für das Anwesen des Anwesenden ist Entbergung, άλήΟει α. Aus der Erfahrung der αλήθεια als dem Ursprung alles Seienden spricht das Dichten und Denken der Griechen. Das Wissen darum war ihnen so vertraut, daß sie daraus zu sagen vermochten, den Wesensgrund der άλήΟεια aber nicht mehr eigens bedachten. Heidegger versucht nun, diesen anfanglichen Wesensgrund und damit das, was er das Seyn nennt, ans Licht zu heben. Der griechische Dichter Sophokles nennt das noch nicht Erschienene das Unoffenbare. Dementsprechend ist das Offenbare das in die Unverborgenheit Aufgegangene. Auch die griechischen Denker sagen oft statt zum Erscheinen bringen, ins Offene beistellen. „/« der Unverborgenheit west die Offenheit." „Unverborgenheit meint das aufgehende Hervortreten, die Anwesung ins Offene." 12 Wie kann etwas aufgehen und sich zeigen, wenn nicht Offenheit waltet, in der ein Erscheinen von Seiendem erst möglich ist? Auch wenn die Griechen dies nicht eigentlich bedacht haben, so klingt es doch meist in ihrem Sagen mit an. Und nur weil Offenheit im Wesen der Unverborgenheit waltet, konnte sich ihnen die φύσις in der Durchsichtigkeit des Lichtes und der Helle 2*
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zeigen. Das Durchsichtige ist das Offene, Freie, das der Blick des Auges durchmessen kann. Heidegger nennt dies Offene und Freie die Lichtung. Das Wort „Lichtung" hat nichts mit dem Adjektiv „licht" gemeinsam, das „hell" bedeutet, sondern geht auf das Verb „lichten" zurück. „Etwas lichten bedeutet: etwas leicht, etwas frei und offen machen, ζ. B. den Wald an einer Stelle frei machen von Bäumen. Das so entstehende Freie ist die Lichtung." 1 3 Das Licht als die Helle setzt das Offene der Lichtung voraus, um scheinen zu können. „Der Lichtstrahl schafft nicht erst die Lichtung, die Offenheit, er durchmißt sie n u r . " 1 4 Nicht das Lichte als das Licht und die Helle, sondern das Lichte im Sinne des sich öffnenden Offenen, in dem das reine Aufgehen west, ist daher das Sein selbst. „Das Offene, in das jedes Seiende als in sein Freies befreit ist, das Offene ist das Sein selbst," Doch Sein gibt es bei Heidegger nie für sich allein. Sein braucht das vernehmende Wesen des Menschen, das selbst gelichteter Natur, d. h. offen ist für das Anwesen all dessen, was im Offenen der Lichtung erscheint und sich ihm zeigt. Der Mensch ist der vom Sein Gerufene für das Sein. „Einzig der Mensch unter allem Seienden erfährt, angerufen von der Stimme des Seins, das Wunder aller Wunder: daß Seiende ist'' 16 Das „es ist" ist das im Sichöffnen der Lichtung gewährte Anwesen des Anwesenden. Im Blick auf dieses kann dem Menschen Seiendes als Seiendes erscheinen und in seinem offenen Vernehmen aufgehen. „Der in die Lichtung wesenhaft Blickende ist in die Lichtung gelichtet. Sein Stehen ist ein aufgehendes Hinausstehen in die Lichtung." 1 7 Heidegger nennt dies aufgehende Hinausstehen in die Lichtung, worin das Wesen des Menschen beruht, die „Inständigkeit". 18 In ihr spricht das innige Gehören und Eingelassensein in die Lichtung des Seins. Auf Grund unseres Wesens als der Inständigkeit können wir die Lichtung des Seins nie ins Gegenüber zu uns stellen wie einen Gegenstand. Sein ist kein Gegenstand, es ist ein Geschehen, in dem wir innestehen und so in unserem Wesen aufgehen. Da die Lichtung des Seins aber nicht nur eitel Offenheit ist, sondern zu ihr die Verborgenheit gehört — einzig aus der Verborgenheit ist ein Sich-öffnen und Aufgehen möglich —, entzieht sie sich selbst und verbirgt sich dem Menschen. Dieser hält sich dann nur noch an das, was im Offenen erscheint, an das Seiende. Er vergißt das Sein, das ihm alles Seiende erst zugänglich macht, und verkennt dabei sein eigenes Wesen. Aus dieser Seinsvergessenheit heraus erfährt dann der Mensch das Seiende nicht mehr als Seiendes, d.h. in dem daß es ist. Das Seiende bleibt ihm als Seiendes verborgen und wird stattdessen zum Fraglosesten und so Gewöhnlichen und Selbstverständlichen und als dieses zum Maßgebenden. Wenn jedoch inmitten des Seienden eine offene Stelle aufgeschlagen wird, „in deren Offenheit alles anders ist als sonst" 19 , zeigt sich gegenüber dem wahrhaft entborgenen Seienden das gewöhnlich vorgestellte und nur vermeintlich wahre
