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German Pages 336 Year 2016
Volume 32
2016
Heidegger Studies Heidegger Studien Etudes Heideggeriennes The Task of Thinking and Hermeneutic Phenomenology: Kant, Husserl, and the History of Being
Duncker & Humblot · Berlin
HEIDEGGER STUDIES · HEIDEGGER STUDIEN ETUDES HEIDEGGERIENNES VOLUME 32 · 2016
Heidegger Studies Heidegger Studien Etudes Heideggeriennes Volume 32 · 2016 The Task of Thinking and Hermeneutic Phenomenology: Kant, Husserl, and the History of Being
Duncker & Humblot · Berlin
Each issue of Heidegger Studies carries an appropriate volume title in order to draw attention to the point toward which most, if not all, contributions gravitate.
Bibliographic information published by the Deutsche Nationalbibliothek The Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available in the Internet at http://dnb.d-nb.de.
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© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Typesetting: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Printing: Meta Systems GmbH, Berlin Printed in Germany
ISSN 0885-4580 ISBN 978-3-428-15019-9 (Print) ISBN 978-3-428-55019-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-85019-8 (Print & E-Book) Printed on no aging resistant (non-acid) paper according to ISO 9706
Table of Contents/Inhaltsverzeichnis/Table des Matières
I. Texts from Heidegger’s Nachlaß Martin Heidegger Zu „Sein und Zeit“ im Lichte des erlangten inständigen Denkens . . . . . . . . . . .
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II. Articles Frank Schalow The Turning and the Question of the Political: The Need for Hermeneutic Guidelines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Elad Lapidot Heidegger’s Teshuva? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Francesco Alfieri Martin Heidegger und die kontroverse Auslegung seiner „Schwarzen Hefte“. Eine Geschichte, die noch völlig umzuschreiben ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Tarmo Kunnas Heideggers Schwarze Hefte – ein wissenschaftlicher Skandal oder: Viel Lärm um Nichts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Pascal David La brutalité de l’animal comptable. Accéder aux Cahiers noirs . . . . . . . . . . . . .
91
Udo Reinhold Jeck Philia und Eros. Überlegungen zu einer neu edierten Aufzeichnung Martin Heideggers über Parmenides (fr. 13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Andrea C. Bertino Opfer und Wahrheit bei Martin Heidegger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Table of Contents/Inhaltsverzeichnis/Table des Matières
Tina Röck Denken und Ding. Bauen, Wohnen, Denken der Gelassenheit . . . . . . . . . . . . . .
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Marc-Antoine Vallée Schopenhauer et Heidegger: métaphysique et principe de raison . . . . . . . . . . .
167
Rosa Maria Marafioti Heidegger und Cézanne: Der denkend-dichtende Pfad durch und über die technische Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
III. Essays in Interpretation Helmuth Vetter Mario Fischer: Religiöse Erfahrung in der Phänomenologie des frühen Heidegger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 George Kovacs Heidegger in Dialogue with Husserl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
245
Ewald Richter Band 84.1 der Heidegger-Gesamtausgabe. Heideggers Seminare zu Kant und Leibniz in der ersten Hälfte der 30er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Bernhard Radloff Finite Transcendence and Historicity: Heidegger and Kant . . . . . . . . . . . . . . . .
287
Chiara Pasqualin Irene Borges-Duarte: Arte e técnica em Heidegger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
305
Klaus Neugebauer Metaphysik ist eigentlich Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
311
IV. Update on the Gesamtausgabe
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Addresses of Contributors
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I. Texts from Heidegger’s Nachlaß
Zu „Sein und Zeit“ im Lichte des erlangten inständigen Denkens Martin Heidegger 1. Das Entgegen kommen – zu denken (Sein und Zeit) Zukunft* Sein Ereignis
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Zeit
–
Ekstasis
– Verwandelnd Anfang Der Schmerz als die erste Übereignung
* Aber gerade nicht Planung – und nicht historisch nicht Bewußtsein und Wissen, sondern „Sorge“ – als Wesenszugang des Menschen in die Wahrheit des Seyns. Sorge – nicht ontisch – dennoch. 2. Stimmung, Befindlichkeit, Gefühl In der „Stimmung“ ist (existenzial-inständig, im Umkreis der einzigen Besinnung auf die Wahrheit des Seins) an die stimmende Stimme gedacht, die den Menschen (d. h. wiederum sein Wesen als da-seinshaftes, die Lichtung des Seins wahrendes, fügendes) stimmt in den jeweiligen Bezug des Seyns zu ihm. Zum Wesen der Stimme des Seyns gehört „das Wort“ – dessen Wesen hat hier seinen Ursprung. „Befindlichkeit“ ist die Weise, wie sich das Menschenwesen (wiederum existenzial, nicht anthropologisch gedacht) in der Wahrheit des Seyns findet, d. h. wie innerhalb der Lichtung des Seyns und wie es zu diesem steht und es wahrt und d. h. bedenkt und daran denkt. „Stimmung“ und „Befindlichkeit“ sind nicht „emotional“ vorgestellt und nicht als Ersatz der bisherigen „Gefühls“-lehre gemeint. Die Namen versuchen etwas zu nennen, was im Umkreis der Frage nach dem Sinn des Seins und nur da gedacht werden muß.
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Martin Heidegger
3. Das Wesen des Menschen beruht im Seinsverständnis. Das Sein verstehen ist Entwurf der Lichtung, worin „Sein“, ungegenständlich und unvorstellbar, ins Offene kommt. Der Entwurf ereignet sich. 4. Welt
–
Erde
–
Welt
–
Zuhandenes
Heimat –
Inständigkeit Vorhandenes
Hier das Nächste des Zeugs und der Hantierung das Vor-handene und was der Hantierung zugrunde liegt, von ihr genutzt und durch sie „erschlossen“. So nur die erste Kennzeichnung des metaphysischen Grundes, auf dem die Technik erst entspringt. Sie setzt die tÝxnh ± eødoò ± Ölh voraus –; ist aber nicht eine bloße Fortbildung und Erweiterung der tÝxnh. Entscheidend ist: 1. die Wahrheit als Gewißheit – Sicherung 2. das Sein als Vor-gestelltheit des planenden rechnenden – vorausberechnenden sichernden Herstellens 3. Sein und Wahrheit als der Wille 4. wie hier „Natur“ als „Kraft“ und Kraftspeicher?
Nachwort des Herausgebers F.-W. v. Herrmann Die hier aus dem Nachlaß Martin Heideggers veröffentlichten vier Textstücke sind von Martin Heidegger zusammengefaßt unter dem Titel „Zu ,Sein und Zeit‘ im Lichte des erlangten inständigen Denkens“. Inhaltlich gehören auch diese so zusammengestellten Aufzeichnungen zu jenen zahlreichen kleineren und größeren Manuskripten, die das Verhältnis des fundamentalontologischen Denkweges von „Sein und Zeit“ zum seinsgeschichtlichen Denkweg des Ereignisses bedenken, der seine erste und grundlegende Gestalt in der großen Abhandlung „Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis)“ (1936–1938) erhalten hat. Mit der vom Herausgeber besorgten Übertragung der Handschrift wurden die Aufzeichnungen für den Druck mit arabischen Ziffern durchgezählt. Die Schreib-
Zu „Sein und Zeit“ im Lichte des erlangten inständigen Denkens
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weisen Martin Heideggers werden durchgehend unverändert wiedergegeben. Die in der Handschrift erkennbaren Einrückungen erscheinen im Druck als Absätze. Unterstreichungen in der Handschrift werden im Druck als Kursive ausgewiesen. Die Zeichensetzung ist in wenigen Fällen dem Vorgegebenen angepaßt worden. Dem Nachlaßverwalter danke ich sehr herzlich für die Genehmigung der Erstveröffentlichung dieser Textstücke, die innerhalb der Gesamtausgabe im Band 82 „Zu eigenen Veröffentlichungen“ erscheinen werden. Herrn Rechtsanwalt Arnulf Heidegger danke ich vielmals für den überprüfenden Vergleich der Übertragung mit den handschriftlichen Vorlagen.
II. Articles
The Turning and the Question of the Political: The Need for Hermeneutic Guidelines Frank Schalow The controversy surrounding the publication of The Black Notebooks has once again called into question the connection between the political and Heidegger’s philosophy, and, specifically, through its enactment as “being-historical thinking.” 1 As I will argue in this paper, however, the latest attempt to “prioritize” the political, which has come to the forefront again as a central leitmotif for interpreting Heidegger’s texts, does not stand alone; instead, this tactic is intermeshed with another, systematically fallacious attempt to “genetically” derive his philosophy (including the task of being-historical thinking) or trace its “historicist” development. These two “fallacies,” which for decades have been at the core of misinterpreting Heidegger’s thought, include: 1) the attempt to “chronologize” Heidegger’s philosophy in terms of discrete phases, the model for which was first introduced over fifty years ago by William J. Richardson, S. J. through his division between “Heidegger I” and “Heidegger II” (leading to the subsequent split between the “early” and “later” Heidegger);2 and 2) annexing the enactment of Heidegger’s thinking, including the singular “sway” of its language, to a narrative on the political. In developing my thesis, I will attempt to show how the need for hermeneutic guidelines have never been greater, as we revisit the point of intersection between Heidegger’s thinking and the political (and how the latter can be rendered question-worthy once again). In seeking a hermeneutic guideline to address the concern for the political as it surfaces in (albeit is not confined to) The Black Notebooks, it will not only be necessary to outline, negatively, the difference between rendering the political question-worthy in its own right, and subsuming Heidegger’s thinking under the umbrella of the political (I., II.), but, also show, positively, how we can decipher the ambiguous “signposts” of the political, which point across the chasm of the 1 Heidegger, Überlegungen, II–VI (Schwarze Hefte), GA 94, ed. Peter Trawny (Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann, 2014). See also Peter Trawny, Heidegger und der Mythos der jüdischen Weltverschwörung (Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann, 2014). 2 For a concise account of Richardson’s distinction, see Parvis Emad, Translation and Interpretation: Learning from Beiträge, ed. F. Schalow (Bucharest: Zeta Books, 2012), pp. xii–xiii.
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Frank Schalow
end of modernity (and its imprint of machination) to the “other onset” (III., IV.). In developing my thesis, I will employ the “being-historical” language of Beiträge zur Philosophie (including its emphasis on the “turning” [die Kehre]) as a “counter-turning” [Widerkehre]), in order to distinguish the preparatory, “hermeneutic step” for exploring the political implications of the “Notebooks.” Through this hermeneutic strategy, we will answer the call of “learning to think” (i. e., of becoming more adept at the craft of thinking in its attunement to the unsaid).3 In this way, we allow the fault line or “fissure” (Zerklüftung) traversing Heidegger’s thinking to open up new possibilities for its appropriation,4 in such a way that the controversy surrounding the political can become a springboard to what is most questionworthy. I. In his essay “The Onto-theo-logical Constitution of Metaphysics” (1956–57), Heidegger undertakes a “step back” (Schritt züruck) from metaphysics into its originative possibility.5 The step back would elicit a new orientation and groundingattunement to the matter of thinking and its historical enactment by virtue of the explicit differentiation between being and beings. The jumping-off point and guiding edge of this new “venture”6 or enactment of thinking resides within the “turning,” characterized, first and foremost, not as a “change” in the direction of Heidegger’s enterprise, but instead, as the “turning unto each other,” of being and Da-sein, reciprocally.7 What does this new enactment of thinking, as set in motion and directed by, the “turning” (die Kehre), have to do with the challenge of examining the “political,” that is, as recast in light of the flurry of new concerns spawned by the publication of the “Notebooks?” Everything. At stake the controversy surrounding Heidegger’s philosophy is the premise for undertaking a critique of his thinking, that is, in terms of a strategy that he himself coined for re-opening the task of “destruction.” How can such a venture be formulated anew in methodological terms? Two possibilities immediately emerge into the forefront: a narrative
3 Heidegger, Was heißt Denken?, GA 8 (Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann, 2002), pp. 8–12. See F. Schalow, “Introduction,” in Translation and Interpretation, pp. 24–25. 4 See George Kovacs, Thinking and Be-ing in Heidegger’s Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) (Bucharest: Zeta Books, 2015), p. 440. 5 Heidegger, “Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik (1956–1957),“ in Identität und Differenz, GA 11 (Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann, 2006), pp. 62– 64, 67. 6 See Parvis Emad, The Issue of Anti-Semitism, Part 5–6. “History” and “Nothingness” in Heidegger and Nietzsche: Learning from Beiträge. The Question of Anti-Semitism and the Black Notebooks (Budapest: Societas Philosophia Classica, 2015), pp. 41–45. 7 See Heidegger, “Contributions to Philosophy: The Da-sein and the Be-ing (Enowning),” trans. P. Emad, in Translation and Interpretation, p. 29.
The Need for Hermeneutic Guidelines
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approach, and another undertaking that makes the saying (Sage) of the text primary (including the “hermeneutic guidelines” for the interpretation thereof by questioning-back to what remains unsaid). The first approach begins by spinning a narrative which pre-grasps and preevaluates various scenarios concerning Heidegger’s involvement in the turmoil of 1930s Germany; this narrative then extrapolates from these events to interweave the strands of Heidegger’s thinking which supposedly implicate a political outlook and ideology, e. g., of fascism. We call this first approach “associative” thinking, because it seeks resemblances between Heidegger’s presumed ‘political’ motivations and the development of his thought within a specific chronological period – albeit, without questioning the place of the political within his thinking.8 As the latest vanguard of the first approach, Trawny proceeds, albeit subtly, to implicate a connection between Heidegger’s task of being-historical thinking and National Socialism.9 The second approach takes its lead from what shows itself and the coresponding challenge to think what remains unthought, namely, the need to explicate the key topics of GA 65 insofar as they shape the landscape for understanding the Black Notebooks: including the Auseinandersetzung between being-historical thinking and the onslaught of machination at the end of modernity,10 in and through the abandonment of and by being (Seinsverlassenheit). Rather than constructing a narrative in advance, this approach returns to what shows itself, in order to elicit the hermeneutic guideline that allows us to interpret the historical import of Heidegger’s philosophy without fragmenting it into pieces, each of which can be tied to a political perspective. As Parvis Emad demonstrates, two hermeneutic guidelines arise at the outset to direct our understanding of “Überlegungen II” (rendered as “Ponderings”): the first pertains to its orientation within the Pentalogy (to the published volumes 65, 66, 69, 70, and 71 of the Gesamtausgabe) and its disruption of any focus on a “system,” and the second involves the “venturing” as epitomized by the “leap” (der Sprung) undertaken in GA 65.11 Thus, the hermeneutic guidelines correspond to what is un-thought (i. e., “echoing” what is unsaid), in such a way as to initiate a new way of saying-speaking which begins from the power of the language to disclose, that is, through its most “elemental” or “grounding” words. In this second approach, the two hermeneutic guidelines (of “Ponderings”) elicit the crucial being-historical words, motifs, and concerns of See Parvis Emad, “Preface,” in Translation and Interpretation, p. xiv. For further explication of this division, see George Kovacs, “Being, Truth, and the Political in Heidegger (1933–34),” Heidegger Studies, 19 (2001): 31–48. 10 See GA 94, where Heidegger emphasizes the importance of “die Auseinandersetzung mit Nietzsche,” as well as “der ganzen Abendländischen Philosophie,” p. 178. 11 GA 94, p. 218. Heidegger states: “Seinsfrage: nicht eine Abschrift vom ‘Seienden’ nehmen und das in der gewohnten und fragwürdigen Blickbahn – sondern im Sprung das Seyn stiften.” See Emad, The Issue of Anti-Semitism, pp. 41–45. Also see Peter Trawny’s “Nachwort” to GA 94, pp. 533–534. 8 9
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Frank Schalow
Contributions to Philosophy, by which we can outline in greater detail the “pathmarks” or specific (hermeneutic) markers for addressing the political implications of the Blacknotebooks. Accordingly, in Contributions, Heidegger articulates the “turning relation of be-ing” (der kehrige Bezug des Seyns) to Dasein,12 the reciprocity between the two as marking the “region” (Bereich) within which such traditionally key motifs such as “freedom,” “decision,” “people” (Volk) can be brought to expression in concert with the language of the thinking of and by be-ing (Seyn).13 In this regard, Contributions directs us to the origin of the vocabulary of the saying to formulate the question of politics, beyond the metaphysical construction of a ‘political’ narrative that seeks to annex Heidegger’s thinking to a specific ideology (e. g., National Socialism) – or, as understand in his words, from “Ponderings,” “metaphysics as meta-politics.” 14 To elicit the aforementioned hermeneutic guideline, we cannot simply contrast the two approaches, but must instead take a cue or “hint” from a different point of departure or the “leap” which Heidegger first enacted in Contributions to Philosophy. In this “leap,” thinking becomes un-hinged from its reliance upon grounds, i. e., by abiding alternatively in the ab-ground. But what does this mean in hermeneutic terms? Thinking undertakes a new venture as being-historical thinking. Such thought instead is governed by, and enters into the sway of, the withdrawal of being. Put in hermeneutic terms, thinking yields to what is un-thought and thereby un-spoken. In undergoing this transformation, or “transition,” if you will, the former (the un-thought) takes its cue from the latter (the un-said or un-spoken). While already “on the way” to Contributions, the “Notebooks” are, hermeneutically speaking, also governed by the “directive” which shapes GA 65: in other words, that which is “underway” and integral to the dynamic of the “turning,” namely, the “counter-turning.” In section 255 (of GA 65), “Turning in Enowning,” Heidegger states: Turning holds sway between the call (to the one belonging) and the belonging (of the one who is called). Turning is counter-turning [Widerkehre] . . . All language of Da-sein has its origin here and is therefore essentially stillness (cf. reservedness, enowning, truth, and language). As counter-turning enowning “is” thus the highest mastery over the coming-toward and the flight of the gods who have been.15
12 See Heidegger, Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis), GA 65 (Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann, 1989), pp. 254–257. Contributions to Philosophy (From Enowning), trans. P. Emad and K. Maly (Bloomington: Indiana University Press, 1999), pp. 180– 182 (Section #136). 13 See Berhard Radloff, “Contra Antiphon the Sophist: Aristotle, Heidegger, and the Planetary Order,” Existentia XXIV, 3–4 (2014): 321. 14 GA 94, pp. 115–116. 15 GA 65, p. 407; tr. 287.
The Need for Hermeneutic Guidelines
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In the language of Being and Time, the “as” of interpretation (the existentialhermeneutic “as” [existenzial-hermeneutische “Als”]),16 or what provides the linguistic fulcrum to distinguish, differentiate, and determine, reverts into its opposite: i. e., the “as” as implicating and incorporating the negativity of the withdrawal of being. That is, the determinateness of the “as” is rescinded and resubmitted instead as the “not as,” such that thinking must follow the movement of the withdrawal and the refusal of being, in order to be able to initiate a “saying” (Sage) that can speak primordially (in reference to the “unsaid”), e. g., become “meaningful” and evoke new idioms (of determination). When viewed in this light, the hermeneutic guideline for interpreting the concern for the political, as it arises in the “Notebooks” (and elsewhere) is the turning as “counter-turning,” which transposes the fulcrum of the “as” of determination into the sway of gifting-refusing of being. Because this hermeneutic guideline first becomes explicit in Contributions, GA 65 establishes the context for understanding the “Notebooks.” Accordingly, when we attempt “to speak” of the political, we can no longer assume what is conventionally meant by that concept, but must instead, in lieu of the “counter-turning,” heed the weight and power of the “not” in order that we can be “called” to question what the political “means” in a new and unprecedented way. But what would be a hermeneutically apt term to describe this new trans-position of questioning, widening the orbit of the hermeneutic circle? The most hermeneutically sound word, which provides a directive to move thinking along its path, would be a “venture.” Such a venture distinguishes the enactment of being-historical thinking, and, as circumscribing the context of the “Notebooks,” reveals the intrinsic connection between these texts and Contributions to Philosophy. What is this venture? In heeding the withdrawal of being, thinking embarks upon an inquiry into truth as the tension between concealment and unconcealment, that is, in light of GA 65, the experience of the sheltering-concealing of truth as un-truth. To quote Kovacs: Thus thinking . . . undergoes a historical transformation, a revolution in the way of thinking; through the venture of seeking-questioning, it takes place as attuned by [b]e-ing in and as keeping silence, as telling silence. Thinking as seeking-questioning opens up, radicalizes, deepens thinking itself; it is a forging-ahead or a way that is always underway, that opens up the future, the coming saying and surmising of the “order” and the “fuge” of enowning . . .17
Through its risky venture into the “sway” of un-truth, thinking begins to “turn” in another direction. The inquiry into the question of being is drawn along a new course, such that the counter sway of un-truth, of its “negativity,” transforms the
16 See Heidegger, Sein und Zeit, GA 2 (Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann, 1977), pp. 210–212. 17 Kovacs, Thinking and Be-ing in Heidegger’s Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis), p. 439.
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Frank Schalow
entry point into the “question of all questions.”18 Thus, for example, the question of being reappears as the “forgottenness of and by being” (Vergessenheit des Seins), the concern for the ontological difference re-emerges as the forgottenness of the difference between being and beings. How, then, can we address anew this “difference,” from out of the counter sway of untruth and the predominant negativity which grounds a distinctive historical epoch, e. g., nihilism? The epoch of modernity brings to light the forgottenness of the difference in which being’s withdrawal allows beings to appear in a distinctive way for the purposes of use, manipulation, and exploitation. Rather than happen arbitrarily, being belongs to this abandonment, in the sense of a historical selfwithholding in which the dual prospects of its enownment and dis-enownment interplay to create the different epochs in the history of metaphysics. The forgottenness of being thereby comes to fruition, and assumes its most extreme possibility, in and as the abandonment of and by being. In this abandonment “of and by,” being becomes so completely “forsaken” as it withdraws in the wake of beings themselves and their deliverance over to the technized purposes of production and consumption, manipulation, and exploitation. Heidegger coins the being-historical word “machination” to describe this historical transformation and development. Machination thereby opens forth the era of modernity, not only as making way for the accelerated growth of technical skills and knowledge, but also as calling us to question the origin of this era within the wider compass of the history of being, that is, in and as the abandonment of and by being. In this transformative moment, the question of all questions begins to turn around: that is, as marking the historical crossroads in which die Seinsfrage can be recast as the “Die Frage nach der Technik.” At this crossing, being-historical thinking emerges to 1) project-open the question concerning technicity 2) address what is still to be decided, for example, concerning the political, as first appearing within the counter-sway of Seinsverlassenheit, machination, and nihilism. The distinctive emphasis on the “as” becomes crucial. For the hermeneutical-as becomes determinate by playing out to the extreme the counter resonance of negativity, rather than developing a linear set of determinations that are given proximally and readily associated. What at first seems to be a simple question, e. g., “what are the essential elements of the political?”, must instead be recast along the extended arc of the hermeneutic circle. Moreover, the inquiry itself precludes a linear approach, in such a way that the “essentialist” agenda of fixating determinations must also be repealed and withdrawn. When explicitly enacted, however, this “step back” into the un-thought and un-said is prepared and prefaced by a “leap” into the broader orbit of being-historical thinking. Can we address anew this “difference,” from out of the counter sway of untruth and the predominant negativity which grounds a distinctive historical epoch, e. g., nihilism? 18
GA 65, p. 11; tr. 8.
The Need for Hermeneutic Guidelines
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II. In asking this question, we return, philosophically speaking, to the issues that marked Heidegger’s entryway into the turbulent period of the 1930s, the sway of untruth and its shadow of nihilism. In the furry of this turbulence, perhaps the gulf between ‘thinking’ and ‘doing,’ between ‘theory’ and ‘praxis,’ never becomes wider. Under this veil of nihilism, even the simple assessment of what is “valuable,” becomes problematic, insofar as the manipulative forces of machination allow the ‘good’ to appear as ‘bad,’ and vice-a-versa. In order to encounter this imminent and ubiquitous “danger,” thinking must become responsive to the greatest “ambiguity” (Zweideutigkeit), as a “signpost” and marker for the retreat of grounds, for the ab-ground.19 The turbulence in question is thereby characterized first and foremost by the ambiguity of decision. This ambiguity is opened up through the tension between the epoch of modernity and the traversal of a “crossing,” in Nietzsche’s terms, the “going-under” which “crosses-over.” For at the threshold of this crossing, the “schismatic cut” of the decision must first “decide” about its ownmost origin and possibility. To be sure, at first this may sound like a word game or a play of semantics. But at issue, in regards to the political – and how a question concerning its origin can be posed to and by being-historical thinking – is a transformation of what we understand by freedom, that is, as appearing in the “moment” of crossing (i. e., the lightening flash or “flashing instantaneousness” of the clearing [Lichtung]).20 Here the interposing of the “not” of the “as” of determination, the negativity which ensues from the sway of “un-truth,” becomes crucial. We must investigate human freedom “not” as a human product, or as an actualization of the will, but as a power with which human beings are “entrusted,” in reciprocation for having been granted it, i. e., in and through the “turning unto” of being and Dasein. As a corollary, being-historical thinking subscribes to a similar hermeneutic directive in order to approach the political, that is, not arbitrarily, but in accord with the selfshowing of the phenomenon, of the thing itself. Thus, when we address the political, we must proceed from the space cleared by the withdrawal of being, in order that we can arrive at the foremost presupposition of what “cannot” simply be ascribed to the “body-politic,” for example, as a self-standing structure set forth and grounded on the subjectivity of human beings. Within the modern period, or, better yet, within the age of machination, politics gravitates around the rise, concentration, and distribution of power (Macht). For machination provides the primary paradigm of “power” on whose basis the political must be constructed (even before, if you will, “de-constructed”), as incorporating two basic trends (not elements) within the counter sway of un-truth and its nihilistic unfolding. First, the GA 94, p. 90. See Parvis Emad, “Heidegger’s Eighteen ‘Notes’ on Beiträge and What They Convey,” in Translation and Interpretation, p. 47. 19 20
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political must appear within the foremost machinistic trend toward the “gigantic,” including as harboring a “de-cision” about the a platform of self-aggrandizement. This being-historical development does not entail the endorsement of any specific ideology to facilitate such aggrandizement on a “macro” socio-economic scale, e. g., National Socialism or even Communism, for that matter. Ahead of and before all this, we must pre-emptively instead ask how what is traditionally meant by humanity (including its stance toward beings-in-the-whole and nature) is “thrown up in the air” in the terms of the administration of its basic capabilities for care (on which the ownmost of the possibility of leadership rests). Second, the political must appear in light of how machination extends its scope on a ‘world-wide’ basis, that is, in the precise way in which the “world” (Welt) as such does not appear, i. e., through “globalization” as the “project” of subjectivity “in the sense of the production and consumption of beings.”21 Philosophically speaking, the modern thinker most prepared to play out the “ambiguity” concerning the political is the “last great thinker of the West,” Nietzsche. The question of how the political can appear in light of machination, and, correlatively, the ownmost (eigenste) of a de-cision about any possible governance, hinges on an assessment of the ambiguous character of what it means to be human, as echoed in Nietzsche’s famous remark in Beyond Good and Evil: “Man is the as of yet undetermined animal.” 22 The question of the determination of humanity, and of man as overman, remains open-ended, by specifically revealing the danger of pretending to master the forces of machination as they unfold on the global stage of political conflict. Thus, Nietzsche’s overman cannot be inserted as an “answer,” e. g., as Communism or National Socialism may be, but can only serve as a “placeholder” in highlighting the ambiguity of how the political appears in light of machination, i. e., not as advocating or representing the program of any “ism.” Indeed, the overman occupies an “interrogative” position in the truest and most enigmatic manner of the “Vision and the Riddle,” that is, as undertaking an “experiment” which has only recently begun. Heidegger suggests as much when, in “Overcoming Metaphysics” (GA 7), he cites this provocative line from Part IV of Nietzsche’s Thus Spoke Zarathustra: “‘Wir machen einen Versuch mit der Wahrheit! Vielleicht geht die Menscheit daran zu Grunde! Wohlan! [WW II, S. 410].’” 23 Hermeneutically speaking, in terms of the “Notebooks,” Heidegger turns around this statement. We are making a new venture, that is, into the negativity of the Radloff, “Contra Antiphon The Sophist,” p. 322. Friedrich Nietzsche, Beyond Good and Evil, trans. Walter Kaufmann (New York: Random House, Inc., 1972), p. 66 (Section #62). 23 Heidegger, “Überwindung der Metaphysik,” in Vorträge und Aufsätze, GA 7 (Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann, 2000), p. 82. “‘We are making a venture with the truth. Humanity may perish from it. So be it!’” “Overcoming Metaphysics,” in The End of Philosophy, trans. J. Stambaugh (New York: Harper & Row, Publishers, Inc., 1972), p. 96. 21 22
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sway of truth as un-truth, including the thinking of nihilism and the abandonment of and by being (insofar as Nietzsche could not think the “un” of truth). As such, the venture must begin from the aforementioned “ambiguity,” in order that, from the reservedness of being, the multifaceted and nuanced character of the phenomenon can show itself, precisely as pertaining to the political. Crucial to this selfshowing is the way in which, in respect to machination, the accumulation of power in Nietzsche’s sense of the will to power and the will to will, shapes our experience of the political in the late stages of modernity. Within this global conflict, machination takes the lead in the sense of pitting nations against each other in the struggle to acquire and harness limited (natural) resources according to a new enactment of the political (“die neue Politik”).24 In this regard, oil becomes the foremost example of empowering this global conflict, the harnessing and storing of which both drives the forces of machination and as epitomizing the gestalt of technicity of placing in “standing reserve” (Bestand). Indeed, oil is 1) that which above all needs to be harnessed and “stored,” 2) the resource which invites conflict in all four corners of globe, and 3) literally fuels the mobilization of conflict both in industry, commerce, and the deployment of military weapons.25 In referring to Nietzsche’s thinking as a “placeholder,” we are not simply doing so in an empty sense. Rather, the interrogative and critical stance that Nietzsche takes toward modernity qualifies him uniquely to bring the questioning concerning the political to the forefront in a twofold or “double” way. In the ambiguity to which Nietzsche’s thinking cleaves and attempts to project-open, we address simultaneously the “place of the political” within the crisis of modernity and the “political as a place” (Ort) that human beings can inhabit. In the latter respect, Nietzsche stands on the cusp of a crossing where the question of how we dwell, and the ownmost of Da-sein’s inhabitation in relation to nature [ýsiò] (as well as others) can first be posed. By developing the hermeneutic guideline in reference to the “counter-turning,” we adhere to the ambiguity or “double-play,” as it were, in which the place of politics and politics as a place are conjoined in the “goingunder” and “crossing-over” of modernity. In this crossing, we must consider a new and stunning development in which the question concerning the political, vis-à-vis GA 94, p. 472. Though “for us” (whose citizenry resides in such nations) democracy offers the best option, the democracies themselves are catapulted into a “global conflict” where they are not immune to the mandate of the “acquisition of power” as forms of “Technik Industrielle Gesellschaft” – at least as far as protecting their economic interests (and “civil liberties”). The fact that machination, indeed, the facticity thereof, shapes our experience of the political in the later stages of modernity does not mean, however, that the possibility of any such (political) “governance” can simply be reduced to the workings of machinations under the rubric of the will to power (and whatever “ism” might emerge). On the contrary, through the enactment of being-historical thinking, the possibility is left open for the political to reappear (and be understood anew) vis-à-vis the “turning relation of Dasein to being” (e. g., the “other onset” of thinking). 24 25
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the inquiry into being itself, turns around. The political cannot simply be reduced to forms of human interaction, social governance, or even the platform of “selfactualization” and the pursuit of self-interest. For these dimensions are still facets of human productivity, of “productionist metaphysics,” which play into the hands of machination. Rather, the open expanse of world (in which the situatedness of the political as a “place”) resides must be counter posed with that whose alterity or otherness casts our possibility of dwelling more directly into the “between” (Zwischen) of the differentiation (of being and beings), e. g., the self-withholding, self-reclusive unfolding of the earth itself. III. The hermeneutic guideline that arises from, and directs us to the “counter-turning,” endures the grounding-attunement of “hesitation” and “forbearance.” As Kovacs states: “Heidegger’s persistent, telling description (image) of his thinking as pathway indicates its wonders, joys, and dangers, its sways and hesitations . . . Hesitation on the journey of thought is neither weakness nor sign of despair (discouragement); it is part of the experience of thinking, of radical questioning.” 26 In thinking’s abiding within the comporting itself toward (the fore-stalling) momentum of this reservedness (Verhaltenheit), the opportunity arises to interpret the ambiguous clues to the reappearance of the political. If we are to discern how the political cannot be conceived, and follow the hermeneutic guideline that initially the phenomenon (vis-à-vis being) does not show itself,27 how can we consider its appearance positively? Or, put another way, in terms of what hermeneutic markers can we discern the appearance of the political: that is, from the other side of the “as” of determination, which grants a deeper, richer possibility of dwelling? For Heidegger, the strife (Streit) and interplay between the unconcealing of world and the self-concealing of the earth establishes the wider coordinates of dwelling, that is, with the dynamic trajectory of the play of time-space (Zeit-SpielRaum). Insofar as the political can re-emerge for questioning, its possibility must be rediscovered and retrieved in the allocation of this more primordial site, in which the inhabitation of mortals intersects with nature (and the diversity of life, and thereby seeks a governance that mirrors our earthly sojourn (and not simply the self-pursuits of human beings). The governance in question cannot simply be reduced to a preferred form of machination, e. g., control and dominance, nor can the care implied thereby (in governing) be reduced to the sphere of human inter-
26 Kovacs, Thinking and Be-ing in Heidegger’s Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis), pp. 28–29. 27 GA 2, pp. 48–50. See Heidegger’s discussion of the methodological link between phenomenology and hermeneutics as the task of interpretation, toward the conclusion of the second part of the “Introduction.”
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ests.28 Rather, the care in question originates at a deeper level to protect and safeguard the freedom that cultivates the manifestation of what is, that is, which “lets be.” Freedom as “letting be” restores a balance in which the concerns of our earthly sojourn intersect with a conservatorship of nature, the diversity which we also belong as co-habitants of the earth. In this way, the proprietorship of enowning signals a new mode of human comportment that grants to us a propensity to “belong,” and thereby discloses a “measure” (Maß) by which mortals can exercise the stewardship over our place of dwelling. In light of this measure, a “people” can first arises as the predicate of the political (and not the other way around). As Kovacs states: Heidegger’s mindfulness of the “people-principle,” as these considerations indicate, is not theoretical, not ideological, not political; it is concrete, hermeneutic, existential, and (in the last analysis) being-historical. The principle or law governing the life and destiny of a people comes from within; it is obtained and reached through struggle by the people, by the enactment of the genuine “people-principle. Thus, as Heidegger explains, “a people first becomes free for its law (Gesetz)” through (based on) its own potential or inner constitution, not due to external compulsion, a people becomes free for, opens itself up to, its “law . . .” (see GA 65, p. 43).29
In this light, “freedom and law” can no longer be defined in terms of human subjectivity. Law thereby reappears in its commensurability with the most radical enactment of freedom as “letting be,” and, thus, with these four corollary dimensions: 1) as the expanse of openness, the elemental power of “letting be” 2) as transposing the self into the open region of the in-between (i. e., in its reciprocity with being) where the “who” of Da-sein can first be assigned its “identity” or way of “belonging to,” 3) as allowing human beings to enter the cusp or “schismatic cut” of decision, 4) as the grounding of human capacity to dwell and thereby of the place of political as such. Given these four “hermeneutic markers,” the realm of (human) dwelling can no longer be rooted exclusively in anything human, even our situatedness in the world, but must instead include the wider expanse of its (i. e., the world’s) strife with the earth. In this way, being-historical thinking approaches the political insofar as its origin remains sheltered within, and still is to arrive from the “other onset,” for example, by the “ones to come.” Being-historical thinking addresses the political in the tension of its appearance within machination (in the late stages of modernity), on the one hand, on the cusp of the “crossing” to the other onset, on the other. By both revealing and allowing this ambiguity to play-out, being-historical thinking is removed from any political agenda, and hence cannot be “reduced”
28 See F. Schalow, “Heidegger, the Law of Being, and Animal Protection Laws,” Ethics & the Environment,” 20/2 (Fall 2015): 61–82. 29 Kovacs, Thinking and Be-ing in Heidegger’s Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis), p. 242.
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back to an “association” with a support for any specific ideology, as critics both past and present have argued. We will revisit this concern for, and, indeed, enigma concerning the political, toward the conclusion of this essay. But to expose this associative-reductionistic fallacy, we must show its connection to a corollary, overarching source of (mis-)interpretation which has blocked access to Heidegger’s thinking for more than half a century: the fragmenting of his philosophy into chronological phases, beginning with William J. Richardson’s division between “Heidegger I” and “Heidegger II.” IV. The relocating of the site of the political in the strife between world and earth marks the turning around of the question concerning the political (from merely a discussion of culture and convention). Put another way, the question turns around from an emphasis on “political thinking” (e. g., in constructing theories) to “thinking the political” (in terms of such being-historical words as “machination” and the “crossing”).30 This “turning around” belongs to, and receives its direction from, the “turning” in the broadest sense that Heidegger identifies and which in GA 65 he characterizes as the “turning in enowning.” 31 We must contrast this primordial sense of the “turning” with the derivative, and misleading characterization thereof, as a “reversal” and “shift” in Heidegger’s thinking from an earlier and later phase. In this regard, we must also consider how the concern for the political becomes distorted by this false characterization, and, vice-a-versa, how fragmenting Heidegger’s thought into different chronological phases also leads to the misguided attempt to abstract the political from the enactment of his thinking overall. Although seldom emphasized throughout the literature, the split of Heidegger’s philosophy into chronological phases, and the controversy surrounding his political entrée into National Socialism, have been frequently, if only coincidentally, linked together. The association of two pertinent ‘facts’ or observations proves to be as responsible as anything for this linkage: first, Heidegger found himself mired in a personal and ‘political’ crisis or turmoil post-1933 (given the rise of National Socialism in Germany); and, secondly, his thinking also seems to have undergone a dramatic change or perhaps even a “reversal,” in terms of its language, direction, and methodology. Is there any direct synergy between the “about face” in Heidegger’s philosophy leading to the split between “earlier” and “later” inquiries, and his personal “reversal” of political fortune in first assuming, and then resigning from the position as rector of the University of Freiburg? This is not a simple question to
30 See Frank Schalow, “The Leaping-Off Point for Projecting-Open the Question Concerning the Political: Investigating Politics Anew,” Heidegger Studies, 31 (2015): 17–40. 31 GA 65, p. 407; tr. 286. See Frank Schalow, ed., Heidegger, Translation, and the Task of Thinking: Essays in Honor of Parvis Emad (Dordrecht: Springer Publishers, 2011), p. 38.
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answer. It is safe to say, however, that without the division between “Heidegger I” and “Heidegger II,” the aforementioned linkage (if only coincidentally), would not have as easily gained its foothold throughout the literature. Richardson did not have access to Contributions, and to an understanding of the “turning relation of being to Da-sein,” when he mischaracterized “die Kehre” as a break or “reversal” in Heidegger’s thinking. From this false characterization the first, and simplest chronological division of Heidegger’s philosophy, into “early” (circa Being and Time) and “later” (circa the period of the end of the 1930s and thereafter), was born. Regardless of this chronology, Richardson mistakenly construed the “turning” in ontical terms as Heidegger’s “reaction” to supposed inadequacies in this thinking. In so doing, Richardson ignored the “ontological” thrust of the “turning” as a “response” to being, that is, as an enactment of thinking which harbors the seeds for its own transformation. To be sure, there are different ways to explain Heidegger’s self-assessment of these supposed inadequacies, but common to each is an ‘historicist’ thread that weaves together a narrative as to ‘why’ he supposedly changed his philosophical outlook. If only subsequently, and, for the most part, innocuously, Heidegger’s reactions to his political situation, both before and after his tenure as rector of the University of Freiburg, become tagged as a pivotal stage in filling out the ‘historicist’ account of his philosophical development. Heidegger’s political reactions, miscues, and apologetics gradually constellate a distinct chapter in the overall narrative of his philosophical development and the compartmentalizing of its specific chronological phases. Although not explicitly recognized for the most part, Richardson’s division between “Heidegger I” and “Heidegger II” provides the space to outline different scenarios of his political misadventures, that is, as playing off the impact of distinct chronological phases of his thought. What becomes particularly troublesome is that however one attempts to carve out and prioritize the different phases (of Heidegger’s philosophical development), an either “pro” or “anti-”fascist orientation can be discerned on either side of the demarcation between “earlier” and “later.” Moreover, as recent interpretations of the “Notebooks” suggest, the “earlier-later” divide can also be conflated in such a way as to make the political controversy of the 1930s the centerpiece around which Heidegger’s philosophy as a whole revolves, and allows each of its chronological phases to mirror each other by implicating the overall fascist tendencies of his thought. The chronological division of Heidegger’s philosophy fuels the attempt to relegate key concepts into “earlier” and “later,” precisely insofar as they inform the narrative of his political development in the 1930s. The most obvious case in point is the supposed polarizing of the concepts of Entschlossenheit and Gelassenheit, resoluteness and releasement, respectively. On the one hand, resoluteness assumes voluntaristic characteristics associated with the Heidegger’s “decision” to become
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rector of the University of Freiburg in 1933. In this ‘political’ narrative, the notion of resolute self-choosing derives primarily from the period of Being and Time (circa 1927 until 1933). By contrast, releasement entails a non-volitional enactment of freedom as “letting be.” Letting be is a form responsive-engagement, which voids any attempt at self-assertion, control, or militarism. Releasement in this sense is a concept that appears “later,” i. e., on the other side of the chronological divide with its polar opposite, resoluteness. Politically speaking, releasement appears as a direct compensation for the extreme enactment of resoluteness, and thereby suggests, even if by direct allusion to Meister Eckhart’s use of the term, a path of “detachment” from the “decisionism” of Heidegger’s support of National Socialism.32 Through a new form of engagement as “letting be,” he renounces the pride of decision in favor of a “humility” of thinking as exercising stewardship toward all beings. Implicit in the movement toward releasement, then, is the development of Heidegger’s “later” philosophy, which, if not explicitly acknowledging the political error of 1933, at least “reverses” course in renouncing any affinity with fascist leadership. Given its emphasis on Gelassenheit, the “later Heidegger” appears to develop a completely new topography of thinking which 1) retracts and “reverses” many of the “existential,” and, indeed, “voluntaristic” aspects of the “early Heidegger,” and 2) embarks upon a different line of questioning which, if not explicitly apologetic for the political “error” of 1933, at least develops “another” point of departure: the emphasis on style or a “mythic-poetic” style of thinking, on the one hand, and, on the other, a critical appraisal of the technicity on which the modern, world-view of National Socialism is based. Endemic to this “early,” “later” Heidegger division is a dual characterization of his concept of “authenticity” (Eigentlichkeit). Specifically, the “early” Heidegger forges a notion of the “authentic self,” which is existentially, if not subjectively rooted in the temporally disclosed dynamic of “anticipatory resoluteness,” that is, the individual’s capacity to choose him/herself in the face of confronting the inevitability and inescapability of death. By contrast, the “later” Heidegger “reverses” this existential focus in favor of an awakening to and “release” into being’s open expanse, a temporal nothingness that is bereft of any traces of human subjectivity and its self-assertiveness of will. When viewed in retrospect, Heidegger’s “later” philosophy unravels the false premises (of his “earlier” thought) that could have predisposed him to embrace the voluntaristic and authoritarian principles of National Socialism. The division between Heidegger’s “earlier” and “later” philosophy cuts both ways, however, in the attempt address the connection between his thinking and his politics during the 1930s. In this respect, the attempt to maintain various “chronological” scenarios of his philosophy becomes more and more problematic, if not 32 See Bret Davis, Heidegger and the Will (Evanston: Northwestern University Press, 2007), pp. 82–83.
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unsustainable. Scholars who endorse the Aristotelian-Kantian, as well as “pragmatic” strains of the “early Heidegger” may, conversely, discount his later writings for its poetic imagery and, even worse, mystical overtones. On the surface, the earlier writings of the Being and Time period hold a certain advantage of “pre-dating” his allegiance to National Socialism. Accordingly, it is argued that even in the worse case scenario the insights of the “early Heidegger” can be upheld, and thereby developed in new ways, which diverge from his subsequent political ties to fascism.33 This line of argumentation takes two directions: either, on the one hand, construing Being and Time as an “apolitical” text, or, on the other, advancing another political narrative in which the account of the temporal constitution of human finitude, and its social-historical enactment, suggests an ontological basis on which to reconstruct the “checks and balances” of a democracy. The implications are twofold: first, Heidegger’s writings post-1930 can easily be ignored due to their poetic, mystical overtones, and, secondly, the “early Heidegger” may hold a plus, politically speaking, because these texts have yet to be contaminated by the twisted ideology which he himself was left to untangle, for example, in such ambivalent writings as Introduction to Metaphysics. The scholarship in the 1980s suggests another alternative besides rejecting Heidegger’s thought in totem as “intrinsically fascist.” 34 The preference for the “later Heidegger” can also serve as a platform on which to recast, retrieve, and thereby radicalize the insights of the “early Heidegger.” Reiner Schürmann illustrates this attempt to “think Heidegger backwards.”35 This backward thinking reveals a bias in favor of deconstruction, in the sense of undoing the origins of the hegemonic practices of Western technicity (including those expressed in the political realm). Against the hegemonic onslaught of modern technicity, “anarchic play” emerges as the only alternative and antidote. Despite viewing the “early” and “later” Heidegger as compatible, Schürmann presupposes a chronological model of interpretation: e. g., “either-or”, “both-and,” and, while dealing constructively with the concern for the political, nevertheless construes it as ultimately shaping Heidegger’s Denkweg.36 By the same token, the political emerges as a problem couched within the division between “Heidegger I” and “Heidegger II.” The primordial enactment of temporality that Heidegger first uncovered remains peripheral to these various chronologies. These various interpretations construe the 33 For further discussions, and examples, see Schalow, “The Leaping-Off Point for Projecting-Open the Question Concerning the Political,” p. 31n. 34 Tom Rockmore, On Heidegger’s Nazism and Philosophy (Berkeley: University of California Press, 1992), pp. 4–6. 35 Reiner Schürmann, On Being and Acting: From Principles to Anarchy, trans. Christine-Marie Gros (Bloomington: Indiana University Press, 1987), p. 18. 36 For further discussion, see F. Schalow, “Being-Historical Thinking and the Third Critique: Another Chapter in Heidegger’s Dialogue with Kant,” Existentia, XXV (2015): 221–244.
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“turning” as a maneuver that he orchestrates “in” his thinking, or as an ontical result of a breakdown or deficiency in his overall project as understood in a “historicist” manner. Remaining concealed is the temporal dynamic of “turning” as a reciprocal relationship in which both Dasein and being are conjoined, and thereby as an ongoing transformation to which Heidegger’s thinking belongs, is ownedover, and seeks to project-open. When viewed in this light, the attempt to equate an emphasis on “being” with the “later” Heidegger and an emphasis on “Dasein” with the “early” Heidegger, proves to be completely misleading, if not alien to Heidegger’s thinking overall. On the contrary, as Heidegger stresses in the “Notebooks,” the momentum of the turning is such that, rather than, downplayed, Dasein is re-examined in terms of its greatest questioning-worthiness (Fragwürdigkeit des Daseins), that is, in regards to its greatest possibility of anxiety (grossen Angst).37 This turning around is not the result of any political upheaval, or even Heidegger’s reaction to it under the tumultuous interval from 1933 to 1934. By the same token, the journey along the curvature of the turning is not for the faint-hearted, but instead exacts the profoundest anxiety and distress (Not), and thereby requires the greatest forbearance and “hesitation.” The negativity of the “not” prevails, both as precipitating a grounding-attunement (Grundstimmung) and as evoking a hermeneutic guideline or inquiry. Be-ing (Seyn) must be addressed as refusing as well as gifting, and by virtue of its withdrawal and withholding, its historical forgottenness reappears as the abandonment of and by being. In terms of this profoundest negativity, the political must also be treated as a phenomenon in its own right. That is, we must reexamine the presumed structural and institutional integrity of the political, insofar as its constitution as a “place” is dis-placed by its appearance within the sway of machination. In the age of technicity, the political is shaped by synergies of power that form a a gestalt of technical, scientific, and economic interests for the pursuit of self-preservation, self-aggrandizement, and self-overcoming – Unwesen as both “refusal” and “disenownment.”38 The questioning of machination, then, will redirect us to the play of time-space in which the place of the political can reappear, not simply as an abstraction of one political theory versus another, but as marking a site of where mortals can foster a sense of “belonging” in the course of their sojourn on the earth. Being-historical thinking, then, does not “prioritize” the political, nor can it be employed to support a specific ideological perspective, as a long line of commentators leading up to Trawny suggests. Instead, through its enactment, being-historical thinking marks the interface between the history of metaphysics and the development of the modern age of technicity. For Heidegger, technicity defines the rise
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GA 94, p. 149. Radloff, “Contra Antiphon the Sophist,” p. 308.
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of machination as a way of disclosing beings in the whole, including humanity’s relation to nature.39 Conversely, being-historical thinking is a response to and the open-ended endeavor to prepare a saying of the historical manifestations of being, and how in modernity (Neuzeit) these culminate in one way of revealing beings within machination. While machination may reveal a gestalt of forces in play in the political upheaval in Germany in the 1930s, the narration thereof abstracts from the self-disclosednesss of being itself. By using hermeneutic guidelines we can distinguish between an ontically based, historicist account of paradigmatic events within the sphere of beings and the interpretation of Heidegger’s writings as pre-directed from being’s historical self-disclosure. Hermeneutic guidelines direct us to what shows itself (including its relevance in and for the political), that is, in light of the optics of the temporality of being and its proprietorship in thrusting mortals into the singular moment (Augenblick) of transformation. By the same token, “what is today” is not simply the summation of past events, but instead harbors the opening of a future in which the deepest origins of machination may first appear. As Heidegger states in quoting a line from Hölderlin’s poetry: “‘We are a sign that is not yet read.’” 40 In this respect, machination can also be a signpost to the double play in which be-ing rises forth into unconcealment precisely as sheltered and concealed in the predominance of beings. Being-historical thinking abides within the ambivalence of this signpost, in whose light and shadow our understanding of the political unfolds. The so-called turning bears out the full spectrum of this ambivalence. For being-historical thinking both takes its lead from, and anticipates its transformation, through the turning, in order to heed the interlude or hesitation whereby the political can become question-worthy once again. Thus the turning already harbors the counter sway of negativity, within which thinking must learn to abide. Conclusion The need to formulate hermeneutic guidelines has never been greater, given the most recent attempt to blur the lines between Heidegger’s being-historical thinking and his ties to National Socialism. We must recognize, however, that the attempt to “reduce” Heidegger’s philosophy to a specific interval, e. g., the 1930s, does not occur in a vacuum, but instead has its precursor in the misguided effort to splinter his thinking into chronological phases – beginning with Richardson’s division between “Heidegger I” and “Heidegger II” and finding a further permutation in recent efforts to annex being-historical thinking to one period of Heidegger’s thought, i. e. a narrative on the political turmoil of the 1930s. Conversely, by taking 39 For further discussion, see Emad, “History” and “Nothingness” in Heidegger and Nietzsche, Vol. I (Budapest: Societas Philosophia Classica, 2013), p. 55. 40 GA 8, p. 14.
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our cue from the “turning,” and confronting the ambiguous appearance of the political within machination today, we allow the fissure (Zerklüftung) that traverses Heidegger’s thinking to spawn new possibilities for its appropriation. Only as our questioning comes to abide in this ambiguity, and we first “learn to think,” can we prepare the way for a new understanding of the place of the political (of its ownmost province or region) and Da-sein’s inhabitation of it by projecting-open the strife between world and earth.
Heidegger’s Teshuva? Elad Lapidot I. Questionable “and” This article addresses the question of Judaism and Heidegger. It addresses the question of this conjunction, this “and”, it doesn’t raise it. Indeed, it seems undisputed that there already is a conjunction here, between Judaism “and” Heidegger, which is not just hypothetical, but, even before being asked about, as if of itself “begs” the question, a question. For example: is this conjunction an encounter? This is far from obvious. In addressing this question, I feel I need to speak in first person. It is perhaps the Not from which thinking, for Heidegger, should arise – a need, a distress, a difficulty. If I find it difficult to address this question-begging, question-worthy, fragwürdige relation, it is, to use a Heideggerian turn of phrase, not because the question is far from me, but all too close. I’m still not sure, at least less sure than others, what exactly the question is and how to approach it. “The Dasein is indeed ontically not only close or even the closest – we ourselves are, each of us, it. Nonetheless or precisely therefore it is ontologically the farthest”.1 There is for me here in fact a personal question, an existential question, concerning my Dasein, my being-there, being here. Isn’t it Heidegger who re-earthed philosophy in existence? Who, for “all philosophical inquiry”, designated human existence, Dasein, as “the point where [all philosophical inquiry] arises and to which it returns”? 2 Who intimately re-wed Sein and Dasein, being and human being. Who, on the other hand, seems to have so thoroughly – irreversibly? – divorced the existential from the personal, thought from life. As Hannah Arendt, who is perhaps a first figure of conjunction, encounter, in person, of Judaism “and” Heidegger, told in her speech for Heidegger’s 80th birthday, he had once opened a lecture on Aristotle’s philosophy by saying, “Aristotle was born, worked and died”.3 Currently there seems to be no thinker in history, whose biography could be more inappropriately summarized in relation to his 1 Martin Heidegger, Sein und Zeit. 19. Auflage. Niemeyer, Tübingen 2006 (1. Auflage 1927), p. 15. All translations here and below are mine. 2 Heidegger, Sein und Zeit, 38. 3 Hannah Arendt, Martin Heidegger, Briefe 1925 bis 1975 und andere Zeugnisse, ed. Ursula Ludz, Klostermann, Frankfurt am Main 2002, p. 184.
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thinking, than Heidegger himself. Rarely has philosophy been argued so ad hominem. I will therefore start with a sort of autobiographical testimony, not to say confession. As a student of philosophy, I have been investing a significant amount of time in thinking and writing about Heidegger’s work as well as in translating it into Hebrew. My interest in the philosopher Heidegger was awakened by another philosopher, Levinas, who convinced me that Heidegger’s thinking was a crucial and influential event in 20th century philosophy. Reading Heidegger myself, I found much that made sense to me, much that didn’t. What I definitely learned from Heidegger was reading, more precisely how new thinking can emerge from new reading of old writings. It was this hermeneutical awareness, among other, that later led me to read and in the reading of rabbinic literature, which, despite its oldness, was seldom considered by the philosophical tradition as a source for critical, new thinking. It is in this sense that I can say that Heidegger was my Talmud teacher, my rav. In itself, this is of course no recommendation: neither for my reading of the Talmud, nor for my reading of Heidegger, nor for any reading of both. I especially don’t feel I want to promote any agenda of “saving” Heidegger, much less of “defending” him. I’m certain there are better ways of getting to the Talmud, surely better Rabbis. Thinking however from, out of and on my own factual biography, my own “facticity” – as Heidegger called it –, I think that the connection I experience between Heidegger and the rabbinic tradition may generate at least one perspective on the relations between contemporary philosophy “and” Judaism. It suggests the silhouette of a bridge where many see nothing but abyss. This silhouette of a bridge I chose to point at not through a statement, but through a question, which I formulated as “Heidegger’s Teshuva –?”. This title presented itself to me initially through Daniel Boyarin, who, upon hearing my itinerary from Heidegger to Talmud, suggested, with a smile, that I’m a ba’al teshuva. Ba’al teshuva is a person who did teshuva, namely who returned from sin, colloquially meaning a Jew returning to Judaism. The reply (also, literally, a teshuva) I’m trying to articulate is something like, “Yes, however a teshuva not exactly against Heidegger, but with or through Heidegger” – a Heidegger’s teshuva. Or rather: Heidegger’s teshuva? The question mark designates the uncertain, searching nature of this response: it does not seek to conclude the conversation, but proposes a way to open it, to shape it. On the immediate conceptual level – concepts have their immediacy too –, it modifies the fundamental terms of the underlying conjunction. Heidegger is not juxtaposed to “Judaism” or “the Jews”, names that also function in his own discourse, be that German philosophical or Christian, and may even be said to have their primary locus in this discourse4; names in his 4 Elad Lapidot, “‘Du, der du mit Buchstaben und Beschneidung ein Gesetzesübertreter bist’. Paulus und die Grundlegung des Judentums”, in: Täter und Opfer. Verbrechen und
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language, by which he calls and means or represents (vorstellt) something, some things. Instead, the title-question has Heidegger converse with, be interrogated by or examined through a word he never used, probably never heard, in a language, a tradition of thought, which he never considered his own. It opens a conversation with Heideggerian philosophy on the terms of rabbinic thought. Less immediately, the rabbinic category of teshuva, tentatively, searchingly applied to the case of Heidegger, seems to opens up to a rich complex of translations and meanings, providing a possible articulation and questioning of the Heideggerian work and life project, i. e. not just as thought but as performance, or as a performative thought, inter alia in its relation to the Jewish project. The fundamental concept of teshuva makes room for thought, delineating a horizon in which it ultimately would be possible to illuminate the very event of “thinking”, as it unfolds in Heidegger’s efforts. All this demands much more careful treatment than I can reasonably hope to offer here. As a sort of very humble prolegomenon. I will only indicate a few features of the potential bridge, a passage, junction or intersection, an Übergang, between Heidegger “and” Jewish thought. This indication will be undertaken from within the already existing discourse on the subject. Before outlining a bridge, I must point at the abyss. II. The Black Books The dark shadow that for decades now has been inseparable from the name Heidegger is his involvement with German National-Socialism, a movement that was directly responsible, among others, for the great modern destruction of Jewish existence in Europe and beyond. It is a fact that in 1933, under Nazi administration, Heidegger was appointed and for one year served as the Rector of the Freiburg University, before resigning. During this period and to a lesser extent also after he actively participated in Nazi gatherings, rallies, meetings and various institutions, programs and initiatives. He remained a member of the Nazi party until 1945. There are other facts.5 The precise nature and duration of Heidegger’s affinity with Stigma im europäischen-jüdischen Kontext, Königshausen & Neumann, Würzburg 2014, S. 19–41. 5 See Victor Farias, Heidegger und der Nationalsozialismus, Fischer, Frankfurt am Main, 1987, the book that triggered the last great Heidegger controversy, arguing Heidegger’s thought may be only understood with a view to “several doctrines of National-Socialism” (p. 44); Emmanuel Faye, Heidegger et l’introduction du nazisme dans la philosophie, Paris, 2005, represents the most convicting position, describing Heidegger’s work as the “deliberate introduction of the foundations of Nazism and Hitlerism into philosophy” (p. 9), and even going as far as suggesting Heidegger himself had written Hitler’s speeches (p. 243–4) and participated in formulating the Nuremberg race laws (p. 339), thus demanding philosophy should “free itself from the work of Heidegger” (p. 509).
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Nazism has been a matter of great debate. The account he himself provided after the war was scant. His writings, gradually published over the years, contain few direct references to concrete historical events. So how Nazi Heidegger’s philosophy is depends to a very large extent on one’s definition of National-Socialism and interpretation of Heidegger, both of which vary.6 One of the less certain questions has long been Heidegger’s attitude towards Jews and Judaism. Several anti-Semitic expressions have been found in his personal and professional correspondence from as early as 1916.7 But virtually no explicit mention of the Jews was to be found in Heidegger’s past known work. Not so the recently published Schwarze Hefte, the ‘Black Notebooks’, which are at the center of the current Heidegger debate. The notebooks have been written over a period of 40 years, from 1930 to 1970. They contain fragments of Heidegger’s thought during those years. So far have been published, since March 2014, the notebooks written in 1931–1948.8 Covering the entire Nazi, WWII and immediate postwar era, their publication aroused much interest and was awaited. Indeed, the notebooks provide, among others, an unprecedented view on the development of Heidegger’s intellectual engagement with and on National Socialism – his initial fascination and then growing disenchantment and critique, all in the most intimate context of his philosophy. The heated reception of the notebooks however did not focus on Heidegger’s Nazism per se, in fact largely ignored it. The terms of the debate were set in advance, a few months before their actual publication, through a chain of interactions triggered by the editor of the Black Notebooks, Peter Trawny. It is not for Nazism but for anti-Semitism that Heidegger is now on trial. Trawny’s essay on the Black Notebooks was published simultaneously with the Black Notebooks themselves, but pre-circulated as a draft a few months earlier, and is – as are his editor’s notes in the Gesamtausgabe volumes themselves – the most often explicitly and inexplicitly quoted authority and source on the matter.9 The essay collected several statements in the Black Notebooks that speak of Jews, all in negative terms, within the conceptual framework of Heidegger’s discourse of “Being”. One of the most quoted statements, for example, says: “The question of the role of world Judaism [Weltjudentum] is not a racial question, but the metaphysical question concerning the kind of humanity, which, free from all attachments,
6 For a summary of the debate and literature references, see Dieter Thomä, Heidegger und der Nationalsozialismus. In der Dunkelkammer der Seinsgeschichte, in Dieter Thomä (Hrsg.): Heidegger-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Metzler Verlag, Stuttgart 2003, pp. 108–133. 7 For a recent survey, see Donatelle Di Cesare, Heidegger, die Juden, die Shoah, Klostermann, 2015, pp. 116–125. 8 GA 94–97. 9 Peter Trawny, Heidegger und der Mythos der jüdischen Weltverschwörung, Klostermann, Frankfurt am Main, 2014.
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can assume the ‘world-historical’ task of uprooting all beings [Seiende] from Being [Sein]”.10 These statements are very few, a handful in around 1,800 pages of notes, which Heidegger kept private during the war and in the 1970’s instructed should be published as the last part of his Collected Works. However, the use of standard antiSemitic language – Weltjudentum – at these time and place, within philosophical reflection, for many commentators, such as Peter Trawny, irrevocably “contaminated” Heidegger’s thought with anti-Semitism: “philosophical”, “metaphysical”11 or – as Trawny calls it, borrowing Heidegger’s own designation for his thought at those years – “seinsgeschichtliche” anti-Semitism. The earlier strategy of separating Heidegger’s questionable political biography from his philosophy is no longer tenable. The abyss separating the philosopher and his philosophy from Judaism appears to be, in any case, absolute. III. AntiThere could be different motivations to question this conception, different levels of doing it. The present deliberation I wish to set in motion by pointing at the distinctive role that “the Jews” seem to gradually acquire in the current debate as it unfolds. The accusation of “contagious” anti-Semitism, not just of the philosopher but of his philosophy, threatens of course to delegitimize Heidegger’s thought as well as any other intellectual projects significantly affected by it. Now Heidegger has produced and inspired, especially within the so-called “continental”, in particular French, philosophy, some of the strongest efforts to engage in critique of modern and contemporary thought, politics and human condition. “Anti-Semitism” thus becomes a convenient weapon for discarding critical thinking, which would be condemned and banned in the name of the Jews. This has the potential of positioning Jews and Judaism – for their own good? – as the limit of thought, i. e. as that which may not be legitimately, reasonably put in question, much less objected to, a kind of a ding an sich. This is an ambiguous position, which calls for careful consideration. Within the current discourse – again, without any motivation of “saving” Heidegger, and with full awareness of the not only intellectual but also emotional complexity of the issue – I wish to indicate the equivocal nature of the category philosophical or metaphysical anti-Semitism. On the immediate level, of course, it is used to designate anti-Semitic elements in philosophical discourse and argumentation. But what exactly does this special category of anti-Semitism mean? Can antiSemitism really be philosophical, metaphysical? Anti-Semitism is by definition directed against Semites, which, in particular with respect to Nazi anti-Semitism, 10 11
GA 96, 243. Donatelle Di Cesare, Heidegger, die Juden, die Shoah, p. 9.
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seems to be a category of race, i. e. belong to biology, to the physical. Wouldn’t then both Semitism and anti-Semitism be by definition non-metaphysical? Wouldn’t “metaphysical anti-Semitism” be a mere oxymoron? Would this expression then simply designate the methodically illegitimate procedure of supporting biological racism with pseudo-metaphysical arguments?12 There is, however, a great lack of clarity regarding the concepts of race, biology, the physical and the metaphysical. Seriously asking about the concept “metaphysical anti-Semitism” necessarily leads to the question of metaphysics itself, which is one of the fundamental questions animating Heidegger’s thought. In the Black Notebooks, for instance, he indicates how metaphysics, in establishing the dichotomy between the physical and the meta-physical, is, via a certain conceptual genealogy, the very principle at work in modern biologism and racism, which would accordingly be metaphysical categories.13 In such Heideggerian terms, “metaphysical anti-Semitism” would not constitute pseudo-metaphysics, but the genuine and perfected figure of metaphysics itself. In the above much quoted statement, however, Heidegger invokes metaphysics not to support but explicitly to reject the racial aspect of his critique against the Jews: “The question of the role of world Judaism is not a racial question, but the metaphysical question concerning the kind of humanity, which, free from all attachments, can assume the ‘world-historical’ task of uprooting all beings from Being”. The Jewish question is a metaphysical, namely a philosophical question. It is precisely their philosophical nature that makes the Black Notebooks significant: they speak against Jews as the bearers of a certain knowledge or know-how, a certain project of human existence or, as Heidegger calls it, a certain relation to being. I wonder whether this kind of critique is less racial anti-Semitism and more antiJudaism, not different in essence from what we find in the basic script of Western thought, from Paul to Luther, Kant, Hegel, Nietzsche and Bultmann.14 Hard and
12 This would seem to be Emmanuel Faye’s position, who argues, against the attempt to exonerate Heidegger from racism by pointing at his anti-biologism, that in fact standard Nazi racism did not understand itself as purely biological, but rather metaphysically (p. 38, 413), for example Hitler himself considered race to be “spirit” (p. 49). 13 In a passage from the mid-1940’s, for instance, he speaks about “the inner reversal of metaphysics itself, through which reversal the ‘sensuality’, in the full sense of animalitas and ‘the biological’, becomes true reality, to which the supersensual of rationality remains subservient” (GA 97, 41). For a similar argument, see also Derrida, De l’esprit. Heidegger et la question, galilée, 1987, indicating how the terminology of “spirit” dominates Heidegger’s own discourse precisely in the texts from his National-Socialist time, such as the Rektoratsrede. 14 For a survey of anti-Judaism in German thought and literature, see Donatelle Di Cesare, Heidegger, die Juden, die Shoah, pp. 47–111, who nonetheless draws a direct line from Luther to Hitler, thus in fact does delegitimize in principle all Western anti-Judaism.
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unjustified as such opposition to Judaism may be, treating it from the outset as illegitimate is not without difficulty and may prove to be self-defeating. In fact, it seems to me that the specific conceptual thrust of the term metaphysical or philosophical anti-Semitism is the implied condemnation not only or not mainly of the critique against Jews, but in the first place of the very perception of Jews qua Jews, i. e. of Jewishness or Jewish being, as a philosophically or metaphysically relevant category, as opposed to pure bios or ethnos. Significantly, to the basic definition of anti-Semitism as anti-Jewish violence “based on rumors, prejudices and pseudo-scientific (race-theoretical or racist) sources” (would there be more legitimate sources?), Peter Trawny, for instance, adds that “[t]oday should be also designated as anti-Semitic whatever is meant to characterize the Jews as ‘the Jews’”.15 This somewhat cryptic definition may perhaps be clarified by contemplating Trawny’s designation of the specific kind of anti-Semitism that he recognizes in Heidegger, namely not “metaphysical” but more precisely, as already mentioned, seinsgeschichtlich. Seinsgeschichte is one of Heidegger’s central titles for his thought during those years, in the Black Notebooks themselves. It can be provisionally, albeit inadequately (see below), translated as the “history of being”, and in fact names Heidegger’s attempt to articulate the question of being (Seinsfrage) no longer just in the sphere of individual existence, as he did in Being and Time, but on the level of world history. Trawny doesn’t provide any further elucidations of the exact meaning of the Seinsgeschichte within the Heideggerian conceptuality. His often use of the adjective seinsgeschichtlich thus effects deep estrangement. In fact, the historical dimension to which Heidegger’s seinsgeschichtliche thought opens up, Trawny understands as a “narrative”, a story. And wasn’t it Heidegger himself that, quoting Plato, pronounced that the first principle of philosophy is “not to tell stories”?16 To philosophy, the story would be an alien speech, a myth or allegory. For Trawny, reading world history as the unfolding of a philosophical intrigue is mythology. Equally mythological is ascribing philosophical values to historical collectives, such as the Greeks, the Germans – and the Jews. The Jews are not to be philosophically characterized – not to be characterized as “the Jews”, which would constitute, according to Trawny’s definition, anti-Semitism. Would there be any other way of characterizing the Jews? What sense would it make to speak at all about the Jews, about Judaism, without any concept of “the Jews”? Trawny is aware of the difficulty when he notes, in a different passage: “For us today the use of such collective concepts has become problematic”. 17 Heidegger’s critical appre-
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Trawny, Heidegger und der Mythos, p. 11. Martin Heidegger, Sein und Zeit, p. 6. Trawny, Heidegger und der Mythos, 27.
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ciation of the Jewish role in the history of being, at any event, his so called seinsgeschichtliche anti-Semitism, Trawny can only grasp as anti-Semitic mythology, hence the title of his essay, “Heidegger and the Myth of the Jewish World Conspiracy”. I have no doubt that Trawny’s and other efforts to expose and insist on the question of anti-Semitism in Heidegger and modern philosophy and culture in general are motivated by a genuine concern. Nevertheless and based on the same motivation, it is imperative to point at the potential implications of too quickly dismissing as “myth” the conceptualization of Jewishness. It is perhaps one of the great challenges after the destruction of the Jews in the Shoah to renew or return to thinking of Jewish being, namely not just as a historical fact, but as an intellectual, existential possibility. In other words, there’s a challenge of thinking Judaism as something that belongs to the sphere of thinking, which can therefore pose a genuine question for philosophy – and can be legitimately put in question by it. In fact, from within philosophy, critique against Judaism establishes a fundamental relation to it, which indifference to Judaism does not. This is one reason why I think the abyss of Heidegger’s philosophical anti-Judaism also suggests a bridge. Before articulating this thought a bit further, I will briefly position it in relation to other bridges that have been suggested in the past. IV. Heidegger and the Jews, Liaisons dangereuses It is a noteworthy observation that the attempts to link Heidegger and Judaism or the Jews have been multiple and diverse. The different models of bridges vary according to the various understandings of Heidegger – and of Judaism. The first model of suggested connection is Heidegger’s Jewish reception, namely the reception of Heidegger’s philosophy by Jewish thinkers. One form of this model focuses on Heidegger’s so-called “Jewish” students, for example those who Richard Wolin called “Heidegger’s Children”18: Hannah Arendt, Hans Jonas, Herbert Marcuse and Karl Löwith, to whom can be added Günther Anders, Emmanuel Levinas and others. I say “so-called Jewish students”, since for many of them being Jewish had little, if anything, to do with being a student, and their intellectual work, in which they potentially “received” Heidegger, made hardly (Levinas is the exception) any explicit reference to the tradition of Jewish thought. They do present an interesting phenomenon, which has its place and significance in this context, perhaps on more developed levels, but they do not constitute a primary intellectual connection between Heidegger and Jewish thought, i. e. of thought qua Jewish. 18 Richard Wolin, Heidegger’s Children: Hannah Arendt, Karl Löwith, Hans Jonas, and Herbert Marcuse. Princeton University Press, Princeton, NJ, 2001.
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A more cogent form of suggested Jewish reception of Heidegger’s thought considers its direct or indirect influence on modern thinkers of Judaism. In the context of the Black Notebooks debate, Michael Fagenblat recently pointed at a certain “becoming-Heideggerian of orthodox Jewish theology”.19 Similarly to Trawny, Fagenblat too establishes Heidegger’s “philosophical”, “metaphysical” or “ontological” anti-Semitism, which he focuses more specifically on the description of Jews as “uprooted”, interpreted by Fagenblat as lacking “a land and language of their own”.20 This same critique of exilic Jewish existence Fagenblat then goes on to identify in Alexander Altmann’s theology of “revelation and peoplehood” 21, Joseph Soloveitchik’s “ existential-theological desire for the manifest destiny of the Jewish people in history” 22, and Jewish orthodoxy’s “reterritorialization on the sacred land, figured as an essential, constitutive element of dwelling in proximity to God” 23, as embodied for instance in the Gush Emunim movement. As Fagenblat’s epigraph (borrowed from Elliot Wolfson’s quoting Bob Dylan) indicates – “But the thing that scared me most was when my enemy came close; And I saw that his face looked like mine” –, it is a scary resemblance that his essay suggests between “Heidegger’s Anti-Semitism and the Return to Zion”. Fagenblat’s apprehension of Jewish peoplehood-theology echoes Trawny’s uneasiness with Heidegger’s philosophical valuation of historical Judaism. Both touch the heart of the matter here in question. Meanwhile one could wonder whether Heidegger is the most plausible source of inspiration for Jewish national movements and Zionism, which may arguably be traced much further back to more obvious impulses in the history of modern nationalism. Equally uncertain is the identification of 20th century Zionism as the source of people, language and land, of Zion and the return to Zion, as central Jewish categories. Moving away from a proper Jewish reception of Heidegger, one famous comparison is between Heidegger and Rosenzweig, a comparison already suggested by Rosenzweig himself in 1929 (pointing at the affinity between Heidegger, who then held Hermann Cohen’s chair in Marburg, and the later Cohen himself: “a philosophical position that is precisely the position of our thinking, the new thinking” 24) and many others after him, like Karl Löwith and Leo Strauss.25 Peter Gordon, who 19 Michael Fagenblat, The Thing that Scares Me Most: Heidegger’s Anti-Semetism and the Return to Zion, Journal for Culture and Religious Theory, 14.1 (2014), 8–24, pp. 22–23. 20 Ibid, 10. 21 Ibid, 13–15. 22 Ibid, 16. 23 Ibid, 22–23. 24 Franz Rosenzweig, Vertauschte Fronten, in: Der Mensch und sein Werk. Gesammelte Schriften. III. Zweistromland. Kleinere Schriften zu Glaube und Denken, S. 235–237. 25 See the long bibliography provided by Elliot Wolfson, “Rethinking Rosenzweig in Light of Heidegger’s Ale¯theia”, in: Die Denkfigur des Systems im Ausgang von Franz Rosenzweigs ‘Stern der Erlösung’, hg. v. Hartwig Wiedebach, Berlin 2013, pp. 146–147.
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articulated the similarity between the two thinkers under such notions as “philosophical expressionism” or “archaic modernism”, in the last paragraphs of his book points at a possible interpretation of the Heidegger-Rosenzweig affinity that departs both from the model of Heidegger’s Jewish reception and from mere resemblance and suggests an opposite model of bridge. “If”, Gordon carefully writes, “Rosenzweig’s work drinks from ancient springs”, i. e. Jewish, “then the strong resemblance between Rosenzweig and Heidegger [. . .] would prompt us to consider”, he ventures, “the startling possibility that Heidegger’s philosophy itself might somehow derive from Judaism”.26 This “startling” idea of Jewish tradition received by Heidegger was voiced already in 1933, by Erich Jaensch, another successor of Hermann Cohen’s philosophy chair in Marburg and an avowed Nazi, who in his report to the Bavarian Culture Minister complained that “Heidegger’s thinking is of the exact same nature as the talmudic-quibbling thinking”.27 Heidegger’s Jewish-like hermeneutics was argued in detail by Marlène Zarader, in 1990.28 She too pointed at significant similarities between Heidegger’s thought and not modern but the traditional Jewish intellectual project. Jewish tradition for her was not Talmud, but the tradition of reading and interpreting, of “receiving” the Hebrew Bible in Hebrew – i. e. the non-Greek, non-Christian reception, rather what she designates as the “Hebraic heritage”. This heritage Heidegger inherited, she claimed, without acknowledging or wanting it – malgrè lui, while obliterating the inheritance, the very heritage. It remains a blind spot at the center of his thought: “The Unthought Debt”, Zarader called it.29 Leaving aside the question of inheritance, various attempts have been made over the last decade to work out this hermeneutic resemblance. Sergey Dolgopolski, “working in the same space inhabited by Levinas, between the Heideggerian tradition and the Talmudic tradition” 30, advanced Heidegger’s hermeneutic-mnemonic approach as a model for understanding “memory in the form of the Mishnah and the Talmud”.31 In a vast and rich body of writings, Elliot Wolfson has turned to “certain themes in Heidegger’s oeuvre to elucidate aspects of kabbalistic esoterism
26 Peter Eli Gordon, Rosenzweig and Heidegger: Between Judaism and German Philosophy, Berkeley, University of California Press, 2003, p. 313 27 Quoted in Farias, Heidegger und der Nationalsozialismus, p. 232. 28 Marlène Zarader, La Dette impensée. Heidegger et l’héritage hébraïque, Paris, Seuil, 1990. See also Donatella Di Cesare, Heidegger, die Juden, die Shoah, pp. 153–155. 29 Furthermore, “the return to the Greek” signifies eo ipso “the erasure of the Hebrew”, Zarader, La Dette impensée, p. 230. 30 Sergey Dolgopolski, What Is Talmud? The Art of Disagreement, New York, Fordham University Press, 2009, p. 63. 31 Ibid., p. 60.
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and hermeneutics” 32, applying, for instance, Heidegger’s poetics to “enhance the study of kabbalistic hermeneutics and poetic imagination”.33 To return to politics, in view of the Black Notebooks, Wolfson “most provocatively” noted that “in both Heidegger and the kabbalists we find a privileging of a particular language as disclosive of the nature of being and the consequent affirmation of a unique cultural destiny of a particular ethnos, a position that harbors the potential for the disvaluing of others under the guise of racial inferiority”.34 This resemblance was for Wolfson – inspired by Dylan to inspire Fagenblat – “the thing that scared me most”. In fact, Wolfson has in the past asserted more generally a “deep-rooted ethnocentrism that has sustained and nourished Jewish religious faith through the ages”, raising concerns of a rabbinic “ontological division between Jews and non-Jews” (what kind of ontology? What understanding of being? At least from a Heideggerian perspective, these would be the crucial questions) as well as of “the claim that the Jewish people have a special destiny in the history of human civilization that marks them as substantially different from all other ethnic group”.35 A similar insight has led John Caputo, engaged like Trawny in “demythologizing” Heidegger, to hold, before the publication of the Black Notebooks, that Heidegger’s “narrative of being” was borrowed from “the narratives of the Jews and their God in the Tanach” about the divine call “that defines and identifies a sacred people: one God, one people, one place”.36 Oblivious to its “Jewish Urquel”, in Heidegger’s National-Socialist version “[t]he call was addressed to a rival chosen people, not the Jews but the Greeks and their spiritual heirs, the Germans, in a rival new Jerusalem, not Israel but the Third Reich, with a rival prophet, not Hosea but – if truth be told and with all due modesty! – Heidegger.” 37 Caputo’s own final call illustrates how close denouncing Heidegger’s Seinsgeschichte can come to a harsh critique of Judaism: “We need to break with [. . .] the myth of the originary
32 “What Does Heidegger’s Anti-Semitism Mean For Jewish Philosophy?”, an interview with Aubrey A. Glazer, of April 3, 2014, on the website Religious Dispatches: http:// religiondispatches.org/what-does-heideggers-anti-semitism-mean-for-jewish-philosophy. 33 Elliot Wolfson, Language, Eros,and Being: Kabbalistic Hermeneutics and the Poetic Imagination, Fordham University Press, 2005, p. 25. See also Alef, Mem, Tau: Kabbalistic Musings on Time, Truth, and Death, University of California Press, 2006; and more recently in Giving Beyond the Gift: Apophasis and Overcoming Theomania, Fordham University Press, 2014. 34 Wolfson, “What Does Heidegger’s Anti-Semitism Mean For Jewish Philosophy?”. 35 Wolfson, Venturing Beyond Law and Morality in Kabbalistic Mysticism, Oxford University Press, 2006, pp. 122–123. 36 John Caputo, “People of God, People of Being: The Theological Presuppositions of Heidegger’s Path of Thought,” in Appropriating Heidegger, eds. James E. Falconer and Mark A. Wrathall, Cambridge: Cambridge University Press, 2000, 88, 96. 37 Ibid., 90.
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language, the originary people, the original land, by means of which Heidegger reproduces the myth of God’s chosen people, of God’s promised land, [. . .] the murderous twin myths of the people of God and of the people of being, myths which license murder in the name of God or in the name of the question of being.” 38 The same ambiguity, in a milder, much more meditative form, is visible, finally, in Trawny’s exposure of Heideggerian anti-Semitism. Establishing that Heidegger’s occasional use of “race” doesn’t have a biological, but an ethnic meaning, Trawny still finds this is “coming close to the ideology of National Socialism”, since “[w]hat meaning has the belonging to a people, beyond the linguistic community?” 39 This leads him to raise – in a footnote – the question of a possible “Jewish kind of ‘racism’”: “It is a social-psychological question whether and how the ‘passive claim to exclusivity’ – to be the ‘chosen people’ – can be a trigger to react in a racist manner to the constant distinction between belonging and non-belonging”.40 Another footnote at the end of the book thus explicitly suggests “another way to approach Heidegger’s seinsgeschichtlichem anti-Semitism”, namely of a “peculiar affinity”: “The thought (which at times is no doubt to be designated as messianic) of the ‘last god’ as a non-universalistic god of a people reminds Judaism’s conception of god (an utterly provisional claim of course). Didn’t Heidegger consider the Germans as a ‘chosen people’? What is the relation of the ‘last god’ to this ‘chosenness’? Is there in Heidegger an unacknowledged closeness to Judaism?” 41
V. Teshuva Indeed, there’s much in Heidegger that makes you think of Judaism. It almost seems that even his particular kind of anti-Semitism is less “philosophical”, “metaphysical” or “seinsgeschichtlich” than – Jewish. As if just in his anti-Jewish moments he has never been closer to being a Jew. Untying this knot requires rethinking Heidegger, rethinking Judaism. As a prelude, in contrast to all bridge models just discussed, I wish to contemplate not the actual, mostly hypothetical, reception, but the potential receptability of Jewish thought by the type of thinking generated by Heidegger from within philosophy. I’m looking for Judaism, so to speak, not in Heidegger’s past, but in his future. How the transition from antagonism to a positive relation could look like I’m not sure. It is perhaps still too early for some aspects to unfold. One could imagine a dynamic like in Hegel’s dialectics or in Heidegger’s own Heraclitian polemos, strife, as the revealing process of truth. 38 39 40 41
Ibid., 99. Trawny, Heidegger und der Mythos, p. 39–40. Ibid., 41, n. 15. Ibid., 94, n. 21.
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I wish to offer instead a rabbinic Denkfigur. This figure appears in a narrative, a story (no history, is it myth?) about the destruction of the First Temple by the Babylonian General Nevuzaradan or Nevuzaradar. Different sources transmit different versions.42 The story has become emblematic in rabbinic contemplation of destruction: it features in Tisha Be’av and was also invoked, for example by Rabbi Joseph Soloveitchik, in relation to the Shoah.43 The relevant motif, found already in earlier versions, such as the Yerushalmi Talmud, depicts how the Babylonian General’s acts of destruction – invading Jerusalem, burning the temple, slaughtering thousands – both break and restore the people of Israel’s relation to God, a relation called in modern parlance “Judaism”. The remarkable element added in the Babylonian version of the story is that this renewal of Judaism through destruction is epitomized by Nevuzaradan himself ʸʩʩʢʺʠʥ , namely becoming a Jew or as the Talmud calls it Yissrael. The transformation is effected in a moment of self-reflection, self-critique, when, estranged from his murderous self, the Babylonian General puts his own being in question: “this man, what will be of him?” ( ʤʩʬʲʩʥʤʩʺʤʮʠʸʡʢʠʥʤʤ). This moment of existential ontology, of self-change through raising the question of one own’s being, as some manuscripts add, the Talmud calls ʤʩʺʲʣʡʤʡʥʹʺʸʤʸʤ – “contemplated or thought to himself in his mind teshuva”. Teshuva, in this context, is usually translated to mean ‘repentance’44, a critical self-reflection leading to change. Literally, teshuva is not just metanoia, a “change of mind”, not just a turn but a re-turn, a turning back. Back to what? The story of Nevuzaradan makes clear that this return is not a biographical reconnecting with one’s personal origin or identity. The teshuva of this Babylonian is not back to Babylonia but away from it. His crucial act is putting Babylonia in question. But this self-critique is not left hanging in epoché, outside of history; it does not crystallize a pure transcendental subject, a pure self-knowing cogito. Putting his historical, political, ontic position in question, the Babylonian is not suspended in indeterminacy, but is simultaneously putting himself somewhere else: the question is eo ipso teshuva, also a response, an answer. His new position, his new being, allows questioning his old: it is somehow better situated. This means that in the order of thinking his new state of being is prior to, precedes and conditions, i. e. ontologically older than his old self. Rejecting the destructive Babylonian existence, Nevuzaradan returns to an older principle of being, the very historical, political, social, concrete existence that Babylon sought to destroy – ʸʩʩʢʺʠʥ , and he became Jewish.
bSan.96b, b.Git57b, y.Taan. 4:5 (25a), EichR P.23, KohR 3:16, 10:4, JalqS Ezek 364. Joseph Soloveitchik, The Lord is Righteous in All His Ways: Reflections on the Tish’ah Be-Av Kinot, KTAV Publishing House, 2006, p. 274. 44 Soncino translates: “Thoughts of repentance came into his mind”. 42 43
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Following this narrative, the Talmud brings another rabbinic tradition that lists other iconic foes of Israel – Sisera, Sanherib, Haman – whose descendants not only became Israel, but “taught Torah in public”, namely became the intellectual founders of Judaism, the first Rabbis. Yissrael is not the collective of present, readyat-hand, vorhandene individual substances, to whom ontology would be purely metaphysical, but the people whose question of being is literally existential, transforming their entire existence, their very identity. Yissrael would be the people of baalei teshuva. VI. Heidegger’s Teshuva –? It is this existential-historical aspect of teshuva that is suggestive to me in thinking the possible conjunction, the potential “and”, between Judaism and Heidegger. I say this, bearing in mind the aspect of teshuva that seems to be missing in Heidegger’s personal postwar public position with respect to the Shoah, to the role of National-Socialism in it, and to his own role in National-Socialism, namely a manifestation of remorse. As a matter of fact, such manifestations are not absolutely lacking. Famous past statements have indeed been rather apologetic, expressing mainly Heidegger’s 1934 “disappointment of all hopes” that he initially had for the burgeoning “movement that came to power”.45 He did distance himself from a statement he made in 1933 about the Führer being “the only present and future German actuality and law” (“these sentences I would no longer write today”), but generally defended his actions as rector in 1933/34.46 The Black Notebooks now reveal a less self-confident Heidegger, who in the years following his rectorate has repeatedly referred to it as his “great error”.47 Heidegger also admitted to the “failure” (Versagen) of his absence from Husserl’s deathbed and funeral, for which in 1950 he expressed his regret to Husserl’s widow.48 45 Martin Heidegger, Das Rektorat 1933/34. Tatsachen und Gedanken, first publication of notes from 1945, ed. Hermann Heidegger, Frankfurt am Main 1983, 35. 46 “I would reiterate today, today even more decisively than ever before, the lecture on the ‘Self-affirmation of the German University’, of course without making reference to National-Socialism”, Spiegel-Gespräch mit Martin Heidegger (23. September 1966), in GA 16, 652–683, p. 657. In his letter to Marcuse of January 20, 1948, he refers to another statement as a “stumble” (Entgleisung), see GA 16, 430–431. 47 GA 94, 162, 198, 286; GA 97, 98: “The actual error of the ‘rectorate 1933’ was not so much that I did not, like cleverer others, recognize the ‘nature’ of ‘Hitler’ and in the following period stand by resentfully with them, in the area of un-willingness – namely in the same area with the willing –, but that I believed this was the time to become inaugural (anfägnlich), historial (geschichtlich), not with Hitler, but with an awakening of the people in its occidental fate (Geschick)”. Heidegger also refers to his “political error” in his 1948 letter to Marcuse. 48 Martin Heidegger, Brief an Malvine Husserl zum 90. Geburtstag, GA 16, 445. See also in the Spiegel interview, p. 663.
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More specifically concerning the Shoah, Heidegger, in his 1948 letter to Marcuse, concurred with the latter’s “hard, justified accusations” of the Nazi persecution of the Jews (though adding that the same accusations should be made of the Soviets, just “instead of ‘Jews’ it should read ‘East Germans’”).49 But Marcuse’s explicit entreaty – “many of us have long waited for a word from you” – for “a word that would liberate you clearly and definitely from this identification [with the Nazi regime], a word that would express your real, current position to what happened”, Heidegger declines, saying: “An avowal [Bekenntnis, also ‘confession’] after 1945 was impossible for me, because the Nazi supporters pronounced their change of heart [Gesinnungswechsel] in the most repulsive way, I, however, had nothing in common with them”. 20 years later he apparently still disappointed Paul Celan’s “hope, today, for a thinker’s word to come” [auf eines Denkenden kommendes Wort].50 Unlike actual Nazi supporters, Heidegger seems to say, he has no confession, no repentance to make. In other words, his opposition to the Nazi regime required no change of heart, no metanoia. In the Spiegel-interview of 1966 Heidegger maintained that his university lectures since 1934 have already constituted a controversy [Auseinandersetzung] with National-Socialism. 51 In his 1962 letter to Father William J. Richardson, published as a forward to Richardson’s book that introduced Heidegger to the American readership, he explicitly dismissed the opinion that his thought “had since 1947 gone through a ‘turnabout’ [Umkehr] or even since 1945 a ‘conversion’” [Bekehrung].52 This he writes, however, in the same letter, by way of reaffirming and clarifying a conceptual figure that will increasingly become central less in Heidegger’s own thought than in its reception, namely the figure of the Kehre. How to translate, how to understand the Kehre, the ‘turn’? Could it mean a re-turn? Would this be a figure of Heidegger’s teshuva –? VII. Jewish Kehre? I’m reflecting on teshuva as a return to where one has not yet been, which requires not reaffirming but questioning one’s own identity, own tradition: Babylonia questioned by a Babylonian general – or Europe by a German philosopher. In fact, much more than any critique of Judaism, Heidegger’s intellectual itinerary traces one of the most comprehensive modern self-critiques of modernity itself and GA 16, 431. Margarete Sander, Textherstellungsverfahren bei Elfriede Jelinek: das Beispiel “Totenauberg”, Würzburg 1996, p. 96–98. 51 GA 16, 664. 52 GA 11, 149. First published in William Richardson, Heidegger: Through Phenomenology to Thought. Preface by Martin Heidegger, The Hague: Martinus Nijhoff Publishers, 1963. 49 50
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its defining traditions and conditions: Europe, the West, Theology, Humanism, Christianity, Ontology, Logic – and Philosophy. “Metaphysics” is how Heidegger often jointly names them. After 1934, in his 1939 Black Notebook for instance, he points at how one of the contemporary outcomes of these traditions, next to Bolshevism, is National-Socialism: “the authoritarian ‘Socialism’ (in the variants of Fascism and National-Socialism) is a [. . .] form of the completion of modernity”.53 In the 1945 aftermath he therefore dismisses the German wish to repent by reconnecting to German philosophy: “There are still ‘philosophers’ who consider it good to go back 200 years and reconnect [anzuknüpfen] to the ‘enlightenment’, yes in general to ‘reconnect’ to somewhere and to ‘renew’ and ‘convert’ something – instead of ‘seeing’: what is”.54 Putting the tradition of metaphysics and philosophy itself into question is not a method of reconfirmation, such as the Kantian critique. On the other hand, the required reposition of thought with respect to metaphysics cannot just pretend to simply “overcome” [überwinden] it by leaving it behind. Naively going back and naively moving on both lead to an “eternal return of the same”. Heidegger thus invests thinking in contemplating the meaning of the necessary “step back” 55: “Go back to what is backward, where the beginning held back – back to the future of what is coming. But never go back to what has been until now” [Zurück in das Zurück, worin der Anfang sich verweigerte – zurück in die Zukunft aus dem Kommenden. Aber nie rückwärts in das Bisherige].56 The return from the present should not re-start it but re-open a future for what it left behind. Is this not the fundamental drama of teshuva? How this could be read as a basic plot of Heidegger’s project can be only shown here with what Heidegger calls a Wink, a ‘hint’. The Heideggerian performance is observable already on the first page of his early published magnum opus, Sein und Zeit. The work begins with the primal act of reception, of tradition: a quote. The quote is Plato’s original Greek. What it receives is the tradition to which Plato is an origin. This tradition, as said before, Heidegger will call by many names. Here, at the beginning of Being and Time he identifies the collective subject of this tradition indexically as “we, in our time”, which can mean, for instance, German philosophy, 1927. Approaching philosophy as a tradition grounded on urtext is not trivial57, considering the philosophical tradition, especially in modernity, as moGA 96, 109. GA 97, 127; “Karl Jaspers want to delete the last 200 years of German intellectual history”, GA 97, 62. 55 GA 97, 163–164, 292–294, 318–319. In 1948 Heidegger even includes “Schritt zurück” in the keyword index [Stichwortverzeichnis] that he prepares for Anmerkungen V, see GA 97, 518. 56 GA 97, 365. 57 A similar approach to philosophy Heidegger presents in his preface-letter to Richardson, biographically describing his own discovery of the question of being by means of reading Brentano reading Aristotle, see GA 11, 145. 53 54
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dernity, can almost be characterized by its objection to reception as a legitimate form of knowledge. The textual tradition of philosophy is received here in the form of a question, what Heidegger takes to be its original question: the quote is Plato’s question about “what we mean when we say that something is”, namely the question of being, the Seinsfrage. As Sein und Zeit and Heidegger’s later work will argue, being in a relation to what the Greek called einai, “being” or “to be”, is the defining feature not just of the philosophical existence or Greek lifestyle but more generally of the human being. With the beginning of relating to being, such as the explicit question about being, begins human history, human time. In a similar way, perhaps, the book of Beginning, bereshit, identifies the time of Adam’s (translatable as “man’s”) descendant Enosh (translatable as “human being”) as “when one began to call the name of JHWH (which names, as Ex. 3:14 attests, something like ‘to be’)” (Gen. 4:26). What makes Heidegger’s act of reception so remarkable, so receptive, is his basic observation, not that the question of being has been in fact the basic question of the tradition of thought, the tradition of human being that refers itself back to Plato – philosophy, metaphysics, humanism, Europe, the West, modernity –, but, on the contrary, that to “us, in our time”, Plato’s question actually no longer makes any sense – and has been making no sense for quite a long time, perhaps since Plato himself. The ensuing Heideggerian project can be thus read as a sustained interrogation of the Western tradition as a tradition of obliterating its own constitutive question, of repressing its own beginning. This interrogation attempts to return to the question, to regain the relation to being: to “go back to what is backward, where the beginning held back”. The initial step made in Being and Time famously focused on retrieving the meaning (Sinn) of the question of being as underlying the entire structure of human existence, which is therefore defined by its relation to being, Sein, namely as Dasein, ‘being-there’. This existential analysis interrogates human being, which tends to obliterate its constitutive concern for being, in search for the way leading back to being. It is after Being and Time that enters the Kehre. In the aforementioned 1962 letter to Richardson Heidegger confirmed that “the thinking of the Kehre is a turn in my thought”.58 However, he clarified, this turn is not a change of mind or any “process in the interrogating thought”, namely no subjective development in Heidegger’s insights. The turn rather belongs to the Sachverhalt selbst, the matter in question itself. As Heidegger indicated in the 1947 Humanismus-Brief, it was already in the third, never published section of Being and Time, titled Time and Being, that “everything turns around” [hier kehrt sich das Ganze um].59 58 59
GA 11, 149. GA 9, 328.
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To explain this, Heidegger refers Richardson to a draft of his 1937/38 lectures on “Basic Questions of Philosophy”, where he articulates the meaning of the turn from Sein und Zeit to Zeit und Sein as turning from “man in his relation to being (Sein)” to “being (Seyn) and its truth in relation to man”.60 In other words, the turn turns from grounding being in human existence to grounding the human in being itself (Seyn, ‘to-be’, as distinguished from the being of beings, Sein des Seienden). The Kehre is nothing short of a “transformation of human being itself” [Verwandlung des Menschenseins selbst]. What does it mean to ground human being in being itself? It means to think what for late Heidegger is the paradigmatic enactment of human being, namely thinking, Denken, not as being sovereign, autonomous, self-constituting and selfdetermining, but as called-for, invoked (by Zu-spruch) or required (in Brauch genommen) for and by the self-revelation event of being itself, i. e. “its truth”. Human being is required for the truth of being. In his 1962 lecture, Time and Being, a belated rendition of the Kehre, Heidegger describes man as the “receiver” [Empfänger], namely of something given, of a “gift” – Gabe or Geschenk.61 Human being as a given gift, i. e. as grounded and pre-conditioned by a prior provision, as Geschenk, manifests itself in Geschick, ‘providence’, destiny, fate. Geschick makes the essence of Geschichte, which is therefore not just an indifferent chain of occurrences (Geschehen) or story of the past, history or myth, but the unfolding of a meaningful event. The Kehre of Heidegger’s thought of being therefore means, among others, returning from the analysis of individual, a-historic human existence to the interrogation of the always already given revelation or event of being in history as Geschick von Sein, i. e. Seinsgeschichte. Thinking the specific Western event of being, namely the “West” itself, das Abendland, as a specific event of being, a specific Seinsgeschichte, has in fact been at the center of the Heidegger’s project since the early 1930’s. The basic attempt of this seinsgeschichtliche Denken is to identify central figures of the West – the Greeks, Christianity, Rome, Humanism, Modernity, Technology, Science, the Germans – and unveil or interpret them as various moments articulating a specific mode of human being’s relation to being, or, umgekehrt, being’s requisition of the human. Such thinking, such Denken, Heidegger describes as An-denken, namely thinking that is essentially of something, dedicated to something, like memory, not as a distant report of things past, but as reenacting commemoration or observance.62 Concretely, what Heidegger thought of is what he considered to be the
60 M. Heidegger, Grundfragen der Philosophie. Ausgewählte „Probleme“ der „Logik“. Freiburger Vorlesung Wintersemester 1937/38. GA Bd. 45. Hrsg. v. F.-W. v. Herrmann. Frankfurt a. M. 1984, S. 214. Quoted in GA 11, 151. 61 GA 14, 16. 62 See Martin Heidegger, Was heißt Denken?, GA 8.
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canonical texts or sayings of Western thought,63 observed and interpreted in readings that have made up the bulk of his university courses both before and after Being and Time. Again, it is precisely Western intellectual tradition’s oblivion of itself as a tradition, as a specific historical-textual configuration of relating to, revealing and actually enacting something like ‘being’ and human-being that Heidegger’s readings bring to light. It is from this oblivion that his thought seeks to return, striving to go before and beyond its beginning; striving to a “second beginning”64 or “another beginning”65, to restart thinking that would be no longer Greek, no longer philosophy. In the 1966 Spiegel-interview he hypothesizes the potential awakening, “one day”, of “age-old traditions of ‘thought’ in Russia or in China”.66 A Black Notebooks entry of 1939 expresses a surprising admiration to Lawrence of Arabia’s Seven Pillars of Wisdom as “overcoming the machination of being” [die Überwindung der Machenschaft des Seyns].67 Turning away from Greece, however, Heidegger mostly turns to German poets: Trakl, George and above all Hölderlin – “alone stands there the poet”68, who “alone founded this hint of being to the German”.69 What I suggest is that, to Heidegger’s post-philosophical quest, the Jewish tradition may provide at least another, if not a better teshuva. To Jean-François Lyotard this affinity between Heidegger et ‘les juifs’ was so apparent, that he considered it a “scandal”, “how this thought (Heidegger’s), so keen on recalling the part of oblivion (of being) in all thinking, of all sorts, in any ‘representation’ of the world, how could it ignore the thought of ‘the Jews’, who in a certain sense thinks, tries to think, nothing but this”.70 Thinking with Lyotard, one may perhaps suggest that Heidegger was ultimately too rooted in the historical representations of the metaphysical tradition, including its representation of the Jews, to see Jewish thought tradition for what it is. Just as Heidegger, Lyotard too still remains confined to the representation, to the “quotation marks” that he uses “in order to avoid the confusion between these ‘Jews’ and the real Jews”.71 Don’t the quotation marks conceal the crucial possibility not of being, but of becoming a real Jew? 63 In the 1938 Black Notebooks Heidegger provides a list of the “essential few”: “the saying of Anaximander, the sayings of Hercalitus, the ‘teaching’ of Parmenides, Plato’s Phaidros, Aristotle’s Metaphysics Z±Q; Descartes’ Meditations, Leibniz’s ‘Monadology’, Kant’s ‘Critique’ (the threefold); Hegel’s Phenomenology of Spirit, Schelling’s Freedom treaty, Nietzsche’s Nachlass of the Hauptwerk”, GA 94, 492–493. 64 GA 94, 209. 65 GA 94, 314. 66 GA 16, 677. 67 GA 95, 423. 68 GA 94, 340. 69 GA 95, 56. 70 Jean-François Lyotard, Heidegger et les juifs, galilée, Paris, 1988, p. 15. 71 Ibid., p. 13.
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Indeed, returning from ‘the Jews’ to the real Jews, from metaphysics to its Jewish other, if such exists, depends on the ability to think Jewishness, to think of historical Jewish being as a singular form of thinking. To conclude with a hint, this Jewish thinking I’m thinking of is a thought, which is explicitly aware and thoughtful of the conditions for its own historical, geschichtliche existence – its own revelation or being-in-the-world, its own being a world, a Geschick. This thought is thus also, essentially, knowledge. It therefore makes imaginable, thinkable, beyond or before Metaphysics and Christianity, the connection between something like ‘thinking’ and something like ‘a people’, ethnos or Volk. A people “that is not a nation (a nature)”, says Lyotrad.72 I would suggest contemplating it as self-conscious tradition, namely as thought and knowledge that is essentially received and transmitted, essentially given. Such given knowledge, knowledge as gift, would be most proper to call not philosophia, nor nomos, nor polis, nor logos, but rather – ʤʸʥʺ.
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Ibid., 153.
Martin Heidegger und die kontroverse Auslegung seiner „Schwarzen Hefte“ Eine Geschichte, die noch völlig umzuschreiben ist Francesco Alfieri Der Tod eines Philosophen setzt sicher keinen Schlussstrich unter die Diskussion um sein Gedankensystem. Dies gilt umso mehr, wenn es um eine Persönlichkeit wie Heidegger geht, die über den Tod hinaus „weiterlebt“ und den Leser in einigen seiner Schriften immer wieder entwaffnet und dadurch einer großen Anzahl Interpretationen den Weg ebnet, die in letzter Zeit sogar zu einem regelrechten Medienskandal angewachsen sind. Es geht um 34 Hefte, die Heidegger als „Versuche eines einfachen Benennens“ definiert. Sie stellen recht eigentlich ein Tagebuch seiner Gedanken dar und gehören in eine sehr weitreichende Zeitspanne: von 1931 bis 1970. Heidegger selbst hatte gewünscht, dass diese „Schwarzen Hefte“ erst nach Abschluss der Gesamtausgabe seiner Werke veröffentlicht werden. Bis dahin sollte sie niemand lesen. Wir stehen hier Texten gegenüber, die Heidegger für die Veröffentlichung vorgesehen hatte und die im Laufe von 40 Jahren entstanden sind. Die Bände 94 bis 102 der Gesamtausgabe werden alle 34 „Schwarzen Hefte“ beinhalten; zurzeit verfügen wir nur über die Bände 94–97 in der Originalsprache, die 2014 veröffentlicht wurden und sich auf die Zeitspanne von 1931 bis 1948 beziehen1. Mit diesem Beitrag möchte ich die Frage nach den „Schwarzen Heften“ näher untersuchen und eine Diskussion weiterführen! Natürlich maße ich mir nicht an, diese Frage endgültig zu klären, aber ich möchte jene „Machenschaft des rechnenden Denkens“ aufdecken, die gar nichts mit der wahren philosophischen Forschung zu tun hat. Jemand könnte meinen, diese Aussage bedeute, dass ich die Diskussion über die komplexe Frage der „Schwarzen Hefte“ zum Verstummen bringen will, aber das Gegenteil ist der Fall: ich möchte die Auseinandersetzung fördern, denn diese ganze Geschichte muss völlig umgeschrieben werden. Dazu 1 Vgl. Heidegger, Martin, IV. Abteilung: Hinweise und Aufzeichnungen, in Gesamtausgabe: Band 94 (Überlegungen II–IV – Schwarze Hefte 1931–1938), Band 95 (Überlegungen VII–XI – Schwarze Hefte 1938/39); Band 96 (Überlegungen XII–XV – Schwarze Hefte 1939–1941), hrsg. von P. Trawny, Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 2014; im März 2015 wurde der Band 97 veröffentlicht (Anmerkungen I–V – Schwarze Hefte 1942– 1948), hrsg. von P. Trawny, Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main.
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muss man aber bereit sein, alle jene „Intuitionen“ kritisch zu betrachten, die oft keine Entsprechung in der Wirklichkeit finden. Jedes gute Denksystem beginnt mit Intuitionen, die aber auf vernünftige Art bewiesen werden müssen, sonst läuft man Gefahr, die Realität zu manipulieren und dadurch zu instrumentalisieren und zu verzerren. In den letzten Jahren habe ich immer wieder feststellen können, dass die „Machenschaft des rechnenden Denkens“ eine derart zerstörerische Macht hat, dass sie einen respektvollen Dialog verhindert. Und wenn ein solcher Dialog zustande kommt, merkt man, dass sich ein solcher Gedanke autoreferentiell nährt und dass sich derjenige, der ihn produziert, nicht bewusst wird, dass er nur eine „Marionette“ ist, die von jenen politischen Mächten bewegt wird, die nichts von der Kultur der Auseinandersetzung wissen. Deshalb muss nun die Verantwortlichkeit des Philosophen ins Feld ziehen und sich nicht darum kümmern, dass sich seine Stimme nicht in jene „Zustimmungslogik“ einreiht, die immer neue „Diener“ sucht, um ihr Heer zu vergrößern und so die eigenen „Intuitionen“ zu verteidigen. Ich habe nie an die „Zustimmungslogik“ geglaubt, vor allem wenn der Konsens durch Manöver erreicht wird, die nur dazu dienen, die Zuhörerschaft zu überzeugen, und die systematisch versucht, andere Stimmen zum Schweigen zu bringen, welche ihr Gedankengerüst ins Wanken zu bringen drohen. Aber die Zeit wird es über kurz oder lang dem Erdboden gleichmachen, denn es hat keine soliden Wurzeln, es hat kein wahres Fundament. Als ich – anfangs aus reiner Neugierde – begann, die „Schwarzen Hefte“ zu lesen, wurde mir sofort bewusst, dass die so rege diskutierten 14 Abschnitte, die durch Peter Trawnys unverantwortliche Feder als unwiderruflicher Beweis für Heideggers Antisemitismus missbraucht wurden, in Wirklichkeit nicht nur aus ihrem Kontext gerissen worden waren, sondern auch gründlich politisiert worden waren. Da habe ich gemerkt, dass es nicht nur wichtig ist, die inzwischen berühmten 14 Abschnitte in ihrem Kontext zu lesen, in den Heidegger selbst sie gestellt hatte. Es war nötig, dabei gleichzeitig auch jene für Hannah Arendt typische Offenheit in der Argumentierung einzusetzen, um ins Feld zu ziehen und aufzudecken, dass der von Trawny bewirkte Lärm nichts anderes ist, als eine Angelegenheit der Medien und nichts zu tun hat mit dem von Heidegger gepflegten Hinterfragen. Der Herausgeber der „Schwarzen Hefte“ – dies muss auch jenen einleuchten, die die Tragweite der eigenen Handlungen nicht zugeben wollen – hat diese 14 Abschnitte dazu missbraucht, um sich in die Richtung aufzumachen, in die Victor Farías und Emmanuel Faye schon seit Jahren gehen: Auf alle möglichen Weisen versuchen sie zu beweisen, dass Heideggers Philosophie dem Nationalsozialismus Tür und Tor zum wohlgeformten philosophischen System öffnet. So begannen wir denn mit der Hilfe von Prof. Friedrich-Wilhelm von Herrmann und dank seiner zahlreichen Erklärungen die „Schwarzen Hefte“ gemeinsam wieder zu lesen, um dem Leser die Möglichkeit zu bieten, zuerst einmal die „literarische Gattung“ dieser Aufzeichnungen von Heidegger zu verstehen und den
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„Sinn“ seiner Aussagen zu begreifen. Deshalb erfordert der aktuelle Stand der Forschung der „Schwarzen Hefte“ noch eine eingehende Weiterentwicklung. Wenn Trawny bescheiden genug gewesen wäre, sich mit Prof. von Herrmann zu besprechen, hätte er dieses Auslegungsdurcheinander nicht geschaffen, das den wahren Ansatz zu einer ernsthaften und sorgfältigen Forschung über den Haufen wirft. Die Situation ist deshalb umso schlimmer – und ein verantwortungsbewusster Philosoph kann sich nicht davor drücken, ein solches Verlagsmarketing anzuprangern – als Trawny durch die Veröffentlichung seines Buchs Heidegger und der Mythos der jüdischen Weltverschwörung ausschließlich seine eigenen Interessen verfolgt, die weit davon entfernt sind, Heideggers Position mit wissenschaftlicher Strenge zu klären. Auf dem Grunde jeder Gedankenstruktur, die streng durch ständige Klärungen Fortschritte im Verständnis verzeichnet, statt überstürzt voranzueilen, wie dies Trawny mit der Veröffentlichung seines Buchs in der ersten Ausgabe von 2014 gleichzeitig mit der Ausgabe der Bände 94–96 der „Schwarzen Hefte“ 2 getan hat, muss die hermeneutische Vorsicht vorhanden sein. So stellt sich denn die Frage: Wie ist es möglich, dass der Verlag Klostermann gleichzeitig die „Schwarzen Hefte“ und Trawnys Buch veröffentlichte? Ganz offensichtlich und auch dem Laien klar ersichtlich sind die Gründe des Verlagsmarketings. Aber ist es möglich, sich davon zu überzeugen, dass Trawnys Interpretation als einzig gültige Quelle zu übernehmen ist, der man sich anzuschließen hat? Und dies auch, wenn Trawnys Auslegungen ganz klar oberflächlich sind und erst noch jeder hermeneutischen Begründung entbehren? Welche philosophischen Aussichten kann uns ein Buch bieten, das ganz offensichtlich den Zweck verfolgt, eine Diffamierungskampagne einzuleiten? Welcher der wissenschaftlichen Gemeinschaft nützliche philosophische Beitrag kann aus Trawnys Buch hervorgehen, in dem schon auf den ersten Seiten der Verdacht der Instrumentalisierung aufkommt, die so willkürlich ist, dass sie einen „seinsgeschichtlichen Antisemitismus“ nennt, den man in Heideggers Aufzeichnungen nirgends findet? Die von Trawny geschaffenen Ausdrücke wurden dann entsprechend von seinen Anhängern als Schlüsselwörter für die Interpretation von Heideggers Aufzeichnungen eingesetzt. Zu Trawny’s falscher, hermeneutischer Interpretation kam im Laufe der Monate ein immer größeres Durcheinander über die Begriffe, die Heideggers Antisemitismus beweisen sollten, sodass daraus eine Politisierung der ganzen Angelegenheit entstanden ist, durch die man dann die eigentliche Frage der „Schwarzen Hefte“ und dessen, was Heidegger uns damit übergeben wollte, aus den Augen verlor. Es geht nicht darum, die Erinnerung an Heidegger zu schützen oder seine wissenschaftliche Produktion zu retten: Das Problem geht sehr viel tiefer und drückt sich in der Frage aus, wie es möglich ist, die Gedanken eines Philosophen zu 2 Vgl. Trawny, Peter, Heidegger und der Mythos der jüdischen Weltverschwörung, Klostermann, Frankfurt am Main 20153.