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Seiende als das Unseiende. „Dieses hat das Vermögen, das Sein als Maß zu geben und zu wahren, eingebüßt." 20 Dieser Wandel der Unverborgenheit des Seienden geschieht in der Kunst, weil die Kunst im eigentlichen Sinne „das Sein, d. h. das in sich dastehende Erscheinen, am unmittelbarsten [in einem Anwesenden (im Werk)] zum Stehen bringt. Das Werk der Kunst ist in erster Linie nicht Werk, sofern es gewirkt, gemacht ist, sondern weil es das Sein in einem Seienden er-wirkt. Er-wirken heißt hier ins Werk bringen, worin als dem Erscheinenden das waltende Aufgehen, die φύσις, zum Scheinen kommt." 2 1 Je eigentlicher die Kunst, um so mehr tritt der Künstler hinter dem Werk zurück und läßt, im Zuspruch des Seins stehend und ihm entsprechend, das Sein im Werk zum Scheinen kommen. Kunst ist das Hervor-bringen der Lichtung des Seins in ein Werk, in welcher Lichtung das Seiende in seinem wahren Wesen zum Vorschein kommen kann. Kunst ist ein einziges eröffnendes Entbergen. Kurt Bauch war Kunsthistoriker, und wir erfuhren, daß er und Heidegger gegenseitig ihre Vorlesungen und Seminare besuchten. In diesem Zusammenhang müssen wir daher auch das in der Widmung Gesagte hören. In ihr wird Größe als die Errichtung des Seyns genannt. Er-richtung nennt hier das Aufrichten und Stiften im Sinne des Eröffnens, wie es in der Kunst geschieht. Das Seyn aber erfuhren wir als das Offene, das einem jeglichen das Anwesen gewährt. Die Errichtung des Seyns ist das Eröffnen des Offenen für das Anwesen. Es ist der Ursprung, dem entspringen muß, was wahrhaft seiend werden will. Dies jedoch nicht in der Weise, daß das Entsprungene den Ursprung hinter sich läßt, sondern so, wie der Strom der Quelle entspringt und aus ihr fortwährend seinen Reichtum empfängt, bleibt das Seiende im Sein als dem Ursprung versammelt, von diesem stets durchwaltet, damit es ein Seiendes sein kann. Dem Unseienden aber muß die Errichtung des Seins ein Anstoß, ein Ärgernis bleiben, da es durch die Eröffnung der Lichtung des Seins als das uneigentlich Seiende zum Vorschein kommt und so in seiner Selbstverständlichkeit erschüttert wird. Die Erschütterung durch die Errichtung des Seins ist jedoch für das nur gewöhnlich vorgestellte Seiende auch ein Anstoß im Sinne eines Stoßes, den es empfängt, damit es in seinem wahren Wesen aufleuchten kann. Im anfänglichen Denken Heraklits ist eines der Grundworte für das Sein ό λόγος, ,,ό λόγος ist die ursprüngliche, Ursprung verleihende, im Ursprung einbehaltende Ver-sammlung als das Wesen des Seins selbst." 22 In ihm ereignet sich das Aufgehen- und Vorliegenlassen, das zum Vorschein bringt. Das Sein ist das Zugrundeliegende, das Gründende, worin alles Seiende ruht. Daher heißt λόγος in der Vielfältigkeit seiner Bedeutungen auch der Grund, λόγος nennt zumal in Einem Sein und Grund. Auch in Heideggers Widmung hören wir diesen Einklang; Die Errichtung des Seyns verwurzelt sich hier in einem durch sie selbst gegründeten Grund. Worin etwas wurzelt, von daher geht es auf, wächst und entfaltet sich. Die Errichtung des Seyns gründet in sich selbst, im Sein als Grund.
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„Sein und Grund gehören zusammen. Aus seiner Zusammengehörigkeit mit dem Sein als Sein empfangt der Grund sein Wesen. Umgekehrt waltet aus dem Wesen des Grundes das Sein als Sein. Grund und Sein (,sind') das Selbe, nicht das Gleiche, was schon die Verschiedenheit der Namen ,Sein' und ,Grund' anzeigt. Sein ,ist' im Wesen: Grund. Darum kann Sein nie erst noch einen Grund haben, der es begründen sollte. Demgemäß bleibt der Grund vom Sein weg. Der Grund bleibt ab vom Sein. Im Sinne solchen Ab-bleibens des Grundes vom Sein ,ist' das Sein der Ab-Grund. Insofern das Sein als solches in sich gründend ist, bleibt es selbst grundlos." 23 Wenn wir in unserem gewöhnlichen Sprechen von etwas sagen: „es ist", dann stellen wir dieses als etwas Seiendes vor. Sein aber ist nichts Seiendes. Daher setzt Heidegger, wenn er vom Sein sagt, im sorgfaltigen Achten auf die Sprache „ist" und „sind" in Anführungszeichen oder nennt die Zusammengehörigkeit von Sein und Grund in folgender Weise: „Sein und Grund: das Selbe." 24 In „Sein und Grund: das Selbe" spricht nicht ein leeres Einerlei, sondern die verborgene Fülle dessen, aus dem ein jegliches in seinem je Eigenen ins Erscheinen treten kann. „Sein west in sich als gründendes". 25 Insofern Sein selbst im Wesen Grund „ist" und als gründendes waltet, wurzelt die Errichtung des Seyns in einem durch sie selbst gegründeten Grund. Die Errichtung des Seyns erfuhr Heidegger in seinem Denken als Größe. Größe ist hier das Großvermögende, das sich uns in der Widmung zusagt. Es ist jenes Einfache und Ernste, „von woher Jegliches erst als das Jeweilige seines Versammelten aufgeht, hervorgeht ins aufgegangen-Unverborgene." 26 „Dieses Einfachste ist das Größte und ist der alles entscheidende Anfang." 2 7 Es ist das Sichöffnen der Lichtung des Anwesens für alles Anwesende. Nur im Offenen und Freien der Lichtung des Seins kann auch Größe, wie eingangs erwähnt, im Sinne von Quantität, Qualität oder als ein wissenschaftlicher Begriff erscheinen. So gibt uns Martin Heidegger in seiner Widmung einen Wink in die Gegend, die sich seinem Denken zugesagt hat. Es ist die Gegend als die offene Weite der Lichtung des Seins, das den Menschen in sein Wesen ruft, damit er in der Stille des Zuspruchs die Botschaft empfängt, die ihn als Botengänger braucht. Im lautenden Sagen der Widmung gibt uns Martin Heidegger Kunde von dem ihm Zugesprochenen: Was ist Größe? Die in einem durch sie selbst gegründeten Grund sich verwurzelnde Errichtung des Seyns, dem entspringen muß, was seiend werden will und dem Unseienden ein Anstoß bleiben muß.