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instrumentalisieren, ohne sich bewusst zu werden, dass man dadurch weit entfernt ist von der wahren philosophischen Forschung. Denn diese erachtet nichts als gesichert und folgt den philosophischen Moden nicht, übernimmt die Clichés nicht, die sich um Heidegger wie auch um andere Philosophen gebildet haben. Die Zeugnisse, die uns im Verlauf der Jahre von Löwith, Marcuse, Jonas, Hannah Arendt geliefert wurden, und ihre Nähe zu Heidegger genügen nicht, um das Medienkonstrukt zu enthüllen, das Heidegger in die Kategorien des „Nazi“ und „Antisemiten“ zwängen will. Da die in den „Schwarzen Heften“ enthaltenen Aussagen durch Trawny instrumentalisiert sind, kann nicht wirklich darüber weiterdiskutiert werden, und wenn doch Hoffnung auf einen Austausch besteht, dann unter der Bedingung, dass der Sinn von Heideggers Wunsch klar wird, dass seine Aufzeichnungen erst nach der kritischen Ausgabe seines Gesamtwerks veröffentlicht würden. Heidegger wusste sehr wohl, dass man zuerst seine gesamte Produktion kennen musste, damit seine Aufzeichnungen, die im Laufe der Jahre immer wieder aufgenommen, ergänzt und auch überholt wurden, den Leser nicht verwirren und ihn nicht von seinem in den Hauptwerken enthaltenen Denken abbringen konnten. Aber was ist stattdessen passiert? Warum wurde Heideggers letzter Wille nicht respektiert? Eins steht inzwischen fest: Trawny und seine Anhänger behaupten, dass diese sporadischen Aufzeichnungen in den „Schwarzen Heften“ als Schlüsselpunkte seines Denkens aufzufassen sind und als solche anzugehen sind. Wie von Herrmann wiederholt hervorgehoben hat, ist dies aber deswegen verzerrend, weil Heidegger seine Aufzeichnungen mehrmals völlig neu formuliert und teilweise auch überholt hat. Es genügt nicht, in den Aufzeichnungen der „Schwarzen Hefte“ die Wörter „Jude“ und dessen Ableitungen „jüdisch“ oder „Judentum“ zusammenzutragen, um Trawny’s Thesen und die unzähligen Interpretationen zu untermauern, welche die schrecklichen Ereignisse der Shoah mit einer angeblichen Ablehnung des jüdischen Volks seitens Heideggers in Verbindung setzen wollen. Ein solcher Ansatz wird den in den Vernichtungslagern erfolgten Schandtaten nicht gerecht, und es ist unannehmbar, dass die Judenfrage instrumentalisiert wird durch unhistorische Interpretationen und, wie bei Trawny, durch unphilosophische Interpretationen, die nicht auf einer gründlichen Analyse von Heideggers Werken gründet. Einige in den „Schwarzen Heften“ enthaltenen Aussagen über die Juden werden mit einer manchmal ziemlich harten Sprache ausgedrückt, die Trawny’s Auslegung zu stützen scheinen, doch gleichzeitig muss mitberücksichtigt werden, dass auch zahlreiche Aussagen gegen den Amerikanismus, den Bolschewismus, das Christentum und die Jesuiten sowie auch gegen den Nationalsozialismus ebenso hart formuliert werden. Und gerade angesichts dieser Bemerkungen zum Nationalsozialismus werden die Aussagen über die Juden in ein völlig anderes Licht gerückt. Als wir zusammen mit Prof. von Herrmann die „Schwarzen Hefte“ systematisch analysierten, stellte sich heraus, dass ein neues Kapitel zur Geschichte um Heideg-
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ger geschrieben werden muss, in dem den Lesern die Mittel zur Verfügung gestellt werden, um zu den Heideggerschen Quellen zurückzufinden und nicht in Trawny’s Falle zu geraten, welche in dieser hermeneutisch überaus heiklen Situation keine echte Hilfe bietet. Denn Ausdrücke wie „seinsgeschichtlicher Antisemitismus“ zu verwenden, wie Trawny es tut, ohne sie dann nach Sinn und Inhalt zu klären, bedeutet, bedeutungslose, also sinnlose Wörter auszudrücken. Hier muss ich mich darauf beschränken, das grob zu umreißen, was ich zusammen mit Prof. von Herrmann in einem Buch systematisch behandeln werde, zu dem auch Dr. Hermann Heidegger und Prof. Leonardo Messinese sowie Frau Dr. Claudia Gualdana einen Beitrag leisten werden. Es ist mir bewusst, dass ich mich hier nur sehr kurz halten muss, aber schon bald wird ein Teil des Textes, an dem wir gerade arbeiten, zur Verfügung stehen, sodass der Leser die Möglichkeit hat, sich Heideggers Texten offen zu nähern, ohne von der in den letzten Jahren von den Medien generierten Aufregung beeinflusst zu werden. Dank diesem Projekt wurde mir bewusst, wie heikel die anzugehende Frage ist und welche Verantwortung damit verbunden ist. Dieses Bewusstsein wurde noch weiter gestärkt durch die Lektüre von Prof. von Herrmanns (in 6 Teilen organisierten) Text. Es wurde mir klar, dass dieser sich direkt mit der Quelle auseinandersetzt und sich nicht von den in den letzten Jahren aufgekommenen Turbulenzen beeinflussen ließ: alles darin wird auf durchsichtige Weise belegt und gemäß der gewöhnlichen Aufrichtigkeit der „Meister“ wird der oberflächlichen Kontroverse kein Raum gelassen, weil die Wahrheit der Dinge von sich aus entwaffnet und direkt anspricht. Dies gab mir den Antrieb, am Projekt weiterzuarbeiten. Auch Dr. Hermann Heidegger trug mit einem Text bei, in dem er offen und klar über die Einstellung seines Vaters gegenüber den Juden spricht und seinen angeblichen Antisemitismus widerlegt, den ihm Trawny und seine Anhänger mit allen Mitteln anheften wollen. Dabei scheuen sie nicht davor zurück, ihre Meinungen durch den gezielten Einsatz der Kommunikationsmittel, wie der nationalen Tagespresse, zu verteidigen, damit sich keine anderslautende Stimme Gehör verschaffen kann. Mit der Offenheit und im Bewusstsein der Härte meiner oben gemachten Aussagen möchte ich nun klären, was der Ausdruck „zum Schweigen bringen“ bedeutet, ein bevorzugtes Mittel der totalitären Kultur, die sich der wirtschaftlich-politischen Macht unterstellt, um in der Zeit zu „überleben“. Als Prof. von Herrmann und ich die Arbeit zu planen begannen, nachdem wir einige in den „Schwarzen Heften“ behandelte Aspekte mit Rücksicht auf ihren realen geschichtlichen Kontext eingehend analysiert hatten, mussten wir feststellen, dass wir eine „einsame Stimme“ waren. Wir konnten unsere Ansicht nicht ausdrücken, weil wir sonst als Verteidiger Heideggers angeprangert worden wären oder als solche, die Heideggers Aussagen über die Juden unterschätzten und dadurch zur Entlastung Heideggers die schrecklichen Vergehen an die jüdische Gemeinschaft geringschätzten. Dieses Risiko barg die Gefahr in sich, dass eine
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neue unendliche Reihe von Reaktionen bewirkt würde. Nach eingehender Überlegung entschlossen wir uns jedoch dazu, das Schweigen zu brechen, denn wir konnten nicht still zusehen, wie Trawny’s verantwortungslose Interpretationen Fuß fassten und die Unwahrheit verbreiteten. Anfangs schien es sehr schwierig, das Schweigen zu brechen, doch erwies es sich in der Folge als noch schwieriger, der „anderen Stimme“ Gehör zu verschaffen. Dies vor allem deshalb, weil die nationale Presse inzwischen derart mit Trawny’s Aussagen durchtränkt war, dass jede „andere Position“ als unvorteilhaft betrachtet worden wäre in den Augen derjenigen, die sich nur nach der Logik des Wirtschaftsmarktes richten und einfach „Nachrichten verkaufen“ wollen, besser noch, wenn sie unabhängig vom Respekt der Berufsethik der Kommunikation laut in die Welt geschrien werden. Während es in Deutschland praktisch unmöglich war, darüber zu diskutieren, weil „der Fall Heidegger“ schon seit längerer Zeit in die Kategorie „Antisemitismus“ gesteckt worden war, drohte sich in Italien eine ähnliche Situation einzustellen durch die Veröffentlichung von Donatella Di Cesares3 Buch. Ursprünglich sollte dieses zum Dialog über die Angelegenheit der „Schwarzen Hefte“ beitragen, doch erwies es sich am Ende als Spiegelbild und meiner Meinung nach als reine Kopie von Trawny’s Buch. Dabei ist das gemeinsame Element nicht so sehr die Tatsache, dass beide clichéhafte Begriffe verwenden, sondern vor allem, dass sie nicht wirklich erklären, was sie mit „seinsgeschichtlichem Antisemitismus“ (P. Trawny) und mit „metaphysischem Antisemitismus“ (D. Di Cesare) meinen. Natürlich stellt sich das Problem nicht wegen Donatella Di Cesare, denn die Autorin beschränkte sich darauf, in die Stapfen Trawny’s zu treten. Wenn dieser sein Buch (Heidegger und der Mythos der jüdischen Weltverschwörung) nicht herausgegeben hätte, dann hätte D. Di Cesare ihres wohl nie verfasst. So ist denn das eigentliche Problem nicht, die Auswirkung von Trawny’s Buch zu klären – wer dies versucht, behandelt die Frage lediglich durch eine allzu zweitrangige Auslegung –, sondern alle Überstrukturen aus dem Weg zu schaffen, die der Autor mit Hilfe der Massenmedien als Hindernis für eine direkte, klare Interpretation aufgebaut hat. Auch in Italien war es nicht ganz einfach, in der nationalen Presse einen Platz für eine Auseinandersetzung zu finden, denn die Frage der „Schwarzen Hefte“ war inzwischen politisiert worden und der Alleinvertrieb4 befand sich in den Händen der Tageszeitung „Corriere della Sera“. Unter der Regie von Donatella Di Cesare schien anfangs noch eine gewisse Offenheit zum Gespräch zu bestehen. Doch Schritt für Schritt entwickelte sich die Situation unter dem Einfluss von bestimmten Interessen – die ich hier nicht nennen will – immer mehr in Richtung einer Übereinstimmung mit Trawny, dessen Werk inzwischen in italienischer Überset3 Vgl. Di Cesare, Donatella, Heidegger e gli ebrei. I «Quaderni neri», Bollati Boringhieri, Turin 2014. 4 Der Ausdruck meint die Situation, in der jemand ein Produkt im Verlauf der Zeit auf tausend verschiedene Weisen immer wieder neu vermarktet.
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zung bei Bompiani5 veröffentlicht und bei einem von „Milanesiana“ am 6. Juli6 organisierten Anlass vorgestellt worden war. In Absprache mit Prof. von Herrmann entschieden wir, ins Feld zu ziehen und unsere Aussagen nicht den üblichen Tageszeitungen anzuvertrauen, sondern uns an die vertrauenswürdige Journalistin Claudia Gualdana zu wenden. Sie arbeitet für mehrere Tageszeitungen und sie zeigte uns, wie schwierig es ist, den notwendigen Platz zu finden und die Stimme einiger Aussagen laut werden zu lassen, durch welche die sich auch in Italien breit machende Instrumentalisierung seitens der Medien eingedämmt werden konnte. Die Tageszeitung „Libero“7 wurde sich dank des Einsatzes der Journalistin Claudia Gualdana sofort der Bedeutung der Sache bewusst und dass die Autorität von Prof. von Herrmann und von Herrn Dr.Hermann Heidegger die „nötigen Stimmen“ waren, welche allein dazu beitragen konnten, die komplexe Frage zu klären. Denn inzwischen war die Situation auch in Italien durch die Veröffentlichung der italienischen Übersetzung von Trawnys Buch noch verwirrter geworden. Der Zeitung „Libero“ sind wir zu Dank verpflichtet, denn dank des am 28. Mai erschienenen Artikels von Claudia Gualdana wurden erstmals die Aussagen von Prof. von Herrmann und von mir veröffentlicht: Diese Aussagen wurden auf internationaler Ebene aufgenommen, zum Beispiel von der Tageszeitung „Frankfurter Rundschau“ vom 24. Juni und in einer zweiten Phase von Trawny selbst. Dieser merkte so, dass Prof. von Herrmanns Schweigen nicht mehr lange dauern konnte und dass sich seine Spielchen nun gegen ihn wendeten. Aber ich möchte nun näher zu den oben erwähnten Punkten eingehen und dabei Prof. von Herrmanns Worte zitieren, denn nur so kann verstanden werden, was daraus folgt. Prof von Herrmann sagt, dass Trawnys Thesen «keine wahrheitsgetreue und authentische Auslegung bieten. Seine Vision ist keine hermeneutisch ernsthaft zu diskutierende, sondern eine reine Aussage, die von keinem Beweis gestützt wird»8.
5 Vgl. Trawny, Peter, Heidegger e il mito della cospirazione ebraica, it. Übers. von C. Caradonna, Bompiani, Mailand 2015. 6 Vgl. Ruggeri, Miska, Heidegger impiccato a cinquanta righe. Trawny accusa il filosofo di «antisemitismo onto-storico» sulla base di poche ambigue frasi in quasi 1.500 pagine, in Libero (07. Juli 2015), S. 27. 7 Ein herzliches Dankeschön geht an den Direktor Maurizio Belpietro und an seine Mitarbeiter Francesco Specchia, Miska Ruggeri und Claudia Gualdana, die sich von Anfang an sehr offen und professionell gezeigt haben, obwohl sie sich sehr wohl der heiklen Frage bewusst waren, die eine absolute Vorsicht und intellektuelle Aufrichtigkeit verlangte. Zum Glück gibt es noch einen ehrlichen Journalismus, der streng objektiv kommuniziert. 8 Gualdana, Claudia, «Quaderni neri manipolati. Ora fermo la pubblicazione ». Von Herrmann, coordinatore dell’opera omnia del grande filosofo tedesco, attacca il curatore Trawny: «La sua è un’operazione di marketing falsa e diffamatoria», in Libero (28. Mai 2015), S. 23.
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Die ganze Menge an Interpretationen, die auf Trawny’s Buch folgten, überzeugten Prof. von Herrmann davon, dass er nun einschreiten musste und verhindern musste, dass weitere „Schwarze Hefte“ veröffentlicht wurden; tatsächlich erreichte er, dass sie erst nach der Publikation aller anderen Werke Heideggers herausgegeben werden und somit Heideggers Wille respektiert wird. Prof. von Herrmanns und meine Aussagen, die „Libero“ druckte, wurden auch in Deutschland rezipiert, denn der Journalist Eggert Blum schrieb mir in einer Nachricht vom 17. Juni: «Ich erlaube mir, Peter Trawny Ihre E-Mail Adresse weiterzuleiten. Mit ihm stehe ich in Verbindung, ebenso mit dem Verleger Vittorio Klostermann. Trawny möchte Ihnen einige Fragen zum Artikel in „Libero“ stellen, da er dort durch von Herrmann massiv angegriffen wird. Wären Sie so nett, sich mit Prof. Trawny in Verbindung zu setzen?».
Natürlich bin ich nicht darauf eingegangen, nicht zuletzt auch deswegen, weil die Art, wie „Die Zeit“ die Sache angegangen war, wenig Raum für eine ernsthafte Auseinandersetzung bot. Außerdem war es gar nicht mehr nötig, mit Trawny zu sprechen, denn zusammen mit Prof. von Herrmann hatten wir beschlossen, die „Schwarzen Hefte“ zu analysieren, um die von Trawny in seinem Buch getätigte Instrumentalisierung Punkt für Punkt aufzudecken. Dadurch wollten wir es vermeiden, dass unsere Worte selbst wieder instrumentalisiert werden. Leider machte „Die Zeit“ den Fehler – den ähnlich auch in Italien „Corriere della Sera“ gemacht hat – die Aufmerksamkeit ausschließlich auf Trawny und auf die anderen Autoren zu richten, die seinen Spuren folgten, weil sie sich von der Massenkultur faszinieren ließen, welche ihre Positionen nicht wirklich zu beweisen vermag. Und da die wichtigen Fragen nicht systematisch angegangen worden waren, sah sich die Presse gezwungen, die Figur Trawny aufzubauen und, entsprechend, in Italien die Figur Di Cesare. Als klar war, dass Prof. von Herrmanns Aussagen dem Leser zu verstehen halfen, dass noch mehr dahintersteckte, eine andere Stimme, die sich leise und stetig, ohne polemische Töne ihren Weg bahnte, erachteten wir es als angebracht, zusammen mit der Journalistin Gualdana einen Artikel zu schreiben, an dem nun auch Dr. Hermann Heidegger mitschrieb. Um diesen Text für „Libero“ vom 30. Juni zu redigieren, war eine regelrechte Teamarbeit nötig. Wir waren nämlich bereits mitten in der Arbeit für das Buch über die Frage der „Schwarzen Hefte“. Das, was erst eine zu beweisende Annahme war, war zu einer absoluten Überzeugung geworden: Trawny’s Buch ist ausschließlich darauf bedacht, für den Autor zu werben, ihm eine persönliche Bekanntheit zu verschaffen, die aber, wie so oft in solchen Fällen, dazu bestimmt ist, über kurz oder lang zu verschwinden. Die Bekanntheit verschwindet, aber die kärgliche intellektuelle Zuverlässigkeit, mit der man durch fragwürdige Mittel leichte Erfolge konstruiert, bleibt. Hier kann ich nur einige Auszüge aus Prof. von Herrmanns Aussagen wiedergeben, die er für „Libero“ gemacht hat:
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«Es steht klar fest, dass Trawny die Ausgabe der Schwarzen Hefte instrumentalisiert. Da seine Publikationen im akademischen Bereich keinen Erfolg verzeichneten und er mit fünfzig immer noch keine bezahlte Lehrstelle erhalten hat, beschloss er, den entgegengesetzten Weg einzuschlagen und Heidegger auf internationaler Ebene öffentlich aufgrund der Schwarzen Hefte als Antisemit anzuklagen, ja noch mehr: seinen sogenannten Antisemitismus als esoterischen Grund seines gesamten Denkens zu definieren. Dadurch bewies er aber, dass er vom Denken eines der größten Philosophen unserer Zeit nichts verstanden hat, dass er ihn vielmehr völlig verzerrt und verleumdet hat. [. . .] Ich habe ihn [Trawny] kurz nach seiner Promotion in Wuppertal kennengelernt. Er war Schüler meines geehrten Kollegen Klaus Held. Auf seine Bitte habe ich versucht, ihn zu unterstützen, indem ich zum Beispiel einen Empfehlungsbrief für seine Ernennung als Außerplanmäßiger Professor sechs Jahre nach seiner Habilitation schrieb. Da er mit 51 immer noch keine bezahlte Professur hatte und für Ehefrau und Kind aufkommen musste, habe ich seinen Namen als Herausgeber der neun Bände der Schwarzen Hefte empfohlen, um seine finanzielle Lage zu erleichtern. [. . .] Dr. Hermann Heidegger hatte alle untragbaren Abschnitte aus Trawny’s Manuskript streichen lassen. Doch waren weder er noch sein Sohn Arnulf mit dem übrigen Buch einverstanden. Ich selbst bin vor seinen Aussagen erschrocken; es sind Aussagen, die den Anforderungen einer Interpretation nicht im Geringsten genügen, sondern eher gefährliche Fallen darstellen. Auch der allgemeine Ton des Buches erschreckt mich, wie auch die Art, wie er öffentlich auf internationaler Ebene auftritt. Ich musste eingestehen, dass ich mich gründlich in der charakterlichen Integrität von Peter Trawny getäuscht habe»9.
Diese Worte scheinen besonders hart zu sein – meine eigenen zitiere ich hier nicht, da ich sie bereits vorausgeschickt habe – aber sie zeigen Prof. von Herrmanns Geradlinigkeit, seine Abscheu vor Trawny’s Verblendung, der es nicht für nötig gehalten hatte, sich mit denen auseinanderzusetzen, die sich seit Jahren mit diesen Fragen beschäftigen. Es sind harte Worte, aber wenn sie mit Trawny’s Interpretation verglichen werden, fällt sofort auf, dass Prof. von Herrmanns Ausdrucksklarheit der kulturellen Ruhmbesessenheit einiger skrupelloser Schreiber keinen Raum lässt. Auch Dr. Hermann Heidegger beschloss, sich zu Wort zu melden, indem er einen Brief schickte, der zusammen mit Prof. von Herrmanns und meinen Aussagen in „Libero“ veröffentlicht wurde: «Mein Vater war kritisch zum Judentum eingestellt, aber er war auf keinen Fall ein Antisemit. In den „Schwarzen Heften“ gibt es zusammengesetzt etwa drei von 1250 Seiten, auf denen sich überhaupt Bemerkungen über die Juden finden. Zudem sind es inhaltlich betrachtet Randnotizen ohne zentrale Stellung. Damit einen „seinsgeschichtlichen Antisemitismus“ meines Vaters zu begründen, wie Herr Trawny es tut, überzeugt mich nicht. Mein Vater lehnte jeden Judenhass ab. Tatsächlich hatte er sein ganzes Leben lang enge freundschaftliche Beziehungen zu Juden unterhalten. Unser Kinderarzt 9 Gualdana, Claudia, I Quaderni neri. Il figlio di Heidegger si ribella: «Papà? Mai stato antisemita». Alla Milanesiana il libro di Trawny accusa il filosofo di razzismo. Ma l’erede e l’allievo von Herrmann ribaltano la tesi-scandalo, in Libero (30. Juni 2015), S. 26–27.
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war Jude. Die beste Freundin meiner Mutter war jüdischer Herkunft. Regelmäßig wurden wir Kinder zu jüdischen Freunden meiner Eltern in die Ferien geschickt. Wenn Sie das private Leben meines Vaters kennen, ist der Vorwurf des Antisemitismus einfach absurd. Herr Trawny ist schon seit langer Zeit ein guter Mitarbeiter der Gesamtausgabe. Er hatte mein volles Vertrauen, daher hatte ich ihm auch die Edition der „Schwarzen Hefte“ anvertraut. Über seine Schlussfolgerungen bin ich enttäuscht. Wir sprechen zwar sachlich miteinander, aber kommen in der Sache nicht zueinander. Auch wenn mein Vater 1933 Parteimitglied wurde, bereute er dies bereits nach etwa einem halben Jahr. Er hatte nie ein Parteiamt inne oder eine Parteiversammlung besucht. Er hat seinen Irrtum doch eingestanden. Die „Schwarzen Hefte“ sind voller Kritik am Nationalsozialismus»10.
Zum ersten Mal sehe ich mich vor einen Text gestellt, dessen noch zu sammelnde Resultate nicht ausdrücklich angekündigt werden können, da sie in Kürze im Band, den Prof von Herrmann und ich verfassen, veröffentlicht werden. Mit diesem Band wird der Leser die pars construens von dem geboten bekommen, was hier nur angetönt werden konnte, und in die spezifische Diskussion der philosophischen Fragen eingeführt werden. Der hier Gefeierten gegenüber sind wir alle dankbar dafür, dass sie uns gezeigt hat, wie wichtig die Forschung an den Quellen und die ständige kritische Konfrontation der erreichten Resultate nach Husserls Motto: „Zu den Sachen selbst“ ist. Meine Bemerkungen sollen den Weg „zurück“ zu einem neuen Fragen sein, das ohne Vorurteile und ohne den Einfluss voreiliger Schlussfolgerungen das Wesen der Aufzeichnungen der „Schwarzen Hefte“ zu erarbeiten versucht mit Berücksichtigung der historischen Kategorien, innerhalb derer sie entstanden sind. Ich möchte also den anachronistischen und unphilosophischen Auslegungen entgegenwirken, zu denen sich der Leser allzu oft durch die jeweilig auftretende Marionette hinreißen lässt. Literatur Di Cesare, Donatella, Heidegger e gli ebrei. I «Quaderni neri», Bollati Boringhieri, Turin 2014. Gualdana, Claudia, «Quaderni neri manipolati. Ora fermo la pubblicazione». von Herrmann, coordinatore dell’opera omnia del grande filosofo tedesco, attacca il curatore Trawny: «La sua è un’operazione di marketing falsa e diffamatoria», in Libero (28. Mai 2015), S. 23. Gualdana, Claudia, I Quaderni neri. Il figlio di Heidegger si ribella: «Papà? Mai stato antisemita». Alla Milanesiana il libro di Trawny accusa il filosofo di razzismo. Ma
10 Ebenda, S. 26. Brief vom 28. Juni von Anw. Arnulf Heidegger (Sohn von Hermann Heidegger) an Prof. von Herrmann; der Brief sollte in „Libero“ veröffentlicht werden.
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l’erede e l’allievo von Herrmann ribaltano la tesi-scandalo, in Libero (30. Juni 2015), S. 26–27. Heidegger, Martin, IV. Abteilung: Hinweise und Aufzeichnungen, in Gesamtausgabe: Band 94 (Überlegungen II–VI – Schwarze Hefte 1931–1938), Band 95 (Überlegungen VII–XI – Schwarze Hefte 1938/39); Band 96 (Überlegungen XII–XV – Schwarze Hefte 1939–1941), hrsg. von P. Trawny, Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 2014; im März 2015 wurde der Band 97 veröffentlicht (Anmerkungen I–V – Schwarze Hefte 1942–1948), hrsg. von P. Trawny, Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main. Ruggeri, Miska, Heidegger impiccato a cinquanta righe. Trawny accusa il filosofo di «antisemitismo onto-storico» sulla base di poche ambigue frasi in quasi 1.500 pagine, in Libero (07. Juli 2015), S. 27. Trawny, Peter, Heidegger und der Mythos der jüdischen Weltverschwörung, Klostermann, Frankfurt am Main 20153; it. Übers. Heidegger e il mito della cospirazione ebraica, von C. Caradonna, Bompiani, Mailand 2015.
Heideggers Schwarze Hefte – ein wissenschaftlicher Skandal oder: Viel Lärm um Nichts? Tarmo Kunnas Die internationale Presse hat in den vergangenen Monaten „Horrornachrichten“ über die sogenannten Schwarzen Hefte von Martin Heidegger gebracht, deren Veröffentlichung einen wissenschaftlichen Skandal verursacht habe, da in ihnen der Antisemitismus des Philosophen in all seiner rassistischen Derbheit offen zu Tage trete. Bei den Schwarzen Heften handelt es sich um Heideggers Notizbücher, die lange im Archiv gelegen haben. Ihr Name stammt von Heidegger selbst und bezieht sich – rein technisch und formell – auf die schwarze Farbe des Wachstucheinbandes, obgleich diese Bezeichnung wegen der „politischen Sensation“ in der Phantasie der Menschen in der letzten Zeit sicher auch einen symbolischen Gehalt angenommen hat. Zumindest in ihrem Pessimismus sind die Hefte allerdings „schwarz“. Insgesamt existieren 34 von diesen Schwarzen Heften. Bislang sind von ihnen in der Gesamtausgabe der Werke Heideggers vier Bände mit den Nummern 94–97 publiziert worden. Dieser Artikel basiert auf der Auslegung dieser Bände, die mir zur Verfügung standen. Die restlichen Schwarzen Hefte, die in einem vier Jahrzehnte umfassenden Zeitraum geschrieben worden sind, der sich bis weit in die Nachkriegszeit hinein erstreckt, sollen in den Bänden 98–102 der Gesamtausgabe der Werke des Philosophen publiziert werden. Vierzehn der Schwarzen Hefte tragen den Namen Überlegungen, neun sind mit Anmerkungen betitelt, zwei tragen den Namen Vier Hefte, zwei heißen Vigiliae, ein Heft heißt Notturno und zwei Hefte Winke sowie vier Hefte Vorläufiges. Außerdem gibt es noch zwei Hefte, die sich nur schwer zu den anderen stellen lassen und die die Namen Megiston und Grundworte tragen. Die vier Bände, die mir vorlagen, enthalten Heideggers Schriften aus den dramatischen Jahren 1931–38 (GW 94), 1938–1939 (GW 95), 1939–1941 (GW 96) und 1942–1948 (GW 97). Von besonderem Interesse sind diejenigen Überlegungen und Anmerkungen, die Heidegger in den Jahren 1933–34 geschrieben hat, auf dem Höhepunkt seines politischen Engagements, sowie die unmittelbar nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, die noch während des Krieges und die kurz danach geschriebenen
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Überlegungen und Anmerkungen. Die Schwarzen Hefte ergänzen und kommentieren die Denkkonstruktionen von Heideggers größeren Arbeiten, aber sie enthalten auch – mehr als gewöhnlich – Kommentare zu aktuellen Ereignissen der jeweiligen Zeit. Die politische Realität wird in ihnen behandelt – sowie in gewissem Umfang auch der nationalsozialistische Irrtum des Philosophen. Heideggers Hauptaugenmerk richtet sich jedoch auch in diesem Zusammenhang auf die Seinsvergessenheit, die Kernfrage seines Denkens. Immer wieder erwägt Heidegger die Frage, ob in der Tradition der abendländischen Zivilisation und der deutschen Philosophie eine Kehre zum Besseren eintreten könne und wie die Seinsvergessenheit, an der die moderne Zeit leide, zu überwinden sei. Wenn er über seine politische Verblendung vor allem der Jahre 1933–34 spricht, so gesteht er seinen Irrtum ein, findet aber mitunter auch verschiedene Gegebenheiten, die (seiner Meinung nach) als mildernde Umstände gelten können. Diesbezüglich steckt er also seinen Kopf nicht in den Sand – anders als bisweilen behauptet worden ist. Die Schwarzen Hefte vertreten laut ihrem Herausgeber Peter Trawny, der der Heidegger-Kritik Zündstoff geliefert hat, in Heideggers Schaffen eine ganz neue Darstellungsweise, da sie als Genre formell von den früheren Werken Heideggers, den Vorlesungen, Studien, „Seminarprotokollen“ und Aufsätzen abweichen. Das endlose Wiederholen derselben Fragen und die ständige Wiederkehr derselben Themen lässt die Vermutung aufkommen, dass es sich bei diesen Notizen tatsächlich nur um „Überlegungen“, „Anmerkungen“, „Winke“ und „Vorläufiges“ handelt – wie die Überschriften der Textkomplexe zu verstehen geben. Die Schwarzen Hefte bilden indes – wie Herausgeber Trawny meint – eine Art Gegenteil zu einem über das eigene Denken geführten Tagebuch. Obgleich sie nicht zu den zentralen Werken Heideggers zählen, weisen sie eine recht geschliffene Form auf. Mit dabei sind Denksprüche, Aphorismen und sogar kleine Gedichte. Seine erste Berühmtheit hat der Philosoph eher durch seine beliebten Vorlesungen an der Universität erlangt, aber in den Überlegungen der Schwarzen Hefte bewegt er sich in seiner eigenen hohen geistigen Sphäre. Er schreibt für sich selbst und für diejenigen, die seine philosophischen Hauptwerke Sein und Zeit und Beiträge zur Philosophie gelesen und verstanden haben. Es scheint, als könne nur ein Heidegger-Spezialist, der das ungewöhnliche Vokabular des Denkers schon seit geraumer Zeit studiert hat, verstehen, was der Meister wirklich meint. Die Sprache der Überlegungen und Anmerkungen nähert sich mit ihren Neologismen, ihren gebrochenen und in Silben aufgespaltenen Wörtern mitunter der kryptischsten modernen Lyrik, wobei sie ihrer Form nach allerdings nicht die allerwohlklingendste ist. Sie reflektiert Heideggers Auffassung vom Wesen des Seins, welche sich nicht durch eindeutige, vertraute Begriffe und eine normative Sprache erschließt, sondern sich hinter Wörtern und abstrakten Begriffen verbirgt.
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Heidegger selbst hat den experimentellen Charakter seiner Notizen betont. Sie seien eine Art „Vorposten“, die Überwindung der Seinsvergessenheit vorwegnehmend und hütend, und, sozusagen zugleich als „Nachhutstellung“, ein Denken kommentierend, das sich einen Weg zu einem „wesentlichen“ Fragen zu bahnen sucht, welches das „metaphysische“ Denken aufgibt, um zu einem „seynsgeschichtlichen“ Denken zu gelangen. Die größten ideellen Beeinflusser des 20. Jahrhunderts, für die man in einer vielleicht etwas konventionellen Weise Freud, Nietzsche und Marx hält, waren alle monomane Denker. Obgleich sie sich auf einem sehr weiten Feld des Denkens bewegt haben, hat zum Beispiel Nietzsche das Wichtigste darin gesehen, alle Phänomene auf den Willen zur Macht zurückzuführen, während für Marx die wichtigste Triebkraft der Geschichte die bis zur Monomanie strapazierte ökonomische Produktionsweise und deren materielle Basis war. Freud wiederum ist zum Opfer seiner Libido geworden. In allem hat er gesehen, wie der Eros den Menschen und seine Kultur determiniert. In gleicher Weise ist es für Heidegger das Wichtigste gewesen, alle problematischen Phänomene der neuzeitlichen Welt auf ein und dieselbe Seinsvergessenheit zurückzuführen – also darauf, dass der neuzeitliche Mensch, wie schon so viele seiner Vorgänger in der Antike, vergessen hätte, was sich hinter der sich unseren Sinnen zuerst anbietenden, Scheinbarkeiten dienenden Oberflächenstruktur, dem Seienden, verberge: das eigentliche Sein (oder Seyn). Der Mensch sei ein einzigartiges Wesen. Er stehe in einer gleichzeitigen Beziehung zum Seienden und zum Sein. Sein ist das, was uns ständig umgibt, aber von uns flieht, wenn wir es durch Vorstellungen, abgenutzte Begriffe oder Ideen zu fassen versuchen. Der Mensch ersetze das Sein, zu dem er jedoch ständig in einer Beziehung stehe, durch vage abstrakte Begriffe, subjektive Vorstellungen und klischeehaften, schlechten Sprachgebrauch. Heidegger warnt uns in den Schwarzen Heften immer wieder davor, unsere Erfassung der Welt von einer Konstellation aus zu beginnen, bei der das Ich und die Welt separate „Substanzen“ sind. Er warnt uns also vor der angenommenen Bipolarität des subjektiven Ichs und der davon angeblich trennbaren Welt, da man das Ich und die Welt nicht voneinander trennen könne. Wir müssten verstehen, dass bevor der Mensch seine Welt und sein eigenes Ich oder sein Sein erfasse, er sich schon im Sein befinde, inmitten seiner Welt. Er könne nie außerhalb der Welt stehen, und er befinde sich dort außer in seinem Selbst auch in seinem Vorbewusstsein mit den anderen Menschen, was alles im Sein mit enthalten sei, schon vor aller „rationalen“ Vernünftelei. Der Mensch betrachte die Welt und seine Mitmenschen nicht von einem außerhalb der Welt gelegenen Beobachtungspunkt aus wie Goldfische in einem Aquarium oder eine chemische Reaktion in einem Reagenzglas. Bevor er das begreift, ist er selbst im „Aquarium“ und im „Reagenzglas“, als Teil derselben Gesamtheit
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wie die zu beobachtende Welt der Phänomene. Auch in diesem Sinne sei der Mensch sowohl seiend als auch in einer Beziehung zum Sein stehend. Und auch aus diesem Grunde dürfe er sich nicht einbilden, die objektive Wirklichkeit oder Wahrheit zu sehen, die nur logisch wäre, entweder wahr oder falsch, denn das Sein richte sich, ebenso wenig wie die Wahrheit, nicht nach den Formeln der Logik oder Mathematik. Die Wahrheit existiere, aber sie verberge sich und müsse hervorgezaubert werden, indem man die Phänomene anhand des seynsgeschichtlichen Denkens, der Kunst oder extremer Taten auslege. Der Mensch wird in die Welt der Bedeutungen hineingeboren; er ist zu ihr „verurteilt“ – wie Merleau-Ponty die Sachlage ausdrücken würde. Bei seiner Geburt haben die abstrakten Bedeutungen noch keine exakte Gestalt; Wörter wie „Baum“, „Berg“, „die Götter“, „Gut“, „Böse“ und „Heilig“ erhalten ihren genaueren Inhalt erst dann, wenn der Mensch der ihn umgebenden Wirklichkeit begegnet. Die Bedeutungen des Menschen sind sowohl angeboren als auch von Erfahrungen gefärbt. Der Mensch ist fortwährend Gefangener seiner Bedeutungen, da sprachliche Bedeutungen sein Denken bestimmen, aber er ist auch, wenn er es will, zugleich ihr Hirt, wenn er sich von der „Metaphysik“ freimacht, die daran glaubt, dass das Wesen der Phänomene in den Wörtern enthalten sei. Der Mensch sei fortwährend dabei, gegebene Bedeutungen zu deuten. Er sei ein ständiger Hermeneutiker. In seinen Schwarzen Heften geht Heidegger scharf ins Gericht mit dem kausalen Denken, das aus einer falschen „rationalen“ oder subjektiven Perspektive heraus entstehe. Der Mensch stecke das Gelände seiner Realität aufgrund seines subjektiven Bewusstseins und seiner subjektiven Vorstellungen ab und begreife nicht, dass das begriffliche Denken nie das tiefste Wesen des Seins erreiche. Die Ursachen der Phänomene sind nicht die, die das oberflächliche, subjektive Denken zu beobachten vermeint. Vor allem sei die psychologisch verstandene Ursache-Wirkungs-Beziehung eine billige und oberflächliche Weise, das grundlegende Wesen der Dinge zu erklären. In seinen Schwarzen Heften verlangt Heidegger von Zeit zu Zeit Stille, Schweigen und das Annullieren alles subjektiv und begrifflich Ausgelegten. Der Mensch habe auch an die Möglichkeit zu denken, dass nichts existiere, um begreifen zu können, dass hinter dem „Seienden“ wirklich etwas ist – etwas, was wir leicht vergessen, wobei wir uns stattdessen nur mit den scheinbar Seienden begnügen. **** Eine gute Weise, zu einem Verständnis des Denkens Heideggers vorzudringen, besteht darin, sich sein Denken über die Sprache zum Leitstern der Auslegung zu nehmen. Für Heidegger fällt die Sprache im glücklichsten Fall mit dem Sein zusammen. Dies sei dasselbe wie das Sein. Es gebe aber auch eine Ebene des
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Sprachgebrauchs, die die Phänomene nur bezeichne, oder eine Ebene des Sprachgebrauchs, die die Phänomene nur „bedeute“, und dann gebe es noch eine Sprache, die das Sein völlig verberge und vergesse. Unsere Sprache, an die auch unser Denken gebunden sei, könne sich also dem Sein nähern und mit diesem zusammenfallen, aber sie könne auch von diesem abrücken – abhängig davon, in welchem Maße der Sprecher oder Schreiber das vielschichtige und im Grunde dichterische und künstlerische Wesen der Sprache versteht und es begreift, wie sich auch die Sprache als Sprachrohr der Wahrheit gern verberge. Das Sprechen der Sprache und das Schreiben in der Sprache sei nicht nur der Gebrauch irgendeines Instruments, eines „Kommunikationsmittels“, sondern auch das sei eine Suche nach dem Sein und seiner Wahrheit. Der Mensch erfasse seine Welt in sprachlichen Bedeutungen. Diese schaffen seine Welt. Die Sprache sei ein uns ständig beherrschender, sprachliche Bedeutungen tragender Herrscher, der unser Denken mitsamt seinen Bedeutungen weitgehend bestimme, welche potenziell für alle Wesen mit menschlichem Antlitz dieselben seien, aber die jeweilige Umgebung und Kultur sowie die im Massengebrauch befindlichen Mittel und Wege der Sprache könnten einen auch auf dunkle Seitenpfade führen. Eine kreative Sprache könne frische, schöpferische, lebendige und kräftige Bedeutungen umfassen, die mit dem Sein eins sein können. Es gebe jedoch auch Bedeutungen, die sich vom Sein weit entfernt hätten: abstrakte Begriffe, dunkle „Bedeutungen“ und schlechte Prosa, sogar akademischen Begriffsbrei, in dem sich nur leere Worthülsen als Wesen und Kern der Phänomene darstellen wollen. In den frühen dreißiger Jahren schreibt Heidegger in seinen Schwarzen Heften: „Das Wort und seine Gestaltung ist für die Philosophie – zumal für jene, die alle Metaphysik als Vordergrund überwindet – als Ereignis des Seyns selbst – das Seyn als Ereignis. Deshalb muß hier schon die unscheinbarste Folge weniger Sätze ein Gefüge haben, dessen Gesetz nicht aus dem Seienden abzulesen ist, sondern sich dem Seyn fügt. Die ursprüngliche Nennkraft der Worte muß gewandelt dem denkerischen Sagen zugeleitet werden und nicht etwa kann aus „bloßen Wortbedeutungen“ „etwas“ hergeleitet werden. Weil das denkerische Wort immer das Seyn denkt, dieses aber im Wesen, Un-Wesen und in der Wesenslosigkeit des Durchschnitts west, deshalb deckt das denkerische Wort niemals nur eine Bedeutung, sondern die ganze gegensätzliche Wesung des Wesens des Gesagten, z. B. wenn Wahrheit genannt und gedacht wird, ist Unwahrheit und das durchschnittliche Meinen mitgedacht, aber nicht etwa nur „dialektisch“, sondern im Sinne des Einrückens in die Entwurfsbereiche und ihrer Zerklüftung, die niemals durch eine bloße Aufhebung im „Sowohl als auch“ zugedeckt werden kann. Wenn die Philosophie das Unwesen nennt, so kann das im Gesichtskreis des erklärenden alltäglichen Schätzens und Betreibens aufgefaßt werden als Abwertung und Bekämpfung – aber die Philosophie kann das Unwesen nie ablehnen, sondern sie muß gerade seine Notwendigkeit wissen und mit ihr erst und mit dem Wesenslosen das Abgründige des Wesens und so dessen volle Wesenheit.“ (GA 94, 517)
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Von dieser Nuance der Sprachauffassung Heideggers hat sich anscheinend auch Jacques Derrida inspirieren lassen. Für das Verstehen Heideggers ist es essenziell, fortwährend einen Unterschied zwischen dem Seienden und dem Sein zu machen. Diese Begriffe, das Seiende und das Sein (oder in der dem Leser ins Auge fallenden und ihn erweckenden Form das Seyn; das Sein drückt die Eröffnung des Seins, gleichsam den Anfang des Geschehnisses, aus, das Seyn wiederum das Sein als voller Sinn, als das Endresultat, das dem Heideggerschen Terminus „Ereignis“ entspricht) legen den Umstand bloß, dass eine objektive, anhand von Begriffen definierte Realität für Heidegger nichts anderes ist als eine falsch aufgefasste Wirklichkeit, da eine solche Wirklichkeitserfahrung, die nur mit dem Seienden verbunden sei, die dem Menschen eigene Messweise reflektiere und die Möglichkeiten seiner Sinne sowie die der menschlichen Intelligenz und Sprache ausdrücke, aber auch deren Beschränkungen. Die Wirklichkeit ist im Grunde ihres Wesens scheu, nicht-begrifflich und sich verbergend. Sie ist in Heideggers Denken wie eine schüchterne Fee, die sich hinter der Ecke versteckt und die man mit einem solchen geschickten Wortgebrauch ans Tageslicht locken müsse, der mit der Kunst verwandt sei. Es sei nicht die aus der Logik des Aristoteles oder der Schullogik vertraute Wahrheit, die nur als Entweder-Oder-Struktur oder logische Konstruktion existiere. Heideggers Ziel ist es, das Seiende und das Seyn einander anzunähern, bis sie eins werden. Auch wenn sich Wahrheit und Wirklichkeit verbergen, könne man sich ihnen am besten vermittels des seynsgeschichtlichen Denkens annähern, aber auch mit den Mitteln der Dichtung, der Literatur und sogar der Kunst und Architektur. Vor seinem politischen Abenteuer hatte Heidegger noch geglaubt, dass sogar „staatsmännische Taten“ und Aufopferungen uns näher an das Seyn heran bringen könnten. In den Schwarzen Heften gibt er sich jedoch diesbezüglich skeptischer. Auch das Sein selbst könne man sich als Bild vorstellen. Man verstehe es dann aber in einer falschen Weise als feste Substanz, wodurch es seinen rätselhaften Charakter und seinen nichtbegrifflichen Zustand einbüßt und sich besser als Waffe im Machtkampf und sogar als Schlagstock oder scheinbarer Gegenstand einer oberflächlichen Diskussion eigne. Die Welt verliere dann ihren echten vieldeutigen Charakter. All dies sucht Heidegger zu vermeiden, und er verlangt bei der Annäherung an die Wirklichkeit und Wahrheit die Fähigkeit, leichte Vorstellungen und Ideen zu verwerfen und bei Bedarf zu schweigen, die Stille zu hüten und auf die Öffnung der Wirklichkeit zu warten, bei der wir eine Ahnung vom grundlegenden Wesen des Seins erhalten. Denken sei somit kein Messen dessen, ob etwas richtig oder falsch sei, sondern eine Art geistige Wanderung, auf der dem Wanderer die Kunst und die Dichtung sowie fragendes Denken als Hilfsmittel dienen können. In den Schwarzen Heften denkt Heidegger darüber nach, wie ein ganzes Zeitalter vom Verfall der Sprache bedroht werden könne. Dies sei das Zeitalter der
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Seinsvergessenheit. Für die Geburt großer Dichtung und Kunst sei diese Zeit nicht günstig. Heideggers Sprachgebrauch ist schon bald nach seiner politischen Irrfahrt und in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg immer kryptischer geworden. Heidegger scheint von einer geradezu panischen Angst davor ergriffen zu sein, dass man sein Denken und Schreiben in die Sprache der Seinsvergessenheit übersetzen würde. In den Schwarzen Heften scheint er in einer Art Alarmzustand gegen seine Zeit und die Deuter ihrer Sprache anzuschreiben. Er ist auf der Suche nach einem eigenen Vokabular und einer eigenen Sprache, um ein für alle Mal ein solches Denken zu vermeiden, das er „metaphysisch“ nennt und das in die Fallgruben des Seins stolpere, und er weigert sich, andere in diese zu leiten. Von einem solchen Sprachgebrauch sind dann besonders die Schwarzen Hefte der Jahre 1942–1948 geprägt. In seinem die Sprache betreffenden Denken steht Heidegger dem Sprachgebrauch von Dichtern und schöpferischen Schriftstellern nahe, und er lehnt die Auffassung der Linguisten und Lexikografen ab, dass Sprache im optimalen Fall ein exaktes und normatives, klare Bedeutungen zur Verfügung stellendes Instrument sei. Heidegger hätte ohne Zweifel die Kluft für unnötig gehalten, die sich zwischen der Literatur- und der Sprachwissenschaft aufgetan hat. Die Kraft der Sprache besteht für ihn gerade in ihrer Vieldeutigkeit – darin, dass sie ebenso vieldeutig ist wie die „Wirklichkeit“, das Sein oder das Seyn selbst. Wir denken nicht mit der Sprache, sondern die Sprache denkt in uns. Und auch wenn die Sprache der Herr des Menschen wäre, so könne der Mensch mit einem geschickten Sprachgebrauch zum Hirten des Seins werden. Ein solches Hüten des Seins nimmt Heidegger für sich selbst in Anspruch, indem er in seinem späteren Werk und auch in den Schwarzen Heften seine eigenartige, hermetische Sprache gebraucht, die von allen klischeehaften Bedeutungen abrückt. Wegen der Sensibilität der Sprache falle den Menschen der Verzicht auf die Seinsvergessenheit nicht leicht. Die Menschen verstünden das Wesen der Sprache, aber auch das, was man sagen will, die ganze Zeit falsch. Sie seien in jedem Augenblick dabei, sich fertige Bilder und Begriffe zu bilden, und zwar auch dann, wenn es besser wäre, statt des scheinbar Seienden das Nichts oder das Nicht-Seiende zu denken, da diese vom richtigen Verständnis her besser dem grundlegenden Wesen des Seins entsprechen würden als das Seiende. Deswegen jongliert Heidegger in seinen Schwarzen Heften wie ein Artist mit der äußeren Gestalt der Wörter und ihrer Flexion, mit der Aufspaltung der Wortstämme und mit neuen metaphorischen Bedeutungen der Wörter. **** In der Forschung ist Heideggers Patriotismus noch nicht ausreichend betont worden. Vor diesem Hintergrund wird jedoch der politische Irrtum des Philoso-
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phen besser verständlich. Zusammen mit Millionen deutscher Zeitgenossen hat auch Heidegger das Nachspiel des Ersten Weltkrieges und den Versailler Frieden als eine Demütigung der Deutschen und des Deutschtums empfunden. Heideggers Patriotismus ist stark mit seiner Philosophie und Philosophieauffassung verbunden. Heideggers Kunstauffassung und seine Analyse der griechischen Dichtung und die der deutschen Romantik sind an die Denkweise gebunden, die auch die Kunst weitgehend als ein Produkt einer nationalen Tradition auffasst. In dieser Hinsicht ist Heidegger von jeglichem postmodernen Kunstdenken weit entfernt. Er gesteht den Griechen der Antike eine erstaunliche philosophische Genialität zu, ist aber der Ansicht, dass in der modernen Welt nur die Deutschen dazu imstande seien, die Traditionen der ursprünglichen griechischen Philosophie weiterzuführen. Gerade deswegen hat er den Deutschen die Möglichkeit geben wollen, die Seinsvergessenheit in der Weise zu überwinden, wie es Hölderlin (mit dessen Werk Heidegger gut vertraut war) begriffen hatte, dieser Dichter, der sein Idealbild vom antiken Griechenland und die „moderne“ deutsche Tradition seiner Zeit miteinander verbunden hat. Noch während des Zweiten Weltkrieges hat Heidegger – nun aber ohne weiter auf die Nationalsozialisten zu zählen – von der Überwindung der Seinsvergessenheit geträumt: „Der Deutsche allein kann das Sein ursprünglich neu dichten und sagen – er allein wird das Wesen der ewrßa neu erobern und endlich die Logik schaffen. (GA 97, 27) Da das Denken universal abhängig von der Sprache ist, ist die deutsche Philosophie – konkret gedeutet – abhängig von der deutschen Sprache, und das ist gerade die Sprache, die sich nach Heideggers Auffassung für die Behandlung philosophischer Fragen in einzigartiger Weise eignet. Diese Zuneigung Heideggers zu der Sprache und Philosophie seines Vaterlandes hat für ihn für eine gewisse Zeit auch bedeutet, dass er seine Seele dem Teufel verkauft hat, dem Nationalsozialismus, der in Deutschland ganz allgemein – „my country, right or wrong“ – als deutschpatriotische Bewegung angesehen wurde. Heidegger hat im Nationalsozialismus sowohl die Möglichkeit zu einer deutschen Philosophie als auch einen Garanten für den Aufstieg seiner eigenen Philosophie gesehen. Heidegger ist nicht der einzige gewesen, der wegen seiner Eitelkeit der faschistischen Verführung erlag. In den Schwarzen Heften offenbart sich Heideggers Patriotismus auch in seiner Vorliebe für die provinziellen Traditionen Deutschlands und anderswo sogar für Dialekte und Mundartliteratur. Nur die Dialekte seien wahrhaft ursprüngliche Sprachen. Der Philosoph betont, dass man in den Dialekten das Sein besser sehen könne als in der Hochsprache, die an Konventionen, Sprachpflege und grammatische Regeln gebunden sei. Die Schwarzen Hefte sind schwarz auch in ihrem Kulturpessimismus. Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg hält Heidegger die Lage der abendländischen Zivilisation für erbärmlich. Offenbar dachte er – wie viele andere Intellektuelle, die vom
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Faschismus oder Nationalsozialismus fasziniert waren –, dass diese Ideologien eine Art Erlösung vom europäischen Kulturpessimismus und „Verfall“ sein könnten, welche auch in Deutschland stark gewirkt hatten. Sein geistiges Unwohlsein hatte sich nach seinem politischen Irrlauf nur noch verschlimmert. Nachdem er seinen politischen Irrtum eingesehen hatte, dachte Heidegger für eine Weile in einer recht utopischen Weise, dass ein Neubeginn, eine neue Überwindung der Seinsvergessenheit, immer noch möglich sei: „Das Wesentlichste aber und zugleich Seltenste, was zur Entfachung dieses Kampfes um die Erweckung der Fragwürdigkeit des Seyns notwendig ist, heißt uns der Mut zum Irrtum. Denn die Irrwege sind fruchtbar allein, weil sie, Räume durchirrend, an Abgründe kommen, während die bloßen Richtigkeiten und das durch sie erledigte Unrichtige den Menschen auf sein je Erreichtes hin abdrücken und aus dem Bereich des Wesentlichen vertreiben. Stets jedoch droht die Gefahr, daß die immer sicherer zur Gewöhnung und Handhabung sich verfestigende Herrschaft der Masse nichts mehr duldet, was sie in Frage stellen könnte. Und deshalb liegt im Geschick des Abendlandes ins Wesentlichste gesehen eine vierfache Möglichkeit verborgen: entweder die Herrschaft der Masse, oder die Einebnung der abendländischen politisch-kulturellen Zustände (Demokratische – Autoritäre Staaten) auf einen Ausgleich (d. h. die völlige Unfruchtbarkeit) oder ein anderer Anfang der Geschichte in der Verborgenheit wesentlicher Einzelner, oder ein solcher Anfang als Gründung eines neuen Volkes. Die ersten beiden Möglichkeiten erschöpfen sich in der Behauptung und Sicherung des Vorrangs des Seienden (in der Gestalt vor allem „des Lebens“); die anderen öffnen und opfern sich einem Sprung in die Frag-würdigkeit des Seyns und die Erharrung des Entgegnens der Götter und des Menschen.“ (GA 95, 203–204) Heidegger rechtfertigt also den Irrtum als einen Weg beim Suchen und Finden des Seins: Er schließt die Möglichkeit nicht ganz aus, dass es Wege des Seienden gebe, die zu einer Überwindung der Seinsvergessenheit führten. Es ist bezeichnend, dass der Philosoph in seinen Schwarzen Heften nach der Zeit seines politischen Engagements des Öfteren betont, dass der Sucher nach dem Sein das Recht habe, in die Irre zu gehen bzw. sich zu irren. In dem obigen Zitat tritt auch die Verachtung zu Tage, die Heidegger für die Masse empfunden, und diese Verachtung richtete sich fast von Anfang an auch gegen die Nationalsozialisten und hat sich in den Schwarzen Heften nur noch vertieft. Zeitweilig kämpft Heidegger auch in den Kriegsjahren noch dafür, dass der abendländische und deutsche Mensch ein neues Verhältnis zum Sein gewinnen könnte, aber schließlich versinkt er diesbezüglich in Hoffnungslosigkeit: „Anfang und Ende [. . .] Das Sein einstmals der jäh auffahrende Blitz, der alle Dinge nach ihrem Maß und Gesetz und Gewicht in sein Licht gezogen – jetzt ein müder Schein, bei dem alles Gewicht und Maß sich fortgeschlichen hat.
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Das Sein – ein Geschenk, ein Jubel und ein Schauer, eine Frage – der Anfang. Das Sein – ein vernutzter Besitz, ein Geschwätz, eine Langweile, ein Name – das Ende.“ (GA 94, 89) Heidegger teilt in seinen Schwarzen Heften schwere Schläge in verschiedene Richtungen aus und kritisiert viele Gruppen und Kreise. Besonders kritisch betrachtet er die zeitgenössischen Deutschen und Amerikaner sowie verschiedene Religionen, insbesondere die deutschen Christen, in geringerem Ausmaß die Juden – und auch diese vor allem als Vergesser des versteinerten Erbes und Seins des Alten Testaments und nicht als biologische Wesen oder als „Rasse“. Besonders streng geht er mit der abendländischen Wissenschaftstradition und der akademischen Gelehrsamkeit ins Gericht. Am heftigsten attackiert er die Geschichtswissenschaft, die Kunstgeschichte und die von den Nationalisten umhegte Volkskunde, welche in den Dienst der nationalen Ziele und auch der Rassenideologie gestellt worden sei. Die Geschichtswissenschaft verrate – so Heidegger – in erster Linie etwas über die Historiker und ihre Zeit, ihr Weltbild und ihre Ideologie. Heidegger kritisiert vor allem das Schönfärben des eigenen Volkes und die deutsche Lebensphilosophie, die in Deutschland auch die Ideologie der Nationalsozialisten teilweise gestärkt hatte: „Hier bleibt Alles und wenn es noch so spritzig und sprühend gesagt, noch so funkelnd aber auch plätschernd beschrieben wird, wenn jedes mit jedem noch so erfinderisch und spürsinnig verglichen und gegeneinander gerechnet wird – ein rückwärtsblickendes Ausweichen in das Vergangene, auch dann, wenn jetzt – wie es der Tag fordert – alle Kunstgebilde als ,Ausdruck‘ und ,Zeugnis‘ in den ,Urgrund‘ ,des Lebens‘ ,des Volkes‘ versenkt werden, um sie angeblich durch die Historie wieder daraus hervortauchen zu lassen. Dieser Historismus ist das Nichtsehenkönnen dessen, was ist, was ihn zur ,Aktivität‘ treibt und reizt, weil ihm alle Register einer Riesenorgel des Beschreibens und Schilderns zur Verfügung gehalten werden. Der Historismus ist eine Hexenküche ohne Hexen, in der nur kluge Spürhunde für das Zeitgemäße das Überlieferte neu aufkochen in der Meinung, die Zeitgemäßheit verbürge schon ,das Leben‘. – Verzaubert sind auch diese Rechner noch – nämlich durch das für sie Überraschende, daß unversehens neue Möglichkeiten des Entdeckens gegeben und wieder ein Geschlecht auf seine Zeit hinaus versorgt ist mit ,neuen‘ Aufgaben des ,Ausgrabens‘ und ,Suchens‘ dessen, was die ,vorige Generation‘ übersehen hat, wofür diese so wenig konnte, wie die heutigen daran kein Verdienst haben, dass sie jetzt ,Neues‘ entdecken und auf ,neue Sichten‘ erpicht sein dürfen. Volkskunde jedweder Art und Ausdehnung findet nie das ,ewige Volk‘, wenn dieses nicht zuvor in seinen Einzelnen des wesentlichen Fragens und Sagens Jene zugewiesen erhält, die den Gott des Volkes suchen und eine Entscheidung über das Zu oder Gegen Ihn in die Wesensmitte des Volkes werfen [. . .]“ (GA 95, 413–414)
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Auch in diesem Zitat polemisiert Heidegger indirekt gegen den Wissenschaftsbetrieb des Nationalsozialismus, der die Volkskunde als Instrument seiner Ideologie nutzbar gemacht hat. Auch die Kunstgeschichte sei wie die Geschichtswissenschaft ein Beispiel dafür, wie sogar der intellektuelle Mensch seine Welt erfasse, große Epen erzähle, sie als Wissenschaftler vereinfache und ihr einen Handlungsverlauf zuordne sowie mit einem bedenklich leicht gebauten Begriffsapparat spiele, der weder der Mannigfaltigkeit der Phänomene noch der Einzigartigkeit eines jeden Kunstwerkes gerecht werde, sondern den Wissenschaftler dazu verführe, die Kunstwerke schon von Vornherein in eine fertige Schablone und „Strömung“ zu platzieren. In dieser Beziehung führt Heidegger die von Husserl übernommene Tradition der Phänomenologie fort. Die großen Fortschritte seiner Zeit auf dem Gebiet der Medizin, Physik und Biologie ignorierend, scheint der Philosoph nur über die Lage der Geisteswissenschaften nachzudenken, und er konstatiert, dass die Universität ihre Aufgabe bei der Beschaffung von wissenschaftlichen Erkenntnissen, oder vielmehr von Wissen, völlig verloren habe. Diese teilweise Blindheit dürfte dadurch verschlimmert worden sein, dass Heidegger den Einfluss des naturwissenschaftlichen Modells auf die Geisteswissenschaften zu verneinen suchte. Derselben Quelle entspringt Heideggers Reserviertheit gegenüber seinem eigenen Hauptwerk Sein und Zeit aus dem Jahre 1927, die in den Schwarzen Heften zu Tage tritt. Obwohl in Heideggers Hauptwerk die Bedingungen des menschlichen Denkens, auch des wissenschaftlichen Denkens, in einer neuen Weise festgestellt werden und eine Revolution in der europäischen Wissenschaftstradition gemacht wird, indem die aristotelische Logik in Frage gestellt und eine ganz neue Wirklichkeitsauffassung gefordert wird, bei der sich die Wahrheit verbirgt und ihre Bedeutung als „Richtigkeit“, das heißt als logische Wahrheit, verliert, die nur wahr oder falsch ist und sonst nichts anderes, könnte man den Philosophen für einen Gefangenen der Tradition halten, gegen die er sich jetzt wendet. Er ist nun in seinen Schwarzen Heften gewissermaßen wie ein modernistischer Lyriker, der der konventionellen Sprache und sogar der konventionellen Sprache der Dichtung wie einer ansteckenden geistigen Krankheit gegenübersteht. Sein und Zeit ist aus dieser Perspektive betrachtet zweifelsohne noch eine in „suspekter Weise“ klare Studie, die ihren Autor als einen noch am Rocksaum der Seinsvergessenheit hängen gebliebenen „Metaphysiker“ denunziert, also als einen Denker, der mit Begriffen räsoniert, ohne zu begreifen, dass das Nichts, das Schweigen und die Stille für denjenigen nötig seien, der die Wirklichkeit verstehen will. In Sein und Zeit ist Heidegger in dieser Hinsicht mitteilsamer als in den Schwarzen Heften. Heideggers Schwarze Hefte können für ihre Leser in vieler Hinsicht ein Anlass der Verwunderung sein, aber auch die Ursache für das Gefühl großer Befreiung. Es ist, als wolle Heidegger nichts mehr übrig lassen von den „Werten“ der modernen
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Zivilisation und Gesellschaft. Die Massenmedien, die Kunst, die Wissenschaft, die Hochschulen, die Intelligenz, die „Diktatur der Öffentlichkeit“, die Klischeehaftigkeit der Sprache, die „planetarische Politik“, die Erziehung, der Kommunismus, der Nationalsozialismus, der moderne Liberalismus und die gesamte westliche politische Kultur samt ihrer Demokratie sind seiner Meinung nach nur Karikaturen davon, was sie sein müssten. Auch von den Kulturdebatten der Intellektuellen, von dem das große Publikum hofierenden und manipulierenden Kunsthandel, der den Platz der Kunst eingenommen und diese fast massakriert habe, hat Heidegger nichts Gutes zu sagen. Heidegger glaubt auch weder an den Nationalismus noch an den Internationalismus, weder an Amerika noch an die Sowjetunion, weder an die Rassenlehre noch an die Biologie, weder an die Literatur noch an den Sport, und ihm schaudert sowohl vor der Atombombe als auch vor all denjenigen Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg der Neuerrichtung des Deutschtums allen Boden entziehen wollen. Seine tödliche Kritik richtet sich aber vor allem gegen den die Welt beherrschenden Materialismus, die Macht des Geldes und den hyperindividualistischen Subjektivismus. Sein Kulturpessimismus ist so tief, dass man ihn mit radikalem Anarchismus gleichsetzen könnte. Alles sei verrottet, alles könne und müsse abgerissen werden, und man müsse einen Neuanfang setzen mit der Kehre des Seyns und dem Finden des neuen/uralten Seyns. Er scheint in den Schwarzen Heften zeitweilig sogar wie Nietzsche davon zu träumen, dass man den herrschenden „Verfall“ und Nihilismus so fördern und vorantreiben könnte, dass er bei seiner Sich-Vertiefung zum Schluss nachgäbe, in seiner Radikalität zusammenbräche und Platz für ganz neue Einstellungen und Kräfte freimachen würde. Besonders streng kritisiert Heidegger das mit der Wissenschaft und dem Kommerz verbundene Rechnen und Quantifizieren sowie das daraus erwachsende Streben nach Eigennutz. Das Rechnen gehe von der Subjektivität und Ich-Zentriertheit aus, welche den neuzeitlichen Menschen beherrsche, der das Sein vergessen habe. Gegen Ende des Krieges, inmitten der Erniedrigung des eigenen Volkes, wird Heidegger von einem tiefen Pessimismus erfasst, aber dessen Ursache liegt eher in der Seinsvergessenheit samt ihren geistigen und moralischen Folgeerscheinungen und Hohlheiten als im Krieg oder in der Politik: „Meine Philosophie“ – falls der törichte Ausdruck gebraucht werden darf – sei „die Philosophie des Abgrundes“ – ich frage zurück: stehen wir etwa nicht am Abgrund? Nicht nur wir, die Deutschen, nicht nur Europa – sondern „die Welt“? Und nicht nur seit gestern und schon gar nicht „durch“ Hitler, so wenig wie „durch“ Stalin oder „durch“ Roosevelt. – Ist ein Denken gefährlich, das denkt, was ist? Oder will man denken, was nicht ist? Will man überhaupt denken, sondern faseln, die Faselei über das „Wirkliche“ fortsetzen? Man will nur dieses. Man steht immer noch nicht am Abgrund, man will gar nicht wissen, was das ist. Gleich als hetzte da eine geheime Angst davor, dass der Mensch mit dem Blick in den Abgrund gerade nur erst beginnt, zu
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erfahren, erfahren zu lernen, was ist. Gleich als hätten die Rechner und Zersetzer, die alles durch Intellektualität zerreiben, Angst vor jeder Leere, in der ihr Gefasel und ihre organisierte Zerstörerei auch bei denen, die törichter sind als die Deutschen, nicht mehr verfängt.“ (GA 97, 156) Das Nachdenken über das Sein ist für den Philosophen, der jedwede Moralisierung verabscheut, instinktiv auch das Schaffen einer Ethik. Obgleich Heidegger ein Handwerker philosophischer Konstruktionen ist, ist er zugleich auch ein Moralist, bei dem der zur Anklage erhobene Zeigefinger und die schlagbereite Faust in der Hosentasche versteckt bleiben. Seinsvergessenheit bedeute das Ende des Opfergeistes, der Selbstlosigkeit und des Altruismus. Ohne tiefes Verstehen der Seinsvergessenheit wäre nicht einmal Ethik möglich. In den nun publizierten Notizbüchern wird Heideggers Verachtung der Mediokrität ersichtlich. Er entpuppt sich als einsamer Reiter im Gelände des Geistes und als geistig elitärer Mensch. Dieser Mann aus dem Volk mit bäuerlichen Wurzeln und dieser stolze Professor ist auch ein Aristokrat des Geistes, dem die eigene Zeit nicht immer gefällt, da sie dem „Pöbel“ zu viele Möglichkeiten biete. Heidegger erteilt dabei auch den Nationalsozialisten eine Ohrfeige: „Die Barbarei besteht nicht darin, daß Völker ,primitiv‘ und ,kulturlos‘ sind, sondern daß der Pöbel ,gebildet‘ ist, oder mit einem Gaudozentenführer geredet, ,Bildung tankt‘ und dabei Pöbel bleibt.“ (GA 96, 229) Heideggers kulturpessimistische Vision wird von einem ein wenig mystischen Nebenstrang begleitet, den man jedoch nicht mit dem Christentum gleichsetzen darf. Der moderne christliche Glaube ist für Heidegger ein für alle Mal degeneriert. Dagegen spricht er wiederholt von den Göttern und der Spur, die diese hinterlassen hätten, aber auch diese sei in der modernen Zeit nicht mehr sichtbar. Sein eigenes religiöses Lebensgefühl ist vielmehr ein heidnisches, oder noch genauer ausgedrückt: es ist eine Religion des Erinnerns und Erkennens des Seins. Die Götter würden nur zurückkehren, wenn die Seinsvergessenheit überwunden wäre. Und der Mensch brauche nicht nur Gott bzw. die Götter, sondern die Götter brauchten auch den Menschen, aber ihre Begegnung würde nur durch die Wiedererweckung des Seins möglich werden. Das Sein und das Denken des Daseins seien letztendlich ein Vorrecht des Menschen. Und der Mensch sei imstande, durch sein Denken auch die Götter zu erfassen, die sich irgendwo in den Verstecken des Seins verbergen würden. Wahrscheinlich in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre schreibt Heidegger: „Der Durchschnitt in allem Seienden ist der schärfste Widersacher der Götter. Der christliche Gott aber ist vielleicht selbst nur der unbedingte Durchschnitt und deshalb bisher der im Abendland dauerfähigste. – Er ist überdies für die Neuzeit wie geschaffen, da man mit ihm ,rechnen‘ und ,verhandeln‘ kann. Und so wird er sogar noch weltanschauungsfähig als ,Herrgott‘ und ,Vorsehung‘ und die ,Bekenntnisse‘
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zu ihm (oder zu etwas anderem?) formieren sich sogar zu ,Fronten‘ und auf Kraft durch Freude-Schiffen wird er sogar erst eigentlich ,erlebt‘.“ (GA 94, 511) Heideggers religiöse Denkweise könnte man vielleicht in die Nähe des (in mehrfachem Sinne) „gottlosen“ Erfahrens des Heiligen stellen, die für ihn in jedem echten Erleben des Seins mit dabei sei, ebenso wie sie auch in jedem echten Erleben von Kunst präsent ist. Heidegger lehnt konsequent jeglichen Biologismus ab, so dass man unmöglich daran glauben kann, er wäre in irgendeiner Phase ein regelrechter Nationalsozialist gewesen. Er hat nur die Bewegung in seinen Dienst nehmen wollen! Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges schreibt er: „Aber ein grober und innerhalb seiner Zwecksetzung berechtigter ,Biologismus‘ des völkischen Machtdenkens verführt jetzt die ,feinsinnigen‘ und ,fühlsameren‘ Deutschen auf die Irrwege der Volkskunde, durch die sich – wer möchte es leugnen – ein neues und weites Feld für die Neugier und den Genuss des Nach,erlebens‘ und die Nachmachung auftut. Und dennoch – der Historismus des Vorgeschichtlichen ist noch verhängnisvoller als der Historismus der Geschichte.“ (GA 95, 414–415)
**** Vor dem Hintergrund der oben beschriebenen allgemeinen Thematik der Schwarzen Hefte ist es überraschend, dass in der internationalen Presse, sogar im italienischen Corriere della Sera, kolportiert wurde, Heidegger hätte den Völkermord an den Juden gutgeheißen, da die Juden an der Massenmordmentalität und der Hervorbringung der dahinter stehenden Technik selbst schuld gewesen seien, welche im nationalsozialistischen Deutschland – wie auch überall in Europa und im Amerika der Atombombe – zur Zeit des Zweiten Weltkriegs geherrscht hätten. Obwohl Heidegger ein Faible für Paradoxe gehabt hat, hat er dergleichen jedoch nicht behauptet. Es ist natürlich für das Image eines Menschen, geschweige denn eines bedeutenden Philosophen, nicht vorteilhaft, zum Narr einer totalitären Politik herabzusinken. Die Schwarzen Hefte werfen ein wenig Licht auf das ambivalente politische Porträt Heideggers. Fast zwei Jahre lang hatte er ja im intensivsten Wirkungsfeld der „Faszinationskraft“ des Nationalsozialismus gestanden. Man weiß, dass Heidegger sich in kritikloser Weise für den Nationalsozialismus begeistert und die Machtergreifung Hitlers noch ein paar Jahre lang befürwortet hat, als er in den Jahren 1933–1934 als Rektor der Freiburger Universität fungierte und der Gleichschaltungspolitik der Nationalsozialisten, die auch das deutsche Universitätswesen betraf, viele Zugeständnisse machen musste. Dafür ist er aber womöglich ein wenig zu sehr verunglimpft worden.
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Die Historiker, die über die Dauer des politischen Abenteuers Heideggers debattieren, sollten berücksichtigen, was Heidegger selbst darüber in seinen Schwarzen Heften geschrieben hat. Er konstatiert da, er habe in den Jahren 1930–1934 geglaubt, der Nationalsozialismus könne der Stellung seines seynsgeschichtlichen Denkens in Deutschland förderlich sein. Bevor der Zweite Weltkrieg in vollen Gang gekommen war, habe er im Nachhinein besser gesehen, wie der Nationalsozialismus die „Vollendung“ der neuen Zeit sowie einen immer enger werdenden, selbstgenügsamen „Rationalismus“ und ein einseitiges technisches Denken verwirklicht habe: „Rein ,metaphysisch‘ (d. h. seynsgeschichtlich) denkend habe ich in den Jahren 1930–1934 den Nationalsozialismus für die Möglichkeit eines Übergangs in einen anderen Anfang gehalten und diese Deutung gegeben.“ (GA 95, 408) Seine nationalsozialistische Verzückung hat demnach also vier Jahre lang gedauert. Sie habe 1930 begonnen, drei Jahre vor der Machtergreifung Hitlers, und sie habe bis in das Jahr 1934 hinein angedauert – und zwar bis zu dem Zeitpunkt, als Ende Juni eine brutale politische Bluttat begangen wurde. Der Philosoph sei erschrocken gewesen vor der „Nacht der langen Messer“, die Hitler und seine Schergen veranstaltet hatten, um eine große Zahl (womöglich 77) an in Misskredit geratenen SA-Männern und diesen nahestehenden Offizieren sowie eine Reihe von politischen Gegnern aus dem Weg zu räumen. Hitler hatte damals in der Öffentlichkeit verkündet, sein alter Kampfgenosse und SA-Chef Ernst Röhm habe zusammen mit seinen Anhängern einen Putsch geplant und sei außerdem „pervers“. Die von Heidegger angegebenen Eckdaten klingen glaubwürdig, obwohl sich die Forschung bislang kaum der Frage angenommen hat, in welchem Maße Heidegger schon vor der Machtergreifung Hitlers den Nationalsozialisten nahe gestanden habe und einige Historiker gemeint haben, sein nationalsozialistisches Engagement habe noch Jahre nach der ersten politischen Enttäuschung angehalten, also bis in die Zeit nach 1934, oder sogar bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, da er bis zum Schluss ein Parteibuch der NSDAP besessen habe. Dass jemand seinen Parteimitgliedsbeitrag zahlt, ist jedoch in keinem diktatorischen System ein Beweis für die Sympathie der betreffenden Person für das System. Wie in der Sowjetunion, behielt man auch in Deutschland sein Parteibuch aus Gründen der Opportunität und Sicherheit. Heideggers Einstellung war nach 1934 für zwei Jahre von einem „Attentismus“ geprägt, einem Abwarten – was aber keine Stellungnahme für Hitler bedeutete. Kritische Töne über den Nationalsozialismus tauchen in Heideggers Schriften Ende 1934 auf und verstärken sich in der Zeit danach. Aber anfangs wollte er anscheinend abwarten, wie sich die Lage entwickeln würde, und er hielt es für ratsam, nicht offen gegen den Nationalsozialismus aufzutreten. Aus heutiger Perspektive betrachtet kann man Anhängerschaft zum Nationalsozialismus auch in jenen Jahren nicht als etwas Harmloses bezeichnen, aber wenn
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man sie aus Heideggers Blickwinkel der „verrückten Jahre“ 1933–1934 betrachtet, so war sie weder illegal noch war sie ein Zeugnis für die Rohheit und Blutrünstigkeit des Anhängers. Der Antisemitismus der Nationalsozialisten war anfangs vorwiegend verbaler Natur, und viele haben ihn für die Kinderkrankheit der Braunhemden gehalten. Bei den Deutschen, die im Reich geblieben waren, hatte Hitler ein erträgliches, wenn nicht gar ein sehr positives Image. Da Heidegger öffentlich keine antisemitischen Meinungen geäußert hat, da es in seinem Denken weder eine biologische Basis, wie sie dem Programm des Nationalsozialismus eigen war, noch einen daraus erwachsenden Sozialdarwinismus noch die Verachtung anderer Völker gegeben hat und da er angesichts der Brutalität der „Nacht der langen Messer“ offensichtlich von den Nationalsozialisten abgerückt ist, so kann man ihn in politischer Hinsicht nicht zu einem der größten deutschen Sünder abstempeln. In der Zeitschrift Die Zeit vom 15./16. November 2014 wurde ein von Eggert Blum verfasster Artikel abgedruckt, in dem außer Heidegger selbst auch seinem Sohn, dem Kriegshistoriker Hermann Heidegger, und seinem Enkel, dem Juristen Arnulf Heidegger, sowie einigen an der Redaktion der Gesamtausgabe beteiligten Personen schwere Vorwürfe gemacht werden. In dem Artikel in der Zeit wird behauptet, dass die Familie des Philosophen und verschiedene ihr nahestehende Personen, die für die Gesamtausgabe der Werke verantwortlich sind, bestrebt seien, die Herausgabe der Werke Heideggers zu kontrollieren, eine Zensur auszuüben und kritische Stimmen klein zu halten. Im Artikel wird der schwere Vorwurf erhoben, dass Heideggers Sohn und Enkel die Veröffentlichung von einigen politisch kompromittierenden und peinlichen Äußerungen und Gedanken Heideggers verhindert hätten und dass es dabei um Heideggers mögliche antisemitische Einstellung gehe. Es ist klar, dass diejenigen Millionen Deutschen und Europäer, die dem nationalsozialistischen Deutschland gegenüber Sympathie empfunden und in diesem eine Gegenkraft zum stalinistischen Sowjetrussland gesehen haben, nicht unbedingt alle Antisemiten gewesen sind – vor allem nicht in der nationalsozialistischen Bedeutung des Wortes. Sie haben jedoch den Antisemitismus der Nationalsozialisten ertragen müssen – auch wenn viele sicher nicht gezwungen waren, ihn still hinzunehmen. Was dürfte Heideggers diesbezügliche Einstellung in den Jahren der Gefahr gewesen sein? Die Behauptung, man habe aus der Gesamtausgabe seiner Werke dieses und jenes unterschlagen, hört sich übel an. Diese Behauptung ist von Sidonie Kellerer vorgebracht worden, die die Manuskripte Heideggers untersucht hat, welche im Literaturarchiv Marbach aufbewahrt werden. Seinen berühmten Vortrag Die Zeit des Weltbildes habe Heidegger möglicherweise selbst editiert und in eine andere Form gebracht, als wie er im Jahre 1938 vor dem deutschen Publikum gehalten worden war. Heidegger habe sich auch an seine Beziehung zur NS-Zeitung Der Alemanne „falsch“ erinnert. Heideggers Bericht zufolge habe dieses Blatt ihn scharf angegriffen, und die Universität habe ihn
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gegen diese Attacke nicht verteidigt. Kellerer gibt hiervon ein ganz anderes Bild, und es ist möglich, dass sie Recht hat. In der Debatte um Heidegger wäre das ein Minuspunkt für den Philosophen. In der Zeit stand auch zu lesen, Heidegger habe nach dem Ende des Krieges von „jüdischer Rachsucht“ gesprochen, deren Ziel es sei, die Deutschen geistig und geschichtlich auszulöschen. Aber genau dasselbe hätte er als verzweifelter Patriot auch von den Besatzungsmächten sagen können, und niemand hätte das als rassistische Äußerung aufgefasst. Das Redaktionsprinzip, dem gemäß Heidegger noch vor seinem Tode einige Textpassagen hat korrigieren können – also auch seine in der Zeit seines politischen Engagements verfassten Artikel und Werke, diese ergänzend und umformulierend – wird nun natürlich auch heftig kritisiert. Von der sehr umfangreichen Korrespondenz Heideggers ist erst ein Teil publiziert worden, und es wird geargwöhnt, dass hinter dem Zögern bei der Herausgabe gewisser Briefe Absicht stehe, weil auch diese Briefe womöglich neues, den Philosophen kompromittierendes Material enthalten. Die eigentliche Hauptthese, dass Heidegger ein kruder Antisemit gewesen sei, mutet einen jedoch übertrieben an. Die politische Sympathie und das politische Engagement eines jeden Menschen, vor allem das eines bedeutenden Philosophen, muss man nuanciert auslegen. Politisches Engagement schließt alle Formen der Sympathie mit ein – von verrückter Liebe und Leidenschaft bis hin zu flüchtiger Faszination und zur Zwangsehe. Unter dem Etikett des Antisemitismus haben viele qualitative und quantitative Unterschiede Platz. Es ist die Aufgabe des Forschers, sich darüber Klarheit zu verschaffen und die Einstellung des Philosophen genauer zu bestimmen. Diese Arbeit ist von den deutschen „Forschern“, die der internationalen Presse zuarbeiten, in manchen Fällen nicht geleistet worden. Es gibt den christlichen Antisemitismus, der aus einem religiösen Konflikt heraus entstanden ist und der dessen ungeachtet derbe Formen angenommen hat. Es gibt den antikapitalistischen Antisemitismus, den man auch bei sozialistischen Denkern antreffen kann und für den die Juden Repräsentanten der Geldmacht sind. Es gibt den paranoiden Antisemitismus, der sich auf die Protokolle der Weisen von Zion stützt und die Juden einer weltweiten Verschwörung bezichtigt, welche die Weltherrschaft anstrebe. Es gibt den liberalen Antisemitismus, wie ihn auch Voltaire vertrat, der den religiösen Fanatismus der Juden seiner Zeit kritisierte. Es gibt zudem den biologisch gefärbten Rassismus, für den die Juden (neben den Finnen) im Geiste Arthur de Gobineaus eine im Vergleich zu den Indoeuropäern biologisch minderwertige, „unschöpferische“ Rasse sind. Und es gibt noch einen Antisemitismus, der die Ansicht vertritt, die Juden hätten die kritisch bewertete „moderne Welt“ geschaffen. Heidegger hat dem letztgenannten Antisemitismus nahe gestan-
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den, ohne ihn jedoch von seiner Tendenz oder Thematik her repräsentiert zu haben. Die Nationalsozialisten haben sich alle diese Formen des Antisemitismus nutzbar gemacht, aber ihr Antisemitismus ist vor allem ein biologischer Rassismus gewesen. Verschiedene Repräsentanten des Antisemitismus haben auch in einen Konflikt mit den Nationalsozialisten und deren Antisemitismus geraten können, wie es zum Beispiel dem italienischen faschistischen Autor Giovanni Papini ergangen ist. Mussolini hat noch im Herbst 1934 über die „Rassengelehrten jenseits der Alpen“ gespottet, „welche nicht einmal die Kunst des Schreibens beherrscht haben, um ihre Taten aufzuzeichnen, zu einer Zeit, als die Römer Augustus, Caesar ja Vergil hatten.“ Im Prinzip war es im geistigen und politischen Klima der dreißiger Jahre möglich, auf der Seite Hitlers zu stehen, ohne Antisemit zu sein. Viele Intellektuelle – der schwedische Entdeckungsreisende Sven Hedin, der finnische Schriftsteller V. A. Koskenniemi, der dänische Theaterautor Kaj Munk, der rumänische Anthropologe Mircea Eliade usw. – sind hierfür Beispiele. Man muss einen Unterschied machen zwischen dem hasserfüllten Rassismus der Nationalsozialisten und Martin Heideggers Denkweise, welche die Seinsvergessenheit der „Juden“ betont hat. Wo der Philosoph in der Zeit der Erniedrigung der Deutschen, die dem Zweiten Weltkrieg folgte, den Juden „Rachsucht“ vorwarf, so zeugt das in seiner Einseitigkeit sowohl von seiner Taktlosigkeit als auch von seiner Blindheit gegenüber den Verbrechen der Deutschen. Mit irgendeinem programmatischen Antisemitismus steht das jedoch in keinem Zusammenhang. Auch wo Heidegger behauptet hat, es gebe eine „Vorbestimmung der Judenschaft“ für ein „planetarisches Verbrechertum“ in der neuzeitlichen Welt, so hat es sich nicht um Antisemitismus gehandelt. Heideggers These, dass die „Judenschaft“ in der modernen Welt ein „planetarisches Verbrechertum“ geschaffen habe, ist im Kontext seiner Auffassung so auszulegen, dass die jüdische Tradition – ebenso wie die christliche Tradition – Ideologien, -Ismen und eine die ganze Wirklichkeit quantifizierende, rechnerische Denkweise hervorgebracht habe, die in dem gewaltigen politischen Rahmen der modernen Welt so dominierend geworden sei, dass niemand sie mehr beherrsche. Die Repräsentanten dieses „planetarischen Verbrechertums“ kann man an den Fingern einer Hand abzählen. Unter ihnen befindet sich natürlich kein einziger Jude, sondern Heideggers These bezieht sich auf Hitler, Lenin und Stalin sowie vielleicht auch auf Roosevelt und Mussolini. Das Wort „Judenschaft“, das Heidegger in diesem Zusammenhang gebraucht, stellt in seiner Seltenheit keinen allzu rassistischen Begriff in der politischen Sprache der damaligen Zeit dar. Mit seiner These meint Heidegger, dass die monotheistische jüdisch-christliche Tradition eine
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totalitäre Politik und eine absolut ideologische Denkweise hervorgebracht habe, in der sich auch die Seinsvergessenheit verwirkliche. Wo Heidegger von der Judenschaft oder von den Juden spricht, so denkt er ebenso an die alten Hebräer, die Väter des Christentums, wie an die Juden seiner Zeit. Die Auslegung der Notizen Heideggers hat von der Gesamtheit seines Werkes und seines Denkens auszugehen, und zwar in der Weise, dass ein jeder Satz und ein jedes Fragment als Teil dieses Ganzen anzusehen ist und dass sich die Gesamtheit aus dem Zusammenspiel dieser Teile ergibt – und nicht in der Weise, dass diese Teile zu einer ideologischen oder politischen Gesamtheit gehörten, die Heidegger fremd war. Bereits um die Mitte der dreißiger Jahre schreibt Heidegger: „Das ,völkische‘ ,Denken‘ macht das, was eine Bedingung und bildende Kraft ist, zum Gegenstand und eigentlichen Ziel. [. . .] Wo ein Volk sich als Selbstzweck setzt, ist der Egoismus ins Riesige verbreitet, aber gar nichts an Bereich und Wahrheit gewonnen – die Blindheit des Seyns rettet sich in einen öden und groben ,Biologismus‘, der eine Kraftmeierei in Worten befördert. All dieses ist von Grund aus undeutsch.“ (GA 94, 233) In diesen Gedanken wird Heideggers Abscheu vor der nationalsozialistischen Ideologie und ihrer geistigen Beschaffenheit sichtbar, und zwar in Bezug darauf, dass auch der Nationalsozialismus die Sache der Seinsvergessenheit betreibe und dies nur in einem nationalen, kollektiven Subjektivismus enden könne, der auch auf der Ebene des Einzelnen der Ursprung des Egoismus sei. Wo Heidegger vom „undeutschen Wesen“ spricht (das Wort wesentlich verweist bei ihm übrigens auf das Wesen und nicht auf die Wesentlichkeit), so kann man da eine Parodie auf den moralisierenden nationalistischen Wortgebrauch der Nationalsozialisten sehen. In diesem kritischen Blinkwinkel auf den Nationalsozialismus findet Heideggers Distanzierung von der Politik Hitlers ihren Ausdruck, die frühestens 1934, wahrscheinlicher aber um das Jahr 1936 erfolgte. Als Kritiker der jüdisch-christlichen Tradition bewundert Heidegger das Griechenland der Antike, und er holt sich aus der griechischen Tradition immer wieder Argumente, anhand deren er eine bessere Alternative als die christliche Moral aufzuzeigen sucht, die in der Weltgeschichte gewirkt habe. Er hat einen Traum von der griechischen Ethik, die sich im Begriff der „Karis“ konkretisiert: „Karis – keines unserer Worte fasst ihr Wesen, auch wenn wir die anklingenden Namen zusammenbringen: Gnade, Gunst, Anmut, Glanz. Das innerste Geheimnis des Edlen, das sich uns zuneigt und doch ganz in sich ruhen bleibt.“ (GA 96, 273) Die Schwarzen Hefte enthalten insgesamt ein gutes Dutzend Verweise auf die Juden, auf das Weltjudentum oder das internationale Judentum, in denen Heidegger den Juden Seinsvergessenheit vorwirft – also ein Denken, Wurzellosigkeit und „Weltlosigkeit“. Insgesamt machen Aussagen wie diese in dem zweitausend Seiten umfassenden Textmaterial kaum fünf Seiten aus. Es kommt mir so vor, als würden einige Menschen die von Heidegger notierten Gedanken und Fragmente so auslegen, als wären sie feste Bestandteile des nationalsozialistischen Ideenklimas der
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damaligen Zeit und als ob sich die diesbezügliche Hermeneutik von der Semantik der offiziellen (von Heidegger verachteten) nationalsozialistischen Philosophen Ernst Krieck und Alfred Bäumler oder des obskuren Chefideologen Alfred Rosenberg aus erschließe. Viel heftiger und umfassender wirft Heidegger verschiedenen anderen Gruppen und Kreisen Seinsvergessenheit vor. Auf die Juden verweist der Philosoph nur recht sporadisch und in einem viel weniger kritischen Geiste als unter anderem auf die deutschen Christen seiner Zeit. Seine wenigen Anspielungen auf die Juden sind zerstreut und untereinander sogar widersprüchlich. Wo er die jüdische Tradition kulturgeschichtlich auslegt, sagt er sich aus Furcht vor dummen Lesern vom Antisemitismus entschieden los. Er hätte dies öfter tun sollen. Wahrscheinlich noch während des Krieges oder kurz danach schreibt er: „,Prophetie‘ ist die Technik der Abwehr des Geschicklichen der Geschichte. Sie ist ein Instrument des Willens zur Macht. Daß die großen Propheten Juden sind, ist eine Tatsache, deren Geheimnis noch nicht gedacht worden. (Anmerkung für die Esel: mit ,Antisemitismus‘ hat die Bemerkung nichts zu tun. Dieser ist so töricht und so verwerflich, wie das blutige und vor allem unblutige Vorgehen des Christentums gegen die ,Heiden‘. Daß auch das Christentum den Antisemitismus als ,unchristlich‘ brandmarkt, gehört zur hohen Ausbildung der Raffinesse seiner Machttechnik).“ (GA 97, 159) In dem jahrhundertealten Konflikt zwischen den Christen und den Juden stellt sich Heidegger also als Denker und Kulturfreund eher auf die Seite des Judentums. In seinen Schwarzen Heften äußert sich Heidegger auch zu seinem politischen Abenteuer und gesteht ein, dass es ein Irrtum gewesen war. Er möchte aber seinen Irrtum relativieren und weist zu seiner Verteidigung darauf hin, dass es klug gewesen sei zu versuchen, den Nationalsozialismus von innen zu bekämpfen oder zu korrigieren als ihm und seiner Zeit ganz den Rücken zuzukehren. Das wäre für ihn Furcht vor der unausweichlichen historischen Entwicklung gewesen. In den Antisemitismus-Vorwürfen, die Heidegger gemacht werden, wird nicht ausreichend differenziert, ob der Philosoph alle Juden in ihrer Gesamtheit kritisiert hat oder nur die Juden seiner Zeit, ob er in dem von der damaligen Kriegssituation und Propaganda geschaffenen Geiste vom internationalen Judentum als Gegensatz zu den in die deutschen nationalen Traditionen integrierten Juden spricht, oder ob seine Kritik den Hebräern des Alten Testaments, den Begründern des christlichen Glaubens, gilt. Hinter allem Totalitarismus stünden – so dachte Heidegger – keineswegs die Juden der damaligen Zeit und nicht einmal eine judenfreundliche Politik, sondern die jüdisch-christliche Tradition in ihrer Subjektivität, ihrer latent rechnerischen Natur und ihrer auf Eigennutz bedachten oberflächlichen Moral. Aus ihr hätten sowohl der Kapitalismus als auch die totalitären Bewegungen des 20. Jahrhunderts
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und die Technologie geschöpft. Sie habe der neuzeitlichen abendländischen Zivilisation ein Modell geboten, bei dem das Quantifizieren aller Dinge dem tieferen Verständnis des Seins die Basis entziehe. Kurz vor dem Ausbruch des Weltkrieges schrieb er: „Eine der verstecktesten Gestalten des Riesigen und vielleicht die älteste ist die zähe Geschicklichkeit des Rechnens und Schiebens und Durcheinandermischens, wodurch die Weltlosigkeit des Judentums gegründet wird.“ (GA 95, 95) Der Begriff „Weltlosigkeit“ enthält auch eine Konnotation, die mit der Seinsvergessenheit verbunden ist; vergleiche die Wörter „Welt“ und „welten“ als Kernbegriffe des Heideggerschen Denkens. Wo Heidegger den Begriff „Weltjudentum“ gebraucht, der auch von den Nationalsozialisten eifrig verwendet wurde, so meint er damit keine in paranoider Weise imaginierte, auf Weltherrschaft abzielende Konspiration im Geiste der gefälschten Protokolle der Weisen von Zion, sondern den Gegensatz zu den weniger engagierten und auch verschiedene nationale Traditionen vertretenden einzelnen Juden. Diese kritische Vision könnte sich ebenso gut gegen die christliche wie gegen die jüdische Tradition richten. Heideggers Beziehung zum Judentum ist diesbezüglich die gleiche wie die Nietzsches. Wo diese Denker negativ von den Juden sprechen, so gilt das zum Teil der jüdischen geschichtlichen Tradition. Heidegger lehnt die jüdisch-christliche Tradition in einer sehr langen historischen Perspektive ab und sieht in deren Monotheismus Machtgier und Selbstgerechtigkeit sowie verkappt säkularisiertes Streben nach Eigennutz: „Jehova ist derjenige der Götter, der sich anmaßte, sich zum auserwählten Gott zu machen und keine anderen Götter mehr neben sich zu dulden. Die wenigsten erraten, wie dieser Gott auch so noch und zwar notwendig sich unter die Götter rechnen muß; wie könnte er sonst sich aussondern. Daraus wurde aber dann der eine einzige Gott, außer dem (praeter quem) überhaupt sonst keiner sei. Was ist ein Gott, der sich gegen die anderen zum auserwählten hinaufsteigert? Jedenfalls ist er nie ,der‘ Gott schlechthin, gesetzt, daß das so Gemeinte je göttlich sein könnte.“ (GA 97, 369) Von der jüdisch-christlichen Tradition führe auch ein Weg zu den modernen Diktaturen: „Die modernen Systeme der totalen Diktatur entstammen dem jüdischchristlichen Monotheismus.“ (GA 97, 438) Dass man sich von dem „intriganten Juden“ ein Bild macht und dieses zu einer politischen Glaubensvorstellung verallgemeinert, ist im Lichte des gesamten Denkens Heideggers der erste aller Fehler. Das wäre ihm zufolge wirklich Seinsvergessenheit, da man nichts Geistiges, Moralisches oder Politisches – von biologisch Konditioniertem einmal ganz abgesehen – zu einer generalisierbaren Vorstellung machen könne. Wie sehr oft, so ist auch in diesem Zusammenhang das von ihm benutzte Vokabular in dem Maße untypisch, dass eine moderne, wörtliche Interpretation nur auf Irrwege führt.
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Die wenigen in dieser Beziehung ambivalenten Aussagen Heideggers müssen in ihrem wahren Kontext gesehen werden. Heidegger hat völlig außerhalb der nationalsozialistischen Ideologie gestanden, und weil er ein Patriot war, hat er davon geträumt, er könne seine Ideen den Nationalsozialisten verkaufen. Zur Politik bezieht er vor allem in einer solchen Geisteshaltung Stellung, die er als „Gelassenheit“ bezeichnet. Es handelt sich um eine Ideologien meidende gedankliche Durchsichtigkeit und Unabhängigkeit, die einen Unterschied zwischen dogmatischen Begriffen und mannigfaltigen Phänomenen zu machen weiß. Wenn der Mensch von heute etwas von Juden hört, die vor dem Zweiten Weltkrieg gewirkt haben, so muss er zwangsläufig an die große Tragödie der jüdischen Bevölkerung Europas denken. Es ist menschlich, Mitleid mit ihr zu empfinden und irritiert zu werden, wenn über sie in einem auch nur ein wenig kritischen Tonfall gesprochen wird. In einem ähnlichen Zusammenhang besteht aber das Problem, dass in Deutschland und in einem gewissen Maße auch anderswo im westlichen Europa auf nahezu alles Denken ein gewisser ideologischer Determinismus einwirkt. Man glaubt, dass wenn jemand A sagt und denkt, er unbedingt auch B sagt und denkt und bald danach unbedingt auch C. Das Denken schreite wie in einer Kette fort, und wenn man über eine ethnische Gruppe eine kulturkritische Meinung äußere, so sei man bald dabei, sie in die Vernichtungslager zu verfrachten. Solche Gedankenketten sind – wenn es sie denn gibt – stets gebunden an ihre Zeit und an das Denken einiger Einzelner, aber sie sind weder universal gültig noch unausweichlich. Zurzeit erleben wir in Europa eine Zeit der Neuverteilung aller politischen Werte, und es fällt uns im Prinzip leichter, diese Sache zu verstehen. Die „Rechte“ und die „Linke“, der „Sozialismus“ und der „Kapitalismus“ haben sich als etwas anderes entpuppt, als was man angenommen hatte. Die wichtigste Dimension in der die Seinsvergessenheit betreffenden Kritik Heideggers gilt nicht den Juden, sondern der Massenkultur, dem Nationalsozialismus, den modernen Christen, dem modernen Liberalismus, der modernen Technologie, dem modernen Kultur- und Wissenschaftsleben sowie dem „Amerikanismus“. Rassismus und Antisemitismus sind Massenphänomene. Heidegger hat mit keiner politischen Gruppierung solche Vorurteile teilen wollen. Das hätte seinem äußerst behutsamen, scheuen und geradezu angstvollen Wortgebrauch widersprochen und wäre ein Betrug an seinem Denken gewesen, das den kruden Biologismus ablehnte. Wir haben Heideggers Meinungen über die Juden in derselben Weise auszulegen wie seine viel häufiger auftretenden harten Worte über die Amerikaner, die Sowjets, die Europäer und die Deutschen. Die internationale Presse und die „Forscher“, die diese mit Informationen versorgen, haben wohlweißlich verschwiegen, dass Heideggers Äußerungen über den Nationalsozialismus und Rassismus in den nun veröffentlichen Texten der Schwarzen Hefte recht kritisch sind.
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In den Schwarzen Heften lassen sich durchaus einige die Juden kritisierende Kommentare finden, aber man muss sie in Beziehung zum gesamten Denken Heideggers sehen – ebenso wie seine nach 1934 durchweg eindeutige Kritik am Nationalsozialismus. Die in der Reihe der Schwarzen Hefte Heideggers publik gemachten, relativ selten auftretenden Kommentare über die „Juden“ oder darüber, was er als „Weltjudentum“ oder „Judenschaft“ bezeichnet hat, beweisen, dass der Philosoph außer in der Zeit seines politischen Engagements auch danach noch in seinem Heimatland einer ständigen antisemitischen Propaganda ausgesetzt war. Aber das hat ihn dennoch nicht zu einem voreingenommenen ideellen Antisemiten gemacht. Der Heidegger-Kritiker Peter Trawny hat in seinem Werk Heidegger und der Mythos der jüdischen Weltverschwörung den „Antisemitismus“ des Philosophen zu Recht als einen seinsgeschichtlichen Antisemitismus bezeichnet, was den besonderen und alle Politik und Ideologie meidenden Charakter dieses Denkens enthüllt, welches keine der bekannten Formen des Antisemitismus repräsentiert. Ist es denn überhaupt Antisemitismus? Es ist ein Antisemitismus, der mit der antichristlichen Haltung des Philosophen verbunden ist. Es bildet in paradoxer Weise einen Teil seiner Kritik an der jüdisch-christlichen Tradition. Heideggers ambivalente Aussagen lassen sich vielleicht am besten mit der Tradition des Kulturantisemitismus vergleichen, der eine Verwandtschaft zwischen der säkularisierten, emanzipierten modernen Welt und der Tradition des säkularisierten Juden sieht. Diese Auffassung von den Juden als den Schöpfern der modernen Welt, die in einem gewissem Maße vom Kulturhistoriker Jacob Burckhardt vertreten wurde, ließe sich auch positiv auslegen. Ist ja der Anteil der Juden an der Schaffung der modernen Kultur ein sehr bedeutender. Aber der Liberalismus, die Geldherrschaft und der Rationalismus wurden in diesem Denken als etwas Negatives angesehen, und diese „Werte“ wurden mit der jüdischen Tradition identifiziert. Heidegger erkennt den Juden jedoch keine solch wichtige Rolle zu, wie es die eigentlichen Kulturantisemiten, Richard Wagner eingeschlossen, getan haben. Heidegger akzeptiert in einigen Zusammenhängen den Begriff der Rasse als relativen Strukturfaktor der Nation, aber nicht als eine unbedingte, ideologische Entweder-Oder-Wahrheit, als Wesen der Nation oder als Rassismus: „Statt dessen bewegt sich alles in einer großen Verlogenheit; bald bekämpft man den Bolschewismus im Namen des „Christentums“, bald will man das Christentum überwinden mit Hilfe von Lehren, die niemals in den Bereich der zu fällenden Entscheidungen hinreichen. Da z. B. die Rasse nur Bedingung, aber nie das Unbedingte und Wesentliche eines Volkes sein kann.“ (GA 94, 351) **** Ein jeder lebendiger Denker denkt in vielschichtiger und unvoreingenommener Weise, und auch ohne zu moralisieren und einen Standpunkt zu beziehen. Heideg-
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ger bezeichnet dieses Ideal als „Gelassenheit“. In seinen Meinungen über die Juden ist es vielleicht immer oder mindestens zumeist mit dabei. Ein jeder lebendiger Denker scheint in einem Konflikt mit sich selbst zu stehen und auch gegen sich selbst zu sprechen – das gilt für Hegel und Nietzsche ebenso wie für Heidegger –, weil die Sprache ihm nicht genug Freiheit und Spielraum gibt. Seine intellektuell eher passiven Leser können ihn so auslegen, als ob er mit seinen Meinungen ebenso voreingenommen und dogmatisch wäre wie seine Leser. Dies trifft auch auf die Weise zu, in der gewisse bekannte Presseorgane und ihre Mitarbeiter den „Fall Heidegger“ behandelt haben. Die internationale Presse hat in diesem Zusammenhang ihren Mangel an Sachlichkeit und Niveau unter Beweis gestellt. Sie hat wieder einmal eine Sensation gewittert und zugegriffen, ohne das Thema eingehender analysiert zu haben. Heidegger hat viele Gegner. Den Hütern der analytischen Philosophie fällt es sicherlich sehr schwer, Heideggers skeptische Einstellung zu der von ihnen vertretenen Philosophietradition und Logik zu akzeptieren. Auch der Wettbewerb zwischen den verschiedenen nationalen Schulen führt dazu, dass Heidegger in eine harte globale Konkurrenzsituation geworfen wird. Heideggers radikale Distanzhaltung zu dem vorherrschenden Geist der Zeit und die aus den 1960er Jahren ererbten politischen Leidenschaften haben einige in Gegnerschaft zu ihm getrieben. Er selbst ist in keiner Weise ein diplomatischer Brückenbauer. All das schwingt in der zurzeit aufwallenden Heidegger-Debatte mit und verwirrt die Auslegung der Schriften in den Schwarzen Heften sowie die Diskussion darüber. Der Umbruch der Zeiten zwischen der Periode vor dem Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit ist ein dramatisch großer gewesen. Mit seinen Kommentaren über die Juden gehört Heidegger der vorherigen Zeit an, aber im Kern seines Denkens gehört er zum heutigen und vielleicht auch noch zum morgigen Tag. Es bleibt zu hoffen, dass man in der Diskussion über sein Denken bald breitere und fruchtbarere Themen in seinen Schriften finden wird als nur einige Schnitzer, deren er sich aus Taktlosigkeit schuldig gemacht hat. Sein Denken ist von allem Politischen meilenweit entfernt. Die Strategie bei der Publikation seiner Werke lässt zu wünschen übrig, aber dieser Skandal ist an sich ein kleiner; der eigentliche Skandal ist die Verleumdungskampagne, die gegen Heidegger wegen seiner politischen Dummheiten noch siebzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges angestrengt worden ist. Quellen Werke GA 94 = Heidegger, Martin: Gesamtausgabe Band 94, IV. Abteilung. Hinweise und Aufzeichnungen. Schwarze Hefte 1931–1938. Vittorio Klostermann. Frankfurt am Main 2014
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GA 95 = Heidegger, Martin: Gesamtausgabe Band 95, IV. Abteilung: Hinweise und Aufzeichnungen. Schwarze Hefte 1938–1939. Vittorio Klostermann. Frankfurt am Main 2014 GA 96 = Heidegger, Martin: Gesamtausgabe Band 96, IV. Abteilung. Hinweise und Aufzeichnungen. Schwarze Hefte 1939–1941. Vittorio Klostermann. Frankfurt am Main 2014 GA 97 = Heidegger, Martin: Gesamtausgabe Band 97, IV. Abteilung; Hinweise und Aufzeichnungen. Schwarze Hefte 1942–1948. Vittorio Klostermann. Frankfurt am Main 2015 Trawny, Peter: Heidegger und der Mythos der jüdischen Weltverschwörung. Rote Reihe. Klostermann 2014
Artikel Blum, Eggert: Die Marke Heidegger. Die Zeit 47/2014
La brutalité de l’animal comptable Accéder aux Cahiers noirs Pascal David Tenter d’accéder aux Cahiers noirs de Heidegger, ainsi nommés en raison de la couleur noire de leur couverture en toile cirée, comme des cahiers d’écolier, c’est tenter d’accéder à leur propos en sa teneur proprement philosophique, s’il est permis de caractériser encore comme «philosophique» une pensée qui ne l’est déjà plus mais vit de son écart avec ce dont elle consiste à approfondir le pouvoir de questionnement. Le moins que l’on puisse est qu’à de rares exceptions près tel n’a pas encore été le cas. Depuis le début de leur parution en 2014 leur réception s’est focalisée sur une douzaine de passages litigieux, deux pages environ sur plus d’un millier, savamment distillés avant même leur parution et livrés en pâture au public comme autant de «bordereaux compromettants ». Comme si au fond les passages incriminés nous fournissaient la clef pour comprendre tout le reste, ou plutôt, disons-le sans ambages, une bonne aubaine nous dispensant fort opportunément d’avoir à lire «le reste», en l’occurrence l’essentiel, dont la simple lecture nous est ainsi généreusement épargnée. On peut voir là le trait d’une époque et d’instances dogmatiques qui nous présentent comme un devoir moral le fait de ne pas lire, de ne surtout pas lire Heidegger. Loin de nous l’idée de minimiser la gravité desdits passages litigieux, où se ferait jour, selon leur propre éditeur, une «contamination » de la pensée de Heidegger par l’antisémitisme ambiant1, ou peut-être plus généralement chrétien, si l’on accorde à l’historien Jules Isaac qu’il y a «corrélation indirecte et, en profondeur, étroite conjugaison» entre les antisémitismes raciste et chrétien, antijudaïsme et antisémitisme, tous deux étant «étroitement entremêlés » du fait de «la mentalité profondément antisémite du monde chrétien ».2 Même si les passages litigieux relevés sous la plume de Heidegger apparaissent comme autant de «dommages collatéraux » d’une critique du christianisme autrement présente et vigoureuse, et
1 P. Trawny, Heidegger und der Mythos der jüdischen Weltverschwörung, Francfort, Klostermann, 2014. 2 J. Isaac, Genèse de l’antisémitisme, Calmann-Lévy, Paris, 1956, respectivement pages 20, 26–7, 134.
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en lui du catholicisme, si «douloureuse» qu’ait pu être sa propre rupture, alors consommée, avec son «système». D’où cette remise en question du christianisme en son aspiration à un pouvoir temporel, contemporaine des Grands Cimetières sous la lune de Georges Bernanos. Le soupçon d’une «contamination » par l’antisémitisme ambiant n’est guère recevable dans la mesure où, d’une part, le propos de Heidegger n’a rien de racial et se démarque très clairement de toute perspective raciale ou raciste contre laquelle sa pensée n’a jamais cessé de s’inscrire en faux3; et, d’autre part, dans la mesure où fort nombreux sont les passages des écrits de Heidegger rédigés durant le Troisième Reich qui déclarent sans ambages à quel point l’air du temps lui était alors irrespirable. On ne voit guère comment un propos pourrait être «contaminé » par l’antisémitisme ambiant sans pour autant se référer à la race: l’accusation est donc insoutenable. En outre, il n’y a rien, dans ce que les tomes 94, 95 et 96 de l’Édition intégrale disent du Judentum, qui viserait spécifiquement le monde juif en le mettant au ban des nations, rien n’en est dit en des termes discriminants par lesquels celui-ci serait spécialement visé; tous les termes employés s’appliquent au contraire aussi bien et même plus généralement à l’esprit des Temps nouveaux. Bref, comme le déclarait Antonio Machado dans La Vangardia du 27 mars 1938: «Tous ceux qui croient avec Heidegger en l’approfondissement de la dignité de l’homme savent bien qu’on ne l’améliorera pas en exaltant sa bestialité. L’homme heideggérien se situe aux antipodes du Germain de Hitler.» A première vue, les rares passages incriminés semblent reprendre quelques clichés antisémites éculés. Auquel cas il faudrait les mettre au compte d’une pensée se laissant aller parfois à ce qui n’est pas elle, illustrant par là même ce Verfallen, cette défaillance structurelle, ce «dévalement » auquel est exposée toute existence humaine, tel qu’il est thématisé dans quelques pages du traité de 1927 Être et temps (§ 38). A moins qu’il ne faille les lire au second degré, en voyant dans l’apparente reprise de clichés antisémites éculés leur ironique mise à distance. Si lire consiste à mettre un auteur en accord avec lui-même, cela nous permettrait de comprendre la formulation constante, par Heidegger, d’un rejet explicite de l’antisémitisme, jusque dans les Cahiers noirs qui qualifient celui-ci de töricht und verwerflich, «insensé et à rejeter». La question reste ouverte. Mais par-delà la légitime répulsion qu’inspire aujourd’hui toute forme d’antisémitisme, tout propos prenant pour cible un peuple alors persécuté en Allemagne, il se pourrait que le barrage édifié contre les Cahiers noirs fussent liés à de tout autres motifs, moins avouables: liés à ce qui, dans la pensée de Heidegger, profondément dérange, eu égard notamment aux présupposés & conditions de possibilité 3 Un exemple parmi beaucoup d’autres: dans des notes de 1939 sur Ernst Jünger, Heidegger cite avec insistance le mot de Nietzsche: «Maxime. Se garder de fréquenter quiconque participe de près ou de loin à tout ce tapage mensonger autour des races.» (M. Heidegger, GA 90, 254).
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du nazisme dégagés par notre auteur, et dont rien ne dit qu’ils seraient aujourd’hui taris à la source, bien au contraire. La mise au jour de ces présupposés remet en question tout le déploiement de la pensée occidentale jusqu’à son ultime figure, celle du nihilisme achevé, ce qui constitue les ressorts de notre époque et de notre monde mais demeure en lui ininterrogé. Quitte à devoir, pour ce faire, «détricoter » tout le canevas de la métaphysique dans lequel la pensée occidentale a fini par s’emberlificoter. Détourner le public du contenu proprement dit des Cahiers noirs revient donc à lui interdire d’accéder, à s’interdire d’accéder à ce qui, en eux, met en lumière de manière très crue et remet en cause, mais bien amont, l’arrière-plan métaphysique des catastrophes du XXème siècle – car celles-ci ne sont quand même pas tombées du ciel – et par là de continuer à faire la sourde oreille au travail «d’un être qui sait (. . .), à bon droit, que son travail est d’une importance capitale en ce moment de l’histoire du monde (. . .), «d’un homme qui se sent obligé de parler, tout en sachant qu’il ne peut pas être entendu par l’immense majorité de ses contemporains », dit François Fédier qui ajoute: «Voilà semble-t-il qui n’a pas changé»4. L’être en question, on l’aura compris, n’est autre que Martin Heidegger. Tenter d’accéder au propos des Cahiers noirs, qu’est-ce à dire? Commençons par nous demander ce que propos veut dire, si l’on veut bien admettre que les Cahiers noirs, loin de se réduire à quelques passages litigieux, voire malsonnants, ont bel et bien un propos philosophique. «Propos» désigne en français actuel ce dont on parle, ce dont il est question, par exemple dans un ouvrage. Réfection de l’ancien français purpos, qui a donné purpose en anglais, c’est un déverbal du verbe «proposer», du latin pro-ponere, placer devant les yeux, présenter au regard. Ce terme a donc d’emblée une vocation phénoménologique, en ce qu’il dit une exhibitio, une Darstellung, une monstration visant à faire voir, en ce qui est, ce qui est, ce qui déploie son être. A en donner des aperçus. A ouvrir quelques fenêtres. Des fenêtres, en effet, si l’on veut bien se souvenir que «le mot latin [fenestra], d’origine inconnue, était considéré par les Anciens comme apparenté au grec phainein, venir à la lumière, apparaître5 » – ce dernier verbe étant en bonne place, comme on sait, dans le § 7 d’Être et temps où se trouve élucidé le terme même de phénoménologie. Des fenêtres ne sont pas des trous dans les murs, elles sont autant d’ouvertures vers le monde. Le propos des Cahiers noirs n’est donc pas à entendre au sens courant comme ce sur quoi porte le discours, mais, de manière rigoureusement phénoménologique, comme ce qu’il donne à voir. Alors que donne-t-il à voir? Peut-être bien, à la faveur de ce qu’un lecteur très averti de Heidegger a pu appeler une phénoménologie historiale du nazisme, les phénomènes que celle-ci permet de dégager. Laissons lui la parole, en priant le lecteur de bien vouloir excuser la longueur de la 4 F. Fédier, Note de traduction, in: Apports à la philosophie. De l’avenance, Gallimard, 2013, p. 594. 5 A. Rey (dir.), Dictionnaire historique de la langue française, Le Robert, 1998, s. vº.
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citation qui suit, en raison de son importance décisive: «A travers les termes notamment de brutalité, de violence, de puissance, de dévastation, d’utilité, d’extermination, d’organisation, de Führer, de sécurité, de computation, de gigantisme, de biologisme, de racisme, qui contribuent à la définition de ce Heidegger nomme alors Machenschaft (la figure nihiliste extrême de l’oubli de l’être qu’est le règne total de l’étant comme efficience inconditionnée d’un faire sans limite) et dont la pensée de la technique sera directement l’écho après la guerre, Heidegger développe une pensée qui permet d’appréhender, dans la perspective de l’histoire de l’être, la singularité du nazisme, mais aussi, selon leur mode propre, du communisme et du libéralisme planétaire (parfois nommé américanisme). (. . .) Il y a là une sérieuse invitation à se mettre au travail en vue de ce qui pourra être un jour une phénoménologie historiale du nazisme qu’il est désormais possible d’entreprendre sur la base de nombreux volumes publiés.6 » Ces lignes ont été écrites, ou du moins publiées en 2013. Leur auteur ne pouvait alors connaître les Cahiers noirs tels qu’il devaient être publiés l’année suivante. Et pourtant, à leur façon elles excellent à les caractériser. Car cette phénoménologie historiale du nazisme, c’est là précisément ce que nous proposent les Cahiers noirs, du moins les premiers volumes parus: une phénoménologie historiale du nazisme qui se présente notamment comme une éthique de l’incalculable, à savoir de ce qui n’est pas susceptible d’entrer en ligne de compte, mais réfractaire à toute computation7. Au début de la précédente citation, nombre de termes se trouvent énumérés, auxquels correspondent autant d’entrées dans le Dictionnaire Martin Heidegger. Ces termes ne sont pas toutefois séparés les uns des autres par des cloisons étanches. Ils se croisent, s’entrecroisent, s’enchevêtrent. Leurs analyses s’éclairent réciproquement. Parmi ces différentes voies, ces différents chemins de pensée frayés par les Cahiers noirs, parmi ces pistes nous nous en tiendrons ici à toute la résonance que va prendre la brutalitas. Mise en évidence d’une brutalitas propre à l’animal rationale qui a pour revers une éthique de l’incalculable – de ce qui n’est pas susceptible d’entrer en ligne de compte: das Unberechenbare. Pour nous, aujourd’hui comme hier, la brutalitas n’est pas liée à la computatio. Elle serait même plutôt comme une foncière inaptitude à y accéder. Nous voyons volontiers la brutalité comme la marque d’un comportement antérieur à toute forme de civilisation, autrement dit à l’empire du droit civil. Dans le chapitre VIII, précisément intitulé «De l’état civil», du Premier Livre du Contrat social, Jean-Jacques Rousseau caractérise le «changement très remarquable» que fut le passage de l’état de nature à l’état civil comme «l’instant heureux» qui, «d’un animal stupide et borné, 6 F. Fédier, Avant-propos, au Dictionnaire Martin Heidegger [noté par la suite: DMH], sous la dir. De Ph. Arjakovsky, F. Fédier, H. France-Lanord, Cerf, 2013, p. 18. 7 Sur la computation, se reporter à l’excellente notice de Guillaume Badoual, in: DMH, s. vº, pp. 269–70.
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fit un être intelligent et un homme.» «Animal stupide et borné», la brute est donc derrière nous. Tandis que dans ses Cahiers noirs Heidegger semble voir dans la brutalité, tout au contraire, un aboutissement de la «civilisation» occidentale, rendu possible en notre monde par la détermination métaphysique de l’homme, au cours de la pensée occidentale, comme animal rationale atteignant, grâce à une raison devenue calcul, computation, le paroxysme de l’animalitas qu’il finit par incarner à force de se comprendre à partir de là. La brutalitas thématisée par les Cahiers noirs n’est donc pas fruste et primitive, elle est au contraire très sophistiquée. Que recouvre donc au juste le terme de brutalitas? La brutalité est ce qui caractérise la manière d’être d’une brute, ce qui en fait précisément une «brute». «Brute» a d’abord été synonyme de animal, bête. Le terme désigne l’animal dans ce qu’il a de plus bas. L’animal entièrement soumis à un instinct qui n’a rien de divin, et qui est moins l’instinctif que l’instinctuel. L’animal, toutefois, ne peut avoir de «bas instincts», vu qu’il est tout entier soumis à des instincts sans pouvoir disposer, vis-à-vis d’eux, de la moindre marge de manœuvre – de la moindre liberté. C’est à l’homme qu’il est réservé de pouvoir obéir à de «bas instincts», de pouvoir être bestial. L’adjectif brutus aura pour synonymes en latin médiéval rudis et incultus. Brutus est un mot d’origine populaire, sans doute d’origine osque, nous disent les philologues. Le fait n’est pas sans intérêt, car nombre de langues désignent par un terme d’origine étrangère, par une sorte de tabou linguistique, ce en quoi leurs locuteurs ne se reconnaissent pas, ou ce qu’en eux-mêmes ils refoulent ou croient avoir refoulé. La «brute épaisse» est l’homme encore ou toujours mal dégrossi, rude, rudimentaire, pas é-rudit, eruditus. Il s’oppose en ce sens à l’homo humanus, d’après l’expression latine relevée par Heidegger dans sa Lettre sur l’humanisme. Au terme allemand (ou latin germanisé) Brutalität, notre «brutalité », Heidegger préfère souvent le terme latin brutalitas, qui du reste ne semble pas appartenir au latin classique. Nous demeurons ainsi dans le même registre que celui de l’animal rationale. Mais cette amorce d’explication ne suffit pas. Il y a là une indication qui excède de beaucoup le seul souci de demeurer dans le même registre langagier. Mais quelle indication ? Celle que semble nous fournir par ailleurs un texte de Heidegger qui ne se laisse pas précisément dater mais dont la rédaction se situerait d’après son éditeur vers 1936 ou peu après. Heidegger y déclare, de manière aussi directe et lapidaire que pour le moins inattendue: Metaphysik entspringt wo? Ihr Wesen erst im Römischen.8 Soit: «La métaphysique – d’où ça sort? Réponse: quant à son aître, seulement du monde romain.» Pour préciser que si elle commence à se déployer dans le monde grec, c’est avec le monde romain (im Römischen) qu’elle trouve sa «consolidation » (Verfestigung). En ajoutant entre parenthèses le mot: actio.
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GA 76, 5.
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Le surgissement de la métaphysique («d’où ça sort?») et sa consolidation seraient ainsi solidaires d’une promotion de l’action. Les actions des hommes peuvent être des exactions et ressortir au domaine de la brutalité. Mais elles peuvent aussi être humaines. Il ne suffit pas qu’une action soit accomplie par un homme pour qu’elle soit humaine. Thomas d’Aquin distingue en ce sens les actions des hommes et les actions proprement humaines, dictées à l’animal rationale par sa ratio. Les actions des hommes et parmi elles les actions humaines ont toutefois en commun d’être des actions. L’action consiste par définition à agir, du latin agere, au sens propre et premier: pousser devant soi, par exemple un troupeau. On dit volontiers aujourd’hui: «faire avancer les choses». Mais tout en se gardant bien de s’interroger plus avant sur le sens qu’il y a à se contenter de vouloir «faire avancer» les choses comme sur le sens dans lequel on entend les faire avancer, qu’il suffira de qualifier de «progrès» pour se tenir quitte à peu de frais de tout questionnement plus poussé. C’est que depuis le monde romain nous nous berçons volontiers de l’illusion selon laquelle il suffirait au fond de faire avancer les choses pour contribuer à l’avènement d’un monde meilleur et plus humain. Toute action suppose un agent, compris comme en étant la cause efficiente. Actiones sunt suppositorum, dit un adage scolastique auquel il arrive à Leibniz de se référer: les actions sont [actions] des suppôts. En termes post-scolastiques: pas d’action sans sujet. La promotion de l’action, derrière laquelle se profile nécessairement un agent, prépare ainsi le terrain à un moi humain se comprenant lui-même comme sujet. La promotion ou mise en avant de cette mise en avant qu’est l’action – «D’où sort la métaphysique? De l’action „en promo“» – entendue comme action de l’homme va à son tour configurer un monde où tout dépend de l’action humaine, comme si l’action appelait d’elle-même sa propre surenchère. D’un «monde» qui n’est plus configuré par l’homme mais par lui fabriqué et où il n’y a plus rien, y compris l’homme lui-même, qui ne se fasse. C’est l’univers de ce que Heidegger a commencé par appeler la Machenschaft, ou règne de l’efficience. Définition possible du nihilisme: lorsqu’il n’y a effectivement plus rien qui ne se fasse. Un «monde» qui n’en est plus un, s’il l’a jamais été9, lorsque la corrélation sujet–objet en devient la seule grille de lecture10. La brutalitas est donc liée à l’animalitas de l’animal rationale, selon la définition métaphysique de l’être humain, ou plutôt de l’homme. Définition qui repose elle-même sur une pseudo-évidence, à savoir «l’ „évidence“ selon laquelle l’huma-
9 M. Heidegger, GA 94, 210: «de monde il n’y a encore jamais eu» («es war noch nie Welt»). 10 Voir M. Heidegger, GA 88, 331: «Notre pensée est déterminée de fond en comble par la conceptualité propre à la corrélation sujet-objet. C’est seulement lorsque nous serons parvenus à nous en délivrer qu’il deviendra possible de redécouvrir le monde.» (Il s’agit là en fait de la conclusion du protocole d’un séminaire de Heidegger, mais jugé «fiable» par son éditeur, Alfred Denker.)
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nité doit se comprendre comme étant une espèce animale parmi d’autres.11 » La pseudo-évidence selon laquelle l’humanité ne devrait se comprendre, au mépris de sa propre dignité, que comme étant une espèce animale parmi d’autres. Cette pseudo-évidence n’aura pas manqué d’avoir, au XXème siècle, de très funestes conséquences avec le darwinisme social, l’eugénisme et le biologisme. Un biologisme à la grossièreté duquel même la pensée de Nietzsche n’a pas toujours su entièrement se soustraire, tout en lui demeurant irréductible, comme Heidegger a tenté de le montrer dans ses cours sur Nietzsche entre 1936 et 1945, opposant à la récupération idéologique de Nietzsche par le régime ce qu’il appellera rétrospectivement une «résistance spirituelle ». Autrement dit une essentielle dissidence. Pour ne rien dire de Spengler, aux yeux duquel «l’humanité est une grandeur zoologique»12. «Il n’y pas de zoologie des peuples», dit au contraire Husserl dans sa Conférence de Vienne de 1935. Pas plus pour Heidegger que pour Husserl l’humanité ne se réduit à une «grandeur zoologique». Il ne faut donc jamais oublier que l’idéologie nazie a pu prospérer sur le terreau d’un biologisme alors dans l’air du temps, sur la base d’une conception de l’homme à partir de son animalitas et que Heidegger, dès 1927, remet foncièrement en cause en tous ses tenants et aboutissants. Le biologisme est par exemple un trait de la psychanalyse telle qu’elle a été fondée par Freud, avec son vocabulaire nous parlant de «pulsions» (Triebe), d’ «excitation » (Erregung), etc. Cela n’avait pas échappé à Georges Politzer, dont la Critique des fondements de la psychologie date de 1927 et qu’il est instructif de mettre en parallèle avec le § 10 d’Être et temps, intitulé «Délimitation des frontières séparant l’analytique du Dasein de l’anthropologie, la psychologie et la biologie». La première traduction française (partielle) du même traité, due à Rudolf Boehm et Alphonse de Waelhens, parue en 1964, disait quant à elle: «Délimitation de l’analytique de l’être-là relativement à l’anthropologie, la psychologie et la biologie». G. Politzer, dans l’ouvrage que nous venons de mentionner, souligne «l’orientation biologique du schéma freudien», et le fait que, chez Freud, «le terme excitation revient sans arrêt dans sa signification physiologique, et sans la moindre trace d’humanité.13 » Que signifie donc au juste la notion de brutalitas? Nous reposons cette question, en comprenant mieux à présent à quel point elle est ancrée dans cette animalitas à partir de laquelle se définit l’humanitas depuis le monde romain. La question de la brutalitas peut être abordée sous un éclairage existential ou historial. Éclairage existential: c’est «surtout au masculin» (A. Rey) que «brute» semble s’employer en français depuis la seconde moitié du XVIIème siècle. Non pas que tout ce qui est masculin serait ipso facto brutal, mais la brutalité serait plutôt du F. Fédier, DMH, p. 888, s. vº «Nazisme». Cité par Heidegger: GA 95, 138. 13 G. Politzer, Critique des fondements de la psychologie, tome I, éd. Rieder, Paris, respectivement pp. 148 et 137 (nous soulignons). 11 12
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côté du masculin que du féminin. Une expression telle que «brutalité féminine » sonne presque comme un oxymore. Ce qui dessine en creux une certaine vision de la féminité. La brutalité apparaît dès lors comme une virilité exacerbée et par là dévoyée, défigurée au point de devenir méconnaissable dans la caricature qu’alors elle donne d’elle-même. Heidegger ne dit pas autre chose au fond lorsqu’il évoque dans un cours «la virilité de l’homme tout en muscles et aux organes génitaux proéminents, mais vide d’expression, cette virilité n’étant tendue que vers la brutalité.14 » Ce passage de Heidegger pourrait bien se référer aux sculptures d’Arno Breker, artiste officiel du Troisième Reich et sculpteur préféré de Hitler15. D’où aussi l’exaltation de la force physique aux Jeux olympiques de Berlin de 1936, et celle des «dieux du stade» chers à la cinéaste Leni Riefenstahl. Dans un autre horizon, un auteur contemporain affirme ceci: «. . . dès l’Antiquité la masculinité juive était déjà perçue par le monde gréco-romain comme féminisée. (. . .) Cette masculinité non virile (. . .) est d’une certaine manière revendiquée par les Juifs eux-mêmes. (. . .) Elle constitue une élévation au-dessus de la virilité brutale et bestiale parfaitement incarnée par Rome, selon la littérature rabbinique. (. . .) La masculinité juive devient un contre-modèle de la virilité du gladiateur.16 » Le monde grec, quant à lui, aurait fait plutôt l’éloge de la douceur17. C’est la vision romaine des choses que Spinoza reprend à son compte dans son Traité théologico-politique lorsqu’il caractérise le peuple hébreu comme «efféminé». Mais qu’en est-il au juste pour Heidegger? Dasein n’est en allemand ni masculin ni féminin mais neutre en son genre. D’où sa «neutralité », qui affligeait tant Sartre dans L’Être et le néant (p. 443): «son Dasein (sic!) nous apparaît comme asexué». Neutre, ne uter, aucun des deux, ni l’un(e) ni l’autre, pas plus l’un(e) que l’autre, ce qui peut vouloir dire: aussi bien l’un(e) que l’autre. Plutôt qu’asexué, le Dasein serait ainsi bisexué, au sens d’une bisexualité originaire mais qu’il va bien falloir trancher. Heidegger dit: Bruch der Neutralität18, soit une sortie hors de l’indifférenciation. Cette «neutralité », le Dasein l’a rompue dès lors qu’il existe factivement en son être-jeté, «en d’autres termes le Dasein, en tant que factif, est chaque fois ou masculin ou féminin. » C’est soit l’un soit l’autre. Passage du neutre, ni l’un ni l’autre, au soit l’un soit l’autre. Ou/ou – les langues germaniques marquent autrement et plus fortement, par deux mots eux-mêmes différents, cette disjonction dans l’alternative: entweder/oder en allemand. Bifurcation, scission départageante que dit précisément le mot latin sexus qui, comme le mythe d’ArisGA 66, 34. R. Müller-Mehlis, Die Kunst im Dritten Reich, Wilhelm Heyne Verlag, Munich, 1976, p. 12. 16 Delphine Horvilleur, En tenue d’Ève. Féminin, pudeur et judaïsme, Grasset, Paris, 2013, p. 149, qui renvoie à: Sander Gilman, The Jew’s Body (Routledge, 1992). 17 J. de Romilly, La Douceur dans la pensée grecque, Les Belles Lettres, Paris, 1979. 18 M. Heidegger, GA 27, 146–7. 14 15
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tophane dans le Banquet de Platon, reposerait sur l’idée de coupure. A cet égard, Heidegger n’aurait sans doute pas désavoué les gender studies: le genre (genus), distingué du sexe (sexus), n’est pas inné mais acquis, il n’est pas donné mais «construit», à ceci près que cette «construction» ne relève pas à ses yeux du «social» mais de l’existential. La sexuation ne relève pas en effet à ses yeux du biologique mais de l’existential, elle présuppose cette structure ontologique de l’existence humaine qu’est l’être-avec, elle présuppose ce miteinander «faute duquel le rapport entre les sexes en sa dimension proprement humaine serait tout bonnement impossible». Dès lors qu’il lui revient d’assumer son être-sexué en s’arrachant à sa «neutralité métaphysique» – entendons: ne reposant sur rien de physique – le Dasein se retrouve «éclaté », «clivé», «géminé» (zwiespältig), «dispersé». Dispersion, Zer-streuung que Heidegger fait remonter à une Streuung, à une «spersion» originaire, le préfixe allemand zer- correspondant au latin dismarquant notamment la séparation, la direction en sens opposés, une divergence19. La spersion originaire du Dasein en sa «neutralité métaphysique» va se prolonger en une di-spersion par sa sexuation. Paradoxalement, le Dasein se choisit comme celui ou celle que ça n’avait pas choisi d’être en entrant dans la peau de son personnage. Commentant le verset de la Genèse disant «mâle et femelle il les créa» (Gn 1, 27), le Gaon Elie de Vilna disait au XVIIIème siècle: «mâle et femelle comprennent chacun même mâle et femelle. » Le clivage entre le masculin et le féminin passe ainsi en chaque homme et en chaque femme, plutôt qu’entre les deux sexes. Virilité exacerbée et dévoyée, la brutalité consisterait ainsi en un refus de la part de l’homme au sens générique – femme ou homme – d’assumer sa propre féminité, d’assumer ce que Valéry Larbaud appelle dans Fermina Marquez: «cette part de l’autre sexe que nous contenons tous, et toutes», en neutralisant cette part de l’autre sexe qu’il contient. Cet éclairage existential de la brutalité à partir d’un contre-sens eidétique sur l’essence de la virilité est possible à partir des écrits de Heidegger, dont nous proposons ici une libre interprétation. Dans les Cahiers noirs, toutefois, la brutalitas reçoit un éclairage essentiellement historial. Éclairage historial: la brutalitas est la figure la plus radicale de l’animalitas sur laquelle se trouve rabattu l’être humain, en laquelle il est rabaissé tant qu’il n’est pas pensé en direction de son humanitas. D’où la phrase à tous égards déterminante de la Lettre sur l’humanisme: «La métaphysique pense l’homme à partir de son animalitas, elle fait par là même faux bond à l’humanitas de l’être humain.20 » C’est pourquoi il y a une grande imposture à parler du «post-humain», comme on le fait inconsidérément aujourd’hui, en entendant par là une mutation de l’espèce planifiée et contrôlée par d’éminents représentants du pouvoir bio-médical en vue de fabriquer du post-hominien, en faisant comme si l’humain en l’homme n’était 19 20
M. Heidegger, GA 26, 172–3. M. Heidegger, GA 9, 323.
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pas encore en attente de son accomplissement, vers lequel un tel programme ne saurait guère l’orienter. Le § 10 d’ Être et temps, que nous avons déjà évoqué, relève la définition de l’homme comme animal rationale, mais sans problématiser le gouffre, la béance qui sépare cette expression latine de sa source grecque, problème que posera la conférence de 1935 sur «L’Origine de l’œuvre d’art»: «cette traduction des termes grecs en langue latine n’est nullement ce petit événement inoffensif pour lequel on le prend encore de nos jours», et pour lequel semblait encore le prendre le § 10 d’ Être et temps en passant sans autre forme de procès du zôon logon ekhôn à l’ animal rationale. Car «la pensée romaine reprend les mots grecs sans l’expérience originale correspondant à ce qu’ils disent, sans la parole grecque. C’est avec cette traduction que s’ouvre, sous la pensée occidentale, le vide qui la prive désormais de tout fondement.21 » Retenons, pour notre propos, que le sol se dérobe sous les pieds de l’animal rationale, celui-ci ayant perdu son ancrage dans l’expérience originale du monde grec dont la parole grecque fut porteuse. La pensée romaine demeure profane en ayant déserté le temple du monde grec. Comme dans le bel alexandrin de Pierre Louÿs auquel Claude Debussy fera un sort musical: Et la lune descend sur le temple qui fut. Si l’on passe de l’imperium romanum à la «Germanie» du Troisième Reich, et plus généralement aux régimes totalitaires du XXème siècle, ceux-ci n’ont malheureusement rien à envier au monde romain en matière de brutalité. Toutefois, c’est une brutalitas spécifique au régime nazi que dégagent et soulignent les Cahiers noirs, dans le «déchainement de l’inhumain », en faisant ressortir une forme de brutalité inouïe qui, pour être moins apparente que la violence physique et criminelle, dont le caractère criminel ne saute pas aussi directement aux yeux, n’en porte pas moins tout autant atteinte, quoique de manière différente, à l’être de l’être humain. Telle est précisément la «brutalité de l’animal comptable», pour ainsi traduire ce que Heidegger appelle d’une expression topique die Brutalität des rechnenden Tieres.22 Heidegger fait ici ressortir – au titre de ce que la phénoménologie appelle précisément un phénomène – une forme de brutalité d’autant plus insidieuse qu’elle ne se montre pas d’emblée comme telle, qu’elle semble de prime abord ressortir à une simple question d’organisation, d’autant plus efficace et rentable qu’elle gère de manière parfaitement rationnelle des données quantifiées. Le fait que derrière ces données il y ait des êtres humains, dont chacun a un nom, un visage, une histoire importe peu. Par là se trouve prononcée une perversion sans précédent de la relation humaine, de l’humain en l’homme, comme l’a fortement souligné un historien américain dans une récente publication où semble s’amorcer comme un virage de 21 22
M. Heidegger, GA 5, 8; Chemins qui ne mènent nulle part, Gallimard, 1962, p. 21. M. Heidegger, GA 96, 89.
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l’historique à l’historial: «Les régimes nazi et soviétique transformèrent des hommes en chiffres: certains que nous ne pouvons qu’estimer, d’autres que nous pouvons recalculer avec assez de précision. Il nous appartient à nous, chercheurs, d’essayer de les établir et de les mettre en perspective. Et à nous, humanistes, de retransformer ces chiffres en êtres humains. Si nous ne le faisons pas, Hitler et Staline auront façonné non seulement notre monde, mais aussi notre humanité.23 » «Si nous ne le faisons pas», à savoir si nous ne retransformons pas ces chiffres en êtres humains, Hitler et Staline auront façonné notre humanité, entendons qu’ils l’auront re-façonnée et défigurée en in-humanité. L’homme ne sera plus alors que ce que l’Apocalypse de saint Jean appelle «le chiffre de son nom» (13, 17): «Et nul ne pourra acheter ou vendre, s’il ne porte la marque, le nom de la Bête ou le chiffre de son nom.» La Vulgate dit: numerum nominis ejus, la King James Version: the number of his name. C’est le sceau de la Bête, la marque d’infamie. Le nombre du nom est l’ombre portée par l’inhumain sur l’humain. Dans son analyse du pouvoir de l’argent dans l’économie marchande, la Critique de l’économie politique de Marx se référera à ce passage de l’Apocalypse, cité d’après la traduction de la Vulgate24. «Nous, chercheurs », «nous, humanistes»: la distinction établie par Timothy Snyder appartient encore à une vision du monde, à une Weltanschauung dont il cherche à se dégager. Les figures respectives des «chercheurs » et des «humanistes» apparaissent ici comme nécessaires et complémentaires sans être davantage interrogées comme figures de proue d’une époque de la métaphysique. Mais Hitler et Staline pourraient-ils avoir façonné notre humanité si notre «humanité » ne les avait d’abord couvés? La posture «humaniste» et celle des «chercheurs» ne se rejoignent-elles pas au fond dans une commune adhésion à la mutation du savant en chercheur et à l’auto-promotion de l’homme où triomphe, là comme ici, la subjectivité du sujet? Comme si une science de plus en plus déboussolée et un sujet de plus en plus nombrilisé ne pouvaient que s’enferrer dans un même carcan. Ou plutôt: comme si une science de plus en plus déboussolée ne pouvait trouver d’autre boussole que la subjectivité du sujet, dont pourtant elle procède dans sa quête d’objectivité. Ici comme là vient s’attester à quel point, comme nous l’avons relevé, «notre pensée est déterminée de fond en comble par la conceptualité propre à la corrélation sujet-objet ». L’humanisme pourrait dès lors ne pas constituer un horizon suffisant s’il est vrai que, comme l’avait noté Jean Beaufret, «c’est en son nom que l’homme est aujourd’hui sous nos yeux un loup pour l’homme.25 »
23 Timothy Snyder, Bloodlands: Europe between Hitler and Stalin, 2010; trad. fr. P.-E. Dauzat: Terres de sang: l’Europe entre Hitler et Staline, Paris, Gallimard, 2012, p. 614. 24 Pour de plus amples développements sur cette question, nous nous permettons de renvoyer à notre ouvrage Essai sur Heidegger et le judaïsme. Le nom et le nombre, éd. du Cerf, Paris, 2015. 25 J. Beaufret, De l’existentialisme à Heidegger, Vrin, Paris, 1986, p. 75.
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Il y a donc une brutalitas que l’on pourrait dire classique, sauvage, orgiaque et anarchique, et une brutalitas rationnelle, organisée, comptable, relevant des calculs de la «froide raison». Avec la Nuit des longs couteaux, ou Röhm-Putsch du 30 juin 1934, qui a contribué à ouvrir les yeux de Heidegger sur la réalité du régime hitlérien, s’affirme la prépondérance de la brutalité organisée sur la brutalité sauvage, avec celle de la SS sur la SA. Le tome 90 de l’Édition intégrale des écrits de Martin Heidegger, édité en Allemagne en 2004, contient de précieuses indications sur la manière dont Heidegger a lu Ernst Jünger. Un point de divergence est la notion de «construction organique». On peut y lire ceci: «L’organisation. Mise en ordre («réagencement») et montage de toutes pièces du «stock vivant disponible» («le matériau humain»). Une construction organique est par exemple la SS.26 »
Au rassemblement des hommes en une communauté, celle d’un peuple, la «construction organique» substitue le réagencement d’une poupée désarticulée en pièces détachées. La notion même de «construction organique» fait ressortir le lien entre le biologisme et la technique qui s’opère alors. D’après Heidegger, l’organique occulte ici du mécanique, qui à son tour n’est possible qu’à partir de la Machenschaft, du règne de l’efficience: «Le discours sur la construction organique est l’ultime camouflage de la mécanisation totale de l’étant à partir du règne de l’efficience.27 » Ce qu’il arrive à Heidegger d’appeler «la grandeur propre au national-socialisme » réside en ceci qu’il a préfiguré crûment cette fabrication de l’homme devant laquelle nous ne reculons plus. D’où cette remarque d’une lettre adressée par Martin Heidegger à Hannah Arendt le 12 avril 1968: «Quels enfers l’être humain doit-il encore traverser avant de comprendre qu’il n’est pas susceptible de se faire lui-même ?» C’est face à l’émergence d’une forme rationnelle et organisée de brutalité propre au régime totalitaire du Troisième Reich que la pensée de Heidegger nous met en garde, dans les Cahiers noirs, en la qualifiant de «brutalité de l’animal comptable», se jetant dans la gueule de «l’essence dévorante du calcul» (das verzehrende Wesen des Rechnens). En soulignant que cette nouvelle forme de brutalité n’est pas moins criminelle que celle à laquelle elle se substitue. L’action inhumaine des hommes n’est plus celle qui échappe à la ratio, comme selon Thomas d’Aquin, mais celle où la ratio de l’animal rationale, devenue stricte computatio depuis Hobbes et Leibniz, se met au service de l’animalitas à partir de laquelle métaphysiquement il se pense, plutôt qu’en direction de son humanitas. L’homme M. Heidegger, GA 90, 202. M. Heidegger, GA 90, 201, trad. Ph. Arjakovsky in: DMH, p. 1252, s. vº SS. «Camouflage» traduit ici Verschleierung, que l’on pourrait comprendre également comme le fait de jeter un voile pudique sur une réalité qui vous méduse au point que sa vue en devient insoutenable. 26 27
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devient de moins en moins raisonnable au fur et à mesure qu’il devient de plus en plus rationnel – jusqu’à la folie, où la raison bascule en son autre, cette «folie géométrique » dont a parlé Primo Levi à propos du système concentrationnaire28. L’attentat ainsi perpétré contre l’être de l’être humain précède la commission du crime à grande échelle, du meurtre de masse, de la «fabrication de cadavres dans des chambres à gaz et des camps d’extermination29 », en même temps qu’il les rend possible. Le crime à grande échelle ne relève plus, comme par le passé, du déchainement de hordes en furie mais d’une organisation méticuleuse, soigneusement planifiée, programmée et contrôlée pour le bon déroulement des opérations. La brutalité de l’animal comptable se veut ainsi service rendu au bétail humain composé d’animaux à sang chaud, pour solde de tout compte, par des fonctionnaires zélés, consciencieux et soucieux d’être bien vus par leur hiérarchie. Ce qui reste à penser, c’est donc la dimension criminelle de cette brutalité qui n’a pu mettre un terme à la vie de tant d’êtres humains que pour avoir d’abord attenté à leur être, et par là à l’être de l’être humain. En d’autres termes: il y a dans la stricte computation appliquée à des êtres humains un phénomène inquiétant dont nous n’avons sans doute pas encore pris la mesure, et que les Cahiers noirs n’en mettent pas moins au compte d’une brutalitas – notre langage même nous trahit ici, qui parle spontanément de «mettre au compte», «tenir compte», «prendre en compte», «faire entrer en ligne de compte», plutôt que prendre en considération. C’est dire que l’ampleur du désastre ne se mesure pas seulement par le chiffrage des victimes. Cette ampleur ne peut commencer à apparaître tant que n’est pas prise en considération ce que Stéphane Zagdanski appelle, à propos de la Shoah, «la dimension métaphysique de ce crime»: «la dimension métaphysique de ce crime, telle qu’il serait égal en abjection quand bien même les nazis n’eussent tué qu’un seul Juif.30 » Seule une lecture aussi malveillante que superficielle pourrait comprendre ces propos en leur faisant dire que peu importe au fond le nombre de victimes. Ces propos nous semblent bien plutôt vouloir dire que l’abjection n’est pas de l’ordre du quantifiable, même si elle commence avec la quantification de l’humain, lorsque celui-ci se trouve réduit à l’ombre de lui-même en n’étant plus que le nombre de son nom, numerum nominis ejus. D’où ce que Heidegger a pu appeler, dès les années 30 du siècle dernier, «la brutalité de l’animal comptable». La brutalité de l’animal comptable ainsi mise au jour s’avère donc possible à deux conditions: 1º la détermination métaphysique de l’homme comme animal rationale, et 2º l’assimilation de la raison à un calcul, selon le sens latin de la ratio. Aussi la tâche de la pensée en notre temps pourrait-elle consister, à cet égard, à «se désintoxiquer du calcul», non pas à vrai dire pour lui substituer autre chose, quelque ersatz qui lui aussi ferait l’affaire, mais en remontant «jusqu’à l’origine de 28 29 30
Primo Levi, Se questo è un uomo, Einaudi, Turin, 1958, p. 45: follia geometrica. M. Heidegger, GA 79, 27. S. Zagdanski, Fini de rire. Études, Fayard, Paris, 2003, p. 483.
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celui-ci dans le domaine de la pensée»31. Ou encore à faire de la raison une affaire de la pensée méditante, en quête de sens, das besinnliche Denken, plutôt que de la pensée une affaire de la raison calculante, das rechnende Denken. Qu’elle soit sauvage ou organiquement organisée, la brutalité serait toutefois ramenée à un plan strictement anthropologique à n’être envisagée que comme un certain type de comportement de l’homme et de sa mainmise sur l’étant. Dans la perspective de l’histoire de l’estre, Heidegger va jusqu’à parler d’une «brutalitas de l’être» pour caractériser le visage fort peu avenant dont l’époque de la technique moderne est, avec perte et fracas, la dispensation.
31
J. Beaufret, Entretiens avec Frédéric de Towarnicki, P.U.F., 1984, p. 65.
Philia und Eros Überlegungen zu einer neu edierten Aufzeichnung Martin Heideggers über Parmenides (fr. 13) Udo Reinhold Jeck I. 1. Einleitung (a) Als Martin Heidegger 1950 erstmals in den Holzwegen eine Interpretation zu Hegels Phänomenologie des Geistes veröffentlichte1, erregte er damit viel Aufsehen.2 Er fasste dort die Ergebnisse einer langen und intensiven Auseinandersetzung mit diesem Werk zusammen. Einige wichtige Manuskripte zu Hegels Philosophie publizierte er allerdings nicht. Die Nachlasseditionen innerhalb der Heideg-
1 Vgl. Martin Heidegger: Hegels Begriff der Erfahrung (1942/43). In: Ders.: Holzwege. Frankfurt a. M. 1950; 6., durchges. Aufl. Frankfurt a. M. 1980, S. 111–204, bes. S. 369: „Hegels Begriff der Erfahrung. Der Inhalt der Abhandlung wurde in einer mehr didaktischen Form in Seminarübungen über Hegels Phänomenologie des Geistes und die Metaphysik des Aristoteles (Buch IV und IX) 1942/43 durchgesprochen und gleichzeitig in zwei Vorträgen vor einem engeren Kreise dargelegt. Der abgedruckte Text ist der jetzt maßgebenden kritischen Ausgabe der Phänomenologie des Geistes von Joh. Hoffmeister entnommen, die 1937 in der Philosophischen Bibliothek (Meiner) erschien“; ders.: Hegels Begriff der Erfahrung. In: Ders.: Holzwege. Hrsg. v. Friedrich-Wilhelm von Herrmann (Martin Heidegger Gesamtausgabe. I. Abt.: Veröffentlichte Schriften 1914–1970, Bd. 5). Frankfurt a. M. 1977, S. 115–208. 2 Vgl. Eugen Fink: Sein und Mensch. Vom Wesen der ontologischen Erfahrung. Hrsg. v. Egon Schütz u. Franz-Anton Schwarz. Freiburg/München 1977, S. 164–165: „In die Mitte der ,Holzwege‘ stellt Heidegger seine Interpretation der ,Einleitung‘ zur ,Phänomenologie des Geistes‘; sie handelt in einer eindringlichen Ausführlichkeit von ,Hegels Begriff der Erfahrung‘, wovon wir hier kein Bild vermitteln können. Die Wucht der Auslegung, welche in scharfer Abwehr gängiger Hegeldeutungen auf das Wesentliche der Gedankenführung zurückzwingt, stößt – wie immer bei Heidegger – auch in das Ungesagte Hegels vor; die Auslegung gibt nicht nur einen Nachvollzug, sie ist in einem höchsten Sinne Auseinandersetzung, der Kampf zweier Denker . . .“ (vgl. Egon Schütz, Franz-Anton Schwarz: ,Nachwort‘, ebd., S. 324: „Der vorliegende Text ,Sein und Mensch‘ ist Hauptteil einer Vorlesung von Eugen Fink aus dem Wintersemester 1950/ 51. Die Kürzungen [es handelt sich im wesentlichen um die Einleitungskapitel] wurden noch im Frühjahr 1975 von ihm selbst vorgenommen im Hinblick auf die vorgesehene Drucklegung“).
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ger-Gesamtausgabe haben daher die Kenntnis der Hegel-Deutungen Heideggers erheblich erweitert.3 2011 erschienen wertvolle Aufzeichnungen Heideggers zu seinen Hegel-Seminaren; sie ergänzen dieses Material4, das jedoch noch der detaillierten Auswertung harrt. Schon ein erster Blick zeigt: Heidegger durchdachte vor allem die Phänomenologie des Geistes. Dies geschah jedoch nicht nur aus dem Horizont der neuzeitlichen Philosophie, Heidegger verfolgte vielmehr zentrale Momente der Spekulationen Hegels bis zu ihrem Ursprung im griechischen Denken: Es ist daher kein Zufall, dass einer seiner Aufsätze den Titel Hegel und die Griechen trägt5, sondern vielmehr der Ausdruck eines Programms. Wer Heideggers Hegel-Notizen studiert, findet daher mehr als eine Aufzeichnung, die sich ganz auf die griechische Philosophie konzentriert. Vor allem Platon und Aristoteles, die Hegel mehr als alle anderen griechischen Philosophen schätzte, zog Heidegger zu seinen Hegel-Interpretationen herbei. Auf welche Weise er das frühe griechische Denken zur Erschließung der Philosophie Hegels einsetzte, zeigt folgendes signifikante Beispiel aus den neu edierten Hegel-Notizen: „32. filßa – ÇErwò Vgl. Parmenides Frg. 13. prþtiston mÊn ÇErwta qew ~ n mhtßsato pÜntwn ( daßmon –) Als dem Voraufkommenden der Götter aller ersann[en] sie den Eros.
3 Vgl. Martin Heidegger: Hegels Phänomenologie des Geistes. Freiburger Vorlesung Wintersemester 1930/31. Hrsg. v. Ingtraud Görland (Martin Heidegger Gesamtausgabe. II. Abt.: Vorlesungen 1923–1944, Bd. 32). Frankfurt a. M. 1980; ders.: Hegel. 1. Die Negativität. Eine Auseinandersetzung mit Hegel aus dem Ansatz in der Negativität (1938/39, 1941). 2. Erläuterungen der »Einleitung « zu Hegels »Phänomenologie des Geistes« (1942). Hrsg. v. Ingrid Schüßler (Martin Heidegger Gesamtausgabe. III. Abt.: Unveröffentlichte Abhandlungen. Vorträge – Gedachtes, Bd. 68). Frankfurt a. M. 1993; Annette Sell: Martin Heideggers Gang durch Hegels „Phänomenologie des Geistes“ (Hegel-Studien, Beih. 39), Bonn 1998. 4 Vgl. ders.: Seminare Hegel – Schelling. Manuskripte, Protokolle und Mitschriften zu Seminaren von 1927 bis 1957. Hrsg. v. Peter Trawny (Martin Heidegger Gesamtausgabe. IV. Abt.: Hinweise und Aufzeichnungen, Bd. 86). Frankfurt a. M. 2011. 5 Vgl. ders.: Hegel und die Griechen (1958). In: Ders.: Wegmarken. Unver. Text mit Randbem. des Autors. Hrsg. v. Friedrich-Wilhelm von Herrmann (Martin Heidegger Gesamtausgabe. I. Abt.: Veröffentlichte Schriften 1914–1970, Bd. 9). Frankfurt a. M. 1976, S. 427–444, bes. S. 484: „Hegel und die Griechen. Verfaßt als Vortrag, der in der Gesamtsitzung der Heidelberger Akademie der Wissenschaften am 26. Juli 1958 gehalten wurde. Zuerst veröffentlicht als Beitrag zur Festschrift für Hans-Georg Gadamer zum 60. Geburtstag ,Die Gegenwart der Griechen im neueren Denken‘. J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1960, pp. 43–57. Eine frühere Fassung des Textes lag dem Vortrag in Aix-enProvence am 20. März 1958 zugrunde und erschien in französischer Übersetzung von Jean Beaufret und Pierre-Paul Sagave in Cahiers du Sud, t. XLVII, no 349, Januar 1959, pp. 355–368.“
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fýsiò – ærwò – lÞqeia å – | Ent-bergen |“.6 Heidegger reflektierte hier primär über ein Fragment des Parmenides. Auf den ersten Blick hat diese Überlegung gar nichts mit Hegels Denken zu tun. Ist das Blatt mit dieser Notiz etwa zufällig in einen Zusammenhang geraten, in den es nicht gehört? Keineswegs. Heidegger hat seine Notiz wohl überlegt positioniert. Diese Bemerkung, ihr Bezug zu Hegel und ihre Funktion innerhalb der Hegel-Auslegung Heideggers erschließt sich allerdings nicht unmittelbar. Zur Entschlüsselung derartiger Kryptogramme bedarf es mehr als oberflächlicher Kenntnisnahmen, sondern vielmehr einer umfangreichen Untersuchung: Ohne Kenntnis des griechischen Denkens, ohne Einblick in Heideggers Verständnis der griechischen Philosophie und ohne Studium der Hegel-Auslegungen Heideggers bleibt der Sinn diese Skizze völlig im Dunkeln. (b) Einen wichtigen Hinweis zu ihrer Deutung und eine erste sichere Spur auf dem Weg zu ihrem Verständnis ergibt sich aus dem Kontext, in den Heidegger seine Bemerkung gestellt hat: Sie gehört zu Aufzeichnungen mit dem Titel Zu Hegel. Phänomenologie des Geistes. SS 1942.7 Heidegger skizzierte damals zunächst (I.) eine Einleitung in das transzendentale Wesen der absoluten Metaphysik8, das heißt, er erklärte im Seminar zunächst jene Grundbegriffe, die er für das Verständnis der Philosophie Hegels für unerlässlich hielt. Anschließend (II.) widmete er sich Hegels Vorrede zur Phänomenologie des Geistes.9 (c) Als Ausgangspunkt seiner Überlegungen wählte Heidegger zunächst jenen bekannten programmatischen Satz aus der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes, in dem Hegel das Ziel seiner philosophischen Arbeit festlegte: Die Wahrheit soll eine systematische Gestalt erhalten; erst dann wandelt sich die Philosophie
6 Ders.: Seminare Hegel – Schelling (,Zu Hegel. Phänomenologie des Geistes SS 1942. II. Die Vorrede zur Phänomenologie des Geistes‘), n. 32, S. 283. Im Druck steht „ersannen“; es muss jedoch „ersann“ heißen. 7 Ders.: Seminare Hegel – Schelling (,Zu Hegel. Phänomenologie des Geistes SS 1942‘), n. 1–245; S. 263–433. Zur Charakteristik des Manuskriptes vgl.: Nachwort des Herausgebers, ebd., S. 896: „– »Hegel, Phänomenologie des Geistes« (SS 1942): 462 Blätter und Zettel Manuskript; 57 handschriftliche Seiten Protokollheft von anonymen Verfassern; 59 Seiten Protokolle als anonymes Typoskript aus dem Sommersemester 1943, in dem Heidegger das Seminar fortsetzte. Das Manuskript enthält Aufzeichnungen, die in den Aufsatz »Hegels Begriff der Erfahrung« übernommen wurden. Zudem wurden sie in Auszügen in Erläuterungen zu »Hegel« bereits veröffentlicht“; vgl. Anm. 1 u. 3. 8 Ders.: Ebd. (,I. Einleitung in das transzendentale Wesen der absoluten Metaphysik‘), n. 1–30, S. 267–280. 9 Ders.: Ebd. (,II. Die Vorrede zur Phänomenologie des Geistes‘), n. 31–36, S. 283– 286.
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von der „Liebe zum Wissen“ in ein „wirkliches Wissen.“ 10 Im Hinblick darauf besprach Heidegger in seinem Hegel-Seminar die griechische Herkunft des Namens ,Philosophie‘.11 Konkret vollzog er diese Analyse in Gestalt eines Reflexionsstrangs, bei dem er sich auf einzelne Knotenpunkte der Begriffsgeschichte stützte und sie nacheinander aufzeichnete. Diese Reflexionen führten dann zu einer Entfaltung des Wort- und Bedeutungsfeldes von filßa (Liebe): Die Hinweise auf signifikante Äußerungen von Parmenides (n. 32), Thukydides (n. 34) und Platon (n. 35) dienten Heidegger zur Erhellung dessen, was Hegel als „Liebe zum Wissen“ bezeichnete. Dazu finden sich folgende Aufzeichnungen: n. 31. „Vorrede zur Phänomenologie des Geistes.“ n. 32. „filßa – ÇErwò.“ n. 33. „Die Philosophie als »Liebe zum Wissen« und als »die Wissenschaft«.“ n. 34. „filosofßa – filosofoýmen.“ n. 35. „»Philosophie«. Platons Bestimmung der filosofßa.“ n. 36. „Zum Begriff der »Philosophie«. Hegels Deutung des Wortes »Philosophie«.“ 12 (d) Die Verknüpfung der filßa mit der griechischen Gottheit ÇErwò – dass Heidegger diesen Gott meinte, zeigt die Großschreibung – ist zunächst aus Platons Symposion bekannt.13 Heidegger zitierte hier jedoch nicht aus diesem berühmten Dialog. Er ging vielmehr zum Anfang der griechischen Philosophie zurück, verwies auf Parmenides und stellte eine Sentenz dieses frühen Philosophen aus der klassischen Sammlung der Fragmente der Vorsokratiker von Diels-Kranz in den Mittelpunkt seiner Notiz.14 Heidegger deutete die Herkunft des Zitats auch selbst 10 Vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes. Hrsg. v. Wolfgang Bonsiepen u. Reinhard Heede (Gesammelte Werke, Bd. 9). Hamburg 1980, S. 11, 24–28: „Die wahre Gestalt, in welcher die Wahrheit existirt, kann allein das wissenschafftliche System derselben seyn. Daran mitzuarbeiten, daß die Philosophie der Form der Wissenschaft näher komme, – dem Ziele, ihren Namen der L i e b e zum W i s s e n ablegen zu können und w i r k l i c h e s W i s s e n zu seyn – , ist es, was ich mir vorgesetzt.“ 11 Vgl. auch Heidegger: Seminare Hegel – Schelling (Protokoll zum 13.5.1943), S. 690–696; bes. S. 692: „Hegel hat also Recht, wenn er Philosophie mit Liebe zum Wissen (Weg zum Wissen) übersetzt.“ 12 Heidegger: Seminare Hegel – Schelling (,Zu Hegel. Phänomenologie des Geistes SS 1942‘), n. 31–36, S. 283–286; vgl. dazu auch Heideggers ausformulierte Äußerungen dazu in: Ders.: Ebd. (Protokoll zum 13.5.1943), S. 690–693. Allerdings fehlt dort der Bezug auf das Fragment des Parmenides. 13 Zum Eros in Platons Phaidros vgl. Heidegger: Nietzsche. Erster Band. Pfullingen 1961, S. 226; ders.: Seminare: Platon – Aristoteles – Augustinus. Hrsg. v. Mark Michalski (Martin Heidegger Gesamtausgabe. IV. Abt.: Hinweise und Aufzeichnungen, Bd. 83). Frankfurt a. M. 2012, S. 83–148 (,Platons Phaidros. Übungen im Sommersemester 1932‘). 14 Vgl. (Hermann Diels, Walther Kranz): Die Fragmente der Vorsokratiker. Griech. u. Deutsch v. Hermann Diels. Hrsg. v. Walther Kranz. Erster Band. 18. Auflage (Unv. Nachdr. der 6. Aufl. 1951). Zürich/Hildesheim 1989, (28 [18 ]), B n. 13, S. 243,16: prþtiston mÊn ÇErwta qew ~ n mhtßsato pÜntwn . . . („13. Zuallererst ersann sie (die
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an; es stammt aus dem verlorenen Werk des Parmenides mit dem Titel PerÍ fusewò und besteht nur aus einem Satz (fr. 13). Heidegger übersetzte ihn (abweichend von Diel-Kranz) auf folgende Weise: „Als dem Voraufkommenden der Götter aller ersann(en) sie den Eros.“ 15
Parmenides berichtete dort über die Herkunft des Eros; seine Äußerung führt insofern in die Welt der archaischen Gottheiten Griechenlands. (e) Aber wer oder was ist das Subjekt dieses rätselhaften Satzes? Wer oder was ersann Eros? Heidegger gibt darüber in seiner kurzen Notiz keinerlei Auskunft. Ist das Zufall? Ist die skizzenhafte Natur dieser Aufzeichnungen dafür verantwortlich? Stand der Philosoph unter Zeitdruck? Hat er sich auf das Seminar nur unzureichend vorbereitet? Das Gegenteil ist der Fall. Heidegger unterließ es sicher nicht ohne Grund, eine derart wichtige Information zu notieren. Im Hintergrund steht nämlich eines der schwierigsten Probleme der Parmenides-Forschung. Wer Heideggers fragmentarische Notiz verstehen will, muss daher nicht nur die lebenslange Auseinandersetzung des Philosophen mit der frühen griechischen Philosophie berücksichtigen, sondern zunächst die Quellenlage studieren; sonst bleibt Heideggers eigentümliche Reaktion auf das Fragment des Parmenides in ihrem Wesen unverstanden. II. 1. Antike Quellen zum Satz des Parmenides über den Eros (fr. 13) (a) Neben den homerischen Epen ist Hesiods Theogonia die wichtigste Quelle zur Kenntnis der frühen griechischen Götterwelt.16 Nach Hesiod gab es zuerst das Chaos; daraus erhob sich dann die Erde. Erst nach dieser theogonischen Potenz entstand Eros.17 Daimon der Geburt oder die Liebe) von allen Göttern den Eros [darauf aber . . .]“); vgl. Hermann Diels: Parmenides. Lehrgedicht. Reprint of the first edition from 1897. Mit einem neuen Vorw. von Walter Burkert und einer revidierten Bibliographie v. Daniela de Cecco (International Pre-Platonic Studies, Vol. 3), 2. Aufl. Sankt Augustin 2003. 15 Vgl. Anm. 6. 16 Vgl. (Hesiod): Hesiodi Theogonia Opera et Dies Scutum ed. Friedrich Solmsen. Fragmenta selecta ed. R. Merkelbach et M. L. West. Editio altera cum appendice nova fragmentorum. Oxonii 1970 (Repr. 1987); ders.: Theogonie. Hrsg., übers. u. erl. v. Karl Albert (Texte zur Philosophie, Bd. 1), 5. verb. u. erg. Aufl. Sankt Augustin 1993. 17 Vgl. Hesiod: Theog., (Solmsen) 116–122, S. 10: ÇHtoi mÊn prþtista XÜoò gÝnet' . atJr æpeita Ga¦' erýsternoò, pÜntwn Òdoò sfalÊò aeÍ qanÜtwn oá æxousi kÜrh nifüentoò \Olýmpou, [TÜrtarÜ t' erüenta muxÃw~ xqonÎò eruodeßhò,] d' ÇEroò, âò kÜllistoò n qanÜtoisi qeo¦si, lusimelÞò, pÜntwn te qew ~ n pÜntwn t' nqrþpwn dÜmnatai n stÞqessi nüon kaÍ pßfrona boulÞn.
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(b) Darauf reagierte Platon im Symposion18, indem er zunächst den Gott ÇErwò zur Diskussion stellte: Schon in der ersten Rede dieses berühmten Dialogs vertritt Phaidros die These, dass ÇErwò nach allgemeiner Auffassung als eine der ältesten Gottheiten gilt.19 Diese Ansicht, so berichtet Phaidros, findet sich zunächst bei Hesiod. Daher kommt er auf den Ursprung des Eros zu sprechen und teilt mit, was jener in seiner Theogonia über die Herkunft dieses Gottes aus dem Chaos dichtete. Dort erscheint ÇErwò ganz zu Anfang der Göttergeschlechter und übertrifft damit an Alter nachfolgende Gottheiten.20 Aber nicht nur Hesiod sprach von diesem Gott, sondern auch Akusilaos: Nach seinen Angaben entstanden die Erde und der Eros ebenfalls unmittelbar nach dem Chaos.21 (Hesiod: Theogonie, S. 53: „Zuallererst wahrlich entstand das Chaos, aber dann die breitbrüstige Gaia, der niemals wankende Sitz von allen Unsterblichen, die das Haupt des schneebedeckten Olymps bewohnen und den dämmerigen Tartaros im Innern der breitstraßigen Erde, und der Eros, der schönste unter den unsterblichen Göttern, der gliederlösende. Von allen Göttern und von allen Menschen bezwingt er in der Brust den Sinn und den klugen Ratschluß“). 18 Vgl. Platon: Symposium. In: Platonis Opera rec. brev. adn. crit. instr. Ioannes Burnet. Tomus II Tetralogias III–IV cont. Oxonii 1901, S. 151–222; Ders.: Symposion. In: Ders.: Sämtliche Werke 2. Menon, Hippias I, Euthydemos, Menexenos, Kratylos, Lysis, Symposion. In der Übers. v. Friedrich Schleiermacher mit der Stephanus-Num. Hrsg. v. Walter F. Otto, Ernesto Grassi, Gert Plamböck. Hamburg 1957, S. 203–250. 19 Vgl. ders.: Symp., 178a6–b3, S. 159: Prw ~ ton mÊn gÜr, ×sper lÝgw, æfh Fa¦dron rcÜmenon nqÝnde poqÊn lÝgein, Õti mÝgaò qeÎò eèh ÇErwò kaÍ qaumastÎò n nqrþpoiò te kaÍ qeo¦ò, pollaxÂh~ mÊn kaÍ ållÂh, ox Ókista dÊ katJ tÌn gÝnesin. tÎ gJr n to¦ò presbýtaton ei }nai tÎn qeÎn tßmion, h } d' Õò, tekmÞrion dÊ toýtou. gonh~ò gJr ÇErwtoò ojt' esÍn ojte lÝgontai p' odenÎò ojte diþtou ojte poihtou~ . . . (ders.: Sämtliche Werke 2, S. 211: „Zuerst also, wie gesagt, erzählte er, habe Phaidros den Anfang seiner Rede von daher genommen, daß Eros ein großer Gott sei und bewundernswürdig Menschen und Göttern, sowohl von vielen anderen Seiten als auch besonders seines Ursprunges wegen. Denn daß der Gott zu den ältesten gehört, sagte er, ist ehrenvoll. Hiervon aber ist dies ein Beweis. Eros nämlich hat keine Eltern, noch werden deren angeführt von irgendeinem Dichter oder anderen Erzähler“). 20 Vgl. ders.: Ebd., 178b3–7, S. 159: . . . ll' ¢Hsßodoò prw ~ ton mÊn XÜoò fhsÍ genÝsqai ± atJr æpeita Ga¦' erýsternoò, pÜntwn Òdoò sfalÊò aeÍ, d' ÇEroò . . . (ders.: Sämtliche Werke 2, S. 211: „Sondern Hesiodos sagt, zuerst sei das Chaos gewesen, «aber nach diesem breitgebrüstet die Erde, ein Sitz unwandelbar allen, Eros auch»“). 21 Vgl. ders.: Ebd., 178b8–9, S. 160: ¢HsiüdÃw dÊ kaÍ \Akousßlewò sýmfhsin metJ tÎ XÜoò dýo toýtw genÝsqai, Gh~ n te kaÍ ÇErwta (ders.: Sämtliche Werke 2, S. 211:
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Eine vergleichbare Meinung vertrat (gemäß Platon) Parmenides, indem er – wie seine Vorgänger22 – großen Wert auf die Priorität des ÇErwò legte23: Parmenßdhò dÊ tÌn gÝnesin lÝgei ± prþtiston mÊn ÇErwta qew ~ n mhtßsato pÜntwn.24 (c) Dieser Satz des Parmenides fand auch nach Platon Beachtung: I. Als Aristoteles nämlich im ersten Buch der Metaphysik die Prinzipien der Dinge und die Thesen der früheren Philosophen dazu untersuchte25, erwähnte er zunächst Hesiod und jene Alten, die auf der Suche nach der Arche ( rxÞ) vom ÇErwò sprachen. II. Dazu gehörte, so berichtete Aristoteles, auch Parmenides und zitierte dessen Sentenz zum Eros. III. Aus der Perspektive und in der Interpretation des Aristoteles behauptete jener, dass den Dingen (tÜ prÜgmata) eine bewegende und vereinende Ursache ( atßa) zugrunde liegen müsse: ÇErwò erschien ihm insofern als mythischer Ausdruck kosmischer Prinzipien. Der Spruch des Parmenides bezieht sich daher aus seiner Sicht auf die Entstehung der Gesamtheit:26
„Dem Hesiodos stimmt auch Akusilaos bei, daß nach dem Chaos diese beiden gewesen wären, die Erde und Eros“). Zu Akusilaos vgl. Diels, Kranz: Die Fragmente der Vorsokratiker I, (9 [73]), B 1-41, S. 53–60, bes. B 2 [6a], S. 53,16–22. 22 Vgl. Maja E. Pellikaan-Engel: Hesiod und Parmenides. A New View on their Cosmologies and on Parmenides’ Poem. Amsterdam 1974; Horand Pfeiffer: Die Stellung des Parmenideischen Lehrgedichtes in der epischen Tradition (Habelts Dissertationsdrucke. Reihe Klassische Philologie 21). Bonn 1975. 23 Platons einleitende Bemerkung zum Parmenides-Zitat ließ Otto Waser an eine Gottheit „GÝnesiò, die Zeugungskraft“ denken (vgl. ders.: ,Eros‘ 1.II. In: Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Neue Bearbeitung u. Mitw. zahlreicher Fachgenossen. Hrsg. v. Georg Wissowa VI. Stuttgart 1909, S. 486: „. . . vorsichtiger ist Platons Deutung auf GÝnesiò, die Zeugungskraft, Plat. symp. 178 b“). 24 Vgl. Platon: Symp., 178b9–11, S. 160; ders.: Sämtliche Werke 2, S. 211: „Und Parmenides sagt von seinem Ursprung, «Aller Götter den ersten erhob ins Leben sie Eros.»“ 25 Vgl. (Aristoteles): Aristotelis Metaphysica rec. brev. adn. crit. instr. W. Jaeger. Oxonii 1957 (Eighth impr. 1985); ders.: Metaphysik. Schriften zur Ersten Philosophie. Übers. u. hrsg. v. Franz F. Schwarz. Stuttgart 1984. 26 In seiner eigenen Philosophie sah Aristoteles die ,erotische‘ Funktion der Ersten Ursache auf folgende Weise: Der Gott als Erster Beweger bewegt das Universum wie das Geliebte; er greift nicht dirigierend in den Himmel ein, sondern der Kosmos gewinnt aus liebender Tendenz zu seinem Zentrum Halt. Auf diese Weise drang der Eros bis zum Kern der abendländischen Metaphysik vor (vgl. Aristoteles: Met. XII 7,1072b3–4, S. 252: kine¦ dÊ ò rþmenon, kinoumÝnÃw dÊ ta}lla kine¦ (ders.: Metaphysik, S. 313: „Das unbewegliche Weswegen bewegt wie etwas, das geliebt wird, alles andere bewegt, indem es selbst bewegt wird“).
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popteýseie d' ån tiò ¢Hsßodon prw~ ton zhth~sai tÎ toiou~ton, kën eè tiò ålloò ærwta í piqumßan n to¦ò ou }sin æqhken ò rxÞn, oi {on kaÍ Parmenßdhò. kaÍ gJr ou {toò kataskeuÜzwn tÌn tou~ pantÎò gÝnesin prw~ ton mÝn fhsin „ærwta qew ~ n mhtßsato pÜntwnª, ¹pÜntwn mÊn prþtista xÜoò gÝnet', atJr æpeita ga¦' erýsternoò . . . d' æroò, âò pÜntessi metaprÝpei qanÜtoisinª,
¢Hsßodoò dÊ
ò dÝon n to¦ò ou }sin pÜrxein tin' atßan Ótiò kinÞsei kaÍ sunÜcei tJ prÜgmata. toýtoiò mÊn ou }n pw ~ ò xrÌ diane¦mai perÍ tou~ tßò prw ~ toò, cÝstw krßnein Österon.27 (d) Dass Platon der Beziehung von Eros und Philosophie höchste Beachtung schenkte, entging auch nicht jenen Platonikern, die bis in die Spätantike sein ,erotisches‘ Denken rezipierten und kommentierten.28 Plutarch befasste sich ebenfalls mit dem Spruch des Parmenides und versuchte in seinem Dialog über die Liebe29 eine einleuchtende Erklärung für die Dunkelheiten dieser Sentenz: Wie aus der ,Weltentstehung‘ ( kosmogonßa) des Parmenides hervorgehe, so behauptete er, sei Eros von den Werken (tÎ ærgon) der Aphrodite das älteste. Zur Bestätigung dessen zitierte er den oben genannten Satz des Parmenides über den Eros: diÎ Parmenßdhò mÊn pofaßnei tÎn ÈErwta tw ~ n \Afrodßthò ærgwn presbýtaton n ti kosmogonßai grÜfwn prþtiston mÊn ÇErwta qew ~ n mhtßsato pÜntwn.30
27 Aristoteles: Met. I 4, 984b23–32, S. 11; ders.: Metaphysik, S. 27–28: „Man könnte vermuten, daß Hesiod als erster etwas Derartiges gesucht hat, oder wenn sonst jemand Liebe oder Begierde in den Dingen als Prinzip annahm, wie etwa auch Parmenides. Denn dieser sagt beim Aufbau der Entstehung des Alls: ,Als ersten unter allen Göttern ersann sie den Liebesgott‘, Hesiod aber: ,Zuallererst entstand das Chaos, darauf aber die breitbrüstige Erde . . . und der Liebesgott, der unter allen Göttern hervorragt‘, da es ja in den Dingen eine Ursache geben müsse, die die Dinge bewege und zusammenbringe. Wie man nun diese Denker nach ihrer Priorität einreihen muß, dies soll später zu entscheiden gestattet sein.“ 28 Vgl. Werner Beierwaltes: Proklos. Grundzüge seiner Metaphysik (Philosophische Abhandlungen, Bd. 24). Zweite, durchg. u. erw. Aufl. Frankfurt a. M. 1979, S. 35–36, 311–312. 29 Vgl. Plutarch: Dialog über die Liebe. Amatorius. Eingel., übers. u. mit interpretierenden Essays vers. v. Herwig Görgemanns, Barbara Feichtinger, Fritz Graf, Werner G. Jeanrond u. Jan Opsomer. 2., korr. u. erw. Aufl. Tübingen 2011. 30 Plutarch: Amat. 13, 756 F. In: Diels, Kranz: Die Fragmente der Vorsokratiker I, (28 [18]), B 13, S. 243,11–12.
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Plutarch deutete demnach (I) das Subjekt von mhtßsato als die Göttin Aphrodite.31 Zudem (II) besaß Parmenides aus seiner Sicht eine Kosmogonie. Das Zeugnis Plutarchs ist insofern die einzige primäre Quelle zum Spruch des Parmenides, die mhtßsato nicht nur mit einer anonymen Gottheit verbindet32, sondern diese auch namentlich benennt und insofern nicht im Dunkeln lässt. Alle anderen Identifikationen beruhen auf mehr oder weniger schlüssigen Interpretationen und Vermutungen. (d) Gegen Ende der Spätantike verwies Simplikios in seinem Kommentar zur Physik des Aristoteles ebenfalls auf den Spruch des Parmenides über den Eros.33 Simplikios besaß noch einen unmittelbaren Zugang zum heute verschollenen Lehrgedicht des Parmenides. Ohne seine umfangreichen Zitate aus der Originalquelle bliebe die gegenwärtige Kenntnis dieses frühen griechischen Philosophen noch lückenhafter, als sie ohnehin schon ist. Simplikios verknüpfte die Rede des Parmenides vom Eros mit einem weiteren Zitat aus dessen verschollenem Werk, so dass sich folgender Argumentationsstruktur ergibt: I. In zentraler Stellung (n dÊ mÝsÃw toýtwn) existiert eine weibliche Gottheit (daßmwn)34, 31 Vgl. Wolfgang Schadewaldt: Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Die Vorsokratiker und ihre Voraussetzungen. Tübinger Vorlesungen, Bd. 1. Unter Mitw. v. Maria Schadewaldt hrsg. v. Ingeborg Schudoma. Frankfurt a. M. 1978, S. 347: „Irgendwo in der Mitte also ein großer Daimon, offenbar Aphrodite, die nun die ganze Weltentstehung in Gang bringt im Sinne einer Zeugung“. Eine andere Deutung legte Kurt Riezler vor (vgl. ders.: Parmenides [Frankfurter Studien zur Religion und Kultur V]. Frankfurt a. M. 1934, S. 70–71: „Die Göttin, die im zweiten Teil in den nacht- und lichterfüllten Kränzen des weherfüllten Geschehens über allem lenkend waltet, vor deren Thron im ersten Teil die himmlischen Mädchen den sehenden Mann auf ihren Rossen geleiten, hat einen Namen: \AlÞqeia. Ihr gilt vom ersten bis zum letzten Vers das Pathos dieser Lehre“). Über sein Verhältnis zu Reinhardt und Heidegger schrieb Rietzler im August 1933 (ebd., S. 7): „Ich hätte den Versuch nicht unternehmen können, wenn nicht in der Muße dieses Sommers Einsichten früherer Jahre hätten reifen können, für die ich Karl Reinhardts Arbeiten zur griechischen Philosophie und Martin Heidegger Einbruch in die Problematik der Seinsfrage dankbar verbunden bleibe.“ Vgl. Parmenides: Text, Übers., Einf. u. Interpr. v. Kurt Riezler. Zweite Aufl., bearb. u. mit einem Nachwort vers. v. Hans-Georg Gadamer (Quellen der Philosophie 12), Frankfurt a. M. 1970, S. 42, 94. 32 Zu mhtßsato (mhtßomai) vgl. (Henry George Liddell, Robert Scott): A Greek-English Lexicon compiled by Henry George Liddell and Robert Scott. Revised and augmented throughout by Sir Henry Stuart Jones with the assistance of Roderick McKenzie and with the cooperation of many scholars. With a revided supplement 1996. Oxford 1996, S. 1130a. 33 Vgl. (Simplikios): Simplicii in Aristotelis physicorum libros quattuor priores commentaria, ed. Hermannus Diels (Commentaria in Aristotelem graeca IX: Simplicii in physicorum libros quattuor priores). Berolini 1882. 34 Vgl. Hermann Fränkel: Parmenidesstudien. In: Nachrichten von der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-Historische Klasse 1930. Heft 2. Berlin 1930, S. 153–192, bes. S. 178–181 (,V. Die sinnliche Welt: ihr geschichteter Bau und die Daimon [A 37: B 10–15]‘) u. S. 181.
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II. Sie steuert von dort aus die Gesamtheit (¤ pÜnta kubernÁa~). III. Zugleich gilt sie als Ursache ( atßa) der Götter. IV. Als ersten dieser Numina erschuf sie den Eros: docastÎn ou }n kaÍ pathlÎn tou~ton kale¦ tÎn lügon ox ò yeudh~ plw ~ ò, ll' ò pÎ th~ò nohth~ò lhqeßaò eò tÎ fainümenon kaÍ dokou~n tÎ asqhtÎn kpeptwküta. met' lßga dÊ pÜlin perÍ tw ~ n due¦n stoixeßwn epw ~n pÜgei kaÍ tÎ poihtikÎn lÝgwn oÖtwò a gJr steinüterai plh~nto purÎò akrÞtoio, a d' pÍ ta¦ò nuktüò, metJ dÊ flogÎò Ôetai ai }sa. n dÊ mÝsÃw toýtwn daßmwn ¤ pÜnta kubernÁa~.35 taýthn kaÍ qew ~ n atßan ei }nai fhsi lÝgwn prþtiston mÊn ÇErwta qew ~ n mhtßssato pÜntwn36 kaÍ tJ ch~ò. kaÍ tJò yuxJò pÝmpein potÊ mÊn k tou~ emfanou~ò eò tÎ eidÝò, potÊ dÊ nÜpalßn fhsin.37 Die Forschung verdankt Simplikios demnach die Überlieferung einer authentischen Aussage des Parmenides über wichtige Aspekte seiner mysteriösen Gottheit. 2. Doxographische Mitteilungen zur Götterlehre des Parmenides (a) Fragment 13 des Parmenides über die Genesis des Eros besteht nur aus einem Satz. An seiner Authentizität lässt sich nicht zweifeln, da vier antike Quellen existieren, die den Text übereinstimmend überliefern und Parmenides zuschreiben. Entsprechend dieser Überlieferungslage geriet das Fragment daher in den Blick der Parmenides-, Platon-, Aristoteles- und Simplikios-Forschung. Aber auch Mythologen, die sich für die frühe griechische Götterwelt interessierten, untersuchten es. Selbst Kulturwissenschaftler zogen das Fragment gelegentlich bei ihrer Deutung des griechischen Eros herbei. (b) Dabei trat eine grundsätzliche Schwierigkeit auf: Platon und Aristoteles ließen das Subjekt des Satzes offen, Plutarch identifizierte es mit der Aphrodite und Simplikios überlieferte einige andere Verse des Parmenides, die von einem
35 Ders.: Ebd., 39,12. In: Diels, Kranz: Die Fragmente der Vorsokratiker I, (28 [18]), B 12, S. 242,12–243,2 (S. 242–243: „Denn die engeren Ringe wurden angefüllt mit ungemischtem Feuer, die auf diese folgenden mit Nacht, dazwischen aber stürzt der Flamme Anteil. Und inmitten von diesen ist die Daimon (Göttin), die alles lenkt. Denn überall regt sie grausige Geburt und Paarung an, indem sie dem Männlichen das Weibliche zur Paarung sendet und umgekehrt wieder das Männliche dem Weiblichen“). 36 Ders.: Ebd. In: Diels, Kranz: Die Fragmente der Vorsokratiker I, (28 [18]), B 13, S. 243,16. 37 Simplikios: Phys., S. 39,10–20.
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mysteriösen weiblichen Dämon sprechen. Diese Unklarheit erschwerte die Rekonstruktion der parmenideischen Kosmologie und Theogonie. Bei der Bedeutung dieser Frage für ein Verständnis der Philosophie des Parmenides entwickelte sich das Problem daher allmählich zu einem wichtigen Gegenstand der Forschung und führte zu umfangreichen Diskussionen.38 (c) Manche Kenner der frühen griechischen Philosophie bezweifelten die Authentizität der Mitteilung Plutarchs, denn die Identifizierung des zentralen Daimons mit der Aphrodite, die sich aus seinen Angaben ergab, bringt Probleme mit sich: Parmenides sprach doch vom Eros als ältester Gottheit. Wie konnte ihn dann eine Göttin erzeugen? Er wäre dann ja nicht die älteste Gottheit. Ist ein derartiger Widerspruch einem Denker wie Parmenides, der doch an anderer Stelle seines Werks die abstraktesten Gedankengänge entwickelte, zuzutrauen? Wer oder was ist dieser mysteriöse Dämon des Parmenides? Alle, die sich mit der Mitteilung des Plutarch nicht zufrieden geben oder ganz auf die Lösung derartiger Probleme verzichten wollten39, hielten daher nach weiteren antiken Zeugnissen Ausschau. Wenn sich keine authentischen Texte des Parmenides dazu mehr finden ließen, konnte vielleicht die Überlieferung seiner Lehre bei den antiken Doxographen weiterhelfen. (d) Dort brauchte man nicht lange zu suchen; es fand sich nämlich ein Dokument aus der spätantiken doxographischen Literatur, das inhaltlich und textlich den oben genannten Versen aus dem Lehrgedicht des Parmenides, die Simplikios überliefert hat, sehr ähnelt. Es geht dort um die Lehre des Parmenides vom Ursprung ( rxÞ) und der Ursache ( atßa) der Bewegung ( kßnhsiò) sowie des Entstehens ( genÝsiò), die Parmenides nach Angaben der Doxographen mit verschiedenen divinalen Nomina bezeichnete, indem er sie als steuernde Göttin (daßmona kubernh~tin), Losverwahrerin (, klÂhdou~ xoò), Dike ( dßkh) oder Notwendigkeit ( nÜgkh) bezeichnete:
38 Zu Heideggers Auffassung des Daimonion vgl. ders.: Parmenides. Freiburger Vorlesung Wintersemester 1942/43. Hrsg. v. Manfred S. Frings (Martin Heidegger Gesamtausgabe. II. Abt.: Vorlesungen 1923–1944, Bd. 54). Frankfurt a. M. 1982, S. 147–155, bes. S. 151: „Wir finden schwer hin zu diesem einfachen Wesen des daimünion, weil wir das Wesen der lÞqeia nicht erfahren. Denn die daßmoneò, die Sichzeigenden, Weisenden, sind die, die sie sind, und sind so, wie sie sind, nur im Wesensbereich der Entbergung und des sich entbergenden Seins selbst.“ 39 Vgl. (Geoffrey S. Kirk, John E. Raven, Malcolm Schofield): Die vorsokratischen Philosophen. Einführung, Texte u. Kommentare v. Geoffrey S. Kirk, John E. Raven, Malcolm Schofield ins Deutsche übers. v. Karlheinz Hülser. Stuttgart/Weimar 1994, S. 285: „Was von Parmenides’ astronomischem System an Zeugnissen auf uns gekommen ist, ist dürftig und so kurz bzw. so unklar, daß es unmöglich ist, mit irgendwelcher Überzeugungskraft eine kohärente Darstellung seiner ungewöhnlichen Theorie von »Kränzen« oder Ringen zu rekonstruieren.“
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tw~n dÊ summigw~n tÌn mesaitÜthn pÜsaiò tokÝa pÜshò kinÞsewò kaÍ genÝsewò pÜrxein, Óntina kaÍ daßmona kubernh~ tin kaÍ klÂhdou~xon ponomÜzei dßkhn te kaÍ nÜgkhn.40 Dieses Zeugnis gibt demnach einige wichtige Informationen zur Theogonie des Parmenides; die Bedeutung der doxographischen Angaben dazu blieb jedoch umstritten. 3. Der Satz des Parmenides über den Eros bei Karl Reinhardt (a) Die Theogonie des Parmenides, die rätselhafte zentrale Daimon und der Eros erregten auch in der Neuzeit große Aufmerksamkeit. Die Entwicklungsgeschichte entsprechender Deutungen, die im 19. Jahrhundert einen Höhepunkt erreichte, bedarf noch der näheren Erforschung. Als Ergebnis und Weiterführung dieser Bemühungen legte Karl Reinhardt 1916 eine ungewöhnliche Studie zur Philosophie der frühen griechischen Philosophie vor und versuchte dort einen neuen Blick auf das Denken der Eleaten, wobei Parmenides im Mittelpunkt stand.41 Nach allgemeiner Auffassung brach mit diesem Buch eine neue Epoche der ParmenidesForschung an. Auch Heidegger stand schon früh unter dem Einfluss Reinhardts und zeigte sich von den Leistungen dieses Philologen sehr beeindruckt.42 Schon zu Beginn der 40 Vgl. (Hermann Diels): Doxographi Graeci coll. rec. prolegomenis indicibusque instr. Hermannus Diels. Editio quarta. Exemplar editionis primae anni MDCCCLXXIX Lucis ope impressa. Berolini 1965, S. 335b,12–16; vgl. Diels, Kranz: Die Fragmente der Vorsokratiker I, (28 [18]), A 37, S. 224,7–10 (vgl. die Übers. bei Kirk, Raven, Schofield: Die vorsokratischen Philosophen, S. 284: „Von den gemischten Kränzen sei der mittelste für alle Kränze der Anfang und die Ursache der Bewegung und der Entstehung; diesen Kranz bezeichnete er als die Göttin, die alles steuert, ferner als die Losverwahrerin, als die Gerechtigkeit und als die Notwendigkeit“). 41 Vgl. Karl Reinhardt: Parmenides und die Geschichte der griechischen Philosophie. Bonn 1916. 42 Vgl. Heidegger: Einführung in die Metaphysik. Freiburger Vorlesung Sommersemester 1935. Hrsg. v. Petra Jaeger (Martin Heidegger Gesamtausgabe. II. Abt.: Vorlesungen 1923–1944, Bd. 40). Frankfurt a. M. 1983, S. 115: „Die jüngste Sophoklesauslegung (1933), die wir Karl Reinhardt verdanken, kommt dem griechischen Dasein und Sein deshalb wesentlich näher als alle bisherigen Versuche, weil Reinhardt aus den Grundbezügen von Sein, Unverborgenheit und Schein das tragische Geschehen sieht und befragt. Wenn auch oft noch neuzeitliche Subjektivismen und Psychologismen hereinspielen, die Auslegung des Oedipus Tyrannus als der »Tragödie des Scheins« ist eine großartige Leistung“. Nicht nur der frühe Heidegger war von der exegetischen Leistung des Meisterphilologen tief beeindruckt, noch im hohen Alter äußerte er in dem berühmten Seminar mit Eugen Fink über Heraklit seinen Respekt vor den Verdiensten Reinhardts um die Erforschung der frühen griechischen Philosophen (vgl. Dies.: Heraklit. Seminar Wintersemester 1966/ 1967. Frankfurt a. M. 1970, S. 41: „Es sind gerade 30 Jahre her, als ich in der Zeit, in der ich die drei Vorträge über den Ursprung des Kunstwerkes hielt, mit Karl Reinhardt in seiner Dachstube lange über Heraklit gesprochen habe. Dabei erzählte er mir von seinem
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20er Jahre des 20. Jahrhunderts setzte er sich mit dessen Werk aufmerksam auseinander, arbeitete Reinhardts Ergebnisse in seine Vorlesungen ein, formulierte aber auch begründete Bedenken.43 Der ganze Reichtum der Analysen Reinhardts lässt sich hier nur anzudeuten. Er arbeitete vor allem den Zusammenhang zwischen den beiden Teilen des parmenideischen Lehrgedichtes heraus und schenkte auch jenen Fragmenten, die vermutlich aus einem zweiten, doxogaphischen Teil des Lehrgedichts stammen, große Aufmerksamkeit. (b) In diesem Zusammenhang analysierte er ebenfalls das rätselhafte Daimonion des Parmenides und ging dabei von dem aus Simplikios bekannten Fragment des Parmenides über diese alles lenkende zentrale Göttin aus. Diesen Hinweis verknüpfte er mit einem bisher kaum beachteten doxographischen Zeugnis Ciceros zu den primordialen Gottheiten des Parmenides aus De natura deorum.44 Reinhardt gewann auf diese Weise einen Einblick in die Grundzüge der Theogonie dieses frühen griechischen Philosophen: „Nam Parmenides quidem commenticium quiddam: coronae simile efficit (stefanen appellat), continente ardore lucis orbem, qui cingit caelum, quem appellat deum; in quo neque figuram divinam neque sensum quisquam suspicari potest, multaque eiusdem ,modi‘ monstra: quippe qui B e l l u m , qui D i s c o r d i a m , qui C u p i d i t a t e m ceteraque generis eiusdem ad deum revocat quae vel m o r b o vel s o m n o vel o b l i v i o n e vel v e t u s t a t e delentur“.45 Plan, einen überlieferungsgeschichtlichen Kommentar zu Heraklit zu schreiben. Hätte er diesen Plan verwirklicht, so wäre uns heute vieles erleichtert“). 43 Zu Heideggers früher Auseinandersetzung mit Parmenides vgl. ders.: Phänomenologische Interpretationen ausgewählter Abhandlungen des Aristoteles zur Ontologie und Logik. Anhang: Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles (Anzeige der hermeneutischen Situation). Ausarbeitung für die Marburger und die Göttinger philosophische Fakultät, Frühe Freiburger Vorlesung Sommersemester 1922. Anhang: Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles (Anzeige der hermeneutischen Situation). Ausarbeitung für die Marburger und die Göttinger Philosophische Fakultät (Herbst 1922). Text des Typoskripts mit den handschriftlichen Zusätzen und Randbemerkungen des Autors aus seinem Exemplar. Hrsg. v. Günther Neumann (Martin Heidegger Gesamtausgabe. II. Abt.: Vorlesungen 1919–1944, Bd. 62). Frankfurt a. M. 2005, S. 209–231 (,§ 25. Exkurs: Auszugsweise Auslegung und Übersetzung des Parmenideischen Lehrgedichtes‘), bes. 213– 214; ders.: Die Grundbegriffe der antiken Philosophie. Marburger Vorlesung Sommersemester 1926. Hrsg. v. Franz-Karl Blust (Martin Heidegger Gesamtausgabe. II. Abt.: Vorlesungen 1919–1944, Bd. 22). Frankfurt a. M. 1993, S. 62–77 (,Parmenides und die Eleaten‘), bes. 63–65; vgl. Günther Neumann: Heideggers frühe Parmenides-Auslegung. In: Hans-Christian Günther, Antonius Rengakos (Hrsg.): Heidegger und die Antike (ZETEMA 126). München 2006, S. 133–174. 44 Vgl. Reinhardt: Parmenides, S. 17: „Einen guten Schritt der Lösung entgegen führt uns zunächst die Göttin selber. Man hat bisher ein wichtiges Zeugnis über sie noch nicht ausgenutzt, das Zeugnis Ciceros de nat. deor. I, 11, 28 (Fr. A 37) . . . “ 45 Cicero: De nat. deor. I, 11, 28. In: Reinhardt: Parmenides, S. 17 (vgl. Diels, Kranz: Die Fragmente der Vorsokratiker I, (28 [18]), A 37, S. 224,14–20); ders.: De natura deo-
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Aus der Perspektive Reinhardts erscheinen ,bellum‘, ,discordia‘, ,cupiditas‘, ,morbus‘, ,somnus‘, ,oblivio‘ und ,vetustas‘ als die lateinischen Termini für Gottheiten des Parmenides, die sich auf vergleichbare Weise auch in Hesiods Theogonie finden.46 Darüber hinaus sicherte Reinhardt diese mysteriöse Götterkonstellation mit dem Satz des Parmenides zum Eros ab.47
rum. Über das Wesen der Götter. Lateinisch/Deutsch. Übers. u. hrsg. v. Ursula BlankSangmeister. Nachw. v. Klaus Thraede. Stuttgart 1995, S. 32: „Nam Parmenides quidem commenticium quiddam: coronae similem efficit – stefÜnhn appellat – continentem ardorum lucis orbem, qui cingit caelum, quem appellat deum; in quo neque figuram divinam neque sensum quisquam suspicari potest. Multaque eiusdem monstra, quippe qui bellum, qui discordiam, qui cupiditatem ceteraque generis eiusdem ad deum revocet, quae vel morbo vel somno vel oblivione vel vetustate delentur; eademque de sideribus, quae reprehensa in alio iam in hoc omittantur“ (S. 33: „Parmenides freilich dachte sich etwas ganz Abwegiges aus: Er erdichtet ein kranzförmiges Gebilde – er nennt es stepháne –, einen ununterbrochenen feurigen Lichterkreis, der den Himmel umspannt und den er als Gott bezeichnet; darin kann aber niemand eine göttliche Gestalt oder Empfindungsvermögen auch nur vermuten. Und er bringt noch viele andere Abstrusitäten vor; denn er führt Krieg, Zwietracht, Begierde und die übrigen ähnlichen Übel, die durch Krankheit, Schlaf, Vergessen oder Alter wieder vergehen, auf die Gottheit zurück. Und dasselbe behauptet er von den Gestirnen, was jedoch, da es schon bei einem anderen Philosophen gerügt wurde, bei ihm jetzt nicht weiter kommentiert werden soll“; Kommentar: Ebd., S. 380); ders.: Vom Wesen der Götter. Drei Bücher lateinisch – deutsch. Hrsg., übers. u. erl. v. Walter Gerlach u. Karl Bayer. München 1978, S. 36–39 (Kommentar: Ebd., S. 587–589). 46 Vgl. Reinhardt: Parmenides, S. 17: „Unter diesen sonderbaren Worten stecken doch offenbar die Gestalten QÜnatoò, ÄUpnoò, LÞqh, Gh~ raò, eine aus Sage und bildender Kunst uns wohlvertraute Schar, als Kinder der Nacht allsamt aufgezählt in Hesiods Theogonie (v. 211 ff.): NÏc d' æteken stugerün te Müron kaÍ Kh~ ra mÝlainan kaÍ Q Ü n a t o n, tÝke d' ÄUp n o n, ætikte dÊ fu~lon \OneÍrwn . . . tßkte dÊ kaÍ NÝmesin, ph~ma qnhto¦si broto¦si, NÏc loÞ. metJ tÌn d' \ApÜthn tÝke kaÍ Filüthta G h~ r a ò t' olümenon, kaÍ ÇE r i n tÝke karterüqumon. atJr ÇEriò stugerÌ tÝke mÊn Pünon lginüenta L Þ q h n te Limün te kaÍ ÇAlgea dakruüenta.“ (vgl. Hesiod: Theogonia, S. 14,211–212,223–227; ders.: Theogonie, S. 61: „Die Nacht aber gebar das verhaßte Geschick und das schwarze Verderben / und den Tod. Sie gebar auch den Schlaf. Sie gebar auch das Geschlecht der Träume / . . . Sie gebar auch als ein Unglück für die sterblichen Menschen die Nemesis, / die verderbenbringende Nacht. Nach ihr gebar sie die Täuschung und die Liebesleidenschaft, / das verderbliche Alter gebar sie und die starkmutige Eris. / Aber die böse Eris gebar die schmerzerfüllte Mühe / und die Vergessenheit und den Hunger und die tränenreichen Schmerzen / . . .“). 47 Vgl. ders.: Ebd., S. 17–18: „Es ist ausgeschlossen, daß Cicero sich diese Gestalten aus den Fingern gesogen hätte, sie müssen bei Parmenides genannt gewesen sein, und zwar, wie Cicero bezeugt, zur Gottheit in Beziehung gesetzt; das heißt doch wohl, die Göttin hatte sie geboren, wie sie auch das Gegenteil dieser vier Mächte der Zerstörung, den ÇErwò geboren hat. Daß ÇErwò an der Spitze einer ganzen Generation von Kräften
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Dabei fiel Licht auf die kosmologisch-theogonischen Vorstellungen des Parmenides: Der Grundriss eines archaischen Weltbildes trat zutage, das im Wesentlichen auf gegensätzlich konfigurierten Mächten bzw. göttlichen Potenzen beruht, die ein zentrales Daimonion gruppiert und steuert.48 In Kombination mit anderen Informationen aus Resten des verlorenen ,Lehrgedichtes‘ zeichnete Reinhardt insofern nicht nur die Umrisse der Götterlehre des Parmenides, sondern auch das Bild jener chaotischen Urstruktur, die „eine Art Urtypus darstellen“ „sollte“, „der sich im gesamten Kosmos wie in jedem Einzelding unendlich angewandelt wiederhole“.49 Ob Reinhardts Re-Konstruktion aller Kritik standhält, steht hier nicht zur Diskussion. Sicher ist jedoch, dass er nicht nur Fragmente und Stellen anhäufte: Parmenides erschien ihm vielmehr als ein Visionär, der ein großartiges Bild vom Ursprung aller Dinge entwarf, dessen ungewöhnlicher und fremdartiger Charakter deutlich seine Herkunft aus der Welt der frühen Griechen verrät. Heidegger hat sich von diesen Analysen inspirieren lassen. III. 1. Heidegger zum Eros des Parmenides in der Heraklit-Vorlesung (a) Wie die Vorgeschichte zeigt, betrifft Heideggers Notiz zum Eros des Parmenides nichts Nebensächliches. Wer sich damit auseinandersetzt, gerät vielmehr in eines der schwierigsten Probleme der Parmenides-Forschung. Heidegger ging in
stand, ergibt sich ohnehin aus Simplicius phys. 39,18 (Fr. 13): taýthn (sc. tÌn daßmona) kaÍ qew~n atßan ei }naß fhsi lÝgwn `p r þ t i s t o n m Ê n Ç E r w t a q e w~ n m h t ß s a t o p Ü n t w n ‘.“ 48 Vgl. ders.: Ebd., S. 18: „Und die Liebe fordert ihr Komplement. So stehen einander gegenüber auf der einen Seite die Mächte der Zeugung, des Gedeihens, des Wachstumes, des Friedens, auf der anderen Seite Schlaf und Tod, Vergessen und Altern, Krieg, Welken und Untergang. Und die Göttin gebietet nicht nur über die Stoffe, sondern auch über die Kräfte, die in ihnen wirken, über die Erscheinungen und wechselnden Gesichter und Bedeutungen des Lebens, die in ihnen zutage treten und wieder in die Nacht versinken. Sie ist der Mittelpunkt, in dem alle Gegensätze sich wie die Radien eines Kreises treffen. Und unter den Gegensätzen sondern sich zwei Gruppen, hier die räumlich rings um sie gelagerten Stoffe der Welt, das Leichte und Schwere, Dünne und Feste, dort die geistig ihr entsprungenen Kräfte des Entstehens und Vergehens. Aber es gibt einen durchgehenden Gegensatz, der beide Gruppen umfasst: der Gegensatz des Lichtes und der Finsternis, und all die unzähligen Kontraste, die die Natur uns zeigt, sind nur Abwandlungen und Differenzierungen jener beiden Urformen der Erscheinung. Das Leichte und Dünne ist gleichsam eine Fortentwicklung aus dem Feurigen und Hellen, wie das Schwere und Feste aus dem Dunklen, ÇErwò eine Erscheinungsform des Lichtes, wie QÜnatoò, ÄUpnoò, Gh~ raò, LÞqh Kinder der Nacht.“ 49 Ders.: Ebd., S. 19.
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seiner Notiz zu den Hegel-Seminaren allerdings noch nicht über die Angaben der Vorsokratiker-Ausgabe von Diels-Kranz hinaus; er ergänzte den Spruch des Parmenides über den Eros lediglich mit dem Zusatz „( daßmwn)“ 50, ohne sich auf eine nähere Identifikation jener rätselhaften Gottheit des Parmenides, die den Eros hervorgebracht haben soll, näher einzulassen. Allerdings fügte er dem Zitat eine eigene spezifische Übersetzung bei.51 Dabei blieb Heidegger jedoch nicht stehen, sondern durchdachte dieses Zeugnis des frühen griechischen Denkens aus der Perspektive seiner eigenen Philosophie. Zur Einsicht dessen bieten die Stichworte, die er dem griechischen Text und seiner Übersetzung hinzugefügt hat, erste Anhaltspunkte: „fýsiò – ærwò – lÞqeia å – | Ent-bergen |“.52 Indem Heidegger die Termini fýsiò, lÞqeia und „Ent-bergen“ festhielt, arbeitete er mit fundamentalen Grundbegriffen seines späten Denkens. Offen bleibt jedoch, was sie hier – in ihrer spezifischen Verknüpfung mit ærwò – konkret bedeuten. Es ist sicher kein Zufall, dass er den ærwò zwischen fýsiò und lÞqeia setzte; diese Konfiguration besitzt einen tieferen Sinn, der sich dem Nachdenken allerdings nicht unmittelbar erschließt. (b) Glücklicherweise existiert eine umfangreiche Parallelstelle aus Heideggers Vorlesungen, die zur Lösung des Problems wichtige Hinweise bereithält. Heideggers Notizen über Hegel zu Anfang der 40er Jahre gehören nämlich nicht nur zu seinen übrigen Hegel-Texten, sondern auch zu jenen Vorlesungen, die er damals in Freiburg vortrug. Die hier diskutierte Notiz aus den Hegel-Seminaren stammt aus dem SS 42. Ein Jahr später, im SS 43, hielt Heidegger in Freiburg eine Vorlesung über Heraklit mit dem Titel Der Anfang des abendländischen Denkens,53 die auch zahlreiche Anspielungen auf Hegel und Auseinandersetzungen mit ihm enthält: Damals befasste sich Heidegger gleichzeitig mit dem Anfang der Philosophie und der Vollendung der abendländischen Metaphysik bei Hegel.
Vgl. Anm. 6 u. 14. Vgl. Anm. 6. 52 Vgl. Anm. 6. 53 Vgl. Heidegger: Heraklit. 1. Der Anfang des abendländischen Denkens. 2. Logik. Heraklits Lehre vom Logos. Freiburger Vorlesung Sommersemester 1943 und Sommersemester 1944. Hrsg. v. Manfred S. Frings (Martin Heidegger Gesamtausgabe, II. Abt.: Vorlesungen 1923–1944, Bd. 55). Frankfurt a. M. 1979. 50 51
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Als sich Heidegger in der Heraklit-Vorlesung der Auslegung des Spruchs „fýsiò krýptesqai file¦.54 »Das Aufgehen dem sich Sichverbergen schenkt’s die Gunst«.“ 55 widmete, stieß er auf einen Zusammenhang von Entbergen (fýsiò – „aufgehendes Erscheinen“), Liebe (filßa / file¦ – „Gunst“)56 und Verbergung (krýptesqai – „Sichverbergen“).57 Im Hinblick darauf wehrte er zunächst eine Missdeutung ab: Diese Beziehung lässt sich aus seiner Sicht nicht mit Hegelscher Dialektik erhellen.58 Heidegger versuchte daher, das Grundgefüge von Verbergung und Entbergung von der filßa her, die er mit „Gunst“ übersetzte, zu erklären.59 Zugleich wehrte er ein Missverständnis ab: Liebe und Eros galten ihm nicht als subjektive Erlebnisse aus dem Unterbewusstsein des Menschen, wie es die Psychoanalyse postuliert, sondern als basale Seinsmacht. Zur Unterstützung dieser Deutung berief er sich auf das 13. Fragment des Parmenides, da Eros dort als erster aller Götter erscheint und übersetzte die knappe Sentenz erneut. Bei dieser neuen Übertragung setzte Heidegger andere Akzente: Übertrug er zunächst mhtßsato mit „ersann[en] sie“,60 so heißt es jetzt (auch grammatisch richtiger): „erraten hat (sie).“ 61 54 Vgl. Diels, Kranz: Die Fragmente der Vorsokratiker I: Herakleitos (22 [12.]) B 123, S. 178,8–9: „THEMIST. Or. 5 p. 69 fýsiò dÊ kaq' ¢Hrakleitou krýptesqai filei“ (ebd.: „Die Natur [das Wesen] liebt es sich zu verbergen“). 55 Heidegger: Der Anfang des abendländischen Denkens, S. 131; vgl. ders.: Einführung in die Metaphysik, S. 121–122: „Wir beschließen die Aufhellung des Gegensatzes, d. h. zugleich die Einheit von Sein und Schein mit einem Wort Heraklits (Frg. 123): fýsiò krýptesqai filei: Sein [aufgehendes Erscheinen] neigt in sich zum Sichverbergen.“ 56 Vgl. Hildebrecht Hommel an Heidegger, 21.8.1955. In: Heidegger: Vorträge und Aufsätze. Text der durchgesehenen Einzelausgabe mit Randbemerkungen des Autors aus seinen Handexemplaren. Hrsg. v. Friedrich-Wilhelm von Herrmann (Martin Heidegger Gesamtausgabe. I. Abt.: Veröffentlichte Schriften 1910–1976, Bd. 7). Frankfurt a. M. 2000, S. 297–298 (,Nachwort des Herausgebers‘): „. . . »S. 69 In fr. 123 heißt file¦ wohl nicht ,es liebt‘, sondern ,es hat zu eigen‘; denn nach einer schon in den 90er Jahren gemachten, auch in der Zunft sich nur langsam durchsetzenden Entdeckung (Johansson, Indogerman. Forschungen II) heißt (s)fßloò ursprünglich – mit sfß zusammenhängend – ,mein, dein, sein (usw.) Eigener‘, also eine Art Äquivalent des Poss.-Pronomens.« Der Aufsatz von Johansson trägt den Titel: K. F. Johansson: Sanskritische Etymologien. In: Indogermanische Forschungen. Zeitschrift für Indogermanische Sprach- und Altertumskunde. II. Band, Erstes und Zweites Heft. Verlag Karl J. Trübner, Strassburg 1892, S. 1–64, hier S. 7.“ 57 Vgl. Anm. 55; vgl. auch Heidegger: Der Anfang des abendländischen Denkens, S. 109–141 (§§ 5–6). 58 Vgl. Heidegger: Der Anfang des abendländischen Denkens, S. 116, 126–127. 59 Vgl. ders.: Ebd., S. 132. 60 Vgl. Anm. 6. 61 Heidegger: Der Anfang des abendländischen Denkens, S. 132.
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Mit dieser eigenwilligen Translation verknüpfte er dann eine ebenso eigentümliche Interpretation: „Er-raten meint hier voraus-sagend er-sinnen, im Sinnen das Nötige aller Not als den Vor-rat stiften.“ 62 Der Gott Eros entspringt insofern einer höheren Stiftung, deren Urheber Heidegger hier nicht ohne Grund unbestimmt ließ. Dass Platons Symposion, aus dem der Spruch des Parmenides stammt, hier nicht weiterhilft, gibt er ebenfalls zu bedenken63; er kannte demnach die Problematik dieser Sentenz: „,Eros‘ . . . ist der dichtende Name für das denkende Wort ,die Gunst‘“ 64; er verweist auf das innere „Wesen“ der Physis. Darüber hinaus unterstrich Heidegger: Eros ist ein Gott; was aber die Griechen als Götter bezeichnen, überließ er einer anderen Besinnung65: „Zuvor aber müssen wir versuchen, erst einen Blick zu tun in den wechselweisen Wesensbezug, der mit dem Namen filßa, file¦n – Gunst, hier genannt sei. Das Aufgehen gönnt dem Sichverbergen, daß dieses im eigenen Wesen des Aufgehens wese; das Sichverbergen west aber, indem es dem Aufgehen vergönnt, das Aufgehen zu ,sein‘. In der fýsiò waltet die Gunst; nicht irgendeine Gunst und Vergünstigung, sondern die Gunst im Sinne des Gönnens, das nichts anderes gönnt als das Vergönnen, die Gewährung und Wahrung dessen, als was das Aufgehen west. Wenn für den modernen Menschen, der knapp drei Jahrhunderte alt ist, nicht schon alles in das Subjektive und Erlebnismäßige umgebogen, durch das rechnende Bewußtsein bewußt gemacht und d. h. zugleich in die fatale Region des sogenannten Unbewußten abgeschoben wäre, dann könnten wir jetzt ohne Gefahr der Mißdeutung auf ein Wort des Denkers Parmenides verweisen, der mit Heraklit den Anfang denkt. Das Wort des Parmenides (Fragment 13) lautet: prþtiston mÊn ÇErwta qew ~ n mhtßsato pÜntwn. »Als ersten freilich Eros der Götter erraten hat (sie) aller.« Er-raten meint hier voraus-sagend er-sinnen, im Sinnen das Nötige aller Not als den Vor-rat stiften. ,Eros‘, wesentlich gedacht, ist der dichtende Name für das denkende Wort ,die Gunst‘, sofern dieses Wort das jetzt dämmernde Wesen der fýsiò nennt. Wer
Ders.: Ebd. Ders.: Ebd., S. 132–133. 64 Ders.: Ebd., S. 132. 65 Vgl. ders. Hölderlins Hymnen »Germanien« und »Der Rhein«. Freiburger Vorlesung Wintersemester 1934/35. Hrsg. v. Susanne Ziegler (Martin Heidegger Gesamtausgabe. II. Abt.: Vorlesungen 1923–1944, Bd. 39). Frankfurt a. M. 1980, S. 190: „Mythos und Kultus des Dionysos hat jetzt Walter F. Otto in seinem schönen und wertvollen Buch »Dionysos«, 1933, dargestellt. Otto hat auch – freilich ohne die entscheidenden metaphysischen Zusammenhänge zu berühren – die eben dargelegte Deutung des Maskenwesens des Dionysos, die ich ihm gelegentlich seines hiesigen Vortrages über Dionysos vor einigen Jahren vorgelegt habe, in sein Buch aufgenommen (S. 85 ff.). Vgl. des Verfassers größeres Werk »Die Götter Griechenlands «, 1. Auflage 1929, 2. unveränderte Auflage 1934“; Walter F. Otto: Die Götter Griechenlands. Das Bild des Göttlichen im Spiegel des griechischen Geistes. Bonn 1929. 62 63
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hier nach dem Wort des Parmenides das Erraten vollbringt, läßt sich aus dem in Platons »Symposion« angeführten Wort nicht unmittelbar ausmachen. Das Wort des Parmenides soll jetzt nur verdeutlichen, daß im Anfang das Bezughafte west, weder ein Ding noch ein Zustand. Das Wort des Parmenides läßt sich aber vor allem nur dann nachdenken, wenn wir einen zureichenden Begriff dessen denken, was die Griechen qeoß nennen.“ 66
2. Eros und Moira bei Parmenides (a) Der Spruch des Parmenides ließ Heidegger nicht los. Das beweist eine Aufzeichnung aus einer Textsammlung mit dem Titel Aus der Erfahrung des Denkens, die Paola-Ludovika Coriando als zweiten Teil des Bandes Gedachtes 2007 innerhalb der Heidegger-Gesamtausgabe ediert hat.67 Dieses Manuskript entstand „Ende der dreißiger und in den vierziger Jahren“.68 Dort befindet sich eine weitere Notiz Heideggers zum mysteriösen Gott des Parmenides: „Prþtiston mÊn ÇErwta Qew ~n mhtßsato pÜntwn . . . »als höchsten zuerst freilich Eros unter den Göttern be-dachte (Moira) von allen . . .« Parmenides nach Plato, Symposion 178 B.“ 69 (b) Nicht nur der Zeitraum dieser Notiz, sondern auch ihr Stil passt zu den Aufzeichnungen aus den Hegel-Notizen und der Heraklit-Vorlesung; es handelt sich hier ebenfalls um ein wörtliches Zitat mit einer kurzen eigenen Übersetzung. Aber es gibt auch einige gewichtige Differenzen; Heideggers erneute Reaktion auf die mysteriöse Sentenz des Parmenides zum Eros weist nämlich einige Besonderheiten auf; der Denker hat sich nicht lediglich wiederholt: I. Als Quelle bezog sich Heidegger hier nicht auf die Fragmente der Vorsokratiker, sondern gab unmittelbar Platons Symposion an.70 II. Der archaische Gott Eros erscheint nicht als der „Voraufkommende“ oder der „erste“, sondern als „höchster“ aller Götter. Dabei handelt es sich um eine bedeutende Akzentverschiebung: Eros steht nicht mehr am Anfang des theogonischen Prozesses, sondern er nimmt gemäß dieser Auslegung den höchsten Platz unter den Göttern ein.
Heidegger: Der Anfang des abendländischen Denkens, S. 132–133. Ders.: Gedachtes. Hrsg. v. Paola-Ludovika Coriando (Martin Heidegger Gesamtausgabe. III. Abt.: Unveröffentlichte Abhandlungen. Vorträge – Gedachtes, Bd. 81). Frankfurt am Main 2007, S. 49–275 (,II. Aus der Erfahrung des Denkens‘). 68 Nachwort der Herausgeberin, ebd., S. 357. 69 Heidegger: Gedachtes, S. 258 (,II. Aus der Erfahrung des Denkens. 15. Furchen‘). 70 Vgl. Anm. 24. 66 67
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III. Darüber hinaus machte Heidegger auch einen konkreten Vorschlag zur Identifizierung des Dämonischen als Ursprung des Eros: Er griff auf die Moira, eine andere Gottheit des Parmenides, zurück und stellte sie in den Mittelpunkt der Deutung des Fragments. IV. Hinsichtlich der Übertragung der zentralen Verbalform mhtßsato wählte Heidegger statt „ersann sie“ und „erraten hat (sie) “ nun „be-dachte (Moira)“. V. Die anschließenden Punkte bei der Übersetzung lassen zudem erkennen, dass Heidegger diese von Platon überlieferte Sentenz des Parmenides für ein Satzbruchstück hielt. 3. Späte Überlegungen Heideggers zur Moira bei Parmenides (a) Welche Motive Heidegger bewogen haben, nun die geheimnisvolle zentrale Gottheit des Parmenides mit der ,Moira‘ zu identifizieren, lässt sich aus der oben genannten Aufzeichnung nicht entnehmen. In diesem Zusammenhang bleibt lediglich zu bedenken, dass er ihr in seinen späten Parmenides-Deutungen eine bedeutende Stellung gewährte.71 So erarbeitete er im Zusammenhang mit der späten Freiburger Vorlesung Was heißt Denken? ein Manuskript72, das er 1954 unter dem Titel Moira (Parmenides, Fragment VIII, 34–41) (1952) in dem Sammelband Vorträge und Aufsätze publizierte.73 Der Text gehört demnach in einen Zusammenhang mit jenen Überlegungen zu Parmenides, mit denen Heidegger seine Vorlesung im SS 1952 schloss.74 Er behandelt hier nicht den Satz des Parmenides vom Eros, aber er diskutiert einen parmenideischen Satz, der von der Göttin Mo¦ra handelt. Heidegger nimmt insofern die Auseinandersetzung mit den parmenideischen Gottheiten
71 Heidegger hat auch andere Gottheiten aus den Fragmenten des Parmenides näher untersucht (vgl. ders.: Einführung in die Metaphysik, S. 175: „Schließlich bleibt Parmenides selbst für den denkerischen Gebrauch des Wortes dßkh im Sagen vom Sein ein maßgebender Zeuge. Dßkh ist ihm die Göttin. Sie verwahrt die wechselweise schließenden und öffnenden Schlüssel zu den Toren des Tages und der Nacht, d. h. zu den Wegen des [enthüllenden] Seins, des [verstellenden] Scheins und des [verschlossenen] Nichts. Dies will sagen: Das Seiende eröffnet sich nur, indem der Fug des Seins gewahrt und bewahrt wird. Das Sein ist als dßkh der Schlüssel zum Seienden in seinem Gefüge. Dieser Sinn von dßkh läßt sich unzweideutig aus den dreißig gewaltigen Eingangsversen des »Lehrgedichtes« des Parmenides entnehmen, die uns geschlossen erhalten sind. So wird deutlich: Das dichterische und das denkerische Sagen vom Sein nennen, d. h. stiften und umgrenzen dieses mit demselben Wort dßkh“). 72 Vgl. Heidegger: Was heißt Denken? Tübingen 1954. 73 Vgl. ders.: Moira (Parmenides, Fragment VIII, 34–41) (1952). In: Ders.: Vorträge und Aufsätze, S. 235–261. 74 Vgl. ders.: Ebd., S. 291: „Moira (Parmenides VIII, 34–41). Ein nicht vorgetragenes Stück der Vorlesung »Was heißt Denken?« Max Niemeyer, Tübingen 1954, zu S. 146 ff.“
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ernst.75 Er macht allerdings nur eine indirekte Mitteilung über jenes rätselhafte Dämonische, das hinter dem Eros des Parmenides steht: „Wer auch nur eine geringe Erfahrung hat im Hören dessen, was große Denker sagen, wird zuweilen vor dem Seltsamen verhoffen, daß sie das eigentlich zu-Denkende in einem unversehens angefügten Nebensatz sagen und es dabei bewenden lassen. Das Spiel des rufenden, entfaltenden und wachstümlichen Lichtes wird nicht eigens sichtbar. Es scheint so unscheinbar wie das Morgenlicht in der stillen Pracht der Lilien auf dem Felde und der Rosen im Garten.
Der Nebensatz des Parmenides, der in Wahrheit der Satz aller seiner Sätze ist, lautet (VIII, 37 f.): . . . peÍ tü ge Mo¦r' pÝdhsen ou }lon kßnhtün t' æmmenai. ». . . das es (das Seiende) ja die Moira daran gebunden hat, ein Ganzes und unbeweglich zu sein«.
(W. Kranz).
Parmendides spricht vom ün, vom Anwesen (des Anwesenden), von der Zwiefalt und keineswegs vom »Seienden«. Er nennt die Mo¦ra, die Zuteilung, die gewährend verteilt und so die Zwiefalt entfaltet. Die Zuteilung beschickt (versieht und beschenkt) mit der Zwiefalt. Sie ist die in sich gesammelte und also entfaltende Schickung des Anwesens als Anwesen von Anwesendem. Mo¦ra ist das Geschick des »Seins« im Sinne des ün. Sie hat dieses, tü ge, in die Zwiefalt entbunden und so gerade in die Gänze und Ruhe gebunden, aus welchen und in welchen beiden sich Anwesen von Anwesendem ereignet.“ 76
Diese Ausführungen stehen in einer umfangreichen Auslegung Heideggers zu Parmenides und lassen sich auch nur daraus verstehen. In diesem Zusammenhang ist jedoch nur wichtig, auf welche Weise er sich hier über die Mo¦ra äußerte. Daraus lässt sich dann auch erschließen, wie er die oben genannte Übersetzung zur Sentenz des Parmenides über den Eros verstanden wissen wollte. Heidegger dachte diese Göttin hier als „Zuteilung, die gewährend verteilt“ 77, oben als „bedenkende“.78 75 Vgl. ders.: Moira (Parmenides VIII, 34–41, S. 253: „Man macht sich die Zwiesprache mit dem Denkweg des Parmenides zu leicht, wenn man in den Worten des Denkers die mythische Erfahrung vermißt und einwendet, die Göttin \AlÞqeia sei im Vergleich zu den eindeutig geprägten »Götterpersonen« Hera, Athene, Demeter, Aphrodite, Artemis überaus unbestimmt und ein leeres Gedankengebilde. Man spricht in diesen Vorbehalten so, als sei man im Besitz eines längst gesicherten Wissens darüber, was die Gottheit der griechischen Götter sei, daß es einen Sinn habe, hier von »Personen« zu sprechen, daß über das Wesen der Wahrheit entschieden sei, daß, falls sie als Göttin erscheint, dies nur eine abstrakte Personifikation eines Begriffes sein könne. Im Grunde ist das Mythische noch kaum bedacht, vor allem nicht in der Hinsicht, daß der mu~qoò Sage ist, das Sagen aber das rufende zum-Scheinen-Bringen.“ 76 Vgl. ders.: Ebd., S. 256. 77 Vgl. Anm. 76. 78 Vgl. Anm. 69.