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Anmerkungen 1
Kant, Kritik der reinen Vernunft. Zweite Auflage 1787. In: Kant's gesammelte Schriften. Hrsg. v.d. Königl. Preuß. Akademie d. Wissenschaften. Bd. 3, Berlin 1911, p. 205. 2 Chr. Wolff, Mathematisches Lexikon (1716). 3 Zollikoner Seminare. Hg. M. Boss. Seminar-Protokoll vom 23. November 1965. Frankfurt a.M. 1987; vgl. dazu auch: Zur Sache des Denkens. Tübingen 2 1976, ρ 81. 4 Heraklit (GA 55), p. 125. 5 GA 55, p. 136. 6 GA 55, p. 88; vgl. dazu: Einführung in die Metaphysik (GA 40), p. 17. 7 Vgl. Unterwegs zur Sprache (GA 12), p. 21. 8 Vgl. Zur Sache des Denkens, p. 74. 9 Seminare (GA 15), p. 397. 10 GA 15, p. 399. 11 Parmenides (GA 54), p. 212. 12 Grundfragen der Philosophie (GA 45), p. 169. 13 Zur Sache des Denkens, p. 72. 14 op. cit., p. 73. 15 GA 45, p. 224. 16 Wegmarken (GA 9), p. 307. 17 G A 55, p. 173. 18 GA 9, p. 374; vgl. dazu: Aus der Erfahrung des Denkens (GA 13), p. 64f. 19 Holzwege (GA 5), p. 59. 20 GA 5, p. 60. 21 GA 40, p. 168. 22 GA 55, p. 292. 23 Der Satz vom Grund. Pfullingen 5 1978, p. 92f. 24 ibid. 25 op. cit., p. 90. 26 op. cit., p. 182. 27 GA 45, p. 174. © Dr. Hermann Heidegger, der Sohn und Nachlaßverwalter Martin Heideggers, hat freundlicherweise der Erstveröffentlichung dieses Textes in den Heidegger Studies zugestimmt.
Donner/Prendre: La Main Jean-François Courtine L'analytique existentiale du Dasein n'est pas, on le sait, une anthropologie, pas plus qu'elle n'est destinée à fonder une quelconque "anthropologie philosophique". L'"étant exemplaire" choisi pour y "lire" le sens de l'être — Γ étant que Heidegger décide de nommer, de manière d'abord nécessairement arbitraire "être-là" (.Dasein) — n'est pas l'homme, même s'il est aussi cet étant que je suis toujours déjà moi-même, celui qui est à chaque fois le mien. D'où il ressort clairement — semble-t-il — que toutes les objections tendant à montrer que l'analytique existentiale aurait indûment passé sous silence tel ou tel trait, voire telle dimension fondamentale de l'existence humaine (la naissance, la sexualité, la nourriture, la communauté politique, etc.) sont rigoureusement non pertinentes: elles ne touchent pas ce qui est d'abord en question dans le projet de l'ontologie fondamentale, à savoir la possibilité de faire ressortir le Dasein en l'homme, abstraction faite de toutes les déterminations ou prédéterminations qui se donnent à entendre (philosophiquement et théologiquement) sous ce nom. Et cependant l'analytique n'en finira pas de délimiter les frontières qui la séparent principiellement de l'anthropologie, de la psychologie, de la biologie (SuZ, § 10). Délimitation toujours nécessaire, non pas simplement parce qu'il importerait de bien marquer, ici ou là, au détour de tel développement, ce qui distingue d'emblée une investigation ontologique dont la visée ultime est l'élaboration de la question de la "temporalité" (Temporalità ) de l'être, de toute considération simplement ontique qui chercherait par exemple à mettre en lumière les propriétés caractéristiques d'un étant déterminé, mais aussi et surtout parce que cette analytique existentiale constitue la base d'une entreprise de destruction de la tradition et de répétition de la question de l'être. Poser à neuf la question de l'être, c'est en effet s'expliquer au premier chef avec la "définition" aristotélicienne de l'homme comme zôon logon ekhon , à tel point que l'on pourrait envisager, sur une partie impressionnante du "corpus" heideggerien, une lecture qui prendrait pour fil conducteur le travail opéré sur cette détermination anthropo-/ögz