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(c) Heidegger reihte sich mit dieser Zuschreibung insofern durch einen neuen originalen Vorschlag in die große Zahl jener ein, die Vorschläge zur Identifikation der zentralen Gottheit des Parmenides entwickelt haben. Ob das berechtigt ist, bedarf einer umfangreichen Prüfung und der Beantwortung folgender Fragen: Wer ist die Mo¦ra bei den Griechen?79 Welche ,Funktion‘ hat sie bei Parmenides? Was bedeutet es, dass Heidegger statt der Aletheia nun die Moira in den Mittelpunkt seiner Überlegungen zu Parmenides stellte? Umfangreiche Antworten sind in diesem Zusammenhang nicht möglich. Diese Analyse sollte lediglich an einem Beispiel anschaulich dokumentieren, dass ein Nachdenken über Heideggers HegelNotizen auf ganz überraschende Weise zu den frühen Griechen zurückführt. 4. Zusammenfassung und Ausblick (a) Heidegger hat zu seinen Seminaren umfangreiche Notizen von großer Bedeutung hinterlassen. Die Analyse selbst kurzer und stichwortartiger Aufzeichnungen kann nämlich die Kenntnis seiner Philosophie vertiefen. Das Studium einer Notiz zu filßa und ÇErwò führte zunächst in das Dunkel der mythologischen Bemerkungen des Parmenides und seiner mysteriösen Gottheiten. Heidegger betrat damit ein schwieriges und noch immer offenes Forschungsfeld: Es hat die Interpreten des Parmenides nämlich tief verstört, dass ein Philosoph einerseits mit abstrakten Begriffen wie Sein oder Nicht arbeitete, andererseits ein rätselhaftes mythologisches Konstrukt vorlegte.80 Jenes Denken, das sich in der Seinsphilosophie des Parmenides und in Zenons Paradoxien, aber auch in Platons Parmenides spiegelt, stand den neuzeitlichen Philosophiehistorikern offenbar näher als die kryptische Kosmogonie und Theogonie des Eleaten. (b) Heidegger verhielt sich anders; er zeigte großes Interesse für die Götter des Parmenides. Wenn die archaischen griechischen Philosophen von ÇErwò und filßa sprachen, dann verstand er dies als dichterischen Ausdruck der Beziehung 79 Vgl. Friedrich Creuzer: Symbolik und Mythologie der alten Völker, besonders der Griechen. Dritter Theil, erstes Heft. Dritte verb. Aufl. Leipzig/Darmstadt 1841 (ND: Hildesheim/New York 1973), S. 70: „Die Götter Homers . . . sind unsterblich, können auch Menschen unsterblich machen . . ., aber doch oft den Tod ihrer Lieblinge nicht hindern . . ., denn auch sie müssen sich unter die mo¦ra und die aèsh (das zugetheilte Loos und die unausweichliche Nothwendigkeit) beugen. Das Fatum in seiner weitesten Ausdehnung kennt zwar Homer nicht, er ahnet es aber; und stellt doch daneben wieder Götter auf, die selbst dem Fatum nicht untergeben sind.“ 80 Vgl. Eugen Fink: Nachdenkliches zur Ontologischen Frühgeschichte von Raum – Zeit – Bewegung. Den Haag 1957, S. 58: „Das Gedicht zerfällt nach dem Prooemium in zwei deutlich unterschiedene Teile: in die Auslegung des Seins und in die Auslegung des Entstehend-Vergehenden. Das Verhältnis dieser beiden Teile hat den Auslegern viel Kopfzerbrechen gemacht. Man glaubte einen unversöhnlichen Widerspruch zwischen beiden zu finden, eine krasse Inkonsequenz des Denkers, der mit der einen Hand wieder zurücknimmt, was er mit der anderen weggestossen hatte.“
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zwischen Entbergen und Verbergen. Heidegger fand hier Hinweise zur Einsicht in ein Grundproblem, das sein gesamtes Denken bestimmt hat. (c) Wie Heidegger in seinem Hegel-Seminar die Notiz zu filßa und ÇErwò mündlich weiter ausformuliert hat, ist wohl für immer verloren. Die erhaltenen Protokolle geben dazu keinen Aufschluss, aber die in der flüchtigen Aufzeichnung verborgenen Kerngedanken bleiben verfügbar und lassen sich, wie oben gezeigt, detailliert rekonstruieren. Die hier durchgeführte Analyse zum Baustein filßa – ÇErwò kann zudem anschaulich demonstrieren, wie ein zukünftiger Kommentar der gesamten Notizen Heideggers zu seinen Hegel-Seminaren (und zu anderen, vergleichbaren Manuskripten) auszusehen hat.
Opfer und Wahrheit bei Martin Heidegger1 Andrea C. Bertino Die philosophische Suche nach der Wahrheit strebt traditionell nach der Emanzipation des Menschen von vorrationalen, kultischen Gedanken- und Verhaltensschemata. Zu ihnen gehört auch die Institution des Opfers, das der gewöhnlichen Handlungsrationalität widerspricht und keiner einfachen Optimierungsstrategie folgt. Nicht zufällig ging in der Moderne das religiöse Bezugssystem des Wortes ,Opfer‘ allmählich verloren und wurde das Opfer mehr und mehr zu einer Metapher.2 Nur als solches blieb es Bestandteil der Alltagssprache; auch in der Sprache der Philosophie, die sich bewusst von der religiösen abgrenzt, wurden Opfermetaphern und Opferfiguren weiter tradiert. Somit stellt sich die Frage, ob und inwieweit in der Philosophie und ihrer Frage nach der Natur der Erkenntnis die spezifische Logik des kultischen religiösen Opferrituals fortlebt. Meine Vermutung ist, dass die philosophischen Begriffe des Opfers und der Wahrheit einander gegenseitig erhellen. Bekanntlich hat Martin Heidegger es sich zur Aufgabe gemacht, die Wahrheit neu zu denken und traditionelle Wahrheitsbegriffe als abgeleitete darzustellen. Es fällt auf, dass er unter anderem den Versuch macht, den Vollzug der Wahrheit des Seyns einem Opfer anzunähern. Das ist in zweierlei Hinsicht bedeutsam: Es zeigt einerseits, wie bedeutsam der Opferdiskurs für die Philosophie ist, und andererseits dass für Heidegger die Wahrheit des Seyns nicht in Definitionen und Begriffen zu Sprache gebracht werden kann – es sind Metaphern wie die des Opfers, die das Seyn andeutungsweise denkbar machen sollen. Was wird dabei aber metaphorisch geopfert? Das wird auch von Heidegger kaum klar gesagt und verdient Aufmerksamkeit, wenn man Heideggers Denken und zugleich die metaphorische Fundierung besser verstehen will, auf die auch andere traditionelle Wahrheitsdiskurse bei ihrer Selbstdarstellung angewiesen bleiben.3 1 Die Abhandlung ist Teil eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Programm Sachbeihilfe, „Eigene Stelle“) bewilligten Forschungsprojekts „Wahrheit als Opfer? Ethische Hinterfragung eines philosophischen Topos.“ 2 Vgl. Wolfgang Stegemann, Zur Metaphorik des Opfers, in: Opfer. Theologische und kulturelle Kontexte, hg. v. B. Janowski u. M. Welker (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2000), S. 191–217, S. 194. 3 Um die Bedeutsamkeit der Beziehung zwischen dem Wahrheitsbegriff und der Opfermetapher in der philosophischen Moderne vor Augen zu führen, muss man nur an Bei-
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Der Gebrauch von Opfermetaphoriken könnte im Fall Heideggers mehr als von metaphorologischem Interesse sein und für eine Grundstimmung sprechen, die eine gewisse Phase seines Schaffens begleitet. Zu jeder Kehre gehört eine Art Selbstaufopferung. Vertraute Werte, orientierende Prinzipien, unbefragte Glaubensartikel müssen zerstört werden, um neuen Einsichten Platz zu machen. Selbst wenn das Gelingen einer Kehre im Denken Martin Heideggers nicht unumstritten ist,4 überrascht es nicht, dass in seinen Schriften von den 30er Jahren an der Opfergedanke eine zentrale Bedeutung gewinnt. Das weist auf eine Selbstüberwindung hin, die Heidegger viel kostete. In diesem Beitrag werde ich die These aufstellen, dass Heideggers Idee der Philosophie im Ganzen im Licht des Opfergedankens verstanden werden muss und dies zur paradoxen Figur eines Opfers des Opfers führt. Ich werde zunächst (1) die bedeutsamste Stelle im Werk Heideggers vorstellen, an der er das wesentliche Opfer mit dem Geschehen der Wahrheit des Seins in Verbindung bringt, dann (2) Heideggers Unterscheidung von wesentlichem und unwesentlichem Opfer in ihrem religiösen Hintergrund erörtern und schließlich (3) die paradoxe Logik seiner philosophischen Umbesetzung des religiösen Opferdiskurses aufzeigen, nach der die Auffassung der Wahrheit als Opfer die Verabschiedung von der Idee der Philosophie als liebende Hingabe zum Wissen bedeutet. I. Opfern, Wahrheiten und Freiheiten 1. Eine Opferlogik vor dem wesentlichen Opfer Mit seiner Rückführung der Wahrheit auf die Erschlossenheit des Daseins im berühmten § 44 von Sein und Zeit stellt Heidegger bekanntlich die traditionelle spiele erinnern wie die Brunos, Hegels und Nietzsches. In Von den heroischen Leidenschaften zieht Bruno den Mythos des Jägers Aktaion heran, der wegen seiner Wissensgier von den eigenen Hunden zerrissen wird. Die Metapher der Wahrheitsjagd ist wohl schon bei Nikolaus von Kues zu finden, aber Brunos Originalität zeigt sich gerade im Gebrauch eines Opferbilds, mit dem die Wahrheitsjagd früh ein unerwartetes Ende findet. Bei Hegel finden wir eine tiefe Verstrickung der Logik des Opfers mit der der Erkenntnis; in der Phänomenologie des Geistes, wo er vielfach von ,Opfer‘, ,Aufopferung‘ usw. spricht, stellt Hegel bekanntlich den Geist und mit ihm die menschliche Existenz überhaupt als Heilen einer Wunde dar, die der Geist selbst durch das Negative schlägt. Nietzsche hat das Opfer in zahlreichen Passagen seiner veröffentlichten Schriften und nachgelassenen Notate in sehr verschiedenen Hinsichten thematisiert, was für seine Reflexion über die philosophische Suche nach der Wahrheit von großer Bedeutung ist. Er erkennt nämlich die Notwendigkeit des Opfers für die Erkenntnis und für die Erhöhung der Kultur und thematisiert die Rolle des Opfers in der Selbstdarstellung des Philosophen als eines Wahrheitssuchers. Die Askese wird von Nietzsche als eine Verinnerlichung des Opfers interpretiert, wodurch sie Bedingung der Skepsis und der wissenschaftlichen Methodik werde. 4 Für eine Gesamtdarstellung der aktuellen Diskussionen zum Thema ,Kehre‘ vgl. Dieter Thomä, ,Die Kehre‘, in: ders. (Hg.), Heidegger-Handbuch (Stuttgart/Weimar: Metzler, 2013), 2. Auf lage, S. 102–108.
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Identifikation der Wahrheit mit der Richtigkeit der Aussage in Frage. Er beschränkt sich dabei nicht auf eine skeptische Betrachtung des Wahrheitsbegriffs, sondern führt eine Pluralisierung in ihn ein, so dass in verschiedenen Bereichen des Wissens und des Handelns unterschiedliche alethische Konzepte zur Geltung gebracht werden können. Dabei erweist sich eine bestimmte Form von Wahrheit als ursprünglich; andere Wahrheitskonzepte, insbesondere die Wahrheit als Korrespondenz eines Satzes mit einem Sachverhalt werden als abgeleitete Erscheinungen verstanden.5 Danach sind die Prädikate ,wahr‘ und ,falsch‘ im alltäglichen Sprachgebrauch nur verwendbar, wenn Wahrheit vor jeder theoretischen Bestimmung als eine Einstellung des Daseins zum Seienden gedacht wird, die erst ermöglicht, bestimmten Wahrheitskonzepten zu folgen. Dieser Ansatz erfährt eine bedeutsame Akzentverschiebung, wenn bereits im Vortrag Vom Wesen der Wahrheit, der 1930 zum ersten Mal gehalten und 1943 publiziert wurde, das „Wesen der Wahrheit“ in der Freiheit erkannt wird. Dabei wird Freiheit nicht als das liberum arbitrium eines klassischen metaphysischen Subjekts verstanden, aber auch nicht mehr nur als „Entwerfen auf die eigensten Möglichkeiten“, von dem in Sein und Zeit die Rede war. Freiheit gilt nun vielmehr als „Offenständigkeit des Verhaltens“, als Disposition zu einem Wahrsein-Lassen.6 Sie bedeutet jetzt – mit den Worten Martin Brassers – „einerseits das unabhängig-ungebundene Gegenübertreten gegen das Begegnende und anderseits die jederzeitige Möglichkeit, sich an das Begegnende in irgendeiner Weise zu binden.“ 7 Dass das Freiheitskonzept eine absichtliche Beschränkung der eigenen Aktivität einschließt, entspricht bereits einer gewissen Opferlogik. Das Dasein muss im Namen einer höheren Form von Denken das eigene Selbstbild eines freien und autonomen Subjekts aufgeben und einem eigenen Willen zur Macht Grenzen setzen, der sich darin meldet, dass er das Sein für verschiedene theoretische und praktische Ziele vergegenständlicht und nach eigenen Maßstäben wertet. Bei seiner Bearbeitung des Manuskripts von 1930 für die spätere Publikation denkt Heidegger die Freiheit als
5 Dass es in Sein und Zeit um eine „Liberalisierung des philosophischen Wahrheitsverständnisses“ und damit um einen „alethischen Pluralismus“ geht, ist die Grundthese von Christoph Martel, Heideggers Wahrheiten. Wahrheit, Referenz und Personalität in Sein und Zeit (Berlin/New York: de Gruyter, 2008). Martels Arbeit überholt so die berühmte Interpretation Ernst Tugendhats (Der Wahrheitsbegriff bei Husserl und Heidegger) (Berlin: de Gruyter, 1966), nach dem sich bei Heidegger ein Umsturz der Wahrheit zugunsten eines irrationalistischen und damit gefährlichen Dezisionismus vollzieht. 6 Vom Wesen der Wahrheit, GA 9, S. 183. 7 Martin Brasser, Wahrheit und Verborgenheit. Interpretationen zu Heideggers Wahrheitsverständnis von „Sein und Zeit“ bis „Vom Wesen der Wahrheit“ (Würzburg: Königshausen und Neumann, 1997, S. 267. Eine Gesamtinterpretation der Wahrheitsschrift hat Friedrich-Wilhelm v. Hermann, Wahrheit – Freiheit – Geschichte. Eine systematische Untersuchung zu Heideggers Schrift „Vom Wesen der Wahrheit“ (Frankfurt am Main: Klostermann, 2002), vorgelegt. Vgl. auch die dort angegebene Literatur (S. 43–44n).
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Sein-lassen zur Freiheit als Sich-einlassen weiter.8 ,Ich lasse mich auf etwas ein‘ heißt, wie Brasser anmerkt, „ich erachte etwas an ihm selbst als wertvoll genug, daß ich mich ihm gegenüber zurücknehme.“ Das ist nicht ohne Risiko, denn „Sicheinlassen“ heißt auch: „Sich-überlassen an etwas, das jetzt noch nicht (restlos) durchschaut werden kann, da es eine Eigengesetzlichkeit mit sich bringt.“ 9 Im Sich-überlassen ist die Grundeinstellung eines Selbst-Opfers vorweggenommen. Es impliziert eine völlige Hingabe an etwas, das man als vertrauenswürdig und wertvoller als sich selbst erkennt. In denselben Jahren verbindet Heidegger die Freiheit, wo es ihm um ein anfängliches Denken geht, das allein der Wahrheit des Seins gerecht werden kann, direkt mit dem Opfer und spricht von einer „Freiheit des Opfers“.10 Die Vermutung liegt nahe, dass auch die Freiheit, die für Heidegger im Wesen der Wahrheit liegt, eine solche ist, die Opfer impliziert. Bei einer präziseren Bestimmung dieser Freiheit des Opfers kann die Interpretation der Texte beitragen, in denen Opfer in Verbindung mit dem Wahrheitsbegriff und mit der Idee eines anfänglichen Denkens gebracht werden. Hier sind vor allem das Nachwort zu ,Was ist Metaphysik?‘ 11 und außerdem die einschlägigen Bemerkungen in Der Ursprung des Kunstwerk12 und in den Beiträgen zu beachten.13 Wir verfahren chronologisch und beginnen mit Der Ursprung des Kunstwerkes und den Beiträgen, die ungefähr zur selben Zeit konzipiert wurden.14 Erst danach, 1943, wurde das Nachwort verfasst (und 1949 überarbeitet). Es behält gleichwohl die Antrittsvorlesung von 1929 über die Frage Was ist Metaphysik? im Blick.15 2. Die Gründung der Wahrheit und das wesentliche Opfer in ,Der Ursprung des Kunstwerks‘? In Der Ursprung des Kunstwerkes erscheint das Bild eines „wesentlichen Opfers“. Es spielt eine prominente Rolle bei der „Gründung“ der Wahrheit.16 „Opfer“ kommt hier aber auch, wie in anderen Texten Heideggers, ohne den speziVgl. ibid., S. 273. Ibid., S. 274. 10 Wegmarken, GA 9, S. 310. 11 In: Wegmarken (1919–1961), GA 9, S. 303–312. 12 In: Holzwege (1935–1946), GA 5, S. 1–74. 13 Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) (1936–1938), GA 65. 14 Der erste Text ist die Zusammenfassung von drei 1936 in Frankfurt gehaltenen Vorträgen, die einen Freiburger Vortrag von 1935 erweitern, welcher seinerseits auf eine „erste Ausarbeitung“ von 1931/32 zurückgeht (vgl. Martin Heidegger/Elisabeth Blochmann, Briefwechsel 1918–1969, hg. v. Joachim Stork (Marbach: Deutsche Schillergesellschaft, 1989), S. 87). Die Beiträge versammeln Texte aus der Zeit von 1936 bis 1938 und verweisen ihrerseits auf den Ursprung des Kunstwerks. 15 GA 9, S. 103–122. 16 Holzwege, GA 5, S. 49. 8 9
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fischen Sinn eines „wesentlichen Opfers“ vor und kann dennoch in einem gewissen Verhältnis zur Wahrheit stehen.17 Daher ist zu fragen: 1. Was gehört zum Wesen des Opfers, das es zu einem Ort für die Gründung der Wahrheit macht? 2. Wodurch wird ein Opfer zu einem wesentlichen Opfer?18 In der Tat ist im Ursprung des Kunstwerkes zunächst von einfachen, d. h. nicht ,wesentlichen‘ Opfern die Rede. Die „Seienden“, die Heidegger anführt, erscheinen in einer merkwürdigen Reihenfolge: „Die Dinge sind und die Menschen, Ge17 Man kann fragen, ob nicht etwa schon das Sein zum Tode ein Opfer darstellt. Das deutet z. B. Ben Vedder an: Giving Oneself Up: Heidegger’s Notion of Sacrifice, in: Archivio di filosofia, 2008 (LXXVI, n.1.2), S. 369–377. Dass Heidegger nach „Sein und Zeit“ den Opferdiskurs bevorzugt, kann jedoch kein Zufall sein. Einerseits impliziert die Semantik des Opfers einen Adressaten, der für das Sein zum Tode nicht wesentlich ist; anderseits muss nicht jede Form von Selbst-Opfer mit dem Tod enden, sondern kann sich in Formen von Hingabe darstellen. Aus den Schriften der 30er Jahre kommt immerhin in Hölderlins Hymnen „Germanien“ und „Der Rhein“ ein wichtiges Beispiel von Opfer vor, das eine Bereitschaft zum Tod darstellt: „Die Kameradschaft der Frontsoldaten hat weder darin ihren Grund, daß man sich zusammenfinden mußte, weil andere Menschen, denen man fern war, fehlten, noch auch darin, daß man sich auf eine gemeinsame Begeisterung erst verabredete, sondern im tiefsten und einzigen darin, daß die Nähe des Todes als eines Opfers jeden zuvor in die gleiche Nichtigkeit stellte, so daß diese die Quelle des unbedingten Zueinandergehörens wurde. Gerade der Tod, den jeder einzelne Mensch für sich sterben muß, der jeden Einzelnen aufs äußerste auf sich vereinzelt, gerade der Tod und die Bereitschaft zu seinem Opfer schafft allererst zuvor den Raum der Gemeinschaft, aus dem die Kameradschaft entspringt.“ (GA 39, S. 72–73) Dieses Beispiel wird jedoch nicht in die aletheologische Reflexion einbezogen. Es beeindruckt vor allem durch seine politische, gemeinschaftsstiftende Bedeutung. 18 Pietro de Vitiis, Heidegger e la philosophia crucis, in: Archivio di filosofia, 2008 (LXXVI, n.1.2), S. 359–368, unterscheidet zwischen den zwei Formen von Opfern (vgl. S. 366n.), fragt aber nicht nach ihrem Verhältnis im Vollzug der Wahrheit des Seins. Auch John Sallis, Sacrifice of Understanding, in: Echoes: After Heidegger (Bloomington: Indiana University Press, 1990, S. 139–167 [dt. Das Opfer des Verstehens, in: Ders., Heidegger und der Sinn von Wahrheit, übers. v. T. Keiling (Frankfurt am Main: Klostermann, 2012), S. 194–224], widmet nur dem wesentlichen Opfer als Überwindung des rechnenden Verstandes Aufmerksamkeit und lässt den doppelten Gebrauch des Wortes Opfer außer Betracht. Wenn Tobias Keiling, Kunst, Werk, Wahrheit. Heideggers Wahrheitstheorie in Der Ursprung des Kunstwerkes, in: David Espinet/Tobias Keiling (Hg.), Heideggers Ursprung des Kunstwerkes. Ein kooperativer Kommentar (Frankfurt am Main: Klostermann, 2011, S. 66–94, S. 90, und Andrea Kern, ,Der Ursprung des Kunstwerkes‘. Kunst und Wahrheit zwischen Stiftung und Streit, in: Thomä (Hg.), Heidegger-Handbuch, a. a. O., S. 133–143, S. 133, das wesentliche Opfer einfach mit der ,Religion‘ identifizieren, wird der Gebrauch des Adjektivs ,wesentlich‘ vollkommen entkräftet und die Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Opfern getilgt. ,Wesentliches Opfer‘ als Religion zu lesen erscheint schon deswegen fragwürdig, weil auch die nicht-wesentlichen Opfer, die Heidegger als einfache Beispiele von Seienden erwähnt, kultische Opfergaben sein könnten. Vor allem aber hat das wesentliche Opfer eindeutig mit einer Änderung von Heideggers Denkeinstellung zu tun, die nicht einfach mit einer Form von religiösem Glauben identifiziert werden kann, selbst wenn das wesentliche Opfer eine Figur darstellt – wie wir noch sehen werden –, die religiöse bzw. theologische Wurzeln hat.
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schenke und Opfer sind, Tier und Pflanze sind, Zeug und Werk sind.“ 19 Während ,Mensch‘, ,Tier‘ und ,Pflanze‘ eine vertraute Abstufung des Organischen darstellen, verweisen Geschenke, Opfer, Zeug und Werk auf Formen des menschlichen Handelns, und während Zeug und Werk als Ausdruck eines „Hervorgebrachtseins“ gelten, das Zeug als „Fertigsein“, das Werk als „Geschaffensein“,20 fallen Opfer und Geschenke in die praktische Dimension des Ausgebens. Somit gehören Geschenke und Opfer zwar derselben Kategorie der Gabe zu, unterscheiden sich voneinander jedoch darin, dass Opfer eine Form von Verausgabung darstellen, die auch Elemente von Gewalt und Verzicht in sich bergen. Opfer, wie andere Seiende, stellen hier eine Grundmöglichkeit dar, das Sein als ein Seiendes vorzustellen und damit zu vergessen. Dadurch, dass hier eine Welt von Bezügen, Bedeutungen und Voraussetzungen entsteht, auf deren Basis Urteil möglich werden, kann von Wahrheit die Rede sein. Aber warum wird dann gerade das Beispiel des Opfers verwendet, wenn um die Wahrheit es geht? Schon eine elementare Phänomenologie des Opfers zeigt, dass die Wahl nicht zufällig ist. Die Wahrheit eines Opfers kann nicht direkt beobachtet werden, und in Bezug auf ein Opfer scheint auch die Bedeutung des Wortes ,Wahrheit‘ fragwürdig zu sein. Ist ein wahres Opfer jenes, das aus reiner Interessenlosigkeit kommt? Oder die Form von Verausgabung, die sein Adressat wirklich verehren kann, so dass er eine Verbindung zu ihm herzustellen oder sie neu aufnehmen kann? Opfer, als bloße Seiende, machen den traditionellen Wahrheitsdiskurs schwierig; eben deshalb könnte Heidegger, wenn es ihm um die Frage nach dem Wesen der Wahrheit geht, sie als Beispiele gewählt haben. Der bloße Begriff des Opfers problematisiert die Auffassung der Wahrheit als Richtigkeit. Denn Opfergaben können nicht einfach ein Gegebenes darstellen, sondern sind Resultat eines mehrstelligen Interpretationsprozesses; Verausgabungen werden nicht nur durch die Intention des Opfer-Bringenden zum Opfer, sondern brauchen einen Adressaten, der es erkennt und annimmt. Ohne ihn bleibt fraglich, ob ein Verzicht oder eine Hingabe schon als Opfer zu betrachten ist; der Andere muss mitspielen, der Opfernde ist auf ihn angewiesen. Selbst wenn man von reiner Selbstlosigkeit beim Opfer-Bringenden ausgeht, bleibt doch offen, ob das Opfer als solches wahrgenommen wird, und wirkliche Opfer können auch nicht gelingen, sondern abgelehnt werden, wie im Fall Kains. Wenn aber die schlichte Anwesenheit der Opfergabe nicht ausreicht, um sie zum Opfer werden zu lassen, dann kündigt sich im Begriff des Opfers eine Grenze der Vergegenständlichung der Welt an, die die Voraussetzung einer Wahrheit als Übereinstimmung von Aussage und Sachverhalt wäre. Heidegger führt in seinem Text unter anderem Opfer als Beispiele an, um auf das Geschehen der Wahrheit als Unverborgenheit aufmerksam zu machen. Unverborgenheit ist für ihn „nie ein nur vorhandener Zustand, sondern ein Geschehnis“, 19 20
GA 5, S. 39. GA 5, S. 52.
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eine Dynamik von Lichtung und Verbergung, und sie verlangt eine Änderung im Thematisieren der Seienden.21 Jedes Seiende ist, solange es Anwesen ist, nur erkennbar, „indem es sich zugleich immer in eine Verborgenheit zurückhält.“ Wir werden dessen jedoch gewöhnlich nicht bewusst und erfahren Seiendes und darunter auch Geschenke und Opfer nur als vorhandene Gegenstände. Um die Dynamik von Unverborgenheit und Verbergung zu gewahren, muss man über das Seiende qua anwesendem Gegenstand hinausgehen, doch nicht von ihnen weg, so Heidegger, denn nur von Seienden her „geschieht ein Anderes“ und „inmitten des Seienden im Ganzen west eine offene Stelle. Eine Lichtung ist. Sie ist, vom Seienden her gedacht, seiender als das Seiende.“ 22 Opfer können wie auch anderes als solche nur im Vollzug jener Dynamik von Lichtung und Verbergung erscheinen, wenn sie also „im Ganzen“ betrachten werden. Opfer als Seiende im Ganzen zu betrachten heißt ihr Geschehen im Blick zu behalten und es bis zu seinen Grenzen zu denken, so dass ihr wesentlicher Charakter hervorkommt. Heidegger, wenn er in der Schrift über das Kunstwerk auf das „Sich-ins-Werksetzen“ der Wahrheit im Kunstwerk achtet, sieht durchaus, dass die Wahrheit des Seins auch auf andere „wesentliche Weisen“ geschehen kann.23 Dass die Wahrheit nur so geschieht, „daß sie in dem durch sie selbst sich öffnenden Streit und Spielraum sich einrichtet“, als „Gegenwendige von Lichtung und Verbergung“, setzt ein Seiendes voraus, das sich anders als gewöhnlich in seiner Offenheit gibt.24 Das Opfer kann zu einem solchen Seienden und damit zu einem Ort für die Gründung der Wahrheit des Seins werden. Insofern wird es wesentlich: Eine wesentliche Weise, wie die Wahrheit sich in dem durch sie eröffneten Seienden einrichtet, ist das Sich-ins-Werksetzen der Wahrheit. Eine andere Weise, wie Wahrheit west, ist die staatgründende Tat. Wieder eine andere Weise, wie Wahrheit zum Leuchten kommt, ist die Nähe dessen, was schlechthin nicht ein Seiendes ist, sondern das Seiendste des Seienden. Wieder eine andere Weise, wie Wahrheit sich gründet, ist das wesentliche Opfer. Wieder eine andere Weise, wie Wahrheit wird, ist das Fragen des Denkers, das als Denken des Seins dieses in seiner Frag-würdigkeit nennt. Dagegen ist die Wissenschaft kein ursprüngliches Geschehen der Wahrheit, sondern jeweils der Ausbau eines schon offenen Wahrheitsbereiches und zwar durch das Auffassen und Begründen dessen, was in seinem Umkreis sich an möglichem und notwendigem Richtigen zeigt.25
Das Adjektiv ,wesentlich‘, wie das Substantiv ,Wesen‘, kommt bekanntlich in Heideggers Werk sehr oft vor; ,wesentlich‘ heißt sichtlich mehr als ,wichtig‘ und verweist auf ein Wesen als solches. Auf das Wesen – heißt es in der Vorlesung Vom Wesen der Wahrheit aus dem WS 1933/34 –26 trifft man nicht dank eines Einfalls 21 22 23 24 25 26
GA 5, S. 40. GA 5, S. 39–40. GA 5, S. 42. GA 5, S. 49. GA 5, S. 48. In: Sein und Wahrheit, GA 36/37.
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und kaum dank einer methodisch abgesicherten Theorie, sondern es „erschließt sich nur dem ursprünglichen Mut des Daseins zum Seienden im Ganzen“.27 Um auf das Wesen der Wahrheit zu treffen, braucht man Mut, der „nach vorne bewegt“, und uns „handelnd erfahren und beweisen“ lässt, „wieviel Wahrheit wir ertragen und aushalten“.28 Damit kommt Heidegger auch gewissen Formulierungen Nietzsches sehr nah. Wohl bekannt sind die Passage aus Götzen-Dämmerung – „Auch der Muthigste von uns hat nur selten den Muth zu dem, was er eigentlich weiss . . .“ 29 – und aus Ecce homo: „Wie viel Wahrheit erträgt, wie viel Wahrheit wagt ein Geist? das wurde für mich immer mehr der eigentliche Werthmesser. [. . .] Irrthum ist Feigheit.“ 30 Aus Heideggers Perspektive bekommen die Sätze einen besonderen Sinn. Ihm geht es nicht so sehr um die Wertschätzung eines Geistes, sondern um den Anspruch, die Wahrheit des Seyns im Horizont der Seinsvergessenheit und der Verwechslung der Wahrheit mit der bloßen Richtigkeit zu erfahren. Das setzt, wie im Fall Nietzsches, stets voraus, dass man handelt, nach Heidegger „handelnd erfährt“. Das zeigt, wie konkret die Metaphorik des Opfers verstanden werden soll; die Praxis im Ganzen soll sich ändern. Sich mit Mut für die Wahrheit des Seyns zu opfern, heißt für Heidegger die praktischen Schlussfolgerungen mitzudenken, die neue theoretische Einsichten einschließen. Gerade die Anamnese, die Aufdeckung der Vergessenheit, braucht Mut, denn sie verunsichert die inzwischen gewohnte Denkweise. Mutig im Denken zu sein heißt etwas zu opfern, auf Konsolidiertes zu verzichten und das Gewohnte ungewohnt und unheimlich werden zu lassen. Das wesentliche Opfer signalisiert somit die Bereitschaft, gewöhnlich Ungefragtes als fragwürdig zu betrachten. Auf ein Opfer zu verweisen macht darauf aufmerksam, dass nicht Beliebiges in Frage gestellt werden soll, sondern das, was Leben erst ermöglicht. In Der Ursprung des Kunstwerkes kann das wesentliche Opfer die Wahrheit gründen, weil in ihm der Streit von Lichtung und Verbergung manifest wird und konsolidierte Formen von Verbergungen als solche entlarvt werden, ihre Selbstverständlichkeit verlieren und unbrauchbar werden. Um das zu verstehen, muss man die Logik des Opferns im Blick halten, die nicht ein bloßes Wegschaffen oder Zerstören, sondern vielmehr ein Bewahren und Verwandeln der geheiligten Opfergabe darstellt. Darin entspricht sie Heideggers Verständnis des Verbergens. Danach ist auch ein Verbergen denkbar, das „keineswegs beseitigt und vernichtet, sondern in
GA 36/37, S. 87. GA 36/37, S. 88. 29 Friedrich Nietzsche, Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden. Hg. v. G. Colli und M. Montinari (München: Dtv, 1999), Bd. 6, S. 59. Vgl. zur Interpretation Werner Stegmaier, Nietzsches Befreiung der Philosophie. Kontextuelle Interpretation des V. Buchs der Fröhlichen Wissenschaft (Berlin/Boston: de Gruyter, 2012), S. 178–180. 30 Ibid., S. 259. 27 28
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dem, was es ist, geborgen wird und gerettet bleibt.“ 31 Das scheint gerade beim Opfern der Fall zu sein. Denn selbst wenn eine Opfergabe nicht verschwindet und nicht vernichtet wird, ist sie doch nicht mehr, was sie war, bevor sie ein Heiliges wurde. Ein wesentlich opferndes Verbergen läßt uns in diesem Sinn „die Sache nicht verlieren wie das Verstellen und Entstellen, das Entziehen und Beseitigen“.32 Es eignet dem „wahrhafte[n] Seltene[n]“, das in der „Gier des Rechens und Raffens“ unbekannt bleibt. Dieses Seltene, so Heidegger, „west in einer Verbergung, die jeweils ein Entscheidungsvolles verwahrt und die hohen Ansprüche an den Menschen bereit hält“. Darin, wie weit diese Ansprüche zu erfüllen sind, bleibt Heidegger zurückhaltend: „Vielleicht gibt es Weisen der Verbergung, die nicht nur bewahren, aufbewahren und so in einer gewissen Weise doch entziehen, die vielmehr in einer einzigen Art Wesenhaftes zukommen lassen und schenken.“ In Analogie mit der Rolle des Kunstwerks für den Vollzug der Wahrheit kennt die Wesentlichkeit des Opfers eine gewisse Abstufung. Stellt sich für Heidegger die Wahrheit als Streit zwischen Lichtung und Verbergung dar – „die Wahrheit richtet sich als Streit“ –33 besteht spezifisch das „Sich-ins-Werk-Setzen der Wahrheit“ 34 im Kunstwerk in einer „Bestreitung des Streites zwischen Welt und Erde“.35 Denn das Kunstwerk richtet nach Heidegger eine „Welt“ von „Bahnen und Bezügen“ 36 aus und baut dabei auf eine Erde als notwendigem, aber verborgenem Grund jener Welt. Ihre Einheit ist streitig, weil die Welt als Offenheit gegen die Verschlossenheit der Erde steht. Bei der Wahrheit des Kunstwerks geht es nicht nur um das Bestreiten dieses Streits, sondern auch um sein Offenbar-Werden darin. So ermöglicht das Kunstwerk die Thematisierung des Streits von Welt und Erde. Wesentliche Opfer lassen dieselbe dynamische Spannung gewahren. Denn auch bei Opfern sind nicht alle Bedingungen zu verstehen und aufzuzeigen, unter denen es zu einem sinnvollen, verständlichen Akt wird. Es verweist immer schon auf eine Zukunft und auf eine Transzendenz, deren wir nicht völlig habhaft werden können. Daher muss, wie die Reinheit des Kunstwerks, auch das Opfer Abstufungen kennen: „je reiner es [das Kunstwerk] alle Bezüge zu den Menschen zu lösen scheint, [. . .] um so wesentlicher ist das Ungeheure aufgestoßen und das bislang geheuer Scheinende umgestoßen.“ 37 Je reiner, interesseloser das Opfer, desto offensichtlicher wird der Streit und damit der Vollzugcharakter der Wahrheit. Die Reinheit des Opfers, kann man vermuten, wird um so deutlicher, je größer die Disproportionalität zwischen dem anerkannten Wert des Geopferten und dem quälenden Unwissen bezüglich seines Ankommens beim Adressaten wird. 31 32 33 34 35 36 37
GA 54, S. 92. Ibid. GA 5, S. 51. GA 5, S. 21. GA 5, S. 36. GA 5, S. 28. GA 5, S. 54.
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Der Vollzug der Wahrheit in diesem Streit von Erde und Welt kennt Spielräume, die nur wahrgenommen werden können, wenn das Opfer gerade keinen unmittelbaren Sinn hat. Nicht alle Opfer sind von wesentlicher Natur. So scheinen kodifizierte und ritualisierte Schenkungen mit der Opfergabe zu hantieren, sie als Seiendes zu behandeln, mit dem auf eine göttliche Transzendenz eingewirkt werden soll, die ebenfalls als Seiendes vor-gestellt wird. Die Dynamik von Lichtung und Verbergung kommt dabei nicht zur Geltung. Die nicht zu beseitigende kommunikative Unsicherheit, die ein Opfer begleitet, die Unklarheit über seinen Status und sein Gelingen, kurz: sein geheimnisvoller Charakter wird durch die technischen Verfahren des Rituals minimiert. Das wesentliche Opfer dagegen entzieht das Geopferte dem alltäglichen Gebrauch und tilgt seinen Nutzwert. Wie im Kunstwerk so zeigt sich auch im Opfer die Unverborgenheit des Seienden dadurch, dass ihr Gegenteil, die Verborgenheit, nicht schlicht beseitigt wird. Die Lösung des Geopferten aus einer konsolidierten Sinnzuschreibung – es ist kein Zeug oder Werkzeug mehr – macht aus ihm ein sacrum, von dem etwas verborgen, nicht vollends erklärbar bleibt. Dass ein Opfer wesentlich wird, heißt also, dass es dabei gerade nicht mehr um ein routiniertes Ritual, sondern um eine ungewohnte und herausragende Verausgabung geht. Das wesentliche Opfer ist somit als ein Prozess innerhalb der Seinsgeschichte zu verstehen, in dem ein gewisser Bereich von Lichtung und Bergung, von Welt und Erde, von sinnvollen Bezügen und verschwiegenen Vorentscheidungen erschlossen wird. Die Wahrheit des Seins gründet sich dadurch, dass dem Menschen klar wird, dass jedes Urteil über Wahr und Falsch aufopfernde, d. h. verbergende Entscheidungen mit sich bringt. Das Entscheiden, das im wesentlichen Opfer seine Verwahrung findet, kann ohne Freiheit nicht gedacht werden. Damit kann auch die frühere Verbindung von Freiheit und Wahrheit ergänzt werden: Freiheit ist sowohl Voraussetzung als auch Ergebnis einer mutigen Hingabe an einen Wahrheitsvollzug, die zu neuartigen Entscheidungen zwingt. 3. Das Opfer als neuer Anfang des Denkens in den Beiträgen In den Beiträgen kommt die Figur des Opfers immer wieder, in sieben von den acht Teilen des Werkes, vor, wird jedoch nicht explizit als wesentlich charakterisiert; nur im dritten Teil, Das Zuspiel, kommt das Opfer nicht zur Sprache. Wie in Der Ursprung des Kunstwerkes sind auch hier Opfer zunächst Beispiele von Seienden, in denen Wahrheit sich bergen kann: Wahrheit ist lichtende Verbergung, die geschieht als Entrückung und Berückung. Diese, in ihrer Einheit sowohl wie im Übermaß, geben das umstellte Offene für das Spiel des Seienden, das in der Bergung seiner Wahrheit als Ding, Zeug, Machenschaft, Werk, Tat, Opfer seiend wird.38 38
GA 65, S. 70.
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Ausdrücklich wird bestätigt, dass der Streit zwischen Welt und Erde nicht nur das Sich-ins-Werk-Setzen der Wahrheit im Kunstwerk, sondern auch anderes wie gerade das Opfer betrifft: „Wenn erst das Sichverbergen alle Bezirke des Erzeugten und Geschaffenen und Gehandelten und Geopferten, sie ineinanderwesend, durchherrscht und die Lichtung bestimmt und so zugleich dem Sichverschließenden innerhalb dieser entgegenwest, erst dann ersteht Welt und zugleich mit ihr (aus der ,Gleichzeitigkeit‘ von Seyn und Seiendem) rückt die Erde herauf.“ 39
Im § 142 des Teils Der Sprung erscheint das Opfer als Gelegenheit einer „Wesung des Seyns“, die „die Bergung und damit schaffende Verwahrung des Gottes [gründet], der je nur im Werk und Opfer, Tat und Denken das Seyn durchgottet.“ 40 Später, im § 152, wo Heidegger fragt, ob, angesichts der ontologischen Differenz, von verschiedenen Stufen des Seyns die Rede sein könne, wird das Opfer unter der Rubrik „Lebloses“ neben „Zeug, Machenschaft, Werk, Tat“ als Gegenteil von Seiendem der „,Natur‘“ erwähnt.41 Im V. Teil, Die Gründung, ist von einer „Einrichtung des Seienden in geschichtliches Werk und Tat und Opfer“ die Rede,42 im Teil VIII, Das Seyn, erscheint das Opfer als eine von mehreren „unausgesprochen ,metaphysischen‘ Deutungen des Geschehens“, hier neben „Ideale, Taten, Schöpfungen“.43 In all diesen Fällen bildet das Opfer den Höhepunkt einer Klimax, in der der zielorientierte Charakter des Handelns schrittweise zurücktritt, in einem Spektrum, das von der technischen Praxis zu nicht berechnendem Werk und entsprechender Tat und bis zum Opfer als Verzicht auf jeden konkreten Vorteil reicht. Die Abfolge bekommt Struktur angesichts der verschiedenen Möglichkeiten, die sich dem Geschehen der Wahrheit eröffnen: „Die Bestreitung des Streites [zwischen Erde und Welt], setzt die Wahrheit ins Werk, in das Zeug, er-fährt sie als Ding, vollbringt sie in Tat und Opfer.“ 44 Insgesamt scheint Heideggers wichtigste Weiterentwicklung des Opferdiskurses in den Beiträgen die zu sein, dass er das Geschehen der Wahrheit im Opfer als Form des ,Durchgottens‘ darstellt, ohne dabei noch eine explizite Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Opfern zu machen. Damit wird offenbar, was in Der Ursprung des Kunstwerkes schon angedeutet war: Auch bei nicht wesentlichen Opfern liegt eine Beziehung zur Wahrheit vor, wenn auch, bei den einfachen Opfern, nur in der Form einer momentanen Verdinglichung des Geschehens der Wahrheit. Die Wahrheit kann sich zwar in jedem
39 40 41 42 43 44
GA 65, S. GA 65, S. GA 65, S. GA 65, S. GA 65, S. GA 65, S.
349. 262. 274. 298. 443. 391. [Kursiv A. B.]
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Opfern bergen, der Prozess ihrer Gründung zeigt sich aber nur im wesentlichen Opfer. Deshalb kann man sagen, dass, selbst wenn in den Beiträgen nicht von wesentlichen Opfern die Rede ist, ein Opfer dann wesentlich erscheint, wenn es neue Denkformen in Bewegung setzen kann. Wesentlich sind jene Opfer, die zu einem anfänglichen Denken führen. Sie gründen dann Wahrheit, indem sie ein Denken ermöglichen, durch das die Wahrheit des Seyn geschehen kann. Schon im Teil Vorblick wird klar, dass ein „anfängliches Denken“, welches uns „aus der Verlorenheit in den Betrieb der bloßen Begebenheiten und Machenschaften“ 45 noch retten kann, indem es „uns das Sein eröffnet und uns in dieses zurückstellt“, uns „zu uns selbst und vor das Werk und Opfer“ bringen muss. Das Opfer zeigt sich im „Anschein der völligen Abseitigkeit und des Nutzlosen“,46 der das anfängliche Denken charakterisiert. Der Opfergedanke der Seinsvergessenheit ermöglicht, dem „Zerfall der Wahrheit“ zu entgehen, indem er eine gewisse „Notwendigkeit des Tuns“ empfinden lässt: [. . .] wer jetzt noch ein Schaffender ist, muß diesen Rückzug [vom Kulturmachen] durchaus vollzogen haben, und jener Not begegnet sein, um die Notwendigkeit des Übergangs, ein Übergang und Opfer zu sein, in die innigste Erfahrung aufzunehmen und zu wissen, daß eben dieses nicht Verzicht und Verlorengeben ist, sondern die Kraft zur klaren Entschiedenheit als der Vorbotin des Wesentlichen.47
Hier wird die Sprache des Opfers am radikalsten. Bei Heideggers Gebrauch des Wortes ,Opfer‘ in den Beiträgen fällt auf, dass er das Wort nicht nur wie gewöhnlich als Akkusativobjekt – ,Opfer zu bringen‘, ,Opfer zu machen‘ usw. – verwendet, sondern im Ausdruck ,Opfer zu sein‘ auch als nominales Prädikat. Gerade als solches gewinnt es besondere Relevanz. Das wesentliche Opfer wird zu einer Modalität der Existenz; das Bewusstsein, ein Opfer sein zu können, ist Bedingung eines neuen Anfangs des Denkens. Die Erfahrung der Nötigung zum Denken des Wesentlichen setzt deshalb den individuellen „Wille[n] zum Opfer“ 48 voraus. Der Wille zum Opfer ermöglicht, „das Fragen in den selben Grund der Notwendigkeit zu verlegen,“ und „die Einzigkeit des Seyns [. . .] aus einer ursprünglicheren Wahrheit zur Not werden zu lassen.“ 49 Wenn bei dem anderen Anfang des Denkens „die Wahrheit des Seyns gewagt werden [muss] als Gründung, Erdeckung des DaSeins“, impliziert das nicht zufällig eine „Verwandlung“ des Menschen: „Durch die Gründung des Da-seins verwandelt sich der Mensch (Sucher, Wahrer, Wächter“. Nun ist von Da-Sein, als „Sein des Da“ die Rede, als „inständige Ertragsam-
45 46 47 48 49
GA 65, S. 57. GA 65, S. 113. GA 65, S. 113. GA 65, S. 73. Ibid.
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keit der Lichtung, d. i. des Freien, Ungeschützten, Zugehörigen des da, worin das Seyn sich verbirgt“.50 Das muss nicht als eine neue Bestimmung des Wesens des Menschen als Opfer bzw. als opferbringendes Wesen gelesen werden, weil das Sein des Da nur der „Grund der Möglichkeit des künftigen Menschseins“ ist, so dass der Mensch hier immer nur ein „Zu-künftiger“ bleiben muss.51 Der Mensch ist nur „künftig, indem er das Da zu sein übernimmt, daß er sich als den Wächter der Wahrheit des Seyns begreift, welche Wächterschaft angezeigt ist als die ,Sorge‘.“ „Die Zu-künftigen sind jene Künftigen, auf die als die rückwegig Er-wartenden in opfernder Verhaltenheit der Wink und Anfall der Fernung und Nähung des letzten Gottes zu kommt.“ 52 Zu-künftige sind somit auch die „Unter-gehenden“, „die das Kommende (das Künftige) unter-laufen und ihm als sein künftiger unsichtbarer Grund sich opfern, die Inständigen, die unausgesetzt sich dem Fragen aussetzen.“ 53 So verstanden wird der Mensch auch „[j]ener, der gebraucht wird vom Seyn zum Ausstehen der Wesung der Wahrheit des Seyns.“ 54 Das bedeutet, dass, was der Mensch ist, stets noch festzustellen ist. Und jede Vorstellung des menschlichen Wesens bleibt, im Horizont des wesentlichen Opfers, ein Ausdruck der Seinsvergessenheit. Die Bereitschaft zum wesentlichen Opfer bedeutet somit eine Verabschiedung vom traditionellen philosophischen Menschenbild, durch das der Mensch auf ein Erkenntnissubjekt reduziert wurde. Als sich den nicht hantierenden, sondern anfänglichen Denken aufopferndes Wesen stellt der Mensch jede verstandesmäßige differentia specifica in Frage. Eben der Mensch als animal rationale muss geopfert werden. Sich für ein solches ungewöhnliches Denken des Menschen einzusetzen heißt aber sich von anderen Menschen, die ihre Praxis auf traditionelle und gesicherte Menschenbilder stützen wollen, zu isolieren; Heidegger spricht von der „Einsamkeit des Opfers“ bzw. der „Einzigkeit der Wahl der kürzesten und steilsten Bahn“.55 Die Schwierigkeit scheint darin bestehen, dass das Sich-Einlassen auf die Wahrheit des Seins eine Form einsamer Rückbesinnung benötigt, in deren Verlauf man ständig zwischen Zukunft und Vergangenheit oszillieren muss. Menschen opfern sich auf eine wesentliche Weise, wenn sie als „Rückwegige“ antreten, indem sie durch eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der philosophischen Tradition „den Rückweg aus der erfahrenen Seinsverlassenheit finden, ausmessen und bauen.“ 56
GA 65, S. 230. GA 65, S. 297–298. Zum wesentlichen Opfer als Opfer des animal rationale vgl. Sallis, Sacrifice of Understanding, a. a. O. 52 GA 65, S. 395. 53 GA 65, S. 397. 54 GA 65, S. 318. 55 GA 65, S. 408. 56 GA 65, S. 411. 50 51
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4. Opfer als Freiheit zum Verschwenden im Nachwort zu ,Was ist Metaphysik?‘ Im Nachwort von 1943 (überarbeitet 1949) zu Was ist Metaphysik? wird noch deutlicher, warum die selbstopfernde Hingabe an ein Denken, das auf das Fragen nach dem Wesen eingerichtet ist, den Mut des Denkers braucht: Das Wesen zu erfassen macht Angst. Angst erschien bereits in Was ist Metaphysik (1929) als jene Grundstimmung, in der das Nichts sich offenbart und das Fragen der Metaphysik möglich wird. Die „ursprüngliche Angst“ 57 ist die, in der das Nichts nicht als eine abgeleitete Verneinung eines gewissen Seienden thematisiert wird, sondern als „Ermöglichung der Offenbarkeit des Seienden als eines solchen für das menschliche Dasein.“ 58 Nur wenn die Angst die Erfahrung des Nichts begleitet, kann das Nichts nicht nur als ein „Gegenbegriff des eigentlich Seienden“ thematisiert werden, und „sich als zugehörig zum Sein des Seienden“ enthüllen.59 Im späteren Nachwort wird die „ursprüngliche Angst“ nicht zufällig eine „wesenhafte“ genannt,60 da sie zu Denkformen führt, die „nicht nur nicht rechnen, sondern überhaupt aus dem Anderen des Seienden bestimmt sind“.61 Es geht um ein Denken, das sich „verschwendet [. . .] im Sein für die Wahrheit des Seins.“ 62 Dieses Denken wird möglich, „indem der Mensch sein geschichtliches Wesen dem Einfachen der einzigen Notwendigkeit überantwortet, die nicht nötigt, indem sie zwingt, sondern die Not schafft, die sich in der Freiheit des Opfers erfüllt.“ 63 Das Opfer „ist die allem Zwang enthobene, weil aus dem Abgrund der Freiheit erstehende Verschwendung des Menschenwesens in die Wahrung der Wahrheit des Seins für das Seiende.“ 64 Das wesentliche Opfer duldet auch hiernach keine „Berechnungen, durch die es nur auf einen Nutzen oder eine Nutzlosigkeit verrechnet wird“;65 zielorientierte Handlungsformen können das Opfer höchstens vorbereiten: „Das Opfer kann durch das Werken und Leisten im Seienden zwar vorbereitet und bedient, aber durch solches nie erfüllt werden.“ 66 Deshalb bleiben Formen des Verzichtens, die, wie in der Askese, praktische Ziele im Blick haben, unwesentliche Opfer. Es fehlt ihnen „das abschiedliche Wesen“, das das Opfer zeigt, wenn der Mensch sein Dasein als Ort für das Geschehen der Wahrheit des Seins versteht. Im Nachwort wird also ausdrücklicher als in den zuvor betrachteten Schriften die
57 58 59 60 61 62 63 64 65 66
GA 9, S. 115 ff. GA 9, S. 115. GA 9, S. 120. GA 9, S. 308. GA 9, S. 309. Ibid. Ibid. GA 9, S. 310. GA 9, S. 311. Ibid.
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Verbindung von Verschwendung und Freiheit im Opfergedanken geklärt. Verschwendung gilt dabei nicht als bloße Zerstörung, sondern als Äußerung von Dankbarkeit. Im Opfer ereignet sich „der verborgene Dank“ des Menschen als Wächter des Seins gegenüber dem Seienden: „Opfer ist der Abschied vom Seienden auf dem Gang zur Wahrung der Gunst des Seins.“ 67 Mit diesem Gedanken, dass ein verschwenderischer Akt die Bedingung einer neuen Denkform und damit des Erfassens einer ursprünglicheren Form von Wahrheit ist, scheint Heidegger Batailles Auffassung des Opfers nahezustehen.68 Es ist nützlich, diese Parallele kurz zu erörtern, um die Besonderheit von Heideggers Opfergedanken herauszuarbeiten. Die Ausgangsposition Batailles ist anders, da er sich nicht Opfern von intellektueller Natur, sondern zeremoniellen Opfergaben widmet, die kein wesentliches Opfer im Sinne Heideggers darstellen können. Dennoch liegt für Bataille das Prinzip dieser Opfergaben in einer „Zerstörung“, mit der der Opfernde die Opfergabe „der Welt der Nützlichkeit“ entreißt und „einer Welt kapriziöser Unbegreiflichkeit“ zurückgibt.69 Mit Heidegger könnte man sagen, dass beim Opfern die geopferten Dinge weder als vorhanden noch als zuhanden wahrgenommen werden. Auch für Bataille ermöglicht die Verabschiedung von der Denkweise des berechnenden Verstandes eine neue Denkerfahrung: „Die Trennung des Opferers von der Welt der Dinge ist notwendige Voraussetzung für die Wiederkehr der Intimität, der Immanenz von Mensch und Welt, von Subjekt und Objekt.“ 70 Beim Opfern kommt der Mensch dazu, der „souveränen Welt der Götter und Mythen, der Welt ohne Berechnung“ zuzugehören.71 Intimität mit den Seienden, die durch die „Opfergabe der Nützlichkeit“ 72 erreicht wird, kann man, wie die Wahrheit des Seins bei Heidegger, „nicht diskursiv artikulieren“.73 Sie ereignet sich immer in „Nimbus der Angst“.74 Sicherlich treibt aus der Perspektive Heideggers eine solche Interpretation des Opfers die Seinsvergessenheit noch weiter. Sie macht keinen Unterschied zwischen Seiendem und Sein und orientiert sich weiterhin an Seiendem, das zunächst die Form von hergestelltem Zeug und von Machenschaften hat und dann, nach dem Opfer, von Seiendem ohne jeden Nutzwert. Im Horizont jener Freiheit, die nach Heidegger das Wesen der Wahrheit ausmacht, ist deutlich, dass zeremonielle GA 9, S. 310. Georges Bataille, Theorie der Religion [1948], übers. v. Gerd Bergfleth (München: Matthes & Seitz, 1997). 69 Ibid., S. 39. 70 Ibid., S. 39–40. 71 Ibid., S. 41. 72 Ibid., S. 44. 73 Ibid., S. 45. 74 Ibid., S. 46. 67 68
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Opfer im Sinne Batailles keine wesentlichen Opfer sein können, auch wenn sie eine Art Verschwendung implizieren. Die Opfergabe wird durch äußere Gewalt erzwungen, nicht von einer Nötigung des Seins. Und der Mensch als Opferbringender bleibt noch ein Subjekt, das seine Freiheit nur als Willkür ins Spiel bringt: Er kann, im Rahmen eines Rituals, dies oder das opfern, erfährt dazu aber keine Nötigung, erst recht nicht zum Selbstopfer. Die Freiheit des Opfers ist bei Heidegger die Freiheit eines Sich-Einlassens und -Überlassens, die vom Ereignis des Seins ausgelöst wird, d. h. von einem unfassbar Anderen und nicht einfach von einer individuellen Entscheidung. Während beim zeremoniellen Opfer die Freiheit des Subjekts nicht angetastet wird, ist die Freiheit des wesentlichen Opfers eine paradoxe Verschwendung eben der Willkür des Subjekts. Man entscheidet nicht mehr willkürlich, und gerade darin liegt die ursprüngliche Freiheit. II. Der christliche Horizont von Heideggers Opferdiskurs Nicht jedes intellektuelle Opfer, d. h. nicht jede Kritik und jede Dekonstruktion führt zum anfänglichen Denken. Dazu gehört außerdem eine Erfahrung der Nötigung durch das Sein, die nicht vom Menschen allein kommen kann.75 Ohne diese Nötigung scheint das intellektuelle Opfer einfach eine Negation zu bleiben, die nur neue Bestimmungen, neue Feststellung des Streits zwischen Erschlossenheit und Verbergung des Seyns hervorbringt. Das verschwenderische wesentliche SelbstOpfer stellt somit einen Verzicht auf die rationale und technische Denkweise dar, ist jedoch nicht eine bloße Wiederholung eines religiös inspirierten sacrificium intellectus. Denn das anfängliche Denken, mit seinem Versuch, das Sein nicht auf Seiendes zu reduzieren, verabschiedet auch den vor-stellenden Charakter des Glaubens, Sofern aber auch der Glaube auf ein unfassbar Anderes verweist, das allein das Opfer wesentlich machen kann, steht Heideggers Opferdiskurs in einem ambivalenten Verhältnis zum christlichen Opfermodell. Wohl ist das Verschwenden als Negation von Vorhandenheit und Zuhandenheit ein interesseloser Verzicht des Opfernden. Heidegger greift das Opfermodell der christlichen Tradition insofern auf, als im Christentum die Unterscheidung zwischen verschiedenen Arten von Opfern je nach dem Grad von Selbstlosigkeit eine zentrale Bedeutung gewinnt. Aus dieser Perspektive sind authentische Opfer wie authentische Gaben jene, die rein interesselos sind;76 dass diese Selbstlosigkeit 75 „Den Standort der Metaphysik verlassen, das sagt nichts anderes als einer Nötigung unterstehen, die aus einer ganz anderen Not entspringt, einer Not allerdings, die durch die Geschichte der Metaphysik erwirkt wurde, dergestalt, daß sie sich als die Not, die sie ist, entzieht und die Notlosigkeit (hinsichtlich des Seins und der Seinfrage) zum herrschenden Zustand werden läßt.“ (GD 65, S. 429) 76 Dass Opfer und Gaben, die ihr wesentliches Merkmal in der reinen Selbstlosigkeit haben, von aporetischer Natur sind, zeigt Jacques Derrida, Zeit Geben I: Falschgeld, übers. v. R. Gasché u. U. Köppen (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1993).
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von Opfern und Gaben nicht in jeder kulturellen Tradition, sondern nur in der christlichen selbstverständlich ist, zeigt Heideggers Nähe zu dieser Tradition. Opfer als solche müssen keine verschwenderische Natur haben, und auch zeremonielle Opfer können einen Nutzen haben, wenn auch mehr für die Gesellschaft als für den Opfernden selbst.77 Hier muss man also genauer nachsehen. Eine Doppelung und Wertung von Opfertypen ergibt sich schon daraus, dass die Heilige Schrift die Opfergaben des alten Testamentes und die Selbstaufopferung Christi als Grundalternativen des Opferns unterscheidet. Die christliche Offenbarung macht die alttestamentlichen Opfergaben fragwürdig; für den opfernden Christen bleibt die Verinnerlichung von Christi Opfer im selbst-demütigenden Verzicht des Gläubigen die höchste Möglichkeit. Dass Heideggers Unterscheidung wesentlicher und unwesentlicher Opfer theologisch inspiriert sein könnte soll nicht überraschen, denn Heidegger genoss ja eine theologische Ausbildung und pflegte stets das Gespräch mit Theologen.78 Eine Differenzierung des Opfers findet man auch bei Karl Barth, einem Theologen, den Heidegger zwar nicht besonders schätzte (zumindest nicht so sehr wie Rudolf Bultmann), dessen Werk er aber kannte.79 Besonders bedeutsam sind hier Passagen aus Barths Ethik-Vorlesung vom WS 1928/29, wo er ebenfalls zunächst die Freiheit als entscheidendes Merkmal des Opfers unterstreicht: „Opfern heißt etwas Lebenswichtiges, was uns von Rechts wegen zu eigen gehört, freiwillig hergeben daraufhin, daß dem, dem es hingegeben wird, ein höheres Recht darauf zuerkannt wird.“ 80 Wie bei Heideggers Gedanken des wesentlichen Opfers hat das Opfer seinen Anlass darin, dass ein ,ursprünglicher Verlust‘ stattgefunden hat. Ist bei Heidegger das wesentliche Opfer nötig, weil man das Sein vergessen hat, so haben für Barth Opfer ihren Grund darin, dass, nach der Ursünde, die ursprüng77 Andere Formen zeremonieller Opfergaben kennen die monotheistische Überbetonung des Elements des Verzichts nicht. Vgl. Marcel Hénaff, Der Preis der Wahrheit, übers. v. E. Moldenhauer (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1999), inbes. Teil 2. Zu einer Kritik des Versuchs, aus der oblativen Gabe der christlichen Tradition die wahre Gabe zu machen und andere Formen der Verausgabung als uneigentliche Gabe darzustellen vgl. ders., Zeremonielle Gabe, Alterität und Anerkennung, in: Journal für Religionsphilosophie 2 (2013), S. 15–30. 78 Die Literatur zum Thema ist Legion. Zur Übersicht vgl. Alberto Anelli, Heidegger und die Theologie. Prolegomena zur zukünftigen theologischen Nutzung des Denkens Martin Heideggers (Würzburg: Ergon Verlag, 2008). 79 „Für die schwelenden Probleme ist Barth sogar ein leicht wiegender Gegner [. . .]“. (Brief an Rudolf Bultmann von 29. März 1927, in: Rudolf Bultmann – Martin Heidegger. Briefwechsel 1925–1975, hg. v. Andreas Großmann u. Christoph Landmesser (Frankfurt am Main: Klostermann, 2009), S. 25. Anderen Briefe an Bultman kann man entnehmen, dass Heideggers sich konstant mit Barth und im Allgemeinen mit der dialektischen Theologie beschäftigte. 80 Karl Barth, Ethik II, in: Karl Barth. Gesamtausgabe, Bd. II., Akademische Werke 1928/29, hg. v. Dietrich Braun (Zürich: Theologischer Verlag, 1978, S. 263).
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liche Allianz mit Gott verloren ist: „ein Opfer des Menschen an Gott kann nun nur in Betracht kommen als Tat des an Gott [. . .] schuldig gewordenen Menschen. Geopfert wird auch in der Bibel erst nach der Austreibung aus dem Paradies.“ Stattdessen ist so lange kein Opfer nötig, wie der Mensch „in den Schranken des Gehorsams vor allem zum Herrn seines Lebens“ bleibt.81 Das bedeutet für Barth, dass menschliche Opfer als solche etwas Widersprüchliches und zum Scheitern Verurteiltes sind, sofern dabei eine Versöhnung mit Gott dadurch angestrebt wird, dass der Mensch Gott etwas schenkt, das Gott als Schöpfer von Anfang an schon gehörte: Ein Stück Leben, ein lebenswichtiges Stück Eigentum, wird Gott geweiht, Gott wieder zur Verfügung gestellt, Gott geheiligt, um es so wenigstens stückweise, andeutungsweise, symbolisch, demonstrativ wahr sein zu lassen, was im eigentlichen Sinn leider nicht wahr ist: wir stehen dem zur Verfügung, der uns erschaffen hat. Weil das im eigentlichen Sinn nicht geschieht, darum muß es jetzt in diesem uneigentlichen Sinn geschehen.82
Opfer deuten an, symbolisieren, realisieren aber nicht, was sie anstreben: sie können „den ursprünglichen Willen Gottes nicht erfüllen.“ 83 Wenn eine „positive Bedeutung des Opfers“ nur „Zeichen, Zeugnis, Symbol, Demonstration“ 84 sein kann, dann beruht jeder Anspruch auf eine Existenz in der Wahrheit – sei diese moralisch oder theoretisch gemeint – durch Opfer auf einer Form arroganten Selbstbetrugs: „Eine direkte, mehr als symbolische, eigentliche Christusgleichheit unseres Opfers wäre nicht der Gehorsam, der von uns gefordert ist. Es wäre geradezu Ungehorsam.“ 85 Opfer, könnte man sagen, bleibt aus dieser Perspektive immer nur als Metapher denkbar, weil ein Opfer ,im eigentlichen Sinn‘ dem Menschen dem Menschen nicht möglich ist. Der Opfernde missversteht den Kontext seiner aufopfernden Handlung; er weiß nicht, was er tut. So wird auch hier der Opfergedanke zum Ort einer unlösbaren Spannung zwischen Wahrheit und Unwahrheit. Opfer ist eine freiwillige Einschränkung unseres Lebenrechtes, [. . .], mit der wir wenigstens bekunden, wenigstens im Einzelnen und symbolisch wahr sein lassen, was im Ganzen und eigentlich genommen, leider nicht wahr ist, mit der wir wenigstens in der Kollision zwischen Gottesrecht und Menschenrecht wahr sein lassen, was im Frieden zwischen beiden wahr sein müßte: wir sind Gottes.86
Paradox ausgedrückt wird der Mensch zu authentischen Opfern nur fähig, wenn er deren Unmöglichkeit erkennt, d. h. dessen bewusst bleibt, dass sie nur uneigentliche oder eben unwesentliche Opfer sein können. Nur wenn Opfer nicht als Ziel 81 82 83 84 85 86
Ibid. Ibid., S. Ibid., S. Ibid., S. Ibid., S. Ibid., S.
264. 265. 275. 276. 265.
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genommen werden, sondern ein gutes Tun begleiten, können sie einen positiven Sinn gewinnen. Sie helfen dann, Selbstgefälligkeit beim moralischen Handeln zu vermeiden, da es nach Barth ohne Selbstverleugnung immer noch um ein Handeln ginge, „bei dem wir uns selbst restlos bejahen könnten“.87 Opfer können somit eigentlich werden, wenn der Opfernde dabei eine ,Kehre‘, eine metÜnoia erlebt. Barth verweist auf Paulus’ Römerbrief und verbindet das Opfer mit dem Ankommen eines neuen (anfänglichen, würde Heidegger sagen?) Denkens: „,Metamoro¯sqe t nakainþsei to¯ noüò. Wandelt euch durch Erneuerung eures Denkens, eurer Vernunft!‘“ 88 Barth unterstreicht dabei, dass Paulus „nicht von Gedanken, sondern vom Denken selbst“ redet. Das neue Denken bringt ein Opfer mit sich, weil es „gegenüber dem, was wir sonst, an sich und von uns aus denken, ein Hergeben, ein sacrificium intellectus bedeuten würde.“ 89 Die Unterscheidung zwischen zwei Arten von Opfern wird wie so wie bei Heidegger von einer radikalen Änderung der eigenen Denkform abhängig gemacht. Bei Barth wird das Opfer jedoch nur vollkommen, wenn es Gehorsam gegenüber Gott und Dienst am Nächsten in sich verbinden kann, während es Heidegger nur um die radikale Änderung des Denkens geht, die sich einem unfassbar Anderen verdankt. Darin hat sein Opferdiskurs ein theologisches Element. III. Schluss: Das Opfer des Opfers und das Opfer der Philosophie Halten wir fest: Der Opferdiskurs ist bei Heidegger mehr als nur ein Mittel der Selbstinterpretation, der Inszenierung des eigenen philosophischen Unternehmens. Er sagt nie ausdrücklich, was er unter den Termini ,Opfer‘ und ,wesentliches Opfer‘ versteht; noch weniger bietet er irgendeine Opfertheorie. Trotzdem versucht er durch die absolute Metapher des Opfers die Ankunft einer neuen Denkform vorzubereiten und dabei eine Gründungsdynamik der Wahrheit des Seins zur Sprache kommen zu lassen, die nicht durch traditionelle Formen der begrifflichen Sprache und Theorie dargestellt und objektiviert werden darf. Heideggers Gebrauch der Opferfigur zum Verweis auf einen neuen Anfang des Denkens ist mehr als ein pathetisches Plädoyer für eine totale Hingabe an ein nicht-utilitaristisches Denken. Er will damit die vermittelte Natur des Denkens, das anfängliche Denken der Wahrheit des Seins eingeschlossen, aufrufen: Ein neuer Anfang braucht ein Opfer, und je umfassender der neue Anfang ist, da „alles Seiende dem Seyn geopfert“ werden soll,90 desto umfassender muss das Opfer sein. Der Anfang des anfänglichen Denkens muss dabei nicht ursprünglich sein, sondern kann lediglich bei einem Seienden als Opfergabe beginnen, auch wenn es vorher mit dem Seyn 87 88 89 90
Ibid. Ibid., S. 280, Zitat aus Röm. 12,2. Ibid., S. 281. GA 65, S. 230.
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verwechselt wurde. Es muss darum als geschichtliche Erscheinung in einer Welt von Bahnen und Bezügen, die stets eine unthematisierte Erde hinter sich hat, dekonstruiert, sein bisher selbstverständlicher Wert für die Erkenntnis geopfert werden, damit der Vollzugscharakter der Wahrheit des Seyns offenbar wird. Aus der Sicht der Nutzenorientierung ist dies Verschwendung. Das Denken vollzieht nach Heidegger sein wesentliches Opfer gerade dann, wenn es sich dieser Erfahrung des Todes Gottes bewusst wird und sich von verfestigten, kodifizierten, routinierten Opfern zu verabschieden, philosophisch gesprochen Ansprüche auf definierte und letztgültige Wahrheiten in Frage zu stellen weiß, die sich jeweils in Opfern einrichten. Um mit dem Denken neu anzufangen, muss man in der Lage sein, die Beschränktheit und die Situativität jedes Opfers zu erkennen, d.h. verborgene tiefliegende Interessen, jegliche Überbleibsel des Rechnens und der Machenschaften im Opfern zu entlarven, um so die Not und damit die Nötigung zu einem Denken ohne Nutzen zu erfahren. Somit wird das Opfer bei Heidegger selbstbezüglich, ein Opfer des Opfers: Es sollen dabei auch traditionelle Opferdiskurse im Namen des wesentlichen Opfers überwunden werden. Das wesentliche Opfer will, anders als andere philosophische Opfer, sein Ziel bei seinem Adressaten finden und nicht nach der Verwirklichung von etwas jenseits dieses Adressaten streben. Das Adressat scheint ein erst kommender Gott zu sein, der „letzte Gott“, der eben deshalb der letzte ist, weil er nach dem Tod des christlichen Gottes kommen soll. Somit wiederholt Heidegger eine wertende Abstufung des Opfers, die das Christentum schon kennt, und scheint doch über das christliche Opfer hinauszugehen. Denn auch wenn beide den nutzenfreien Charakter des Opfers zuspitzen, muss Zuhandenheit und Vorhandenheit zu tilgen für Heidegger auch bedeuten, jede ,brauchbare‘ religiöse Vor-stellung Gottes und die damit verbundene Heilsökonomie zurückzuweisen. Das wesentliche Opfer muss so auch das christliche Opfermodell opfern. Wenn jeder Rest von Kalkül beim wesentlichen Opfer zu überwinden ist, verabschiedet sich Heideggers späterer Opferdiskurs auch von jener „Introversion des Opfers“, die von Horkheimer und Adorno im Zivilisationsprozess erkannt und als „Opfer des Augenblicks an die Zukunft“ interpretiert wurde.91 Hier war das Selbstopfer, als asketische Übung, noch Bedingung des Hantierens auf einen Nutzen hin. Auch Sein und Zeit schien noch an diesem Opfermodell festzuhalten, sofern das Dasein sein uneigentliches Verfallen an das ,man‘ dem eigentlichen Sein-zumTode zu opfern hat, um zu seinen eigenen authentischen Möglichkeiten in der Zukunft kommen zu können.92 Aus der Perspektive des wesentlichen Opfers ging es 91 Max Horkheimer/Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente (Amsterdam: Querido, 1947), S. 71. 92 Vgl. Dieter Thomä, Die Zeit des Selbst und die Zeit danach. Zur Kritik der Textgeschichte Martin Heideggers 1910–1976 (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1990), S. 356– 360.
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hier noch immer um ein teleologisches Verfügbarmachen des Daseins und seines In-der-Welt-Seins, nicht um die Bewahrung der Wahrheit des Seyns. Mit der Metapher des wesentlichen Opfers erlebt die historische Entwicklung der Opfersemantik – vom ,Opfern zu etwas‘ zum ,Opfern für etwas‘ – eine radikale Umkehrung. Dem allmählichen Bedeutungsverlust des Opferns als totaler Verehrung einer Andersheit zugunsten des Opferns als pragmatischem Verzichten im Namen eines konkreten Ziels wird widersprochen.93 Diese Operation scheint zwei Hauptwirkungen zu haben, die Heidegger nicht bewusst gewesen sein mögen. Zum einen sollte die Rückkehr zur Semantik des ,Opferns zu‘ eine Art Gegengift gegen den rhetorischen Missbrauch des Opferdiskurses im Bereich des Politischen sein. Denn jedes Opfer für den Staat oder für das Volk gehört eindeutig zur Dimension des unwesentlichen, pragmatischen Verzichtens. Ob Heidegger diesem apolitischen Opferdiskurs wirklich treu bleiben konnte, ob seine Sensibilität für das wesentliche Opfer ihn wirklich von den Gefahren der Übertragung der Opferrhetorik in die soziale Dimension geschützt hat, kann hier nicht diskutiert werden. Wir können nur feststellen, dass das wesentliche Opfer als Drehscheibe zwischen metaphysischem Denken und neuem Anfang der Philosophie, wenn konsequent gedacht, unpolitisch bleiben muss.94 Zum andern ist von dieser Wiedergewinnung der Ursemantik des Opferns – wenn man so will, von einem ,neuen Anfang‘ des Opferdiskurses – die philosophische Tradition im Ganzen betroffen. Damit geht Heidegger einen Schritt weiter
93 Hauptsächlich anhand von talmudischen und biblischen Texten unterscheidet Moshe Halbertal, On Sacrifice, (Princeton: Princeton University Press, 2012) zwischen dem früheren ,sacrifice to‘ und dem späteren ,sacrifice for‘. Beide Sprachgebräuche lassen sich in der jüdischen-christlichen Tradition gut belegen. Während der erste eine rein religiöse Bedeutung hat, bekommt der zweite wachsende ethische und politische Relevanz und kulminiert in der Vorstellung eines Selbst-Opfers, das zugunsten von Institutionen durchgeführt wird, deren Wert größer als der des einzelnen Individuums eingeschätzt wird. 94 In den jüngst erschienenen Schwarzen Heften gibt es nicht wenige Passagen, in denen von Opfer im Sinn des wesentlichen Opfers die Rede ist. Auch dabei geht es stets um ein Selbstopfer des Denkers. Dennoch, dem stark kulturkritischen Ton dieser Seiten entsprechend, gewinnt diese Figur an Konkretheit. Wo es z. B. um die Erneuerung der Universität geht, drückt sich Heidegger so aus: „Die neue Universität kommt nur, wenn wir uns für sie opfern; dieses unser Los, um auch nur ihr Bild uns vorzubilden.“ (Überlegungen II– VI (Schwarze Hefte 1931–1938), in: GA 94, S. 111). Jedenfalls ist es wichtig, dass die Opfer, die erwünscht sind, anders als die Opfer, die in der Offensichtlichkeit Anerkennung finden können, von unsichtbarer Natur bleiben: „Wir wollen nicht Nutznießer und Verwalter des Erreichten sein – wir entfesseln einen neuen Kampf, der nicht den Vorteil der Öffentlichkeit hat und der sichtbaren Opfer – wo einer leicht unbemerkt sich drücken kann und wo anderseits die Mittel des Kampfes erst zu schaffen sind.“ (GA 94, S. 138) Diese unsichtbaren Opfer bestehen in einem „Verbrauchtwerden“ vom Seyn; in dessen Vollzug werden „wir [. . .] – jene, denen es beschieden – vom Seyn ereignet. Deshalb ist das Geopfertwerden jener Großen nie ein Wegschwinden in das Unseiende, sondern Er-eignung und so Sein selbst. (Ereignis).“ (GA 94, S. 326)
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in der Verwindung des metaphysischen Denkens, indem er bisher unbedachte Aspekte dieses Denkens denkt. So wird die Grundbestimmung der Philosophie als Liebe der Weisheit bedenklich. Liebe, als nicht instrumentelle Beziehung zu einem Anderen, zeigt tatsächlich eine tiefe Gemeinsamkeit mit dem Opfer. Denn die phänomenologische Struktur der Liebe gleicht der des Opfers darin, dass es bei beiden um eine Hingabe geht, die auch ein gewisses Verzichten einschließen kann. Anders als der Opfernde profitiert jedoch der Liebende von seiner Hingabe und sei es nur im Genuss des Wohlergehens des Geliebten. Vom Standpunkt des wesentlichen Opfers scheint die Liebe des Philosophen jedoch dazu verurteilt, den Zugang zur Wahrheit des Seins zu verfehlen. Das neue Denken kann dann nicht mehr einfach Philo-Sophie sein, weil das philein, als nicht vollkommen selbstlose Hingabe, nicht mehr den wesentlichen Zugang zur Wahrheit des Seins bietet. Die Philosophie selbst, deren Tradition nur unwesentliche Opfer kennt, muss geopfert werden. Man kann sich natürlich fragen, warum Wahrheiten, die aus liebender Hingabe gewonnen werden, weniger wertvoll sein sollten als jene, die dank einer völlig interesselosen sich selbst opfernden Hingabe erreicht werden. Menschliche Liebe kann in der Tat nicht vollkommen selbstlos sein, unterscheidet sich aber doch von jeder hantierender und kalkulierender Einstellung gegenüber dem Anderen. Heidegger bleibt bei der Dichotomie, tertium non datur. Oder wird man Heidegger so nicht gerecht? Könnte er mit seinem Opferdiskurs noch etwas anderes gemeint haben? Vielleicht, dass ein reines menschliches Opfer nur ein Ideal bleiben kann, da jede menschliche Handlung unvermeidlich Interesse und Egoismus einschließt? Dann wäre die Wahrheit, die durch das wesentliche Opfer denkbar wird, nie wirklich mitteilbar, da in jeder (menschlichen) Mitteilung sich wieder ein ,guter Sinn‘ einschliche und dem Opfer seine Wesentlichkeit nähme. Der Kommunikation, derer wir bedürfen – als erste Stufe auch des liebenden Verhaltens –, bedarf auch das Geschehen der Wahrheit des Seins, und wenn sie auch noch so minimale metaphysische Konstruktionen mit sich führt, geht es nicht ohne sie. So aber wird Heideggers wesentliches Opfer für die Wahrheit des Seyns übermenschlich, vielleicht auch unmenschlich.
Denken und Ding Bauen, Wohnen, Denken der Gelassenheit Tina Röck Wie der Untertitel ,Bauen, Wohnen, Denken der Gelassenheit‘ schon aufzeigt, soll in dieser Untersuchung eine Brücke zwischen zwei Bereichen des Denkens Martin Heideggers verdeutlicht werden, und zwar zwischen der Besinnung auf das Wohnen, wie es z. B. im Vortrag ,Bauen Wohnen Denken‘ gedacht wird, und dem Denken der Gelassenheit, welches sich in dem Vortrag ,Gelassenheit‘ und der Schrift ,Zur Erörterung der Gelassenheit – Aus einem Feldweggespräch über das Denken‘ findet. Der Titel zeigt sowohl den verbindenden Terminus dieser Untersuchung an, nämlich das ,Denken‘, als auch den verbindenden Gegenstand des Denkens, nämlich das Ding. Es soll also auf den folgenden Seiten die Möglichkeit erläutert werden, vermittels eines gelassenen Bedenkens der Dinge das Wohnen zu ermöglichen. Hierfür werde ich zunächst aufzeigen, wie Wohnen, Denken und Ding (im Sinne des alltäglich Gegebenen, also auch des materiellen Gebrauchsdinges) miteinander verbunden sind und in welchem Bezug sie zu dem Wesen des Menschen stehen. Anhand der Texte zur Gelassenheit werde ich aufzeigen, wie das Bedenken der Dinge beschaffen sein könnte, um durch ein solches Denken das Wohnen zu ermöglichen. Interessant und außergewöhnlich ist dieser Versuch, vermittels der alltäglichen Dinge1 zum Wesen des Denkens und somit des Menschen vorzudringen, auch aus zwei Gründen. Der erste Grund liegt in der Vermittlung von Denken, menschlichem Handeln und Lebenswelt. Lange wurde das Denken nur als Weg gesehen, sich von den konkreten, den im Grunde unwichtigen, lebensweltlichen Belangen zu befreien, um zu dem eigentlich Wichtigen, dem Absoluten und dem Idealen zu gelangen. Eine erste Verbindung von theoretischer und lebens-praktischer Philosophie findet sich zwar schon im deutschen Idealismus, doch konnte diese Verbindung nur um den Preis des völligen Weltverlustes erlangt werden. Heidegger
1 Natürlich kann das Ding auch so weit gedacht werden, dass es jedes Seiende benennt (vgl. Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, S. 6, bzw. ders. Das Ding, S. 178 und ders. Die Frage nach dem Ding, § 2). Hier soll das Ding jedoch zunächst im alltäglichen Sinn bestimmt bleiben, nämlich als materielles Gebrauchsding.
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gelingt es jedoch im andersanfänglichen Denken nicht nur Theorie und Praxis zu vereinen, sondern zugleich auch noch den Bezug des Menschen zur Welt und zu den Dingen mitzudenken. Dies verweist sogleich auf den zweiten Punkt, der diesen Versuch so außergewöhnlich macht, nämlich die Betonung der Dinge für das Denken und die Betonung ihrer Rolle im Selbst- und Weltverständnis des Menschen. Zumindest seit Platon war die Welt der Dinge dem philosophischen Denken suspekt geworden. Die Dinge wurden entweder idealistisch gedeutet, als ein aus Substanz und Akzidenz Zusammengesetztes, oder materialistisch, als Sinnending, oder funktionalistisch, als ein aus Stoff und Form Zusammengesetztes. 2 Die alltäglichen Gebrauchsdinge wurden in diesen und ähnlichen Formen der Deutung höchstens als konkretes Beispiel für ontologische Entitäten erwähnt, die man auf ihr Sein hin befragen kann, oder als konkrete Exemplare der Zusammensetzung aus Substanziellem und Akzidentellem behandelt bzw. als das unerkennbare Andere des Denkens bedacht, aber nicht als welterschließende Dinge. Denn zumeist wurde vorausgesetzt, dass die Frage nach dem Wesen des Menschen, dem Wesen des Denkens oder dem Wesen der Wirklichkeit nicht in wesentlichem Bezug zu den Dingen steht. Auch heute noch scheint uns die Vorstellung, dass jene Schaufel oder dieser Computer uns einen Weg in das eigene Wesen eröffnen können soll, reichlich ungewöhnlich. Interessanterweise besteht in dieser eröffnenden Dimension der Dinge kein wesentlicher Unterschied zwischen den verschiedenen Arten von Dingen, wie sich im Vortrag über die Gelassenheit zeigt. So kann ein Bauernhaus als Ding genauso eröffnend wirken wie mechanische oder technische Dinge. Während in der klassischen Philosophie das Ding zum Grenzbegriff des Denkens geworden ist und das Ding als der Punkt gedacht wurde, an dem das (rechnende) Denken sich verliert, zeigt sich mit Heidegger eine andere Möglichkeit das Ding zu denken. In diesem Denken zeigt sich das Ding eben auch als ein Ort der Versammlung, an dem das andersanfängliche Denken und somit ein Weg in das Wohnen beginnen kann. I. Eine Neubestimmung der Dinge im Denken Ein erster Versuch, die Gebrauchsdinge anders zu denken und so in eine neue Eröffnung der Wahrheit des Seienden zu gelangen, findet sich schon in ,Sein und Zeit‘, und zwar in der Vorstellung der Zuhandenheit, welche die strenge Unterscheidung zwischen gebrauchendem Subjekt und gebrauchtem Gegenstand verschwimmen lässt. Im späteren Denken Heideggers finden sich immer wieder Hinweise auf die zentrale Rolle der Dinge bzw. des Zeugs für das Dasein im andersanfänglichen Denken. Aber das Zusammenspiel des gelassenen Denkens der Dinge und des 2
Vgl. Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, S. 8 f.
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wohnenden Wesens des Menschen bleibt weiterhin eine Aufgabe des Denkens, wie Heidegger am Ende seines Vortrages ,Das Ding‘ andeutet: „Wann und wie kommen Dinge als Dinge? Sie kommen nicht durch die Machenschaft des Menschen. Sie kommen aber auch nicht ohne die Wachsamkeit der Sterblichen. Der erste Schritt zu solcher Wachsamkeit ist der Schritt zurück aus dem nur vorstellenden, d.h. erklärenden Denken in das andenkende Denken. [. . .]
Erst die Menschen als die Sterblichen erlangen wohnend die Welt als Welt.“ 3 Wohnend west der Mensch. Das ,Wohnen‘ bezeichnet die Art und Weise des Menschen in der Welt zu sein. Das ,Wohnen‘ ist in seinem Wesen ein zufriedenes Sich-Aufhalten.4 Obwohl dieses ,Wohnen‘ „der Grundzug des Seins“ ist, „demgemäß die Sterblichen sind“ 5, wohnen wir heutigen Menschen kaum mehr in diesem Sinne. Heute herrscht vielmehr eine Not des Wohnens, die in der Heimatlosigkeit des Menschen und seinem Unwissen um diese Heimatlosigkeit begründet ist. Das Dasein hat somit sein eigenes Wesen verloren, ohne dies zu bemerken. Dieses Unwissen zeigt sich vor allem auch daran, dass der Mensch den Verlust des eigenen Wesens, also seine eigene Heimatlosigkeit, noch nicht einmal bemerkt. „Die eigentliche Not des Wohnens beruht darin, daß die Sterblichen das Wesen des Wohnens immer erst wieder suchen, daß sie das Wohnen erst lernen müssen. [. . .] Sobald der Mensch jedoch die Heimatlosigkeit bedenkt, ist sie bereits kein Elend mehr. Sie ist, recht bedacht und gut behalten, der einzige Zuspruch, der die Sterblichen ins Wohnen ruft.“ 6
Doch an welchem Punkt soll angesetzt werden, um diese Heimatlosigkeit des Menschen zu bedenken? Was kann uns helfen, unsere Heimatlosigkeit zu bedenken? Ein möglicher Weg zur Behandlung dieser Frage liegt darin, das zu bedenken, bei dem und mit dem der Mensch wohnen könnte – nämlich die Dinge. Das Ding, im eigentlichen Sinne als ein Ort der Versammlung bedacht, könnte uns also einen ersten Anhaltspunkt geben, um unsere Heimatlosigkeit zu bedenken und somit einen Weg in das Wohnen eröffnen. Wenn wir das Ding in seinem eigentlichen Wesen so denken, zeigt es sich als ein Geviert, als ein Versammlungsort des Wohnens, in welchem Mensch und Welt als die Sterblichen und die Erde untrennbar innig miteinander verbunden sind.7 Heidegger, Martin: Das Ding, S. 183 f. Diese Bestimmung des Wohnens lässt sich sprachgeschichtlich belegen. Sowohl das altsächsische ,wunon‘ als auch das gotische ,wunian‘ benennen ein bleibendes Sich-Aufhalten. Zusätzlich ist im gotischen ,wunian‘ auch die Art und Weise des Sich-Aufhaltens bestimmt. Das Wort bedeutet nämlich auch ,zum Frieden gebracht‘ und ,zufrieden sein.‘ Friede wiederum bedeutet ,das Frye‘ und somit auch frei von Schaden und Bedrohung sein, bewahrt und geschont sein. Vgl. Heidegger, Martin: Bauen Wohnen Denken, S. 143. 5 Heidegger, Martin: op. cit., S. 155. 6 Heidegger, Martin: Bauen Wohnen Denken, S. 156. 7 Natürlich sind im Geviert neben den Sterblichen und der Erde auch der Himmel und die Göttlichen eingebunden. Für die Zwecke dieses Textes werde ich mich jedoch auf die 3 4
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Der Mensch ist immer schon mit der Welt und den weltlichen Dingen verbunden. Er ist in deren Zusammenhänge eingebunden und hält sich somit immer schon im Geviert8 auf. Diesen Aufenthalt bezeichnet das Wohnen im Sinne Heideggers. Ob dem Menschen dieser wohnende Aufenthalt bewusst wird oder nicht, wie das heutzutage meist der Fall ist, ändert nichts an dieser Eingebundenheit. Das Denken der Dinge in ihrem Wesen als Geviert könnte uns also zwar die Möglichkeit des Wohnens eröffnen, es ist jedoch so, dass wir im philosophischen und wissenschaftlichen Alltag das Ding zumeist nicht in seinem Wesen, sondern vielmehr als ein ignotum denken, als eine unerfahrbare Substanz, eine Essenz oder ein Zugrundeliegendes, das irgendwelche Eigenschaften an sich trägt: „Unser Denken ist freilich von altersher gewohnt, das Wesen des Dinges zu dürftig anzusetzen. Dies hatte im Verlauf des abendländischen Denkens zur Folge, daß man das Ding als ein unbekanntes X vorstellt, das mit wahrnehmbaren Eigenschaften behaftet ist. Von da aus gesehen, erscheint uns freilich alles, was schon zum versammelnden Wesen dieses Dinges gehört, als nachträglich hineingedeutete Zutat.“ 9
Wir denken das Ding also meist auf eine Art und Weise, die gerade unsere Heimatlosigkeit inmitten der Dinge mehr verdeckt als enthüllt. Das Ding kann sich uns nicht in der Fülle seines Wesens zeigen, da wir das Ding immer schon als etwas Mangelhaftes bestimmen. Das, was dem eigentlichen, d.h. dem versammelnden Wesen des Dinges zugehört, wird in dieser zu dürftigen Ansetzung des Dinges von ihm geschieden. Diese Unterscheidung und Trennung, d.h. diese Kritik, wird als Fortschritt in Richtung Objektivität und Wissenschaftlichkeit gesehen. An der Stelle des versammelnden Dinges steht nun ein unbekanntes X, das beliebige Eigenschaften trägt und in keinerlei Verbindung mehr zu seiner Welt und zu den Menschen steht. Diese Bestimmung des Dinges wird durch das abstrahierend-rechnende Denken im Modus des transzendental-horizontalen Vor-stellens erst ermöglicht und gaukelt eine absolute Trennung zwischen Mensch, Welt und Ding vor, wobei wir auf der Ebene der Phänomene nur Zugang zu Bezogenheiten und Verweisungszusammenhängen haben. Doch was benennt der Ausdruck ,transzendental-horizontales Vor-
Verbundenheit der Sterblichen und der Erde konzentrieren. Hierzu meint Heidegger folgendes: „[E]s gibt nicht den Menschen und außerdem Raum; denn sage ich ,ein Mensch‘ und denke ich mit diesem Wort denjenigen, der menschlicher Weise ist, das heißt wohnt, dann nenne ich mit dem Namen ,ein Mensch‘ bereits den Aufenthalt im Geviert.“ Heidegger, Martin: Bauen Wohnen Denken, S. 151. 8 Es sind also Mensch und Ding jene Orte, an denen ein ,Gegnen der Gegnet‘, also ein Verweilen in der freien Weite des Ereignisses, stattfinden kann. Diese beiden, Mensch und Ding, stehen in einem ausgezeichneten Verhältnis zur Gegend des Ereignisses (der Gegnet), die Heidegger als Verhältnis der Vergegnis (Bezug zwischen Mensch und Gegnet) und Bedingnis (Bezug zwischen Ding und Gegnet) bezeichnet. Vgl. Aum, Pil Sun: Wege zum Ding, S. 143f. 9 Heidegger, Martin: Bauen Wohnen Denken, S. 148.
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stellen‘ genau? Er benennt die Tendenz des rechnenden Denkens Vor-urteile zu bilden, die es uns fast unmöglich machen, den Dingen in ihrem Sosein zu begegnen: „In diesem weiten Sinne ist das Denken ein Vorstellen, sofern sein Vorgestelltes und Gedachtes das Sein als das Wassein des Seienden und dieses die Seiendheit des Seienden ist. [. . .] Das Wassein in der Weise der platonischen Ideen hat den Charakter eines Gesichtskreises oder Horizontes. Der Horizont des Wasseins eines Seienden ist die Aussicht, in die wir denkend immer schon hineinsehen, wenn wir die Erfahrungsdinge in ihrem aus der Aussicht bestimmten Aussehen wahrnehmen. [. . .] Das denkende Hineinsehen in den Wesenshorizont aber hat das Wahrnehmen der Dinge je schon überholt; es ist früher als dieses, insofern das Wahrnehmen von ihm geführt wird. Das jegliches Wahrnehmen je schon überholende denkende Hineinsehen in den Wesenshorizont hat das wahrnehmbare Seiende im Vorhinein überstiegen auf den Wesenshorizont hin. Übersteigen heißt lat. transcendere, so daß das vorstellende Hineinsehen in den Wesenshorizont ein transzendentales Vorstellen ist.“10
Das ,transzendental-horizontale Vor-stellen‘ ist also ein Vor-urteil des Denkens, das heute unser gesamtes Denken durch- und bestimmt. Bevor uns das einzelne Seiende, das Ding, begegnet, meinen wir schon zu wissen, was es in seinem Wesen ist. Wir meinen also schon zu wissen, was an ihm relevant und was nebensächlich ist – wir kennen das Seiende also schon im Denken, bevor es uns überhaupt in der Welt begegnet. Die Dinge in ihrem Wesen werden uns aber nur dann zugänglich, wenn wir uns im Denken auf das uns Begegnende einlassen, und zwar ohne ein ,objektiv gültiges‘ Vor-urteil, ohne eine denkerische Vor-bestimmung dessen, was uns noch nicht begegnet ist. Die zentrale Frage, die sich im Versuch, das Ding in seinem Wesen zu denken und es so als Möglichkeit des Wohnens zu ergreifen, stellt, ist also folgende: Wie können wir in ein solches Denken gelangen, das uns ein vorurteilsfreies Sich-Einlassen auf und ein Aufhalten bei den Dingen und somit das Wohnen ermöglicht? Einen wichtigen Hinweis für diese Frage kann das ,Denken der Gelassenheit‘ 11 leisten. Zum einen verweist dieser Ausdruck ,Denken der Gelassenheit‘ auf die beiden Schriften Heideggers, nämlich ,Gelassenheit‘ und ,Zur Erörterung der Gelassenheit‘, die ich im Folgenden vorstellen werde. In diesen Schriften geht es zunächst darum, die Gelassenheit zu denken, also sie im Denken zu bestimmen. Doch diese Schriften liefern auch Hinweise auf das ,Denken der Gelassenheit‘ in einem weiteren Sinne. Denn das ,Denken der Gelassenheit‘ kann auch als eine inhaltliche Bestimmung des zukünftigen, nicht mehr durch das transzendental-horizontale Vor-stellen geprägten, sich vielmehr auf die Dinge einlassenden Denkens verstanden werden.
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Herrmann, Friedrich-Wilhelm v.: Wege ins Ereignis, S. 380. Vgl. Mahoney, Barbara: Denken als Gelassenheit, S. 12 ff.
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II. Der erste Text: Vortrag mit dem Titel ,Die Gelassenheit‘ Heidegger geht in der Rede ,Gelassenheit‘ 12 auf ein Gedicht von Johann Peter Hebel ein, das uns auf das Phänomen des Wohnens als Ursprung der Untersuchung über die Gelassenheit hinweisen soll: „Wir sind Pflanzen, die – wir mögen’s uns gerne gestehen oder nicht – mit den Wurzeln aus der Erde steigen müssen um im Äther blühen und Früchte tragen zu können.“ 13 Diese Worte führen Heidegger zu der Frage nach der Möglichkeit des Wohnens, die auch den Gedankengang von ,Bauen Wohnen Denken‘ prägt. Wohnen wird hier verstanden als ein „aus der Tiefe des heimatlichen Bodens in den Äther hinaufsteigen können. Äther bedeutet hier: die freie Luft des hohen Himmels, den offenen Bereich des Geistes.“ 14 Heidegger versucht auch in diesem Vortrag zunächst die Ursachen der Wohnungs- und Heimatlosigkeit des Daseins zu Bewusstsein zu bringen: „Der Verlust der Bodenständigkeit kommt aus dem Geist des Zeitalters, in das wir alle hineingeboren sind.“ 15 Dieses Zeitalter, das die Wohnungslosigkeit immer weiter treibt, ist das Atomzeitalter und das Zeitalter der Technik. Es ist ein Zeitalter, das durch die moderne Technik und ihre Möglichkeiten geprägt ist. Alles wird auf seine technische Machbarkeit oder seine Verwertbarkeit hin ausgerichtet. Unser Zeitalter ist also dadurch geprägt, dass alles Wissen bzw. alle Tätigkeit nützlich16 sein muss. Auch die technischen Dinge selbst verführen zur immer stärkeren Betonung der Nützlichkeit: „Wir sind auf die technischen Gegenstände angewiesen; sie fordern uns sogar zu einer immerzu steigenden Verbesserung heraus. Unversehens sind wir jedoch so fest an die technischen Gegenstände geschmiedet, daß wir in die Knechtschaft zu ihnen geraten.“ 17
Durch diese Ausrichtung auf den höchsten Wert unseres Zeitalters, nämlich den des Nutzens, zieht nach Heidegger eine „unheimliche Veränderung der Welt he12 Hierbei handelt es sich um eine Rede zum 175. Geburtstag des Komponisten Conradin Kreutzer, die 1955 in Meßkirch gehalten wurde. In dieser Rede versucht Heidegger, die Gelassenheit einem breiten Publikum näher zu bringen. 13 Hebel, Johann Peter: Werke, ed. Altwegg III, S. 314. Vgl. Heidegger, Martin: Gelassenheit, S. 14. 14 Heidegger, Martin: Gelassenheit, S. 14 f. 15 Heidegger, Martin: Gelassenheit, S. 16. 16 Niemand kann dem Nutzen eine gewisse und sehr relevante Praktikabilität absprechen, aber es stellt sich die Frage, ob es genügt, wenn solche Nützlichkeit der einzige Wert eines Zeitalters ist, oder ob es nicht auch noch andere wichtige Werte geben könnte und sollte. Diese anderen Werte könnten natürlich den Wert der Nützlichkeit nie ersetzen; sie müssten vielmehr als weitere Möglichkeiten neben der Nützlichkeit stehen, diese also ergänzen. Wie dem Nutzen sein Wert immer erhalten bleiben wird, so wird auch die Technik, die eine praktische Bewirkung dessen ist, was als nützlich erscheint, immer ihren Wert haben. Die Frage ist nur, ob es nicht auch andere, wohl weniger nützliche Formen des Bewirkens geben kann wie z. B. das Hüten, das Bewahren oder das Pflegen, die vielleicht auf jene anderen möglichen Werte hin ausgerichtet sind? 17 Heidegger, Martin: Gelassenheit, S. 22.
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rauf“ 18, die wir nicht steuern und nicht lenken können. Eine Veränderung, welcher mit dem Wert der ,Nützlichkeit‘ und dem Werkzeug der ,Technik‘ nicht zu begegnen ist. Die Nützlichkeit des Nützlichen fordert uns geradezu heraus, alles was nicht nützlich ist beiseite zu legen und unsere Zeit lieber mit Nützlichem zu verbringen. Es scheint auch nicht mehr zu genügen, dass etwas nur nützlich ist, es muss immer nützlicher und nützlicher werden. So genügt es z. B. nicht, dass man mit einem Telefon telefonieren kann, man muss auch Fotos und Filme machen können. Durch seine unzähligen Möglichkeiten führt uns das Telefon in die Zukunft und in die Vergangenheit, es führt zu Freunden und Verwandten, an alle möglichen Orte und sogar in digitale Welten. Und all diese nützlichen Möglichkeiten eröffnen sich uns gleichzeitig und augenblicklich. Das Telefon verführt uns in alle möglichen Richtungen gleichzeitig und es scheint uns zu zerreißen, wenn wir versuchen allen Möglichkeiten zu folgen, die uns die Nützlichkeit dieses nützlichen Gerätes mit den vielen nützlichen Funktionen eröffnet. Diese Fülle an Möglichkeiten führt uns in jedem Augenblick überall hin, aber zugleich auch fort von dem, was Heidegger das Wohnen nennt. Es entfernt uns also von unserem Wesen.19 Es ist nicht das Telefon allein, das uns verführt, nein, wir lassen uns vom Telefon, vom Fernsehen oder vom Internet in alle möglichen Richtungen ziehen und zerren, bis wir uns in all diesen Möglichkeiten selbst verloren haben. Denn es ist nicht allein die suggestive Kraft der technischen Gerätschaften, die darüber entscheidet, ob wir zerrissen werden oder ob uns ein Wohnen inmitten der Technik möglich ist, denn diese bieten nur die Möglichkeiten. Entscheidend ist unser Umgang mit diesen Möglichkeiten: „Aber wir können auch Anderes. Wir können zwar die technischen Gegenstände benutzen und doch zugleich bei aller sachgerechten Benützung uns von ihnen so freihalten, daß wir sie jederzeit loslassen. Wir können die technischen Gegenstände im Gebrauch so nehmen, wie sie genommen werden müssen. Aber wir können diese Gegenstände zugleich auf sich beruhen lassen als etwas, was uns nicht im Innersten und Eigentlichen
Heidegger, Martin: Gelassenheit, S. 20. Doch diese Überlegungen sollen also keineswegs zu einer absoluten Ablehnung der Nützlichkeit oder der Technik führen. Denn auf dem Weg des besinnlichen Nachdenkens ist das schnelle Urteil ein Hindernis und eine unüberlegte totale Ablehnung als Antwort auf das Problem der Vereinnahmung des Daseins durch das technisch-metaphysische Denken und Wirken wäre ein vorschnelles Urteil. Eine absolute Ablehnung verdeckt das Problem vielmehr als es zu lösen. Heidegger meint: „Für uns alle sind die Einrichtungen, Apparate und Maschinen der technischen Welt heute unentbehrlich, für die einen in größerem, für die anderen in kleinerem Umfang. Es wäre töricht, blindlings gegen die technische Welt anzurennen. Es wäre kurzsichtig, die technische Welt als Teufelswerk verdammen zu wollen.“ (Heidegger, Martin: Gelassenheit, S. 22) Die Technik ist nämlich bloß eine Folge des technisch-metaphysischen Denkens und nicht seine Ursache. Die Folge radikal abzulehnen, führt nicht zu einer Veränderung der Ursache, sondern nur dazu, sich in einer Bekämpfung der Folgen zu verstricken anstatt sich den Ursachen zuzuwenden. 18 19
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angeht. Wir können ,ja‘ sagen zur unumgänglichen Benützung der technischen Gegenstände, und wir können zugleich ,nein‘ sagen, insofern wir ihnen verwehren, daß sie uns ausschließlich beanspruchen und unser Wesen verbiegen, verwirren und zuletzt veröden.“ 20
Heidegger fragt sich infolge, ob wir diesem Geist unseres Zeitalters wirklich ausweglos unterworfen sind: „Darum fragen wir jetzt: Könnte nicht, wenn schon die alte Bodenständigkeit verloren geht, ein neuer Grund und Boden dem Menschen zurückgeschenkt werden, ein Boden und Grund, aus dem das Menschenwesen und all sein Werk auf eine neue Weise und sogar innerhalb des Atomzeitalters zu gedeihen vermag?“ 21 Dieser Weg vermag sicher nicht durch auf Nützlichkeit ausgerichtetes berechnendes Denken erschlossen werden, das „von einer Chance zur nächsten hetzt“. Um einen solchen Grund zu finden, müssen wir uns vielmehr auf eine besinnlichere22 Form des Nachdenkens einlassen, „das dem Sinn nachdenkt, der in allem waltet, was ist“ 23. Vielen Menschen scheint ein solches sich einlassendes Nachdenken zu ,hoch‘. Heidegger gibt zu, dass das besinnliche Nachdenken bisweilen eine höhere Anstrengung und mehr Sorgfalt verlangt als das rechnende Denken, doch liegt es nicht jenseits der geistigen Reichweite der Menschen. Denn der Mensch muss im besinnlichen Denken gar nicht hoch hinaus; es ist vielmehr das Naheliegende, das auf diese Weise nachdenkend erschlossen werden kann. Die Tatsache, dass wir im besinnlichen Denken nicht hoch hinaus müssen, bedeutet, dass wir weder das Sinnliche transzendieren noch uns in die Höhen der theoretischen Reflexion schwingen müssen. Vielmehr ist es gerade notwendig, beim Ontischen, d.h. beim Naheliegenden, zu bleiben. Bei diesem Ontischen müssen wir verweilen, es betrachten und uns auf es einlassen, ohne uns dabei Gedanken um den Zweck oder den Nutzen dieses Nachdenkens zu machen. Es geht dem besinnlichen, dem gelassenen Nachdenken also darum, das uns Nächste in seinem So-Sein erscheinen zu lassen, ohne dieses Erscheinen sofort zu bewerten oder zu beurteilen, einzuordnen oder zu kategorisieren.24 Eine solche Haltung im Denken, die uns ein Wohnen inmitten der Technik ermöglicht, bezeichnet Heidegger als ein gleichzeitiges ,Ja‘ und ,Nein‘, welches aus der Gewissheit lebt, dass die Dinge und die technischen Möglichkeiten nichts Heidegger, Martin: Gelassenheit, S. 22. Heidegger, Martin: Gelassenheit, S. 21. 22 In ,Die Zeit des Weltbildes‘ sagt Heidegger folgendes zur Besinnung: „Besinnung ist der Mut, die Wahrheit der eigenen Voraussetzungen und den Raum der eigenen Ziele zum Fragwürdigsten zu machen (1).“ In: Holzwege, S. 69. 23 Heidegger, Martin: Gelassenheit, S. 13. 24 Vor diesem besinnlichen Nachdenken, das man auch als ein gelassenes Denken deuten kann, ist der heutige Mensch nach Heidegger auf der Flucht, da es keinen praktischen Nutzen für die laufenden Geschäfte hat, denn „[e]s bringt nichts ein für die Durchführung der Praxis“. loc. cit. 20 21
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Absolutes sind. Dies ist eine Haltung, die eine gewisse ruhige Distanz zu den Möglichkeiten und der Machbarkeit einnimmt: Es muss nicht jede Möglichkeit genutzt und es muss nicht alles Machbare auch gemacht werden. Dieses gleichzeitige ,Ja‘ und ,Nein‘ nennt Heidegger die Gelassenheit zu den Dingen, die uns einen „Ausblick auf eine neue Bodenständigkeit“ 25 gewähren kann. In dieser Hinsicht kann die Gelassenheit ein Sich-Einlassen auf das Wesen der Dinge und somit das Wohnen ermöglichen.26 III. Die Gelassenheit – Eine Begriffsklärung An dieser Stelle scheint es hilfreich, den Begriff der ,Gelassenheit‘ selbst zu erhellen. Der Ausdruck ,gelâzenheit‘ als Partizip Perfekt des Verbs ,lâzen‘27 wurzelt im Mittelhochdeutschen und hatte zunächst zwei Bedeutungsaspekte: „das thun und wesen dessen, der sich selber gelâzen und sich gote gelâzen hât.“ Einerseits verweist der Begriff also auf das aktive Ablassen von Selbst und Welt, andererseits auch darauf, sich passiv Gott zu überlassen. In diesem doppelten Sinne verwendet auch Meister Eckhart diesen Begriff.28 In der Tradition, die auf Meister Eckhart folgt, wird vor allem der Aspekt der Ergebenheit vor Gott betont. Auch Luther greift diesen Ansatz auf und spricht vom ,gotgelâzenen‘ als demjenigen, der seinen eigenen Willen aufgegeben hat und Gottes Willen zu erfüllen sucht. Erst in der Aufklärung wird die Gelassenheit wieder breiter gedeutet, und zwar meist im Sinne der stoischen paqeia (Leidenschaftslosigkeit) oder im Sinne der taracßa (Indifferenz) in der Tradition der Epikuräer. Die Gelassenheit verwandelte sich so in der Neuzeit von einer Haltung gegenüber dem Willen Gottes zu einer Haltung gegenüber dem eigenen Willen und den eigenen Begierden. Für Schopenhauer schließlich war die Gelassenheit ein Gemütszustand, der dadurch gekennzeichnet ist, dass man sich in die Reflexion zurückzieht und die Stürme des Lebens stoisch erträgt. Für Nietzsche hingegen ist die Gelassenheit eine Tugend
Heidegger, Martin: Gelassenheit, S. 24. Es mag Grenzfälle von technischen Geräten geben, die so zerrend sind, dass wir uns ihnen gar nicht mehr entziehen können. Das heißt, dass wir ihnen nicht gelassen begegnen können. Ein solcher Grenzfall wäre sicherlich die Atomtechnologie, von der Heidegger auch in diesem Text spricht. Und dennoch spricht Heidegger auch in diesem Zusammenhang von der Gelassenheit zu den Dingen: „Und wir sind es, die so denken, wenn wir uns hier und jetzt als Menschen wissen, die den Weg in das Atomzeitalter und durch es hindurch finden und bereiten müssen.“ Heidegger, Martin: Gelassenheit, S. 25. 27 J. u. W. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 4.1.2, Sp. 2864–2870. 28 Heidegger wurde von Meister Eckhart zu den Überlegungen zur Gelassenheit angeregt, den er auch im Text ,Zur Erörterung der Gelassenheit – Aus einem Feldweggespräch über das Denken‘ namentlich erwähnt. Manche Interpreten sind der Meinung, dass Meister Eckhart diese Begriffsbedeutungen selbst geprägt hat. Für eine ausführlichere Darstellung vgl. Wolfgang Steiner, Die Aufgabe des Denkens, S. 64. 25 26
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der Herren und verweist dementsprechend auf eine Erhabenheit über die Übel der eigenen Affekte und der jeweiligen Zeit: „Mit einer ungeheuren und stolzen Gelassenheit leben; immer jenseits –. Seine Affekte, sein Für und Wider willkürlich haben und nicht haben, sich auf sie herablassen, für Stunden; sich auf sie setzen, wie auf Pferde, oft wie auf Esel: – man muss nämlich ihre Dummheit so gut wie ihr Feuer zu nützen wissen.“ 29
Für Heidegger benennt der Begriff ,Gelassenheit‘ schließlich eher ein Loslassen des Wollens „nicht das Abwerfen der sündigen Eigensucht und nicht das Fahrenlassen des Eigenwillens zugunsten des göttlichen Willens“30. Es geht hier um einen Standpunkt jenseits des Willens, der dem Dasein das gelassene Sich-Einlassen auf das sich Zeigende ermöglicht. IV. Der zweite Text: Zur Erörterung der Gelassenheit Nachdem nun mithilfe einer Analyse eines möglichen Umganges mit den Dingen der Technik in unserem Zeitalter eine Hinführung zum Begriff der Gelassenheit erfolgt ist und der Begriff selbst geklärt wurde, soll nun auf einen weiteren Text zur Gelassenheit eingegangen werden, und zwar auf den zeitlich vor dem Vortrag verfassten Text ,Zur Erörterung der Gelassenheit – Aus einem Feldweggespräch über das Denken‘.31 Es handelt sich hier um einen Dialog zwischen einem Lehrer (L), einem Gelehrten (G) und einem Forscher (F). Der Lehrer scheint Heideggers eigene Position zu vertreten. Der Gelehrte ist offen für das Denken Heideggers, hat es aber noch nicht selbst erfasst, und der Forscher scheint die Position des technisch versierten Wissenschaftlers unserer Zeit einzunehmen, dem das Denken Heideggers noch völlig fremd ist. Das Gespräch selbst ist nicht nur eine Darstellung dessen, was mit dem Begriff ,Gelassenheit‘ genannt werden soll, sondern es ist zugleich eine Annäherung an ein zukünftiges Denken. Das Denken, das sich in diesem Dialog zeigt, ist also kein rechnendes Denken mehr, sondern ein gelassenes Denken.32 Der Dialog beginnt unvermittelt mit der Frage nach dem Wesen des Menschen, das der Lehrer im Denken sieht. Dieses Wesen des Menschen, das Denken, lässt sich jedoch dem Lehrer zufolge nur dann angemessen behandeln, wenn man vom Denken wegsieht.33 Der Gelehrte und der Forscher weisen im Gang des Dialogs
Nietzsche, Friedrich: Fragment 284, Kritische Studienausgabe Bd. 5, S. 232. Heidegger, Martin: Zur Erörterung der Gelassenheit, S. 29. 31 Die Urfassung stammt aus den Jahren 1944/45 und trägt den Titel: \Agxibasßh mit dem Untertitel ,Das erste Feldweggespräch.‘ Diese war um einiges länger als die 1959 veröffentlichte (und hier behandelte) Fassung. 32 Dieses philosophierende und eigentliche Denken wird als die Gelassenheit zur Gegnet charakterisiert. Vgl. Herrmann, Friedrich-Wilhelm v.: Wege ins Ereignis, S. 371 ff. 33 Heidegger, Martin: Zur Erörterung der Gelassenheit, S. 29. 29 30
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den Lehrer jedoch darauf hin, dass in der philosophischen Tradition seit der Neuzeit Denken und Vorstellen, das eine Art Wollen ist, zusammen gehören.34 In den Worten von Novalis: „Denken ist Wollen oder Wollen – Denken.“ 35 Der Lehrer nimmt diese Bestimmung des Denkens auf und antwortet auf die Frage, worauf er in der Besinnung auf das Denken, die vom Denken wegsieht, hinaus wollte, „dies: ich will das Nicht-Wollen“.36 Wenn das Denken ein Wollen ist und das Wesen des Denkens nur dann erkannt werden kann, wenn man vom Denken, d. h. vom Wollen, wegblickt, dann muss diese Untersuchung also nach dem Nicht-Wollen fragen.37 Das Nicht-Wollen als Schlüssel zur Erfassung des Wesens des Menschen kann nun nach Heidegger zweifach verstanden werden – zunächst als ein Wollen, das sich gegen sich selbst wendet und sich selbst verneint. „Nicht-Wollen heißt demnach, willentlich dem Wollen absagen.“38 So verstanden trifft man den Sinn dessen, was Heidegger mit ,Nicht-Wollen‘ eigentlich meint, nicht. Der Ausdruck ,Nicht-Wollen‘ ist erst im Sinne Heideggers verstanden, wenn er das bezeichnet, „was schlechthin außerhalb jeder Art von Willen bleibt“39. Dieser hier gemeinte weitere Sinn von Nicht-Wollen bezeichnet also etwas, das nie durch ein Wollen oder die willentliche Ablehnung des Wollens erreicht oder vollzogen werden kann. Dennoch kann das Nicht-Wollen in der ersten Bedeutung zum Nicht-Wollen in der zweiten Bedeutung hinführen. Die Verneinung des Willens kann einen Weg hin zu etwas sein, das jenseits des Willens liegt. Der Forscher drückt dieses Verhältnis mit Zustimmung des Lehrers folgendermaßen aus:
Heidegger, Martin: Zur Erörterung der Gelassenheit, S. 29. Novalis, Das allgemeine Brouillon, Nr. 1055. 36 Heidegger, Martin: Zur Erörterung der Gelassenheit, S. 30. 37 Hier steht Heidegger ganz in der Tradition Schellings, der auch vom Nicht-Wollen als Ziel aller Begehrungen gesprochen hat. Heidegger charakterisiert Schellings Denken als: „Wille der Liebe (Verstand-Universalwille); Wirkenlassen (sic) des Grundes; nichts mehr wollen.“ (Heidegger, Die Metaphysik des deutschen Idealismus, GA Bd. 49, S. 102) Mit dieser Auslegung liest Heidegger Schelling als einen Vertreter des Willens in reinster Form, nämlich als Vertreter eines Willens, der nichts mehr bzw. das Nichts will. Doch Schelling spricht nicht davon, dass der Wille das Nichts will, sondern vielmehr vom „Willen, der nicht will“ (F. W. J. Schelling, SW Bd. 8, S. 298), sodass das Nicht-Wollen und nicht das Nichts zum Ziel des Begehrens wird. So ist „der Wille, der nichts will, das eigentliche Ziel“ (F. W. J. Schelling, SW Bd. 8, S. 235). Dieses Nicht-Wollen Gottes im Un-Grund ist „wie der Wille, der nichts will, der keine Sache begehrt, dem alle Dinge gleich sind, und der darum von keinem bewegt wird“ (F. W. J. Schelling, SW Bd. 8, S. 235). Nimmt man diese Worte Schellings ernst, dann kann man nicht umhin kommen, eine große Nähe zu der Willenskonzeption Heideggers zu sehen. Natürlich ist der Wille von dem Schelling spricht aber nicht jener Wille eines einzelnen Da-seins wie bei Heidegger. Schelling spricht vom Nicht-Wollen des Un-Grundes, also der chaotischen Natur (d. i. der Un-Grund) Gottes, aus dem/der der vollkommene Gott als Identität von Grund und Existenz und mit ihm alles Sein erst entspringt. 38 Heidegger, Martin: Zur Erörterung der Gelassenheit, S. 30. 39 Heidegger, Martin: Zur Erörterung der Gelassenheit, S. 30. 34 35
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„Sie wollen ein Nicht-Wollen im Sinne der Absage an das Wollen, damit wir uns durch dieses hindurch auf das gesuchte Wesen des Denkens, das nicht ein Wollen ist, einlassen können oder uns wenigstens hierzu bereitmachen.“ 40
Wer diesem Weg folgt, so der Lehrer, entwöhnt sich des Willens und unterstützt somit das Wachbleiben für die Gelassenheit, die das gesuchte Wesen des Denkens ist. Denn die Gelassenheit, so Heidegger an einer späteren Stelle, ist „so etwas [. . .] wie Ruhe“ 41, also gerade das Gegenteil des Begehrens oder eines Strebens des Willens. Diese Gelassenheit ist ein aktives Sich-Einlassen, was wiederum bedeutet, dass sie sowohl aktiv als auch passiv bestimmt ist. Gegenüber dem, worauf sich die Gelassenheit einlässt, ist sie passiv. Dieses Sich-Bereithalten, um sich einlassen zu können, ist jedoch eine Aktivität. Die Gelassenheit ist also weder ganz aktiv noch ganz passiv, sie findet in einem eigenen Modus statt, der an das griechische ,Medium‘ erinnert.42 Daher bezeichnet die Gelassenheit im Sinne eines intransitiven Mediums verstanden das aktive Sich-Öffnen für das zu Begegnende und ist somit eine Handlung des Da-seins, die das Da-sein für die passive Aufnahme bereit macht. Das Da-sein ist nicht in dem Sinne aktiv, dass es macht und tut und im Denken vom einem zum anderen hetzt, sondern indem es sich öffnet, „welches höhere Tun gleichwohl keine Aktivität ist“ 43. Das Da-sein ist außerdem nicht passiv im Sinne von unbeteiligt oder unberührt, sondern im Sinne der passiven Offenheit für das Sich-Zeigende. In der Gelassenheit wird so die Grenze zwischen Tätigkeit und Passivität aufgehoben. Diese eigene Modalität zwischen Aktivität und Passivität ist uns schon in der Begriffsklärung begegnet und macht das eigentliche Wesen der Gelassenheit aus. Die Gelassenheit liegt also „außerhalb der Unterscheidung von Aktivität und Passivität“ und kann daher auch die Grenze von Wollen und Nicht-Wollen verschwimmen lassen, „weil die Gelassenheit nicht in den Bereich des Willens gehört“ 44. Denn wie kann ich den eigentlich aktiven Aspekt der Gelassenheit, d. h. das sich Bereit-Machen für das zu Begegnende, wollen? Natürlich kann ich es begehren, es mir wünschen, es herbeisehnen, doch kann ich es wollen und es nur mit Hilfe dieses Wollens auch herbeiführen? Handelt es sich bei diesem Vorgang nicht viel mehr um ein Geschehen-Lassen, ein zulassendes Sich-Bereitmachen,
Heidegger, Martin: Zur Erörterung der Gelassenheit, S. 31. Heidegger, Martin: Zur Erörterung der Gelassenheit, S. 45. 42 Das Medium in der griechischen Grammatik kann auf zwei Weisen gedeutet werden. Das Medium drückt im Sinne des transitiven Mediums eine engere Beziehung zwischen dem Subjekt und der Handlung aus (gesteigertes Interesse oder Beteiligung an der Handlung). Oder es drückt als intransitives Medium eine Handlung aus, die zwar auf das Subjekt zurückwirkt, aber gleichzeitig vom Subjekt gesetzt wurde. 43 Heidegger, Martin: Zur Erörterung der Gelassenheit, S. 33. 44 Heidegger, Martin: Zur Erörterung der Gelassenheit, S. 33. 40 41
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also um ein Nicht-Wollen im Sinne des jenseits allen Wollens? Diese Vermengung von ,Ja‘ und ,Nein‘, von Aktivität und Passivität, von Wollen und Nicht-Wollen kennzeichnet das Wesen des neuen, sich gelassen einlassenden Denkens. Der Ort, an dem das zu begegnende Phänomen dem gelassenen Denken begegnen kann, nennt Heidegger die ,Gegnet‘: „Die Gegnet ist die verweilende Weite, die, alles versammelnd, sich öffnet, so daß in ihr das Offene gehalten und angehalten ist, jegliches aufgehen zu lassen in seinem Beruhen.“ 45 Die Gegnet ist der Ort, an dem uns das Wesen der Dinge begegnen kann, die uns nun nicht mehr als Gegenstände entgegenstehen, sondern sich uns als Versammelndes eröffnen. Die Gegnet erinnert schon begrifflich an ihre Entsprechung in ,Sein und Zeit‘: die Gegend. Die Gegend bezeichnet in ,Sein und Zeit‘ eben nicht den geometrischen Raum, sondern die eigentliche Räumlichkeit des Daseins.46 Die Gegend ist somit kein neutraler Raum, in der das Dasein existiert, sondern die existenziale Verknüpfung aufeinander bezogener Seiender für bzw. durch ein Dasein. Analog dazu ist die Gegnet zu verstehen, die nun nicht mehr bloß als Ort der Begegnung von Dasein und Seiendem gedacht wird, sondern zusätzlich auch als Ort des Zusammenspiels von Zuwurf und Entwurf der epochalen Seinsauslegungen. In diese Gegnet sind wir „wartend eingelassen [. . .], wenn wir denken“ 47, solange das Warten ein sich einlassendes Warten auf das Sich-Zeigende ist und nicht ein Erwarten von etwas Bestimmtem. Erwarten wir nämlich etwas Bestimmtes, dann können wir nicht mehr loslassen und uns nicht mehr auf das Begegnende einlassen, da wir schon eine Vor-stellung von dem haben, was uns begegnen soll und wird. Das gelassen-wartende Sich-Einlassen hingegen ermöglicht ein eröffnendes Verhältnis des Menschen zur Gegnet: „Und Warten heißt: auf das Offene der Gegnet sich einlassen.“ 48 Dieses sich einlassende Warten auf das zu Begegnende ist die Gelassenheit. Das Wesen des Menschen als Denken oder als Wohnen kann also nur erfasst werden, wenn der Übergang aus dem Wollen als der neuzeitlichen Ausprägung des transzendental-horizontalen Vor-stellens und allgemeiner aus dem transzendental-horizontalen Vor-stellen als solchem hin zur Gelassenheit des offenen, dialogischen Gesprächs geschieht. Doch nicht jedes Denken muss ein gelassenes Denken sein. Es gibt Fragen und Situationen, in denen ein transzendental-horizontales Vor-stellen angemessener ist. Unangemessen wird das transzendental-horizontale Vor-stellen nur dann, wenn es zur einzigen Möglichkeit der Begegnung wird.
Heidegger, Martin: Zur Erörterung der Gelassenheit, S. 40. Heidegger, Martin: Sein und Zeit, § 24, Die Räumlichkeit des Daseins und der Raum. 47 Heidegger, Martin: Zur Erörterung der Gelassenheit, S. 43. 48 Heidegger, Martin: Zur Erörterung der Gelassenheit, S. 48. 45 46
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V. Das gelassene Denken und seine Folgen Die Verwischung der Grenzen zwischen Tun und Erfahren, zwischen Aktivität und Passivität im gelassenen Denken hat weitreichende Folgen. Diese möchte ich im Folgenden am Verhältnis von Subjekt und Objekt, d. i. von Ich und der Welt der Dinge beispielhaft darstellen. Die transzendental-horizontalen Vor-stellungen von Selbstvorstellung und Weltvorstellung prägten die Philosophiegeschichte seit der Entstehung der Philosophie in immer anderen Ausformungen: Denn „[i]n der Beziehung von Ich und Gegenstand verbirgt sich etwas Geschichtliches, das der Wesensgeschichte des Menschen angehört“ 49. Obwohl sich beispielsweise im Laufe der Geschichte die Art und Weise wie das Verhältnis Selbst(bild) und Welt(bild) transzendental-horizontal gedacht wurde verwandelt hat, wurde in der Bestimmung dieser Aspekte durchgängig eines von zwei Vor-urteilen zumeist unhinterfragt vorausgesetzt. Man ging entweder davon aus, dass es sich bei Mensch/Geist/Intelligibilität und der Welt der Dinge um wesentlich unterschiedliche Arten von Seienden handelt. Aktivität und Passivität wurden dann auf verschiedene Seinsbereiche aufgeteilt (z. B. res cogitans – res extensa), wobei dann die Verbindung dieser differenten Arten von Seienden, d.h. die Verbindung von Aktivität und Passivität, zum Problem wurde. Oder der Mensch und die Welt der Dinge wurden als Ausformungen eines grundlegenden Absoluten gedacht, so dass alles Seiende auf nur einen der Aspekte reduzierbar wurde (z. B. alles ist Denken, oder alles ist dinglich). Der Mensch und sein Denken wurden also entweder als absolut aktiv verstanden und die Objekte der Welt wurden zum bloßen Produkt dieser Aktivität, oder der Mensch wurde als absolut passiv gedeutet und auf seine Dinglichkeit reduziert. Dies sind jene Vor-urteile, die in den meisten historischen Ausprägungen des Verhältnisses von Mensch und Welt mehr oder weniger stark ausgeprägt sind. Den mittleren Weg zwischen absoluter Differenzierung dieser Aspekte im Dualismus und absoluter Identifizierung im Monismus kann das gelassene Denken beschreiten. Im gelassenen Denken wird dieses Verhältnis von Dasein und Ding zu einer Begegnung von Mensch und Welt, die nicht mehr im Denken oder Seins- bzw. Selbstverständnis des Menschen wurzelt, sondern außerhalb des Daseins entspringt, und zwar in der Gegnet, dem Ort des Ereignisses der Begegnung zwischen Dasein und Ding. So bestimmt sich das Verhältnis von Dasein und Ding aus und durch das Begegnis selbst (einem Ereignis der Begegnung) und gründet nicht im transzendental-horizontalen Vor-stellen. Hierzu ist natürlich zu sagen, dass eine jede Form der Bestimmung des Verhältnisses von Mensch und Welt das Ergebnis einer solchen Begegnis ist. Nur wurden diese verschiedenen Formen der Begegnis immer wieder zu der je einzig richtigen Form der Bestimmung des Verhältnisses von Mensch und Welt einzementiert, bis 49
Heidegger, Martin: Zur Erörterung der Gelassenheit, S. 55.
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sie von der nächsten Auslegung durch eine erneute Begegnis verdrängt wurden. Erst die Gelassenheit des Denkens ermöglicht einen Ausbruch aus diesem Kreis von Begegnis und jeweiliger Verfestigung eines bestimmten Zuwurfs und ermöglicht somit konstantes Begegnen-Lassen dessen, was sich zeigt. Nur in einem solchen gelassenen Begegnen-Lassen zeigt sich das Ding immer wieder neu als Ort der Versammlung und als Geviert. Erst die Gelassenheit des Denkens lässt die Dinge sich in ihrem ambivalenten Reichtum zeigen und lässt die Not erkennen, die entsteht, wenn solche Gelassenheit fehlt und das Ding zu einem je Bestimmten verfestigt werden muss: Also wenn die vorgefertigten Meinungen, Thesen und Theorien oder wenn philosophische und/oder wissenschaftliche Schulen darüber entscheiden, was sich zeigen kann und wie es sich zu zeigen hat. Die Dinge sind diesem verfestigten Denken nicht mehr erscheinende Phänomene, sondern das klar bestimmte Ergebnis unserer vor-(ver)-urteilenden Gedanken. Einen Weg, um die Aufgabe des Denkens, die uns noch bevor steht – nämlich einen Weg zurück zum Wesen der Dinge und somit einen Weg zum Wohnen zu finden – zu bewältigen, bietet also die Vermittlung durch ein gelassenes Denken der Dinge. Ein Weg, der in unserer Gesellschaft, die so viel Wert auf Dinge legt, vielleicht vielen im ersten Moment naheliegender erscheinen mag, als so manch anderer Weg. Literatur Aum, Pil Sun: Wege zum Ding, Heideggers hermeneutische Phänomenologie des Dingseins, Tectum Verlag, Marburg, 2007 Baeza, Ricardo: Die Topologie des Ursprungs: Der Begriff der Gelassenheit bei Eckhart und Heidegger und seine Entfaltung in der abendländischen Mystik und im zeitgenössischen Denken, Lit Verlag, 2009 Grimm, J. u. W.: Deutsches Wörterbuch, Leipzig, 1897 Heidegger, Martin: Bauen Wohnen Denken, in: Vorträge und Aufsätze, Klett-Cotta, Stuttgart, 2009, S. 139–156. (= GA 7) – Brief über den ,Humanismus‘, in: Wegmarken, GA 9, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Klostermann Verlag, Frankfurt a. M., 1976 – Das Ding, in: Vorträge und Aufsätze, GA 7; hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Klostermann Verlag, Frankfurt a. M., 2000 – Die Frage nach dem Ding, GA 41; hrsg. von P. Jaeger, Klostermann Verlag, Frankfurt a. M., 1984 – Der Ursprung des Kunstwerkes, in: Holzwege, GA 5; hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Klostermann Verlag, Frankfurt a. M., 1977 – Die Metaphysik des deutschen Idealismus, GA 49; hrsg. von Günter Seubold, Klostermann Verlag, Frankfurt a. M., 1991
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– Gelassenheit, in: Gelassenheit, Verlag Günther Neske, Pfullingen, 1977, S. 7–26 (In: GA 16 Reden und andere Zeugnisse eines Lebensweges, hrsg. von Hermann Heidegger, Klostermann Verlag, Frankfurt a. M., 2000) – Hegel und die Griechen, in: Wegmarken, GA 9; hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Klostermann Verlag, Frankfurt a. M., 1976 – Die Zeit des Weltbildes, in: Holzwege, GA 5; hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Klostermann Verlag, Frankfurt a. M., 2003, S. 75–96 – Unterwegs zur Sprache, Klett-Cotta, Stuttgart, 1997 (= GA 12) – Zur Erörterung der Gelassenheit, in: Gelassenheit, Verlag Günther Neske, Pfullingen, 1977, S. 27–72. (In: GA 13, Aus der Erfahrung des Denkens; hrsg. von Hermann Heidegger, Klostermann Verlag, Frankfurt a. M., 2002) Herrmann, Friedrich-Wilhelm v.: Wege ins Ereignis, Zu Heideggers ,Beiträgen zur Philosophie‘, Klostermann, Frankfurt a. M., 1994 Mahoney, Barbara: Denken als Gelassenheit, Freiburg im Breisgau, 1993 Novalis, Das allgemeine Brouillon, Nr. 1055, in: Novalis Schriften. Die Werke Friedrich von Hardenbergs. Historisch-kritische Ausgabe (HKA), Bd. II; hrsg. von H.-J. Mähl und R. Samuel, Darmstadt, 1978, S. 706 Pöggeler, Otto: Neue Wege mit Heidegger, Karl Alber Verlag, München, 1992 Riedel, Manfred: I.29 ,Feldweg-Gespräche‘ Deuten im Wort, in: Dieter Thomä (Hrsg.): Heidegger Handbuch, Leben-Werk-Wirkung, J. B. Metzler Verlag, 2003, Stuttgart, S. 239–247 Rölli, Marc (Hrsg.): Ereignis auf Französisch – Von Bergson bis Deleuze, Wilhelm Fink Verlag, 2004, München Schelling, G. W. F.: (SW) Sämtliche Werke; hrsg. von K. F. A. Schelling, Stuttgart/Augsburg, 1856–1861 Schödlbauer, Michael: Psyche, Logos, Lesezirkel: Ein Gespräch selbdritt mit Martin Heidegger, Könighausen & Neumann, 2000 Steiner, Wolfgang: Die Aufgabe des Denkens, Martin Heidegger und die philosophische Mystik, Tectum Verlag, Marburg, 2010 Vorlaufer, Johannes: Das Sein-Lassen als Grundvollzug des Daseins, Eine Annäherung an Heideggers Begriff der Gelassenheit, Passagen Verlag, Wien, 1994
Schopenhauer et Heidegger: métaphysique et principe de raison Marc-Antoine Vallée I. Introduction Quel lien établir entre métaphysique et principe de raison suffisante? Le principe de raison trace-t-il les contours du champ de la métaphysique, ou bien la pensée métaphysique peut-elle s’aventurer au-delà de ce principe? Et quelle forme prendrait une telle pensée par-delà le principe de raison? J’aimerais examiner les réponses de Schopenhauer et de Heidegger à ces questions, afin de mettre au jour certaines proximités entre ces deux penseurs, proximités significatives qui se cachent toutefois derrière des divergences importantes. Ce rapprochement paraîtra d’abord assez téméraire pour qui connaît le peu d’affection et d’intérêt que Heidegger manifeste à l’endroit de Schopenhauer. D’une part, la chose est assez claire dans le célèbre cours sur Nietzsche (1936–1940), où Heidegger ne manifeste aucun intérêt pour Schopenhauer, qui n’aurait rien compris à Kant et à l’idéalisme allemand, et dont la philosophie aurait heureusement été vite dépassée par Nietzsche. D’autre part, dans le cours sur Le principe de raison (1955/56), l’importante dissertation de Schopenhauer sur La quadruple racine du principe de raison suffisante ne se voit absolument pas discutée et pas même évoquée. Bref, pour dire les choses assez brutalement, quand Schopenhauer n’est pas tout simplement ignoré, il ne sert que de repoussoir1. Et pourtant, nous verrons qu’il existe bel et bien des proximités importantes entre Heidegger et Schopenhauer, en dépit des différences qui sautent aux yeux. J’insisterai principalement sur leur volonté commune de trouver un chemin de pensée par-delà le principe de raison, par opposition d’abord et avant tout au rationalisme moderne. Je tâcherai ensuite de déterminer dans quelle mesure cette critique du principe de raison est susceptible de s’appliquer à la métaphysique antérieure au rationalisme moderne, notamment à une pensée comme celle de Thomas d’Aquin. II. Métaphysique et/ou principe de raison L’une des principales différences entre Schopenhauer et Heidegger réside très certainement dans les rapports contrastés qu’ils entretiennent à la métaphysique. 1 Sur ces rapports de Heidegger à Schopenhauer, voir l’article de Louis Ucciani, «Comment Heidegger évince Schopenhauer», Philosophique, 9, 2006, pp. 89–102.
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Là où Schopenhauer cherche encore à proposer un grand système métaphysique, capable de renouer avec les sources platoniciennes de la métaphysique, le dernier Heidegger recherche au contraire un mode de pensée tout autre que celui de la métaphysique occidentale, qu’il identifiera à la philosophie elle-même2, dont l’histoire serait marquée depuis Platon par un oubli de l’être. On ne peut, à première vue, défendre des positions plus antithétiques. Là où Schopenhauer s’efforce de porter le projet métaphysique à un nouveau sommet, après ce qu’il juge être bien des errances, Heidegger affirme au contraire la nécessité d’une pensée tout autre, face à une tâche que la métaphysique ne saurait jamais réaliser pour des raisons de principe. Mais une lecture moins superficielle révèle rapidement que cette opposition frontale repose sur deux façons complètement différentes de penser la métaphysique elle-même, et donc que les positions respectivement défendues par Schopenhauer et Heidegger ne se déterminent pas par rapport à un même objet. Cela n’efface cependant pas le désaccord, cela vient plutôt le déplacer sur la façon même de définir la métaphysique et notamment son rapport au principe de raison suffisante. La métaphysique est conçue par Heidegger comme un vaste effort de la pensée pour saisir l’étant comme tel dans sa totalité et pour l’expliquer à partir de ses principes ou de ses fondements. Comme l’écrit Heidegger dans «La Fin de la philosophie et la tâche de la pensée» (1966/68), la métaphysique se caractérise par le fait qu’elle «pense l’étant, comme étant, sur le mode de la représentation fondationnelle »3. Plus précisément: «Le trait distinctif de la pensée métaphysique, celle qui creuse l’étant jusqu’en son fond, repose en ceci qu’une telle pensée, prenant son départ de ce qui est présent, le représente dans son état de présence (Anwesenheit), et ainsi l’expose, à partir de son fondement, comme étant bien fondé»4. Or, dans la mesure où la métaphysique se représente et explique tout étant en remontant à ce qui le fonde, c’est-à-dire aux principes ou aux raisons de son être, elle se conforme parfaitement au principe de raison suffisante. À cet égard, les sciences modernes et la technique s’inscrivent tout à fait dans la continuité du projet métaphysique comme autant d’achèvements ou de parachèvements de ce projet. Dès lors, ce que Heidegger appelle la «fin de la philosophie» correspond à ce moment de l’histoire où la métaphysique culmine dans un grand arraisonnement scientifique et technique du monde. C’est une tout autre intelligence de la métaphysique que l’on trouve chez Schopenhauer, pour qui la philosophie ne peut poursuivre sa vocation métaphysique
2 Voir notamment la déclaration de Heidegger: «Philosophie, cela veut dire métaphysique» («Philosophie ist Metaphysik») dans «La fin de la philosophie et la tâche de la pensée» (1966–68) in M. Heidegger, Questions III et IV, Paris, Gallimard, Tel, 1990, p. 282; Gesamtausgabe (= GA), Frankfurt am Main, V. Klostermann, 1975–, Bd. 14, p. 69. 3 Ibid., p. 282 (traduction modifiée); GA 14, 69. 4 Ibid., p. 282; GA 14, 70.
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qu’en adoptant un mode de pensée nettement séparé de l’approche des sciences. Si la conception de Schopenhauer s’accorde avec celle de Heidegger sur l’affirmation que les sciences sont entièrement soumises au principe de raison, sans jamais thématiser ce principe pour lui-même, en revanche la philosophie ne pourrait accéder au domaine métaphysique qui lui est propre selon Schopenhauer qu’à partir du moment où elle dépasserait le principe de raison que seule la philosophie prend pour objet de sa réflexion. Aussi, la véritable métaphysique ne devrait pas être comprise comme une pensée sous le mode de la représentation, mais au contraire comme une percée au-delà du «monde comme représentation ». Mais dans ce cas, ne pourrait-on pas affirmer que, derrière un désaccord terminologique entre Schopenhauer et Heidegger sur la notion de métaphysique, se trouve un accord plus fondamental sur la possibilité d’un mode de pensée spécifique auquel on n’accéderait qu’en s’aventurant par-delà le principe de raison et la représentation? Pour donner une réponse satisfaisante à cette question, il faut d’abord cerner d’un peu plus près le projet philosophique de Schopenhauer. III. Métaphysique et principe de raison chez Schopenhauer C’est à partir de sa réappropriation originale de la philosophie platonicienne et à travers une certaine lecture de Kant qu’il convient de comprendre le projet métaphysique de Schopenhauer. Notons pour commencer que cette démarche n’a rien à voir avec les interprétations néokantiennes de Platon qui viendront par la suite. Contrairement à toute tentative pour replacer la théorie platonicienne des Idées dans un cadre kantien, Schopenhauer s’efforce de réviser le cadre kantien de façon à permettre un retour à la théorie platonicienne des Idées. Cet effort pour revenir aux Idées s’inscrit dans une tentative plus vaste pour recouvrer un accès à la chose en soi, après la démarche critique de Kant. Schopenhauer ne s’attaque pas toutefois à la distinction entre le phénomène et la chose en soi. C’est d’ailleurs, à ses yeux, le plus grand mérite de Kant que d’avoir procédé à une telle distinction5. Cependant, son erreur aurait été de ne reconnaître aucun accès possible à la chose en soi. Or Schopenhauer entend montrer qu’un accès à la chose en soi, qu’il identifie à la volonté (aveugle, pulsionnelle), est possible si on procède à une révision des rapports sujet-objet et du principe de raison suffisante en s’inspirant largement de la philosophie de Kant. C’est ce qu’il tâche de réaliser dans son étude De la quadruple racine du principe de raison suffisante6 en 1813, puis dans Le monde comme volonté et comme représentation en 1818.
5 Cf., A. Schopenhauer, Le monde comme volonté et comme représentation (1818, 2e éd. 1844, 3e éd. 1859), Paris, PUF, Quadrige, 2011, p. 522; Sämtliche Werke (= SW), hrsg. von A. Hübscher, 1948–50, Bd. 2, p. 494. 6 A. Schopenhauer, De la quadruple racine du principe de raison suffisante (1813, 2e éd. 1847), Paris, Vrin, 2013.
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Pour ce faire, Schopenhauer affirme la supériorité de la pensée de Kant par rapport aux philosophies qui la précèdent, notamment sur toute philosophie «scolastique» (entendue en un sens très large) et sur tous les rationalismes «dogmatiques» (représentés par Leibniz et Wolff). Sa supériorité résiderait essentiellement dans sa découverte révolutionnaire du fait que «le monde phénoménal est conditionné par le sujet tout autant que par l’objet7 », que le temps, l’espace et la causalité sont des formes a priori qui configurent notre expérience et nos représentations du monde. Ce que toute philosophie réaliste (scolastique ou rationaliste) avant Kant ne voyait pas, c’est que les lois du monde phénoménal, que Schopenhauer rassemble sous le principe de raison suffisante, ne sont pas celles de la réalité en elle-même, mais sont relatives au sujet connaissant. En ce sens, la grande révolution de Kant a été de révéler la relativité du principe de raison lui-même. Ce principe n’est pas une vérité éternelle du monde. Le monde en lui-même n’existe pas grâce au principe de raison et selon ce principe. Au contraire, ce principe ne serait que «la forme sous laquelle l’objet, de quelque nature qu’il soit, est connu du sujet, qui lui impose ses conditions en vertu de cela seul qu’il est un individu connaissant»8. Le principe de raison ne déterminerait donc pas le monde en soi, mais seulement sa réalité phénoménale, puisque le principe de raison suffisante ne désigne rien d’autre pour Schopenhauer que les conditions formelles (temps, espace, causalité) de tout objet possible. Plus précisément, ce n’est que le monde en tant que représentation qui obéirait au principe de raison, alors que le monde comme volonté y échapperait parfaitement. La philosophie critique de Kant permettrait ainsi de dépasser toute forme de dogmatisme, que celui-ci prenne la forme d’un réalisme naïf ou bien d’un idéalisme subjectif comme celui de Fichte. Dans les deux cas, on resterait aveugle à la relativité du principe de raison en cherchant à soumettre les rapports sujet-objet à un tel principe. On s’efforce ou bien de faire sortir le sujet de l’objet, ou bien de tirer l’objet du sujet lui-même, sans jamais fournir de démonstration parfaitement satisfaisante. C’est pour Schopenhauer méconnaître une vérité fondamentale, à savoir qu’ «entre le sujet et l’objet [. . .], il n’existe aucun rapport fondé sur le principe de raison9 ». Le principe de raison ne règle pas les rapports entre le sujet et l’objet à proprement parler, il ne s’applique exclusivement qu’à l’objet dans la mesure où il constitue «la forme essentielle de tout objet10 » pour un sujet. Ainsi, il constitue le principe de toute explication rationnelle des objets de ce monde et donc de toute connaissance scientifique. Mais précisément, en tant que principe de toute explication, le principe de raison suffisante ne saurait lui-même être expliqué. Il demeurerait lui-même sans raison, tout comme la chose en soi. Comme l’écrit Schopenhauer:
Op. cit., 2011, pp. 527–528; SW 2, 499. Ibid., p. 4; SW 2, XI. 9 Ibid., p. 38; SW 2, § 5, 16. 10 Ibid., p. 38; SW 2, § 5, 16. 7 8
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En effet le principe de raison est le principe de toute explication: expliquer une chose signifie ramener son existence ou sa relation présente à l’une des formes du principe de la raison, principe en vertu duquel cette existence ou cette relation doivent être telles qu’elles sont. En conséquence, le principe lui-même, c’est-à-dire le rapport qu’il affirme sous un de ses quatre aspects, n’est pas applicable au-delà: il n’existe pas de principe pour expliquer le principe de toute explication, de même que l’œil voit tout, excepté lui-même11.
Il y aurait donc au moins trois choses qui, aux yeux de Schopenhauer, échapperaient irrémédiablement au principe de raison suffisante, et donc au mode de pensée de la science: 1) le principe de raison lui-même, accepté comme un axiome, 2) la volonté, identifiée comme la chose en soi, et 3) les Idées, en tant que première manifestation objective de la volonté12. Cela n’empêcherait cependant pas la philosophie de s’aventurer au-delà des limites de ce que la science ne peut expliquer. Ce serait même sa vocation métaphysique propre que de rechercher un accès, par-delà le principe de raison, à la réalité la plus fondamentale. Cette nécessité de dépasser le principe de raison impose à la philosophie une façon particulière de s’interroger sur le monde. Pour autant que toute question «pourquoi?» est à la recherche d’une raison suffisante, et que le principe de raison ne s’applique qu’au monde des phénomènes, la tâche du philosophe ne saurait être, selon Schopenhauer, de découvrir une cause efficiente ou une cause finale qui présiderait au monde lui-même, cause susceptible de fournir une réponse à la question de savoir d’où le monde provient ou à quelle fin il existe. Il ne s’agit donc pas de répondre à la question: «pourquoi y a-t-il quelque chose et non pas rien?». Au contraire, si le philosophe s’élève au-delà du règne des phénomènes pour considérer le monde en lui-même, il lui sera impossible d’affirmer que «le monde et tous les objets qu’il contient n’existent qu’en vertu d’une autre chose; ce qui est précisément la preuve cosmologique»13. La seule question qu’il lui est permis de poser est plutôt: «qu’est-ce que le monde?», soit une question portant sur l’essence du monde14. Comme l’écrit Schopenhauer: Il n’y a qu’une saine méthode de philosopher sur l’univers; il n’y en a qu’une qui soit capable de nous faire connaître l’être intime des choses, de nous faire dépasser le phénomène: c’est celle qui laisse de côté l’origine, le but, le pourquoi, et qui ne cherche partout que le quid que présente le monde; qui ne considère pas les choses dans une quelconque de leurs relations, dans leur devenir et leur disparition, bref sous l’une des quatre formes du principe de raison; mais tout au rebours, elle écarte toutes les considérations qui suivent ce principe, et prend pour objet ce qui reste alors, soit ce qui apparaît
11 Op. cit., 2013, § 50, p. 210 (Schopenhauer souligne). Sur ce point, voir aussi: op. cit., 2011, p. 111; SW 2, § 15, 88. 12 Cf. op. cit., 2011, pp. 119–120; SW 2, § 15, 96. 13 Op. cit., 2013, § 52, p. 213. 14 Cf. op. cit., 2011, p. 121; SW 2, § 15, 98.
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dans toutes ces relations, mais qui en soi leur échappe, l’essence permanente du monde, les Idées de celui-ci15.
Ce dépassement du principe de raison en vue d’une réflexion sur l’essence du monde est l’occasion pour Schopenhauer de renouer avec la vocation contemplative de la métaphysique. En effet, tout l’effort du philosophe vise à surmonter le monde des phénomènes pour atteindre la contemplation des Idées et de la chose en soi. Ne pouvant s’appuyer sur la science, la philosophie trouverait un allié naturel dans l’art, que Schopenhauer définit explicitement comme «la contemplation des choses, indépendante du principe de raison»16. L’essence de l’art résiderait précisément dans la contemplation des Idées, et l’art serait donc pour l’homme un moyen privilégié pour arriver à la connaissance des Idées. Notons que, selon Schopenhauer, tout homme est en principe capable de s’élever, dans une certaine mesure, par-delà l’expérience des phénomènes particuliers et l’attachement à sa propre personnalité pour atteindre la contemplation directe des Idées. Mais le génie artistique réside justement dans cette capacité à se hisser avec une aisance remarquable au niveau des essences éternelles et immuables que nous présentent les œuvres de l’artiste. Comme l’affirme Schopenhauer, «l’artiste nous prête ses yeux pour regarder le monde17 ». La fonction principale de l’art n’est donc pas ici simplement d’alimenter un pur plaisir esthétique, mais de fournir une véritable connaissance des Idées à travers le plaisir esthétique. L’important ici est que la contemplation esthétique, tout comme la contemplation philosophique, implique deux éléments inséparables: «la connaissance de l’objet considéré non comme chose particulière, mais comme idée platonicienne, c’est-à-dire comme forme permanente de toute une espèce de choses; puis la conscience de celui qui connaît, non point à titre d’individu, mais à titre de sujet connaissant pur, exempt de volonté18 ».
Cela signifie que pour accéder à la pure contemplation des Idées, l’homme doit transformer sa vie pour apprendre à se détacher de son individualité, à se dégager de son «asservissement» le plus naturel à sa volonté de vivre. Et cette fois, c’est du côté des saints et des mystiques que le philosophe trouve des alliés, puisque ces figures exceptionnelles de la vie religieuse offrent le modèle par excellence d’une forme de vie qui ne se libère pas que momentanément du poids de la volonté (aveugle, avide et pulsionnelle), comme c’est le cas dans la connaissance esthétique des Idées du monde, mais qui le fait de façon durable. Le propre du saint et du mystique serait d’avoir opéré une conversion radicale, voire une négation complète de sa volonté, lui permettant de trouver une forme de paix et de sérénité et d’atteindre le niveau de la contemplation pure ou «ce que l’on appelle extase, ravissement, 15 16 17 18
Ibid., p. Ibid., p. Ibid., p. Ibid., p.
349 (traduction modifiée); SW 2, § 53, 323. 239; SW 2, § 36, 218. 251; SW 2, § 37, 230. 252; SW 2, § 38, 230.
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illumination, union avec Dieu, etc.19 », mais qui prend chez Schopenhauer la forme d’un passage de la volonté au «néant» (i. e. sa négation). Il ne fait aucun doute, selon lui, que ce n’est qu’en s’inspirant de ces vies exemplaires, que le philosophe peut espérer atteindre la sagesse, le bonheur véritable ou le salut. IV. Métaphysique et principe de raison chez Heidegger Comment situer Heidegger par rapport à cette façon de concevoir les rapports entre métaphysique et principe de raison? D’abord, il est clair qu’aux yeux de Heidegger la philosophie de Schopenhauer n’est qu’une des dernières étapes (plutôt négligeable) dans le déploiement de la métaphysique occidentale dans le sens d’une métaphysique de la volonté (avant d’arriver à la pensée de Nietzsche, qui mériterait beaucoup plus d’attention). De plus, cette métaphysique ne nous permet de revenir ni à Dieu, ni à l’être, mais culmine dans une sorte de nihilisme (s’inspirant du bouddhisme), c’est-à-dire dans une pensée pour laquelle, selon les dires de Schopenhauer lui-même, «le dernier mot de la sagesse ne consiste désormais [. . .] qu’à nous abîmer dans le néant20 ». Notons toutefois que ce «néant» ne doit pas être entendu comme un néant pur et simple, un néant absolu, mais comme la volonté de vivre, comme chose en soi du monde, en tant qu’elle a passé par la négation d’elle-même et a trouvé le repos et la sérénité. L’absence manifeste d’intérêt de Heidegger pour une telle métaphysique nihiliste (bouddhisante) de la volonté ne devrait pas cependant occulter l’insistance partagée par Schopenhauer et Heidegger sur la possibilité d’un mode de pensée spécifique auquel on n’accéderait qu’à partir d’une critique du principe de raison et du monde comme représentation. Le plus frappant est qu’en empruntant cette voie, Heidegger se tourne, à l’instar de Schopenhauer, du côté de l’art et de la mystique. Parmi les références communes à ces deux auteurs, on retrouve notamment les écrits de Maître Eckhart, ainsi que la poésie spirituelle d’Angelus Silesius, où l’art et la mystique se rencontrent. Voyons ces éléments un peu plus en détail. Il convient d’abord d’insister sur les rapports étroits entre principe de raison et représentation. Le point de départ de la réflexion de Heidegger sur le principe de raison réside dans le paradoxe entre l’apparente évidence du principe de raison et la très longue période d’incubation de ce principe avant qu’il ne soit explicitement énoncé sous une forme principielle par Leibniz. Comment expliquer ce décalage paradoxal? L’un des éléments de réponse possible est d’évoquer le caractère effacé de ce qui est si proche et si évident que cela prend un bon moment avant qu’il ne fasse l’objet d’une véritable réflexion. Comme l’écrit Heidegger: «Car le chemin des choses proches, pour nous autres hommes, est de tout temps le plus long, et
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Ibid., p. 514; SW 2, § 71, 485. Ibid., p. 512; SW 2, § 71, 483.
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pour cette raison le plus difficile »21. Mais il ne s’agit-là que d’un commencement de réponse. La suite du texte donne une réponse beaucoup plus complète et satisfaisante. Elle apparaît précisément dans les liens que tisse Heidegger entre pensée représentative et principe de raison. Qu’est-ce que penser sous le mode de la représentation? Cela signifie essentiellement poser quelque chose comme un «objet» (Gegenstand) se tenant sous le regard d’un sujet connaissant. Quel est le lien avec le principe de raison? C’est que «dès que nous nous représentons quelque chose, nous nous le représentons comme ceci ou comme cela. Avec ce „comme ceci“, „comme cela“, nous logeons quelque part la chose représentée, nous l’y déposons pour ainsi dire, nous la déposons sur un fond (Grund)»22. Or ce fond constitue ce à partir de quoi la chose se laisse connaître et expliquer, il n’est rien d’autre que la raison de cette chose qui se présente à la pensée comme objet. Il en va ainsi avec chacune de nos représentations. C’est pourquoi, soutient Heidegger, il nous est difficile de concevoir que le principe de raison puisse être lui-même sans raison: «Partout notre représentation a recours à un fond. Le principe de raison sans raison – voilà qui nous paraît irreprésentable (unvorstellbar). Mais irreprésentable ne veut aucunement dire impensable, s’il est vrai que la représentation n’épuise pas la pensée23 ». Cela est parfaitement conforme à ce que disait Schopenhauer concernant la vocation de la pensée philosophique comme dépassement du principe de raison et de la représentation. La pensée s’étend plus loin que la représentation. Mais Heidegger ne s’accorde pas avec Schopenhauer sur ce qui se donne à penser par-delà le champ de la représentation. Si le principe de raison ne se voit formulé sous forme de principe fondamental qu’au cours de la modernité philosophique c’est principalement parce que la métaphysique moderne est l’âge par excellence de la représentation, comme l’a montré Heidegger dans «L’époque des „conceptions du monde“» (1938)24. C’est précisément l’époque de la métaphysique où tout étant – et le monde lui-même comme totalité des étants – se voit réduit à un objet de la représentation face au sujet connaissant et se plie tout entier au principe de raison qui fonde toute représentation. Il ne faut donc pas s’étonner que ce soit dans le rationalisme moderne, initié par Descartes, que le principe de raison se voit explicitement formulé et déploie toute sa puissance, notamment chez Leibniz et chez Wolff. Chez Leibniz, on trouve au moins deux formulations différentes de ce principe: une première, le principium rationis, affirmant que «rien n’est sans raison» (nihil est sine ratione) et ajoutant parfois «ou aucun effet n’est sans cause» (seu nullus effectus sine causa); puis une seconde, le principium reddendae rationis, stipulant «que de toute vérité on peut 21 M. Heidegger, Le principe de raison, trad. A. Préau, Paris, Gallimard, Tel, 1962, p. 47; GA 10, 5. 22 Ibid., p. 72 (Heidegger souligne); GA 10, 28. 23 Ibid., p. 72; GA 10, 28–29. 24 M. Heidegger, Chemins qui ne mènent nulle part, Paris, Gallimard, Tel, 1962, pp. 99–146; GA 5, 75–113.
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rendre la raison» (quod omnis veritatis reddi ratio potest)25. Dans le prolongement de Leibniz, on distinguera plus clairement, à partir de Wolff, deux grandes significations du principe de raison selon qu’on veut indiquer, d’une part, la raison d’être ou la cause d’une chose actuelle (principium fiendi) ou possible (principium essendi) ou, d’autre part, la justification d’une affirmation ou d’une connaissance au plan de la vérité (principium cognoscendi). Mais ce serait une erreur, selon Heidegger, de croire que le principium reddendae rationis se limite exclusivement à ce qui est de l’ordre de la connaissance, si on tient compte du fait que le rationalisme moderne constitue en réalité une métaphysique de la connaissance: «La puissance du principe de raison se manifeste en ceci que le principium reddendae rationis – lequel en apparence n’est qu’un principe du connaître – devient en même temps, et précisément comme principe du connaître, le principe applicable à tout ce qui est»26. Comme l’explique un peu plus loin Heidegger, cette métaphysique repose sur l’idée selon laquelle «peut seul être accepté comme étant ce qui a été amené à tenir debout dans et par une représentation fondée»27. Cet appel du principe de raison à rendre compte de tout ce qui est à partir de ses causes ou de ses raisons culmine évidemment, au sein du rationalisme moderne, dans l’idée d’une cause première de toutes choses que l’on appelle Dieu. Si rien n’est sans raison, c’est d’abord et avant tout parce que Dieu en est la raison ultime ou la cause suprême. Inversement, il faut admettre l’existence d’une cause première de toutes choses, susceptible de fournir la raison de tout ce qui est, puisque ultimement rien n’est sans raison. «Ainsi, écrit Heidegger, le principe de raison n’est valable que pour autant que Dieu existe. Seulement, Dieu n’existe que pour autant que le principe de raison est valable»28. Autrement dit, le principe de raison et l’idée d’une cause première s’appellent et se renforcent mutuellement, mais au sein d’une circularité problématique. Sur ce point précis, la pensée de Heidegger concorde parfaitement avec ce qu’affirmait Schopenhauer. Plus généralement, Heidegger et Schopenhauer s’accordent sur la nécessité de sortir de la circularité entre le principe de raison et la pensée représentative, qui structure notamment le projet de la science moderne29. Mais comment en sortir? Comme chacun sait, le célèbre vers de Silesius selon lequel «la rose est sans pourquoi, elle fleurit parce qu’elle fleurit» (die Ros ist ohne warum, sie blühet, weil sie blühet) constitue le tremplin permettant à Heidegger de sauter par-dessus le principe de raison. Si Silesius peut écrire que «la rose est sans pourquoi», ce n’est pas parce qu’il aurait enfin trouvé une chose dans la nature qui échapperait parfaitement au principe de raison, c’est-à-dire, dans ce 25 26 27 28 29
Cf. M. Heidegger, Le principe de raison, op. cit., pp. 76–84; GA 10, 32–38. Ibid., p. 82; GA 10, 36 (Heidegger souligne). Ibid., p. 88; GA 10, 42. Ibid., p. 90; GA 10, 43. Cf. ibid., pp. 91–96; GA 10, 44–48.
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contexte, aux nécessités de la causalité naturelle. Au contraire, le principe de raison s’applique à la rose comme à n’importe quelle autre chose, à condition qu’elle devienne un objet de notre représentation dont nous chercherions à établir les raisons et les causes30. Si la rose est «sans pourquoi», c’est parce qu’un certain regard s’appuyant sur une posture poétique ou mystique permettrait de voir la rose en elle-même, dans le surgissement de sa pure présence, sans en faire un objet de représentation et sans renvoi à autre chose. C’est parce qu’on ne cherche pas à expliquer la rose à partir d’une causalité naturelle et que nous n’envisageons pas non plus la rose de manière intéressée ou instrumentale, comme pouvant servir à quelque chose, être utile à. . ., que la rose peut se présenter en elle-même et retenir notre attention. Il semble donc que ce n’est que dans cette perspective sur la chose que la chose peut se manifester au regard de la pensée dans sa réalité phénoménale la plus simple31. Mais il faut aller un peu plus en profondeur pour saisir ce qui est essentiel. Cela n’apparaît que si on porte attention à la suite du vers de Silesius disant que la rose «ne prête pas attention à elle-même, elle ne se demande pas si on la voit» (sie acht nicht ihrer selbst, fragt nicht, ob man sie siehet). Cela semble contredire tout ce que nous venons d’affirmer. La rose ne demande pas à être vue. Ce serait donc aller contre son mode d’être essentiel que d’en faire l’objet d’un regard attentif. Mais au contraire, c’est précisément dans la mesure où aucun souci et aucun désir ne se cachent derrière cette présence de la rose que cette rose se prête le mieux à une certaine contemplation. Son être s’épuise totalement dans le simple fait d’être, de se manifester, sans pourquoi: «elle fleurit parce qu’elle fleurit ». Notre pensée est donc surprise et captivée par ce pur fleurissement qui la tire de sa quotidienneté, où chaque chose ne fait que remplir sa fonction sans attirer l’attention, ou en attirant l’attention pour autant que telle est sa fonction. Plus important encore, cette rose nous invite à emprunter, à l’encontre de notre attitude la plus naturelle, une perspective qui n’est pas dominée par la recherche des raisons ou des causes. Ce qui favorise la rupture soudaine avec cet ordre des choses, c’est possiblement – Heidegger ne le dit pas – la beauté de la rose qui retiendra suffisamment notre regard pour qu’il change sa perspective. En effet, comme l’a montré Gadamer dans ses réflexions sur le beau, il appartient à la phénoménalité du beau que de s’accom-
Cf. ibid., pp. 108–109; GA 10, 58. Cette conception de la phénoménalité se verra reprise par Jean-Luc Marion, qui formulera une opposition systématique entre donation phénoménale et principe de raison, et par le fait même entre phénoménologie et métaphysique. Si la métaphysique se caractérise par la recherche des fondements et des raisons suffisantes, le principe des principes guidant la phénoménologie nous inviterait au contraire à une suspension du principe de raison pour simplement décrire les phénomènes tels qu’ils se donnent, dans leur événementialité. Comme l’écrit Marion: «Tout phénomène – et pas seulement la rose – est sans pourquoi, puisque tout phénomène est comme il se donne.» Le visible et le révélé, Paris, Cerf, Philosophie & Théologie, 2005, p. 19 (Marion souligne). 30 31
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plir pleinement dans sa pure présentation éclatante et lumineuse32. N’est-ce pas une phénoménalité comparable que l’on retrouve également à l’œuvre dans les différentes formes d’art? Quoi qu’il en soit, l’importance de la rose de Silesius réside surtout, pour Heidegger, dans le fait qu’elle exhorterait l’homme à une transformation profonde de son mode d’être le plus courant: «Ce que la sentence ne dit pas – et qui est tout l’essentiel –, c’est bien plutôt ceci qu’au fond le plus secret de son être l’homme n’est véritablement que s’il est à sa manière comme la rose – sans pourquoi»33. Cette affirmation semble parfaitement conforme à la pensée de Silesius, si on interprète ses vers à la lumière de l’ensemble du Pèlerin chérubinique. En effet, il est manifeste que la rose est une invitation à une transformation de notre vie dans le sens d’une recherche d’une contemplation mystique de Dieu, où l’homme cherche la plus grande ressemblance avec Dieu. Il suffit de rappeler ces autres vers de Silesius disant: «Dieu est repos éternel, Il ne cherche rien, Il ne désire rien. Si de même tu ne désires rien, tu es autant que Dieu» (Gott ist die ewge Ruh, weil er nichts sucht noch will. Willst du ingleichen nichts, so bist du eben viel)34. Mais l’intention de Heidegger, même si elle n’est pas entièrement dénuée de préoccupations religieuses, se montre bien différente de celle de Silesius. Là où Silesius parle de Dieu, Heidegger parle au contraire de l’être, de l’Ereignis et du surgissement de la phusis. Dans ce contexte, le plus élevé en l’homme semble être de s’élever au-delà du principe de raison, par-delà toute recherche scientifique et tout contrôle technique, pour s’exposer pleinement à l’être, au surgissement et à la phénoménalisation de ce qui est. L’homme y est appelé à une pensée méditante, disposée au laisser-être, une pensée prête à entrer et à se laisser emporter dans le jeu de l’être, où ce dernier se présente comme un fond sans fond, sans pourquoi ni raison. V. Par-delà le principe de raison: Dieu, l’être ou le néant? Nous avons vu que le principal rapprochement à établir entre Schopenhauer et Heidegger réside très certainement dans leur effort pour dépasser le principe de raison suffisante, qui se voit intimement lié à la pensée représentative, dans l’espoir de libérer une autre forme de pensée davantage contemplative ou méditante. Cette autre forme de pensée s’oppose très clairement, dans les deux cas, à la métaphysique moderne et notamment au courant rationaliste. En cela, Schopenhauer et Heidegger s’inscrivent tout à fait dans un cadre de pensée post-kantien, où apparaît ce type de réflexion critique sur le principe de raison au sein de la philo32 Cf. H.-G. Gadamer, Vérité et méthode, Paris, Seuil, L’ordre philosophique, 1996, pp. 502–509; Gesammelte Werke, Bd. 1, Tübingen, J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), 1990, p. 481–487. 33 M. Heidegger, Le principe de raison, op. cit., p. 108; GA 10, 57–58. 34 A. Silesius, Le pèlerin chérubinique, I, 76, Paris, Cerf, Sagesses chrétiennes, 1994, p. 49.
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sophie allemande. En un sens, tout se passe comme si le partage kantien entre le phénomène et la chose en soi ne se voyait jamais vraiment dépassé par Schopenhauer et par Heidegger, mais plutôt reconduit sous une autre forme ou déplacé dans un nouveau contexte. En effet, la distinction entre ce qui est de l’ordre des phénomènes, connaissable en tant qu’objet de nos représentations, et ce qui est de l’ordre de la chose en soi, inconnaissable car par-delà toutes représentations, se voit reprise et transformée en une distinction entre, d’une part, ce qui relève du principe de raison, et qui peut donc être expliqué à partir de ses causes ou des raisons, puis, d’autre part, ce qui demeure sans pourquoi, c’est-à-dire ce qui ne se laisse expliquer à partir d’autre chose, mais seulement contempler ou méditer. Mais cette recherche d’une pensée autre, qui s’aventure par-delà le principe de raison, doit-elle également être opposée à la métaphysique antérieure au rationalisme moderne? Faut-il, comme le propose Heidegger, opposer systématiquement cette forme de pensée à toute métaphysique? Autrement dit, l’histoire de la métaphysique est-elle entièrement régie par le principe de raison, avant même que le principe ne soit lui-même formulé? La métaphysique préparait-elle de très longue date l’émergence de ce principe selon ce que suggère l’image heideggérienne de l’incubation? Il est exact de dire que les Anciens avaient à tout le moins préparé le terrain pour l’émergence du principe de raison suffisante. Il conviendrait même d’ajouter qu’ils en avaient offert les premières formulations (sans l’identifier comme «principe de raison suffisante»). Schopenhauer ne manque pas de le noter au § 6 de son traité, en citant notamment Platon et Aristote. Mais le fait demeure qu’il fallut néanmoins attendre le rationalisme moderne pour voir le principe de raison explicitement formulé et identifié comme principe fondamental appelé à jouer un rôle de premier plan dans un système métaphysique. Or cela doit être expliqué. Nous avons déjà vu la réponse de Heidegger à cette question, qui consistait à lier le principe de raison à l’époque des «conceptions du monde». Toutefois un complément s’impose. Il faudrait préciser, en plus de ce qu’affirme Heidegger, qu’une telle mise en avant du principe de raison se laisse expliquer historiquement par le passage de Thomas d’Aquin à Descartes, en passant par Duns Scot et Suarez, d’une philosophie où la connaissance s’ordonne essentiellement sur l’être à une philosophie où l’être s’ordonne de plus en plus sur la connaissance. Les importants travaux d’Étienne Gilson, Jean-François Courtine et Jean-Luc Marion sur l’histoire de la métaphysique nous éclairent, à différents égards, sur cette transition vers la métaphysique moderne35.
35 Cf. É. Gilson, Études sur le rôle de la pensée médiévale dans la formation du système cartésien, Paris, Vrin, 1951; L’être et l’essence, Paris, Vrin, 1972; Constantes philosophiques de l’être, Paris, Vrin, 1983; J.-F. Courtine, Suarez et le système de la métaphysique, Paris, PUF, Épiméthée, 1990; Les catégories de l’être, Paris, PUF, Épiméthée, 2003; J.-L. Marion, Sur la théologie blanche de Descartes, Paris, PUF, 1981; Sur le prisme métaphysique de Descartes, Paris, PUF, 1986, 2e éd. 2004.
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Il est évidemment impossible de résumer ici les apports de tous ces travaux. Je me limiterai à évoquer certains éclaircissements fournis par Gilson dans Constantes philosophiques de l’être (publication posthume en 1983). L’intérêt de cet ouvrage pour notre réflexion est que Gilson y pose directement la question: pourquoi Thomas d’Aquin n’a-t-il jamais formulé le principe de raison? Est-ce parce qu’il s’opposerait à l’idée que tout ce qui est a un pourquoi? Est-ce parce qu’il refuserait la thèse que tout ce qui existe posséderait une cause ou une raison? Absolument pas, soutient Gilson. Au contraire, c’est plutôt parce que ce «principe de raison suffisante [. . .], nécessaire chez Leibniz et Wolff, est superflu dans le thomisme où il n’a aucun rôle à jouer»36. Il n’est aucun besoin du principe de raison chez Thomas, car tout le champ à couvrir serait déjà pris en compte d’une autre manière dans sa philosophie. En d’autres termes, tout ce que le principe de raison permet d’expliquer se verrait déjà expliqué chez Thomas sans qu’il ait besoin de mettre de l’avant un tel principe comme on le fera dans le rationalisme moderne: «Nulle part on n’y trouve quoi que ce soit qui s’oppose à l’affirmation de ce principe; bien au contraire, c’est précisément puisque tout ce qu’on peut vouloir lui faire dire y est déjà dit autrement, que le thomisme n’a pas besoin du principe de raison suffisante»37. Comme l’indique Gilson, si ce principe vise à souligner l’intelligibilité de tout ce qui est, il suffit d’évoquer la convertibilité des transcendantaux, et plus précisément, les rapports entre l’être et le vrai. Par ailleurs, si ce principe vise à insister sur le fait que tout étant a une cause ou une raison, cela est déjà pris en compte par la théorie des quatre types de causalité, inspirée d’Aristote. Cela ne veut cependant pas dire, selon Gilson, que le thomisme aurait pu s’approprier le principe de raison sans la moindre conséquence. Au contraire, Gilson s’oppose frontalement à ce type d’appropriation qu’on rencontre au sein de la scolastique tardive et qui aurait pour effet d’occulter ce qui sépare Thomas de la métaphysique moderne, notamment le primat qu’il reconnaît fondamentalement à l’être comme principe de tout ce qui est et de toute connaissance38. Il faudrait surtout éviter la tentation d’imposer à Dieu lui-même les nécessités du principe du raison, comme le feront les philosophes modernes, une fois perdue de vue la spécificité de l’intelligence thomiste de l’être et des transcendantaux. Jamais Thomas n’a eu l’hybris d’appliquer le principe de raison à Dieu lui-même, de sorte que Dieu doive être considéré comme étant à lui-même sa propre cause (causa sui), comme l’affirmera Descartes et ses successeurs. Au contraire, il ne
É. Gilson, op. cit., 1983, p. 79. Ibid., p. 77. 38 Comme l’écrit Gilson: «Toutes les fonctions assignées aux principes de causalité et de raison suffisante sont déjà exercées dans le thomisme par l’être, premier principe des choses et de la connaissance telles que les entend saint Thomas d’Aquin. Non seulement le thomisme peut être lui-même sans expliciter ces principes, mais il compromet sa pureté en le faisant. Il s’engage alors sur la voie qui conduit à Leibniz, à Wolff et à leurs épigones modernes.» Ibid., p. 84. 36 37
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fait aucun doute pour Thomas que «Dieu est cause première sans cause»39. Outre la nécessité d’éviter les contradictions logiques impliquées dans l’idée de causa sui, il existe à cela une autre raison importante selon Gilson: La causalité n’est pas un transcendantal, sa notion n’est pas convertible avec celle d’être. En d’autres termes, alors qu’on ne peut concevoir de l’être qui ne serait ni un, ni vrai, ni bon, ni beau, on peut concevoir un être qui ne serait ni cause ni effet. Le Dieu chrétien de la théologie scolastique est précisément un tel être, car il est incausé, comme étant de soi nécessaire, et bien qu’il ait causé le monde, rien ne l’obligeait à le faire40.
Cela signifie que, chez Thomas, Dieu ou l’Être ne saurait se plier aux dictats des principes de raison et de causalité conçus, par les Modernes, comme des exigences a priori de la pensée. Or c’est précisément ce qui se produira au sein de la métaphysique moderne, dans sa constitution onto-théo-logique telle que décrite par Heidegger, notamment dans «Identité et différence » (1957). Dans cette perspective, Dieu se présentera désormais à la pensée comme «l’Étant suprême qui fonde en raison toutes choses» et comme «la Chose primordiale (Ursache) entendue comme Causa sui»41. Ce ne serait donc qu’au sein du rationalisme moderne qu’on verrait pleinement apparaître la circularité entre Dieu et le principe de raison relevée par Heidegger (même si la notion elle-même de causa sui n’est pas une invention originale du rationalisme moderne, car on la retrouvait déjà chez Plotin42). En somme, l’idée d’une pensée s’élevant par-delà l’exigence d’attribuer une cause ou une raison à tout ce qui est sans exception n’était donc pas totalement étrangère à la métaphysique antérieure à la période moderne, puisqu’elle avait précisément l’idée d’une cause sans cause, empêchant une régression à l’infini dans la recherche des causes ou des raisons. La confrontation des approches de Schopenhauer et Heidegger à celle de Thomas d’Aquin révèle que cette percée par-delà tout ce qui se laisse expliquer par des causes ou des raisons peut déboucher sur le néant comme ultime abîme (Schopenhauer), sur l’être dans son surgissement sans pourquoi (Heidegger) ou sur Dieu comme pur esse (Thomas d’Aquin). Cela ouvre trois horizons complètement différents sur ce qui est. En plaçant son travail sous le signe du néant, Schopenhauer nous invite à découvrir la vanité de ce qui est, c’està-dire du monde comme représentation, et apprendre que «la vie n’admet point de 39 Thomas d’Aquin, Somme contre les Gentils, I, 22, Paris, GF Flammarion, 2000, p. 200. Sur ce point, voir aussi Thomas d’Aquin, L’être et l’essence, V. 40 É. Gilson, op. cit., 1983, p. 92. 41 M. Heidegger, Questions I et II, Paris, Gallimard, Tel, 1968, pp. 305–306; GA 11, 76–77. 42 On retrouve en effet la notion de causa sui dans les Énnéades de Plotin (traité VI, 8) et dans la tradition néoplatonicienne. Toutefois, cette idée ne sera pas reprise par les principaux philosophes de la tradition chrétienne qui retiendront plutôt l’idée d’aséité, c’est-àdire d’un Dieu sans cause, permettant d’éviter toute régression à l’infini. Sur ce point, voir J.-M. Narbonne, «Plotin, Descartes, et la notion de causa sui», Archives de philosophie, 56, 1993, pp. 177–195.
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félicité vraie, qu’elle est foncièrement une souffrance aux divers aspects, un état de malheur radical»43, et donc qu’il faudrait renoncer à ce qui forme l’essence même de la vie, à savoir la volonté, pour enfin atteindre «une paix imperturbable, un calme profond, une sérénité intime » (ein unerschütterlicher Friede, eine tiefe Ruhe und innige Heiterkeit)44. Par opposition à ce nihilisme, résidant donc dans la volonté résignée et apaisée, Heidegger indique la voie d’une pensée méditante, s’exposant au surgissement et à la dispensation de l’être, dans son jeu sans pourquoi, et se montrant attentive à la façon dont le retrait de l’être (Entzug des Seins) laisse place à la recherche des raisons, des causes et des fondements, de sorte que «l’être se voile comme être» et qu’«il soustrait à notre vue l’appartenance mutuelle qui l’unit à la raison comme lügoò»45. Si enfin, avec Thomas d’Aquin, la pensée se tourne vers Dieu, tout ce qui est se voit reconduit à un Créateur, c’est-àdire à un Être suprême ou absolu se passant de toute cause et que rien n’obligeait à être lui-même cause d’autre chose. Cet Être se présente comme un principe ultime que la raison humaine ne saurait à proprement parler connaître ou comprendre parfaitement, mais qui fournit cependant un éclairage sur l’ensemble de ce qui est et explique l’intelligibilité du monde46. VI. Conclusions Derrière l’opposition radicale entre la métaphysique nihiliste de Schopenhauer, centrée sur une volonté qui s’est résignée et ne se veut plus, et la recherche heideggérienne d’une pensée de l’être qui échapperait à toute métaphysique, nous avons découvert un accord important sur la nécessité de s’aventurer par-delà le principe de raison suffisante. À partir d’un horizon post-kantien, les œuvres de Schopenhauer et Heidegger contribuent à une relativisation du principe de raison, principalement en mettant au jour les liens étroits qui rattachent ce principe à la représentation au sein de la philosophie moderne. Il nous est apparu que la principale cible (mais non la seule) de ces critiques était le rationalisme moderne, qui ira jusqu’à soumettre Dieu lui-même au principe de raison. Mais c’est une question beaucoup plus délicate de déterminer si l’ensemble de la métaphysique est secrètement régi A. Schopenhauer, op. cit., 2011, p. 408; SW 2, § 59, 381. Ibid., p. 489; SW 2, § 68, 461. 45 M. Heidegger, Le principe de raison, op. cit., 1962, p. 237; GA 10, 164. 46 Comme l’écrit Josef Pieper: «Si les choses sont connaissables pour nous, c’est parce que Dieu les a conçues; en tant que conçues par Dieu, les choses n’ont pas seulement leur essence (en quelque sorte „pour elles toutes seules“), mais elles ont aussi un être „pour nous“. Les choses ont leur intelligibilité, leur clarté intérieure, leur pouvoir de se manifester, parce que Dieu les a conçues; c’est pour cela qu’elles sont essentiellement spirituelles. C’est la luminosité et la clarté que la connaissance créatrice de Dieu infuse aux choses en même temps que leur être (ou plutôt comme leur être même), c’est cette clarté et elle seule qui fait que les choses qui sont sont perceptibles à la connaissance humaine.» J. Pieper, Le concept de création, Paris, Ad Solem, 2010, pp. 30–31 (Pieper souligne). 43 44
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par le principe de raison, avant même qu’il ne soit explicitement formulé, de sorte que toute pensée s’aventurant par-delà le principe de raison devrait nécessairement aller au-delà de la métaphysique elle-même. La brève confrontation avec la pensée de Thomas d’Aquin et les travaux d’Étienne Gilson a montré le besoin de soutenir une position plus nuancée. D’une part, il semble que la métaphysique antérieure à la modernité philosophique a bel et bien préparé le terrain à la formulation du principe de raison et avait même déjà pensé la notion de causa sui. Mais, d’autre part, quelque chose l’empêchait d’aller aussi loin que le rationalisme moderne, notamment l’idée qu’il fallait éviter les contradictions logiques et la régression à l’infini qui menacent toute conception de Dieu comme causa sui, puis l’idée que la causalité n’est pas un transcendantal convertible avec l’être. En ce sens, pour que le principe de raison en vienne à jouer un rôle aussi crucial et essentiel, il fallait d’abord que s’opère, de Thomas d’Aquin à Descartes, la transformation des rapports entre l’être et la pensée qui initia ce que Heidegger appela «l’époque des conceptions du monde».
Heidegger und Cézanne Der denkend-dichtende Pfad durch und über die technische Welt* Rosa Maria Marafioti Zu beiden Händen, da wo die Sterne mir wuchsen, fern allen Himmeln, nah allen Himmeln: Wie wacht es sich da! Wie tut sich die Welt uns auf, mitten durch uns! Paul Celan
§ 1. Der Zusammenhang der Erläuterung Unter den Künstlern, mit denen sich Heidegger auf der Suche nach einer Sprache auseinandersetzt, die imstande ist, die Dinge derart zu sagen, dass sie sich in ihrer Wahrheit zeigen, besitzt Cézanne eine Schlüsselstellung. Heidegger trifft diesen Maler auf einem Weg, den er Mitte der Dreißigerjahre einschlägt, um die Metaphysik – das Nachdenken über das Sein des Seienden und nicht über das Sein als solches – zu überwinden. Die Metaphysik, die das abendländische Denken gekennzeichnet hat und sich im heutigen Weltalter der Technik – in dem Zeitalter, das durch das Wesen der Technik bestimmt wird1 – vollendet, dachte nicht das Sein selbst (das Seyn), sondern ergriff das Sein nur als die Seiendheit, d. h. als das, was das Allgemeinste im Seienden ist und über das Seiende hinaus als sein ermöglichender Grund gilt. Infolgedessen vergegenständlichte sie das Seyn, versäumte die Differenz zwischen Sein und Seiendem und vergaß die Wahrheit des Seyns.
* Dieser Beitrag wurde während eines vom Balassi Institute finanziell unterstützten Forschungsaufenthaltes an den Universitäten Eötvös Loránd und Andrássy in Budapest (a. J. 2014/2015) zur Umsetzung des Vorhabens Das Existieren im Zeitalter der Technik. Zum Wesensverhältnis von Technik und Kunst bei Heidegger und Cézanne verfasst und anschließend ergänzt. 1 Vgl. M. Heidegger, Leitgedanken zur Entstehung der Metaphysik, der neuzeitlichen Wissenschaft und der modernen Technik, hrsg. von C. Strube, Gesamtausgabe Bd. 76, Klostermann, Frankfurt a. M. 2009, 329.
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Die Metaphysik ist aber nur eine Epoche der Seynsgeschichte. Sie lässt sich durch die Erinnerung an die Seynswahrheit verwinden, die als ein Urstreit zwischen Verbergung und Unverborgenheit geschieht, der diejenige Lichtung eröffnet, in welcher etwas, sich zeigend, erscheinen und somit an-wesend bzw. Seiendes sein kann. Eine solche Wahrheit kann erst durch ein Denken erfahren werden, das anders als das metaphysische ist und mit dem Dichten zusammengehört. Denn „Dichten“ ist als poßhsiò, als Her-aus-bringen (aus der Verborgenheit ins Unverborgene) ursprünglich zu verstehen.2 In diesem weiteren Sinne gemeint, deckt sich die Dichtung nicht mit der Poesie, sondern bezeichnet das Wesen der Kunst überhaupt. In der Abhandlung Der Ursprung des Kunstwerkes (1936) bestimmt Heidegger dieses Wesen als das »Sich-ins-Werk-setzen «3 der Wahrheit und stellt fest, die Dichtung im weiteren Sinne vollziehe sich am reinsten in der Sprachkunst, in der Dichtung im engeren Sinne (der Poesie).4 Aus diesem Grund wendet er sich an die Künstler – van Gogh bleibt sein Hauptbezugspunkt bis in die Fünfzigerjahre – und an die Dichter – die Gedichte Hölderlins, der Heidegger zufolge das Wesen der Dichtung dichtet,5 werden von ihm bis in seine letzten Lebensjahre gedeutet. Die Fähigkeit der Malerei Cézannes, die Dinge vor dem Angriff der Technik durch ihre Zurücknahme in die verborgenste Ursprungsquelle der Naturwelt zu
2 Unter den zahlreichen Stellen, in denen Heidegger die Dichtung auf die poßhsiò zurückführt und sie als Wesen der Kunst begreift, ist einleuchtend M. Heidegger, Bemerkungen zu Kunst – Plastik – Raum, hrsg. von H. Heidegger, Erker, St. Gallen 1996, 15–16. 3 Vgl. M. Heidegger, Der Ursprung des Kunstwerkes, in Holzwege, hrsg. von F.-W. von Herrmann, GA 5, 1977, 65, 70, 74, und Vom Ursprung des Kunstwerks. Erste Ausarbeitung, Heidegger Studies, Bd. 5 (1989), 16. Zu der Abstandnahme dieser Kunstauffassung von der überlieferten, nach der die Kunst die Wirklichkeit nachahmen muss, und zu der Annahme, dass sie eine ursprüngliche „Mimesis der Wahrheit“ voraussetzt, vgl. J. Sallis, Heidegger’s poetics: the question of mimesis, in C. Macann (ed.), Martin Heidegger. Critical Assessments, vol. IV: Reverberations, Routledge, London/New York 1992, 267–278. Die Tragweite des in der Kunstwerkabhandlung beschriebenen Zusammenhanges zwischen Kunst und Wahrheit für die Verlagerung des Kunstverständnisses von der Ästhetik zur Hermeneutik wird erörtert in I. Fehér, Kunst und Wahrheit bei Heidegger und Gadamer, Philobiblon, vol. XIX, n. 2, 2014, 539–540, 546–550. 4 Vgl. M. Heidegger, Vom Ursprung des Kunstwerks, a. a. O., 17, und Der Ursprung des Kunstwerkes, a. a. O., 59–62. Der ursprüngliche Bezug der Kunst zur Wahrheit bzw. der tÝxnh zur lÞqeia (vgl. ebd., 46–47) ist aus der Zusammengehörigkeit von poßhsiò – von welcher die tÝxnh eine Weise ist – und lÞqeia zu verstehen. Die Auffassung der Dichtung als poßhsiò und Wesen aller Kunstgattungen könnte von der platonischen Lehre (Symposion, 205 b–c) beeinflusst worden sein. 5 Heidegger bleibt bei dieser Meinung bezüglich der Dichtung Hölderlins vom Anbeginn bis zum Ende seiner Auslegung, die von den Vorträgen Hölderlin und das Wesen der Dichtung (1936) und Das Gedicht (1968) fast begrenzt zu sein scheint (vgl. M. Heidegger, Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung, hrsg. von F.-W. von Herrmann, GA 4, 1981, 34, 182).
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erretten, führt Heidegger dazu, sie als das Vorbild eines Weltverhältnisses zu würdigen, das zu einem anderen Anfang der Seynsgeschichte hinleiten kann. Um einzuschätzen, in welchem Umfang sich die cézannesche Malerei und das heideggersche Denken ineinander fügen, ist es nötig, zuerst die Eigentümlichkeit der Kunst Cézannes zu erwägen und das Umfeld der Begegnung Heideggers mit ihr einzugrenzen. Dies soll die Grundlage für das Verständnis der heideggerschen Auslegung von Cézanne bilden. Die Auseinandersetzung Heideggers mit diesem Maler weiterzudenken mag schließlich dazu beitragen, den von dem Denker und dem Dichter eröffneten Pfad betretbarer zu machen. § 2. Heideggers allmähliche Annäherung an Cézanne: Die Begeisterung für den Berg und die Auslegung der rilkeschen Briefe 1. Die Begegnung mit der Provence Mitte der Vierzigerjahre, während der Vorbereitung der Gedenkrede zu Rainer Maria Rilkes zwanzigstem Todestag Wozu Dichter? (1946), wird Heidegger durch die Lektüre der von diesem Poeten verfassten Briefe über Cézanne (1907) auf den französischen Maler verwiesen.6 Lebhaft unterstützt er den von dem Kunsthistoriker Heinrich Wiegand Petzet und von Clara Rilke gefassten Plan, eine deutsche Einzelausgabe dieser Briefe erscheinen zu lassen, aus denen sich wichtige Charakterzüge von Paul Cézanne – unter anderen die völlige Hingabe zu seiner Arbeit und die Vorliebe für die Provinz – entnehmen lassen. Es handelt sich um Charakterzüge, die Heidegger bereits nicht fremd sind. Indem der Denker sich der Geisteswelt des Malers allmählich annähert, fühlt er sich mit ihr tatsächlich immer mehr wesensverwandt. Nachdem Heidegger berühmte Bilder von Cézanne – darunter auch Montagne Sainte-Victoire, vue des Lauves (1904–1906) – bei der Basler Galerie Beyeler und in anderen Schweizer Museen gesehen hat, fährt er zum ersten Mal nach Frankreich, um in Cerisy-la-Salle den Vortrag Was ist das – die Philosophie? (1955) zu halten. Von Jean Beaufret begleitet, lernt er in Paris den Dichter René Char
6 Vgl. dazu H. W. Petzet, Auf einen Stern zugehen. Begegnungen mit Martin Heidegger 1929 bis 1976, Societäts-Verlag, Frankfurt a. M. 1983, 150; C. Jamme, Der Verlust der Dinge. Cézanne–Rilke–Heidegger, in C. Jamme/K. Harries (Hrsg.), Martin Heidegger. Kunst, Politik, Technik, Fink, München 1992, 112, und ders., »Zwiefalt« und »Einfalt«. Heideggers Deutung der Kunst Cézannes, in I. M. Fehér (Hrsg.), Wege und Irrewege des neueren Umgangs mit Heideggers Werk. Ein deutsch-ungarisches Symposium, Duncker & Humblot, Berlin 1991, 100. Jamme bemerkt, Heidegger habe sich durch die Briefe Rilkes zu Cézanne führen lassen wie schon am Anfang der Zwanzigerjahre durch die Briefe van Goghs an seinen Bruder zu dessen Kunst, wie sich entnehmen lässt aus M. Heidegger, Ontologie. Hermeneutik der Faktizität, hrsg. von K. Bröcker-Oltmanns, GA 63, 1988, 32, Fn. 3.
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kennen, der ihn auf die Provence aufmerksam macht.7 Petzet bemerkt, Heidegger den Zugang zu dem Land Cézannes »geöffnet zu haben«, werde »immer das Verdienst Beaufrets bleiben«8. Angeregt von dem Besuch der Zürcher Cézanne-Ausstellung (1956) und der Lektüre der von Kurt Badt verfassten Cézanne-Monographie9 unternimmt Heidegger eine Reise nach Lyon, wo er den Weg in den Steinbruch von Bibémus einschlägt, um die Montagne Sainte-Victoire persönlich anzuschauen und nach Aix-en-Provence zu kommen. Die Begegnung mit dem Berg Cézannes war so bedeutsam, dass Heidegger Petzet kurze Zeit später dazu aufforderte, alle Bilder der Montagne Sainte-Victoire in einem Buch zu vereinen und ein Vorwort dazu zu schreiben. Er solle aber selber den Berg anblicken, da kein Bild dasjenige vorzustellen vermöge, was Cézanne in seinen Gemälden verwandle.10 Seit seinem ersten Aufenthalt in der Provence erfährt Heidegger diese Gegend nicht mehr als die von van Gogh gemalte Landschaft, sondern schätzt sie als das Land Cézannes. Zur Einleitung zu seinem in Aix gehaltenen Vortrag Hegel und die Griechen (1958) berichtet Heidegger über seine erste Erfahrung mit der Provence und behauptet, dass es »kein wesentliches Werk des Geistes« gebe, »das nicht seine Wurzel in einer ursprünglichen Bodenständigkeit«11 habe. In seinem Vortrag stellt Heidegger Hegel als Vertreter derjenigen metaphysischen Seynsvergessenheit vor, die sich in der heutigen technischen Weltzivilisation vollendet. Der hegelschen 7 Zu der Entstehung von Heideggers Interesse an der Provence vgl. den Bericht von Jean Beaufret In Frankreich, in G. Neske/E. Kettering (Hrsg.), Antwort. Martin Heidegger im Gespräch, Pfullingen, Neske 1988, 249–250. 8 H. W. Petzet, Auf einen Stern zugehen, a. a. O., 140. 9 Vgl. K. Badt, Die Kunst Cézannes, Prestel, München 1956. Kurt Badt, mit dem Heidegger selbst korrespondiert, ist der erste, der die Tragweite des Begriffes von „réalisation“ durchdenkt. Die Realisation, mit der sich Cézanne sein ganzes Leben lang befasst, macht den Kernpunkt der heideggerschen Auseinandersetzung mit diesem Maler aus. Badt nimmt jedoch in späteren Schriften von der heideggerschen Auslegung der Künstler stark Abstand (vgl. K. Badt, Eine Wissenschaftslehre der Kunstgeschichte, DuMont Schauberg, Köln 1971, 28, 36). 10 Vgl. H. W. Petzet, Auf einen Stern zugehen, a. a. O., 151. Auf ähnliche Weise schreibt Heidegger in einer Postkarte aus Cézannes Atelier an Hans Koch (vgl. H. Koch, Erinnerung an Martin Heidegger, Jahresgabe der Martin-Heidegger-Gesellschaft, Meßkirch 1996, 13) und sagt zu Harmut Buchner: »Der wundersame Berg, mit dem Cézanne gerungen, müsste auch Ihnen einmal sein wanderndes Licht zeigen« (H. Buchner, Fragmentarisches, in G. Neske (Hrsg.), Erinnerung an Martin Heidegger, Neske, Pfullingen 1977, 47). 11 M. Heidegger, Liebeserklärung an die Provence, in Reden und andere Zeugnisse eines Lebensweges, hrsg. von H. Heidegger, GA 16, 2000, 551. Im Jahre 1973, die von dem Mont Ventoux und der Montagne Sainte-Victoire begrenzte Gegend beschreibend, wird Heidegger erläutern, »das Eigentümliche der Orte [verschließe] sich darin«, »dass jeder auf seine Weise die dort wohnenden Menschen in ihrem Tun und Lassen, Dichten und Denken bei sich versammelt, prägt und stimmt« (Andenken an Marcelle Mathieu, in GA 16, 731).
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Auffassung der Wahrheit als Selbstbespiegelung des sich denkenden Denkens, die in der Selbstgewissheit des absoluten Geistes gipfelt, setzt Heidegger die griechische Erfahrung der Wahrheit als lÞqeia – Unverborgenheit – entgegen, die während der ganzen Geschichte der Philosophie als Ungedachtes walte und nun zu erinnern sei.12 Er ist der Meinung, dass die griechische Wahrheitsauffassung schon von Hölderlin tief verstanden wurde. Sich erinnernd wahrscheinlich an Hölderlins Wanderung durch das »südliche Frankreich «, das ihn »mit dem eigentlichen Wesen der Griechen bekannter« machte, setzt Heidegger ans Ende der französischen Übersetzung von Unterwegs zur Sprache (1950–1959) ein kurzes Gespräch zwischen Denken und Dichten. Der Dialog beginnt mit »Worte[n] von René Char« und endet mit der Frage: »Ist die geliebte Provence die geheimnisvoll unsichtbare Brücke vom frühen Gedanken des Parmenides zum Gedicht Hölderlins?«13 Verse dieses Dichters werden von Heidegger im Laufe der Seminare vorgelesen, die er auf Einladung Chars in den Jahren 1966, 1968 und 1969 in Le Thor hält. Die Seminararbeit, die sich im Zeichen der Nachbarschaft von Dichten und Denken entwickelt, wird von Spaziergängen durch ein Land begleitet, in welchem sich die Nähe nicht nur zu Griechenland14, sondern auch zu Cézanne ankündigt. Die Montagne Sainte-Victoire lässt sich bereits aus dem Lubéron anblicken, über den die Seminarteilnehmer zuweilen kommen. 1968 besucht Heidegger das Atelier am Chemin des Lauves, wo Cézanne in seinen letzten Lebensjahren arbeitete. Vor dem Gebirge des Malers, still auf einem Stein sitzend, lässt sich Heidegger fotografieren. Er wird wohl »die Harmonie« von der »Strenge« der »Berge« und der »Milde« des »Landes«15 Cézannes erhören, dem er schon zehn Jahre zuvor seine Liebe erklärt hatte. Eine solche Harmonie, in der alles in das höhere Gleichge12 Vgl. M. Heidegger, Hegel und die Griechen, in Wegmarken, hrsg. von F.-W. von Herrmann, GA 9, 1976, 427–444. 13 Diese Wörter sowie die heideggersche Widmung »Für // René Char // dankend für die Nähe // des dichterischen Wohnens«, sind wiedergegeben in C. Ochwadt, Nachwort, in M. Heidegger, Seminare, hrsg. von C. Ochwadt, GA 15, 1986, 419. Vladimir Vukic´evic´ vermutet, Heidegger sollte seine Reisen in die Provence als Wiederholungen der hölderlinischen Fahrt in die Fremde verstanden wissen (vgl. V. Vukic´evic´, Cézannes Realisation. Die Malerei und die Aufgabe des Denkens, Fink, München 1992, 185). 14 Vgl. M. Heidegger, Liebeserklärung an die Provence, a. a. O., 551, und J. Beaufret, In Frankreich, a. a. O., 250, wo der Ausruf Heideggers angeführt ist: »Nirgends war uns Griechenland näher.« 15 Vgl. M. Heidegger, Liebeserklärung an die Provence, a. a. O., 551. Der Bericht François Fédiers über die heideggersche fotografierte Haltung ist wiedergegeben in H. W. Petzet, Auf einen Stern zugehen, a. a. O., 152. Fédier setzt die heideggerschen Wörter mit dem Satz Cézannes: »Ich liebe den Gestalteneinklang meines Vaterlandes « in Verbindung und bemerkt, die Harmonie betreffe die Beziehung von Erde und Himmel und werde in der Kunst bewusst (vgl. F. Fédier, . . . Voir sous le voile de l’interprétation . . . Cézanne et Heidegger, in W. Biemel/F. W. von Herrmann (Hrsg.), Kunst und Technik. Gedächtnisschrift zum 100. Geburtstag von Martin Heidegger, Klostermann, Frankfurt a. M. 1989, 332– 336).
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wicht des Seins zurückgenommen und mithin erlöst wird, belebt den Einklang der Gestalten der cézanneschen Bilder. 2. Die Wertschätzung Rilkes Die Fähigkeit Cézannes, jegliches Ding zu verwandeln und in einen neuen einheitlichen Zusammenhang einzufügen, hatte schon Rilke in denjenigen Briefen an Clara unterstrichen, aus deren Lektüre das erste Interesse Heideggers an dem Maler entsteht. Heidegger selbst liest Petzet die Stelle des Briefs vom 19. Oktober 1907 vor, in der Rilke die cézannesche Vorliebe für das Gedicht Une charogne (Das Aas) von Baudelaire als Zeichen einer bestimmten ästhetischen Entscheidung nahm: Das »künstlerische Anschauen« müsse sich jenseits des moralischen Unterschieds erheben, und jegliche gemeine Bewertung soweit überwinden, dass es »auch im Schrecklichen und scheinbar nur Widerwärtigen das Seiende« sieht, »das, mit allem anderen Seienden, gilt«16. Diesen Anspruch auf Vollzähligkeit brachte Rilke mit dem Verhalten des Hundes in Verbindung, der alles jenseits jeglicher systematisierender Erkenntniskonventionen hinnimmt und somit seine Wirklichkeitserfahrung erweitert und vertieft.17 Eine solche „animalische“ Aufmerksamkeit hätte das malerische Verfahren von Cézanne geleitet und ihm ein „sachliches“ Sehen, d. h. ein Sehen dessen, was ist, ermöglicht. Eine ähnliche Zuwendung zur Sachlichkeit hat auch Rilke bezweckt. Er wurde von der Kunst Cézannes wie von einem »flammende[n] Pfeil«18 dermaßen getroffen, dass er am 13. Oktober 1907 an Clara schrieb: »Es ist die Wendung in dieser Malerei, die ich erkenne, weil ich sie selbst eben in meiner Arbeit erreicht hatte oder doch irgendwie nahe an sie herangekommen war.«19 Die rilkesche Auslegung von Cézanne wird wohl das erste heideggersche Verständnis der Kunst dieses Malers lenken, sofern sie das cézannesche Schaffen ausgehend von der Frage nach der Rettung des Wesens der Dinge aus der technischen 16 R. M. Rilke, Briefe über Cézanne, hrsg. von C. Rilke, besorgt und mit einem Nachwort versehen von H. W. Petzet, Insel, Frankfurt a. M. 1983, 50–51. Wahrscheinlich entnahm Rilke das Interesse Cézannes an Une Charogne dem Artikel Souvenirs sur Cézanne von Emile Bernard. Zu den von Heidegger an Petzet vorgelesenen Stellen vgl. H. W. Petzet, Auf einen Stern zugehen, a. a. O., 150. 17 Vgl. Rilkes Brief an Clara vom 23. Oktober 1907, in Briefe über Cézanne, a. a. O., 62. Im Gedicht Der Hund (in Der neuen Gedichte anderer Teil, in Sämtliche Werke, hrsg. vom Rilke-Archiv in Verbindung mit R. Sieber-Rilke, bes. von E. Zinn, Insel, Wiesbaden/ Frankfurt a. M. 1955–1966 (Bde. 1–6), Bd. I, 1955, 641) beschreibt Rilke die hemmungslose Aufmerksamkeit des Hundes, der auch »die Toten« kennt, die die Ganzheit der Erfahrung symbolisieren. 18 Rilkes Brief an ein junges Mädchen von 1921, in R. M. Rilke, Briefe aus Muzot 1921–1926, hrsg. von Ruth Sieber-Rilke und Carl Sieber, Insel, Leipzig 1935, 18. 19 R. M. Rilke, Briefe über Cézanne, a. a. O., 49.
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Zerstörung anblickt. In dem Brief vom 9. Oktober 1907 an Clara beruft Rilke sich auf die Äußerungen, durch die Cézanne seinen Missmut gegenüber der technischen Entstellung von Aix mitteilte20: Der Maler beklagte sich über »die Invasion der Zweifüßler, die keine Ruhe geben, bis sie nicht alles in scheußliche Quais mit Gaslampen und [. . .] mit elektrischer Beleuchtung verwandelt haben«21, und ermahnte Emile Bernard dazu, dass man »sich beeilen « muss, »wenn man noch etwas sehen will«, da »alles verschwindet«22. Das Mittel, von dem Cézanne Gebrauch machte, um die Dinge vor dem sogenannten „Fortschritt“ zu bewahren, war die Farbe. In dem Brief an Clara vom 18. Oktober 1907 schreibt Rilke, dass die Arbeit Cézannes »so unbestechlich Seiendes auf seinen Farbinhalt zusammenzog, daß es in einem Jenseits von Farbe eine neue Existenz, ohne frühere Erinnerungen, anfing«23: Durch die Farbe würden die Dinge aus der technologisierten Welt entnommen, wo sie ausschließlich als der menschlichen Verfügungsgewalt unterworfene Gebrauchsdinge zu behandeln sind, und in etwas »Wirkliches« – Seiendes – verwandelt. Heidegger hält sich bei diesem rilkeschen Ausdruck auf, der ihm zu einem besseren Verständnis der Stellungnahme Rilkes gegenüber der Technik verhilft, mit der er sich im Vortrag Wozu Dichter? auseinandersetzt. Während dieser Rede findet er in der rilkeschen Dichtung eine Antwort auf die Frage, wohin die »Dichter in dürftiger Zeit«24 – d. h. in der Zeit der äußersten Seynsvergessenheit – »unterwegs« sind. 3. Verinnerlichung des Wortes und Erstehung der Farbe Sich nach dem Wesen der Dichtung fragend, gelangte Rilke laut Heidegger zu dem Ergebnis, dass die Aufgabe der Dichter des heutigen Zeitalters in der EntberVgl. ebd., 27. Cézannes Brief an Paule Conil vom 1. September 1902, in P. Cézanne, Briefe, aus dem Franz. übers. und hrsg. von J. Rewald, Diogenes, Zürich 1962, 273. 22 M. Doran (Hrsg.), Gespräche mit Cézanne, übers. von J. Bischoff, Diogenes, Zürich 19982, 88. 23 R. M. Rilke, Briefe über Cézanne, a. a. O., 50. Die Befreiung der Dinge aus der Verfügungsgewalt der Technik, die sie zu bloßen Instrumenten macht, lässt sich besonders in den Stillleben beobachten, die Cézanne in den letzten Lebensjahren malt. In Bezug auf die von Cézanne dargestellten Früchte bemerkt Rilke: »Bei Cézanne hört ihre Essbarkeit überhaupt auf« (ebd., 29). Peter Handke fügt hinzu, Cézanne habe die Dinge in seinen Stillleben so gemalt, als sei es »sichtlich der Moment vor dem Erdbeben: als seien diese Dinge die letzten « (P. Handke, Die Lehre der Sainte-Victoire, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1980, 80). 24 Dieser Vers aus Hölderlins Elegie Brot und Wein wird am Anfang und am Ende von Heideggers Vortrag zitiert, in dem Hölderlin als »Vor-gänger der Dichter in dürftiger Zeit« im Vergleich zu Rilke für überlegen gehalten wird (vgl. M. Heidegger, Wozu Dichter?, in GA 5, 269, 271, 319–320, und Überlegungen VII–XI (Schwarze Hefte 1938/39), hrsg. von P. Trawny, GA 95, 2014, 438–440). 20 21
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gung der Dürftigkeit ihrer Zeit liegt. Die Dichter sind diejenigen Sterblichen, die eher als die anderen in den Abgrund des Seyns reichen. Sie können deshalb erfahren, dass das Verhältnis des Wesens des Menschen zum Sein selbst heutzutage gefährdet ist. Indem die Dichter auf den Ursprung der heutigen Notlage zurückgehen, sind sie in der Lage, den anderen die Gefahr aufzuzeigen und die Befreiung aus ihr vorzubereiten.25 Rilkes Auffassung nach unterscheidet sich der Mensch von den anderen Lebewesen durch das Bewusstsein, durch das er sich das Offene – das „Weltische“ im Sinne des Seienden als solchen im Ganzen – gegenüber stellt, statt »in« ihm ungehemmter eingelassen zu sein: der Mensch ist nicht »in der Welt«, sondern »vor ihr«26. Dieses „vor“ bestimmt sich genauer als ein „gegen“ im heutigen Zeitalter, während der Mensch sich von demjenigen ganzen Bezug abscheidet, der sich als Natur darstellt. Jedes Naturwesen ist bereits einer „Schwerkraft“ unterworfen, die als ein Zug zur Mitte wirkt, der alles zieht, die Gezogenen in sich einbehält und »vielfältig zueinander, ohne auf Schranken zu stoßen« in das Offene »weiterziehen « lässt.27 Der heutige Mensch scheidet sich durch die Vergegenständlichung der Welt gegen das Offene ab, die als das Ganze von her-stellbaren Gegenständen technisch voraus-geworfen und vor-gestellt wird. Die Natur (zu der auch der Mensch gehört) verwandelt sich in einen Rohstoff, der zu Produkten verarbeitet wird, die auf den Weltmarkt gebracht werden. Somit verlieren die Dinge ihren inneren Wert, der durch einen Marktwert ersetzt wird. Die »Vorväterdinge « gehen in »Weltmarktdinge«28 über, die umso rascher verbraucht werden, je leichter sie ersetzbar sind: Die einzige Beständigkeit, die ihnen bleibt, ist die Ersetzbarkeit, die ihre Hinfälligkeit tatsächlich zuspitzt. Das Sein des Seienden erscheint somit als derjenige Wille, der alles Seiende in das Handeln eines Rechnens bringt, durch das er die Verneinung des Todes und der Vgl. M. Heidegger, Wozu Dichter?, a. a. O., 296–299. Rilkes Brief vom 25. Februar 1926, zitiert in M. Betz, Rilke in Frankreich. Erinnerungen – Briefe – Dokumente, Herbert Reichner Verlag, Wien/Leipzig/Zürich 1938, 291. In diesem Brief erläutert Rilke einem russischen Leser die achte Duineser Elegie, in der das Verhältnis der Lebewesen zum Offenen gedichtet ist. Heidegger geht auf die rilkesche Erläuterung in Wozu Dichter?, a. a. O., 285–286, ein. 27 Vgl. M. Heidegger, Wozu Dichter?, a. a. O., 281–283. Heidegger legt die Gedichte Wie die Natur die Wesen und Schwerkraft (in R. M. Rilke, Späte Gedichte, Insel, Leipzig 1935, 90, 156) aus. 28 Vgl. den Brief Rilkes an Witold von Hulewicz vom 13. November 1925, in Briefe aus Muzot, a. a. O., 335, wo Rilke den Dingen – die »für unsere Großeltern [. . .] unendlich vertraulicher « waren (da sie sie als »ein Gefäß« annahmen, »in dem sie Menschliches vorfanden«) – die »leere[n] gleichgültige[n] Dinge« gegenüberstellt, die nun »von Amerika her« als »Schein-Dinge, Lebens-Attrappen« drängen. Heidegger erläutert diese Schrift in Wozu Dichter?, a. a. O., 291. Auf der Seite 314 zitiert er die Verse aus Gesammelte Werke, Insel, Leipzig, Bd. III, 1930, 438, wo Rilke den heutigen Menschen »Kaufmann« nennt. 25 26
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Vergänglichkeit überhaupt bezweckt, um sich unbedingt durchsetzen zu können.29 Ein solches Sichdurchsetzen wird durch das rechnende Herstellen der Technik ermöglicht, das ein »Tun ohne Bild«30 ist, da es das unvertretbare »Bild« jeglichen Dinges (das, was sich der Anschauung unmittelbar bietet) verdeckt, statt es »anwesen« zu lassen. Alles wird vor-gestellt und dadurch in die Immanenz des Bewusstseins versetzt. Die einzigen, die imstande sind, den Ab-schied gegen das Offene zu erfahren und ihm entgegenzutreten, sind die Dichter. Da sie es vermögen, die wahre Gestalt der Dinge bzw. »ihren humanen und larischen Wert«31 anzudenken, werden sie dazu berufen, »diese vorläufige, hinfällige Erde« in ihnen »„unsichtbar“ wieder« auferstehen zu lassen. Als »Bienen des Unsichtbaren« heimsen die Dichter »le miel du visible, pour l’accumuler dans la grande ruche d’or de l’Invisible«32: Das dichterische Wort verwandelt die gedichteten Dinge ins Unsichtbare und versetzt sie damit aus dem Inneren des herstellenden Bewusstseins in das eigentliche Innere des Herzens. Heideggers Erläuterung nach verwirklicht sich eine solche »Er-innerung« durch »eine Umkehrung des Bewusstseins«33, die den reinen Bezug zum Sein des Seienden, das in der Sprache west, wieder herstellt. Die Umkehrung besteht deshalb aus einer Einkehr in den »Weltinnenraum «, aus einer »innerlichen Wendung in das herzhaft zugängliche Offene«34, wo das »Dasein« der Dinge kraft des Gesangs des Dichters aufersteht.
29 Vgl. M. Heidegger, Wozu Dichter?, a. a. O., 302–303, wo Heidegger schreibt: »Das Sichdurchsetzen der technischen Vergegenständlichung ist die ständige Negation des Todes.« Er beruft sich auf den Brief Rilkes an Witold von Hulewicz (in Briefe aus Muzot, a. a. O., 332) und auf den Brief vom 6. Januar 1923 (zitiert aus Inselalmanach, 1938, 109), wo der Dichter dazu auffordert, »das Wort „Tod“ ohne Negation zu lesen«. 30 R. M. Rilke, Die neunte Elegie, in Sämtliche Werke, a. a. O., 718. Gerhard Glaser behauptet, Rilke nehme mit dieser Äußerung sowohl von der Abbildungskunst als auch von der »non-figurativen« Kunst Abstand: er würde ein »figurales Wissen« als a-mimetisches Erkennen der Dinge anstreben, das ihre »Figur« „einsieht“ und nicht „durchschaut“ (vgl. G. Glaeser, Das Tun ohne Bild. Zur Technikdeutung Heideggers und Rilkes, Mäander, München 1983, 143–147, und B. Allemann, Zeit und Figur beim späten Rilke. Ein Beitrag zur Poetik des modernen Gedichtes, Neske, Pfullingen 1961, 284–297). 31 Rilkes Brief an Witold von Hulewicz, in Briefe aus Muzot, a. a. O., 335. 32 Ibidem. Heidegger zitiert diese Ausdrücke in Wozu Dichter?, a. a. O., 308–309. Vgl. auch Die siebente Elegie, in Sämtliche Werke, a. a. O., 710: »Nirgends, Geliebte, wird Welt sein, als innen. Unser // Leben geht hin mit Verwandlung«; Die neunte Elegie, a. a. O., 720: »Erde, ist es nicht dies, was du willst: unsichtbar // in uns erstehen? [. . .] // Was, wenn Verwandlung nicht, ist dein drängender Auftrag?«; das dritte Sonett des Ersten Teils der Sonette an Orpheus (in Sämtliche Werke, a. a. O., 732), aus dem sich entnehmen lässt, dass das dichtende Wort die Dinge aus ihrem Hiersein so erlösen kann, dass »Gesang« (Dichtung) »Dasein« (wahre Dinglichkeit) ist. 33 M. Heidegger, Wozu Dichter?, a. a. O., 305. 34 Ebd., 311. Annette Gerok-Reiter bemerkt, der Begriff „Weltinnenraum“ sei der »Punkt, an dem sich Rilke und Cézanne in diametral entgegengesetzte Richtungen wen-
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Rilkes Ansicht nach entspricht die dadurch bewirkte Auflösung des Gedichteten ins Wort der völligen Rückführung des von Cézanne Gemalten auf die Farbe. Denn es geht in beiden Fällen darum, »Gegenstand und Bedeutung [. . .] gleichzusetzen«35, was so viel heißt wie: die von der Technik in ihrem Wesen gefährdeten Dingen ihre »Wirklichkeit « wieder gewinnen zu lassen. Eine solche Verwirklichung wird von Cézanne „réalisation“ genannt und von Rilke im Brief an Clara vom 9. Oktober 1907 als eine »Dingwerdung«36 des Erscheinenden geschätzt. Am 12. Oktober 1907 schrieb Rilke, Cézanne nehme die Farbe »wie kein Mensch noch [. . .] genommen hat, nur um das Ding damit zu machen. Die Farbe geht völlig auf in dessen Verwirklichung; es bleibt kein Rest«37. Diese Briefstelle beeindruckt Heidegger38, der sie für eine treffende Beschreibung wahrscheinlich nicht nur der cézanneschen Malerei, sondern auch derjenigen Kreuzung hält, in der sich die Wege Cézannes und Rilkes trennen. Denn die Farbe treibt die »Seele« der von Cézanne gemalten Gegenstände an die Oberfläche, damit sie aufgehen kann,39 wohingegen das Wort die von Rilke gedichteten Dinge in das Innerste mitreißt. Aus diesem Grund schließt Heidegger, Rilke sei letztendlich »innerhalb des Sphärischen der neuzeitlichen Metaphysik, d. h. innerhalb der
den« (A. Gerok-Reiter, Perspektivität bei Rilke und Cézanne. Zur Raumerfahrung des späten Rilke, Deutsche Vierteljahrsschrift, Bd. 67 (1993), 512): Ein solcher Raum gestalte sich als ein »Erinnerungszeitraum«, da »die Cézanneschen „sensations colorantes“ [. . .] bei Rilke „sensations temporelles“ « (518) seien. Der raum-zeitliche Grundzug der dichterischen Verwandlung würde sich im dritten des Zweiten Teils der Sonette an Orpheus (a. a. O., 752) zeigen, wo Rilke die Wörter des Dichters mit dem Spiegel vergleicht. Die Spiegel seien wie die Siebe, deren Löcher dank ihrer Durchlässigkeit eine Verwandlungskraft besitzen, die sie zu »erfüllten Zwischenräume[n] der Zeit« macht. 35 Rilkes Brief an Wilhelm Hausenstein vom 23. Februar 1921, in http://mitrilkedurch dasjahr.blogspot.ch/2011/11/rainer-maria-rilke-sonntagsthema-uber_20.html, 24.06.2016. Vgl. auch den Brief an Clara vom 12. Oktober 1907, wo Rilke die Meinung von der Malerin Mathilde Vollmöller anführt: In den cézanneschen Bildern ist es »wie auf eine Waage gelegt: das Ding hier, und dort die Farbe; nie mehr, nie weniger, als das Gleichgewicht erfordert« (R. M. Rilke, Briefe über Cézanne, a. a. O., 38). 36 R. M. Rilke, Briefe über Cézanne, a. a. O., 30. 37 Ebd., 38. 38 Vgl. H. W. Petzet, Auf einen Stern zugehen, a. a. O., 150. 39 Vgl. E. Bernard, Ein Gespräch mit Paul Cézanne, in M. Doran (Hrsg.), Gespräche mit Cézanne, a. a. O., 193–194, wo Cézanne über die Freilegung der »Seele« derjenigen Gegenstände berichtet, die er in den Stillleben aus seinen letzten Lebensjahren malt. Heidegger verweist auf die Eigentümlichkeit der Oberfläche von den cézanneschen Bildern in dem Brief an Rudolf Krämer-Badoni vom 25. April 1960, wo er die Auffassung vertritt, Rilke habe »über die Entdeckung der Fläche [. . .] schon in seinen Cézanne-Briefen von 1907 [. . .] Wesentliches gesehen« (R. A. Bast, Ein Brief Martin Heideggers an Rudolf Krämer-Badoni über die Kunst, in Studien zur neueren französischen Phänomenologie. Ricoeur, Foucault, Derrida, hrsg. von E. W. Orth im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für phänomenologische Forschung, Bd. 18, Alber, Freiburg i. B./München 1987, 181).
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Subjektität als derjenigen der inneren und unsichtbaren Präsenz«40 gefangen geblieben. Heideggers Ansicht nach besteht sogar die von Rilke beschriebene Umwendung von dem herstellenden Bewusstsein in den herzhaften Innenraum aus einer »Umkehrung innerhalb der Sphäre des Bewusstseins«41, auf dessen Repräsentationsvermögen das Sein des Seienden dennoch bezogen ist. Heideggers Beurteilung nach ist deswegen die rilkesche Dichtung zweideutig: Einerseits hat Rilke das Seins-geschick – die Weise, in der sich das Seyn schickt, indem es sich zugleich entzieht – im Weltalter der Technik dichterisch erfahren und ausgestanden; anderseits hat er die Zusammengehörigkeit von Sein und Mensch noch nicht ursprünglich gedacht. Diese Zusammengehörigkeit findet er dagegen auf eine nicht mehr metaphysische Art in den Bildern Cézannes „realisiert“. Um ermessen zu können, inwiefern die cézannesche Realisation weit über die rilkesche Verinnerlichung hinausgeht und wesensverwandt mit dem heideggerschen Andenken an das Seyn ist, lohnt es sich, zunächst kurz auf die Kunstauffassung Cézannes sowie auf die Grundzüge seiner Malerei einzugehen. § 3. Cézannes Methode der Realisation: Die verwirklichende Verwandlung der Natur 1. Das Schaffungsvermögen der Farbe Die uns überlieferten Äußerungen Cézannes stammen aus Briefen und aus den Gesprächen, die der Maler vor allem mit seinem Schüler Joachim Gasquet führt. Cézanne arbeitet keine theoretische Kunstlehre aus, da er jedes geschlossene Erkenntnissystem für »abstrakte Literatur « hält.42 Trotzdem stellt er die These auf, dass »alles, besonders in der Kunst [. . .], Theorie [ist], entwickelt und angewandt im Kontakt mit der Natur«43: Die Theorie im ursprünglichen griechischen Sinne vom Zusammenschauen dessen, was schon vorliegt, ist der Anfang aller geistigen Schöpfung, die wieder in die im Bild veranschaulichte Gestalt der Natur hinaus40 M. Heidegger, Wozu Dichter?, a. a. O., 307. Zu den Voraussetzungen dieser Einschätzung vgl. M. Tatari, Heidegger et Rilke. Interprétation et partage de la poésie, L’Harmattan, Paris 2013. 41 M. Heidegger, Wozu Dichter?, a. a. O., 305. Vgl. auch 311. 42 Vgl. M. Doran (Hrsg.), Gespräche mit Cézanne, a. a. O., 31, 33, Aussage I, XL; ebd., 55, 85, wo Cézanne den Abstraktionen des Literaten die Konkretheit des Künstlers gegenüberstellt; ebd., 197, wo er schreibt, »die Museen sind die Höhlen des Plato«, »verhaßte Orte«, von denen man in die Natur zurückkehren muss; weiterhin den Brief an Emile Bernard vom 25 Juli 1904, wo der Maler mitteilt, er wolle »nicht theoretisch recht haben, sondern angesichts der Natur« (in P. Cézanne, Briefe, a. a. O., 285); schließlich den Brief an den Sohn vom 26. September 1906, wo er dazu auffordert, »sich von [. . .] allen Schulen frei zu machen« (ebd., 309). 43 M. Doran (Hrsg.), Gespräche mit Cézanne, a. a. O., 168. Cézanne sagt dasselbe im Brief an Charles Camoin vom 22. Februar 1903 (vgl. P. Cézanne, Briefe, a. a. O., 275).
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läuft. Daher ist das Studium der Natur, um ein echter »Klassiker« zu werden, viel nötiger als die Erforschung der alten in den Museen aufgestellten Meisterwerke.44 Die „Rückkehr“ zur Natur verleitet zu keiner bloßen Wiedergabe: Das »Gesetzbuch« von Cézanne ist ein »Realismus [. . .] voll von Größe«, der »Heroismus des Wirklichen «45, das weit über die unmittelbare Erscheinung hinausreicht. Denn »die Natur ist nicht an der Oberfläche, sie ist in der Tiefe.«46 Die Tiefe als Ursprung der ganzen Welt drückt sich an der Oberfläche durch die Farbe aus, die so etwas wie die »Ursubstanz« aller Dinge ist und wie die Sonne mit ihrer Strahlung das Entstehen der Naturwelt ermöglicht. Dies hat zur Folge, dass »die Zeichnung und die Farbe [. . .] nicht mehr zu trennen«47 sind: Die Modellierung ergibt sich aus der Modulierung der verschiedenen Farbtöne. Die Färbungen werden in Stufenreihen aufeinander bezogen, die sich wie Musikskalen entfalten.48 Sich verdichtend in Flecken, bleiben die Farben wechselseitig einander „offen“, „transparent“ 49: Jeder einzelne Farbfleck bedeutet an sich überhaupt nichts, und erst die Abfolge der taches kann etwas Sinnvolles hervorrufen. Darüber hinaus besitzt die jeweilige Farbzone keine feste Grenze: Sie kann kein Wiedererkennbares abbilden, zumal sie in die anderen übergeht. Erst die Gesamtheit der taches umschreibt einen Sachverhalt, der keinem bestimmten Gegenstand ähnelt, sondern aus einem Bedeutungszusammenhang besteht, welcher sich als Welt öffnet. Insofern die Formen aus den sich zusammensetzenden Farbflecken entstehen, lassen sich die Farben als »Formanten«50 bezeichnen, die das Dargestellte in einen Vgl. M. Doran (Hrsg.), Gespräche mit Cézanne, a. a. O., 144–145. Ebd., 157. 46 Ebd., 153. 47 Ebd., 195. Vgl. auch 32–33, Aussagen XXV, XXVII–XXX, und P. Cézanne, Über die Kunst. Gespräche mit Gasquet und Briefe, hrsg. von W. Hess, Rowohlt, Hamburg 1957, 79. Max Imdahl betont, Cézanne hebe den alten Streit über das Primat zwischen der »zeichnerisch-linearen und malerisch-farbigen« Darstellungsweise auf; seine Kunst sei deshalb ein Zwitter zwischen der gegenständlichen und der gegenstandslosen Malerei (vgl. M. Imdahl, Die Rolle der Farbe in der neueren französischen Malerei, in W. Iser (Hrsg.), Poetik und Hermeneutik, Bd. 2: Immanente Ästhetik, ästhetische Reflexion: Lyrik als Paradigma der Moderne, Fink, München 1966, 198–211). 48 Vgl. W. Hess, Zum Verständnis des Werkes, in P. Cézanne, Über die Kunst, a. a. O., 120–122, und M. Doran (Hrsg.), Gespräche mit Cézanne, a. a. O., 54–55. 49 Zu der »Farbtransparenz« als diejenige Durchsichtigkeit, die die Dinge erscheinen lässt, vgl. L. Dittmann, Die Kunst Cézannes, in M. Gosebruch (Hrsg.), Festschrift Kurt Badt zum siebzigsten Geburtstage, W. de Gruyter, Berlin 1961, 203. 50 Diese Vokabel wird von Henri Maldiney in Bezug auf die pikturalen Einheiten der Gemälde Cézannes verwendet. Maldiney setzt dem Nebeneinanderstellen ähnlicher Farbtöne (das charakteristisch für den Impressionismus ist) die Kontraste der Farbeinheiten gegenüber, die in den Bildern Cézannes für grundlegende Elemente zu halten sind und die den Rhythmus als Koexistenz gegenläufiger Bewegungen offenbaren. Vgl. dazu H. Maldiney, Die Ästhetik der Rhytmen, übers. von C. Blümle und A. Schäfer, Diaphanes, Zürich/ 44 45
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vorgegenständlichen Zustand zurücknimmt, um es aus seinem undurchschaubaren ermöglichenden Grund wieder entstehen zu lassen.51 Eine solche Formgebung, die als Farbgebung geschieht, lässt die einzelnen Naturgestalten als unerwartete farbliche Ereignisse entspringen und gibt sie als ein Gefüge von entgegengesetzten Farbtönen frei. Der Kontrast zweier Farben schafft auch Licht und Schatten,52 denen Begegnung die glatte Bildfläche in einen Energieschicht verwandelt, der eine Sinnmannigfaltigkeit hervorkommen lässt. Die Tonverhältnisse sind somit Lichtstrahlen, die diejenige Atmosphäre entspringen lassen, welche den Maler von seinem Modell trennt und zugleich verbindet, da sie den Gestaltungsspielraum jeglichen Dinges ausmacht. Insoweit der einzelne Farbton sich in mehrere Bedeutungszusammenhänge einfügen lässt, weist er auf die unerschöpfliche Fülle, auf das Potential der Natur hin. Die Wirklichkeit bekundet sich dadurch als Inbegriff von Wandel und Dauer: Als etwas, dessen Genese niemals zu Ende kommt und daher nur im Werden seinen Bestand hat. Demnach wird die Natur im „status nascendi“, als „natura naturans“ zur Sprache gebracht. Ihre Bewegtheit und ihre Zeitlichkeit decken sich somit nicht mehr mit der Bewegung und der Zeit als messbaren Indizien von Naturvorgängen, die in einem leeren homogenen Raum geschehen. Der Raum, den die Bilder Cézannes schaffen, ist nicht mehr derjenige kontinuierliche, objektiv vorgegebene der wissenschaftlichen Perspektivität, der einen eindeutigen Betrachterstandpunkt voraussetzt.53 Er ist vielmehr gleichursprünglich
Berlin 2007, 52, 72, und ders., Cézanne et Sainte-Victoire. Peinture et vérité, in L’art, léclair de l’être, Traversées, Seyssel 1993, 21–35. 51 Vgl. dazu G. Boehm, Im Horizont der Zeit. Heideggers Werkbegriff und die Kunst der Moderne, in W. Biemel/F. W. von Herrmann (Hrsg.), Kunst und Technik, a. a. O., 274– 279, und G. Seubold, Der Pfad ins Selbe. Zur Cézanne-Interpretation Martin Heideggers, Philosophisches Jahrbuch, Bd. 94 (1987), 70–71. 52 Vgl. M. Doran (Hrsg.), Gespräche mit Cézanne, a. a. O., 32–33, Aussagen XXVI, XXIX, XXXII; ebd., 196; die Briefe an Emile Bernard vom 23. Oktober 1905 (in P. Cézanne, Briefe, a. a. O., 295) und vom 13. Dezember 1904, wo Cézanne schreibt: »Das Licht existiert also nicht für den Maler« (289). 53 Die Überwindung der Zentralperspektive unterscheidet Cézanne von den Impressionisten, die in das Farbpunktgewimmel das überlieferte Raumgerüst hineinprojizieren und die festen Gegenstände der Alltagserfahrung durch das optische bloß subjektive Phänomen ersetzen. Gegen die zentrale Perspektive äußert sich Cézanne in P. Cézanne, Briefe, a. a. O., 149–153. Kurt Badt zufolge eröffnete die cézannesche Malerei den Weg zum Architektonischen, indem sie die vereinbarten Raumparameter durch ein Aneinanderpassen von ausgewogenen Körpern ersetzte (vgl. K. Badt, Das Spätwerk Cézannes, Univ.-Verl., Konstanz 1971, 19). Madalina Diaconu betont, die cézannesche Geometrie sei keine orthogonale, sondern eine konvexe, da der Hintergrund seiner Bilder nach vorne dränge und sich dadurch ein »Sichwölben« ereigne, weshalb die Körper »konvex« erschienen (vgl. M. Diaconu, Blickumkehr. Mit Martin Heidegger zu einer relationalen Ästhetik, Lang, Frankfurt a. M. 2000, 275). Zu der Revolutionierung der Raumauffassung Cézannes vgl. F. Novotny, Cézanne und das Ende der wissenschaftlichen Perspektive, Schroll, Wien
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mit den Naturdingen, die ihn erfüllen müssten: Raum und Dinge kommen zur Identität infolge ihres gleichen farbigen Substrates. Ein solcher erfüllter Farbenraum entfaltet sich nicht ohne die Teilnahme des Betrachters, der auf den Wechsel der Perspektiven eingeht, damit sich der Bildsinn in der Gesamtheit der möglichen Sichtweisen eröffnen kann. Der Raum der Bilder Cézannes kennzeichnet sich deshalb durch eine Art von »vierter Dimension«, die sich als »Dimension der Wahrnehmung« bezeichnen lässt, obwohl eine solche »kopernikanische Blickwendung«54 zu keiner Subjektivierung des Erblickten führt. Denn der Künstler muss zuerst sein eigenes Wissen einklammern, »alle Stimmen der Voreingenommenheit « »verstummen lassen«. Seine Leitworte sollen werden: »Vergessen, Stille machen, ein vollkommenes Echo sein.«55 Dadurch wird das »Modell« des Malers zu seinem »Motiv«, zum melodischen Thema, das ihn durch bunte Farbmodulationen zu seiner Aufführung auf der Leinwand motiviert.56 Während sich der Künstler als Teil der Natur anerkennt, vermenschlicht sich die vor seinen Augen anwesende Landschaft in ihm solcherart, dass die kantische Unterscheidung zwischen Phänomena und Noumena ganz überwunden ist. 2. Die Logik der „sensations colorantes“ Insofern Cézanne zum »subjektive[n] Bewusstsein« der »Landschaft « und seine Leinwand zu ihrem »objektive[n] Bewusstsein« wird, »denkt sich« die Natur »in« dem Maler.57 Sie lässt sich zuerst auf farbige Sehedaten, „sensations 1938; G. Boehm, Der stumme Logos, in A. Métraux (Hrsg.), Leibhaftige Vernunft. Spuren von Merleau-Pontys Denken, Fink, München 1986, 291–293; E. Körfer, „Abwesen entbirgt Anwesen“. Heideggers Philosophie und die Kunst der Moderne, Bouvier, Bonn 2008, 297–299. 54 Mit dieser Aussage bezeichnet Gottfried Boehm die Einbeziehung des eigenen Sehens im Blick auf die Natur. Boehm behauptet, die Wende Cézannes bestehe darin, »die Wirklichkeit ausschließlich als ein Ereignis des Auges zu begreifen, alles vermeintliche Wissen von ihr auszuschalten« (G. Boehm, Paul Cézanne. Montagne Sainte-Victoire. Eine Kunst-Monographie, Insel, Frankfurt a. M. 1988, 31. Vgl. auch 30–33). Zu dem Beitrag des eigenen Wahrnehmens zur Entstehung des Raumes vgl. K. Leonhard, Paul Cézanne, Rowohlt, Hamburg 1966, 35. 55 P. Cézanne, Briefe, a. a. O., 137. Gottfried Boehm erläutert die Einstellung Cézannes als einen »Akt der anschaulichen Reduktion«, die aber anders als die husserlsche ist (vgl. G. Bohem, Paul Cézanne, a. a. O., 55, 139). Das von allem vorherigen Wissen abstrahierende Sehen wird von Max Imdahl als ein »sehendes Sehen« erläutert und demjenigen »wiedererkennenden« Sehen entgegengesetzt, das das Gesehene auf ein Vor-wissen zurückführt (vgl. M. Imdahl, Cézanne – Braque – Picasso, Wallraf-Richartz-Jahrbuch, Bd. 36 (1974), 331–333). 56 Zu dem „Motiv“ als das, was der Künstler bewegt und zum Malen antreibt, vgl. F. Fédier, L’arte. Aristotele, Cézanne, Matisse. Il pensiero in pittura, ed. it. a cura di M. Borghi, Marinotti, Milano 2001, 207–208. 57 Vgl. M. Doran (Hrsg.), Gespräche mit Cézanne, a. a. O., 137, 153, wo Cézanne sich ausdrücklich auf Kant bezieht. Der Einwand gegen die Echtheit dieser Aussagen, die eher
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colorantes“ übertragen, die dann in Farbflecken, „taches“ umgewandelt werden.58 Die Farbenempfindungen sind aber keine bloßen inneren Bewusstseinszustände. Sie machen vielmehr eine Weise der Begegnung mit der Natur selbst aus, die durch das Malen zum „absoluten Phänomen“59 wird. Aus diesem Grund sind die Farben nach Cézanne »das Leben der Ideen«60, welche sich im schaffenden Augen-blick verkörpern. Den »Raum und die Zeit malen, damit sie die Formen« derjenigen »Farbenempfindung werden«61, die sich dann in Farbflecken verwandeln, bedeutet daher nichts weiter als die in sie einverleibte Landschaft „an sich“ erscheinen zu lassen. Deswegen verlieren die gemalten Dinge jegliche Art von Vergänglichkeit, sie verewigen bzw. „verwirklichen“ sich.62 Eine solche Verwirklichung der Natur, welche durch die umwandelnde Übertragung der „sensations colorantes“ des Malers auf die Leinwand geschieht, nennt Cézanne „Realisation“. Die realisierten Dinge werden zwar ihrer zufälligen Individualität beraubt, doch lösen sie sich dadurch in keinen zeitlosen Allgemeinbegriff auf, da sie vielmehr erst in das Weltgeschehen einbezogen und zu ihrer bezugshaften Einzigkeit gebracht werden.
Gasquet zugeschrieben werden sollten, da er von Cézanne als „Philosoph“ bezeichnet wird, richtet sich nicht gegen die Tatsache, dass sie der künstlerischen Intention des Malers Recht geben (vgl. W. Hess, Zum Verständnis des Werkes, a. a. O., 92). 58 Die Methode von Cézanne, die „Realisation“, wird als eine zweifache Übersetzung von Gottfried Boehm ausgelegt, nach dem das Bild dank einer Art von »prästabilierter Harmonie« »äquivalent« mit der gemalten Welt, »parallel« zur Natur ist (vgl. G. Boehm, Paul Cézanne, a. a. O., 54–66). Dementgegen glaubt Maurice Merleau-Ponty, das Farbsehen sei nicht eine Übertragung des Sichtbaren in den Sehenden, sondern umgekehrt eine »Einkörperung des Sehenden in das Sichtbare« (vgl. M. Merleau-Ponty, Das Sichtbare und das Unsichtbare, übers. von R. Giuliani und B. Waldenfels, Fink, München 1986, 173). Zu einer Auslegung der Kunst als Über-setzung – verwandelte Um-gestaltung – am Beispiel von Cézanne vgl. W. Biemel, Kunst und Übersetzung, in T. Buchheim (Hrsg.), Destruktion und Übersetzung. Zu den Aufgaben von Philosophiegeschichte nach Martin Heidegger, Acta Humaniora, Weinheim 1989, 218–219. Eine Kritik an der Stellungnahme von Boehm und den anderen bisherigen Auslegern der Kunst Cézannes, die sie auf den alten Dualismus der Metaphysik zurückgeführt und in ihren Kategorien gedacht hätten, findet sich in V. Vukic´evic´, Cézannes Realisation, a. a. O., 5–7, 72–92, 275. 59 Henri Maldiney ist der Überzeugung, dass die Sensationen laut Cézanne das »absolute Erscheinen « des Seins der Welt im »Mal« (im farbigen Ereignis) verursachen. Vgl. dazu H. Maldiney, Die Ästhetik der Rhythmen, a. a. O., 72–73, und C. Blümle, Henri Maldiney, in K. Busch/I. Därmann (Hrsg.), Bildtheorien aus Frankreich: Ein Handbuch, Fink, München 2011, 255–256. 60 M. Doran (Hrsg.), Gespräche mit Cézanne, a. a. O., 153. 61 Ibidem. 62 Vgl. ebd., 136, 155–156, wo Cézanne die Kunst als »Gedächtnis des Menschen«, als »das Bewusstsein der Welt« bezeichnet. Maurice Merleau-Ponty unterstreicht die ontologische Bedeutung der „sensation colorantes“: Sie sind »Wahrnehmungen«, da sie das »wahr nehmen«, was es gibt, d. h. das Sein selbst (vgl. M. Merleau-Ponty, Das Sichtbare und das Unsichtbare, a. a. O., 316).
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Um „konkretisieren“ und „individualisieren“ zu können, muss der Künstler die Realisation zu seiner eigenen Methode erheben.63 »Die Methode entsteht [daher] im Kontakt mit der Natur« und »besteht darin, den Ausdruck für das, was man empfindet, zu suchen«64. Sie besteht aus zweierlei: »Die starke Naturempfindung« und »die Kenntnis der Mittel, unserer Schau Gestalt zu geben«65, die sich aber niemals völlig erwerben lässt. Daraus ergibt sich die häufige Unvollständigkeit der Bilder Cézannes, der an seinen Sohn schreibt, die Realisation sei seiner »Empfindungen immer sehr mühselig«, weil er »nicht jenen wundervollen Farbenreichtum« besitze, »der die Natur belebt«66. Das leere Weiß des Blattgrundes spielt freilich bei den unvollendeten Bildern eine wesentliche Rolle: Es lässt das räumliche Gewebe der Körper wie aus einem tiefsten Grund aufgehen. Da der Künstler nur ein Mittel ist, von dem die Natur mit dem Zweck ihrer Verwirklichung Gebrauch macht, kann er der Realisation nie mächtig werden: Die Realisation ist keine Methode im Sinne eines eindeutig anwendbaren Regelsystems, da sie sich vielmehr als eine mÝodoò, ein Weg ausweist, auf dem die Natur sich selbst durch den ihr zugehörigen Menschen begegnet. Der Ort, wo sich das menschliche Gehirn und das Weltall miteinander treffen, sind die Farben, deren Verwandlungskraft sich in denjenigen Flecken bewährt, in die der Künstler die Natur umsetzt, indem er sie durch ein buntes Prisma wie durch einen Schleier hindurch liest und auslegt.67 Die Farbflecken folgen gemäß einem Gesetz aufeinander, das eine Harmonie stiftet, die zu derjenigen der Natur parallel ist. Der jeweilige Farbwert wird nach einer »luftige[n], farbige[n] Logik« geschätzt, die ganz anders 63 Vgl. M. Doran (Hrsg.), Gespräche mit Cézanne, a. a. O., 31, Aussage IX. Auch wenn das Verb „realisieren“ schon vor Cézanne in der Kunstkritik gebräuchlich war, wird die „Realisation“ erst mit ihm ausdrücklich zu der Aufgabe der Malerei. Zu der „Zeitlichkeit“ der gemalten Dingen vgl. P. Handke, Die Lehre der Sainte-Victoire, a. a. O., 61, wo Peter Handke das Werk Cézannes »Ereignisbild« nennt, aus dem her die »Jetztzeit « erkennbar wird. 64 M. Doran (Hrsg.), Gespräche mit Cézanne, a. a. O., 33, Aussage XXXIX. 65 Cézannes Brief an Louis Aurenche vom 25. Januar 1904, in P. Cézanne, Briefe, a. a. O., 279. Vgl. auch M. Doran (Hrsg.), Gespräche mit Cézanne, a. a. O., 198, wo Cézanne deutlich macht, es gebe »ein Handwerk für jeden Gegenstand. Man lernt sein Handwerk niemals aus«. 66 Cézannes Brief an seinen Sohn vom 8. September 1906, in P. Cézanne, Briefe, a. a. O., 304. Vgl. auch den Brief an Emile Bernhard vom 23. Oktober 1905 ebd., 295; M. Doran (Hrsg.), Gespräche mit Cézanne, a. a. O., 197, wo Cézanne schreibt, was ihm fehlen würde, das sei die Realisation: Er bleibe nur der Eröffner des Weges, den er entdeckt habe. Auf S. 26 verweist Cézanne auf Frenhofer, auf den Maler, Protagonist von Balzacs Erzählung Chef-d’oeuvre inconnu (1832), der Selbstmord beging. Die Freunde, die ihn fanden, konnten im Chaos der Farben auf der Leinwand seines Meisterwerkes keine Gestalt anblicken. Vermutlich erkannte Cézanne sich selbst in Frenhofer, welchem die Realisation fehlte. Die Geschichte eines anderen gescheiterten Malers, die im Selbstmord endet, wird im Roman L’Oeuvre (1886) von Zola geschildert, der sich auf Cézanne beruft. 67 Vgl. M. Doran (Hrsg.), Gespräche mit Cézanne, a. a. O., 54, 140.
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ist als die »düstere, hartnäckige Geometrie«68. Diese farbige Logik lässt sich allein von dem Künstler verstehen, der sich von einem „Gehirnmenschen“ stark unterscheidet. Beim Malen kommt es zwar auf zwei Bestandteile an, »das Auge und das Gehirn«69, die sich gegenseitig helfen und wechselseitig entwickeln sollen. Die von den Augen angebotene Anschauung der Natur ist somit schon von einem lügoò gegliedert, der sie durch keine äußerliche Kategorienform verblassen lässt. Die „bunte“ Wahrheit, die die Malerei Cézannes „sagt“, ist ganz anderer Art als diejenige einer leeren Allgemeingültigkeit, sofern sie »durch die Logik der geordneten Sinnesempfindungen«70 gewährt wird. Das Malen weist sich somit als eine Denkungsweise aus, die dem in der Überlieferung herrschenden diskursiven Verstand entgegentritt und zum Vorbild für ein anderes philosophisches Denken werden kann. Daher ruft Heidegger nach seinem Aufenthalt in der Provence, vor den Bildern Cézannes, aus: »Diese Tage in der Heimat Cézannes wiegen eine ganze Bibliothek philosophischer Bücher auf. Wenn einer so unmittelbar denken könnte, wie Cézanne malte!«71 § 4. Die Gefahr der Technik und die Rettung aus ihr: Das Ge-schick des Ge-stells Wenn Heidegger von »Unmittelbarkeit« hinsichtlich der Malerei Cézannes spricht, weist er auf das Geschehnis der Seynswahrheit in den cézanneschen Kunstwerken hin. Denn Heidegger sieht in den Bremer Vorträgen (1949) das die Nacht der Vollendung der Metaphysik durchbrechende Wahrheitsgeschehen als etwas Augenblickhaftes an, und zwar als eine Kehre der Seynsvergessenheit in die Wahrnis des Wesens des Seins, die sich »jäh«, in einem »Blitzen «72 ereignet. Ein solEbd., 137, 141. Ebd., 54, 196. Vgl. auch P. Cézanne, Über die Kunst, a. a. O., 84. 70 M. Doran (Hrsg.), Gespräche mit Cézanne, a. a. O., 196. Vgl. auch den Brief an Emile Bernard vom 23. Oktober 1905, wo Cézanne schreibt, er schulde ihm die Wahrheit über die Malerei (la vérité en peinture) und leite sie ihm weiter (vgl. P. Cézanne, Briefe, a. a. O., 296). Zur cézanneschen Auffassung der eigentümlichen Wahrheit der Kunst und ihrer Logik vgl. F. Fédier, L’arte. Aristotele, Cézanne, Matisse, a. a. O., 89, 125–140, 186, 218–221; ders., Totalitarismo e nichilismo. Tre seminari e una conferenza, übers. von M. Borghi, Ibis, Como/Pavia 2003, 150–152. 71 H. Buchner, Fragmentarisches, a. a. O., 47. 72 Vgl. M. Heidegger, Die Kehre, in Bremer und Freiburger Vorträge, hrsg. von P. Jaeger, GA 79, 1994, 73–75. Heidegger betont, die Kehre könne sich nur unvermittelt ereignen, zumal das Sein von keinem anderen bewirkt werde und in keinem kausalen Wirkungszusammenhang verlaufe. Auf die Unmöglichkeit, die Unmittelbarkeit des Ereignisses durch die überlieferten Kategorien zu fassen, spielt die Frage an: »Ist es die dialektische Vermittelung oder die originär gebende Intuition oder keines von beiden?« (Das Ende der Philosophie und die Aufgabe des Denkens, in Zur Sache des Denkens, hrsg. von F.-W. von Herrmann, GA 14, 2007, 89). 68 69
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ches Blitzen lässt sich aus zwei Gründen „Blicken“ nennen: Zum einen ermöglicht es der Blitz der Seynswahrheit, einen Einblick in die »Verwahrlosung des Dinges«73 zu verschaffen und hiermit die Vernutzung des Dinges in die Verwahrung seiner Dingheit zu kehren; zum anderen ist das Erblitzen der Seynswahrheit ein Er-eignis, in dem Sein und Menschen einander „über-eignet“ und zugleich in ihr Eigenes gebracht werden. In dem Vortrag Der Satz der Identität (1957) deutet Heidegger dieses Ereignis als ein »er-äugen, d. h. erblicken, im Blicken zu sich rufen, an-eignen«74, das der Mensch zu seinem Sein, zum Da-sein werden lässt. Da das Da-sein diejenige Stätte ist, wo die Seynswahrheit als Un-verborgenheit geschehen und geborgen werden kann, damit sich das Seiende in seinem Sein entbergen lässt, besteht das Wesen des Menschen in dem ursprünglichen Verhältnis zum Sein. Gerade dieses Verhältnis wird von der Technik gefährdet, die Heidegger schon in Wozu Dichter? als »die Gefahr« erläutert, indem er die Verse von Hölderlin anführt: »Wo aber die Gefahr ist, wächst // Das Rettende auch«75: Wenn die Technik nicht mehr als ein bloßes Mittel verstanden wird, das sich für Menschenzwecke nutzen lässt, sondern das Wesen der Technik in seiner vollen Reichweite ermessen wird, tritt die Gefahr des Technischen ans Licht und wird sie überwindbar. Heidegger kommt in den Bremer Vorträgen Die Gefahr und Die Kehre, und vor allem in der Rede Die Frage nach der Technik (1953) – wo er auf das Verhältnis zwischen Technik und Kunst näher eingeht – auf den Satz Hölderlins zurück. Ausgehend von der Frage nach der Technik und den Aufzeichnungen in diesem Umfeld aus den Fünfzigerjahren wird deshalb die Stellungnahme Heideggers zu der modernen Kunst und zu Cézanne nachvollziehbarer. Im Vortrag Die Frage nach der Technik setzt sich Heidegger zum Ziel, durch die Erfassung ihres Wesens »eine freie Beziehung «76 bzw. ein sachgemäßes Verhalten zu der Technik vorzubereiten. Sich von der gewöhnlichen – instrumentalen oder anthropologischen – Technikauffassung absetzend, behauptet Heidegger, die Tech-
73 M. Heidegger, Die Gefahr, in Bremer und Freiburger Vorträge, a. a. O., 47. Zu dem Blick als dem Blitz vgl. Anmerkungen I–V (Schwarze Hefte 1942–1948), hrsg. von P. Trawny, GA 97, 2015, 217, 385, 423. 74 M. Heidegger, Der Satz der Identität, in Identität und Differenz, hrsg. von F.-W. von Herrmann, GA 11, 2006, 45. Heidegger geht etymologisch auf die ursprüngliche Bedeutung des Wortes „Ereignis“ ein, auf die er auch in den folgenden Schriften zurückgreift: Der Weg zur Sprache (in Unterwegs zur Sprache, hrsg. von F.-W. von Herrmann, GA 12, 1985, 253, Fn. „b“); GA 97, 304; Das Ereignis, hrsg. von F.-W. von Herrmann, GA 71, 2009, 184; Zum Ereignis-Denken, hrsg. von P. Trawny, GA 73.1/73.2, 2013, 258, 1358. 75 F. Hölderlin, Sämtliche Werke, hrsg. von N. von Hellingrath, F. Seebass und L. von Pigenot, Propyläen, Berlin 19232, Bd. IV, 2, 227 (wiedergegeben in M. Heidegger, Wozu Dichter?, a. a. O., 296). 76 M. Heidegger, Die Frage nach der Technik, in Vorträge und Aufsätze, hrsg. von F.-W. von Herrmann, GA 7, 2000, 7.
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nik sei eine Entbergungsweise, da sie das Sein des Seienden als »Bestand« entberge: Die Technik fordere die Natur heraus, Energie so zu liefern, dass alles Wirkliches ausschließlich als etwas Bestellbares für immer weiteres Bestellen erscheine.77 Heideggers Auffassung nach geschieht ein solches »herausfordernde[s] Entbergen« durch den Menschen, doch nirgends kraft des Menschen: Im Zeitalter der Technik ist der Mensch vom Sein selbst „gebraucht“, damit er das Wirkliche auf die Weise stellt, dass es nicht einmal als Gegen-stand gegenüberstehen kann,78 sondern sich in seine immer weitere Verwendbarkeit auflöst. Das Wesen der Technik – das, was in der Technik west – ist deshalb das Sein selbst, das den Menschen auf dem Weg des herausfordernden Entbergens schickt und auf es versammelt. Dieses »Ge-schick« lässt sich »Ge-stell« nennen, zumal es »den Menschen dahin versammelt, das Sichentbergende als Bestand zu bestellen «79. Freilich ist das Gestell nicht die einzige mögliche Entbergungsweise, da das Seyn den Menschen geschichtlich schickt. Neben dem herausfordernden Entbergen zählt Heidegger auch das hervorbringende der poßhsiò auf, die dasjenige Verhalten kennzeichnete, welches das, was herzustellen ist, zur Anwesenheit bringt. Zur poßhsiò gehörte die tÝxnh, die sowohl das Handwerk als auch die schönen Künste einschloss und keineswegs ein automatisches Tun wie die neuzeitliche Maschinentechnik war: Die tÝxnh wurde von dem Vorauswissen des Aussehens des Hervorzubringenden geleitet und gerade darum war sie eine Weise des lheýein, des Entbergens.80 Auch wenn die neuzeitliche Technik von der tÝxnh abstammt und das »herausfordernde Entbergen [. . .] im hervorbringenden seine geschichtliche Herkunft«81 hat, verstellt das Gestell seine Abstammung. Das Gestell teilt jedem Geschick der Entbergung »die Gefahr« mit, dass die Unverborgenheit als solche missverstanden wird, insoweit sich der Mensch auf das Entborgene versteift und sich dem Ursprung des Entbergens verschließt. Das Gestell ist aber gefährlicher als jegliches andere Geschick, da es den Anschein erweckt, dass der Mensch der Urheber aller Dinge ist. Das Geschick als Gestell Vgl. ebd., 15–17. Zu dem Unterschied zwischen „Gegen-stand“ und „Be-stand“ – dessen Stand nicht mehr von dem Vor-stellen des Subjektes, sondern von dem Be-stellen seines ErzeugersVerbrauchers entschieden wird – vgl. ebd., 17; GA 76, 326–327; M. Heidegger, Wissenschaft und Besinnung, in GA 7, 55; F.-W. von Herrmann, Technik und Kunst im seynsgeschichtlichen Fragehorizont, in W. Biemel/F. W. von Herrmann (Hrsg.), Kunst und Technik, a. a. O., 31. 79 M. Heidegger, Die Frage nach der Technik, a. a. O., 20. 80 Vgl. dazu ebd., 14–15; Der Ursprung des Kunstwerkes, a. a. O., 46–47; Der Wille zur Macht als Kunst, in Nietzsche, hrsg. von B. Schillbach, GA 6.1, 1996, 79–80; Die Herkunft der Kunst und die Bestimmung des Denkens, in Denkerfahrungen 1910–1976, hrsg. von H. Heidegger, Klostermann, Frankfurt a. M. 1983, 137. 81 M. Heidegger, Die Frage nach der Technik, a. a. O., 31. 77 78
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kann als »die höchste Gefahr«82 bezeichnet werden, soweit es den Menschen nicht nur daran hindert, dass er sich auf das Sein selbst einlässt, sondern ihm auch die Möglichkeit versperrt, den Anspruch des Seins als solchem anzuerkennen: Das Gestell »vertreibt« somit »jede andere Möglichkeit der Entbergung« und vor allem »jenes Entbergen, das im Sinne der poßhsiò das Anwesende ins Erscheinen her-vor-kommen läßt«83. Die Gefährlichkeit des Ge-stells gipfelt darin, dass sie nicht einmal begriffen wird: Überall sieht es so aus, als ob alles zum Besten und zuliebe dem Gesamtwohlstand liefe.84 Wenn aber das Gestell die „höchste“ Gefahr ist, muss das von ihm Rettende eben aus ihm – laut Hölderlin – entspringen. Im Technikvortrag geht Heidegger nicht ausführlicher auf die tatsächliche Weise ein, wie sich die Rettung vollbringen lässt.85 Er fragt sich jedoch danach, ob »ein anfänglicher gewährtes Entbergen« vermöchte, »das Rettende zum ersten Scheinen zu bringen inmitten der Gefahr«86. Hiermit spielt Heidegger auf das dichterische Entbergen der Kunst an, da er daneben auf die gemeinsame Herkunft der Technik und der schönen Künste aus der tÝxnh aufmerksam macht. Er schließt seinen Vortrag mit der Anweisung, »die wesentliche Besinnung auf die Technik und die entscheidende Auseinandersetzung mit ihr« solle »in einem Bereich geschehen, der einerseits mit dem Wesen der Technik verwandt und andererseits von ihm doch grundverschieden ist. Ein solcher Bereich ist die Kunst. Freilich nur dann, wenn die künstlerische Besinnung ihrerseits sich der Konstellation der Wahrheit nicht verschließt, nach der wir fragen.«87
82 Ebd., 27. Wie sich „die“ Gefahr, die jedem Geschick eigen ist, im Gestell zuspitzt und gleichsam eine Rettungsmöglichkeit durch den Hinweis auf das Ereignis bietet, ist in GA 76, 321–322 erläutert, wo gelesen werden kann: »Insofern das Ereignis [. . .] sich nachsetzt, ereignet es im Nachsetzen mit diesem das Schicken der Vergessenheit.« Vgl. auch 327; M. Heidegger, Die Gefahr, a. a. O., 46–47; G. Guest, Technik und Wahrheit. Zur Erörterung der Gefahr, in E. Spaude (Hrsg.), Große Themen Martin Heideggers, Rombach, Freiburg i. Br. 19942, 104–133; F.-W. von Herrmann, Die Gefahr im Ereignis, Existentia, Bd. 15 (2005), fasc. 1–2, 1–14. 83 M. Heidegger, Die Frage nach der Technik, a. a. O., 28. 84 Die Unwissenheit der „höchsten Gefahr“ folgt aus der Unkenntnis der „Dürftigkeit“ unseres Zeitalters, die freilich unsere geschichtliche Not charakterisiert. Vgl. dazu M. Heidegger, Unsere Not ist die Not der Notlosigkeit, in GA 16, 335, und Die Unumgänglichkeit des Da-seins („Die Not“) und Die Kunst in ihrer Notwendigkeit (Die bewirkende Besinnung), Heidegger Studies, Bd. 8 (1992), 6. 85 In den Vorstudien zum Technikvortrag schreibt Heidegger hinsichtlich des von ihm ausgewählten Stiles: »Überall das Wesentliche schweigen [. . .] und doch in die Besinnung geleiten « (M. Heidegger, Die Frage nach der Technik. Das Gestell, in GA 76, 336). Dasselbe hatte er im Kunstwerkaufsatz gemacht, wie er in dem Zusatz (1956) gesteht, indem er dazu anhält, auf den »verschwiegenen Quellbereich des Zudenkenden« (Der Ursprung des Kunstwerkes, a. a. O., 74) (das Ereignis) zurückzugehen. 86 M. Heidegger, Die Frage nach der Technik, a. a. O., 35. 87 Ebd., 36.
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§ 5. Künstlerische Besinnung und besinnendes Denken: auf den Sinn der heutigen Welt hin 1. Die geschichtliche Wesensverwandtschaft von Kunst und Technik Wenn die Besinnung als »Be-sinnung« »dem ›Sinn‹ nach-fragen «88 meint, indem man sich auf ihn einlässt, wird eine „künstlerische“ Besinnung wohl das Fragen nach dem Sinn bzw. nach dem Wesen der Kunst sein. Eine gewisse Rechtfertigung dieser Besinnungsart wird in den Bemerkungen zur Technik aus dem Ende der Vierzigerjahre und in den Vorstudien zum Technikvortrag geleistet. In diesen Aufzeichnungen schreibt Heidegger, die Besinnung auf die Kunst könne in das Umfeld des Wesens der Technik überführen, sofern das Wesen der Kunst an demselben Bereich teilhabe, und zwar an dem Bezug des Seyns zum Menschenwesen in dem Ereignis der Wahrheit als Un-verborgenheit.89 Wenn dieses Ereignis bei der Kunst dichterisch geschieht, versteckt es sich bei dem Bestellen der Technik hinter dem „Undichterischen“: Die Zweideutigkeit des Gestells besteht eben darin, dass es einerseits die Unverborgenheit verhüllt, es sie anderseits aber voraussetzen muss, um das Wirkliche als Bestand entbergen zu können.90 Das Entscheidende bei der künstlerischen Besinnung soll sein, dass sie nicht nur zuerst auf die Unverborgenheit und dann über sie hinaus (auf die Bergung des Unverborgenheitsgeschehens selbst im Da-sein) zurückzugehen vermag. Die künstlerische Besinnung würde ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie imstande wäre, ausgehend von dem nun erhellten Wesen von Kunst und Technik auf seine heutige Verwirklichungsweise zurückzukommen und sie zu verorten. Ab dem Aufsatz Der Ursprung des Kunstwerkes – dem eine künstlerische Besinnung zugrunde liegt – vertritt Heidegger die Ansicht, dass die Kunst heutzutage keine Geschehensweise der Wahrheit mehr ist. Bei der Vollendung der Metaphysik erreicht die Vergessenheit der Seynswahrheit solcherart ihren Höhepunkt, dass sie selbst vergessen wird: Nirgends wird die Notwendigkeit der Seinsfrage bemerkt und das Seiende – das schlicht Vorhandene – nimmt den Vorrang ein. Dementsprechend entfällt jede Möglichkeit, nach einem „Sinn“ desjenigen menschlichen Tuns zu suchen, das noch „Kunst“ genannt wird. 88 GA 76, 350. Vgl. M. Heidegger, Wissenschaft und Besinnung, a. a. O., 63, wo das Wort „Besinnung“ mittels der Etymologie des Verbes „sinnen“ als »Gelassenheit zum Fragwürdigen« gedeutet ist. 89 Vgl. GA 76, 330, 323–325, wo Heidegger Fingerzeige auf die Umwendung vom Technischen zur tÝxnh durch die Anerkennung des Entbergungsverhaltens als zum Wesen des Menschen gehörig gibt. In \Agxibasßh. Ein Gespräch selbstdritt auf einem Feldweg zwischen einem Forscher, einem Gelehrten und einem Weisen (in Feldweg-Gespräche (1944/45), hrsg. von I. Schüßler, GA 77, 1995, 16, 128) erklärt Heidegger, das Wesen der Technik gründe im Wesen der Wahrheit, deshalb sei die tÝxnh gemäß dem Wesenswandel der Wahrheit zur Technik geworden. Wie die tÝxnh sich in die Technik umgewandelt hat, ist dargestellt in Besinnung, hrsg. von F.-W. von Herrmann, GA 66, 1997, 173–178. 90 Vgl. GA 76, 341–342.
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Es gibt keinerlei Künstler mehr, durch den sich die Wahrheit des Seyns in ein Kunstwerk einrichten kann.91 Die Hervorbringungen der „Kunst“ sind nunmehr bloße »Formen der Einrichtung des Seienden« und sie gestalten sich als Mittel der Aufrüttelung der Massen, sobald der von ihnen bezweckte »Genuß des Einzelnen in die eingerichtete Erlebnisveranstaltung und Genußvorrichtung der „Gemeinschaft“«92 gesteigert wird. Die Kunsterzeugnisse sollen zum „Vergnügen“ eines Volkes dienen, das »Kulturpolitik treibt«93 und durch sie am weitesten von seinem Wesen entfernt wird. Die „Kunst“ wird »politisch bestellt und berechenbar«94 und steht an der Spitze des Kulturbetriebes mit der Aufgabe, das „Leben“ zu verschönern und zu erleichtern. Dass der »„Dichter“ nur ein Mensch [ist], der „Textunterlagen“ für „Filme“ und „Operetten“ „liefert“«, damit sie »genossen«95 werden, bezeugt die Knechtschaft der „Kunst“ unter äußere Zwecke. Trotzdem scheinen die Kunstprodukte überall eindringen zu können und als künstlerische Vorrichtungen den leitenden Hintergrund der Alltäglichkeit zu bilden, in die sich die Landschaft einfügen lässt. Die Natur verlegt sich ganz in Anlagen wie Autostraßen, Kraftwerke, Stauseen, deren Schönheit nicht mehr aus dem Erscheinen der Wahrheit entsteht, die das Kunstwerk in einer Gestalt erstehen lässt.96 Die „Gestalt“ solcher Erzeugnisse muss aus dem Gestell verstanden werden: Sie ist einfach die Oberfläche von etwas Bestelltem, dessen einziges Ziel es ist, zwecks der Rettung des „Lebens“ aus seiner Verödung in der wirtschaftlichen Welt einen Gefühlsrausch zu erregen.97
91 Vgl. M. Heidegger, Die Unumgänglichkeit des Da-seins, a. a. O., 8–9. In Überlegungen XII–XV (Schwarze Hefte 1939–1941), hrsg. von P. Trawny, GA 96, 2014, 265, werden Geiger und Trompeten, die belanglose „Konzerte“ spielen, unter den Erscheinungen des „Idiotismus“ aufgezählt, d. h. des die Seynswahrheit völlig verdeckenden planetarischen Zustands, in dem »man das Eigene auf das Jedermann gehörige verlegt«. 92 GA 66, 31; GA 95, 99. Vgl. 135–137, 150. 93 M. Heidegger, Überlegungen II–VI (Schwarze Hefte 1931–1938), hrsg. von P. Trawny, GA 94, 2014, 499, 497. 94 GA 95, 132. Vgl. 99, 119, wo Heidegger diesen Umgang mit der Kunst als »politische Aesthetik« bezeichnet und ihn »„volksgebundene“ „Kunst“« nennt. 95 GA 94, 510, 516. Vgl. 465, wo Heidegger die gebundene und die freie Kunst entgegenstellt und sie mit einem zahmen geketteten Hofhund und einen zum Gipfel fliegenden Adler vergleicht. 96 Zur Schönheit als Sichereignen der Wahrheit vgl. M. Heidegger, Der Ursprung des Kunstwerkes, a. a. O., 51, 69. Zur „Schönheit“ in der Vollendung der Metaphysik vgl. vor allem Zur Überwindung der Aesthetik. Zu „Ursprung des Kunstwerks“, Heidegger Studies, Bd. 6, 1990, 6; Sechs Grundtatsachen aus der Geschichte der Ästhetik, in GA 6.1, 75–76; GA 76, 321; GA 66, 30. Zu der heideggerschen Besinnung auf die Schönheit im allgemeinen vgl. M. Poltrum, Schönheit und Sein bei Heidegger, Passagen, Wien 2005. 97 M. Heidegger, Sechs Grundtatsachen, a. a. O., 76, 87. Zu dem Verhältnis von „Gestalt“ und „Gestell“ vgl. GA 76, 320–321; Die Frage nach der Technik, a. a. O., 21–22; Der Ursprung des Kunstwerkes, a. a. O., 70–72, wo Heidegger präzisiert, dass das Stellen, das sich in der Gestalt des eigentlichen Kunstwerkes ereignet, dem Bestellen grundverschie-
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Das Erfassen der „Kunst“ als Ausdruck des „Lebens“ (das seinerseits immer mehr künstlich erzeugt wird) und der Hervorbringungen einer solchen Tätigkeit als Gegen-stände, die von vorne herein auf die aèshsiò, auf den Gefühlszustand eines erzeugenden und genießenden Subjektes bezogen sind, ist die Ästhetik.98 Die ästhetische Betrachtung ist der Metaphysik inhärent, da sie wie die metaphysische Seinsauffassung aus der Vergessenheit der Seynswahrheit folgt und sich der heutigen »Konstellation der Wahrheit« bzw. dem Gestell verschließt. Dementsprechend versteht die Ästhetik nicht, dass sich die Kunst in die Vollendung der Metaphysik im Gestell aufzulösen scheint: Die Kunst ist sich über ihre geschichtliche Lage keineswegs im Klaren, deshalb vermögen ihre Werke »nicht mehr den Ort zu stiften, an den sie gehören«99. Auf keinen Fall ist aber die Kunst am Ende, wie der bekannte Ausspruch Hegels besagt100: Wenn die Kunst nicht nur eine aufzuhebende Stufe des Weges zum abden und doch „geschicklich“ verwandt ist, da beides Mal „Stellen“ aus der poßhsiò herstamme. 98 Zur Bestimmung der Ästhetik vgl. M. Heidegger, Sechs Grundtatsachen, a. a. O., 75– 76; Zur Überwindung der Aesthetik, a. a. O., 7; Der Ursprung des Kunstwerkes, a. a. O., 67; Das Verhältnis des heutigen Menschen zur Kunst, in GA 16, 583; Zum Wesen der Sprache und Zur Frage nach der Kunst, hrsg. von T. Regehly, GA 74, 2010, 201; Übungen für Anfänger: Schillers Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen, hrsg. von U. von Bülow, Deutsche Schillergesellschaft, Marbach am Neckar 2005, 20; GA 66, 34; GA 76, 107–108. 99 M. Heidegger, Über Igor Strawinsky, in GA 16, 181. Vgl. auch Spiegel-Gespräch mit Martin Heidegger, in GA 16, 682; GA 74, 203; GA 76, 375. Ausgehend von diesem geschichtlichen Ort versteht Heidegger die Eigentümlichkeit der modernen Kunst, indem er feststellt, nur Kunstströmungen wie Surrealismus, abstrakte und gegenstandlose Kunst könnten sich bewähren, wo es keine Gegenstände mehr gäbe (vgl. Der Satz vom Grund, hrsg. von P. Jaeger, GA 10, 1997, 31, 51–52; H. W. Petzet, Auf einen Stern zugehen, a. a. O., 161; M. Heidegger, Die nachgelassenen Klee-Notizen, Heidegger Studies, Bd. 9 (1993), 10). Gegen die heideggersche Einebnung der heutigen Kunstrichtungen, unter denen einige die Technik kräftig bekämpft haben, vgl. O. Pöggeler, Bild und Technik. Heidegger, Klee und die moderne Kunst, Fink, München 2002, 151. 100 Heidegger verweist jedes Mal auf die hegelsche These des Endes der Kunst, wenn er sich auf die Lage der Kunst bei der Vollendung der Metaphysik bezieht. Wenn es manchmal so aussieht, als ob Heidegger Hegel zustimmen würde (z. B. in Metaphysik und Nihilismus, hrsg. von H.-J. Friedrich, GA 67, 1999, 108–109, und in GA 66, 35), vertritt er im Grunde die Ansicht, die er schon in Der Ursprung des Kunstwerkes (a. a. O., 68) darstellte: Die Kunst wäre nur dann an ihrem Ende, falls die Seynswahrheit nicht mehr zur Erfahrung gebracht werden könnte. Sich verteidigend gegen den Vorwurf, »bei Hegel stehen« geblieben zu sein, schreibt Heidegger, er habe »nie bei ihm gestanden, dies verwehrt die abgründige Differenz in der Bestimmung des Wesens der „Wahrheit“ « (R. A. Bast, Ein Brief Martin Heideggers an Rudolf Krämer-Badoni, a. a. O., 179). Ein Versuch, die Stellungnahmen zur Kunst von Hegel und Heidegger zu vereinbaren, wird geleistet in F. Gniffke, Nach dem Ende der Kunst: Der Ursprung des Kunstwerkes, in C. Bussmann/ F. A. Uehlein (Hrsg.), Zur Geschichtlichkeit der Beziehungen von Glaube, Kunst und Umweltgestaltung. Zum Andenken an Josef Blank, Königshausen & Neumann, Würzburg 1992, 73–127.
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soluten Selbstbewusstsein des Geistes, sondern eine Einrichtungsweise derjenigen Seynswahrheit darstellt, welche im Zeitalter der Technik als Gestell un-verborgen und gänzlich vergessen ist, wäre die Kunst nur dann an ihrem Ende, falls sie es nicht vermögen würde, das Wahrheitsgeschehen durch das Gestell hindurch erscheinen zu lassen und das Entbergen des Seienden in seinem Sein vor seiner Verdeckung in dem glatten monochromatischen Bestellungsvorgang zu schützen. Wenn die Kunst es leisten würde, dann würden sowohl die Ästhetik als auch die Metaphysik verwunden. Deswegen ruft Heidegger aus: »Ob innerhalb der heutigen durch die Technik bestimmten Welt, durch diese und für sie [. . .] Kunst wesentlich und notwendig und darum möglich ist! (Abwandlung der Hegelschen Frage).«101 Heidegger stellt klar, dass der »Wesenswandel« der Kunst erst durch eine künstlerische Besinnung vorbereitet werden kann, die sich den Einblick in die »Ortschaft« der „Kunst“ verschafft und somit die wissenschaftlich-technologisierte Welt als die Herkunft der heutigen künstlerischen Hervorbringungen anerkennt. Hiermit könnte diese künstlerische Besinnung die »Kunstlosigkeit« – das Fehlen an geschichtsbildenden Werken – hervorheben und diejenige geschichtliche Entscheidung erzwingen, die zum anderen Anfang der Seynsgeschichte überleitet.102 Heidegger deutet an, dass eine solche Be-sinnung zumindest wesensverwandt mit demjenigen »sinnenden Denken« ist, welches er dem »rechnenden Denken« entgegenstellt, das dem im Dienste der Technik stehenden Menschen eigen ist.103
101 M. Heidegger, Technik und Kunst – Ge-stell, in W. Biemel und F.-W. von Herrmann (Hrsg.), Kunst und Technik, a. a. O., XIV. Vgl. auch Die Unumgänglichkeit des Da-seins, a. a. O., 9; GA 76, 376–377. In der Aussprache Kunst und Technik, die am 28. April 1952 anschließend an den Vortrag Dichterisch wohnet der Mensch stattgefunden hat, sieht es so aus, als ob Heidegger die Meinung von Göpel zustimmen würde. Die Frage Göpels war: »Ist es nicht Aufgabe der Kunst, die durch die Technik gegebenen neuen Erfahrungen bewußt zu machen? « (Kunst und Technik. Niederschrift einer Aussprache, in GA 76, 393). 102 Vgl. GA 74, 198, 205; M. Heidegger, Die Herkunft der Kunst, a. a. O., 140; Die »Metaphysik« und der Ursprung des Kunstwerkes, in Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis), hrsg. von F.-W. von Herrmann, GA 65, 1989, 503–505; Zum „Ursprung des Kunstwerkes“, Heidegger Studies, Bd. 22 (2006), 19–20; Die Unumgänglichkeit des Da-seins, a. a. O., 7–8, wo Heidegger die Besinnung auf das Wesen der Kunst „bewirkend“ nennt und betont, sie sei alles, was wir tun könnten: Die letzte Entscheidung müsse vom Sein selbst getroffen werden. 103 Vgl. dazu die Gegensatzpaare „rechnendes“/„besinnliches Denken“ und „rechnendes“/„wesentliches Denken“ in M. Heidegger, Gelassenheit, in GA 16, 519–520, und in Nachwort zu »Was ist Metaphysik?«, in GA 9, 309. Zu der technischen Prägung des rechnenden Denkens, das sich von Denk- Sprach- und Sprechmaschinen verwirklichen lässt, vgl. Hebel – der Hausfreund, in Aus der Erfahrung des Denkens 1910–1976, hrsg. von H. Heidegger, GA 13, 1983, 148–149. Zur Verbindung zwischen „künstlerischer“ und „denkerischer Besinnung“ vgl. G. Seubold, Hegels These vom Ende der Kunst und Heideggers Diagnose einer „kunstlosen Geschichte“, in E. Richter (Hrsg.), Die Frage nach der Wahrheit, Klostermann, Frankfurt a. M. 1997, 193–194.
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2. Die Gelassenheit und der „freie“ Umgang mit dem Technischen Im anlässlich der Gedenkfeier für den Komponisten Conradin Kreutzer gehaltenen Vortrag Gelassenheit (1955) weist Heidegger dem besinnlichen Denken zu, »einen neuen Grund und Boden« zu veranlassen, »auf dem wir innerhalb der technischen Welt, und ungefährdet durch sie stehen und bestehen können«, damit »das Schaffen bleibender Werke [in ihr] neue Wurzeln schlagen«104 wird. Um das zu erreichen, muss das besinnende Denken für das „Geheimnis“ der technischen Welt – d. h. für den verborgenen Sinn der Technik – offen bleiben. Über den Sinn des Technischen nachdenkend, bereitet das besinnliche Denken ein neues, angemessenes Verhalten zur Technik vor, das auf den Umgang mit den technischen Erzeugnissen zurückschlägt. Es kommt nicht darauf an, dass das Technische en bloc zurückgewiesen wird, zudem es auch unmöglich ist: »Die Einrichtungen [. . .] der technischen Welt« sind »heute unentbehrlich «105. Vielmehr muss ein Zustand in Kraft gesetzt werden, in dem die Technik weder als bloßes Mittel zu den von einem angeblich allmächtigen Menschen angestrebten Zielen behandelt, noch als etwas Absolutes, das uns beherrscht, angesehen wird. Heidegger verdeutlicht eine solche Einstellung folgendermaßen: »Wir können „ja“ sagen zur unumgänglichen Benützung der technischen Gegenstände, und wir können zugleich „nein“ sagen, insofern wir ihnen verwehren, daß sie uns ausschließlich beanspruchen und so unser Wesen verbiegen, verwirren und zuletzt veröden.«106 Dieser Betrachtungsweise zufolge werden die technischen Gegenstände »auf Höheres« – auf das Ereignis als Gestell – »angewiesen«107 und lösen sie sich nicht mehr in ihre Verwendbarkeit ein, sondern ver104 M. Heidegger, Gelassenheit, a. a. O., 528–529. Heidegger betont, die größte Gefahr unseres Zeitalters sei nicht die Atombombe oder ein dritter Weltkrieg, sondern die Vernichtung des besinnenden durch das rechnende Denken. Nur wenn das besinnliche Denken nicht von dem rechnenden entsetzt werden wird, werden Kunstwerke wie diejenigen von Conradin Kreutzer und Johann Peter Hebel wieder entstehen können. 105 Ebd., 526. Heidegger wiederholt mehrmals, dass er nicht gegen die Technik ist: Es gilt die Technik nicht zu verdammen, sondern sie ohne »Oberflächlichkeit und Ahnungslosigkeit« (GA 76, 347) zu erforschen. Eine oberflächliche Erklärung der Technik ist Heideggers Auffassung nach auch diejenige, die sie und die ihr zugewiesene Wissenschaft als das erörtert, was den heutigen Weltzustand prägt (vgl. M. Heidegger, Technik – in ihrem Wesen unbekannt, in GA 16, 714). 106 M. Heidegger, Gelassenheit, a. a. O., 526–527. Die Notwendigkeit einer Überwindung des bloßen »Entweder-Oder: entweder unterliegt der Mensch der Technik oder er beherrscht sie« (GA 94, 426), wurde von Heidegger schon Ende der Dreißigerjahre festgestellt. Zum „zwiespältigen“ Verhältnis mit dem Technischen, zu dem er auffordert, vgl. E. Mazzarella, Tecnica e oikologia: etica e ontologia, in Ermeneutica dell’effettività. Prospettive ontiche dell’ontologia heideggeriana, Guida, Napoli 1993, 129–137. Zu dem sachgemäßen Umgang mit der Technik, die mit einem neuen ÷oò bzw. Aufenthalt des Menschen auf der Erde vereinbar ist, vgl. A. Caputo, Heidegger e le tonalità emotive fondamentali (1929–1946), Franco Angeli, Milano 2005, 269–270, 387–388. 107 M. Heidegger, Gelassenheit, a. a. O., 527.
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weisen auf ihren unumgänglichen Grund, auf ihren wesentlichen Sinn: Sie wesen als etwas Selbständiges an, sie werden zu „Dingen“. Heidegger nennt nämlich »diese Haltung des gleichzeitigen Ja und Nein zur technischen Welt [. . .] die Gelassenheit zu den Dingen«108. Er führt somit im Bereich der Auseinandersetzung mit der Technik einige Überlegungen über das Wesen des Denkens und seinen Bezug zur Seynswahrheit fort, die er in den Schriften \Agxibasßh. Ein Gespräch selbstdritt auf einem Feldweg zwischen einem Forscher, einem Gelehrten und einem Weisen, Zur Erörterung der Gelassenheit (1944/ 1945) und Das Ding (1949/1950) dargelegt hatte. In den ersten beiden Schriften wird nach dem Wesen des Denkens – das seinerseits »die Auszeichnung des Wesens des Menschen ist«109 – gefragt. Gegen die überlieferten Bestimmungen des Denkens als Vor-stellen, Wollen, Technik im Sinne der »praktische[n] Anwendung der theoretischen Naturwissenschaft [. . .] zum Zweck der Beherrschung und Ausnutzung der Natur«110, wird das Denken als »Andenken«111 an die Wahrheit gekennzeichnet. Insofern das von der Seynswahrheit gelichtete Offene alles, was in ihm erscheint, versammelt und zu dem zurückkehren lässt, worin es ruht, d. h. in seinem Sein, sieht dieses Offene als eine »freie Weite«112 aus. Ein solcher Bereich kann »Gegend«, besser noch »Gegnet«113 – da er sich eher zurückzieht, als dass er uns entgegenkommt – genannt werden. Als das
108 Ibidem. Vgl. GA 97, 295-296, und den Brief an Heinrich Wiegand Petzet vom 16. April 1963, wo Heidegger schreibt: »Die „Gelassenheit“ erweist sich [. . .] als die Weise, wie dem Weltgeschick entsprochen werden muß« (Ausgewählte Briefe Martin Heideggers an Heinrich Wiegand Petzet, Jahresgabe der Martin-Heidegger-Gesellschaft, Meßkirch 2003, 19). 109 M. Heidegger, Zur Erörterung der Gelassenheit, in GA 13, 38. 110 M. Heidegger, \Agxibasßh, a. a. O., 6. In GA 76 nimmt Heidegger von der gewöhnlichen These stark Abstand, dass die Technik aus der Anwendung der Naturwissenschaft entsteht. Er schreibt immerhin, dass auch der umgekehrte Satz: »Die moderne Wissenschaft beruht auf der Anwendung der Technik« (299) falsch ist: Die Wissenschaft sowie die Technik werden von der „Machenschaft“ gefordert, welche das Sein des Seienden als etwas Machbares in der Neuzeit kennzeichnet (vgl. GA 65, 126). Dass Heidegger sich an das neuzeitliche Paradigma der Wesenseinheit von Technik und Wissenschaft halte, ist nach Walter Schweidler der Grund, aus dem er das Hilfepotential der Technik bei der Lösung vieler Lebensprobleme nicht anerkennen und keine Ethik entwerfen kann (vgl. W. Schweidler, ›Natur‹ und ›Welt‹ in den Bahnen von Technik und Ethik, in T. Buchheim, Destruktion und Übersetzung, a. a. O., 61–62). Zu einer Auseinandersetzung mit der heideggerschen Auffassung des Verhältnisses zwischen Technik und moderner Physik vgl. E. Giannetto, Un fisico delle origini. Heidegger, la scienza e il rapporto con la natura, Donzelli, Roma 2010, 143–153. 111 M. Heidegger, Zur Erörterung der Gelassenheit, a. a. O., 65, und \Agxibasßh, a. a. O., 145. 112 M. Heidegger, Zur Erörterung der Gelassenheit, a. a. O., 47. 113 Vgl. ebd., 46–47, und M. Heidegger, \Agxibasßh, a. a. O., 114, wo Heidegger auf die Bedeutung dieses alten Wortes eingeht.
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verborgene Wesen der Wahrheit braucht die Gegnet den Menschen, um sich zu entfalten, indem sie ihn zu sich selbst zurückkommen lässt bzw. in sein Wesen »vergegnet«114. Da der Wesenszug des Menschen das Denken ist, lässt sich das, was die Gegnet vergegnet und als das gemäße Verhältnis zu ihr fassbar ist, als das ursprüngliche Wesen des Denkens ergreifen. Dieses Wesen ist die »Gelassenheit zur Gegnet«115, die darin besteht, sich auf das Offene der Gegnet einzulassen und „inständig“116 in ihm zu bleiben, damit die Gegnet walten kann. In der Gelassenheit handhabt der Mensch keinen Gegenstand oder Bestand mehr, da alles, was in der sich entziehenden Gegnet erscheint, nicht mehr entgegensteht, besser noch: überhaupt nicht mehr „steht“. Die Gegnet lässt jegliches Ding in ihm selbst als „Ding“ verweilen und »bedingt« es dadurch »zum Ding«117, gewährt ihm sein inneres Wesen. Die Eigentümlichkeit dieses Wesens und dessen wechselseitiger Bezug mit der Gegnet werden im Vortrag Das Ding erläutert. Dort wird das Wort „Ding“ etymologisch auf den althochdeutschen Terminus „thing“ zurückgeführt118, der »die Versammlung zur Verhandlung [. . .] eines Streitfalles«, d. h. »jegliches, was den Menschen [. . .] anliegt«119, angeht, bedeutet. Was das Ding versammelt und mithin geschehen lässt, sind die vier Gegenden bzw. Eröffnungsbereiche – das Ge114 M. Heidegger, Zur Erörterung der Gelassenheit, a. a. O., 56, und \Agxibasßh, a. a. O., 122 („vergegnet“ ist als dritte Person Singular des „heideggerschen“ Verbes „vergegnen“ zu verstehen). 115 M. Heidegger, Zur Erörterung der Gelassenheit, a. a. O., 56. Vgl. auch 54–55, und \Agxibasßh, a. a. O., 120–121, wo die Gelassenheit als die Wesenserhellung des Wartens dargelegt wird, das dem Wollen seinerseits entgegengesetzt ist. Zu der Frage, ob die Verwirklichung einer „eigentlichen“ Gelassenheit bzw. einer Einstellung, die ganz frei von dem Willen ist, für den Abendländer möglich sein kann, vgl. C. Resta, Gelassenheit e volontà, in La misura della differenza. Saggi su Heidegger, Guerini e Associati, Milano 1988, 199–215. 116 Vgl. M. Heidegger, Zur Erörterung der Gelassenheit, a. a. O., 65, und \Agxibasßh, a. a. O., 145, wo Heidegger das Gedicht Inständigkeit aus dem Gedichtzyklus Winke (1941) (in GA 13, 27) wieder aufgreift. 117 M. Heidegger, Zur Erörterung der Gelassenheit, a. a. O., 59, und \Agxibasßh, a. a. O., 140 („bedingt“ ist als dritte Person Singular des „heideggerschen“ Verbes „be-dingen“ zu verstehen). Heidegger betont, es gehe nicht um die transzendentalen Möglichkeitsbedingungen im kantischen Sinne. Das Verhältnis der Gegnet zum Menschen und zum Ding weise sich also als „Vergegnis“ und „Bedingnis“ aus und würde die „Entschlossenheit“ bzw. die Offenheit zur Seynswahrheit voraussetzen. Zum Gegensatz „Gegnen“– „Entgegen“ vgl. GA 97, 347, 366. 118 Vgl. M. Heidegger, Das Ding, in GA 7, 175–176. 119 Ebd., 176. Um das versammelnde Wesen des Dinges zu erläutern, greift Heidegger auf S. 175–176 zu dem Beispiel des Kruges zurück, das er in \Agxibasßh (a. a. O., 126– 127) schon benutzt hatte. Das „Ding“ wird neben dem „Zeug“ und dem „Werk“ Mitte der Dreißigerjahre unter den Seienden aufgelistet, die die Seynswahrheit bergen können (vgl. GA 65, 389). Mit der Zeit spricht Heidegger ihm einen weiten Sinn zu, der alle ursprünglich in das Wahrheitsgeschehen einbezogenen Seienden umfasst.
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viert –, in denen sich die Seynswahrheit entfaltet: Erde und Himmel, Göttliche und Sterbliche. Die Sterblichen sind die Menschen, »weil sie den Tod als Tod vermögen«: Durch das Nichts des Todes (»das Geheimnis des Seins selbst«) treten die Menschen ins Wesensverhältnis zum Seyn, wesen »im Gebirg des Seins«120. Hiermit werden sie vom Sein angesprochen, die vereinigenden Verweise der vier Gegenden aufeinander durch das Ding sich so ereignen zu lassen, dass ihr »Spiegel-Spiel« als sinngebender Verweisungszusammenhang bzw. als Welt aufgeht. »Das SpiegelSpiel von Welt ist der Reigen des Ereigens«121, den die Sterblichen entfalten lassen, falls sie das Ding als solches „andenken“. Dank dieses Andenkens werden die Menschen vom Ding gerufen und schonen, als »die Be-Dingten«122, sein Wesen bzw. das ganze Wahrheitsgeschehen. Das bergende Denken des Dinges ist kein bloßes Vor- oder Be-stellen, das das Ding im Gegen- oder gar Be-stand entwertet. Es ist vielmehr die Entsprechung zum Anspruch des Seins selbst, welches sich dem Menschen solcherweise zuwendet, dass es nie »wie ein für sich stehendes und dann auf den Menschen erst bisweilen zukommendes Gegenüber vorzustellen «123 ist. Um die Abwehr vor der Vergegenständlichung des Seyns und zugleich die Zuwendung desselben im Ereignis des Geviertes zu veranschaulichen, kreuzt Heidegger in der Schrift Zur Seinsfrage (1955) das Wort „Sein“ durch (Sein) und setzt den Ort der Durchkreuzung mit dem Ding gleich.
120 M. Heidegger, Das Ding, a. a. O., 180. Vgl. auch Bauen Wohnen Denken, in GA 7, 153, und Moira (Parmenides, Fragment VIII, 34–41), in GA 7, 261, wo Heidegger den Tod wie folgt bestimmt: »Er ist [. . .] das höchste Ge-birg (das versammelnde Bergen) des Geheimnisses der rufenden Entbergung.« 121 M. Heidegger, Das Ding, a. a. O., 181. Heidegger denkt seit der Vierzigerjahre das Ereignis als Geviert und deutet es oft mit einem vom Tanz entliehenen Wortschatz (vgl. z. B. Hölderlins Erde und Himmel, in GA 4, 174). Er führt den Geviertbegriff wahrscheinlich unter dem Einfluss Hölderlins ein, der ihn auch zur Aufnahme des Wortes „Seyn“ veranlasst. 122 M. Heidegger, Das Ding, a. a. O., 182. Heidegger verwendet diesen Terminus hier gegen die angebliche Allmächtigkeit des Menschen. Vermutlich will er sich auch auf dasjenige »Bedingnis« berufen, das er als Erläuterung des Bezuges zwischen Gegnet und Ding in Zur Erörterung der Gelassenheit und in \Agxibasßh eingeführt hat: Die Gegnet bzw. die Seynswahrheit soll das Ding „be-dingen“, da sie es zu ihrem Wesen bringt, indem sie in ihm geschieht; das Ding wird wohl den Menschen „be-dingen“, sofern er erst durch das Geschehenlassen der Seynswahrheit im Ding zu seinem eigenen Wesen kommen kann. Das, was sowohl das Ding als auch den Menschen „be-dingt“, ist schließlich das Wort, das allem sein Sein gewährt (vgl. Das Wort, in GA 12, 220–224). 123 M. Heidegger, Zur Seinsfrage, in GA 9, 411. Zu dieser Zuwendung und zu der Rolle, die das Ding dabei spielt, vgl. F.-W. von Herrmann, Topologie und Topographie des Nihilismus aus dem Gespräch zwischen Ernst Jünger und Martin Heidegger, Heidegger Studies, Bd. 24 (2008), 28–30.
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Wenn sich das Sein während des Zeitalters der Technik im Gestell verbirgt, das das Ding zum Bestand macht und die Kunst in ihm verwesen lässt, muss das besinnliche Denken, das auf die »Gelassenheit zu den Dingen« abzielt und so zum Wahrheitsgeschehen hinführt, das immerhin verborgene Sein erfahren. Es soll darum mit der künstlerischen Besinnung übereinstimmen, die den Wandel der ästhetischen Kunst zu einer Kunst 124 erzwingt, welche die heutige Ereignisweise des Gevierts erscheinen lässt. Heideggers Ansicht nach ist eine solche Verwandlung der Kunst schon im Gang: Der Denker gibt an, die Zeichen dafür seien Klee, Cézanne und die ostasiatische Kunst. § 6. Der Wandel zur Kunst: Gemälde und Gestaltungstheorie Klees Mitte der Fünfzigerjahre gelangt Paul Klee in das Zentrum des auf die Kunst gerichteten heideggerschen Interesses.125 Heidegger legt dem Direktor der Baseler Klee-Sammlung Georg Schmidt eine »Er-örterung« (eine Orts-bestimmung) der Kunst dar, die bei Klee gipfelt, da »etwas« in den Bildern des Malers »eingetroffen [sei], was wir alle noch nicht erblicken«126. Heidegger begeistert sich so sehr für Klee, dass er einen Vortrag über die kleesche Kunst plant und es als nötig ansieht, ein Pendant zum Ursprung des Kunstwerkes zu schreiben.127 124 Der Vergleich zwischen dem Wandel des Seins zum Sein und dem Wandel der Kunst zur Kunst wird gezogen in M. Heidegger, Die nachgelassenen Klee-Notizen, a. a. O., 11. Zur Mehrdeutigkeit der Durchkreuzung vgl. GA 73.2, 932–939. 125 Unter die Gelegenheiten, die die heideggersche Wertschätzung für Klee erregt haben können, fallen auch: Heideggers Gespräche mit Heinrich Wiegand Petzet über die Briefe Rilkes an Klee, die Petzet veröffentlicht hat; der Besuch der Klee-Sammlung des amerikanischen Industriellen David Thompson, die von der Baseler Galerie Beyeler erworben worden war; die Beurteilung Schmidts, nach der Klee das tiefste Bewusstsein seiner von der Technik geprägten Zeit besitzt; das Interesse Heideggers an Celan. Vgl. dazu H. W. Petzet, Auf einen Stern zugehen, a. a. O., 155; O. Pöggeler, „Über die moderne Kunst“: Heidegger und Klee’s Jenaer Rede von 1924, Palm & Enke, Erlangen 1995, 15. 126 Diese Aussage ist wiedergegeben in H. W. Petzet, Auf einen Stern zugehen, a. a. O., 158. Vgl. dazu das, was ein moderner Kunstkritiker vor Heidegger äußert: »Was Heidegger eben gesagt hat, hat Klee vor 20 Jahren gemalt. « (Kunst und Technik. Niederschrift einer Aussprache, a. a. O., 384). 127 Vgl. den Bericht in H. W. Petzet, Auf einen Stern zugehen, a. a. O., 157. In M. Heidegger, Die nachgelassenen Klee-Notizen, a. a. O., 10, und in GA 67, 107, kritisiert Heidegger die Sprache der Kunstwerkabhandlung, sofern sie noch nicht die Seynswahrheit als Ereignis ausspricht. Aus all dem ist eine Debatte um die hermeneutische Fähigkeit der im Ursprung des Kunstwerkes ausgearbeiteten Kategorien entstanden, die Kunst und die modernen Kunstrichtungen sachgemäß zu fassen. Heidegger scheint zu leugnen, dass der Grund, warum die moderne Kunst in der Kunstwerkabhandlung nicht betrachtet worden ist, in der Ungeeignetheit der dort ausgearbeiteten Begrifflichkeit liegt, zumal er an Rudolf Krämer-Badoni schreibt: »Die abstrakte Kunst kommt nicht zur Erörterung [. . .], weil nach meiner Meinung darüber denkmäßig nichts Sachhaltiges zu sagen ist, solange das Wesen der Technik [. . .] nicht hinreichend geklärt ist« (R. A. Bast, Ein Brief Martin Heideggers an Rudolf Krämer-Badoni, a. a. O., 179). Zu der Tragweite der Begrifflichkeit des
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Es entsteht jedoch weder ein Vortrag noch ein weiterer Teil der Kunstwerkabhandlung, sondern ein Seminar128 und einige stichpunktartige Notizen, die nichtsdestoweniger schlagkräftig sind. Im Seminar Bild und Wort (1960) nimmt Heidegger Klees Jenaer Rede Über die moderne Kunst (1924) und andere Schriften von Augustinus, Tschuang-Tse und Heraklit als Leitfaden zur Erhellung des Bereiches, worin Bild und Wort ihren Ursprung haben, um eine Wesensveränderung von beiden »mitten in der Not unseres Weltalters «129 zu veranlassen. In den Klee-Notizen (ab 1956) setzt er eine künstlerische Besinnung über den abendländischen Werk- und Bildcharakter an, indem er ihn auf metaphysische Grundbestimmungen – das Werk auf ærgon und nÝrgeia, das Bild auf species und eødoò – zurückführt.130 Heidegger ist dennoch der Überzeugung, dass diese Werkcharaktere in Klees Gemälden nicht erkennbar sind. Anlässlich der Erwägung bestimmter Gemälde notiert er, dass in Klees Malerei kein Gegenstand abgebildet wird, auch wenn die Gegenstände kraft ihr tatsächlich »nicht verschwinden, sondern als solche zurücktreten in ein Welten, dass aus dem Ereignis zu denken«131 ist. Die gemalten Gegenstände verweisen bis zu dem Augenblick auf ihren ursprünglichen ungegenständlichen Zustand zurück, in dem das Gestell in seinem Widerstandscharakter aufscheint und die Wahrheit der heutigen Welt aufblitzt. Deswegen bemerkt Heidegger: »Je weniger gegenständlich gedeutet – um so erscheinender; bringt die ganze Welt mit sich.«132
Kunstwerkaufsatzes vgl. S. Peetz, Welt und Erde. Heidegger und Paul Klee, Heidegger Studies, Bd. 11 (1995), 184–186; zu der Ratsamkeit, eher ausgehend von der Spätphilosophie Heideggers die moderne Kunst zu verstehen, vgl. O. Pöggeler, Bild und Technik, a. a. O., 180–181. 128 Zu dem von Heidegger gehaltenen Vortrag vgl. die Anmerkungen des Herausgebers Günter Seubold in M. Heidegger, Die nachgelassenen Klee-Notizen, a. a. O., 5–6. Da der Vortrag im Jahre 1960 gehalten werden sollte, wurde er wahrscheinlich mit dem in jenem Jahr veranstalteten Seminar Bild und Wort ersetzt. Zu den „nachgelassenen Klee-Notizen“ vgl. J. Schmidt, Between word and image: Heidegger, Klee, and Gadamer on gesture and genesis, Indiana Univ. Press, Bloomington 2013, 67–105. 129 M. Heidegger, Bild und Wort, in GA 74, 186. Vgl. auch 185–187 und O. Pöggeler, „Über die moderne Kunst“, a. a. O., 17, wo die Verbindung zwischen Klee und dem ostasiatischen Denken unterstrichen wird, die auch aus dem Gespräch Die Kunst und das Denken (1958) (in GA 16, 552–557) zu entnehmen ist. 130 Vgl. M. Heidegger, Die nachgelassenen Klee-Notizen, a. a. O., 10, und die Erläuterung in O. Pöggeler, Bild und Technik, a. a. O., 156. 131 M. Heidegger, Die nachgelassenen Klee-Notizen, a. a. O., 10. Die Gemälde Klees, die den unmittelbaren Anlass zu den Klee-Exzerpten gaben, sind auf S. 9 aufgelistet. Heidegger nennt Cézanne in direktem Bezug auf Kleine Felsenstadt (1932) und Harmonisierter Kampf (1937). Andere Gemälde, die ausschlaggebend für Heidegger waren, sind erwähnt in H. W. Petzet, Auf einen Stern zugehen, a. a. O., 156. Nicht zu vergessen sind Tod und Feuer und Heilige aus einem Fenster (1940), auf die Heidegger am Anfang des Vortrages Zeit und Sein (1962) hinweist. 132 M. Heidegger, Die nachgelassenen Klee-Notizen, a. a. O., 11.
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Da der Gegenstandsbezug der Bilder Klees insofern polyvalent bleibt, als sich die jeweiligen Bestandteile miteinander vernetzen, bringt Heidegger Klee in Verbindung mit Cézanne. Er ist der Ansicht, dass der Bildcharakter von beiden in Frage gestellt wird, soweit sich ihre Kunstwerke durch ein gegenseitiges Blicken hervor-bringen lassen. Denn nicht nur der Künstler, sondern auch der Betrachter ist angesprochen, das Wahrheitsgeschehen aufzunehmen und zu bewahren. Um auf das „er-äugen“ des Ereignisses anzuspielen, veranschaulicht Heidegger die gegenläufige Bewegtheit des „An-blickes“, die die Beziehung zwischen Kunstwerk und Betrachter beseelt, mit zwei entgegengerichteten Pfeilen (!, !j ): Das Gemälde blickt den Beobachter an, der seinerseits seinen Blick auf eine der im Kunstwerk eingeschlossenen unendlich vielen möglichen Gestalten wirft und sie dadurch verwirklicht. Wer dem Anspruch entspricht, den gemäßen Anblick zu finden, trägt zum Wesenswandel der Kunst bei. Inwiefern sich Klee jedoch all dessen bewusst war, ist fraglich. Heidegger führt zwar einige Sätze aus den kleeschen Schriften an, die die Grundrisse seiner „Gestaltungstheorie“ zusammenfassen, nach der die Form kein festes Ende des Entstehungsprozesses ist, sondern immer auf ihre unendliche Genesis durch den Künstler und den Betrachter bezogen bleibt.133 Nichtsdestotrotz weist er den Vorschlag zurück, ein Vorwort sowie ein Buch über Klee zu schreiben134, da es »noch nicht klar sei, inwiefern die Selbstinterpretation Klees [. . .] eigentlich ganz das vorstelle, was in seinem Schaffen geschehe«135. Die kunsttheoretische Begrifflichkeit Klees nehme die Form in solchem Ausmaß in Anspruch, dass sie »zu neukantisch« und völlig unangebracht für die Erfassung des Übergangs zur Kunst sei. Derjenige, der einerseits keine Kunsttheorie entwickelt, anderseits wohl keinerlei Besinnung braucht, da er schon »im Malen denkt«136, ist Cézanne, der seit den 133 Vgl. ebd., 8–9, wo Heidegger unter anderen die folgenden Aussprüche zitiert: »Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar« (P. Klee, Schöpferische Konfession, in Das bildnerische Denken. Form und Gestaltungslehre, Schwabe, Basel 19642, 76); »Kunst verhält sich zur Schöpfung gleichnisartig« (79); »Vom Vorbildlichen zum Urbildlichen! « (Über die moderne Kunst, Benteli, Bern 1954, 47). Zu der Ähnlichkeit der Theorie Klees mit der Kunstauffassung Heideggers vgl. S. Peetz, Welt und Erde, a. a. O., 168–172. 134 Vgl. H. W. Petzet, Auf einen Stern zugehen, a. a. O., 157, 159. Das Vorwort sollte Heidegger auf Wunsch von Prof. Hans Jantzen für eine Publikation über die Klee-Ausstellung in einem Basler Patrizienhaus in der St. Albansvorstadt verfassen; das Buch sollte er aufgrund der durch Georg Schmidt erfahrenen Wertschätzung schreiben. Heidegger leitet Petztet die Darbietung weiter, das Kleebuch niederzuschreiben. 135 Diese Äußerung Heideggers ist erwähnt ebd., 157. Vgl. weiter O. Pöggeler, Neue Wege mit Heidegger, Alber, Freiburg i. Br./München 1992, 174, und ders., „Über die moderne Kunst“, a. a. O., 19–20, 22, wo bemerkt ist, Heidegger berücksichtige die Lehre Klees unter ihrer technischen Seite überhaupt nicht und leiste keine immanente Auslegung von ihr. 136 M. Merleau-Ponty, Das Auge und der Geist. Philosophische Essays, hrsg. und übers. von H. W. Arndt, Meiner, Hamburg 1984, 31. Maurice Merleau-Ponty behauptet, in der
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Sechzigerjahren der einzige Stern bleibt, zu dem sich Heideggers Denkweg hinbewegt. § 7. Das „phänomenologische“ Sehen Cézannes: Die Entbergung des Anwesenden in der Lichtung des Anwesens 1. Zur Erscheinung gebrachtes Motiv versus dialektisch verblendete Ursache Cézanne hat für Heidegger einen Vorbildcharakter, weil seine Malerei das anschaulich macht, wonach das heideggersche Denken strebt, und zwar das Ergreifen und das Sagen des Seyns über seine metaphysische Vergessenheit hinaus. Die Kunst Cézannes wird der Metaphysik schon seit dem ersten Hinweis Heideggers auf das Gemälde Montagne St. Victoire in den Freiburger Vorträgen (1957) entgegengesetzt. Die unmittelbare Sprache der Malerei Cézannes erweist sich dabei als das Gegenteil der spekulativen Dialektik des deutschen Idealismus, die »die Vorform dessen abzeichnet, was jetzt als das Wesen der technischen Welt zum Vorschein kommt«137. Die Dialektik ist der Versuch, diejenige »Rückbeugung auf sich selbst«138, die das Denken als Vorstellen wesentlich schon immer übt, durch die »Re-flexion« zu vollenden, um alles unter ihr Joch zu bringen. Die reflektierende Selbstbespiegelung wirft ein Netzgeflecht von Begriffen über die Wirklichkeit, das auf alles die Form des Gegenstands aufprägt und beansprucht, unter seinem Licht sogar den Schatten zu ziehen, der immer dem Denken folgen und es als sein unscheinbarer Ursprung durchwalten muss. Die Einheit von beleuchtendem Entbergen des Denkens und Verbergen des beschatteten Bereiches, der durch kein Begriffsgehäuse gesperrt werden kann, lässt sich am Beispiel der Malerei Cézannes annähernd verstehen: Cézanne zwingt nichts, sich unter einer starren Maske vorzustellen, da er klarstellt, »inwiefern das Gemalte der Farben erst die Zeichnung und den Riß eines Bildes bildet und enthält, jedoch so enthalten soll, daß sich die Zeichnung im Bild nicht eigens zeigt «139. Wenn die dialektische Vermittlung alles in der Ursache-Wirkungskette Malerei Cézannes gelte es, eine Philosophie zu entdecken, da der Maler »im Malen denkt«. Gegen die Abstandnahme Heideggers von Klee vgl. O. Pöggeler, Heidegger in seiner Zeit, Fink, München 1999, 248. 137 M. Heidegger, IV. Vortrag, in GA 79, 140. 138 Ebd., 138. Vgl. dazu G. Gregorio, Martin Heidegger und die Besinnung auf die Grundsätze des Denkens. Anmerkungen zu den „Freiburger Vorträgen“ (1957), in M. Schölles/A. Spinelli (Hrsg.), Gründender Abgrund. Die Frage nach dem Grund bei Martin Heidegger, Attempto, Tübingen 2013, 21–49. 139 M. Heidegger, V. Vortrag, in GA 79, 176. Heidegger führt Cézannes Worte an: »Man muß die Leute nicht am Ärmel ziehen.« Die Herausgeberin des Bandes Bremer und Freiburger Vorträge Petra Jaeger gibt an, dieses Zitat sei eine nicht wörtliche Übersetzung der Äußerung Cézannes: »Personne ne me touchera [. . .] ne me mettra le grappin dessus« (E. Bernard, Souvenirs sur Paul Cézanne, Mercure de France, September/Oktober 1907).
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fesselt, lässt Cézanne »die montagne St. Victoire auf seinen Bildern erscheinen «, in denen »der Berg als der Berg immer einfacher und mächtiger anwest«140. Heidegger macht die Malerei Cézannes zum Vorbild für eine Denkungsart, die, je besinnlicher sie die Gegenstände in ihrem ursprünglich dinghaften Sein denkt, desto weiter die dadurch ans Licht gebrachten Dinge »in eine Welt« winken lässt, »aus der sie sind, was sie sind«141. Heidegger deutet, dass das Malen Cézannes eine Antwort auf »den Zuspruch des Wesens der Dinge« ist: Die die verkehrte technologisierte Welt entschlüsselnden Pinselstriche des Künstlers folgen daraus, »daß [ihn] das „Motiv“ immer einfacher bewegt, d. h. [zu ihm] spricht«142. Das Motiv »bewegt« Cézanne, dennoch bewirkt es sein Handeln nicht. In den Zollikoner Seminare[n] (1966) unterscheidet Heidegger die Wechselbeziehung zwischen dem Künstler und seinem Motiv von der berechenbaren Kausalität: Die Montagne Sainte-Victoire ist keine Ursache ihres Gemäldes, sondern »der Bestimmungsgrund, das, wovon her der Maler zu einem so oder so sich Verhalten bestimmt wird«143. Um dem Anspruch des Motivs entgegenzukommen, muss sich der Maler eine »phänomenologische Betrachtung« vornehmen, die er mit denjenigen teilen muss, welche sein Gemälde als Kunstwerk und nicht als eine bloße chemisch zu untersuchende Leihgabe erfassen wollen.144 Sich abwendend von der hegelschen und husserlschen Phänomenologieauffassung, meint Heidegger unter „phänomenologischer Betrachtung“ ein unmittelbares Begegnen der »Sache selbst«, d. h. des Seienden in seinem Sein. Am Ende des Zähringer Seminars (1973) macht Heidegger deutlich, dass »die Phänomenologie ein Weg« ist, »der hinführt vor . . . und sich das zeigen lässt, wovor er geführt wird. Diese Phänomenologie ist eine Phänomenologie des Unscheinbaren«145: Sie lässt M. Heidegger, IV. Vortrag, a. a. O., 139. Ibidem. Indem Heidegger das Verb „winken“ verwendet, möchte er zweierlei andeuten: Zum Einen will er auf das Ereignis der Seynswahrheit als Entfaltung der Welt verweisen, da »das Erwinken [. . .] das anfängliche Wesen des Ereignisses« (GA 65, 385) ist; zum anderen möchte er zu verstehen geben, dass der verborgene Bereich, in dem das Denken selbst seine Wurzeln schlägt, das Wesen der Sprache ist, das allem sein Wesen reicht. Ein solcher »Be-reich« (V. Vortrag, a. a. O., 168) »des winkend-zeigenden Reichens« ist »die Ortschaft des Zusammengehörens von Denken und Sein« (175). 142 M. Heidegger, IV. Vortrag, a. a. O., 139. Gottfried Boehm betont, Cézanne male die Montagne Sainte-Victoire mindestens acht Mal. Sie habe im Vergleich zu den anderen Motiven Cézannes etwas Besonderes, da die Montagne das Land verkörpere, in das Cézanne die Wurzeln seiner Existenz und seiner Kunst gesenkt habe (vgl. G. Boehm, Paul Cézanne, a. a. O., 90–91). 143 M. Heidegger, Zollikoner Seminare. Protokolle-Zwiegespräche-Briefe, hrsg. von M. Boss, Klostermann, Frankfurt a. M. 1994, 262. 144 Vgl. ebd., 78, 103, 262. 145 M. Heidegger, Seminar in Zähringen 1973, in GA 15, 399. Obwohl Heidegger sich im Jahre 1930 entschlossen hatte, sein Denken nicht mehr als „phänomenologisch“ zu bezeichnen und »nur noch das Phänomenologie zu nennen, was Husserl selbst geschaffen hat und bringen wird« (Hegels Phänomenologie des Geistes, hrsg. von I. Görland, GA 32, 140 141
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das erscheinen, was in der gewöhnlich-alltäglichen Betriebsamkeit verdeckt bleibt, der Methode der theoretischen Wissenschaften unumgänglich ist und von dem begrifflichen Erfassen als bloßes Gegen-über verkannt wird. Eine Einübung in das phänomenologische Sehen wird von Heidegger während der Seminare in Le Thor, in der Nähe der Montagne Sainte-Victoire veranstaltet. Hierbei spricht Heidegger Cézanne die phänomenologische Denkweise zu, sofern er oft auf sein Gemälde anspielt. Schon bei der ersten Sitzung (1968) wird Cézanne bezüglich der Erfahrungsmöglichkeit erwähnt, im Anwesenden ein Abwesendes hervorscheinen zu lassen. Um die Auslegung der Differenzschrift Hegels vorzubereiten, führt Heidegger die Aufzeichnung an: »Ein zerrissener Strumpf ist besser als ein geflickter «146 und rechtfertigt diese ungewöhnliche Aussage aus dem phänomenologischen Blickwinkel her. Erst der zerrissene Strumpf lässt seine verlorene Einheit zeigen. Die »lebendige Einheit « als Vereinigung vergegenwärtigt sich im Zerrissensein jedoch allein unter der Bedingung, dass die »Analyse« des Strumpfes »nachvollzogen („realisiert“ im Sinne Cézannes) und nicht bloß begrifflich vorgestellt «147 wird. Mit diesen Wörtern gibt Heidegger zu verstehen, dass das Sein als geschehende Einheit im Unterschiedenen durchscheint, wenn man dem sich von sich selbst her Zeigenden bzw. dem „Phänomen“ offen bleibt, statt es vergegenständlichen zu wollen.
19973, 40), d. h. die transzendentale Bewusstseinsphänomenologie, wird er der Phänomenologie als Forschungsprinzip immer treu bleiben (vgl. Ein Vorwort. Brief an Pater William J. Richardson, in GA 11, 148, und Mein Weg in die Phänomenologie, in GA 14, 101). Das »Urphänomen«, die »Ur-sache« seiner Phänomenologie ist seit der Mitte der Dreißigerjahre die Lichtung für das Sichverbergen des Seyns (vgl. Das Ende der Philosophie, a. a. O., 80–81). Zu diesem „Urphänomen“ vgl. GA 73.2, 1250–1252, 1337, 1352–1353. Zu der späteren Phänomenologieauffassung vgl. G. Guest, Aux confins de l’inapparent (L’extrême phénoménologie de Heidegger), in P. Dupont/L. Cournarie (dir.), Phénoménologie. Un siècle de philosophie, Ellipses, Paris 2002, 97–127; S. Ziegler, Matter Schein. Zu Heideggers Phänomenologie des Unscheinbaren, Heidegger Studies, Bd. 30 (2014), 97–108. 146 M. Heidegger, Seminar in Le Thor 1968, in GA 15, 287. Der hegelsche Spruch ist zu lesen in K. Rosenkranz, G. W. F. Hegels Leben, Duncker und Humblot, Berlin 1844, 552. Zu der Ungenauigkeit des heideggerschen Zitats und zu den möglichen Gründen dieser Translationsabweichung vgl. die Fußnote „2“ von Franco Volpi, Herausgeber der italienischen Übersetzung, in M. Heidegger, Seminari, tr. it. di M. Bonola a cura di F. Volpi, Adelphi, Milano 19922, 41. 147 M. Heidegger, Seminar in Le Thor 1968, a. a. O., 288. Heidegger erläutert G. W. F. Hegel, Differenz des Fichte’schen und Schelling’schen Systems der Philosophie, Meiner, Hamburg 1962, 12–13. Elisabeth Körfer behauptet, Heidegger greife dabei auf die phänomenologische Beschreibung der Alltäglichkeit in Sein und Zeit (1927) zurück, wo er das Sich-melden der „Zuhandenheit“ (das Sein des Zeugs) durch einen Defekt des Gebrauchsdings erklärt habe (vgl. M. Heidegger, Sein und Zeit, hrsg. von F.-W. von Herrmann, GA 2, 1977, 98–100, und E. Körfer, „Abwesen entbirgt Anwesen“, a. a. O., 303).
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2. Das tÎ atü von noe¦n und eønai als die „Zwiefalt“ im Sein selbst Der am Anfang des Seminars aus dem Jahre 1968 angesprochene Ausdruck „Phänomen“ greift auf den griechischen Sinn des Wortes „ainümenon“ zurück, der im Seminar vom Jahre 1969 in Opposition zum Terminus „pokeßmenon“ verdeutlicht wird. 1969 bezieht sich Heidegger »auf das Luberon-Gebirge« und unterscheidet seine Betrachtung als pokeßmenon bzw. als etwas Anwesendes, das im Land bloß »vor den Augen«148 steht, von seiner Berücksichtigung als ainümenon bzw. als etwas, das von sich selbst her anwest. Diese Unterscheidung stammt aus zwei verschiedenen Verhaltungsweisen gegenüber dem én, dem Seienden, dessen Sein von den Griechen als ýsiò, als erscheinendes Aufgehen aus der Verborgenheit in die Unverborgenheit verstanden worden war. Die Erfahrung des Seienden bzw. eines Gebirges als ainümenon setzt deshalb zweierlei voraus: das Vernehmen als Vorliegenlassen von etwas Aufgehendem und die Unverborgenheit, die ihrerseits sowohl das Erscheinen als auch die Wahrnehmung des Erscheinenden ermöglicht, sofern sie den Bezugsbereich von Sein und Denken ausmacht. Dieser Sachverhalt scheint nach Heidegger im tÎ atü von noe¦n und eønai durch, welches im Lehrgedicht Parmenides beschrieben wird.149 Mit dem Hinweis auf das berühmte III. Fragment des Parmenides: »tÎ gJr atÎ noe¦n stßn te kaÍ eønai«150 will Heidegger den Seminarteilnehmern die Auslegung des „tÎ atü“ ins Gedächtnis rufen, die er seit 1935 ausarbeitet und die in den Vorlesungen Was heisst Denken? (1951–1952) und in den Schriften des Bändchens Identität und Differenz (1957) gipfelt.151 Besonders die Vorlesung schlägt einen „Holzweg“ ein, der auf die spätere heideggersche Erörterung Cézannes hinausläuft, da sie die Wesensbestimmung des Denkens bezweckt und an den entscheidenden Stellen vermutlich auf den Berg des Künstlers verweist. 148 M. Heidegger, Seminar in Le Thor 1969, in GA 15, 327. Das pokeßmenon ist freilich anders als der Gegenstand. Vgl. dazu auch Der Spruch des Anaximander, in GA 5, 351. 149 Vgl. M. Heidegger, Seminar in Le Thor 1969, a. a. O., 332. Der Gedankengang, der Heidegger aufgrund des Spruches des Parmenides in mehreren Schriften entwickelt, ist kurz zusammengefasst im Vortrag Was heißt Denken? (1952), in GA 7, 140–143. 150 H. Diels/W. Kranz, Die Fragmente der Vorsokratiker, Weidmannsche Buchhandlung, Berlin 19609, Bd. I, B, 231, Fr. 3. 151 Die erste systematische Auslegung des Satzes des Parmenides befindet sich in der heideggerschen Vorlesung vom SS 1935 Einführung in die Metaphysik, hrsg. von P. Jaeger, GA 40, 1983, 143–153, 174–181. Heidegger widmet ihm den Vortrag Der Satz der Identität (1957), der zuerst in Identität und Differenz, Neske, Pfullingen 1957, veröffentlicht wurde. Die beiden in diesem Bändchen enthaltenen Schriften (Der Satz der Identität und Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik) wurden im gleichnamigen Band der Gesamtausgabe (GA 11) wiederabgedruckt. Zwei gleiche Fassungen des Textes über die Identität befinden sich in GA 79, 115–129, und in GA 11, 33–79. Die Seitenzahl, die im Folgenden anzugeben ist, bezieht sich auf diesen letztgenannten Band der Gesamtausgabe.
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Heideggers Meinung nach wird im „tÎ atü“ des Parmenides gesagt, dass Sein und Denken ursprünglich aufeinander angewiesen sind, und zwar so, dass sie aus einer »Zwiefalt« entspringen, kraft deren das noe¦n vom eønai wesentlich gebraucht wird.152 Eine solche Zwiefalt ist gleichursprünglich mit einer verborgeneren Zwiefalt, die dem Sein selbst so eigen ist, dass dieses ausschließlich in ihr west. Diese weitere Zwiefalt ist gerade das, was das Denken für seine Entfaltung so sehr braucht, dass es ursprünglich mit ihr zusammengehört. Die Zwiefalt im Sein selbst, die die Zwiefalt von Sein und Denken einschließt, kommt im VI. Fragment des Parmenides: »xrÌ tÎ lÝgein te noe¦n t' În æmmenai«153 zur Sprache. Heidegger hebt den Hauptzug des Denkens hervor, indem er das Wesensgefüge von lÝgein und noe¦n in seinem Wechselbezug zum ün berücksichtigt. Zuerst übersetzt er „lÝgein“ wörtlich durch „Vorliegenlassen“, „ün“ durch „Seiend“, „æmmenai“ durch „Sein“ und „noe¦n“ nicht wie gewöhnlich durch „vernehmen“, sondern durch „In-die-Acht-nehmen“ (da das im noe¦n Vernommene uns so angeht, »daß wir es eigens vornehmen«154, in die Acht nehmen). Danach ersetzt er „æmmenai“ mit „ün“ aufgrund des Sprachgebrauchs von Parmenides, der »oft für æmmenai, eønai auch das Wort ün« verwendet, und überträgt das Ende des Satzes in die Wendung: »În ün«155. Zur sachlichen Rechtfertigung dieser Wiederholung lenkt Heidegger die Aufmerksamkeit auf die Zweideutigkeit des Wortes „ün“, das sich als Partizipium »auf solches bezogen bleibt, das in sich zwiefältig ist«156. Das Zeitwort „ün“, »das [ein] alle möglichen anderen zu sich versammelnde[s] Participium « ist, besitzt eine nominale Bedeutung, in der es das Seiende – z. B. »einen vorliegenden Berg« – bezeichnet, und eine verbale Bedeutung, gemäß der es das Wesende im Seienden – z. B. »das Seiende am Berg«157 – betrifft. Diese zwei Bedeutungen Vgl. M. Heidegger, Was heisst Denken?, hrsg. von P.-L. Coriando, GA 8, 2002, 245. H. Diels/W. Kranz, Die Fragmente der Vorsokratiker, a. a. O., 232, Fr. 6, von Heidegger angeführt in GA 8, 105. Heidegger erklärt die Zusammengehörigkeit von Sein und Denken mithilfe der Fragmente 3., 6. und 8., die er in der Vorbereitung für die nicht gehaltene 12. Sitzung der Vorlesung Was heisst Denken? parallel auslegt. Die Aufzeichnungen zu dieser Vorbereitung wurden in Moira (Parmenides, Fragment VIII, 34–41) überarbeitet. Vgl. M. Heidegger, Colloquium über Dialektik. Anhang: Letzte, nicht vorgetragene Vorlesung (XII) aus dem Sommersemester 1952, hrsg. von G. van Kerckhoven, Hegel-Studien, Bd. 25 (1990), 9–40 (das Colloquium ist wiederabgedruckt in Seminare: Hegel – Schelling, hrsg. vom P. Trawny, GA 86, 2011, 745–763), und Moira, a. a. O., 235–261. 154 GA 8, 206. Zur heideggerschen Etymologie von „lügoò“ vgl. G. Gregorio, Vor der Metaphysik? Heidegger, Heraklit und die Suche nach einer „ursprünglicheren Logik“, in P.-L. Coriando/T. Röck (Hrsg.), Perspektiven der Metaphysik im „postmetaphysischen“ Zeitalter, Duncker & Humblot, Berlin 2014, 148–153. 155 GA 8, 223. 156 Ebd., 224. 157 Ebd., 225, 229. Zu der vom Wort „ün“ genannten Zwiefalt vgl. M. Heidegger, Colloquium über Dialektik, a. a. O., 26–27; Moira, a. a. O., 245; Der Spruch des Anaximander, a. a. O., 351; Hegels Begriff der Erfahrung, in GA 5, 175–176. 152 153
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haften nicht zwei verschiedenartigen Objekten an, da das Seiende immer im Sein west und das Sein sich allein als Wesen eines Seienden gibt. Das Participium „ün“ meint darum die Zwiefalt von Seiendem und Sein, der das Denken – laut dem Ausspruch Parmenides – ausgesetzt ist. Aufgrund des „Ungesprochenen“ der ausgelegten griechischen Wörter gibt Heidegger den Sinn des ganzen Satzes des Parmenides folgendermaßen wieder: »Es brauchet das Vorliegenlassen so (das) Indie-Acht-nehmen auch: Seiendes seiend.«158 Wozu das Denken von der Zwiefalt »Seiendes seiend« gebraucht wird, kommt ans Licht, wenn man bedenkt, dass das Sein von den Griechen als das „Anwesen“ erfahren wurde. Wenn das „Seiend des Seienden“ als das „Anwesend des Anwesenden“ erfasst wird, dann lässt es sich einsehen, dass die im Wort „ün“ mitgemeinte Zwiefalt ein Denken braucht, das das Heraustreten von etwas aus der Verborgenheit in die Unverborgenheit, d. h. die „Anwesung“ von etwas, vollbringen kann: Indem das Denken das „Anwesend“ in seinem Anwesen vernimmt, entbirgt es es und lässt somit die Zwiefalt von Anwesen und Anwesendem sich entfalten. Auf solche Weise entbergend, gehört das Denken dem Unverborgenheitsgeschehen als solchem und bleibt in der von ihm eröffneten Lichtung des Anwesens – in der lÞeia – einbehalten.159 Heidegger erklärt eine solche Entfaltung der Zwiefalt am Beispiel eines Gebirges. Das Denken, das das Gebirge „in-die-Acht“ nimmt und vorliegen lässt, richtet sich auf es »nicht hinsichtlich seines geologischen Baues« oder »seiner geographischen Lage, sondern lediglich im Hinblick auf sein Anwesen«160. Dieses Denken lässt somit das Gebirge als etwas Anwesendes erscheinen und vollbringt sein Aufgehen in das Unverborgene – in seine Landschaft. Dass Heidegger hierbei auf die Montagne Sainte-Victoire anspielt, wird aus dem Gedicht Cézanne ersichtlich, das er nach seinem Besuch des Ateliers des Malers während des Seminars vom Jahre 1968 verfasst und dreimal umschreibt. § 8. Der „Schritt zurück“ aus der Technik: Der Einblick in das Seinsgeschick 1. Einzigartigkeit und Ziel des Gedichts Cézanne Cézanne stellt eine merkwürdige Vollzugsweise der heideggerschen Auseinandersetzung mit der Kunst dar, da sie keine künstlerische Besinnung im strengen 158 GA 8, 228. Zu dem Ergänzungsbezug von noe¦n und lÝgein vgl. M. Heidegger, Colloquium über Dialektik, a. a. O., 28, und Moira, a. a. O., 248–249. 159 Vgl. M. Heidegger, Colloquium über Dialektik, a. a. O., 27–28, 31; Moira, a. a. O., 251–252, 255; Nachtrag, in GA 15, 401; Seminar in Zähringen 1973, a. a. O., 395–398, wo Heidegger das erste Fragment des Parmenides auslegt und behauptet, das »nichtzitternde Herz« der lÞeia sei »tÎ ün«: »Die lÞeia ist keine leere Offenheit «, sondern »die Entbergung, die das ün schicklich umkreist« (398). 160 GA 8, 240. Das Beispiel des Gebirges findet sich auch in GA 73.2, 1250.
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Sinne und auch kein bloßes Gedicht ist. Cézanne ist zwar ein Beispiel desjenigen »dichterischen Denkens«161, das Heidegger durch die Verfassung von Gedichten seit der Mitte der Dreißigerjahre zwecks der Befreiung aus der metaphysischen Begrifflichkeit und der Herausarbeitung einer dem Ereignis-Denken angemessenen Sprache entwickelt. Dieses Gedicht betrifft doch nicht das Wahrheitsgeschehen als solches, sondern eine von seinen ausgezeichneten Weisen, die sich in der Dichtung im weitesten Sinne ereignet und die durch die Malerei Cézannes in Anspruch genommen wird.162 Mit Cézanne ist Heidegger genauer darum bestrebt, das Vermögen der Kunst ans Licht zu bringen, sie auf sich selbst zu besinnen und ihre eigene Wahrheit aufzuweisen: Cézanne will ein Kunstwerk sein, das diejenige Wahrheit erscheinen lässt, welche ein anderes Kunstwerk birgt, und zwar das von Cézanne gemalte Bild des Gärtners Vallier am Chemin des Lauves, der Montagne Sainte-Victoire gegenüber. Heideggers Gedicht – das sich keineswegs anmaßt, eine philologisch echte, kunsthistorische Auslegung zu sein163 – bezieht sich auf das »Spätwerk«164 des 161 Die Gleichursprünglichkeit von Dichten und Denken wird von Heidegger seit dem Jahre 1934 so stark behauptet, dass er von einem »dichterisch-denkerischen Wissen« (M. Heidegger, Hölderlins Hymnen »Germanien« und »Der Rhein«, hrsg. von S. Ziegler, GA 39, 1980, 286), von einem »dichtenden Denken« und einem »denkerischen Dichten« (GA 40, 153) spricht. Flavio Cassinari bemerkt, die heideggersche Besinnung habe diese Gleichursprünglichkeit verkörpert, da das Schreiben von Gedichten das Denken Heideggers während seiner ganzen Entwicklung mitkonstituiert habe (vgl. F. Cassinari, Martin Heidegger. Il pensiero poetante. La produzione lirica heideggeriana (1910–1075), Mimesis, Milano 2000, 13–24). Zu der Auseinandersetzung Heideggers mit Nietzsche und Hölderlin als Voraussetzung des heideggerschen Stils vgl. B. E. Babich, Heideggers Stil. Philosophie und Dichtung, in A. Denker/H. Zaborowski/J. Zimmermann (Hrsg.), Heidegger und die Dichtung, Heidegger-Jahrbuch, Bd. 8, Alber, Freiburg i. Br./München 2014, 54–73. 162 Unter den Bergungsweisen, die von den ausgezeichneten Wahrheitsgeschehnisweisen gefordert werden, fallen die Kunst und das Fragen des Denkens (vgl. M. Heidegger, Der Ursprung des Kunstwerkes, a. a. O., 49), die die Seynswahrheit »denkerisch« und »dichterisch« (vgl. GA 65, 302) geschehen lassen. Manchmal listet Heidegger auch eine »Bergung der Wahrheit [. . .] als Machenschaft (Technik-Maschine) « (GA 73.1, 75. Vgl. 95) auf, die sich höchst wahrscheinlich in einer Kunst vollzieht, die das herausfordernde Entbergen der Technik ans Licht treten lässt. 163 Heideggers Einstellung gegenüber den Künstlern ist ähnlich wie diejenige gegenüber den Denkern: Er möchte keine Methode »der historischen Philologie« anwenden, sondern »ein denkendes Gespräch zwischen Denkenden« (M. Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik, hrsg. von F.-W. von Herrmann, GA 3, 1991, XVII) – im Falle von Cézanne zwischen Dichtenden im weitesten Sinne, d. h. zwischen Cézanne und Heidegger – führen. Daher sind die Kritiken, die seit dem Artikel Meyer Shapiros (The Still Life as a Personal Object – A note on Heidegger and van Gogh, in M. L. Simmel (ed.), The Reach of Mind, Springer Verlag, New York 1968, 203–209) gegen die heideggerschen Auslegungen von Kunstwerken geäußert wurden, zumeist unzutreffend. 164 M. Heidegger, Cézanne, in GA 13, 223 (= C1), II. Str. Zu dem nicht nur historischen Sinn, sondern der Bedeutung eher von künstlerischer Reifevollendung, die im Wort
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Malers, d. h. die späteste Schaffensperiode (ab 1890) und wohl die letzten zwei Lebensjahre (1905–1906), aus denen viele Vallier-Bilder stammen. Die erste Fassung von Cézanne gehört zum Gedichtzyklus Gedachtes, der im Jahre 1970 niedergeschrieben wird. Aus ihm greift Heidegger das einzelne Stück Cézanne in den nachfolgenden Jahren heraus, das er zu einer »späteren Fassung« und zu einer »dritten« Version umarbeitet, die posthum im Band Gedachtes erschienen sind.165 Einige Fingerzeige zum Verständnis des Gedichtes geben die zweite Strophe der ersten Fassung und die der späteren und längeren Fassung beigelegte Erläuterung, wo Heidegger der Realisation Cézannes eine seynsgeschichtliche Bedeutung zuweist.166 Er schreibt, die Realisation sei »das Erscheinen des Anwesenden in der Lichtung des Anwesens«, und zwar so, dass die Zwiefalt von Anwesendem und Anwesenheit nicht allein entfaltet, sondern vielmehr »verwunden [. . .] in der Einfalt des reinen Scheinens seiner Bilder«167, »verwandelt in eine geheimnisvolle Identität «168 sei. Heidegger bringt diese Verwindung mit der Überwindung der ontologischen Differenz zwischen Sein und Seiendem in Zusammenhang und merkt an, die ontologische Differenz lasse sich erst durch ihre Erfahrung und ihr tiefstes Verständnis überwinden. All dies könne allein auf der Basis der Entfaltung der in Sein und Zeit (1927) gestellten Seinsfrage kraft des Erfassens des Seinsgeschickes erlangt werden. Um das zu begreifen, was Heidegger hierbei feststellt, ist es nötig, die Verweise zu beachten, die sich in der späteren und in der dritten Fassung von Cézanne befin„Spätwerk“ gemeint ist, vgl. G. Seubold, Der Pfad ins Selbe, a. a. O., 67, und K. Badt, Das Spätwerk Cézannes, a. a. O., 5–6, 23–24. 165 Die „erste Fassung“ von Cézanne wurde zuerst im Band D. Fourcade (dir.), René Char, Edition de l’Herne, Paris 1971, dann im 13. Band der Gesamtausgabe (Aus der Erfahrung des Denkens 1910–1976) veröffentlicht. Die „spätere Fassung“ wurde im Jahre 1974 geschrieben und den Angehörigen und den Freunden zum Weihnachtsfest 1975 geschenkt. Sie wurde zuerst als Jahresgabe 1991 der Martin-Heidegger-Gesellschaft veröffentlicht und dann in M. Heidegger, Gedachtes, hrsg. von P.-L. Coriando, GA 81, 2005, 347–348 (= CsF), wieder abgedruckt. Von der „dritten Fassung“ bestehen zwei Varianten, die sich nur durch ein Wort in der zweiten Strophe („bemerkliches“ I. Variante, „merkliches“ II. Variante) unterscheiden. Beide befanden sich in den Handschriften, die Frau Elfride Heidegger dem Heidegger-Nachlass im Deutschen Literaturarchiv nach 1976 hinzufügte, und wurden in GA 81, 303, 327 (= C3), abgedruckt. Die II. Str. der ersten Fassung, die I., die III. und die Schlussanmerkung der späteren Fassung sind nicht bei den anderen Fassungen zu finden. 166 Vgl. C1, II. Str., und die Schlussanmerkung von CsF, wo Heidegger die Realisation als eine geschichtliche Weise der Seynswahrheit bezeichnet, weshalb es so aussieht, als ob er das in Aus der Erfahrung des Denkens (in GA 13, 84) Geschriebene anwenden würde: »Aber das denkende Dichten ist in der Wahrheit // die Topologie des Seyns.« 167 CsF, Schlussanmerkung. Um diesen Satz zu erläutern, übersetzt François Fédier das Wort „Lichtung“ mit dem französischen Substantiv „allégie“: Das Anwesen, das alle Weltverhältnisse ermöglicht, kann nur aufgrund des Vermögens von „allégir“ es selbst sein (vgl. F. Fédier, . . . Voir sous le voile de l’interprétation . . ., a. a. O., 341–344). 168 C1, II. Str.
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den.169 Heidegger hält zur Erwägung der Stelle in der Vorlesung Was heisst Denken? an, wo der Sinn der Worte „eønai“ und „ün“ als „an-wesen“ beispielhalber durch ein anwesendes Gebirge erhellt wird. Daran anschließend fordert er dazu auf, den Hinweis am Ende des Bandes Unterwegs zur Sprache in Betracht zu ziehen, der die Termini „Zwiefalt“ und „Unter-Schied“ betrifft, die auch in den Texten Aus einem Gespräch von der Sprache (1953–1954) und Die Sprache (1950) vorkommen. In Unterwegs zur Sprache hatte Heidegger allerdings auf Was heisst Denken? und auf Identität und Differenz für die Erläuterung jener Begriffe verwiesen. In diesen beiden Schriften wird der Denkweg zurückgelegt, der in der Anmerkung zu Cézanne geschildert ist. 2. Von der Vergessenheit der ontologischen Differenz zur Erfahrung des Austrags von Welt und Ding Gegen Ende der Vorlesung Was heisst Denken? stellt Heidegger heraus, dass das Anwesen des Anwesenden als es selbst nicht einmal bei den Griechen fragwürdig wurde: Erstaunt über das unverborgene Anwesende, fragten die frühen Denker nie nach der es umkreisenden Lichtung, nach der Un-verborgenheit als solcher. Die Griechen erfuhren sie in der Gestalt der -lÞeia und ließen die ihr unmittelbar angehörige LÞh unbeachtet.170 Folglich wurde die Verborgenheit und zugleich die aus ihr entsprungene Zwiefalt von Anwesen und Anwesendem allmählich vergessen. Dies geschah aber nicht zufällig oder aufgrund irgendwelcher Nachlässigkeit.171 In der Überarbeitung der 12. nicht gehaltenen Sitzung von Was heisst Denken? legt Heidegger das VIII. Fragment des Parmenides aus – ». . .peÍ tü ge Mo¦r' pÝhsen // olon kßnhtün t' æmmenai. «172 – und übersetzt das Wort „Mo¦ra“ mit „Zuteilung“, die er als »Geschick des „Seins“ im Sinne des ün« erläutert: 169 Heidegger verweist auf Was heißt Denken?, Pfullingen, Neske 1954, 144 (GA 8, 240–241), und auf Unterwegs zur Sprache, Pfullingen, Neske 1959, 269 (GA 12, 260). Auf diese Schriften zwecks der Verdeutlichung der „Zwiefalt“ und des „Unter-Schieds“ wird auch in GA 73.2, 1409–1410, 1427 hingewiesen. 170 Vgl. M. Heidegger, Moira, a. a. O., 246, 252. Zu der Tatsache, dass die lÞeia somit „grundlos“ geblieben war, vgl. Grundfragen der Philosophie. Ausgewählte »Probleme« der »Logik«, hrsg. von F.-W. von Herrmann, GA 45, 1984, 121; zu der „ästhetischen“ Folge dieses »Nichtbewältigens der Wahrheit« vgl. desweiteren Zur Überwindung der Aesthetik, a. a. O., 6. In Das Ende der Philosophie, a. a. O., 88, nimmt Heidegger von der griechischen Erfahrung der -lÞeia Anfang, um festzustellen, dass es nötig ist, die in ihr unentfaltete LÞh anzudenken und die Wahrheit nicht mehr als »bloße Lichtung von Anwesenheit «, sondern als »Lichtung des Sichverbergens« des Seins selbst zu erfahren. 171 Vgl. M. Heidegger, Zur Seinsfrage, a. a. O., 415, und Der Spruch des Anaximander, a. a. O., 364. 172 H. Diels/W. Kranz, Die Fragmente der Vorsokratiker, a. a. O., 238, Fr. 8, von Heidegger angeführt in Moira, a. a. O., 256.
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Das ün ist nichts anders als eine Schickung des Seins selbst, welches sich als Anwesen des Anwesenden derart schickt, dass sich die Zwiefalt beider im Verborgenen zurückhält und somit das Anwesende hervorkommen lässt. Dieses Seinsgeschick veranlasst die Vergessenheit der Anwesung als solche und die Verkennung der Zwiefalt, die vom Denken her als eine bloße Unterscheidung zwischen dem, was schon immer zugrunde liegt – die osßa, das Sein als ständige Anwesenheit, das Apriori in der Ordnung des Vor-stellens – und dem, was auf diesem Grund „da“ ist – das én im Sinne des Seienden als Vorhandenes, das Aposteriori – sichtbar geworden ist.173 Das metaphysische Denken fragte deshalb nie nach dem Sein selbst, sondern allein nach dem Sein des Seienden. Überdies kam die Unterscheidung zwischen Sein und Seiendem – die die Metaphysik tragende ontologische Differenz – gar nicht in den Blick. Seine frühe Spur wurde ganz ausgelöscht, sobald das Sein als das Höchste im Seienden bzw. die Bedingungsmöglichkeit des Seienden vorgestellt und letztlich dem Gestell ausgehändigt wurde.174 Die ontologische Differenz nun zu erfahren ist deswegen unentbehrlich, um einen »Schritt zurück« aus der Metaphysik und der Technik in das Wesen des metaphysischen Denkens und der modernen Technologie zu vollziehen. In Identität und Differenz fügt Heidegger jedoch hinzu, dass es nicht genügt, bei der ontologischen Differenz stehen zu bleiben. Sie beachtet zu haben, war der Verdienst des in Sein und Zeit verfolgten Weges. Jener Weg führt aber über die ontologische Differenz hinaus, da er bis zu ihrer Wesensherkunft gelangt. Diese Wesens-
173 Vgl. M. Heidegger, Was heisst Denken?, a. a. O., 232; Colloquium über Dialektik, a. a. O., 33; Moira, a. a. O., 256–257. Heidegger geht die Etappen durch, die den Übergang von der ersten Seinsauffassung als Anwesung zum Verständnis des Seins als ständig anwesende Seiendheit vollzogen haben, in Vom Wesen und Begriff der Fýsiò. Aristoteles, Physik B, 1, in GA 9, 260–272. Den Rückweg beschreibt Heidegger in Protokoll zu einem Seminar über den Vortrag „Zeit und Sein“, in GA 14, 45–46, und in Seminar in Le Thor 1969, a. a. O., 364–365. Hierbei verdeutlicht er die Zwiefalt als „Anwesenlassen“, das dreifach auslegbar ist: als „Anwesenlassen“, d. h. hinsichtlich des Seins des Seienden, und mithin des von der Metaphysik vorausgesetzten Unterschieds von Sein und Seiendem; als „Anwesenlassen“ im Sinne des Seins selbst; als „Lassen das Anwesen“, im Hinblick auf das Ereignis. Dieser Sachverhalt wird ausgeführt in GA 73.2, 1250, 1327, 1330–1333, 1335–1339, 1344–1347. 174 Zu den Spuren der Zwiefalt in der ontologischen Differenz, die dem genitivus objectivus und subjectivus in der Wortfügung „Sein des Seienden“ zugrunde liegt, vgl. M. Heidegger, Was heisst Denken?, a. a. O., 231; Colloquium über Dialektik, a. a. O., 27; Moira, a. a. O., 245; Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik, in GA 11, 68. Die bedeutsamste Stellen der heideggerschen Schriften, die auf die Unzulänglichkeit der ontologischen Differenz eingehen, welche keineswegs den Bezug des Seins selbst zum Seienden begreift, der eher als Austrag und Unter-schied zu erfassen ist, werden aufgelistet in GA 73.2, 1041. Auf den S. 1334, 1340–1342, 1374 verweist Heidegger auf F.-W. von Herrmann, Die Selbstinterpretation Martin Heideggers, Meisenheim am Glan, Anton Hain 1964, 170–180, wo die ontologische Differenz erläutert wird.
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herkunft deckt sich mit demjenigen Ort, wo einerseits das Sein zum Seienden übergeht, um dieses Letztere entbergen zu lassen; anderseits das Seiende in die Unverborgenheit tritt, indem es das Sein birgt. Wenn das Sein »als die entbergende Überkommnis« und das Seiende als die »in die Unverborgenheit sich bergend[e] Ankunft« des Seins angesehen wird; und wenn Überkommnis und Ankunft in einem »Zwischen« geschehen, worin sie zueinander gehalten und gerade dadurch auseinander getragen sind; dann ist »der Unter-Schied von Überkommnis und Ankunft« bzw. »der entbergend-bergende Austrag beider« die Wesensherkunft, der »Vorort«175 der ontologischen Differenz. Der Unter-Schied bzw. der Austrag von Überkommnis (Sein) und Ankunft (Seiendem) stellt zwar die Überwindung der ontologischen Differenz dar. Er macht dennoch kein Endziel des »Schritt[s] zurück aus der Vergessenheit der Differenz als solcher« aus: Höher als der Unter-Schied von Sein und Seiendem steht »das Ereignis als Befugnis des Ge-Vierts [,] das Ding«176. 3. Das Ereignis als die Verwindung der Zwiefalt von Anwesen und Anwesendem Indem Heidegger das Ding in einer Randbemerkung von Identität und Differenz erwähnt, weist er implizit auf den Vortrag Die Sprache zurück, der seinerseits ausgehend von Identität und Differenz geklärt werden sollte. In jenem Vortrag hatte Heidegger das Verhältnis von Welt und Ding als den Unter-Schied – welcher Welt und Ding auseinander und doch zueinander hält – und als den Austrag – welcher sie in ihr Wesen aus- und dadurch einander zuträgt – gekennzeichnet.177 Wenn 175 M. Heidegger, Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik, a. a. O., 71, 73. Vgl. 75, wo die Ableitung des Begründungszusammenhanges zwischen Sein und Seiendem, der in der Metaphysik gilt, aus dem Austrag erläutert wird. 176 Ebd., 73, 78, Fn. 77. Diese Anmerkung befindet sich nicht in der ersten Ausgabe von Identität und Differenz, sondern ist eine Randbemerkung, die Heidegger in sein Handexemplar geschrieben hat und die als Fußnote von dem Herausgeber der Gesamtausgabe hinzugefügt wurde (vgl. F.-W. von Herrmann, Nachwort des Herausgebers, in GA 11, 164). Vermutlich ist sie gleichzeitig mit den späten Aufzeichnungen entstanden, in denen Heidegger, auf seinen Denkweg zurückblickend, den Ansatz der ontologischen Differenz und sogar denjenigen von Identität und Differenz als „unzureichend“ bezeichnet und zur verwandelnden Verwindung der Zwiefalt ins enteignende Ereignis auffordert (vgl. GA 73.2, 959–962, 1330–1366, 1408–1409, 1427–1431, 1465–1472). 177 Vgl. M. Heidegger, Die Sprache, in GA 12, 21–23, 26–27. In Protokoll zu einem Seminar, a. a. O., 46, stellt Heidegger klar, das Verhältnis zwischen Anwesen und Anwesendem zeige sich vom Ereignis her als das Verhältnis von Welt und Ding. In den Entwürfen zum Vortrag Das Ding zuerst führt Heidegger die Differenz auf den Unter-Schied und diesen auf »Das Ver-Hältnis für Welt zu Ding und Ding aus Welt« zurück; dann schließt er: »Das Ver-Hältnis ereignet im Er-Eignis« (Zum Ding-Vortrag (für Zusammenhang), in GA 79, 22). Zu den verschiedenen Auffassungen des Verhältnisses zwischen Welt und Ding bei Heidegger, und zu der maßgebenden Rolle, die der Mensch bei der Offenbarung der Welt in dem Ding spielt, vgl. K. Held, Die Welt und die Dinge. Zur Deutung der Philo-
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aber die Welt das »Spiegel-Spiel« des Gevierts ist, das sich durch den Menschen im Ding ereignet, dann erweist sich dieses Ereignis als der Ursprung jeglichen Unter-Schieds. Denn »das Ereignis als Befugnis des Ge-Vierts« ist nichts weiter als das Geschehen der Seynswahrheit, in dem das Menschenwesen vom Sein selbst zur Eröffnung einer Lichtung gebraucht wird, innerhalb der erst Welt und Ding, Überkommnis und Ankunft, Anwesen und Anwesendes unterscheidbar werden. Das Ereignis geschieht als derjenige »Bezug des Menschenwesens zur Zwiefalt von Anwesen und Anwesendem«178, der in Aus einem Gespräch von der Sprache als das Eigene des Mensch-seins genannt wird. Als Zusammengehören von Mensch und Sein selbst ist das Ereignis das Wesen der Identität, die im tÎ atü von noe¦n und eønai des III. Fragments des Parmenides hörbar ist.179 Schließlich ist das Ereignis das, was das Sein in verschiedenen geschichtlichen Prägungen gibt.180 Es gibt das Sein in der Gestalt des ün am Anfang seiner Geschichte, deshalb wird die Zwiefalt von Anwesen und Anwesendem im Ereignis »verwunden«181: auf ihren Ursprung zurückgeführt und in ihn aufgenommen. Das Ereignis schickt auch das Sein heutzutage, und zwar in der Gestalt des Ge-stells. Die »Erfahrung des Seinsgeschickes«182, die in der Anmerkung zur späteren Fassung von Cézanne verlangt wird, ist deswegen das Ergreifen des Ge-stells als nichts Letztes und Absolutes, sondern als das, was »uns erst Jenes zuspielt, was die Konstellation von Sein und Mensch eigentlich durchwaltet«, d. h. als ein »Vorspiel«183 des Ereignisses. Im Vortrag Der Satz der Identität schreibt Heidegger, ein solches Ergreifen bereite die Möglichkeit vor, dass das Ereignis »das bloße Walten des Ge-stells in sophie Martin Heideggers, in C. Jamme/K. Harries (Hrsg.), Martin Heidegger, a. a. O., 319–333. 178 M. Heidegger, Aus einem Gespräch von der Sprache, in GA 12, 118. Vgl. auch 116– 120. Hierbei wird der Bezug des Menschen zur Zwiefalt auf dieselbe Weise erläutert wie das Verhältnis zwischen Ding und Welt im Vortrag Die Sprache – d. h. hinsichtlich der Sprache. 179 Vgl. M. Heidegger, Der Satz der Identität, a. a. O., 47–48. 180 Vgl. M. Heidegger, Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik, a. a. O., 72– 73. 181 Vgl. M. Heidegger, Seminar in Le Thor 1969, a. a. O., 365–367, und Protokoll zu einem Seminar, a. a. O., 40–41. Die „Verwindung“ der Zwiefalt, wovon bei Cézanne die Rede ist, muss anhand dieser Stellen verstanden werden: Das „es“, das das Sein geschichtlich gibt bzw. schickt, ist das Ereignis, das es ermöglicht, das »Sein ohne das Seiende zu denken«, d. h. das Sein nicht mehr metaphysisch (umwillen des Seienden und in Bezug auf seine Begründung) zu begreifen. 182 CsF, Schlussanmerkung. 183 M. Heidegger, Der Satz der Identität, a. a. O., 45–46. In Seminar in Le Thor 1969, a. a. O., 367–370, folgt Heidegger dem »Vorzeichen « des Ereignisses nach, das sich im Wesen der Technik ankündigt, und deutet die Verwindung des Gestells als die Erfahrung des »Brauches« des Menschen durch das Sein selbst und der entsprechenden Endlichkeit des Seins.
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ein anfänglicheres Ereignen verwindet. Eine solche Verwindung des Ge-stells aus dem Er-eignis in dieses brächte die ereignishafte, also niemals vom Menschen allein machbare, Zurücknahme der technischen Welt aus ihrer Herrschaft zur Dienstschaft innerhalb des Bereiches, durch den der Mensch eigentlicher in das Ereignis reicht.«184 Die Technik würde keineswegs aufgegeben: Vielmehr würde der Mensch ihr nicht mehr blind ausgeliefert, da er sich durch sie in einem grundlegenden neuen Verhältnis zum Sein – das einzige, das für ihn in diesem geschichtlichen Augenblick möglich ist – befände. Dieses »gleichzeitig „ja“ und „nein“ «185 zu der technischen Welt, das Heidegger schon in Gelassenheit entwirft, verkörpert sich in »der Gestalt // des alten Gärtners Vallier «186, von Cézanne mehrmals gemalt. Laut der Schlussanmerkung zur späteren Fassung von Cézanne bereitet erst »der Einblick in« das Seinsgeschick »den Gang in das Wegfeld vor, der sich in das einfache Sagen in der Weise eines Nennens des Vorenthaltenen findet, dem das Denken ausgesetzt bleibt«. Das Denken, das dem Ereignis schon immer (obzwar unbewusst) ausgesetzt ist, es dank einem »einfachen Sagen«, einem von jeglicher begrifflich-spekulativen Vermittlung befreiten »Nennen« erst erfassen kann, wenn es sich dem vorenthaltenen Wesen der Technik öffnet. Ein solches „Sicheinlassen“ auf das Ereignis ist bereits »realisiert« in demjenigen Gemälde Cézannes, worauf sich das Gedicht Heideggers bezieht. Im Folgenden gilt es zu versuchen, diese Verortung als den vollendeten Höhepunkt der Auseinandersetzung Heideggers mit Cézanne anhand des erläuterten Zusammenhangs von Denken, Kunst und Technik auszulegen. § 9. Cézanne und Montagne St. Victoire: Zu einem denkerisch-dichterischen Wohnen in dem Weltgebäude 1. Das Wahrheitsgeschehen im „Ge-Birg heiligen Sieges“ Alle drei Fassungen von Cézanne widmen dem Gärtner Vallier eine ganze Strophe.187 Der Gärtner stellt das Gegenbild des im Dienste der technologischen 184 M. Heidegger, Der Satz der Identität, a. a. O., 46. Dieser Absatz lässt sich für einen Hinweis auf einen Zustand halten, den Elmar Weinmayr als ein »Zugleich« von verschiedenen Zeitaltern, Welten, Haltungen charakterisiert und in Japan als schon vorhanden ansieht (vgl. E. Weinmayr, Der ›andere Anfang‹ im Zugleich verschiedener Zeiten und Welten, in T. Buchheim (Hrsg.), Destruktion und Übersetzung, a. a. O., 77–84). 185 M. Heidegger, Gelassenheit, a. a. O., 527. 186 Vgl. C1, I. Str.; CsF, II. Str.; C3, III. Str. Welche von den mehreren Vallier-Bildern Heidegger im Auge hatte, ist nicht bekannt, aber auch nicht wichtig: Zwar ist das Kunstwerk im Unterschied zu dem technischen Werk einzig und malt »Der Maler [. . .] sein Bild einmal « (Aussage von Rausch, Gesprächspartner Heideggers in Kunst und Technik. Niederschrift einer Aussprache, a. a. O., 391); doch könnte jedes Vallier-Bild als ein einmaliges Ereignis des „Selben“ angesehen werden. 187 Vgl. C1, I. Str.; CsF, II Str.; C3, III. Str. Die unmittelbar folgenden Ausdrücke in Anführungszeichen befinden sich in diesen Strophen.
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Machenschaften stehenden Menschen dar: Statt die Natur zu vergegenständlichen, zum verbrauchbaren Bestand zu machen oder gar durch künstlichen Stoff zu ersetzen, gibt Vallier sie frei, indem er »inständig« in ihr verweilt und sich zu ihr »nachdenksam« verhält. Die geschwätzige Betriebsamkeit des rechnenden Denkens bricht dem „gelassenen“ Vallier gegenüber auf, dessen »Stille« dem lautlosen Anspruch des Seins selbst entspricht.188 Die Stille ist die eigentliche Sprache eines „phänomenologischen“ Denkens, das sich in derjenigen Gartenpflege vollzieht189, durch die Vallier »Unscheinbares pflegte«. Diese Sprache ist ein lügoò, der Vallier auf sein eigenes Wesen „sammelt“, damit er, auf das Unscheinbare »winkend«190, es entfalten lässt. Indem sich der Gärtner »am chemin des Lauves« aufhält, gehört er unmittelbar »zum Gegenhimüber«191: Der »Blick«, den der Lauvesweg zu der Montagne Sainte-Victoire gewährt, die ihm gegenüber emporragt, ist nichts anderes als der Aufruf des Seins selbst, das das Denken Valliers „er-äugt“ und sich dadurch „an-eignet“192, damit es sich zur Selbigkeit des Er-eignisses hinleiten lässt. Daher dreht sich die dritte Stro188 Vgl. M. Heidegger, Die Sprache, a. a. O., 26–30, wo »das Geläut der Stille« als Wesen der Sprache bestimmt wird, das einerseits Welt und Ding in ihren Unter-Schied, in ihren Austrag und dadurch zu ihrem Wesen bringt; andererseits das Sprechen des Menschen braucht, um verlauten zu können; Das Wesen der Sprache, in GA 12, 204, wo »das Geläut der Stille« als die Sprache des Wesens definiert wird, die »die Gegenden des Weltgevierts in ihre Nähe be-wëgt«; Der Weg zur Sprache, a. a. O., 251, wo das Schweigen die Entsprechung »dem lautlosen Geläut der Stille der ereignend-zeigenden Sage« ist. Zu der Stille und der Möglichkeit, sie zu hören, vgl. G. Xiropaidis, Einkehr in die Stille: Bedingungen eines gewandelten Sagens in Heideggers „Der Weg zur Sprache“, Univ. Diss., Freiburg i. Br. 1991, und D. Espinet, Phänomenologie des Hörens. Eine Untersuchung im Ausgang von Martin Heidegger, Mohr Siebeck, Tübingen 2009. 189 Vgl. Heideggers Brief an Heinrich Wiegand Petzet vom 28. September 1971, wo Heidegger »das Denken der Arbeit des Gärtners Vallier « dem »Bilden von Begriffen« der Wissenschaft gegenüberstellt, indem er Petzet »die zweite Fassung« von Cézanne schickt (Ausgewählte Briefe Martin Heideggers an Heinrich Wiegand Petzet, a. a. O., 20). 190 Dieses Verb taucht nur in der späteren Fassung von Cézanne auf, obzwar die erste Fassung des Gedichts in demselben Band des Gedichtzyklus Winke enthalten ist, der mit der Erläuterung der „Winke“ als der dem Denken des Seyns eigenen Worte endet (vgl. M. Heidegger, Winke, a. a. O., 33). Die still „winkende“ Sprache von Vallier ist mit derjenigen Sage in Beziehung zu bringen, die »in die Ortschaft der Verwindung der Metaphysik zurückführt« und deren »Mehrdeutigkeit [. . .] der Garten der Wildnis« ist, »worin Wachstum und Pflege aus einer unbegreiflichen Innigkeit zueinander gestimmt sind« (Zur Seinsfrage, a. a. O., 424–425). Zu dieser Innigkeit, die auf die Zusammengehörigkeit von Seyn und Menschenwesen verweist, vgl. W. Ullrich, Der Garten der Wildnis: Eine Studie zu Martin Heideggers Ereignis-Denken, Fink, München 1996, 272–273. 191 CsF, III. Str. 192 Vgl. die schon zitierte Etymologie des Ereignisses (Fußnote 74). Zu dem Aufruf des Seyns und dem Ent-sprechen des Menschen als ursprüngliches Gespräch, das sich vor dem verlautenden Wort ereignet und einer »Ethik des Hörens« im Zusammengehören zugrunde liegt, vgl. C. Resta, L’accordo della parola, in Heidegger e l’etica, Con-tratto, anno II, gennaio-dicembre 1993, n. 1–2, 115–135.
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phe der späteren Fassung von Cézanne um den »Weg gewährend den Blick [. . .] // zum immer neu gesuchten Selben«: zu einer Zusammengehörigkeit, die »immer neu« zu erlangen ist, da sie keine zeitlose zusammengestückte Substanz ist, sondern sich je und je schickt. Dieses „Selbe“ wird als »Anwesen des „Ge-Birges // heiligen Sieges“«193 verdeutlicht, da der Gärtner vom Sein selbst zum Geschehen seiner Wahrheit in der Lichtung des Anwesens gebraucht wird. Eine solche Lichtung, aus dem Unscheinbaren sich eröffnend, birgt sein Geheimnis und versammelt alle Sinnrichtungen, die aus ihren Bedeutsamkeitsgegenden entspringen, auf ihre Ursprungsquelle: Die Montagne Sainte-Victoire, wörtlich das »Ge-Birg[e] heiligen Sieges«. Insofern die Montagne nach dem Heiligen der Göttlichen benannt wird, gen welche sie in den Himmel emporragt, indem sie ihre Wurzeln in den Erdboden schlägt, den der „alte“ Vallier sowie alle Sterblichen bebauen und behausen, vereinigt sie Göttliche und Sterbliche, Himmel und Erde, und lässt sich von ihnen be-dingen: Die Montagne Sainte-Victoire ist ein Ding, das den Gärtner be-dingt bzw. anspricht, damit er die von ihm versammelten Vier sich solcherweise ineinander einfügen lässt, dass ihr Geviert als das einfache Ereignis der Welt aufgehen kann. Allerdings wird in der ersten Strophe der späteren Fassung von Cézanne nicht allein der Berg, sondern das »Bild des Berges« als »Hort der Be-Fugnis, // fügend die Einfalt«194 bestimmt: Das Luberon-Gebirge ist nicht „an sich“ ein Ding. Es ist überhaupt kein Ding beispielweise für den Wirtschaftswissenschaftler – der den Luberon als einen in ökonomische Vorgänge einbezogenen »Grünraum«195 behandelt, der zwecks gewinnbringender Anlagen zu analysieren ist – oder für den Ernährungsindustriellen – der den Ackerboden zuerst abholzt, dann mit maschinell betriebenen Pflügen aufbricht, schließlich durch Schädlingsbekämpfungsmittel vergiftet. Auch ist Vallier gar kein Gärtner für den Sozialwissenschaftler – der ihn der Bevölkerungsstatistik wegen befragt –, und noch weniger für den Sucher der Digitalkamera des Touristen – der seine Gestalt zur Zielscheibe eines exotischen Interesses macht.196 193 CsF, III. Str. Vermutlich übernimmt Heidegger die Metaphorik des heiligen Berges nicht nur aus der religiösen Tradition (in der Gebirge wie Sinai, Tabor, Fuji eine entscheidende Rolle spielen), sondern auch von Hölderlins Dichtung, da er bei seiner Auslegung von Andenken schreibt: »Das vom Heiligen zuerst geschickte Fest bleibt der Ursprung der Geschichte. Die Geschichte ist „das Geschicht“, wie das Gebirge für die Berge, der ursprünglich einigende und bestimmende Grundzug der Geschichte des Schicksals« (M. Heidegger, Andenken, in GA 4, 106). Zum »Welt-Gebirg« bzw. »Ge-birg der Fuge des Ge-Vierts« vgl. GA 71, 50–54; GA 73.2, 1359–1360. 194 CsF, I. Str. 195 Vgl. die Beschreibung des Umgangs des Menschen als Techniker mit der Welt in M. Heidegger, Seminar in Le Thor 1969, a. a. O., 368–369; Die Frage nach der Technik, a. a. O., 15–16; Das Ge-stell, in GA 79, 26–29. 196 Vgl. die Beschreibung des Tourismusangriffs auf Griechenland in M. Heidegger, Zu Hölderlin. Griechenlandreisen, hrsg. von Ochwadt, GA 75, 2000, 221, 253, und die Ent-
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Erst das „phänomenologische“ Sehen Cézannes vermag, das Unscheinbare, d. h. das Ereignis der Seynswahrheit als das Anwesenlassen selbst zu erfahren und ihm im Werk zu winken197. Cézanne lässt sich von seinem Motiv bis zu seinem Anfangsgrund führen, der überhaupt kein allgemeingültiger Wesensbegriff ist, sondern die ereignishaft geschehende Zusammengehörigkeit von dem „Ge-Birg des Seins“ und seinem Hüter Vallier. Der Maler führt dieses Motiv weiter auf, indem er sich in das ganze Wahrheitsgeschehen einlässt und es in seinem Bild zum Vorschein bringt. Das Gemälde Cézannes „bestellt“ nichts und stellt auch keinen Gegenstand vor, genauso wie es kein Anwesendes wiedergibt. Die Montaigne St. Victoire entzieht vielmehr dem blinden Tun der Technik jegliches mögliche Seiende, da sie die Gebung selbst, die Schickung der ganzen Zwiefalt „Seiendes seiend“ vor jeglichem tatsächlichen Umgang geschehen lässt. Auf dieses Gebungsgeschehen zurückgeführt, wird das Anwesende und mithin die Zwiefalt von Anwesendem und Anwesenheit vor einer Vernutzung gerettet, die sich auf die Vergessenheit seines eigenen Wesensursprunges stützt. Deshalb behauptet die erste Strophe der dritten Fassung von Cézanne, »die drangvoll-bezweifelte Zwiefalt // des „Anwesend“« sei im Werk »gerettet «198. Die zweite Strophe der ersten Fassung erhellt, dass »die Zwiefalt [. . .] einfältig // geworden, „realisiert“ und verwunden zugleich, // verwandelt in eine geheimnisvolle Identität «199 ist. Das Wort „Identität“ wird wohl auf die Selbigkeit anspielen, die sich im Ereignis zwischen der Montagne Sainte-Victoire bzw. dem Seyn und Vallier vollzieht und durch die Malerei Cézannes zur Vollendung gebracht wird. Die letzte Strophe der späteren Fassung von Cézanne beginnt nämlich mit den Versen: »Die Bildnis: gegensetzung zweier Betrachtungsweisen des Rheines (»„Der Rhein“, verbaut in das Kraftwerk, und „Der Rhein“, gesagt aus dem Kunstwerk der gleichnamigen Hymne Hölderlins«) in Die Frage nach der Technik, a. a. O., 16–17, und Das Ge-stell, a. a. O., 29. 197 Auf das Werk als das das Welt-Geviert geschehenlassende Ding wird in GA 97, 457, 477 hingewiesen. In Für René Char zum Andenken an den großen Freund Georges Braque (GA 13, 183) hält Heidegger Braque für die Kehrseite von Cézanne: Wenn Cézanne das Anwesenlassen malt, erfährt Braque das Abwesen des Seins selbst, das sich in jenem Lassen verbirgt. Zu dem Vermögen des Werkes, den Aufgang selbst ans Licht zu bringen, vgl. C. Nielsen, Die entzogene Mitte: Gegenwart bei Heidegger, Königshausen & Neumann, Würzburg 2003, 102–104. 198 Das Verb „gerettet“ wie auch das Adjektiv „bezweifelt“ sind nur in der dritten Fassung des Gedichtes zu lesen. Zu der Notwendigkeit, politische und soziale Schlussfolgerungen aus dieser „Rettung“ zu ziehen, vgl. A. Borgmann, Technology, in H. L. Dreyfus/ M. A. Wrathall (eds.), A Companion to Heidegger, Blackwell Publishing, Malden 2005, 431. 199 C1, II. Str. Christoph Jamme behauptet, Cézanne mache die Zwiefalt zur Einfalt, indem »die Gegenstände (das „Anwesende“) [. . .] nicht mehr durch den Horizont eines metaphysischen Weltbildes oder durch einen pragmatischen Bezugsrahmen (die „Anwesenheit“) in ihrer Bedeutung festgelegt« (C. Jamme, »Zwiefalt« und »Einfalt«, a. a. O., 103) würden, sondern sich in ihrer Generierung betrachten ließen.
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Gärtner und Berg- // kaum bemerkliche Zeichen // des Pfads der Verwandlung // der Zwiefalt zur Einfalt.« Sie geht aber weiter: ». . . ins Selbe weisend der Herkunft // ahnenden Bildens und Denkens.«200 Dieses Verspaar arbeitet die letzte Strophe der ersten Fassung von Cézanne um, die demgegenüber mit einer Frage endet. Sie fragt nach etwas, das eine Antwort auf die andere Frage zu sein scheint, mit der der Gedichtzyklus Gedachtes beginnt. Gedachtes ist dem Dichter Char gewidmet und fängt mit den Worten an: »Für René Char // in freundschaftlichem Gedenken«, denen unmittelbar der Vers nachfolgt: »Wie weit?«201 Dem Vernehmen entsprechend, endet Cézanne mit der Terzine: »Zeigt sich hier ein Pfad, der in ein Zusam- // mengehören des Dichtens und des Denkens // führt?«202 Das Bild Cézannes und noch einsichtiger seine von Heidegger dichterisch ausgeführte Auslegung zeigt, inwiefern Dichten und Denken in einem ursprünglichen Verhältnis stehen und woraufhin sie in ihrer Einheit verweisen können. 2. Die seynsgeschichtliche Reichweite der Zusammengehörigkeit von Dichten und Denken Die „Identität“ von Dichten und Denken lässt sich zuerst in der Gestalt des Unscheinbaren pflegenden Gärtners Vallier anerkennen, sobald sie bezugnehmend auf die von Heidegger in den Fünfzigerjahren ausgeführte Auslegung des Pflegens als Bauen berücksichtigt wird. Im Vortrag Bauen Wohnen Denken (1951) hebt Heidegger hervor, dass das Pflegen eine Weise des Bauens ist, welches »das Wachstum« hütet, »das von sich aus seine Früchte zeitigt «203. Das Pflegen ist verschieden von demjenigen Bauen, das Bauwerke errichtet, aber beide sind Bauarten, die sich auf ein ursprüngliches Bauen, auf das Wohnen als Seinsweise des Menschen, zurückführen lassen. Denn das althochdeutsche Wort für „bauen“, „buan“, das auch die Wurzel der ersten und der zweiten Person des Verbs „sein“ („ich bin“, „du bist“) ist, bedeutet CsF, IV. Str. M. Heidegger, Gedachtes, in GA 13, 221. 202 C1, III. Str. Vgl. H. Koch, Erinnerung an Martin Heidegger, a. a. O., 18, wo Hans Koch berichtet, Heidegger habe ihm vorgeschlagen, gemeinsam ein Buch zu verfassen: Koch hätte zeichnen (»Bilden«) sollen und Heidegger hätte schreiben (»Denken«) wollen. Dem ungeachtet ist unter dem Wort „Bilden“, das am Ende von Cézanne steht, „Dichten“ im weitesten Sinne zu verstehen, denn Heidegger schließt den Gedichtzyklus Winke mit der Bemerkung: »Das Sagen des Denkens ist im Unterschied zum Wort der Dichtung bildlos« (M. Heidegger, Winke, a. a. O., 33). Nichtsdestotrotz ist der »Wesensunterschied zwischen Dichten und Denken [. . .] in der Unterscheidung des Bildhaften und des Bildlosen« »nicht unmittelbar « unterzubringen, da »das denkende Sagen nicht bildlos, sondern in seiner Weise bildhaft« ist (Heraklit, hrsg. von M. S. Frings, GA 55, 19943, 302). 203 M. Heidegger, Bauen Wohnen Denken, a. a. O., 149. 200 201
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„sich aufhalten“, „wohnen“.204 Das Zeitwort „wohnen“ stammt seinerseits aus dem gotischen „wunian“, das den Sinn von »zufrieden sein, zum Frieden gebracht «205 hat. Da »das Freie [. . .] bewahrt vor . . . d. h. geschont«206 bedeutet, ist das Schonen der Grundzug des Wohnens. Demgemäß „sind“ die Menschen, wenn sie, wohnend, durch das Bauen etwas schonen. Was geschont werden muss, ist einfacher dargestellt in der Rede Hebel – der Hausfreund (1957), wo das „Wohnen“ als »die Weise« erläutert wird, »nach der die Menschen auf der Erde unter dem Himmel die Wanderung von der Geburt bis in den Tod vollbringen «207: Die Menschen bewohnen die Dimension »zwischen Erde und Himmel, [. . .] Geburt und Tod«208, welche das Ge-viert ist, das sich den Sterblichen als Welt gibt. Um in der Welt bzw. in seinem eigentlichen »Haus« zu wohnen, muss der Mensch einen Ort vorbereiten, aus dem her sich die Welt eröffnen kann; anders gesagt: Der Mensch muss ein „Ding“ bauen, das das Geviert entfalten lässt. Wenn er das Maß für sein Bauen aus demselben Geviert nimmt, lässt er das Geviert in dem vom Ding einverleibten Ort einrichten209 und lässt sich
204 Ebd., 148–149. Derselbe Gedankengang, aber ohne den Umweg der Etymologie, findet sich in M. Heidegger, ». . . dichterisch wohnet der Mensch . . .«, in GA 7, 195. Dementsprechend bedeutet „bauen“ für Heidegger etwas Ursprünglicheres als „konstruieren“, und liegt jeder »Architektonik « (206) zugrunde. Gleichwohl haben sich manche Architekten von der heideggerschen Auffassung inspirieren lassen. Zu ihren Entwürfen vgl. H. Wielens (Hrsg.), Martin Heidegger inspiriert Künstler, Copperath, Münster 1994. Die heideggersche Begrifflichkeit wird für das Verständnis der Architektur in unserem Zeitalter nützlich gemacht in Z. Wang, Das Humane und die Technik. Eine Studie zu Martin Heidegger mit der Auslegung seines Konzeptes „Bauen Wohnen Denken“ und einem Nachdenken über das Wesen der Architektur, Tectum Verlag, Marburg 2010. 205 M. Heidegger, Bauen Wohnen Denken, a. a. O., 150. 206 Ebd., 150–151. 207 M. Heidegger, Hebel – der Hausfreund, in GA 13, 138–139. 208 Ebd., 139. Diese Dimension ist durch den „Dichter“ im weitesten Sinne gelichtet. Vgl. dazu die Sätze, die Heidegger dem Architekt Heiliger schreibt: »Ihre Werke stellen nichts mehr dar – sie stellen uns in den Aufenthalt im Irdischen von Erde und Himmel – die ins befreiende Freie wachsende Bewegung selber und gerade sie wird offenbar« (Bernard Heiliger, Katalog der Galerie im Erker, St. Gallen 1964, 18). 209 Vgl. M. Heidegger, Bauen Wohnen Denken, a. a. O., 160. Das Ding wird somit »als eine[r] Ort vor in das schon Anwesende« hervorgebracht, »das jetzt erst durch diesen Ort eingeräumt ist« (161). Heidegger wird in der Schrift Die Kunst und der Raum (1969) die aristotelische Raumauffassung als „tüpoò“ dem homogenen gleichgültigen Raum der Physik entgegensetzen und die Plastik als »die Verkörperung von Orten« definieren, »die, eine Gegend öffnend, [. . .] ein Wohnen dem Menschen inmitten der Dinge« (Die Kunst und der Raum, in GA 13, 208) gewährt. Zu der Veränderung der Raumauffassung im Zeitalter der Technik vgl. K. Wright, The place oft the work of art in the age of Technology, in C. Macann (ed.), Martin Heidegger, a. a. O., 247–266. Nach Kathleen Wright ist das gewandelte Verhältnis des Kunstwerkes zum Raum, das auch Walter Benjamin hervorhebt – das Werk eröffnet nicht mehr einen heiligen Raum, sondern nimmt einen gleichgültigen Platz ein – das, was die Gefahr der Technik am besten offenbart. Zahlreiche Parallelen
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zugleich in das Geviert ein. Eine solche Gelassenheit zu den vier im Ding sich kreuzenden Weltgegenden ist das Wesen des Denkens.210 Dem durch das Bauen ermöglichten Wohnen gehört jedoch auch das Dichten an, und zwar so, dass »das Wesen des Dichtens als Wohnenlassen, als ein, vielleicht sogar als das ausgezeichnete Bauen zu denken«211 ist. In dem Vortrag ». . . dichterisch wohnet der Mensch . . .« (1951) spricht Heidegger, das Gedicht In lieblicher Bläue blühet . . .212 (1808) Hölderlins erörternd, dem Dichter die Aufgabe zu, das von den Menschen bewohnte »Zwischen« durch eine Vermessung zu eröffnen, die Erde und Himmel zueinander bringt und zugleich die Vermessung des Menschenwesens vollzieht.213 Das Maß, das der Dichter nehmen muss, ist die Gottheit, das Wesen des Gottes. Trotzdem bleibt das Göttliche immer verborgen: Alles, was der Mensch von der Gottheit sieht, sind nur »die Anblicke des Himmels«214, in die sich der Gott schickt. In diesen Anblicken löst sich die Verborgenheit des Gottes niemals auf, da sie »das Sichverbergende erscheinen [lassen] und zwar als das Sichverbergende«215. Der Dichter sammelt und hütet dadurch in einem Bild das Unscheinbare, das unverborgen am Himmel ist, und gibt es als Maß für das Gefüge des Wohnens bzw. des Lebens der Menschen weiter. Der Dichter „baut“ somit die von den Menschen bewohnte Dimension, und lässt alles Lebensverhalten in sie einglie-
zwischen Heidegger und Benjamin lassen sich ziehen aus M. Heidegger, Kunst und Technik. Niederschrift einer Aussprache, a. a. O., 386–392. 210 Die Aussage: »Bauen und Denken sind jeweils nach ihrer Art für das Wohnen unumgänglich « (M. Heidegger, Bauen Wohnen Denken, a. a. O., 163), kann durch den Verweis auf die Bestimmung des Denkens in Gelassenheit verdeutlicht werden. 211 M. Heidegger, ». . . dichterisch wohnet der Mensch . . .«, a. a. O., 183. Zum WohnenLernen als dem geschichtlichen Ort des Verhältnisses von Dichten und Denken im Zeitalter der Technik vgl. A. Xolocotzi, Seinsgeschichte und Wohnen-Lernen. Notizen zur Notwendigkeit des Gesprächs des Denkens mit dem Dichten bei Heidegger, in A. Denker/ H. Zaborowski/J. Zimmermann (Hrsg.), Heidegger und die Dichtung, a. a. O., 41–53. 212 F. Hölderlin, In lieblicher Bläue blühet . . ., in Sämtliche Werke, Bd. II: Gedichte nach 1800, Große Stuttgarter Ausgabe, hrsg. von F. Beißner, Cotta, Stuttgart 1953, 372– 373. 213 M. Heidegger, ». . . dichterisch wohnet der Mensch . . .«, a. a. O., 199–200. Dabei nimmt Heidegger die »Dimension«, die »Vermessung« und die »Geo-metrie« auf ihren Grund zurück. Zu der Auseinandersetzung Heideggers mit dem Raumbegriff der Naturwissenschaft vgl. E. Giannetto, Un fisico delle origini, a. a. O., 323–328. Zu der Entstehung der heideggerschen Raumauffassung vgl. P. Favaron, Il problema dello spazio in Heidegger, Verifiche, XIX, n. 3–4, luglio–dicembre 2000, 229–270. 214 M. Heidegger, ». . . dichterisch wohnet der Mensch . . .«, a. a. O., 204. 215 Ibidem. Demzufolge bestimmt Heidegger das Bild als »Anblick«, der »das Unsichtbare sehen lässt und es so in ein ihm Fremdes einbildet «, ohne es aus seiner Verborgenheit herauszureißen. Vgl. dazu E. Körfer, „Abwesen entbirgt Anwesen“, a. a. O., 326–327.
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dern. Der Mensch wohnt daher „dichterisch“, wenn er sich an die unscheinbaren Regeln des Weltgebäudes hält.216 Dies bedeutet jedoch überhaupt nicht, dass die Menschheit die gläsernen und stählernen Wolkenkratzer der Metropolen verlassen und zu einem Leben im Banne der Jahreszeiten ähnlich demjenigen vor der Entstehung der Industriegesellschaft in die „Provinz“ zurückkehren muss. In der Rede Hebel – der Hausfreund beschreibt Heidegger die Vorgehensweise von dem alemannischen Dichter Johann Peter Hebel als zweideutig: Auf der einen Seite möchte Hebel seinen Leser mit der wissenschaftlichen Erklärung der Natur vertraut machen; auf der anderen Seite will er seine Aufmerksamkeit auf den Tatbestand lenken, dass die Gesetze des Kopernikanismus das eigentliche Natürliche nicht einmal treffen. Der Dichter, der als „Hausfreund“ zu nennen ist, da er das „Haus“ der Welt „baut“ (entstehen lässt und pflegt), »zeigt die Natur auch in ihrer wissenschaftlichen Berechenbarkeit. Aber er verliert sich nicht in diese Naturauffassung. Der Hausfreund lenkt zwar den Blick auf die berechenbare Natur, holt jedoch die so vorgestellte Natur zugleich in die Natürlichkeit der Natur zurück«217. Daher vermag der Dichter, »die Berechenbarkeit und Technik der Natur in das offene Geheimnis einer neu erfahrenen Natürlichkeit der Natur zurückzubergen«218. Wenn diese Äußerungen zusammen mit der in dem Satz der Identität sich befindenden Andeutung auf die Verwindung des Ge-stells gelesen werden, leuchtet es ein, dass der Dichter imstande ist, sich von dem »bloßen Walten des Ge-stells«219 nicht unterjochen zu lassen, sondern es als das Er-eignis unseres Zeitalters zu erfahren. Darauf aufbauend nimmt der Dichter das Gestell nicht nur auf, sondern verweist gleichsam auf die „geheimnisvolle“ Unerschöpflichkeit des Seins selbst. Somit kommt der Dichter auf demselben „chemin“ des Denkers, zu einem „ande216 Vgl. M. Heidegger, ». . . dichterisch wohnet der Mensch . . .«, a. a. O., 200–206. Zu der geschichtlichen Tragweite eines solchen Wohnens vgl. GA 96, 116: »Der geschichtliche Mensch der abendländischen Zukunft muß Eines als das Erste sich er-ringen dürfen: auf dieser Erde dichterisch zu wohnen«. In D. Aurenque, Ethosdenken: Auf der Spur einer ethischen Fragestellung in der Philosophie Martin Heideggers, Alber, Freiburg i. Br./München 2011, 203–236, identifiziert Diana Aurenque das »eigentlich-dichterische Wohnen« mit dem Wohnen im Geviert und bezeichnet es als »die Verwindung des uneigentlichen Seinsentwurfs im Gestell« (204). 217 M. Heidegger, Hebel – der Hausfreund, a. a. O., 144. 218 Ebd., 146. Dass Heidegger nicht zu einer unmöglichen Rückkehr zu dem „verlorenen Paradis“ der „goldenen Zeit“ auffordern will, wird von der nachfolgenden Äußerung bestätigt: »Wir Heutigen können freilich nicht mehr in die von Hebel vor anderthalb Jahrhunderten erfahrene Welt zurück, weder in das unversehrte Ländliche jener Zeit, noch zu ihrem beschränkten Wissen von der Natur« (147). Zu der Verwirklichungsweise des Überganges zu einem „anderen“ Anfang, der nicht durch eine neue Schaffung zu verwirklichen ist, sondern durch eine Neugestaltung der gegenwärtigen Welt, indem zuvor nebensächliche Lebensweisen in Vordergrund treten, vgl. H. L. Dreyfus, Heidegger’s Ontology of Art, in H. L. Dreyfus/M. A. Wrathall (eds.), A Companion to Heidegger, a. a. O., 409–418. 219 M. Heidegger, Der Satz der Identität, a. a. O., 46.
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ren Anfang“ „winkend“, voran. Insofern die von Cézanne gemalte Gärtnergestalt gerade die wegzuweisende „andere“ Beziehung zwischen Menschen und NaturDing zur Anschauung bringt, vergegenwärtigt sie eine „zukünftige“220 Menschheit, die sich denkerisch sowie dichterisch das Weltgefüge baut. Die in Vallier verkörperte „Selbigkeit“ von Dichten und Denken braucht aber noch jemanden, der sie „bewahrt“221 bzw. ihr zur (seyns)geschichtlichen Macht verhilft. Die Seynswahrheit, die sich in der Montagne St. Victoire durch das „denkerische Dichten“ Cézannes einrichtet, braucht die Auslegung des „dichterischen Denkens“ Heideggers, um die „Not der Notlosigkeit“ unseres Zeitalters aufbrechen zu können und mit der Entbergung der jetzigen „Konstellation von Sein und Menschen“ einen anderen Anfang der Geschichte möglich zu machen. Deshalb ist das Gedicht Cézanne ein Gedachtes222, das sich bildhaft den in der Montagne St. Victoire gemalten Bezug vom Seyn und Menschenwesen ausweisen lässt. Vor diesem Hintergrund liegt der tiefere Sinn der „Selbigkeit“ von Dichten und Denken darin, dass beide in ihrer je eigenen und irreduziblen Weise223 die Wahr-
220 Vgl. M. Heidegger, Die Zu-künftigen, in GA 65, 96–97, 393–401. Neben Vallier ist eine andere Figur der Zukünftigen der »Abgeschiedene «, der Heidegger aus den Gedichten Georg Trakls entnimmt, wo der »Fremdling « als derjenige beschrieben ist, der sich von dem bisherigen Geschlecht verabschiedet und »unterwegs auf einem Pfad« (Die Sprache im Gedicht. Eine Erörterung von Georg Trakls Gedicht, in GA 12, 64) zu einem „anderen“ Geschlecht ist (vgl. 31–78). Zu dem Dichter und dem Denker als den zwei Gestalten der Zukünftigen, bei denen Heidegger sich vor allem aufhält, vgl. C. Resta, La terra del mattino. Ethos, Logos e Physis nel pensiero di Martin Heidegger, Franco Angeli, Milano 1998, 103–104. 221 Vgl. M. Heidegger, Der Ursprung des Kunstwerkes, a. a. O., 54–55, wo Heidegger schreibt: »Sowenig ein Werk sein kann, ohne geschaffen zu sein, [. . .] sowenig kann das Geschaffene selbst ohne die Bewahrenden seiend werden«. Ein Kunstwerk bewahren heißt so viel wie die in ihm sich einrichtete Seynswahrheit bergen, indem man sich in die vom Werk eröffnete Welt hineinversetzt und sie entfalten lässt. Die seynsgeschichtliche Rolle, die das Denken bei der Bewahrung von Kunstwerken spielt, wird in Bezug auf Hölderlins Dichtung von Heidegger ausführlich beschrieben. 222 Vgl. P.-L. Coriando, Nachwort der Herausgeberin, in GA 81, 357. Die Herausgeberin des Bandes Gedachtes verweist auf den heideggerschen Unterschied zwischen „Gedicht“ und „Gedachtem“, um die Entscheidung zu begründen, unter diesem Titel die Gedichte Heideggers gesammelt und veröffentlicht zu haben. Zur Bedeutung von „Gedachtem“ vgl. GA 97, 466. Zum Unterschied zwischen „Gedichtetem“ und „Gedachtem“ vgl. F.-W. von Herrmann, Die zarte, aber helle Differenz – Heidegger und Stefan George, Klostermann, Frankfurt a. M. 1999, 190–191. 223 Vgl. M. Heidegger, ». . . dichterisch wohnet der Mensch . . .«, a. a. O., 196, wo zu lesen ist: »Das Dichten und das Denken begegnen sich nur dann und nur so lange im selben, als sie entschieden in der Verschiedenheit ihres Wesens bleiben.« Der Unterschied von Dichten und Denken wird von Heidegger mit dem Wortschatz Hölderlins in der Aussage ausgedrückt, dass sie »auf getrenntesten Bergen« wohnen (vgl. Was ist das – die Philosophie?, in GA 11, 26, und Nachwort zu »Was ist Metaphysik?«, a. a. O., 312). Zu den Gemeinsamkeiten und den Unterschieden zwischen Dichten und Denken vgl.
Heidegger und Cézanne
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heit unseres Zeitalters in Erscheinung treten lassen, um einen ursprünglich „ethischen“ 224 – dichterischen und denkerischen – Aufenthalt des Menschen in der und zugleich über die technische Welt hinaus zu ermöglichen. Die Richtung nach diesem „anderen“ Weltverhältnis wird von demjenigen Pfad Cézannes angezeigt, welchem der eigene Denkweg Heideggers »von seinem Beginn bis zum Ende [. . .] auf seine eigene Weise antwortet (entspricht)«225.
B. Frischmann, Heidegger über die Verwandtschaft von Denken und Dichten, in A. Denker/H. Zaborowski/J. Zimmermann (Hrsg.), Heidegger und die Dichtung, a. a. O., 9–19. 224 Heidegger nennt „ursprüngliche Ethik“ das Denken der Wahrheit des Seyns, die das Wohnen der Menschen in der Welt ermöglicht (vgl. M. Heidegger, Brief über den »Humanismus«, in GA 9, 353–358). Beginnend bei der Erläuterung des heraklitischen Wortes „÷oò“ als »Aufenthalt, Ort des Wohnens«, hält Heidegger die Ethik im überlieferten Sinn für eine Technik, die im rechnenden Denken befangen ist (vgl. auch Der Satz der Identität, a. a. O., 430). Zu dem »Beitrag des Heideggerschen Denkens für die Ethik« mittels »der Enthüllung und der Destruktion des Verständnishorizontes der bisherigen Ethik« vgl. T. Kôzuma, Technische Welt und anderer Anfang des Denkens, in T. Buchheim (Hrsg.), Destruktion und Übersetzung, a. a. O., 73–74. Zu der Fragwürdigkeit der „ursprünglichen Ethik“ vgl. weiter L. C. Baca, Die Ethik des „anderen Anfangs“: Zu einer Problemstellung von Heideggers Seinsdenken, Ergon-Verl., Würzburg 2000. 225 Heidegger spricht diesen Satz im Jahre 1958 aus, indem er sich auf den Weg in den Steinbruch von Bibémus bis zur Aussicht vom Gebirge Cézannes beruft (vgl. J. Beaufret, Dialogue avec Heidegger, Bd. III: Approche de Heidegger, Minuit, Paris 1974, 155).
III. Essays in Interpretation
Mario Fischer: Religiöse Erfahrung in der Phänomenologie des frühen Heidegger Helmuth Vetter Mario Fischer: Religiöse Erfahrung in der Phänomenologie des frühen Heidegger. Geleitwort von Karl Kardinal Lehmann. Göttingen 2013 (Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie; Band 130). 480 Seiten.
Das Buch von Mario Fischer1 verweist schon mit seinem Titel auf die leitenden Themen: religiöse Erfahrung – Phänomenologie – früher Heidegger; näherhin betrachtet: religiöse Erfahrung und deren Auslegung durch die katholische Theologie und durch Heideggers hermeneutische Phänomenologie. Die Grundlegung und Entfaltung Letzterer beginnt zwar erst mit dem Kriegsnotsemester 1919, doch zu ihrem Verständnis tragen indirekt schon Heideggers Theologiestudium und die ersten Arbeiten des jungen Philosophen bei. Fischer beginnt mit dem sogenannten Modernismusstreit und dessen Stellung zur religiösen Erfahrung (1. Abschnitt), es folgen die „Erlebnis“-Philosophie und die von Schleiermachers ausgehenden Anstöße (2. und 3. Abschnitt). Im 4. Abschnitt – er gilt dem Kriegsnotsemester – zeigt der Autor, wie es zu Heideggers Durchbruch in den eigenen Fragebereich gekommen ist; er geht Hand in Hand mit der Problematisierung des Erlebnisbegriffes und tut den (alles andere als nur terminologisch bedeutsamen) Schritt vom Erlebnis zur Erfahrung des faktischen Lebens (5. Abschnitt). Den Begriff der religiösen Erfahrung vertieft und erweitert Heidegger mit seiner Phänomenologie des religiösen Lebens (6. Abschnitt). Die Fäden des Ganzen laufen in der abschließenden Zusammenfassung nochmals zusammen (7. Abschnitt). Nach diesem ersten summarischen Überblick stellt sich dem Rezensenten – will er es nicht bei einem bloßen Referat belassen – die Frage, was Heidegger zuinnerst zu dem hier angedeuteten Fortschreiten bewegt hat – gewiss kein „Fortschritt“ im üblichen Sinn und schon gar nicht durch psychologische Erklärungen zu erhellen. Woran liegt es, dass sich dieser zweifellos hochbegabte Student der Theologie und Philosophie nicht innerhalb des ihm durch bedeutende Lehrer vermittelten Bereiches eingerichtet und diesen weiter ausgebaut und für seine akademische Karriere genützt hat, sondern dass er jenen hinter sich lässt und dafür die entsprechenden 1 Dr. Mario Fischer ist evangelischer Pfarrer, Mitglied der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) und hat in Rom katholische Theologie studiert.
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„Werkzeuge“ (d. h. die hermeneutischen Grundlagen) in mehreren Anläufen erst hervorbringt, beharrlich unterwegs zu einer „Ursprungswissenschaft“ (man beachte die Hervorhebung des Wissenschaftlichen!), die „letztlich die hermeneutische ist“ 2? Dieser Schritt vom „Erlebnis“ zur „Erfahrung“ (der auf die spätere Abkehr vom „Erlebnis“ vorausweist, das Heidegger dem neuzeitlichen Denken zuordnet3) geht aus der Spannung zwischen dem Christentum der Evangelien und dessen theologischer Auslegung hervor – der „vie chrétienne évangélique“ und der vie „théologisée“, um ein von Jean Beaufret überliefertes Wort Heideggers zu zitieren4. Hier einen Weg zu bahnen – die Religiosität fest im Blick –, ist es Heidegger von Anfang an gegangen. Heideggers Anfänge bewegen sich im Umfeld des Modernismusstreites, von dem auch die Freiburger theologische Fakultät nicht verschont blieb: „Der wichtigste theologische Lehrer für Martin Heidegger wurde der Dogmatiker Carl Braig (1853–1923).“ (455) Im Rückblick von 1972 weist Heidegger darauf hin, dass Braig „der letzte aus der Überlieferung der Tübinger spekulativen Schule“ 6 gewesen ist – doch bemerkenswerterweise erwähnt er in diesem Zusammenhang nicht „die antimodernistische Grundeinstellung Braigs“ (45). Dessen Apologetik richtet sich gegen die Gefühlsreligion, als deren ursprünglichster Vertreter F. D. E. Schleiermacher erscheint. Wenn Heidegger Schleiermachers Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern einem Geburtstagsvortrag zugrundelegt (zu den biographischen und historischen Hintergründen vgl. 62 ff.), so bringt dies wohl eine zweifache Abkehr von Braig mit sich: im Rekurs auf das „Erlebnis“ und wohl auch dadurch, dass sich die erste dieser fünf Reden selbst als „Apologie“ versteht; der Vortrag gilt allerdings der zweiten Rede, „Über das Wesen der Religion“. Für Schleiermacher zielt die Religion darauf ab, den „Weltgeist zu lieben und freudig seinem Wirken zuzuschauen“ 7: Heidegger kann (von allen sonstigen Unterschieden einmal abgesehen) bei dieser Position nicht verharren. Im Buch führt zunächst ein Abschnitt zu Adolf Reinach (1883–1917), was überraschen mag, da Heidegger auf diesen (von vielen als überragend angesehenen) Phänomenologen kaum einmal zu sprechen kommt8; doch davon unabhängig hat Reinach Wesentliches zum
GA 58, 55, Anm. 2. Vgl. GA 45, 149. 4 François Fédier: Heidegger et Dieu, in: Heidegger et la question de dieu. Recueil préparé sous la direction de Richard Kearney et Joseph Stephen O’Leary. Paris 1980, 37–45; 42. 5 Seitenzahlen im Haupttext beziehen sich auf das hier rezensierte Buch. 6 GA 1. 7 Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher: Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern. Hamburg 2004, 45. 8 GA 20, 128; GA 62, 282. 2 3
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Erlebnis ausgeführt9. Mit Fischers Hinweisen auf Heideggers Mystik-Vorlesung und deren Scheitern erhält auch Gerda Walthers Phänomenologie der Mystik einen Platz – Heidegger spricht geradezu verächtlich von der Autorin und deren Buch (11910), das seinem methodischen Anspruch nicht einmal ansatzweise entsprechen konnte. Wenn das Wort „Geniestreich“ mit Bezug auf den frühen Heidegger erlaubt ist, trifft dies in besonderer Weise auf das Kriegsnotsemester 1919 zu. Was sich hier an Neuem ankündigt, sammelt und bereits realisiert – die nähere Bestimmung der Phänomenologie, die Bestimmung der Sinnganzheit des Phänomens, der formalanzeigende Charakter der phänomenologischen Begriffe, die Auseinandersetzung mit Jaspers – lässt sich aus Fischers Darstellung im Detail entnehmen; auf diesem Weg liegen auch die Ansätze zur Kritik des Erlebnisbegriffs bei Dilthey und Husserl. Ein Zitat mag Heideggers Erwartungshaltung erhellen: „Husserl kommt über Dilthey nicht hinaus, so überlegen seine Analysen im besonderen gewiß sind. Im Gegenteil, ich möchte mindestens nach meiner Auffassung von Dilthey vermuten, daß Dilthey zwar die Seinsfrage nicht stellte, auch die Mittel dazu nicht hatte, daß in ihm aber die Tendenz dazu lebte.“ 11 Dass Heidegger über Husserls Phänomenologie hinaus „einen entscheidenden Schritt weitergegangen“ (240) ist und künftig auf den Erlebnisbegriff verzichtet, gehört zu seinem Freiwerden für das Eigene. Sein „Weitergehen“ führt ihn zu einem ursprünglicheren Begriff der Erfahrung. Die folgenden Überlegungen Fischers zeigen, was Erfahrung nicht ist, nämlich Empirie und Experiment, beide im Sinne der Neuzeit verstanden. Vielmehr hat Heidegger den Vollzug des Erfahrens im Blick, „das Faktische und nicht das Theoretische“ (279), die „Historie“ oder, wie er bald terminologisch differenziert: das „Geschichtliche“. Dieses verlangt nach Konkretion, und so wird die Geschichtlichkeit des faktischen Lebens inhaltlich im Rückgang auf die urchristliche Lebenserfahrung und methodisch mit Hilfe einer phänomenologischen Explikation von Briefen des Apostels Paulus (Galaterbrief, erster und zweiter Thessalonicherbrief) herausgearbeitet (Fischer verweist dazu mehrmals auf die Problematik der Quellen, die der Edition von GA 60 zugrundeliegen). Der Analyse der paulinischen Briefe entnimmt Heidegger das Moment der Unsicherheit und überträgt dieses auf das faktische Leben schlechthin. Damit legt er die Fundamente für eine Phänomenologie der Faktizität, beansprucht aber aufgrund seines hermeneutischen Vor9 Vgl. meinen Artikel „Erlebnis“, in: Wörterbuch der phänomenologischen Begriffe. Hg. v. Helmuth Vetter. Hamburg 2004, 162–165 (zu Reinach 164 f.). 10 Zu der hier zitierten Stelle GA 58, 19 ist noch GA 63, 65 zu nennen: „Es soll hier davor gewarnt werden!“ Einiges Interesse verdient Fischers Hinweis, Heidegger habe Frau Walthers Buch möglicherweise gar nicht gekannt, es habe ihm vielleicht die Kenntnis der Person genügt (119). 11 GA 20, 173. Ich hätte nicht zuletzt deshalb Diltheys Das Erlebnis und die Dichtung (1905) nicht ganz außer Acht gelassen, weil sich m. E. in diesen vier Studien Intention und methodisches Desiderat besonders deutlich unterscheiden.
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griffs, „ein tieferes Verstehen der Paulusbriefe zu gewinnen, als dies der ,objektgeschichtliche‘ Ansatz der Fachexegese vermag“ (375). Dies bringt die Achtsamkeit auf einzelne Momente mit sich, gleichzeitig aber die Ausblendung anderer für eine „objektive“ Untersuchung nicht relevanter Punkte. Es ist zu betonen, dass Heideggers Hermeneutik nicht auf der durch das Historische bedingten Distanz beruht, sondern dass sich in jener – in Destruktion der Selbstentfremdung des Daseins – eine Möglichkeit ausbildet, „für sich selbst verstehend zu werden und zu sein“ 12. Diesen Weg verfolgt Heidegger weiter in seiner Auslegung der Bücher XI bis XIII der Confessiones des heiligen Augustinus – auch hier „keine philosophiegeschichtliche Fingerübung“ (379), sondern eine Phänomenologie des curare – „ein Grundcharakteristikum des Lebens“, das „sowohl als echte als auch als unechte Bekümmerung“ begegnet (388): Die Weichen für die Interpretation der Sorge in Sein und Zeit sind gestellt. Heidegger bleibt aber auch nicht bei Augustinus stehen, sondern wendet sich – getrieben von der Frage nach der Möglichkeit einer christlichen Philosophie (später für ihn ein „hölzernes Eisen“ 13 – Luther zu, um von diesem her Aristoteles zu begegnen. Ist religiöse Erfahrung keine Sonderform von Erfahrung, sondern Erfahrung überhaupt mit dem Index der Ursprünglichkeit, dann sind die Fragen des frühen Heidegger auch heute alles andere als „erledigt“. Sie sind es in gewisser Weise auch für ihn selbst nicht. In Anmerkungen aus den Jahren 1942 und 1948 schreibt er, man solle sich einmal über sein „Anti-Christentum wenigstens einmal und nur einen Gedanken“ machen und fährt dann fort: „Ich bin nicht Christ, und einzig deshalb, weil ich es nicht sein kann. Ich kann es nicht sein, weil ich, christlich gesprochen, die Gnade nicht habe.“ 14 Ist der frühe Heidegger also gescheitert? Fischer gibt dazu keine Antwort (und braucht dies aufgrund seiner Themenwahl auch nicht), doch aus der Vorgeschichte von Heideggers Verhältnis zum Christentum fällt ein Licht auf seine nachmalige Distanz zum christlichen Glauben bei gleichzeitiger Zuwendung zu den Griechen. Neben dem Misslingen des Rektorats ist „die Auseinandersetzung mit dem Glauben der Herkunft“ Heideggers anderer Pfahl, sein sküloy tÂh ~ sarkß15 – und er hat damit „gerade genug an solchem, was wirklich überwunden sein möchte“ 16. Mit Fischers Untersuchung liegt eine der wichtigsten (und nicht allzu zahlreichen) Arbeiten zu Heideggers Frühwerk vor. Sie besticht zum einen durch die Fülle des Materials und ermöglicht so einen umfassenden Überblick. Doch das ist nicht alles: Aufgrund der souveränen Verarbeitung der Texte lässt sich Heideggers GA 63, 15. Vgl. GA 40, 9; GA 9, 66. 14 GA 97, 199. 15 Paulus: 2. Korintherbrief 12, 7. 16 Martin Heidegger, Karl Jaspers: Briefwechsel 1920–1963. Hg. v. Walter Biemel und Hans Saner. Frankfurt a. M./München/Zürich 1990, 157. 12 13
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Weg Schritt für Schritt nachvollziehen. Doch es ist nicht nur die Kontinuität dieses Vorangehens, die damit sichtbar wird; zur Präsenz gelangt auch das treibende Grundmotiv: die Gottesfrage, der sich Heidegger in immer neu ansetzender Besinnung stellt, ohne Brüche und Verwerfungen zu scheuen. Karl Kardinal Lehmann17 hat dem Buch ein instruktives Vorwort vorangestellt. Dessen letzter Satz lautet: „Ich wünsche dem gelungenen Werk viele aufmerksame Leser.“ Diesem Wunsch kann ich mich nur in voller Überzeugung anschließen.
17 Lehmann war der Erste, der Heideggers Frühwerk interpretiert hat. Karl Lehmann: Vom Ursprung und Sinn der Seinsfrage im Denken Martin Heideggers. 2 Bände. Mainz/ Freiburg i. Br. 22006 (Dissertation von 1962).
Heidegger in Dialogue with Husserl George Kovacs Neugebauer, Klaus, Wahrsein als Identifizierung: Einführung in die kritische Rezeption Husserls durch Heidegger (Berlin: Duncker & Humblot, 2010), referred to in the text with N. Arjakowsky, Philippe, et al., Le Dictionnaire Martin Heidegger: Vocabulaire polyphonique de sa pensée (Paris: Les Éditions du Cerf, 2013), referred to in the text with A.
I. According to Heidegger’s telling remark, his pathway of thought “passed by,” departed from and ventured beyond Husserl’s philosophy.1 The words “departure,” “passing by” or “going further,” as hermeneutic indicators, surely suggest something about the significance of Heidegger’s relationship to Husserl for the movement and history of his thought, of his experience of thinking, as well as about the dynamics of his confrontation (philosophical dialogue) with and critical disposition toward Husserl’s phenomenology, notwithstanding his recognition of his genuine indebtedness to his “master,” who thought him “how to see” (gave him his eyes).2 Thus Heidegger seems to have appropriated Nietzsche’s wisdom, as taught by Zarathustra, that “one repays a teacher badly if one remains only a pupil.” 3 His transition from Husserl’s phenomenology of consciousness to hermeneutic phenomenology as a way of understanding4 and going further, as the “possibility (Möglichkeit) of thinking”,5 includes a sustained dialogue (contention) with the 1 Martin Heidegger, Anmerkungen I–V (Schwarze Hefte 1942–1948), GA 97 (Frankfurt am Main: Klostermann, 2015), p. 463 (hereafter: GA 97). 2 Martin Heidegger, Ontologie (Hermeneutik der Faktizität), GA 63 (Frankfurt am Main: Klostermann, 1988), p. 5. 3 Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra (Stuttgart: Philipp Reclam Jun, 1972), p. 71; Thus Spoke Zarathustra, trans. (with an Intro.) R. J. Hollingdale (Penguin Books: Baltimore, Maryland, 1971), p. 103. 4 Martin Heidegger, Einführung in die phänomenologische Forschung (lecture course at Marburg, Winter-Semester, 1923–1924), GA 17 (Frankfurt am Main: Klostermann, 1994), p. 263 (hereafter: GA 17). 5 Martin Heidegger, “Mein Weg in die Phänomenologie” (1963), in his Zur Sache des Denkens (1962–1963; 1927–1968), GA 14 (Frankfurt am Main: Klostermann, 2007), p. 101 (hereafter: GA 14); “My Way to Phenomenology,” in Martin Heidegger, On Time and Being, trans. Joan Stambaugh (New York: Harper Colophon Books, 1977), p. 82.
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tradition of philosophy, and not simply with Husserl, especially with his Logical Investigations (though these were of substantial significance for his “way into phenomenology”).6 As these considerations suggest, the relationship between these two significant thinkers is more comprehensive than biographical and pedagogical; it is truly philosophical. The better or deeper understanding of this philosophical connection contributes to a more accurate and thoughtful grasp, as well as appropriation, of Heidegger’s thinking; their relationship is hermeneutically worthy of renewed attention, especially in light of their currently available, published writings. Heidegger’s “departure” from Husserl, however, may not be discerned by means of sorting-out instances of acceptance or rejection of Husserl’s thought by Heidegger, by identifying (historical) influences; it cannot be assessed simply with the categories of “agreement” and “disagreement,” with the “collection” of influences, with preestablished, derivation-based, reductionist hermeneutics. His confrontation with Husserl’s phenomenology is neither apologetic nor triumphalistic. As in the course of his entire pathway of thought, he is concerned with the “matter” (die Sache) or issue at stake in Husserl’s phenomenology; he contends with the thought and the unthought in Husserl’s philosophy, thus finding his own way of thinking, his hermeneutic phenomenology in rethinking the question of “to be,” the entire question of being (Sein), in letting beings (Seienden) shine forth according to “what” and “how” they are.7 In fact, they, that is, Husserl and Heidegger, reexamine the traditional concept of truth, as well as the taken-for-granted understanding of the way(s) knowledge comes about. Thus, exploring Heidegger’s philosophical relationship to Husserl, as part of his relationship to the entire tradition of metaphysics, is an attempt to see and learn from his dialogue (strife) with Husserl, to observe Heidegger at work, in dialogue with Husserl, as well as with the main thinkers in the history of the philosophical tradition. II. Klaus Neugebauer’s Wahrsein als Identifizierung (N) is a reliable guide into the critical exploration and thoughtful assessment of Husserl’s basic teachings by Hei6 Heidegger, “Mein Weg in die Phänomenologie,” in GA 14, pp. 98, 99; tr., pp. 78, 79. See also Sein und Zeit (1927), GA 2 (Frankfurt am Main: Klostermann, 1977), pp. 51, 52 (including note 2) (hereafter: GA 2; occasionally also Sein und Zeit); Being and Time (New York: Harper and Row, 1962), trans. John Macquarrie and Edward Robinson, pp. 62, 63. For an in-depth discussion of the concept of phenomenology in Husserl and Heidegger, see Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Hermeneutic und Reflexion: Der Begriff der Phänomenologie bei Heidegger und Husserl (Frankfurt am Main: Klostermann, 2000); Hermeneutics and Reflection: Heidegger and Husserl on the Concept of Phenomenology (Toronto: University of Toronto Press, 2013). A concise description of the “strife” (litige) between Heidegger and Husserl may be found in Philippe Arjakovsky, “Husserl, Edmund (1859–1938,” in A, pp. 641–647. 7 GA 2, pp. 36–52.
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degger; it is a well-structured and probing analysis of Heidegger’s learning experience, a contention with main texts of both thinkers, an education in phenomenological seeing, in discerning and acquiring the phenomenological attitude in the realm of thinking. N shows well the phenomenological critique of the traditional concept of truth by the two thinkers, the contemporary significance of their attempt to discern the more originary phenomenon of truth (N, pp. 23–28), as well as Heidegger’s transition from the more epistemological to a radically phenomenological, ontological understanding of the phenomenon of truth, including his idea of the truth of “to be,” of be-ing (Seyn), as well as his thesis on the neglect of the question of “to be,” of being, in Husserl’s phenomenology. The entire discussion (exploration, explanation, focused analysis, and balanced, critical assessment) is solidly anchored by Neugebauer in well-chosen and pedagogically-ordered basic texts of the two thinkers in question, with distinct attention to Husserl’s Logical Investigations and to Heidegger’s Sein und Zeit and to his Marburg lectures. Chapter One of N explores Heidegger’s departure from Husserl’s concern with the understanding of truth, that is, his critical reception of the Logical Investigations; it is a thoughtful explanation of the fundamental-ontological transformation of the very question of truth by Heidegger in GA 2 and related texts. Thus, N is more than a comparative study of these two philosophers, more than a simple survey or narrative of their teachings; it is a descriptive analysis, a rethinking of the concept of truth, of what truth is, not merely a concern with some particular truths. The first chapter of N functions as an introduction to learning to think, mainly the very idea of truth, “otherwise” than and “beyond” the traditional definition of truth as adequation (agreement) between the “intellect” and the “thing.” This thinking “otherwise” means rediscovering the ontological ground of truth and knowing, a radicalization of understanding the relation between the knower and that which is known, a liberation from the ways of knowing and encountering the world from the bounds of dualistic epistemology and metaphysics. As N rightly explains, however, neither philosophy nor science has a monopoly over truth; the raising of the radical question of truth comes about in mindful thinking, in dealing with and making judgements about things. A mere calculative, machinational, psychological and scientism-based approach (that is, psychological and scientific reductionism) and ideologically-governed inquiry, as well as the naive, unquestioned acceptance of appearances, short-circuit the sense of wonder about truth, falsehood, and mere opinion, thus ultimately about what is ownmost to truth, about the meaning of the claim “being-true.” The originary, primordial phenomenon of truth, as Husserl and Heidegger show to different degrees, is the self-showing of things (beings) that are, their disclosedness and uncoveredness in the world, in lived experience (N, pp. 23–28). Thus, as Heidegger claims, the question of knowing and that of “to be,” of knowledge and the phenomenon of “to be,” that is, the question of truth itself and that of being are connected; the inquiry into truth is grounded in the sense of
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wonder about “to be,” in the question of being. Being-true, as Sein und Zeit explains the originary phenomenon of truth, is disclosedness and discoveredness, the self-showing of beings as the way (how) they are; the very idea of disclosedness belongs to the basic constitution of Dasein as discovering being, to the disclosedness of Dasein’s being (“to be”) as being-in-the-world, as “existence,” as having its endemic constitution in its “to be” (“existence”) (N, p. 29). Dasein is a discovering being, as the “there” (Da) of being understands the being of its own and discovers beings in the world. Dasein is open to its “to be” and to beings encountered; thus it is the “place” of disclosedness, the original, primordial phenomenon of truth. Truth is more than adequation (more than the traditionally-understood agreement between the mind and the thing); it is the phenomenon of disclosure, of unconcealment, the coming to light from concealment to unconcealment.8 Chapter Two of N is a comprehensive study of the question of truth in Husserl’s Logical Investigations; it pays distinct attention to the Sixth Logical Investigation since it was considered by Heidegger as most significant for his way into phenomenology, for finding his own interpretation of truth and for his assessment of the notion of truth as adequation in the metaphysical tradition. The diversity of intentional relations, the notion of perception, the pictorial and representational explanations of knowing, the ideality and objectiveness of truth, the notion of evidence, the unity of the essential moments of truth, the concept of intentionality and that of intentional constitution, the basic tenets and concepts under discussion, are well explained and documented according to Husserl and Heidegger’s critical assessment of the Husserlian interpretations. This chapter shows well Heidegger’s rethinking of the notion of truth, and the neglect of the question of being in Husserl’s phenomenology, along with his tendency to adopt metaphysical-idealistic philosophy. Chapter Three of N is a thorough analysis and thoughtful assessment of Heidegger’s pathway of thought to GA 2, to his own hermeneutic phenomenology, to raising the question of being through the existential analysis of Dasein, to fundamental ontology. This chapter is described by the author as comprising the critical reception of Husserl by Heidegger; it is in fact a phenomenological critique, a positive criticism, an appropriation that learns from,and goes beyond, thinks in greater depth than, Husserl’s claims about truth (N, pp. 110–113). This analysis of Heidegger’s questioning contention with Husserl’s phenomenology of truth rightly emphasizes the radical distinction between the Husserlian notion of consciousness and the understanding of Dasein as a discovering being, as the standing of Dasein in the truth or in the untruth (N., pp. 92–95, 110–113, 167). This discussion is deepened by the author’s critical assessment of E. Tugendhat’s interpretation of Heidegger’s thinking, with distinct attention to the question of truth. 8 Martin Heidegger, Wegmarken (1919–1958), GA 9 (Frankfurt am Main: Klostermann, 1976), pp. 177–202.
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Chapter Four of N, written more than three decades after the three previous ones, based on texts selected from five of Heidegger’s lecture courses at Marburg,9 is dealing with Heidegger’s direct confrontation with Husserl in the lectures at hand; it surely adds a greater depth to the earlier discussions, and documents Heidegger’s understanding and rethinking of (going beyond) the philosophical tradition. The “Commentary on Sein und Zeit,” an addition (Exkurs) to the entire text, following the fourth chapter, is an insightful interpretation of section 44 of GA 2; it is focused on Dasein, disclosedness, and truth, with an excellent synthesis of Heidegger’s understanding of truth and being. In light of the “idea” of disclosedness in Heidegger’s thought, this “addition” presents a sharp critique of P. Sloterdijk’s nihilistic “interpretation” of Heidegger’s philosophy (see especially N, pp. 165, 166). The “Appendix” (Anhang) is more than a review of the research accomplished in the book at hand. It includes a helpful assessment of mostly German scholarship on the issues explored by Neugebauer. This judicious “review” shows the merits and the thematic and methodological shortcomings in the works of: E. Tugendhat, C. F. Gethmann, H. Scmitz, E. Schönleben, and G. Piller (see especially N, p. 179). III. Neugebauer’s explorations of Heidegger’s Marburg lectures contribute to a deeper grasp of the insights of both thinkers; they are concerned with the basic issues at stake in their ways of thinking, with their enactment and development of the phenomenological attitude, with their attempts to “go back to the things themselves” and to let things, beings, ultimately the phenomena, to “shine forth” as they are, to “speak” as they are in the life-world. According to Heidegger, “philosophy always begins anew.” 10 Philosophical thinking, thus genuine philosophy, “is born out of the fullness of life, not out of a seeming epistemological or some basic ethical problem,” not out of some theoretical construct, not out of a preestablished thesis or concept, but from human being’s dwelling in the world, from the “primacy of concrete living.” 11 For Husserl, the philosopher (the phenomenologist) is always 9 Martin Heidegger, GA 17; Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs (lecture course at Marburg, Summer-Semester, 1925), GA 20 (Frankfurt am Main: Klostermann, 1979); Logik: Die Frage nach der Wahrheit (lecture course at Marburg, Winter-Semester, 1925–1926), GA 21 (Frankfurt am Main: Klostermann, 1976); Die Grundprobleme der Phänomenologie (lecture course at Marburg, Summer-Semester, 1927), GA 24 (Frankfurt am Main: Klostermann, 1975); Metaphysische Anfangsgründe der Logik im Ausgang von Leibniz (lecture course at Marburg, Summer-Semester, 1928), GA 26 (Frankfurt am Main: Klostermann, 1978). 10 Martin Heidegger, Grundprobleme der Phänomenologie (early Freiburg lecture course, Winter-Semester, 1919–1920), GA 58 (Frankfurt am Main: Klostermann, 1993), p. 141 (hereafter: GA 58). 11 GA 58, p. 150.
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a beginner. The primordiality of philosophical thinking founds its radicality. Thus philosophical questions, surely the question of truth and the inquiry into being, are more primordial than scientific and general curiosity about things, the world, and human living. Neugebauer’s “introduction” into the “critical reception of Husserl by Heidegger” is well anchored in the sense of primordiality of philosophical thinking; it shows the phenomenological ambition in the two thinkers to recapture the originariness of philosophical thinking and knowing, to rethink the commonly accepted traditional notion of truth as adequation, as well as Heidegger’s “departure” from Husserlian phenomenology. Thus, Neugebauer’s book “leads into” phenomenology; it initiates the reader into rethinking truth and knowing, as well as being, in phenomenology. Heidegger’s first Marburg lecture course (GA 17) may be regarded as education for and training in phenomenological research; it paves Heidegger’s way from the philosophy of reflection and ideation to hermeneutic phenomenology; it is a contention with the methodology and established tenets of the philosophical tradition. This contention (dialogue) is guided by the phenomenological ideal of research (of inquiry and thinking) as going back “to the things themselves,” thus moving from and through a critical analysis and assessment of the phenomenology of consciousness to a more primordial, radical phenomenological research, to the hermeneutic phenomenology of Dasein. This deepening and expansion of phenomenological research (of inquiry and thinking) is not yet another form of speculation taking place in the vacuum of abstraction. It is, according to Heidegger’s description, a concrete research, an explicitation of Da-sein “in its being,” an interpretation of Dasein based on “concrete experiences.” 12 This lecture course explores and rethinks Husserl’s idea of phenomenology and its basic teachings; it includes an insightful, substantial interpretation of Aristotle’s understanding of “phenomenon” and “logos” (lügoò) a “critical analysis” of Descartes and of the mathematical notion of certitude, and an assessment of scholastic ontology and Aquinas. A significant accomplishment of GA 17, quite clearly in its third part, is Heidegger’s analysis and justification of his thesis on the neglect and even forgottenness of the question of being in Husserl’s phenomenology which is still under the influence (spell) of Cartesian thinking and scholastic ontology. Heidegger describes as well in the text of this lecture course the notion of facticity, everydayness, care, and formal indication. This text teaches and enacts his “destruction” of (critical confrontation with) the ontological tradition; it documents his pathway to the existential analytic of Da-sein, to re-thinking the question of being. It may be claimed, then, that GA 17 plays a valuable pedagogical role on Heidegger’s journey of thought in the course of his critical reception of Husserl’s phenomenology; it teaches (enacts) hermeneutic phenomenology as possibility of
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GA 17, pp. 3, 275, 276.
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thinking, understanding, and interpreting; it prepares the radicalization of the question of being, of “to be,” that is, the rethinking of the way of asking this question and the thinking of being itself as not simply reducible to a or any (particular) being, not even to the highest. This transformation of the way of thinking being and beings, as Neugebauer recognizes it, takes place in turning from the fetters of metaphysics and shortcomings of the philosophy of subjectivity (Descartes), as well as from the limitations of the phenomenology of reflection (Husserl), to hermeneutic phenomenology. Neugebauer’s book, here under discussion, surely prepares the background for and leads the way to a deeper and more comprehensive exploration and assessment of Heidegger’s thesis on the status of the quest of being in Husserl.13 These concise indications about GA 17 show that even a limited, selective study of the Marburg lectures, as found in N, makes a significant contribution to the understanding of Heidegger’s indebtedness to, and “departure” from, Husserl. N comprises as well enlightening explanations of basic issues and (at times misunderstood) “concepts” in Heidegger’s thought. IV. According to Heidegger’s own indications, that is, hermeneutic guidelines, as providing access to, or training in, his thinking, thus the education of the reader, comes about “through the reading of,” in a direct contact, in working and thinking with, his “texts.” 14 For this reason, it may be suggested, he valued distinctly Walter Biemel’s book on his thought; it “opens up” and renders accessible foundational themes (being, truth, language) of his philosophy through direct work with Heidegger’s text, thus in direct dialogue with and immersion in his writings; it teaches reading as thinking “with” (letting speak) the writer and as becoming attuned to the “matter” at stake in the text in question; and most significantly, it “keeps open” Heidegger’s pathway of thinking throughout the entire discussion and “especially at the end,” in its final claims and conclusions.15 Reading, according to Heidegger’s “Was heisst Lesen?” (1954), means (is) focusing on what is written, on “the said in the writing,” on what “claims our ownmost (Wesen)” in our “response” to or “rejection” of it; it enables us to “see” what is in our view, and to “behold” what See, for instance, GA 17, pp. 270–275. Friedrich-Wilhelm von Herrmann, “Die Edition der Vorlesungen Heideggers in seiner Gesamtausgabe letzter Hand,” in Heidegger Studies, 2 (1986): 170, 171. 15 Heidegger is speaking of Walter Biemel’s Martin Heidegger in Selbstzeugnissen und Bilddocumenten (Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1973); Martin Heidegger: An Illustrated Study, trans. J. L. Mehta (New York and London: Harcourt Brace Jovanovich, 1976). For Heidegger’s comments on this book, see his letter to Hannah Arendt, dated July 29, 1973, in Hannah Arendt and Martin Heidegger, Briefe 1925 bis 1975 und andere Zeugnisse, edited by Ursula Ludz (Frankfurt am Main: Klostermann, 1998), p. 245. 13 14
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shines fort and appears.16 Thus reading is guided by the hermeneutic attunement to “the said” in the writing, to what claims us in the text; it is listening-thinking, an encounter (dialogue) with the text of the writer. The attunement to the text conditions the depth of its understanding; it lets the word of language as showing-saying speak to and for the reader. Heidegger’s texts speak of, and call forth thinking, being, ultimately the truth of be-ing. Being, the most used and ordinary little thought-through “to be,” speaks in coming to word, into language. As he says in “Der Spruch des Anaximander” (1946), “in the most diverse ways, being speaks everywhere and always, in every language.” 17 According to Heidegger’s text of an undelivered lecture course (written in 1942), our language (with its expressions and turnings) speaks “from within ‘the understanding of being (Seinsverständnis)’ that inhabits language itself according to what is ownmost (Wesen) to it.” 18 It may be claimed, then, that language, written or spoken, is neither monolithic nor static; it is polymorphic, living, dynamic. Basic, endemic change in (transformation of) language, as Heidegger remarks in his “Überlegungen I” (1931), consists in (takes place as) the alteration of the “manner (Weise) of saying and listening,” and not, first of all, in modification of the mere “stock of words” (Wortbestand).19 Transformation of language in a basic way (as may be suggested, e. g. in its instrumentalization and merely utilitarian functionalization) entails more than supplying and inventing words; it comes about as and in the alteration of the “manner of saying and listening,” of its saying-disclosing power (as in obfuscating its endemic trait). A text is more than a stock of words; it is the embodiment of language as showing-saying; its probing reading is (surely ought to be) attuned by listening-thinking. Reading, translation, and interpretation of Heidegger’s writings (of the text of any thinker worthy of attention) ought to be mindful of his understanding of language, of his experience with language.20 Le Dictionnaire Martin Heidegger: Vocabulaire polyphonique de sa pensée (A), the work of twenty-four recognized scholars (A, pp. 1447–1451), with more than six-hundred entries, under the “direc16 Martin Heidegger, “Was heisst Lesen?” (1954), in his Aus der Erfahrung des Denkens (1910–1976), GA 13 (Frankfurt am Main: Klostermann, 1983), p. 111. 17 Martin Heidegger, “Der Spruch des Anaximander” (1946), in his Holzwege (1935– 1946), GA 5 (Frankfurt am Main: Klostermann, 1977), p. 366; “Anaximander’s Saying,” in Off the Beaten Track, trans. Julian Young and Kenneth Haynes (Cambridge: Cambridge University Press, 2002), p. 276. 18 Martin Heidegger, Der Spruch des Anaximander (text of an undelivered lecture course, written probably in 1942), GA 78 (Frankfurt am Main: Klostermann, 2010), p. 194. 19 Martin Heidegger, “Überlegungen II” (1931), in his Überlegungen II–VI (Schwarze Hefte 1931–1938), GA 94 (Frankfurt am Main: Klostermann, 2014), p. 25. 20 For an in-depth, probing exploration of Heidegger’s insights into translation and interpretation, see Parvis Emad, Translation and Interpretation: Learning from Beiträge, edited, with an Introduction, by Frank Schalow (Bucharest: Zeta Books, 2012).
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tion” of Philippe Arjakovsky, François Fédier, and Hadrien France-Lanord, is distinguished by its awareness of Heidegger’s hermeneutics of language, of the uniqueness of his way of thinking. This work (A), it is worth noting here, is a valuable, unique “dictionary” of Heidegger’s philosophy, of his basic teachings and insights; it helps and guides the reader in contending with his distinct claims, with his writings. It is neither an “index” of key terms to his texts, providing for the reader concise definitions and relevant textual references for them, nor a traditional “encyclopedia” describing the main insights, indicating basic works, and the historical significance of individual thinkers or particular movements (schools) of thought. Heidegger, as it is well known, questions the unquestioned “authority” of the dictionary and its affiliates, of their semiological and philological primacy and ultimacy, in inter-lingual and intra-lingual translation, especially in translating and interpreting his writing, in discerning meanings and insights in working with his texts. The dictionary at hand (A) attempts to emulate, at least to some extent, Heidegger’s “ideal” of reading, translating, interpreting, thinking, and language. As part of its title indicates, A is a “polyphonic” (polyphonique), many-sounding, in many-ways or diversely-speaking (sounding) “dictionary” (saying) of Heidegger’s “thought” (pensée); it is different from most (often used) dictionaries and encyclopedias. A is not mono-phonic, not prefixed or merely one-way saying and sounding; it is intended to let sound-through in many-ways, to show and disclose the diverse ways (manners; “forms”) of, Heidegger’s speaking-saying (language); it attempts to contribute to the opening-up of the full range (e. g., metaphysical; be-ing-historical; en-owning; poetic; scientific; historiological; anthropological) of meanings and thinking sheltered in his writings. As these indications suggest, A may function as a hermeneutic adjunct, and instrument of work, in reading and becoming attuned to Heidegger’s thinking and language; it originates from and “leads back” to his texts, not away from them; it is neither a surrogate nor a substitute for the experience of laboring with his abundant, exacting, and at times “intimidating” but always thought-provoking diverse writings as currently available (heading to completion) in his Gesamtausgabe. The following concise discussion of some entries selected from the “dictionary” (A), here under consideration, illustrates (calls attention to) their worth for working with, for probing exploration and thoughtful assessment of, Heidegger’s texts, for inquiring into his relentless, persistent pursuit of the question of the truth of being, of “to be.” The entry “Husserl, Edmund (1859–1938)” (A, pp. 641–647), written by Guillaume Fagniez, is an insightful, clear, and balanced descriptive analysis of Husserl’s groundbreaking work in phenomenology, of its (thematic and methodological) significance for Heidegger’s entire journey of thought. This entry explains the full depth and radicality of Heidegger’s departure from, “break” with, Husserl. Based on judiciously selected texts from both thinkers, including bibliographical orientation and biographical references (documentation), the reader of this entry
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can gain a solid grasp of the nature and depth of the “tension” between these foundational figures in twentieth century philosophy. They share a sense of philosophical responsibility as recognizable in their diagnoses of the “crisis of european humanity,” though with differing perceptions; while Husserl believes in a “rational teleology” for humanity, for human living, called to “accomplish its infinite task,” Heidegger, renouncing “all teleology,” attempts to situate the “human” (l’“humain”) and “reason” (la “raison”) in the “history of being” (dans l’“histoire de l’être”) (A, p. 647). The word “Dasein” is endemic to Heidegger’s entire pathway of thought and to his experience with language. The entry “Dasein” (A, pp. 301–305), written by Hadrien France-Lanord, may function as a vademecum in venturing into the full range and depth of Heidegger’s writings, of his attempt to think the ultimately unsayable be-ing (Seyn) beyond and otherwise than the assurances and closures of the metaphysical frame of mind. Heidegger changes (translates, interprets) the meaning of the word “Dasein” even when it refers to human existence as something inexplicable, even beyond its poetic sense as unique, into something entirely “unheard-of” (inouï): “Da-sein” is incomparable, and admits of no perspective within which it could still be lodged as something familiar.” 21 This incomparability extricates Da-sein from the linguistic thesaurus of metaphysics, from its usual denotation of a determination of human being, from its misinterpretation as subject. For Heidegger, this word stands for Da-sein as the “There” (Da) of being, of “to be” (sein), as openness to and as the grounding for the clearing (Lichtung) of, be-ing, thus as “defined” by its “connection” with or “belongingness” to be-ing. The full grasp of this “idea” of Da-sein requires, that is, entails, a leap (Sprung) in the way of thinking. According to Heidegger’s concise, lapidary expression in his Beiträge, “Da-sein ‘is’ (ist) precisely grounding the truth of be-ing as enowning (Ereignis).” 22 The leap of thinking from Dasein to Da-sein, ultimately from metaphysical to be-ing-historical thinking, is never fully accomplished, it is always underway, even in GA 65 (written in 1936–1938). As Heidegger writes in 1941– 1945, looking back at his main be-ing-historical treatise (GA 65), in it “Da-sein is indeed thought mainly from within enowning, but still too one-sidedly in relation to human being.” 23 He acknowledges as well, in the same text and context, that the
21 Martin Heidegger, Besinnung (1938–1939), GA 66 (Frankfurt am Main: Klostermann, 1997), p. 325); Mindfulness, trans. Parvis Emad and Thomas Kalary (London: Continuum, 2006), p. 288; French translation in A, p. 301. 22 Martin Heidegger, Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) (1936–1938), GA 65 (Frankfurt am Main: Klostermann, 1989), p. 455 (hereafter: GA 65; referred to in the text occasionally with Beiträge as well); Contributions to Philosophy (From Enowning), trans. Parvis Emad and Kenneth Maly (Bloomington: Indiana University Press, 1999), p. 320. 23 Martin Heidegger, Das Ereignis (1941–1942), GA 71 (Frankfurt am Main: Klostermann, 2009), p. 5 (hereafter: GA 71); The Event, trans. Richard Rojcewicz (Bloomington: Indiana University Press, 2013), p. xxiv (translation modified).
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question of being in GA 65 “is still understood in the style (im Stil) of metaphysics rather than thought in the manner (Art) of the already grasped history of being,” 24 that is, being-historically. There are diverse (e. g., psychological, theological, political) appropriations (“applications”) of Heidegger’s thought; these, however, ought to be distinguished, according to, and even without, Heidegger’s reservations about them, from his thinking as the pursuit of the question of “to be,” of the truth of be-ing. He was always eager to remind his readers (without refraining from “rhetorical excess”) of the (at least immediate, practical) “inutility” or “concrete uselessness” of (surely his) philosophy. Without attending to the questions emerging from these observations (i. e., distinction and reminder) at this time, it is not difficult to see (from within hermeneutic phenomenology) that the understanding of “to be,” of being, has a bearing on knowing beings, on basic questions in human living and dwelling in the world. This “bearing” is discernible in Heidegger’s thinking, with or without his recognition of it. Many entries of A offer ample “documentation” in this regard; they contribute as well to learning to “read” his writings with a questioning, hermeneutic disposition. The entry “work” (travail), written by Ph. Arjakovsky (A, pp. 1334–1338), shows well, more than indirectly, the practical, concrete dimension and worth of his insights into the phenomenon, existential significance, and dignity of human work and activity as rooted in his understanding of the relationships between being, Dasein, and being-in-the world, in human being’s (as Dasein) belongingness to or uprootedness from be-ing, from the primordiality of “to be.” Thus, there is a philosophy of work in Heidegger’s be-ing-historical thinking, in his earlier as well as later works. This philosophy of work is more comprehensive, radical, as well as existentially significant, than its political “interpretation” (contextualization) and seeming adaptability to (and connection with) concrete cultural, historical, and even ideological situation in the given life-world might suggest. Arjakovsky describes concisely the main aspects (elements) of the phenomenon of human work according to Heidegger’s analysis and insights, grounding them in his strategically-chosen works, including lecture courses, essays, treatises, as well as writings on Ernst Jünger.25 24 GA 71, p. 4; tr. p. xxiv (translation modified). The basic issue here is Heidegger’s understanding of thinking and that of the question of being. For an in-depth contention with Heidegger’s attempt to rethink thinking and being, see George Kovacs, Thinking and Be-ing in Heidegger’s “Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis)” (Bucharest: Zeta Books, 2015). 25 Martin Heidegger, Zur Ernst Jünger (1934–1954), GA 90 (Frankfurt am Main: Klostermann, 2004), see especially pp. 165–222. For an excellent discussion of work in Heidegger and Jünger, see Bernhard Radloff, Heidegger and the Question of National Socialism: Disclosure and Gestalt (Toronto: University of Toronto Press, 2007), pp. 173–209, 361– 399. For a probing and insightful inquiry into the ontological dimension and ground of work, see Vincent Blok, “Heidegger’s Ontology of Work,” in Heidegger Studies, 31 (2015): 109–128. A concise description and assessment of the endemic traits of human
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Human work, as these writings explain, is more than an economical activity and technicity-based productivity, more or deeper than a (the) way of earning a living; it is self-expression (self-creation) of the worker and belongs to (shapes) the dignity (sense of worth) of the human person; work shapes, builds the world and history, be it physical or intellectual. Thus, as readers of Heidegger’s texts (“works” tracing his journey of thought) well know, thinking (Denken) is work (Handwerk), so are writing, learning, and teaching. As he tells his students in his 1934 summer lectures, there is a basic, unique, existential character of human work. As “basic comportment of human being,” work is the “ground for the possibility of beingwith (Mitsein) and of being-for each other (Füreinandersein), work liberates, opens up human being for relational living, for “being-with and for being-for the other.” 26 In and through work, in the course of human labor, the “definite regions of beings become manifest (offenbar)”;27 work becomes revelatory of what and how beings are; it is the “presence” of historical human being in the midst of beings.28 Thus unemployment, that is, being without work (Arbeitslosigkeit), undermines the dignity and task of human being. As Arjakovsky explains by quoting Heidegger: “It is because work accomplishes the relation to being(s) that being without work is an emptying (Entleerung) of this relation to being (Sein). The relation remains, but it is unfulfilled,” empty (A, p. 1338),29 thus the relation of the worker and that of beings to “to be,” to their ground in being, become undermined, distorted. For Heidegger, human work lets (contributes to) beings manifest themselves, lets them “to be,” anchored in their relation to being. The meaning of work, in the last analysis, is found in the relation to being (A, p. 1338), not in the will to power over (and machination of) things, beings, not in the self-affirmation of subjectivity. V. N and A attest to (show in action) the hermeneutic labor indispensable for reading and assessing (learning from, probing) Heidegger’s writings. His “dialogue” with Husserl (N) and the “entries” of the “polyphonic dictionary” (A), the two books here under discussion, lead (back) to his texts, to a free, open, mindful disposition toward them, to the “matter” sheltered in them. The careful reader of Heidegger’s texts learns the craft of reading them in the course of the experience of
work may be found in George Kovacs, “Phenomenology of Work and Self-Transcendence,” in The Journal of Value Inquiry, 20 (1986): 195–207. 26 Martin Heidegger, Logik als die Frage nach dem Wesen der Sprache (lecture course at Freiburg, Summer-Semester, 1934), GA 38 (Frankfurt am Main: Klostermann, 1998), p. 156 (hereafter: GA 38). 27 GA 38, p. 154. 28 GA 38, p. 128. 29 GA 38, p. 154.
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working with and probing, questioning them, thus becomes attentive to what they say and discerns the unsaid in them. “Listening rightly” to them, as Heidegger tells the participants in the “Seminar in Le Thor 1968,” the reader “encounters” (comes across, touches) and is “startled” (stunned, touched) by the “matter itself” sheltered in the given text.30 As committed, passionate teacher and thanks to his experience with language, however, he was keenly aware of the difference between the spoken word and the written word. According to his explanation in GA 97, “the spoken word possesses a superiority (Übergewicht) compared to the written one,” no matter how careful its “formation” (Gestaltung), no matter how much effort goes into the writing.31 However, as he continues, the spoken word “lacks duration” (Dauer), permanence, “works” otherwise (differently), and changes, flies away, fades into the “unknowable” (Unkenntlich), becomes unrecognizable; the “thinking-saying” (das denkende Sagen) finds firstly steadiness (eine Beständigkeit), constancy, permanence in writing, in the “written word”, thus acquiring “lasting force and time” (irrespective of the possibility of publication).32 This comparison between the spoken word and the written one is rooted in Heidegger’s understanding of language as saying-showing-disclosing; it is not about a semiological primacy of one over the other; it is about the need for both, about the hermeneutic relationship (interaction) between them, about the hermeneutics of language in speaking, writing, and “reading” (interpreting, translating). The spoken word is embodied in the written one; writing gives final closure and solidity to the spoken one, as well as undermines it by investing (endowing) it with fixity, finality, and perhaps undue authority and the aura of unquestionability, thus engenders (leads to the raising of) a healthy Socratic suspicion about it. This concern (suspicion), however, may be obviated by reading the written text (word) “rightly,” by listening and becoming attuned to it, by letting the written word become (function, sound, and speak as) spoken word, that is, saying-showing-disclosing, by letting, allowing it to speak again fully and even more deeply. Thus in “reading” (thinking, working with the text, including translation and interpretation) the written word becomes a spoken word again. This double movement (dynamics), that is, from the spoken word to the written one and from the latter to the former, becomes a threefold one by the second (the return) as leading to reopening-deepening the re-discovered word. The hermeneutics of reading, accordingly, deepens, expands, not contracts or narrows, the movement of disclosure and understanding. The listening, attuned reading of Heidegger’s texts, especially the
30 Martin Heidegger, “Seminar in Le Thor 1968,” in his Seminare (1951–1973), GA 15 (Frankfurt am Main: Klostermann, 1986), p. 286; Four Seminars, trans. Andrew Mitchell and François Raffoul (Bloomington: Indiana University Press, 2003), p. 10 (translation modified). 31 GA 97, p. 57. 32 GA 97, pp. 57, 58 (passage written in Dec. 1945); cf. also p. 86.
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most difficult and thought-provoking-opening ones (e. g., GA 65), consists in “entering into what Heidegger called the hermeneutic circle,” 33 the circle of understanding. The worth and destiny of Heidegger studies, the contention with his texts, are contingent on venturing this “entering.”
33 François Fédier, “Note de traduction,” in Martin Heidegger, Apports à la philosophie (De l’avenance), trans. François Fédier (Paris: Éditions Gallimard, 2013), p. 604.
Band 84.1 der Heidegger-Gesamtausgabe Heideggers Seminare zu Kant und Leibniz in der ersten Hälfte der 30er Jahre. Intensives Fragen und Nachdenken über zwei große Philosophen mit Freiburger Studenten Ewald Richter I. Zu diesem Band Der Teilband 84.1 des Bandes 84 enthält aufschlussreiche Einblicke in Heideggers Freiburger Lehrtätigkeit. Es handelt sich um Seminare über Kant und Leibniz, zu denen Heidegger jeweils eine eigene Aufzeichnung anfertigte. Im Einzelnen geht es um das Sommersemester 31 (Kant), das Wintersemester 31/32 (Kant) und das Sommersemester 34 (Kant) sowie das Wintersemester 35/36 (Leibniz). Aufgenommen wurden zugleich Protokolle sowie Auszüge aus Referaten und brieflichen Mitteilungen von Seminarteilnehmern. Die genannten Seminare fallen in diejenige Periode, in der sich bei Heidegger der Übergang seines Denkens zum „Seinsdenken“ vollzog. In guter Erinnerung ist in dieser Zeit die bedeutsame Davoser Disputation zwischen Cassirer und Heidegger, die 1929 stattfand. Anzumerken ist noch, dass Heidegger das Rektorat der Freiburger Albert-Ludwig-Universität 1933/34 innehatte. Es kommen demnach viele Gründe zusammen, die dafür sprechen, mit besonderem Interesse in Erfahrung zu bringen, wie Heidegger in jener Zeit seine weit eindringenden Gedanken zu Kant und Leibniz den Studenten der Universität Freiburg zu vermitteln suchte. Die im vorliegenden Band ausgewählten Seminarthemen bieten einen umfangreichen Stoff (mit zahlreichen eingearbeiteten Details). Zudem wurde der Band vom Herausgeber Günther Neumann mit einem ausführlichen und hilfreichen Inhaltsverzeichnis ausgestattet. Bei den zur Diskussion stehenden wichtigen Themen verstand Heidegger es überzeugend, im sachbezogenen Durchgehen die bedeutsamen Zusammenhänge zu klären und dabei den Blick für das Wesentliche zu wecken. Wo immer der Leser diesen Band aufschlägt, sieht er sich bei aufkommendem Interesse sogleich in Fragen und Antworten einbezogen, die mitnehmen können, insofern es sich nämlich um herausragende Themenbereiche der neueren Philosophie handelt. Hervorgehoben sei an dieser Stelle, dass die im Band wiedergegebenen Seminarverläufe einen interessanten Aufschluss über Heidegger als Universitätslehrer
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in der ersten Hälfte der 30er Jahre geben. Der Tiefgang und die sichere Art der Seminarführung sowie manche kenntnisreich vermittelte Bezüge zu anderen Denkern verdienen hervorgehoben zu werden. Durchgehend werden in den Seminaren Fragen des Denkens nahe gebracht, die als grundlegende Fragestellungen der Metaphysik nachhaltig gewirkt haben und weiter wirken. II. Kant Heidegger stellt heraus: Metaphysik ist, – wie Kant es sieht – „die Grunddisziplin, von ihr aus überhaupt Wesen der Philosophie, d.h. aber Philosophieren“1. Das in der neuzeitlichen Metaphysik sich anbahnende Denken wird zumeist auf Descartes bezogen. In den Vordergrund rückt hier ein besonderes Verhältnis des auf Erkenntnis gerichteten Menschen zum Seienden. Der Mensch hat dieses Seiende zwar nicht geschaffen, aber die erstaunliche Möglichkeit seiner Erkenntnisse (etwa in der aufkommenden Naturwissenschaft) verweisen auf ein Problem, das an Gewicht gewann. Während Leibniz sich mit Ansprüchen des reinen Denkens weit hinaus wagte, verwies Kant darauf, dass gesicherte objektive Erkenntnis auf unsere Sinnlichkeit bezogen bleibt. Dieser Bezug betrifft die Möglichkeit der Erkenntnis selbst, das vorgängige „Wie“ des Erkennens. Heidegger hebt durchgehend bei Kant das „Hinnehmen“ der Erkenntnis hervor, das zugehörig dem „Wie der Erfahrbarkeit“ ist.1 Die Gegenständlichkeit ist eine „Seinsweise“, die sich hierauf gründet und konstitutiven Bedingungen genügt, nicht aber sich angleichen muss an ein Objekt. 1. Hinweise zu Kants Vorrede der „Fortschritte“, Sommersemester 31, S. 5–12 Thema des Seminars im SS 31 ist Kants Preisschrift über die „Fortschritte der Metaphysik“. Dieses Seminar steht am Anfang des Bandes 84.1. Es eröffnet damit die Themenstellung des letzteren. In seinen Aufzeichnungen zum Seminar gibt uns Heidegger zunächst einen Einblick in seinen Plan (S. 5). Es geht um Metaphysik als Grunddisziplin und von hier aus um das Wesen der Philosophie, wie Kant es primär sieht. Mit entsprechenden Vorbereitungen folgt dann der Übergang zur Auslegung. Kant hat in der Vorrede folgendes geschrieben: Fragt man, auf welchen „Endzweck“ Metaphysik angelegt sei, dann könnte man im Sinne einer Definition sagen, sie sei „die Wissenschaft, von der Erkenntnis des Sinnlichen zum Übersinnlichen fortzuschreiten“. Wie nun ging diese „Wissenschaft“ vor? Antwort: Ihre Er-
1 S. 5. – Seitenzahlen ohne weitere Angaben beziehen sich hier wie im Folgenden auf den vorliegenden Band.
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kenntnis verfährt a priori und synthetisch. Heidegger stellt, dem Gang der „Fortschritte“ folgend im Sinne Kants die von diesem unterlegten „drei Stadien“ der Metaphysik vor. Zunächst ist das Vorgehen der Metaphysik „theoretisch dogmatisch“, d. h. hier wird der Unterschied nicht beachtet von dem, was auf der einen Seite durch ein sinnlich Gegebenes belegbar ist, und dem, was auf der anderen Seite als rein begriffliche Erkenntnis a priori einer kritischen Untersuchung bedurft hätte. Sodann wird der Fortgang „skeptisch“ und es kommt zum skeptischen Stillstand. Schließlich mündet der Fortgang in den „kritischen“ Stand. Bei diesem 3. Stadium ergab sich für Kant die Gelegenheit, auf seinen eigenen „Kritizismus“ zu verweisen. Die Seminardiskussionen lassen nun deutlich erkennen: Heidegger gibt einen Überblick zum Gang der Metaphysik, um überzuleiten zur entscheidenden Begründungsfrage der Transzendentalphilosophie, die einen „Endzweck der Metaphysik“ nicht um Willen der Wissenschaftsbegründung zurück gedrängt hat, sondern vielmehr, um sich unter ihm der vollen Aufgabe der Transzendentalphilosophie zuzuwenden2. 2. Zentrales Thema Kants nach Heidegger: „Endlichkeit der Anschauung“ als fundamentale Bedingung S. 12–17 Doch es muss nun gefragt werden: Worauf will Heidegger hier hinaus? Die Antwort kann nicht obenhin gegeben werden und kann damit auch zum großen Teil nur den Charakter von hilfreichen Hinweisungen für den Leser haben. Der Blick auf den Text lässt sogleich erkennen, dass das Problem der „endlichen Anschauung“ für Heidegger vorrangig ist. Es spielt auch in die weiteren Abschnitte hinein, so dass die erste Antwort nicht erschöpfend sein kann. Als Ausgangspunkt kann der Satz genommen werden: Kant „konstruiert die Idee einer – nicht absoluten – Anschauung a priori“ (S. 11). Es geht bei der menschlichen Erkenntnis um Anschauung a priori, der Seiendes „gegeben“ sein muss. Somit wird entscheidend, was Heidegger über die „Formen“ der Anschauung hervorhebt. Unsere Anschauung ist endlich, ist nicht schöpferisch. Aber was heißt „herstellendes Vorstellen“? Welcher Art notwendige Vorstellung kann der Raum für endliche Erkenntnis sein? Mit „Formen der Anschauung“ meint Kant nicht vorgestellt als Form der Objekte. Er meint vielmehr: Raum vorgestellt „als Form“ mit Blick darauf, dass ,unter ihr‘ (also nicht thematisch) vorgestellt wird. Und was wird vorgängig vorgestellt? Es ist – wie die weiteren Bemerkungen Heideggers wieder bestärken – eine Weise des Erfahrens, nämlich die selbst allein zugelassene Weise der Erfahrungserkenntnis im Sinne der „Bedingungen“ ihrer Möglichkeit. Der Mensch der objek-
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tivierenden Erfahrungserkenntnis ist nicht schöpferisch. Wir verfügen über keine schöpferische Anschauung und sind überhaupt nicht ontisch schöpferisch. Dennoch ist die Weise der „messenden“ und „objektivierenden“ Erfahrung eine spezifische und dies von „von Grund auf“. 3. Kants Lehre vom Urteil, S. 21–50. Zurückweisung der Kritik Schleiermachers an der Unterscheidung „synthetisches Urteil – analytisches Urteil“ Die Unterscheidung von synthetischen und analytischen Urteilen war für Kants kritische Position von besonderer Bedeutung, weil es nach seiner Meinung bei der Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit der Erkenntnis wesentlich darum gehe, wie synthetische Urteile a priori möglich sind. Daher ist es wichtig einzusehen, dass der Unterschied zwischen synthetischen und analytischen Urteilen kein „fließender“ sein kann (wie Schleiermacher behauptete). Man ahnt bereits, dass nun die synthetischen Urteile zum genannten Unterschied als die primären, für die Erkenntnis grundlegenden angesehen werden sollen. Nach ihrem „logischen Begriff“ sind Urteile nach Kant „nichts anderes als die Einheit des Bewusstseins im Verhältnis der Begriffe überhaupt“. Ein analytisches Urteil (gegeben im Subjekt-Objekt-Verhältnis) wird, wie gut bekannt ist, so bestimmt: Dem Subjekt wird ein Prädikatsbegriff zugesprochen, der im Subjektbegriff inhaltlich schon „enthalten“ ist. Man könnte meinen, dies wäre eine klare Erklärung, mit der Kant alles Wichtige gesagt hat, so dass eine Auseinbandersetzung mit Schleiermacher keine tief in die Sache gehenden Relevanz haben kann. Doch dies wäre ein Irrtum. Es empfiehlt sich für das Folgende, sich kurz darauf zu besinnen, dass heute bei begrifflichen Überlegungen (nicht zuletzt bei der Logik) ein formal abgehobener Gegenstandsbezug aus vielen Gründen Vorliebe gefunden hat. Damit wird ein Vorgehen präferiert, das ein weiteres Nachdenken über die Problematik des „rein Begrifflichen“ nicht in einem Ausmaß, wie dies erforderlich wäre, für nötig hält. Man könnte dennoch das Problem, das im Seminar näher erörtert wird, mit dem Satz beginnen: Die Verhältnisse des Zutreffens einer Begriffsbestimmung für Gegenstände sind zunächst dort hinreichend klar bestimmt, wo die Begriffe jeweils für eine bestimmte Menge eines nicht leeren Gesamtbereiches wahr und für jeden anderen Gegenstand dieses Bereiches falsch sind. Ein Begriff wird damit einer Gegenstandsmenge eindeutig zugeordnet. Schließt von zwei Bestimmungen P, Q die zweite die erste dem Unfang nach ein, dann gilt: Es folgt daraus, dass die erste Bestimmung für einen bestimmten Gegenstand zutrifft (also eine Aussage „S ist P“ wahr ist), dass auch die zweite Bestimmung für diesen Gegenstand zutrifft (dass die Aussage „S ist Q“ wahr ist). Man sieht dann auch, dass klassisch logisch das „und“ dem Durchschnitt, das „oder“ der Vereinigung und das „nicht der Komplementmenge (in einem nicht leeren Gegenstandsbereich) entspricht.
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Die hiermit angesprochenen Operationen sind ohne Frage in der „klassische Aussagenlogik“ gut anwendbar und können auf einen weit umfassenderen Boden gestellt werden. Aber sie können auch gerade mit dazu dienen, darauf hinzuführen, dass mit abgehobenen Formalisierungen die grundlegenden philosophischen Fragen „außen vor“ bleiben. Damit wird es sinnvoll, auf das kurz angesprochene Thema des fundamentalen Unterschiedes von synthetischen und analytischen Urteilen noch näher einzugehen. Kant sprach, wie erwähnt wurde, beim analytischen Urteil vom Enthaltensein des Prädikatsbegriffs P im Subjektbegriff S, so dass kurz gesagt die P-Menge zur S-Menge gehört (bezogen auf einen Gegenstandsbereich für zugeordnete Mengen). Die genaue Art der Gegenstände ist jetzt nicht relevant, wohl aber das Verhältnis vom Subjektbegriff zum Prädikatsbegriff. Einen gewissen weiteren Hinweis für den Unterschied eines synthetischen und analytischen Urteils gibt Heidegger im Seminar, wenn er sagt: Beim synthetische Urteils ist im Subjekt der Gegenstand als solcher gemeint, beim analytischen eben nicht – sondern nur Subjekt. Die dann weiter helfende Bestimmung, auf die das Folgende hinlenkt, geht genauer auf die Wege der Gewinnung eines synthetischen und analytischen Urteiles ein. Dies läuft darauf hinaus einzusehen, dass die Bestimmung eines analytischen Urteils nur durch eine „Privation“ vom synthetischen her möglich ist. Es ist dabei folgendes zu bedenken: Bei dem analytischen Urteil weist das erläuternde Prädikat insofern über den Subjektsbegriff hinaus, als es im Sinne der „Hinsicht“ offenkundig macht, dass es überhaupt nicht mehr auf den Gegenstand sieht. Es soll in diesem Sinn beinhalten, dass es nur noch um begriffliche Festlegung durch das Prädikat gehe. Das analytische Urteil ist eben kein gegenständliches Urteil, aber dennoch ist die Bestimmung eines analytischen Urteils nur möglich auf dem Wege der Privation vom synthetischen her. Das heißt zugleich: Beim analytischen Urteilen geht es um „Rückzug, doch nicht ohne jeden Anschauungsbezug“ und damit auch nicht ohne tragenden Bezug auf ein Gegebensein. Heidegger sagt, dass der Urteilsbegriff bei Kant mit der Ausarbeitung der Transzendentalphilosophie präzisiert wurde. Es habe sich gezeigt, dass die Urteilsbestimmung letztlich generell auf Anschauung gegründet ist und als solche auf Erkenntnis. Es sei dies von Kant in klarer Weise durchgeführt worden. Besonders zeige sich dabei: Der „Sinn der Prädikation“ und die Wahrheit eines Urteils sind beim synthetischen Urteil ganz anders gelagert als beim analytischen Urteil. „Nie geht ein synthetisches Urteil in ein analytisches über“ 3. Im analytischen Urteil vollziehe sich zwar durchaus eine „Blicknahme“ auf den in Frage stehenden Gegenstand, dies jedoch ohne eigenen neuen gesonderten Beitrag. Kants transzendentale Definition des Urteils bringt dies angemessener zum Ausdruck. Entsprechend ist im Urteil ein „Begriff niemals auf einen Gegenstand un3
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mittelbar, sondern nur auf eine Vorstellung von demselben bezogen“ d.h. auf Anschauung oder Begriff, letztlich auf Anschauungen. Auch ist bei „Einheit“ jetzt in direkter Weise von objektiver Einheit die Rede. Das Urteil ist damit die Vorstellung der „objektiven Einheit des Bewusstseins“ verschiedener Vorstellungen.4 Auf diese Weise ist das Urteil die „Vorstellung einer Vorstellung“. Beim Kantischen kritischer Urteilsbegriff kommt letztlich die Endlichkeit der objektiven Erkenntnis – und zwar sowohl der Anschauung wie dem Begriffe nach – zum Ausdruck. Übergreifend konnte Heidegger jetzt unter Berufung auf Kant versuchen, dem Seminar folgendes nahe zu bringen: Urteilen ist wesentlich anschauungsgegründet und Erkenntnis ist „denkende Anschauung“. Die Form der Anschauung bestimmt die „Weise“, das „Wie der Erfahrbarkeit.“ 5 Heidegger vollzieht mit seinen Worten eine grundlegende Einsicht Kants: Die Erfahrungserkenntnis ist von ihrem Grunde, von der Anschauung her – insgesamt angewiesene, „endliche Erkenntnis.“ 4. Ding an sich und Erscheinung Mehr und mehr kristallisiert sich die entscheidende Frage nach der „Möglichkeit der Erkenntnis“ heraus. Erkenntnis bezieht sich auf einen „Gegenstand“, den wir nicht selbst gemacht haben und der doch ein möglicher Gegentand der Erkenntnis ist. Es sind unsere eigenen Vorstellungen, in denen sich die Einheit des Gegenstandes in bestimmter Weise vollzieht. Kant arbeitete nun „Bedingungen der Möglichkeit“ der Erfahrungserkenntnis aus, die das Wesen der Dinge als Erscheinungen betreffen. Der spekulativen Dingerkenntnis, die auf Grund des Überschreitens der sinnlichen Anschauung nicht hinreichend gegen das Auftreten von Widersprüchen gewappnet war, trat Kant dadurch entgegen, dass er konkret auf jeweils entstehende Widersprüche hinwies. Ein Ausweg ergäbe sich nur, wenn die Dinge aus einem „doppelten Gesichtspunkt“ betrachtet werden. Dann können die Dinge einerseits als „Erscheinungen“ bestimmt und damit als der Naturkausalität unterworfen angesehen werden, und sie können andererseits zugleich auch als „Dinge an sich“ gedacht werden. Die Unterscheidung „Erscheinung“ und „Ding an sich“ gehört zu den am meisten missverstandenen Argumenten Kants. Das nachfolgend Gesagte richtet sich auch gegen immer wieder aufkommende Fehlinterpretationen Kants, denen offensichtlich auch B. Noll (s. u.) nicht entgangen ist. Es geht Kant keineswegs darum, mit seiner Unterscheidung deutlich zu machen, dass unsere Erkenntnis zu den „Dingen an sich“ nicht hinaus gelangen könnte und damit unbehebbare Mängel aufweisen würde. Hätte Kant dies sagen wollen, dann hätte er damit gleichsam gesagt, die „Dinge an sich“ würden „eigentlich“ erkennbar sein, sind es aber nicht
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auf Grund einer zu beklagenden Verhinderung. Doch Kant geht es nicht um ein Ding, das ein Erkenntnisgegenstand wäre, wenn es nicht hinter einer vordergründigen Welt von Dingen läge und Erkenntnis nur zu dieser hingelangen könnte. Kant spricht vielmehr davon, dass jeweils dieselben Dinge aus doppeltem Gesichtspunkt betrachtet“ werden müssten (als „bloß gedacht“ bzw. „für die Erfahrung“). Heidegger sagt daher, es handele sich bei den „zwei Gesichtspunkten“ um „dasselbe Seiende“ und macht damit eine zutreffende Anmerkung zu einem in der Kantischen Philosophie zentralen Punkt6. Auch im vorliegenden Seminar wird dieser Punkt als solcher aufgegriffen und es zeigt sich, dass er nicht von allen Studenten sofort akzeptiert wurde (wie gesagt auch nicht von B. Noll, s. Abschnitt 7). Das „unbekannte“ Ding an sich ist derart nicht etwas, das sich als „hinter“ den Erscheinungen stehend gäbe, d. h. so „als wäre für uns das Ding an sich ontisch doch gegeben, nur nicht bestimmt“ (ebd.). Von Erscheinungen, so der Hinweis Heideggers, lässt sich sagen: „Was erscheint, erscheint eben – zeigt sich – im Lichte von Raum und Zeit“, und zwar hier als „Gegen-stand“ (Heidegger). Wenn vom „Ding an sich“ im positiven Sinn gesprochen wird, dann kann dieses nur ein Ding sein, das vom Anschauenden geschaffenes ist, wie dies bei Annahme einer göttlichen schöpferischen Anschauung der Fall ist. Wir Menschen verfügen über eine solche Anschauung nicht und können die Dinge als Dinge an sich „nur denken“. 5. Noumenon im negativen Verstande Wie sich ergab, beruht die Möglichkeit unserer Erkenntnis der Dinge als Erscheinungen nach Kant darauf, dass hier „Kategorien“ in Beziehung auf die Einheit der Anschauungen Bedeutung haben. Kant fasst den Begriff der Kategorien folgendermaßen: Kategorien sind „Begriffe vom Gegenstand überhaupt, dadurch dessen Anschauung in Ansehung einer der logischen Funktionen zu Urteilen als bestimmt angesehen wird.“ 8 Diese Funktionen besagen in Bezug auf Objekte der sinnlichen Anschauung zugleich: Das Denken würde in ihnen jenseits der sinnlichen Anschauung inhaltlich gegenstandslos. Doch bleibt es sinnvoll, von einem Objekt zu sprechen, bei dem wir von unserer sinnlichen Anschauungsart abstrahieren. Kant nennt es „Noumenon im negativen Verstande“ (ebd.). Der Sinn ist nicht schon ohne weiteres mitgegeben. Bewusst leitet Heidegger schrittweise zum Problem der Grenzerfahrung über, dies jedoch nicht ohne zuvor noch einmal einen Drehpunkt des missverstandenen Grenzbegriffes vor Augen zu führen. Man sagt etwa: Mit dem Bewusstsein sei man als Mensch über dessen begrenzenden Körper und so als Wissender über Endlichkeit und Grenzen hinaus. Aber 6
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über welche Endlichkeit und inwiefern „hinaus“? Wir können zwar das Noumenon in „positiver“ Bedeutung nehmen, nämlich dann, wenn wir vom Objekt einer nichtsinnlichen Anschauung sprechen, doch jetzt handelt es sich gerade um ein Ding, sofern es nicht Objekt unserer sinnlichen Anschauung ist.7 Und hier geht es um ein Problem der „Grenzziehung“. 6. Problem und Gewinn der „Grenzziehung“ Kants Grenzziehung schränkt unsere Erkenntnis auf die Bedingungen „Raum und „Zeit“ und damit auf Bestimmungen ein, die allein den „Erscheinungen“ zugesprochen werden können. Ist diese Grenzziehung nicht mit einem großen Verlust verbunden? Im Unterschied zu ihr ging die spekulative Metaphysik mit ihren Sätzen „über jede mögliche Erfahrung hinaus.“ Doch stellte Kant hierzu kritisch fest, dass etwas erkannt werden soll, von dem sich gar nicht beibringen lässt, wie es unter die Formen „Raum“ und „Zeit“ zu bringen sei, um damit sich als „objektive Erkenntnis“ auszuweisen. Die Kategorien waren als Bedingungen für objektive Erkenntnis auf das Feld der Sinnlichkeit eingeschränkt. Wer ihnen in der Anwendung korrekt folgen will, darf also das Feld der Sinnlichkeit nicht verlassen, und es ist zu fragen wie dies möglich ist. Außerhalb der Grenze wäre ein unendliches Feld, in dem für die Erkenntnis nicht Fuß zu fassen ist. Es gibt keinen Blick von außerhalb auf die Grenze und von innen wäre man, wenn dieses anschauliche Bild überhaupt herangezogen werden darf, nie an der Grenze. Im Rahmen der Kantischen Frage nach objektiver Erkenntnis liegt für Heidegger ein Problem vor, das durchaus schon vordem auch das seine war. Es geht um die Endlichkeit eines Existierenden, der das Seiende transzendiert. Heidegger erklärt im Seminar folgendes: Grenzen „wissend verhaftet sein“, gehört zur Endlichkeit8. Kant selbst spricht vom problematischen Begriff des Noumenon im negativen Verstande und von einer gleichsam mitgeführten Anzeige darüber, dass objektive Erkenntnis sich nicht auf alles erstrecken könne, was der Versand denkt. Durch das Gelingen der Mathematik als korrekte objektive Erkenntnis wird theoretische Erkenntnis leicht dazu verführt, im Fortgang bei der Frage nach apriorischer Erkenntnis auf den erforderlichen Ausweis zu verzichten und sich – angeb7 I. Kant, Kr. d. r. V. B 307. Hier wie im Folgenden beziehen sich die angegebenen Seitenzahlen zur „Kritik der reinen Vernunft“ auf die Originalausgabe von 1781 (angegeben durch „A“) bzw. auf die Originalausgabe von 1787 (angegeben durch „B“). Die bekannte spätere Ausgabe von Raymund Schmidt erschien in der Philosophischen Bibliothek des Verlages Felix Meine (die 2. Auflage 1930 als Band PhB 37 a). 8 S. 74.
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lich wie die Mathematik – zu erweitern. So konnte das Gelingen der Mathematik unbedacht zur Verführung in Ungesichertes werden. Obwohl der Punkt expressis verbis nicht Gegenstand der Seminardiskussionen war, seinen ein paar Worte dazu gesagt. Gemeint ist – jetzt genauer gesagt – folgendes: Metaphysik als Erkenntnis a priori kann im speziellen Fall erfolgreich sein, ohne dass die Möglichkeit ihrer synthetischen Urteilen a priori zuvor näher beachtet wurde und ohne Einsicht in die Vorgängigkeit der Anschauungsformen Raum und Zeit, in welchen die Kategorien verankert sind. Die Mathematik erfüllt im speziellen Sinn die hinreichende Bedingung des Bezuges auf reine Anschauung durch Darstellbarkeit der Begriffe in der reinen Anschauung. Aber man glaubte eben, ohne nach einer solchen Möglichkeit apriorischer synthetischen Urteile zu fragen, fortschreitend eine begriffliche Erkenntnis unbeirrt erweitern zu können9. Der Metaphysik wurde nun zugemutet, vom Bedingten zum Unbedingten aufzusteigen, welches letztere für alles in Raum und Zeit Liegende gar nicht zu erreichen ist. Im Seminar ist deutlich geworden, dass bei vielen Hörern die Kantische Unterscheidung zwischen „Ding als Erscheinung“ und „Dinge an sich“ in der Darstellung von Heidegger auf besondere Schwierigkeiten gestoßen ist. Ein Brief von Balduin Noll an Martin Heidegger ist Ausdruck dieser Schwierigkeiten. Im Folgenden sei auf diesen Brief etwas näher eingegangen. 7. Ein Brief von Balduin Noll an Martin Heidegger10 In diesem Brief an Heidegger ist die Kantische Unterscheidung von „Ding an sich“ und „Erscheinung“ ein zentraler Diskussionspunkt. B. Noll erklärt in dem Brief, er und noch andere Seminarteilnehmer hätten bei den Darlegungen im Problemkreis des „Dinges an dich“ mit „erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen11. Er sähe sich genötigt, eine Unterscheidung von Ding an sich und Erscheinung auch für das endliche Erkennen anzusetzen. Hier müsse dann die Beziehung auf etwas angenommen werden, dessen „unmittelbare Vorstellung zwar sinnlich“ ist, obwohl es „an sich selbst“ als etwas „ohne Beschaffenheit unserer Sinnlichkeit“ zu denken sei. Im Bezug auf dieses „An sich“ könne dann ein Affizieren und Affiziertwerden aufgeklärt werden. Das Affizierende sei als solches „unbekannt“, doch könnten unsere Vorstellungen vom Wirklichen durch jenes im Raume als ermöglicht angenommen werden. Mit diesen Worten skizziert Noll offensichtlich das, was nach seiner Meinung mit einem Gegenstand und mit dem Gegenstandsbezug verbunden werden müsse. Ein Gegenstand sei etwas „an sich“, das unsere Sinne affiziere und mittels Affek-
I. Kant, Kr. d. r. V. B 740 ff. S. 819 ff. 11 Ebd. (erster Abschnitt des Briefes). 9
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tion Vorstellungen hervorrufe. Im Kantischen Erscheinungsbegriff müsste demnach liegen, dass etwas erscheint, das auch unabhängig von unserer Sinnlichkeit etwas sei. Wenn Kant sage, Erscheinungen seien nur unsere Vorstellungen, so weise dennoch der Begriff der Erscheinung in diesem Sinne schon über sich hinaus. Noll möchte jetzt einen eigenen Begriff der unerkennbaren Ursache für die endliche Erkenntnis einsetzen. Das unerkennbare Ding sei hier dasjenige, was unsere Vorstellungen erwirke. Das Kantische „Ding an sich“ käme für diese Rolle nicht in Frage. Denn menschliches Erkennen bewege sich ja im Rahmen der durch Sinnlichkeit modifizierten Anschauungen und damit auch nicht im Rahmen schöpferischer Anschauung. So unterstreicht Noll, dass unser menschliches Erkennen auch das durch intellektuelle Anschauung entstandene Seiende „qua entstandenes“ (als Geschöpftes der schöpferischen Anschauung) nicht zu erkennen vermag. Diese sei ja untauglich, unsere durch Affektion ermöglichten Vorstellungen, die Wirkliches im Raume vorstellen, als solche grundlegend zu erklären. Das Wunschbild von Noll ist, wie jetzt immer deutlicher wird, ein Affizierendes, das unserer endlichen Erkenntnis zugrunde liegt. Noll glaubte, dass Kant ihm mit dem Begriff des „transzendentalen Gegenstandes“ in gewisser Hinsicht entgegen käme. Dabei geht es um folgendes: Wer sich bei der Frage der Gemeinschaft des „Denkens und des Ausgedehnten“ auf die denkende Substanz zurückziehen will, muss nach Kant die Frage beantworten, wie der denkenden Substanz die Anschauung des Raumes (eine Erfüllung desselben) möglich sei. Diese Frage kann aber, wie Kant sagt, keiner beantworten. Doch könne man, um die Unmöglichkeit der Frage zu bekunden, die Ursache der Anschauungsart im „transzendentalen Gegenstand sehen“, von dem zu sagen ist, dass man ihn nicht kennt und von ihm keine Kenntnis bekommen kann. Da man nun, so Kant weiter, bei Aufgaben im Felde der Erfahrung durchaus Erscheinungen so behandeln kann als wären sie Dinge an sich, kann man hier auf eine Antwort verzichten. Geht man jedoch über die „Grenze“ der sinnlichen Erfahrung hinaus, dann wird das „transzendentale Objekt“ durchaus notwendig. Dann nämlich sei u. a. ungewiss, ob sich nicht ein Grund der Ermöglichung als solcher für andere Arten der Anschauung bekunden wird. B. Noll sieht nicht, wieso es für Kant sinnvoll ist, Erscheinungen aus gutem Grund „Vorstellungen“ zu nennen. Er fordert diesbezüglich ein den Vorstellungen zugrunde Liegendes und begrüßt es, wenn Kant gleichsam zugäbe, dass Erscheinungen im gewissen Rahmen wie Dinge an sich behandelt werden könnten. Kants Auffassung beinhaltet jedoch gerade, dass das Verständnis „der Erscheinungen“ als „der Dinge selbst“ (wenn man will, „Dinge an sich“ genannt) auf dem Felde der Erfahrung keiner sinnvollen zusätzlichen Bekräftigung fähig ist und einer solchen auch gar nicht bedarf. Dies ist nach Kant deshalb so, weil mit der Bekräftigung verlangt wird, Fragen zu beantwortet, die keiner beantworten könnte und die in der gegeben Form der Sache nach auch gar nicht beantwortet werden müssten. Noll dagegen möchte nun aber doch, „Ding an sich“ und „Erscheinung“ für das endliche Erkennen scharf als Dinge unterscheiden. Er sieht sich nicht in der Lage,
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die genannte Annahme, für die er Kant gemäß kein tragendes Fundament beigebracht haben kann, beiseite zu legen. Heidegger geht auf die Argumentation ausführlich ein, bleibt aber dennoch persönlich zurückhaltend. Die Nollsche Kritik als solche wird eindeutig zurückgewiesen. „Anschauliche Hinnahme“ bei der Erkenntnis sei auf dasselbe Seiende bezogen und auf diesen Bezug werde dann der „Gegenstandsbegriff“ ausgerichtet. Es genüge im genannten Zusammenhang darauf zu verweisen, dass unsere Anschauung „hinnehmend“ ist (dass es sich bei der objektiven Einheit des Gegenstandes um einen zu begründenden Gegenstandsbezug“ handelt, steht mit dem von Kant Dargelegten außer Frage). 8. Antinomien und dialektischer Schein Kant ist zurecht der Überzeugung, seinen „Transzendentalen Idealismus“ mit der angegebenen „kritischen Unterscheidung“ dadurch entscheidend untermauert zu haben, dass er der dogmatischen Metaphysik nachweisen konnte, sie führe unvermeidlich zu Widersprüchen. Besonders bekannt sind die drei Antinomien, zum „Anfang der Welt“, zum Bestehen des Zusammengesetzten aus einfachen Teilen und zur Antinomie der Frage nach der Existenz von Freiheit. Kant hat großen Wert darauf gelegt, von vornherein seine Absicht und sein Vorgehen in den Beweisen der Antinomien klar herauszustellen. Es ist ihm wichtig, dass gesehen wird, welche besondere Rolle die von ihm erzeugten Widersprüche spielen. Vom dogmatischen Metaphysiker wird die Welt aus der Position des reinen Denkens beurteilt12. Der Metaphysiker spricht von Dingen und kennt die kritische Unterscheidung nicht. Irrtümer, die dadurch entstehen, dass Aussagen über die Erscheinungswelt (Sinnenwelt) gemacht werden, bei denen Argumente aus einer für selbstverständlich angesehenen Position für Dinge an sich verwendet werden, sind von der Art, wie sie Kant in der hier zunächst besprochenen 1. Antinomie zugrunde legt. Genauer gesagt geht es um folgendes: Zur Diskussion stehen zwei Aussagen „A“ sei die Aussage: „Die Welt hat der Zeit nach einen Anfang“. „B“ sei die Aussage: „Die Welt hat der Zeit nach keinen Anfang“. Für eine auf die Sinnenwelt angewendete Ding-an-sich-Position muss es erstaunlich sein, dass folgendes gezeigt werden kann: Wenn es keinen Anfang gibt, dann ist bis zum gegebenen Zeitpunkt eine Unendlichkeit (an Zeit) und damit eine Unendlichkeit von aufeinander folgenden Zuständen der Welt verflossen. Nun kann aber eine unendliche Reihe durch sukzessive Synthesis niemals vollendet sein. Soll die verflossene Zeit diese Bedingung erfüllen, dann muss sie als Gegebenes stets 12
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endlich bleiben. Die verflossene Zeit sei aber unendlich gegeben. Man erhält einen Widerspruch zur hypothetischen Annahme und so muss man schließen, dass es einen Anfang gibt. Der entscheidende Punkt liegt in der Frage, ob die verflossene Zeit als eine Unendlichkeit mit einem bleibend endlichen Regress nicht im Widerspruch stünde. Die These der Anschauung von etwas Unendlichem („an sich“), d.h. die These der „wirklichen Unendlichkeit“, wird dem Dogmatiker unterstellt, doch gibt es diese sog. „wirklich existierende“ Unendlichkeit nach Kant gar nicht. Die Aufzeichnung macht allerdings zunächst den Eindruck, als würde von vornherein etwas Widersprüchliches unterstellt.13 Doch müssen unterstellte Ansicht und Angebot (der Regress) auseinander gehalten werden, denn ein Widerspruch im Angebot muss nicht akzeptiert werden. Natürlich erübrigt sich dieser Hinweis, wenn der Zusammenhang (insbesondere die Unterscheidung von Gegebenem und „unkritisch Gegebenem“) voll berücksichtigt wird.14 Des Weiteren geht es dann um die Bedeutung der Argumente für die Antithese. Gäbe es einen Anfang der Welt, so müsste eine „leere Zeit“, die durch Erfahrung gegeben werden kann, angenommen werden. Hier handelt es sich um eine Unmöglichkeit für die Welt der Erscheinungen. Eine leere Zeit kann zu keiner möglichen Erfahrung gehören. Es gibt also keinen Anfang der Welt in der Zeit. Doch, so muss man hinzufügen, hier wäre der Dogmatiker noch nicht am Ende seiner Argumente, und diese Argumente muss man in diesem Zusammenhang „gelten lassen“. Er dürfte die Sinnenwelt für Ding an sich halten und könnte dann den Anfang als solchen abstreiten. Hält man die Sinnenwelt „für ein Ding, was an sich selbst“ „seiner Totalität nach gegeben war“, nämlich vor allem Regressus, dann müsste man eine an sich „wirkliche Unendlichkeit“ einräumen, die nirgends anzutreffen wäre. Kurz gefasst ergab sich zu den unterstellten Annahmen: Die Annahmen A und B führen beide zum Widerspruch. Das Ergebnis wurde für den Bezug auf Dinge an sich nahe gelegt. Wie Kant selbst die Argumentation beurteilt, ist einer Stelle der „Kritik“ zu entnehmen: Die Welt existiert gar nicht unabhängig vom empirischen Regress meiner Vorstellungen und würde aufgehoben sein, sobald die Vorstellungen eines solchen Regress aufgehoben wären.15 Anders gewendet kann zur Verdeutlichung des hier zugrunde Liegenden gesagt werden: Wenn die Welt ein an sich existierendes Ganzes wäre, müsste sie der Zeitgröße nach entweder endlich oder unendlich sein. Sie ist aber beides nicht, was zum Beweis der Antinomie gezeigt wurde (für die Annahmen und auch sonst). Sie kann eben kein „an sich“ existierendes Ganzes sein, wie der
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dogmatische Metaphysiker der Tendenz nach für eine „unendliche Welt an sich“ annimmt (doch der stets endliche Regress von Vorstellungen bezieht sich auf die Erscheinungswelt). Der erhaltene Widerspruch der 1. Antinomie wird von Heidegger durch eine Nachzeichnung des Beweisganges mit Recht in seiner zentralen Bedeutung herausgestellt. Missverständlich ist eine Bemerkung in den handschriftlichen Nachschriften (H. Markuse): Thesis und Antithesis der 1. Antinomie sind, wie den Aufzeichnungen gemäß wiedergegeben wird, beide falsch. Aber im weiteren Text heißt es dann: Dies sei in unkritischer Weise formallogisch so, doch „rein logisch“ seien beide Sätze wahr und unwiderleglich. Das steht so nicht da. Es heißt vielmehr: „Die Einsicht in die Falschheit beider [ist] eine kritische“, ist eine Einsicht, die als solche wahr ist (und scheinbar sind „wahr“ die Hauptthesen). So verhält es sich auch, insofern Kant den Blick für das Scheinargument auf eine „für sich existierende Sinnenwelt“ richtet, d.h. auf eine Scheinwelt, die es schon von vornherein nicht gibt. Der zitierte Satz der Nachschrift, aus der eine generelle Geringschätzung der formalen Logik zu entnehmen ist, muss bedenklich genannt werden. Es könnte der niedrigen Einstufung der formalen Logik durch Heidegger eher schaden als nützen. Weder Kant noch Heidegger haben die „Richtigkeit“ der formalen Logik derart in Frage gestellt. Die Bedeutung des „Satzes vom Widerspruch“ in der bisherigen Metaphysik wird von Heidegger sehr klar herausgestellt. Wenn daraus, dass die Negation einer Aussage A wahr ist, ein Widerspruch folgt, dann muss die Aussage wahr sein. Und angenommen, es folge unter der hypothetischen Annahme von „nicht-A“ mit Hilfe eines bereits gesicherten B ein Widerspruch, dann ist die Wahrheit von A „indirekt“ verlässlich bewiesen worden. Heidegger zeichnet nochmals den Beweisgang der 1. Antinomie textbezogen nach (ebd.) um zum erzeugten Schein überzugehen zu können. Thesis und Antithesis – wechselseitig das Gegenteil voneinander – führen zur Falschheit beider, was bei einem An-sich-Standpunkt überrascht. Und die Überraschung reicht weiter: In einer höheren Ebene zeigt sich, dass nun der „Satz vom Widerspruch“ selbst widerlegt wäre. Insgesamt ergeben sich ein zweifacher Schein und eine Zerrüttung der Vernunft.16 Die Antinomien weisen also den dogmatischen Metaphysiker nicht nur auf eine durch Scheinfragen erzeugte Problematik hin. Wichtig ist vielmehr dies: Die Antinomien sind Anregungen zu einem tieferen Verständnis der Erkenntnis. Dieses tiefere Verständnis liegt in einer „möglichen Veranlassung zur Einsicht in ihr Wesen“, das nicht entscheidend auf der Begriffsebene zuhause ist. Die Berufung auf die
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formale Logik verkenne somit das Wesen der endlichen Erkenntnis.17 Es war mehrfach in den Seminaren angesprochen worden und wird jetzt mit Nachdruck wiederholt: Kant zeigt, dass die Metaphysik einen Weg beschritten habe, der – was das Wesen der Erkenntnis des Seienden betrifft – „die Überflüssigkeit der Anschauung und anschaulichen Ausweisung“ einzureden versucht. Zum „kosmologische Schein“ als solchem erklärt Heidegger folgendes: Hier malt jede Partei eine Wirklichkeit vor und verleitet damit zu ihr, obwohl sie keine Wirklichkeit ist. Wie kommt es zu solchem Schein und wie kann er derart „verleiten“? Der Schein soll mit der Vermeidung eine neue wichtige Wahrheit ans Licht bringen, kann dies aber nur, wenn das jeweils gefährlich Verleitende als solches ernst genommen wir. Die Besonderheit der dynamischen Ideen und das Problem des Widerstreites der Idee der Freiheit mit der Naturkausalität bedürfen einer gesonderten Untersuchung. Der vorliegende Band lässt einen sachlich begründeten kleinen Schnitt auf S. 200 f. erkennen. Das zu den mathematischen Antinomien bzw. zu den entsprechenden Ideen Erörterte ist mehr oder weniger abgeschlossen. Nun tritt der Begriff „Freiheit“ ins Zentrum Der Unterschied lässt sich so fassen. Bei den beiden ersten Antinomien (über „Anfang der Welt“ und „einfache Teile der Welt“) konnte die Welt zeitlich nur durch einen Regress (und damit durch Bestimmen einer Größe) gegeben sein. Bei der sukzessiven Synthesis einer abgelaufenen Zeit musste also die Reihe der Bedingungen im mannigfaltigen Gleichartigen der Zeit festgelegt werden. Doch einen der Zeit nach ersten Anfang konnte die Sinnenwelt nicht haben und eine Welt-an-sich könnte „durch“ den Regress nicht gegeben sein. Als „Ding an sich“ wäre die Welt nur in einer Anschauung „vor“ einem Regress möglich, doch ist Welt als Sinnenwelt gemäß Kants eigener Position eben nur im Regress gegeben. Bei der Frage „gibt es Freiheit in der Welt?“ ist die Situation in einem wesentlichen Punkt erschwert. Die transzendentale Freiheit ist als Grundbedingung ungleich zu den anderen kausalen Bedingungen, kann jedoch (vergleichsweise „wieder“) den kausalen Bedingungen zugrunde gelegt werden. Sie steht als intelligible Bedingung dabei ganz außerhalb. Dennoch ist mit dem Gesagten der Vernunft in dem hier entscheidenden Punkt Genüge getan. Dass nicht zuletzt die transzendentale Freiheit mit den kausalen Bedingungen nicht in Konflikt kommt, ist insofern erfüllt, als sie (im Unterschied zum Regress bei mathematischen Antinomien) keine Zeitstellen im „mannigfaltigen Gleichartigen der Zeit“ besetzt. Gesehen als etwas, das lediglich „auch zu erfüllen“ ist, würde dies in seiner Bedeutung in einem hohen Ausmaß verkannt werden. Daher sei folgendes betont: Nur dann, wenn die Konsequenzen der angegebenen Zurückweisung der zeitlichbezogenen Datierbarkeit (für eine intelligible Bedingung) hineichend bedacht werden, kann
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die durch Kants tiefsinnige Auflösung des bisher immer wieder aufflammenden Problems (Freiheit oder ausschließlich naturwissenschaftlich kausal bedingte Handlungen) verstanden werden. 9. Das Besondere der 3. Antinomie Es wird wiederum sogleich die indirekte Gegenannahme zur „Kausalität durch Freiheit“ herangezogen. Vorausgesetzt, es gelte Kausalität generell und es gäbe somit „Kausalität“ nur als gesetzlich bestimmte Naturkausalität, dann kann es keine hinreichende Verursachung von etwas geben. Hier handelt es sich erneut um eine Folge davon, dass die Rückfrage nach der Ursache einer Erscheinung auf einen Regress „ad infinitum“ führen würde, und so gäbe es stets nur einen subalternen Anfang von Ursachen, d.h. die Erfüllung durch Absolutes (durch eine unbedingte Verursachung) kann es so nicht geben. „Also widerspricht der Satz, als wenn alle Kausalität nur nach Naturgesetzen möglich sei, sich selbst“. Nimmt man nun eine besondere Art von Kausalität an, nämlich eine „unbedingte Kausalität“, die „von selbst zu handeln anfängt“, dann setzt der entsprechende Anfang zu handeln einen vorhergehenden Zustand voraus, der Zustand einer nicht handelnden Ursache ist. Es ergibt sich, dass eine „durchgängig zusammenhängende Erfahrung“ hierdurch unmöglich geworden ist. So wäre dann auch die Annahme der unbedingten, von selbst anfangenden Kausalität widerlegt. Die Auflösung der Antinomie liegt, wie zu erwarten ist, wieder in der Vermeidung eines Widerspruches. Eine freie Handlung, so gilt es, sich klar zu machen, kann durchaus als Naturvorgang angesehen werden, der naturgesetzlich verläuft. Doch ist jetzt die wichtige Einsicht zu beachten, dass zuoberst Vernunft die beharrliche Bedingung aller unserer Handlungen ist. Eine Zuordnung durch zeitliche Fixierung ist hier verfehlt. In der Vernunft selbst findet kein „Vorher oder Nachher“ statt.18 Ohne in Schwierigkeiten mit der Forderung nach Kausalität zu geraten wird aber doch die Annahne möglich und sinnvoll, dass der Mensch von selbst mit einer Handlung beginnen kann. Diese Möglichkeit des „Von-selbst-anfangens“ gewährleistet allererst, dass der Mensch „sich selbst“ zu bestimmen vermag, nämlich als „Person“ unabhängig von sinnliche Antrieben“. Kants Gedanken zur Überwindung der Grundschwierigkeit des Problems „Naturkausalität oder Freiheit“ wurde nicht selten in typischer Weise missverstanden. Es handelt sich jedoch um ein Missverständnis, das sich mit direktem Textbezug zurückweisen lässt. Ein Beispiel Kants zum Problem lautet: „Wenn ich jetzt zum Beispiel völlig frei, und ohne den notwendig bestimmenden Einfluss der Naturursachen, von meinem Stuhle aufstehe, so fängt in dieser Begebenheit samt den natürlichen 18
I. Kant, Kr. d. r. V. A 450, A 451, A 553.
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Folgen ins Unendliche eine neue Reihe schlechthin an, obgleich der Zeit nach diese Begebenheit nur die Fortsetzung einer vorhergehenden Reihe ist“ (A 450 f.). Der Satz wird missverstanden, wenn unterstellt wird, Kant wolle aus der Begebenheit einer „freier Handlung“, die zugleich unter Naturursachen steht, eine Folgerung ableiten. Dabei würde er dasjenige schon voraussetzen, was man von ihm erst erfahren möchte. Das Missverständnis löst sich auf, wenn gesehen wird, dass Kant hier mit „wenn – so“ eine Erklärung des Problems abgibt, bei der kein kritischer Punkt schon vorausgesetzt wird. Kant sagt in knapper Form: Ist eine Handlung „frei“, obgleich sie auch unter dem notwendig bestimmendem Einfluss der Naturursachen steht, so ist zu sagen: „in ihr“ (in der Begebenheit samt den natürlichen Folgen) fängt eine neue Reihe schlechthin an, die nun hinsichtlich der Vernunftursache als unmittelbare kausale Wirkung aufzufassen ist, obwohl sie der Zeit nach bloß die unbeeinträchtigte „Fortsetzung“ einer Reihe sein kann. Bei einer „freien Handlung“ können die Naturursachen einer nachfolgenden Kette etwas erfüllen, was Kant in Kr. d. r. V. A 451 ausdrücklich hervorhebt. Es besagt, dass bei Rückverfolgung der bestimmenden Ursachen (zu den Gliedern der Kette bis einschließlich zur Begebenheit der Tat) diese Glieder insofern nicht nur als bewirkt durch „bloße Naturursachen“ anzusehen sind (im Erscheinungsaspekt), sondern vielmehr auch als unmittelbare kausale Wirkung des intelligiblen Charakters der Vernunft („An-sich-Aspekt“) angenommen werden können. Kant erläutert, dass die Naturursachen als solche unbeschadet, aber doch untergeordnet, nur bis zum genannten Geschehen („oberhalb“ nicht mehr) es erlaubt, besonders als „unmittelbare kausale“ Wirkung der Vernunft angesehen zu werden. Nach Kant ist Vernunft „die beharrliche Bedingung aller willkürlichen Handlungen, unter denen der Mensch erscheint“. Eine Handlung ist, obwohl sie naturwissenschaftlich gesehen mit anderen in Zeitverhältnissen steht, dennoch die unmittelbare Wirkung des intelligiblen Charakters der reinen Vernunft. Vernunft, ist derart die „sinnlich unbedingte Bedingung aller Erscheinungen“. 10. Es ergibt sich kein Widerstreit. Übergang zur praktischen Philosophie Es entsteht die Frage: Darf von einer „Wirklichkeit“ der praktischen Freiheit gesprochen werden? Im Sinne Heideggers ist es zu bejahen, dies aber unter Hinweisen, die nicht unterschätzt werden dürfen. Und statt von „Wirklichkeit“ sollte jetzt mit Verweis auf Kant von „Tatsächlichkeit“ gesprochen werden. Worum geht es bei dieser „Tatsächlichkeit“? Beim theoretischen Gebrauch geht es allein um den „Nichtwiderstreit“ (auch nicht um eine andere Möglichkeit). Wenn W. Bröcker in seinem Referat mit Recht hervorhebt, dass das Sittengesetz
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nur durch den Willen des Menschen in die Macht des Sich-aufdrängens19 versetzt sein kann, dann muss nun die Frage nach dem Wesen des Menschen vertieft gestellt werden. Erhalten bleibt zunächst – wie Bröcker es ebenfalls formuliert hat. dass das Sittengesetz uns nicht von außen als fremde Macht überfällt. Es bleibe dann zu bedenken, dass der Mensch an der Befreiung von der Notwendigkeit der Naturgesetzlichkeit beteiligt ist, insofern es dabei entscheidend um Befreiung des Vermögens zur Selbstbestimmung (im Sinn des Sittengesetzes) gehe. Mit unmittelbarem Bezug auf Kant wird die Formulierung gewählt, der gemäß die praktische Wahrheit ein „Sich-selbst-sein-eigenes-Wesen-zumuten“ ist, so dass sich das Wollen des Gesetzes aus einem „wirklich Wollen“ selbst ergibt. Vielleicht wussten einige der Hörer, dass noch vor einigen Jahren (nämlich 1929) die bedeutsame Davoser Disputation zwischen Cassirer und Heidegger stattgefunden hatte. Heidegger hat hier die Gelegenheit wahrgenommen, noch einmal darauf zu verweisen, dass Kant mit großem Nachdruck von der Vernunft als „Selbsthalterin“ spricht, die ganz auf sich gestellte ist. Und auch dies könnte in Erinnerung sein: Anfang der dreißiger Jahre wurde von Heidegger (nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Freiheitsfrage) die Frage nach den Seinsverstehen vertieft durchdacht. III. Leibniz 1. Metaphysik und Wissenschaft, grundsätzliche Fragen Wer sich über die Leistungen eines Leibniz als Wissenschaftler und Philosoph ein Bild machen will, hat bisweilen ein kleines Problem. Nach seinen eigenen Worten geht es Leibniz letztlich um Herausarbeitung metaphysischer Probleme. Besagt dies nun, dass seine bedeutenden Leistungen in Mathematik und Physik in die zweite Reihe gerückt werden? Das wäre sicher für Leibniz selbst eine Formulierung, die für ihn zu abwertend klingt. Doch stellt sich vielleicht diese Frage einem Leser, der Interesse für die von Leibniz angesprochenen Probleme hat, und der sie nun im Sinne der philosophischen Bedeutung eines Leibniz entsprechend zuordnen möchte. Dies ist aus sachlichen Gründen keine auf der Hand liegende Sache, weil es nämlich im Vorwege einiger Worte zur Orientierung bedarf. Es geht um Aussagen einerseits über die „phänomenale Welt“ der Körperdinge und andererseits um die teleologisch ausgerichtete Besinnung auf die Vorstellungen der „Monaden“ (Substanzen). Dass unter metaphysische Fragen – wie hier vorausgesetzt sei – die ursprünglicheren Fragen verstanden werden, wird kein ausdrückliches Thema mehr sein müssen. Doch kann man es durchaus dahin gestellt sein lassen, wie weit ein Denker, der eine bedeutende philosophische Leistung aufzuweisen hat, zugleich entscheidend von physikalischen Fragen angeregt zu philosophischen Problemen vorgedrungen ist und letztere besonders für erstere in An19
S. 849 ff.
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spruch nimmt. Es kommt allein darauf an, dass jeweils der Zugehörigkeitsbereich für Begründetes umrissen ist. Auch die Reihenfolge der Auswahl von Problembereichen sollte einem Wissenschaftler oder Philosophen überlassen bleiben, obwohl er diese Auswahl interessant und bisweilen aufschlussreich für ein Gelingen ist. Eine gute Hilfe für die Zuordnung von Begründungen findet der Leser u. a. bei den Protokollen von J. B. Lotz und K. Rahner. Es lohnt sich, hier einiges von dem, was Lotz übergreifend aufgezeigt hat. in der von ihm befolgten Reihenfolge nachzuzeichnen. Folgender Überblick ergibt sich dann: Lotz beginnt seine auf das Denken von Leibniz bezogene Begründungsfolge mit dem „einfachen Insichstehen“ der Monade. Leibniz komme hier zur Bestimmung eines „ursprünglichen Einigens“ und gehe damit über zum „gerichteten Streben“, zu dem das Vorstellen gehört. Der Kraftbegriff enthalte das Gesagte, ist gleichsam der Schlüsselbegriff.20 Leibniz sei auf den Kraftbegriff im Zusammenhang mit dem physikalischen Kraftbegriff hingeleitet worden. Und hier liegt dann der Schritt zum Entelechie-Begriff unmittelbar auf der Hand. Es wird die von „Subjekt“ und „Ich“ ausgehende Bestimmung als der entscheidende Punkt (im klaren Unterschied zu Aristoteles) herausgestellt. Dieser Punkt besage bei Leibniz „anstrebendes (vorstellendes) Insichstehen und entfaltendes Sich-beharren.“ 21 Lotz verweist beim Entelechiebegriff weiter auf ein „Sich-in-sich-selbst-halten“ und damit zugleich dem „Sich-entfalten“ und äußert als Stellungnahme, dass Leibniz dem metaphysischen Problem nicht voll gerecht geworden sei. Insofern nämlich Körper und resistentia jeweils „phänomen einer metaphysischen Wirklichkeit“ seien, müsste sie auch als etwas angesetzt werden, das sich als Gegenwart in seine Vergangenheit und in die Zukunft erstreckt. Im Unterschied zu dem, was K. Rahner und weiter im Detail Fr.-W. v. Herrmann dargelegt haben (s. Bemerkungen hierzu weiter unten), ist Lotz der Auffassung, Leibniz komme, obwohl er das Zeitproblem entsprechend aufgerollt habe, dennoch „vom rein physikalischen Zeitbegriff nicht los.“ 22 Karl Rahner stellt in seinem Protokoll zusammenfassend fest, Leibniz habe versucht, aus einem „eigentlichen Wesen der Substanzialität“ das „Extrem einer mathematisch-mechanischen Naturauffassung“ und das einer „metaphysischen Deutung der Natur“ herzuleiten. Er habe dabei versucht, das „Wesen des Seins als Ding an sich aus dem reinen Denken zu bestimmen.“ Dies tat er als „Intellektualphilosoph“, nämlich im Unterschied zum eigenen Anliegen Kants, dem es um eine aller „Erfahrung“ zugrunde liegende formale sinnliche Anschauung ging (s. u.). Was die Vergangenheits- und Zukunftsbezogenheit bei Leibniz im Zusammenhang mit der resistentia betrifft, so muss diese – zunächst betrachtet auf der Ebene der 20 21 22
S. 605. S. 471. S. 610.
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Phänomene – letztlich in einem Wirklichen gründen, das nur „Eines und Einfaches“ sein könne. Hier beschreibt Rahner die Auffassung von Leibniz dahingehend, dass sich beim widerständigen Körper im gegenwärtigen Jetzt sein bisheriger Zustandes (und damit seine „Vergangenheit“) zeige und auch, was vielleicht noch wichtiger ist, eine Spannung auf das für ihn Kommwende, d.h. auf seine „Zukunft“ (vgl. hierzu weiter unten die Ausführungen F.-W. v. Herrmanns). Entscheidend für das Problem einer Zuordnung von metaphysischen Fragen zu phänomenalen Wirklichkeiten ist genau das, was in einer als Anmerkung angegebenen Mitschrift von W. Hallwachs nachgelesen werden kann, nämlich Hinweise zur erforderlichen Untersuchung über den „Bereich möglicher Ausweisung metaphysischer Erkenntnis“. Es war schon erwähnt worden, dass Kant insbesondere einige grundsätzliche Fragen bei Leibniz aufgegriffen und näher durchdacht hat. Dies gilt nicht zuletzt für den „einzigartigen Möglichkeitsbegriff (und damit Seinsbegriff)“, zu dem Leibniz sich veranlasst sah.23 Die Möglichkeit wurde in formaler Hinsicht von Leibniz durch Widerspruchsfreiheit erklärt. Zu dieser Form der Möglichkeit kommt für die Möglichkeit die Realität (quantitas realitatis) hinzu als das „Was der Möglichkeit“. Entscheidend für das Entfaltenwollen der Möglichkeit für die Notwendigkeit des Seins ist bei Leibniz der Drang zur Wirklichkeit (tendentia existendi)24. Begriffsbestimmungen geben für die Gewinnung erwünschter Aussagen durch ein „Herausholen“ von Aussagen keine Sicherheit, nicht einmal die Möglichkeit ist gesichert. Es ist z. B. eine entscheidende Voraussetzung, dass eine Begriffsbestimmung nicht unbemerkt sogar widerspruchsvoll ist. Einen besonderen Anlass für die Betonung der Unerlässlichkeit eines Widerspruchsbeweises nahm Leibniz mit Blick auf den ontologischen Gottesbeweis. Und wenn hier über Mögliches hinaus eine notwendige Wahrheit aus einer Begriffsbestimmung gewonnen werden soll, dann müsse die Notwendigkeit des Seins bereits aus dessen Möglichkeit bedingt sein. Leibniz wusste, dass er mit seinem eigenen Möglichkeitsbegriff um Glaubwürdigkeit kämpfen musste. Er hatte aber präsent, dass zwischen Zufälligkeit und metaphysische Notwendigkeit eine Begründungsfrage offen war, z. B. bei der Begründung der naturgesetzlichen Notwendigkeit. Hier galt es folgendes einzusehen. Im Zusammenhang mit den Antinomien bei Kant erklärte Heidegger, dass eine zentrale Berufung auf die Logik das Wesen der Erkenntnis verkenne.25 Kant hatte in den Antinomien indirekt ein Leibnizproblem aufgenommen. Leibniz ging es allerdings nicht grundlegend um kritische Entlarvung von metaphysischen Wahr23 24 25
Bemerkung von G. Neumann, S. 893. S. 406 f., Monadologie §§ 43, 44. Vgl. Anmerkung 17.
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heiten, aber es ging ihm um Erweiterung des bisher zu einförmig und auch in zu geringem Umfang Begründeten. Wie bereits angesprochen wurde, zeige sich bei Wahrheiten, bei denen das „Gegenteil“ zum Widerspruch führt, zwar die Leistungsfähigkeit des von der Vernunft formal Erfassten. Doch dachte Leibniz jetzt auch daran, dass es sich bei vielen Aussagen, wie etwa bei den naturwissenschaftlich gültigen, um Notwendiges handelt, obwohl dort das Gegenteil der Behauptungen keinen Widerspruch hervorbringt. Diese Aussagen können nach Leibniz im gewissen Sinn „notwendig“ genannt werden. Sie sind dann keine metaphysisch notwendigen Wahrheiten. Sie beziehen sich dann vielmehr auf die Wahrheit von „Tatsachen“, sind sie „kontingente“ Wahrheiten, sind zufällige (im Sinne der Widerspruchsdreiheit des Gegenteils) Wahrheiten. Für die Tatsachenwahrheiten stellt Leibniz ein besonderes, eigenes Prinzip auf, durch das zunächst grundlegend der „Vorzug“ des Seienden (ens) vor dem Nichtseienden (non-ens) zum Ausdruck kommt. Es ist dies der sog. „Satz vom zureichenden Grunde“. So sind es nun zwei große Prinzipien, auf denen „unsere Vernunfterkenntnis nach Leibniz beruht: Das „Prinzip des Widerspruches“ und das „des zureichenden Grundes“.26 Beim Prinzip des Widerspruches ist bei Leibniz die Voraussetzung des später viel diskutierten „Tertium non datur“ erfüllt. Er konnte für das von ihm Behandelte als fraglos annehmen, dass dann, wenn sich für eine vorgegebene Aussage A aus „nicht-A“ (für einen beliebig gewählten Fall) A ableiten lässt, A generell bewiesen ist. Man beachte hier speziell: Wenn bei Aussagen der Form S ist P (wo S und P einen gemeinsamen Objektbereich haben) ein beliebiges P mit einem S zum Widerspruch kommen, dann ist für S ist Aussage „S ist P“ falsch. Es wird dann in der Regel aber durchaus viele Prädikate Q geben, bei denen ebenfalls „S ist Q“ falsch ist. Das erstgenannte P ist dann eben nicht das „verneinende“ Komplement von S. Der „Satz vom zureichenden Grund“, der von Leibniz selbst aufgestellt wurde, lautet: „Keine Tatsache kann wahr sein und bestehend“ und „keine Aussage richtig“, „ohne dass ein zureichender Grund vorliegt, „weshalb es eher so als anders ist“ 27. Während das Prinzip vom Widerspruch metaphysisch notwendige Wahrheiten betrifft, bezieht sich der Satz vom zureichenden Grund auf notwendige und zufällige Wahrheiten. Die zufälligen Wahrheiten haben generell eine moralische oder eine physische Notwendigkeit. Es ist jetzt wichtig zu sehen, wann formallogische und physische oder moralische Wahrheiten kombiniert wurden. Über derartige Kombinationen Klarheit zu gewinnen, wird wichtig, damit die verwendeten „notwendigen Bezüge“ gegeneinander abgehoben diskutiert werden können. Ein Beispiel möge dies verdeutlichen.
26 27
Monadologie § 44. Thedizee § 32.
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Gegeben sei ein System S. In jedem Zustand von S sei genau eine von zwei Aussagen wahr, nämlich „System S ist in perfektem Zustand“ oder „System ist im unzureichendem Zustand“. Diese beiden sich ausschließenden Fälle seien, was die Möglichkeit weiterer Fälle betrifft, als scharf definiert anzusehen, d. h. die beiden Fälle sind die einzig möglichen Fälle des Systems S bei allen seinen Zuständen. Ist S ist in perfektem Zustand, dann soll auf Grund einer physikalischen Wirkung für eine Lampe L gelten: „Die Lampe L leuchtet grün“. Gilt jedoch „System ist in unzureichendem Zustand“ (die Verneinung des anderen Falles), dann gelte auf Grund einer physikalischer Wirkung für die Lampe L: „Die Lampe L leuchtet rot“. Jetzt werde folgender Fall analysiert: Die Lampe L leuchte grün und dies werde als wahre Aussage festgestellt (beobachtet). Hypothetisch angenommen werde jedoch, dass sich das System in ungenügendem Zustand befindet, dass also die Lampe rot leuchtet. Dies widerspricht dann dem, was beobachtet wurde (eben der Wahrheit von „die Lampe leuchtet grün“), und die hypothetische angenommene Aussage muss verneint werden, d. h. es gilt: Das System befindet sich in perfektem Zustand. Das Ergebnis wurde durch den übergeordneten formalen Schluss gewonnen: „Angenommen es wäre das Gegenteil wahr, dann erhielte man einen Widerspruch, also ist das Gegenteil der Annahme falsch. Um das auch im besprochenen Buch mit angezeigtes klassisches Beispiel zu untersuchen, kann man (sofern man im Interesse des formalen Zusammenhanges vom inhaltlich Unschicklichen beim Vergleich abzusehen vermag) „die Lampe leuchtet grün“ in Analogie zu „Gott ist vollkommen“ setzen. Die hypothetische Annahme „Gott existiert nicht“ erlaubt dann (analog zu: „System befindet sich im unzureichenden Zustand“) den Schluss auf „Gott ist nicht vollkommen“ (analog zu „Die Lampe leuchtet rot“). Dies widerspricht der zugrunde gelegten Annahme „Gott ist vollkommen“ (analog zum allein möglichen des „System im perfekten Zustand“). Auf Grund des Widerspruches folgt: „Gott existiert“ in Analogie zu „Das System befindet sich in perfektem Zustand“. Wie Leibniz richtig sieht, war die Begriffsbestimmung im klassischen Fall keine ausreichende Voraussetzung. Anders gesagt, er sieht, dass eine Begriffsbestimmung wie „Gott, bestimmt als das vollkommenste Wesen“ nicht angesehen werden darf als ausgewiesene Wahrheit der Aussage „Gott ist das vollkommenste Wesen“ und also mit letzterer nicht verwechselt werden darf. 2. Die Tatsachenwahrheiten Leibniz nutzt die erwähnte Einsicht in den Mangel des traditionellen ontologischen Gottesbeweises, um seine eigene Lehre über „Möglichkeit“ mit einzubringen. Insofern die Aufmerksamkeit bei der physikalischen Notwendigkeit auf „Ursachen als jeweils Grund“ gelenkt ist, entsteht die Frage, was der Ursache eines
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Geschehens zur strengen Notwendigkeit fehle. Es zeigt sich, dass eine physikalische Ursache deshalb die Frage nach der strengen Notwendigkeit deshalb nicht befriedigt, weil Gründe als solche wieder die Frage nach ihrem eigenen Grund hervorrufen. Die Gründe erweisen sich damit als Glieder unendlicher Ketten. Fragt man dann jeweils nach dem Grund einer ganzen Kette, dann sieht man, dass die Ketten selbst keinen absoluten Anfang haben können, dass der Grund einer Kette außerhalb der Reihe der zufälligen Dinge liegen muss.28 In dem, was „Möglichkeit“ und „Grund“ für Leibniz besagt, geht es letztlich entscheidend um Möglichkeit „verlangend in sich einen Grund“ 29 (doch nicht auf Entscheidung drängend). Für Gott allein, d.h. für die Substanz, die den Grund ihres Seins in sich trägt und daher notwendig ist, sind alle Ketten durchsichtig. Gott in seiner Allmacht, Weisheit und Güte hat die Welt, im Vergleich zu der auch eine andere Welt „möglich wäre, als beste aller möglichen“ zum Sein gebracht. Er ist hierzu aber durch keine Notwendigkeit gedrängt. Menschlichen Handlungen sind „frei“, obwohl sie den Naturgesetzen folgend nicht anders (als es jeweils geschieht) ausfallen können. Leibniz hat durch den Satz vom Grund eine wichtige Lücke ausgefüllt. Begriffsbestimmungen, die auf Mögliches gehen, wurden oft überschätzt und die erforderlichen Widerspruchsbeweise sind unzureichend geführt worden. Dies ist wichtig, wenn letztlich ein Existenzbeweis die eigentliche Absicht ist. Was den Satz von Grund betrifft, so liegt er gleichsam zwischen metaphysisch Notwendigem und zufälligen Wahrheiten. Leibniz bestätigt dies insofern selbst, als er für die Naturgesetze darauf hinweist, dass diese weder etwas sind, das metaphysisch abgesichert ist, indem das Gegenteil zum Widerspruch führt, noch etwas, das in seinem Sein ganz und gar willkürlich (eben „zufällig“) ist.30 Kant hat danach die gegenständliche Erfahrungserkenntnis als besondere sinnliche Erfahrung, die durch Raum und Zeit geprägt ist, in seiner berühmten „Kritik“ dem Denken eines Leibniz entgegengestellt. Doch auch schon bei Leibniz gehören „Dinge der Erfahrung“ als harmonisch zusammengeschlossene zu einer „passend gegründeten Welt“, wenn auch ohne Frage gilt: Kant hat das Problem weiter als Leibniz durchdacht und entscheidend ausgestaltet. Die Kantische Begriffsbildung „Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung“ passt aber in diese historische Rolle der Philosophie von Leibniz. Es dürfte hilfreich sein, eine kurze Darstellung aus Kants „Kritik der reinen Vernunft“ zur näheren Kenntnisnahme heranzuziehen.
S. 420. S. 409. 30 Gottes freie Wahl des Seins der Welt könnte ohne Widerspruch anders ausgefallen sein, ist aber keineswegs willkürlich, ist vielmehr freie Wahl des Besten. – Dieser Grundgedanke der Theodizee hat sein weiteres Beispiel in den Naturgesetzen gefunden, die anders hätten sein können, die aber ihren besonderen Grund für das Sein der Welt haben. 28 29
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Leibniz habe, so schreibt Kant, sog. Monaden als gegeben angenommen. Es sei für ihn wichtig gewesen, dass der reine Verstand sich mit seinen Begriffen unmittelbar auf das ihm Gegebene beziehen kann. Daher habe er zunächst Monaden (als Substanzen) angenommen und innerlich eine Vorstellungskraft, um dann darauf das äußere Verhältnis der Monaden untereinander bzw. die Gemeinschaft der Zustände (nämlich der Vorstellungen) zu gründen. Dementsprechend war der Raum ihm nur durch das Verhältnis der Substanzen möglich und die Zeit durch Verknüpfung der Bestimmungen derselben, d.h. der Vorstellungen. Kant fügt dann genauer differenzierend folgendes hinzu: So wie Leibniz sage, „würde es auch in der Tat sein müssen, wenn der reine Verstand unmittelbar auf Gegenstände bezogen werden könnte und wenn Raum und Zeit Bestimmungen der Dinge an sich selbst wären“. Sie sind „aber nur sinnliche Anschauungen, in denen wir alle Gegenstände als Erscheinungen bestimmen“. Doch werden durch Leibniz Raum und Zeit als Bestimmungen der „Dinge an sich selbst“ gesehen, obwohl gerade in Raum und Zeit die Gegenstände als Erscheinungen bestimmt werden, indem Raum und Zeit „vor allen Erscheinungen und allen datis der Erfahrung vorher“ gehen31. Das von Kant Gesagte ist unter Voraussetzung seiner eigenen Lehre eindeutig zuzuordnen. Doch ist der Eindruck, den Kant in Bezug auf Leibniz erweckt, besonders in einer Hinsicht zu negativ. Wir nehmen deshalb die Frage nach den Zuständen der Monade, nach den Vorstellungen, im Folgenden wieder auf. 3. Das Grundgeschehen der Zeitlichkeit Das einfache Insichstehen wurde als charakteristisch für die Monade genannt. Was heißt dies für die Zustände der Monade? Die Zustände sind die Vorstellungen. Es geht jetzt um das Sein der Monade. „Die Zustände der Monade sind eine Folge ihres Grunddranges des bewahrend entfaltenden Insichstehens“ heißt es zum Abschnitt 16 der Monadologie. Das Vorstellen der Monade ist „strebendes Perzipieren“. Es verweist auf ein grundlegendes Geschehen von Zeitlichkeit, das seinerseits das phänomenale Sein der körperlichen Welt bestimmt. Es geht hier um die Seinsfrage als solche. F.-W. v. Herrmann hat diesen Punkt zur zeitlichen Verfasstheit, die sich an einer besonderen Textstelle der „Monadologie“ befindet, sehr genau herausgeholt32. Zusammengefasst kann nach v. Herrmann folgendes gesagt
I. Kant, Kr. d. r. V. B 323. Fr.-W. v. Herrmann, Innermonadische Zeitlichkeit in der Monadologie, in: Perspektiven der Philosophie. Neues Jahrbuch 2004, Rudolpi, Amsterdam/New York 2004, S. 11 ff. Fr.-W. v. Herrmann, Leibniz, Metaphysik als Monadologie, Duncker & Humblot, Berlin 2015. Auf S. 109–119 stellt v. Herrmann die innermonadische Zeit bei Leibniz in einen größeren philosophischen Zusammenhang. Zunächst wird Husserl bedacht (inneres Zeitbewusstsein) und dann Kants und Heideggers Bestimmung der Zeithaftigkeit des Seins. 31 32
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werden: Ein Perzeptionszustand der Monade ist als gegenwärtiger Zustand (innermonadisch verstandenene Gegenwart) die Folge eines vorangehenden Zustandes, der ein gegenwärtiger Zustand war. Dieser ist bei Gegenwart des Folge-Zustandes ein gegenwärtig-gewesener Zustand, nämlich Zustand der innermonadischen Vergangenheit, und der Übergang von Gegenwart zur „neuen“ Gegenwart vollzieht sich als natürliche Veränderung der Zustände. Als besonders wichtig erweist sich die Frage, „von woher“ ein neuer gegenwärtiger Zustand seine neue Gegenwart bezieht. Dass das Geschehen nach Kausalgesetzen erfolgt, ist ein Punkt, den Leibniz durchaus weiter im Auge hat. Er ist aber bestrebt, genau zu sagen, was in einem Zustand schon liegt und dann „aus ihm“ folgt. Er formuliert es so: „im gegenwärtigen Perzeptionszustand ist der zukünftige Perzeptionszustand (die innermonadische Zukunft) schon keimhaft angelegt“. In diesem Sinne entfaltet sich kontinuierlich die Zukunft aus dem gegenwärtigen Zustand zum neue zum neuen gegenwärtigen Zustand. Als Frage zur Zeitlichkeit, d.h. zur Frage, inwiefern sie von Leibniz grundlegend angesetzt werden musste, sollte verstärkt darauf hingewiesen werden, dass die innermonadische Zeit (s. „strebendes Perzipieren“) nicht gleichzusetzen ist mit der phänomenalen Zeit. Dies ist deutlicher, wenn gesehen wird, weshalb überhaupt das „Vorstellen“ bei Leibniz zeitlichen Charakter haben muss. Mit dem „strebenden Perzipieren“ kann hier an das angeknüpft werden, was zum Entelechiebegriff, hier besonders zum „In-sich-stehen“ und „Sich-entfalten“, gesagt wurde. Die Kraft des Vorstellens und damit auch Behalten und Erwarten gehen aufs Innere der Monaden zurück. Alle Zustände der Monaden und damit alle Vorstellung sind, wie bereits gesagt, Folge des Grunddranges des bewahrend-entfaltenden Insichstehens.33 4. Die Endlichkeit der Monaden und das absolute Wissen Heidegger gibt den ihm besonders wichtigen Hinweis: Für Leibniz ist „das Vorstellen in sich Ausgriff auf das Ganze“ (des Universums)34. Dies betrifft die „Endlichkeit der Monade“. Kurz darauf wird die Einschränkung durch „Begrenzung im Geschaffensein“ näher erklärt. Es ist damit offenkundig, dass besagtes „Vorstellen“ vom absoluten Wissen Gottes unterschieden werden soll. Im Zusammenhang mit dem Absoluten als eines außerhalb liegenden Grundes unendlicher Ketten von Gründen war im Vorangehenden schon die Rede davon. Nun findet sich die weitere Erläuterung, dass Gott jene Monaden „nicht unendlich schaffen kann, da er sich damit selbst verneinte“ (ebd.). Dasjenige, was begrenzt ist, wird durch „Grade des Vorstellens“ und „die Weise und die Enge des Deutlichen“ hervorgehoben Der „Ausgriff auf das Ganze“ cha-
33 34
S. 429. S. 428.
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rakterisiert gerade die Begrenzung. Dies nun ist ein entscheidender Punkt. Unter Einschränkungen versteht Leibniz Einschränkungen „des ganzen absoluten Wissens“ 35. Das Seyn der Monade ist nach Heidegger „darstellendes Vorstellen“, genauer das Darstellen „in der Weise des Vorstellens“. Wichtig ist, dass das Vorstellen aufs Ganze geht und als solches auf das Universum. Vorstellen und Darstellen werden von Heidegger auf S. 427 im Sinn des Spiegelns und damit des in sich stehenden Entfaltens genau dargelegt. Darstellen und so „das Universum darstellen“ bietet „Anblick“, heißt „vertreten“, ist vor sich stellend (vorstellendes) Darstellen, beinhaltet „für sich selbst wiedergeben und auf sich zurück stellen“. Dies besagt mit einem vertrauten Wort Heideggers: „anwesend haben“. – Im Anschluss an Hinweise, die Heidegger am Rande gab, bietet es sich an, noch einmal auf die Seinsfrage als solche und damit auf Heideggers eigenen Weg zurückzublicken. Gegenüber der Frage nach dem Sein der Monaden als Substanzen ist von Heideggers eigenem Denken zu sagen, dass hier in der Bestimmung des Menschen eine „andere Grundstellung“ anzutreffen ist (nämlich Mensch nicht Ich, Mensch nicht Maßgabe für Seyn).35 Der Entwurf des Denkens kann nach Heidegger nur vom Sein selbst besimmt sein und Da-sein ist somit durch diesen Bezug (also durch das Sein selbst) ausgezeichnet. Wenn der Mensch in seinem Wesen „Da-sein“ ist und damit seinsverstehend, dann heißt dies, es muss die „Möglichkeit“ der Offenheit für Seiendes (also das, was sie möglich macht) schon zugrunde liegen. Diese Zugehörigkeit des Menschen zum Sein wurde für Heidegger selbst das nunmehr vorrangig zu Bedenkende. – Mit Kant und Leibniz galten die Seminare Heideggers zwei herausragend bedeutenden Denkern der Neuzeit. Vielleicht hat der Kantische Einfluss die große Leistung eines Leibniz ein wenige überdeckt. Doch darf man nicht übersehen, wie sehr „trotz allem“ Kant in Fragestellungen eines Leibniz verankert war. Die Weise, in der Heidegger seine Seminare zu Leibniz und Kant aufgezogen hat, dürfte nicht zuletzt die Zusammengehörigkeit ihrer denkerischen Leistungen gezeigt haben. IV. Heidegger als Seminarleiter 31–36 in Freiburg Die handschriftlichen Aufzeichnungen, Protokolle und Beiträge verschiedener Art des Bandes 84.1 zeigen in erster Linie eines: Die Seminare Heideggers über Kant und Leibniz haben sich auf einem hohen Niveau bewegt. Inhaltlich ist keines 35
S. 397.
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der Themen heute überholt und Seminare, die sich mit jenen vergleichen ließen, werden sich auch heute nur selten zusammenfinden. Es könnte sich jemand nach Durchsicht des Bandes fragen, ob es denn überhaupt möglich sei, dass in den aufgeführten Seminaren die Fragestellungen in der beschriebenen anspruchsvollen Form schrittweise vertiefend durchgegangen wurden. Bezogen auf die von Heideggers durchgeführten Seminare darf dies angenommen werden, wobei nicht ausgeschlossen werden soll, dass auch Fragen gestellt wurden, die dem Niveau nicht entsprachen und die hier nicht berücksichtigt sind. Es kann aber festgestellt werden, dass Heidegger Gegenthesen zur eigenen Auffassung soweit wie möglich berücksichtigte und sie im besonderen Fall als Alternative von vornherein mit aufführte. Ein Beispiel liegt vor im Nollschen Argument der an Heidegger gerichteten Frage, die sich auf S. 55 auf den Brief Nolls bezieht. Was den positiven Einruck des Verlaufs der Seminare betrifft, darf man unterstellen, dass Heidegger über besondere Fähigkeiten zur Leitung eines Seminars verfügte. Der Herausgeber dieses Bandes Günther Neumann lässt im Nachwort den Theologen J. B. Lotz über Heideggers „pädagogische Meisterschaft“ zu Worte kommen. Besonders hervorgehoben werden dabei das In-Gang-Bringen von Gesprächen und das Zugängigmachen schwieriger Texte. Natürlich verfügte Heidegger über eine große Autorität und konnte auch auf bereitwillige Anstrengungen rechnen. So mag aus der geäußerten Hochachtung von Lotz z. T. eine persönliche Hochachtung sprechen, doch lässt sich die Angemessenheit seiner Darstellung im vorliegenden Fall mit dem im Buch vorgestellten Gesamtverlauf gut in Einklang bringen. Vielleicht entgegnet man, dass der als schwer verständlich geltende Heidegger unmöglich auf ein durchgängig verstehendes Mitgehen zählen konnte. Doch ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass Heidegger vermutlich an seine Arbeit in Freiburg mit großem Elan herangegangen ist und damit auch seine Studenten stark motivierte. Zudem ist anzunehmen, dass es ihn nicht sonderlich überraschte, wenn einem ihm angetragenen Anliegen der Satz beigefügt wurde, es hätten auch noch „etliche andere Seminarteilnehmer mit beträchtlichen Schwierigkeiten für das Verständnis kämpfen müssen“. Wie passt dies nun zusammen? Wenn Heidegger dahingehend gelobt wird, dass er schwierige Texte geeignet zugängig machen konnte, so steht dieser Satz unter dem Vorzeichen, dass Heidegger sich vorrangig und vor allem der von ihm gesehenen Wahrheit verpflichtet fühlte und in dieser Hinsicht bei Erklärungen keine Kompromisse eingehen konnte und wollte. Was J. B. Lotz über Heideggers und die ihm zukommende Fähigkeit der Verlebendigung kristallisierter Gehalte sagt, hat großes Gewicht. Denn Heidegger wird es seinen Hörern nicht leicht gemacht haben.
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Als übergreifender Eindruck könnte festgehalten werden: Heideggers Kant- und Leibnizseminare der Jahre 31–36 sind nach wie vor in der Zuwendung zu den Grundgedanken und im Durchhalten der aufgenommen Problemstellungen großer Denker ein unbestreitbares Vorbild. Die Weise des konzentrierten Herausfilterns eines jeweils zentralen Gedankens und seiner umfassend angesetzten Grundlagen kann von ihm wie von kaum einem anderen gelernt werden, doch dies nur mit besonderem Einsatz.
Finite Transcendence and Historicity: Heidegger and Kant Bernhard Radloff McMullen, Irene, Time and the Shared World. Heidegger on Social Relations. Evanston: Northwestern University Press, 2013. Cited as TSW. Schalow, Frank, Departures. At the Crossroads between Heidegger and Kant. Berlin: Walter de Gruyter, 2013. Cited as DC.
The two books presented in this review both involve, albeit in different ways and intensities, responses to the impact of Kant’s transcendental philosophy on Heidegger’s thinking. Of particular concern is the definition of originary time and its relation to ethics. With a strong focus on Being and Time, Irene McMullin approaches this issue by way of world time and the norms of social intersubjectivity; Kant’s philosophy remains in the background but informs fundamental decisions in her reading of Heidegger. Frank Schalow stakes out a path from Kant’s Critiques to an ethos (÷qoò) of dwelling in a series of Heidegger’s works, and especially those dealing with his phenomenological and hermeneutical rethinking of transcendental philosophy. The relation of language to the articulation of time, and of the performance and embodiment of our communal time-space to different ways of being, motivate both works. I. Irene McMullin takes issue with interpretations of Sein und Zeit that claim Heidegger fails to adequately set forth the social and ethical being of Da-sein.1 The author’s approach to these matters is to explicate the temporal structure of social interaction, as presented in Being and Time and related works, in terms of the “inter-subjectivity” of Da-sein, as existentially constituted being-in-the-world with others. The retention of a concept of inter-subjectivity in speaking of Da-sein is justified by the author on the grounds that the project of fundamental ontology still stands in the tradition of Kant, as well as Husserl’s transcendental phenomenology. 1 Martin Heidegger, Sein und Zeit (Tübingen: Max Niemeyer, 2006); trans. Joan Stambaugh, Being and Time (Albany: SUNY, 1996). Cited in text as SZ. Original pagination is followed by that of the translation in this and all instances. For the benefit of the reader, the Gesamtausgabe volume, along with the page number, is also cited in brackets at the conclusion of the reference: GA 2 (Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann, 1997).
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The temporality of inter-subjectivity, understood as the transcendental condition of being-with-others, is the primary focus of Time and the Shared World. In McMullin’s conception of Being and Time, the shared world has the possibility of being ethically constituted with proper regard for the autonomy of others because intersubjective temporalization implicates the reciprocal recognition of the particular temporality of the other. The author bases this argument primarily on her explication of the existential structure of care and on Heidegger’s treatment of temporality, inner-temporality, and world time in Division II, chapter VI of Being and Time. The argument unfolds in five chapters, all of which deal with aspects of the meaning of subjectivity in relation to our social being. A crucial component of the argument consists in McMullin’s attempt to show that responsible, ethical being-with-others (Mitda-sein) does not require recourse to the concept of authenticity. Consequently, ethical concern (Fürsorge) can unfold within the structures of everyday being-with because the temporality of everydayness calls for the recognition of the other. The temporality of everydayness, therefore, is not necessarily the inauthentic articulation of the fallenness (Verfallen) of Da-sein to things ready-to-hand and concepts and conditions present-to-hand. The primacy of the shared world and of everyday world time leads the author to hold that being-toward-death and the wholeness expressed in anticipatory resoluteness are of secondary relevance to the project of establishing the inter-subjective, ethical character of Da-sein’s concern. McMullin states without great fanfare that the historicity of Da-sein can simply be excluded from the analysis, for an account of historicity would not achieve anything that cannot be established by the explication of Da-sein’s temporality (TSW, 115). This is in line with McMullin’s assumption that Sein und Zeit can be treated exclusively as a treatise in transcendental phenomenology, rather than in hermeneutical phenomenology. The author’s phenomenological point of departure is the everyday intersubjective experience of self and other. She holds that an account of the “everyday sense of first-person selfhood” does not require consideration of “limit cases such as Angst,” although this sense of personhood “depends on the structures” explicated in Part II of Sein und Zeit. What is laid out explicitly in these structures is at work implicitly in everyday Da-sein: “though it is possible to achieve a heightened form of explicit self-grasping in which these structures are recognized and owned as such, their activity in Da-sein’s everyday way of being is no less prevalent for the absence of such explicitness” (TSW, 53). Although temporality is the key to the principle of Da-sein’s individuation, such individuation “occurs in relation not only to the finitude of its being-toward-death, but also in relation to the alterity of the other Da-sein” (TSW, 152). What is explicitly grasped in authenticity as Da-sein’s way of being should not be equated with mineness, because mineness is integral to Da-sein. Angst, being-toward-death, and conscience are characterized as “authenticity-specific manifestations of attunement, understanding, and discourse.” They testify to “an explicit grasping of one’s way of being qua temporally particular hav-
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ing-to-be,” but authenticity should not be equated with self-responsibility, nor is authenticity the necessary condition of concernful being-with others (TSW, 204). The key chapter of McMullin’s interpretation of Sein und Zeit is her chapter 5, entitled “The Temporality of Care.” Herein she attempts to establish “the unique temporality of being-with – a mode of temporality that explains the transition from originary time to ordinary time through world-time” (TSW, 108). “Ordinary time” refers to “a pure succession of nows, without beginning and without end, in which the ecstatic character of primordial temporality is levelled down” (SZ, 329/302; cited TSW, 107) [GA 2, 435]. McMullin argues for the “pivotal role that the shared temporal nature of a community of Da-sein must play in the establishment of world and world time” (TSW, 108). She claims, furthermore, that “neither authentic nor inauthentic temporality can be equated with original temporality”; both “are modifications of world time – and it is world time that arises out of originary temporality” (TSW, 113). In section 80 of Sein und Zeit Heidegger explicates the shared world of Mitda-sein in terms of world time as constituted by spannedness, datability, publicity, and significance. World time is understood as the phenomenological meaning of ordinary time as a sequence of not-yet-now, now, and nolonger-now. McMullin’s argument places shared world time at the center of her interpretation. She understands world time, as retrieved from the destruction of the now-sequence, as the significant, extended now of a shared world. This now, furthermore, constitutes the originary present; and the originary present is understood in terms of an underlying originary time. Finally, the originary present, as the common now of the shared world of intersubjective meaning and mutual responsibility of Da-sein to Da-sein, is understood as “the modally indifferent temporality” from which the possibilities of both authentic and inauthentic temporalizing arise (TSW, 115). She claims that we must distinguish between “modally neutral temporal structures of selfhood” and the authentic and inauthentic, for Da-sein is structurally “defined in terms of the underlying ontological makeup that makes both modes possible” (TSW, 114). This modally indifferent, extended now of world time constitutes the “unique temporality of being-with” referred to above. The ordinary time of the now-sequence is an abstraction from world time, but world time itself, in McMullin’s interpretation, constitutes a kind of transcendental now. For in saying “now” in each successive moment we articulate one and the same now as now, yet each now contains within itself the alterity of the not-yet-now and the nolonger-now. McMullin understands the extended now in its passing over to another as the originary temporality of intersubjective encounter (TSW, 122–123, see SZ, 423/387–88) [GA 2, 558–59]. In order to advance this argument, the author offers a revision of the three constitutive existentials of Da-sein as laid out in chapter V of Division I of Sein und Zeit. Section A is said to deal with the “fundamental existentials which constitute the being of the there,” through which being-in-the-world is disclosed to itself (SZ, 160/150) [GA 2, 213]; and Section B addresses the ways in which Da-sein is
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disclosed to itself “initially and for the most part together with the ‘world’ that it takes care of. The absorption in . . . mostly has the character of being lost in the publicness of the they” (SZ, 175/164) [GA 2, 233]. Furthermore, at the beginning of section 41 Heidegger summarizes the being of Da-sein as care as constituted by existentiality, facticity, and falling prey (Verfallensein)” (SZ, 191/178) [GA 2, 254]. The phenomenological explication of Angst reveals “the possibility of a distinctive disclosure, since Angst individualizes. This individualizing fetches Da-sein back from its falling prey and reveals to it authenticity and inauthenticity as possibilities of its being” (SZ, 190–191/178) [GA 2, 253]. Angst is a way of disclosure and what is disclosed is the possibility of individuation. McMullin claims that the temporality of world time is modally indifferent, and consequently that the shared world of Da-sein is not inherently authentic or inauthentic. She attempts to support this claim by suggesting that “being-with” (Mitsein) should replace “fallenness” in the fundamental existential structure of Da-sein: being-with should be designated “as the modally indifferent existential that is expressed in either an authentic or inauthentic way” (TSW, 109). With reference to section 26 the author claims that Heidegger “takes being-with, and not fallenness, as the fundamental existential specific to encountering other Da-sein”; she adds that Heidegger inconsistently substitutes fallenness for being-with in chapter V of Division I, in the entire subsequent treatment of the care-structure and in the explication of “temporality as ontological meaning of care” (section 65) (TSW, 109, 110). In section 26, however, Heidegger states that the “Mitda-sein of others is disclosed only within the world for a Da-sein and thus also for those who are Mitda-sein, because Da-sein is essentially being-with (Mitsein)” (SZ, 120/113) [GA 2, 161]. Mitsein, then, is inherent in the existential-ontological structure of Da-sein. The everyday ‘world’ of existentiell encounters of other Da-sein is articulated by historically contingent Mitda-sein (being-with-others). With regard to the existentials of Da-sein’s being-in-the-world (attunement, understanding, fallenness, and discourse) Mitsein is constituted by all four, because Da-sein is Mitsein. Consequently the existentials are disclosive of Mitsein as being-in-the-world. Mitsein is not another existential, disclosive of itself, nor can it supplant fallenness. In their everyday modes of concern the existentials disclose the ‘world’ in terms of what is ready-to-hand and present-to-hand. With reference to other Da-sein, Mitsein initially and for the most part is defined by fallenness to the ‘world’ constituted by the everyday discursive articulation of attunement and understanding of our innerworldly being-with-others. We have to keep in mind the distinction between innerworldly encounters of Da-sein and other Da-sein, and worldliness (Weltlichkeit), as laid out in section 14, and then again the explication of being-inthe-world in reference to “The Mitda-sein of the Others and Everyday Being-with” (section 26). In respect to Mitdaseienden, we recall that concern for other Da-sein firstly and for the most part is “with” them in terms of the everyday management of affairs, and this form of concern is founded in innerworldly relations. Heidegger
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refers to ‘indifferent and deficient’ “ways of concern.” This raises the question of what “indifferent” means in this context. It is clearly distinct from McMullin’s use of the concept, because she understands it as modally neutral. Heidegger distinguishes between deficient and indifferent modes of concern, on the one hand and the positive, “extreme” modes on the other: the later refers to the ‘positive’ modes of direct encounter and caring for the other – either by alleviating him of care (inauthentic) or helping him “to become transparent to himself in his care and free for it” (authentic) (SZ, 122/115) [GA 2, 163]. If by “indifferent” we understand something like directing someone to Social Services in response to his concerns, it is still inauthentic, although not in the ‘positive’ sense of taking over his concerns for him. Deficient, indifferent inauthenticity, and positive inauthenticity all encounter the other as Mitda-sein of innerworldly relations. Conversely, authentic Fürsorge is authentic because it releases the other to his or her ownmost possibility and freedom to be. Being-with (Mitsein) constitutes each and every kind of beingwith-others. A passage in Section 65 is referenced by McMullin as inconsistent with section 26. According to McMullin, the inconsistency arises because Mitsein is the third constitutive dimension of the temporality of care: it indicates the originary present, while understanding indicates the originary future, and attunement the originary having-been (TSW, 110–111). In section 65, however, she notes that (as Heidegger writes) “such an indication” of the ‘correlation’ of the primacy of one particular dimension of time “is lacking for the third constitutive factor of care: entangled being-together-with (das verfallende Sein-bei)” (SZ, 328/301) [GA 2, 434]. This passage and the lines following make a clear distinction between ‘fallen’ or captivated being-together-with (Sein-bei) what is objectively present, and an originary present, the Augenblick (SZ, 328/301–302) [GA 2, 434]. We note that that the unity of the care structure – existence (future), facticity (having-been), and fallenness (present) – is founded in originary temporality. With reference to Verfallen, the passage does not speak of Mitsein, as section 26 does, but of Sein-bei: the latter refers to the character of everyday making-present of what is objectively present, while the former, Mitsein, encompasses all three ecstasies of Da-sein’s ownmost temporal structure. What is at stake in these two passages (sections 26 and 65) are two different, although not unrelated issues, and consequently McMullin’s attempt to uncover an inconsistency is not supported by the text. What Heidegger understands as originary present (Augenblick), furthermore, springs forth from the unity of having-been and projecting open, a unity founded in the anticipatory resoluteness of being-toward-death (SZ, 385/352) [GA 2, 509]. McMullin’s recasting of the existentials would make the present the primary ecstasis of Mitsein. This is entirely consistent with her nullification of Da-sein’s historicity. McMullin’s puzzling re-casting of the existentials leads her to suggest that “if we recognize being-with as a constitutive dimension of being-in-the-world, Heidegger can make room for being-with both in its authentic and inauthentic modes
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of being” (TSW, 111). In Heidegger’s existential analytic, Mitsein as constitutive of Da-sein is actually never in question once the concept of being-in-the-world has been elaborated and the Cartesian cogito (ergo) sum has been de-constructed to disclose the “I am” as being-in-the-world (chapters 2–4, Division I). The question only persists, for McMullin, because she takes an “inter-subjective” approach to “other selves” and because she is concerned to refute those commentators who claim that Heidegger’s understanding of everyday being-with-others as Verfallen, along with the fact that the formally indicated concept of authenticity is won from being-toward-death, leaves us with a solipsistic understanding of selfhood. Nor is there any doubt that Heidegger does “make room” for both authentic and inauthentic modalities of Mitsein. What is in question is how the ownmost temporalization of Da-sein discloses itself; and how the originary temporality of the ownmost stands in relation to everyday Mitda-sein. The fundamental thrust of McMullin’s explication of Being and Time is that everyday being-with others is not necessarily fallen to, or captivated by, the actualities of the ‘world.’ The intersubjective ‘world’ of everyday encounter is therefore said to be modally indifferent. But since Mitsein is constitutive of the possibility of authenticity and inauthenticity the issue becomes the phenomenological cogency of postulating an undifferentiated modality of temporality “underlying” both of these modalities. The evidence for this is weak.2 Da-sein, hence Mitsein, is formally indicated by the existential analytic in terms of temporalizing in its ownmost selfhood (“authenticity”) or failing to do so (“inauthenticity”). Can Da-sein be modally indifferent or neutral vis-à-vis itself without falling back on a Da-sein-inappropriate understanding of being as objectivity? The very concepts of the existential analytic, as formally indicative, are ultimately determined by their enactment sense.3 Can we even speak of an underlying, modally indifferent temporality in general, if temporality only “is” as enacted? And what would a modally indifferent enactment of temporality be, if not a failure to live my time as my own? In other words, inauthentic. McMullin’s interpretation of Being and Time does not, like a certain tradition of interpretation, propose to sever the two divisions of the treatise from each other, but her treatment of the temporality of everydayness is inflected in such a way as to give the world time of the extended now a primordiality that Heidegger does not give it. She holds that the present articulated by communal world time constitutes originary temporality and can be treated of with minimal reference to authentic and inauthentic ways of the temporalization of Da-sein. This interpretation goes against the entire thrust of section 80, which argues that world time, founded in ecstatic-horizonal temporality, constitutes the temporality of innerworldly encoun-
2 See Robert J. Dostal, “The Problem of ‘Indifferenz’ in Sein und Zeit,” Phenomenology and Phenomenological Research, Vol. 43, No. 1 (Sept., 1982): 43–58. 3 Daniel O. Dahlstrom, “Heidegger’s Method: Philosophical Concepts as Formal Indications,” The Review of Metaphysics, Vol. 47, No. 4 (June, 1994): 775–95.
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ters (SZ, 419/384) [GA 2, 553–54]. The objective of Being and Time, moreover, is not to unfold an ontology of inter-subjective social relations, but to raise again the question of the meaning of “being.” And this is to be disclosed through an analytic of Da-sein’s way to be, which finds its culmination in the ownmost finite freedom of Da-sein. Within this context the question of the temporal meaning of being, and the ‘being’ of the present finds its place. The ecstatic tendency of making-present (Gegenwärtigen) is to find the meaning of Da-sein’s being in what is made present, and for this reason it is tempted by and entangles itself in what has already been made present (SZ, 347–48/319) [GA 2, 459]. In this sense, Da-sein ‘falls for’ and is captivated by the actualities of its ‘world.’ Making-present is a modality of the present (Gegenwart). It is the modality of falling away from what is ownmost to temporality as finite. This very finitude of temporality is disclosed in being-toward-death (SZ, 348/319) [GA 2, 460]. The finitude disclosed in being-towarddeath discloses Da-sein to itself in its ownmost possibility for being. The extended public now of McMullin’s interpretation abstracts from the finitude of Da-sein and establishes the now as the normative space of inter-subjective constitution. McMullin’s argument gives primacy to the kind of making-present characteristic of the extended, common now of world time. Common time becomes originary time, and this originary world time is conceived as the pre-eminent locus of Dasein’s individuation and of ethical being-with the other (Mitda-sein). It should be noted, however, that Heidegger explicitly derives the common temporal span of world time from the historicity of Da-sein (SZ, 409/376) [GA 2, 541]. Da-sein’s everyday concern with time does not know it “as its own,” but rather uses time to measure and regulate the concerns of its communal world, the world of world time, hence to reckon with time as “the they reckons” (SZ, 411/377) [GA 2, 543]. In effect, the time-reckoning of world time conceals Da-sein’s possibilities of individuation because it flees finitude (SZ, 424/389) [GA 2, 560]. McMullin claims the exact opposite: “despite its inauthentic tendencies, Da-sein is always already a self individuated by its existential commitment to its having to be” (TSW, 232). It is not that Da-sein is “always already” individuated, but that Da-sein ‘has’ the possibility of becoming individuated, by ‘committing’ itself to taking responsibility for its ownmost finitude and unique possibility-to-be. The unity of Da-sein’s temporality is disclosed and grounded in its ownmost finitude, and therefore is radically distinct from the ‘originary now’ of public norms as she conceives it. Hence, while McMullin is correct in saying that Da-sein is always, as Da-sein, concerned with its having to be, it is only in the face of its ownmost possibility to be (in being-toward-death) that it fully grasps what “to be” means. Formally indicated anticipatory resoluteness discloses the very possibility of individuated, ethical being with others in everydayness (SZ, 264/244) [GA 2, 350–51]. Inauthenticity is said to have “possible authenticity as its basis,” because the disclosure of Da-sein’s originary finite freedom to take responsibility for itself first discloses average everydayness as having-always-already fallen away from its ownmost possibility
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for being (SZ, 259/239) [GA 2, 344]. Resolve seizes upon the factical possibilities of the concrete situation, as opposed to the already-given of norms of communal world time (SZ, 298–99/275) [GA 2, 396–97]. In her remarks on Heidegger’s critique of Kant’s moral philosophy, McMullin emphasizes that while reason may lead us to recognize the validity of a norm, logical assent “cannot offer a compelling account of why one would or should take on self-responsibility for universal rationality” (TSW, 150). Reason will not lead to enactment without the requisite attunement (Befindlickeit). Hence Heidegger founds possible ethical norms in wanting to have a conscience – that is to say in attunement to Da-sein’s being-guilty in the existential sense (SZ, 268–69/247–48) [GA 2, 356–57]. McMullin’s response to the question of how the move from universally applicable principle to concrete, ethical encounter between self and other can be philosophically justified and existentially enacted is to found the universal in temporality, and the encounter in common measures of time. “Da-sein is ‘heedful’ of the others by submitting itself to measures that allow for a shared temporal space.” She continues by re-iterating that “contrary to many interpretations of the normalizing role that these public measures play in Heidegger’s work, this self-subsumption to shared norms is not inherently inauthentic” (TSW, 130). The author emphasizes that the other is encountered concretely in terms of how she expresses her own temporality; in respectful recognition of the unique temporality of the other, within the same shared world, each and every Da-sein experiences its limit. This argument is made primarily with reference to time-reckoning and to world time as explicated in sections 79 and 80 of Being and Time (TSW, 133, 160–61). But even if one were to grant the possibility of an indifferent, and yet primordial modality of Da-sein’s temporalization, this does not explain how this intersubjective world comes to be constituted as non-inauthentic. For what does it mean to acknowledge the unique temporalization of the other? We are thrown into a historically constituted pre-given world of shared understanding and interpretation, and in the first instance and for the most part we are simply delivered over to it in both our understanding and interpretation, and in our historically constituted attunement. Merely sharing the same extended now does not make it mine, or let the other be in their ownness in relation to me. Since norms, moreover, are communally agreed upon and constituted, we have to take the historical constitution of norms by a community into account. The norm is already-given in the already-said (Gerede) and only in explicit confrontation with it are the grounds of the norm sought out and clarified (SZ, 168–169/158) [GA 2, 224]. For “falling prey” also signifies that Da-sein is “lost in its ‘world,’” and consequently interprets its own possibilities as “dominated by public interpretedness” (SZ, 221–22/204) [GA 2, 293]. The possibility of clarification of existing norms is founded in Mitsein, but this possibility can only enacted by a community in the historicity of its destiny (SZ, 384/352) [GA 2, 508]. A community of destiny is wrested from existing norms. It projects-open possibilities arising out of decisions founded in the finite
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freedom and limits of its historicity. While the authentic, originary present ‘arises’ out of the originary future in anticipatory resoluteness to “take over its own thrownness and be in the Moment for ‘its time,’” the present of world time ‘arises’ in the making present and temporal regulation of existing actualities (SZ, 385/352) [GA 2, 509]. The community of regulative normativity is in principle universal and limitless. What Heidegger understands by a community of destiny, however, is founded in historicity, and as such in the ownmost limit of being-toward-death (SZ, 386/353) [GA 2, 510]. For these reasons, the norms of world time and the intersubjective ethical regard of the communal now cannot be divorced from the decisions of our finite freedom of historicity without falling prey to the already-given of inauthentic everydayness. II. Heidegger’s interpretation of Kant, as is well known, takes issue with the epistemological emphasis of the neo-Kantians of his time and thus is also at odds with subsequent commentators for whom the Critique of Pure Reason is pre-eminently a work of epistemology.4 The place and essential significance of Kant in Heidegger’s own philosophy, or the lack of it, has also long been a topic of contention. Since the publication of The Renewal of the Heidegger-Kant Dialogue (1992), Frank Schalow has been at the forefront of those who argue, conversely, that Heidegger’s dialogue with Kant not only enriches our understanding of both thinkers, but also constitutes a fundamental step in Heidegger’s elaboration of the history of being.5 In Departures. At the Crossroads between Heidegger and Kant, Schalow forcefully develops his argument to show how Heidegger “translates” Kant into his own terms by unfolding what is unsaid in Kant. The question of time will serve as the bridge between the explicitly epistemological horizon of Kant and the ontological questioning of Heidegger. For in spite of “Kant’s neglect for the question of being, he leaves the trace of an access to it through his emphasis on time” (DC, 5). “Translation” is to be understood as the intra-linguistic work of the retrieval of the unsaid of Kant’s transcendental philosophy. Departures offers a thorough overview of Heidegger’s reception of Kant in seven chapters. Key works the author references are Heidegger’s Kant und das Problem der Metaphysik (GA 3), Vom Wesen der menschlichen Freiheit (GA 31), and Die Frage nach dem Ding (GA 41), among others. These works are brought into relation to Kant’s three Critiques in a destructive-retrieval of the question of being. I will focus on Kant’s doctrine of time and imagination in the first Critique in relation to the Kantbook (GA 3), which is often taken to be a kind of completion of Being and Time.
4 Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, hrsg. Raymund Schmidt (Hamburg: Felix Meiner, 1993). Cited as KRV. 5 Frank Schalow, The Renewal of the Heidegger-Kant Dialogue. Action, Thought, and Responsibility (Albany: SUNY, 1992).
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Metaphysics is only possible if the question of being is grasped as a question of the finitude of the questioner. And this calls for grasping the intimate relation between being-time (Da-sein) and being. Heidegger’s interpretation of the self-interpretation of the ‘subject’ confirms its finitude as the ‘origin’ and ‘end’ of all disclosedness in the sense of the doubling back of finitude upon itself. In this context of interpretation, transcendental imagination is understood as the ground of “possibility of ontological synthesis,” that is, of the transcendence of “the subjectivity of the human subject.” 6 This “ground” enacts the ground-laying of metaphysics out its ownmost finitude as thrown-projecting-open. As an essential dimension of hermeneutic phenomenology, destructive-retrieval involves a number of related steps: the clarification of “the presuppositions from which an inquiry begins” in order to “make explicit what lends intelligibility to understanding”; secondly, to “justify the point of departure, thereby opening up a more radical avenue of investigation from which new possibilities of understanding, concerning the meaning of being, can arise”; thirdly, to “show how philosophical knowing exhibits the contours of human understanding as such” by doubling back on itself to reveal its own beginnings in our finitude and historicity; and finally, to exhibit “the pre-understanding of being, which is implicated in human existence” as the ground of truth and of the disclosure of beings (DC, 12). Through these steps we are led back to the finitude and temporal unity of the “subject,” and from the subject to the affective-interpretive enactment of our embodied being-in-the-world as the originary condition of the possibility of cognition. Schalow’s interpretation of Heidegger’s destructive-retrieval of Kant in this sense is ultimately guided by the being-historical imperatives of Contributions to Philosophy and related works (DC, 8–10). The introduction of the being-historical dimension follows by necessity from a more radical appropriation of Da-sein’s historicity and from the attunement of distress characteristic of our own hermeneutic situation (DC, 9–10).7 Consequently, the violence of Heidegger’s interpretation of the first Critique in his Kant and the Problem of Metaphysics can be acknowledged (as Heidegger himself would), but at the same time justified on being-historical grounds. “Through his destructive-retrieval of Kant, Heidegger then expands the radius of the hermeneutic circle . . . [to include] an archaeology” of the governing concepts of the tradition (DC, 47). This pertains eminently to concepts of subjectivity, the a priori, and an understanding of being defined by the objectivity of the object. The question of the possibility of synthetic a priori knowledge leads us to “conceding that human finitude predetermines the conditions in conformity with which 6 Martin Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik (GA 3) (Frankfurt am Main: Klostermann, 1991), p. 205; Kant and the Problem of Metaphysics, trans. Richard Taft (Bloomington: Indiana UP, 1990), p. 140. Cited as KPM. 7 Martin Heidegger, Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis), GA 65 (Frankfurt am Main: Klostermann, 1989); Contributions to Philosophy (From Enowning), trans. Parvis Emad and Kenneth Maly (Bloomington: Indiana UP, 1999), section 17. Cited as GA 65.
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an object can be given to us” (DC, 21). The disjunction between epistemology and ontology is finally a false one, because determining the ground of possibility of knowledge (cognition) calls for an ontology of the human “subject.” In this fundamental respect, Kant can be said to have anticipated Heidegger, as he himself indicates in Being and Time. In the course of announcing the project of destructuring the history of ontology with the objective of taking up again the question of being as guided by the “phenomenon of time,” Heidegger states that Kant is “the first and only one who traversed a stretch of the path toward investigating the dimension of temporality.” Yet “Kant could never gain insight into the problem of temporality” because he neglected the “the question of being in general,” and because he lacked “a preliminary ontological analytic of the subjectivity of the subject” (SZ, 23–24/20–21) [GA 2, 32]. Kant indeed writes that the “abiding and unchanging ‘I’ (pure apperception) forms the correlate of all our representations” (KRV, A123). But “to define the I ontologically as a subject,” Heidegger writes, “means to posit it as something always already objectively present” (SZ, 320/295) [GA 2, 423]. The question of the meaning of being as a question of temporality must therefore begin with the finite human “subject” as temporal in its very being. From Heidegger’s perspective of unfolding the presuppositions of transcendental philosophy it must begin with “Da-sein” as disclosed through the destructive-retrieval of the condition of possibility of the metaphysically conceived subject. Consequently, the question of the possibility of synthetic a priori judgements also has to be referred back to the structure of Da-sein: that is, it must be founded in the existentials that constitute the structure of Da-sein’s being-in-the-world: attunement, fallenness, understanding and discourse. Discourse constitutes the “existential-ontological foundation of language.” Assertions are derivative of the attuned-understanding of the self-interpretation of Da-sein in its finitude and therefore “the ‘logic’ of lügoò is rooted in the existential analytic of Da-sein” (SZ, 160–61/150) [GA 2, 212–13]. Indeed, one of the strengths of Schalow’s interpretation of Heidegger’s Kant is the emphasis he puts on discourse. Schalow’s basic staring point in this regard is that insofar as “language governs all thinking, any insight into being erupts through the transitory proclamation of the word” (DC, 98). While this statement may be more attuned to Heidegger than to Kant, it correlates with the radical finitude of the human knower, and therefore reveals a precondition of Kant’s transcendental philosophy. The essential point in Heidegger’s interpretation is that human intuition of what manifests itself is determined by its finitude, and as such is radically distinct from the creative-originating intuition of infinite being. Its representing always requires the indirection of a universal; it is circuitousness, or discursive (KPM, 29–30/19– 20). What is fixed in the universal in concepts is the work of the subject’s beingdiscursive. The temporality of Da-sein, which is not to be identified with beingpresent, articulates itself in coming to word, and these articulations are by no means restricted to judgments and the categories derived from them. This points
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toward an understanding of language that does not determine the being of the said solely or primarily in its being-present; and toward an understanding of time that has grasped the non-originary character of the Now-sequence. This leads to the question of how originary synthesis is to be understood and points to the enactment of time and word as dwelling. As Schalow notes, however, while Kant does make knowledge conditional upon time (and space), he holds time to be “originally nondiscursive.” “Different times,” Kant writes, “are but parts of one and the same time” (KRV, A31, B47). The problem, therefore, is one of hermeneutically justifying an interpretation of Kant that conjoins time to language in the making-manifest of the object of knowledge (DC, 50). The proposed solution to this problem leads us to the schematism of the imagination. As Kant writes, the “schema is in itself always a product of imagination” (KRV, A140, B179). Three key terms of Schalow’s interpretive passage from Kant to Heidegger and back again are imagination, temporality, and disclosedness. All take their meaning from the essential finitude of Da-sein. All three have to be brought into conjunction with discourse, or lügoò (Rede). In line with the existential analytic of Being and Time, as indicated above, Schalow’s interpretation shows how Heidegger takes up the “attempt to develop a ‘logos’ of being, that is, to express its ‘meaning’ in ‘temporal’ idioms” (DC, 37). This leads us to the relation of imagination to the schemata, and of both to language understood as the articulation of time. In Kant and the Problem of Metaphysics, Section Three, Heidegger shows that the schemata arise as the ‘transcendental product’ of transcendental imagination. The imagination is the formative power that brings together pure intuition and pure thought (KPM, 144–46). Inasmuch as the transcendental imagination is the unifying root of both intuition and categorization, “the schema stands as the intermediary between the content of intuition and its determination by the signifying act of the category” (DC, 51). Because unschematized categories “have only a logical significance” (KRV, A147, B186–87), the schematism of categories is the essential expression of the being-open of a “subject” to the disclosedness of world. The power of imagination (Einbildungskraft) is formative and this formative power articulates itself in the temporal-historical inflections of the word. As the common root of pure intuition (time) and conceptual synthesis, imagination is “formative” (bildend) in the sense that it forms in advance the horizon of intelligibility for the being-encountered of objects. What is synthesized in this way presupposes the transcendental synthesis of each horizon of time, and, Heidegger argues, the synthesis of the unity of the three dimensions. The threefold syntheses of apprehension (present), reproduction (past), and recognition (future), Heidegger argues, in each case point to the formation of a horizon of time that constitutes the transcendental condition of the cognition of objects in time (KPM, sec. 33). Schematism “reconfigures the categories . . . according to a procedure harmonized with time” (DC, 52; see KRV, A 139–140). The schemata are temporal articulations of the twelve categories: for example, “the pure concept of identity acquires the con-
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crete meaning of ‘permanence of the real in time’” (DC, 54: KRV, A143/B183). “Permanence” is a temporal determination. Finite transcendence, for Heidegger, implicates the thrown projecting-open of Da-sein. In Kant’s terms, thrownness is expressed in the discursivity of finite intuition through representations, as distinct from the creative intuition of an infinite being. Discursive intuition necessarily works up what is already-given in the language and conceptuality of a tradition. The performative act of synthesizing the already-given is not a simple reproduction, but a hermeneutic re-interpretation, or projecting-open. The interpretation of the imagination that Heidegger offers depends on an understanding of time that is disclosed to a finite Self in its being as finite transcendence. Fundamental to this interpretation is Heidegger’s emphasis on the originary, formative power of projecting-open, that is, of being-futural. The ‘schematization’ of the concepts points back to their transcendental conditions of generation in the thrown-projecting-open of Da-sein. In reference to the threefold syntheses of apprehension, reproduction, and recognition, Kant himself does not correlate the synthesis of recognition with the future horizon of time (KRV, A 103–110). Elsewhere Kant states that “Pure reason, as a purely intelligible faculty, is not subject to the form of time, nor consequently to the conditions of succession in time” (KRV, A551, B 579). Yet, as Heidegger argues, recognition in a concept synthesizes a series of representations by leaping in advance to determine what is to be held in representation as one and the same. Pure recognitive synthesis projects-open the horizon as such of grasping-inadvance; that is, it is pre-formative of the horizon of the future. In fact, Heidegger claims, the temporal constitution of the transcendental power of imagination reveals the pre-eminence of the future dimension, where Kant had argued for the priority of the concept (KPM, 185–187). Heidegger’s interpretation of the threefold syntheses displaces the primacy of the now sequence and of a transcendental Now that is ever one and the same with itself as Now. As one and the same, ever-abiding Now, time is the image of stability, of ‘substance’ as such (KPM, 107; KRV, A143, B 183). As Heidegger points out with reference to the Critique of Pure Reason (A123 and A143, B183), Kant holds that “the fixed and perduring I (of pure apperception) constitutes the correlate of all our representations” (A123); and he implicitly ‘correlates’ perduring selfhood and the perdurance of time. The stabilization of the self is founded in the stability of the Now. The thrust of this section of the Kantbook (sec. 34), which in fact proposes the central thesis of the entire book, is that the self is constituted in its very being by the self-affection of the three horizons of time. The self-affection of time refers to the motion of opening-up horizons of encounter and the corresponding coming-back of time to itself, to gather itself as one. This originary, ecstatic sense of time makes a self to be a self. Heidegger’s ‘translation’ of the syntheses of the productive imagination into the unity of threefold temporality undertakes a decisive shift from the primacy of the concept, and of the transcendental Now, to the primacy of the future as the project-
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ing-open of a horizon of intelligibility. Clearly this shift is at odds with Kant’s own philosophy. Yet it is not an arbitrary conception on Heidegger’s part, but strictly follows from Kant’s premise of the finitude of the “subject.” Schalow shows that “Heidegger’s controversial attempt” to favour imagination over reason involves two related moments: first, “truth must be traced back its origin in the inquirer’s concrete access to it, in disclosedness”; and secondly, “shifting away from the proposition as the traditional locus of truth, implies, conversely, that language derives its power from this primordial impetus toward ‘unconcealment’ ” (DC, 62). In Heidegger’s ontological retrieval of transcendental philosophy, the synthesis of intuition and reason by the transcendental power of imagination is the original, disclosive (veritative) synthesis. The syntheses of judgment and that of the apophantic-as are dependent on and derivative of this site of disclosedness (KPM, 28–29/19). Schalow carefully develops the implications of the “pre-predicative dimension of ‘disclosedness’” that is figured in the hermeneutic-as in detail. The hermeneuticas is veritative to a fuller degree (more disclosive) than the apophantic-as because it allows beings to come to word in their being according to the temporality and historicity of their being-said (DC 55–56, 65). Selfhood has to be understood in its historicity. Schalow argues that this articulation of unconcealment implicates a performative function that shifts “the axis of meaning” from “its ideational content to the character of an enactment” (DC, 58). The enactment sense of the “I think” is enacted in the schematism of the “activity of synthesizing the manifold of intuition” (DC, 56). “Enactment” is founded in the being of Da-sein as always already projecting possibilities for being. The twofold “articulation” of temporality (into the three horizons of time, and as word) is the condition of possibility of the disclosedness of our pre-conceptual understanding of being. And this pre-conceptual understanding of being, given to intuition in its historicity, is the condition of our coming to raise the question of the possibility of synthetic a priori judgements. Through language as the exercise of the imagination, and imagination as the articulation of logos (lügoò), “‘being’ is lifted from its confinement to the proposition,” and in turn the primacy of the copula in respect to the determination of being is overcome (DC, 93). Consequently, the temporal-historical concretization of the categories in the enactment of language leads from the apophantic-as of being present-at-hand to the hermeneutic-as of the “pre-predicative dimension of disclosedness” of the meaning of being (DC, 65, 68, 99). The deconstructive retrieval of the apophantic-as discloses our being-human as dwelling, and this becomes the starting point of any possible post-Kantian ethics. In chapter Four, Schalow addresses the question of the relation of Heidegger’s thinking to Kant’s understanding of ethics. This is a particularly important chapter, given that Heidegger has often been denied a clear philosophical concept of ethics. Schalow builds on what he has previously established in regard to the language as logos (lügoò). Three issues are given special attention: self-responsibility and responsibility to others; dwelling with the other as founded in the finitude of our
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being of the earth; Kantian autonomy and Heidegger’s understanding of freedom as letting-be (DC, 100–101). All three pertain to dwelling as ethos (÷qoò). In terms of the destructive-retrieval of Heidegger’s understanding of Kant, Schalow emphasizes the necessity of beginning with the facticity and hence thrown-projectingopen of existence, because Kant’s starting point of the universality of reason presupposes existence. In the Kantbuch, section IV, Heidegger shows that the Kantian question “What can I do?” betrays the finitude of the questioner (DC, 102). The issue then becomes how the existential constitution of Da-sein as being-towarddeath is enacted in such a way as to take responsibility for itself, and how selfresponsibility is related to concern for the other. The unfolding of this question presupposes phenomenological evidence that Da-sein is indeed called to be itself (SZ, 288/265) [GA 2, 382]. As noted above in my discussion of McMullin’s interpretation of Kant, ethically appropriate response to the categorical imperative assumes that one is individually affected by the universality of the imperative. The judgment of reason that recognizes the universality of the imperative in itself remains insufficient to move one to enact it. The ethically appropriate response presupposes an appropriate attunement of Da-sein to its ownmost capability-to-be. This attunement comes to “word” in the call of conscience. Consequently the author argues that language and ethics come together in the call of conscience, through which Da-sein is torn out of its everyday inauthentic everydayness to take responsibility for its ownmost possibility to be (DC, 102). The presupposition for the ethic of the categorical imperative, Schalow argues, is the “individual’s capability to be the recipient of, and to be bound by, obligation” (DC, 105). In Being and Time, Heidegger shows that the call of conscience offers phenomenological evidence of the fundamental existential indebtedness of Da-sein. In taking over this indebtedness Da-sein can become the conscience of an-other in authentic being-with-others. And this involves the letting-be of the other and the authentic concern of helping the other “become transparent to himself in his care and free for it” (SZ, 122/115) [GA 2, 163]. We recall that being-with-others is inherent in the constitution of Mitda-sein as being-in-theworld. World is the starting point of Heidegger’s destructive-retrieval of Kant’s ethics of the categorical imperative. What Kant calls the kingdom of ends, Heidegger writes in Grundprobleme der Phänomenologie, is the “realm of freedom.”8 Insofar as traditional ethics “adopts abstract concepts about freedom as an operation of the will” it jumps over the problematic of “world” (DC, 106).9 In making the ‘translation’ from Heidegger back
8 Martin Heidegger, Die Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24 (Frankfurt am Main: Klostermann, 1975), p. 197; The Basic Problems of Phenomenology, trans. Albert Hoftstadter (Bloomington: Indiana UP, 1982), p. 139. 9 See Martin Heidegger, Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung in die Philosophie, GA 31 (Frankfurt am Main: Klostermann, 1982), p. 209. Cited as GA 31.
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to Kant, Schalow needs to show that world, understood as the ‘condition’ of ethical encounter, is a presupposition of Kant’s transcendental philosophy. The transcendental conditions of objects of experience are themselves to be referred back to their ground in the ontological constitution of the finite subject of knowledge. Furthermore, if we hold on to the fundamental thesis of the finitude of the subject, then time and space as a priori forms of intuition must also be destructively referred back to the embodied enactment and lived historicity of time and space, as appropriated by this subject. Schalow argues that time “fulfils its ownmost as temporal only by in each case individualizing the human being to himself” (DC, 110; re GA 31,129). Nor is space simply a given, but conceived in its historicity it is a site of co-habitation with others, or a site of contention and conflict. “Time and space,” in the passage from Kant back to Heidegger, becomes time-space (ZeitRaum). The “and” points to an originary unity of experience of our finite being-inthe-world with others. “Our way of inhabiting the world, and the freedom that allows us to do so, comprises an historically rooted setting for our interaction with others, that is, an ‘ethos’” (DC, 107). An ethos expresses the originary unity of time-space out of which rational norms and universal imperatives, can, under some dispensations of historicity, arise. The capability of responding to an ethical demand presupposes freedom. The Kantian ethical imperative, as Schalow notes, is posed within the context of causation and the understanding of being proper to it. Freedom is understood in terms of the being-present of the subject (DC, 122; cf. GA 31, 193) In response to this, we have to see how Heidegger deconstructs the being-present of a subject that has freedom as a property in order to give place to Da-sein, which “receives the power of freedom by participating in the openness” of being (DC, 123). Heidegger’s understanding of freedom “does not separate us from nature” because nature is no longer conceived as objective-causal realm, but as a “self-emerging dynamic” to which we belong. Our belonging is enacted in letting-be of what belongs together. “An original ethics begins by shifting the locus of action from its origin in a will or volition, to our own participation in freedom as letting-be” (DC, 127). Nor can such an ethics rely on existing norms or values, for what is posited in such are themselves petrified concepts of the will as transmitted to us by the already-said of a specific tradition and its governing concepts of being. To be at all (as “values”) they must be willed ever-anew. The autonomy of the will in positing values, that is, its self-legislation, has its “factical corollary in the self ’s way of responding to the claim of its own individuality” (DC, 130). Since this response implicates taking responsibility for one’s own thrown possibility to be, it will involve the appropriation of the specificity of a heritage, rather than adherence to a preconceived norm (DC, 128). In conclusion, I will turn to Schalow’s interpretation of Heidegger’s relation to Kant’s thinking in the light of Contributions to Philosophy. This starting point will also allow a few comments on Schalow’s final chapters, which deal with language,
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nature, and art. In Contributions, Heidegger avers that the passage to the other beginning calls upon us to follow the keys steps of Kant’s transcendental philosophy in order to transform it through the founding of Da-sein as the site of the truth of being (GA 65, 176/123). In this context of being-historical thinking the power of imagination holds a central place (GA 65, 312/219). “The deployment of imagination,” Schalow writes, “is one of the greatest legacies of Kantian thought,” because it serves as a “bridge in the crossing over to the other beginning” (DC, 168). In Heidegger’s being-historical project, “imagination” is retrieved from the deconstruction of transcendental philosophy as “occurrence of the clearing (Lichtung) itself.” In metaphysical perspective, Einbildung (imaginatio) is the name given to the receptive openness of the subject to beings, an openness that is transcendentally founded in the transcendental imagination (Einbildungskraft) (GA 65, 312/ 218). From the metaphysical perspective of the primacy of the being of beings (Seiendheit), ‘being’ is merely an imagined construct; it is not a ‘real’ predicate. What is remains stable, for Kant, is the transcendental Now, and it is this atemporal temporality that is correlated with ‘substance’ to set its mark on what ‘being’ is. The turn into being-historical thinking, in the overcoming of the transcendental perspective, therefore, is enacted in grasping the finite future in terms of the “thrown projecting-open grounding” of the truth of be-ing in Da-sein. Be-ing as the grant of projecting-open is the clearing of emergence and concealment ‘within’ which beings first arise to disclose themselves in their aspect (Bild). In Schalow’s explication of the being-historical point of departure, this fundamental shift is worked out in a number concrete respects. Of these, the thesis of the finite freedom of Da-sein, in its belonging to the realm of emergence (‘nature’) is one of the most significant, for with this revision of freedom, it is no longer essentially determined in reference to the causality of nature. Freedom, for Heidegger, is not in conflict with ‘nature,’ but one with it in its emergent and self-concealing openness (DC, 142). This has implications for our understanding of the political, and for the question of technology: politics is re-conceived in ecological terms, and again, this means in terms of the historicity and finitude of human dwelling. The transcendental understanding of space, as well as of time, is founded in the historicity of being. Equally important, and allied to the first point, is Schalow’s introduction of Kant’s Critique of Judgment into the discussion of imagination, language, and disclosedness. In the Third Critique, as Schalow emphasizes, imagination and figurative language speak to phenomena that reason cannot articulate. Heidegger’s “The Origin of the Work of Art” is an indirect response to Kant inasmuch as the question of the truth of art addresses the limitations of the conceptual universal, and preserves the truth of the singular in the grounding of be-ing (DC, 187). With the final two chapters of this book we can say that Schalow has achieved a wellrounded whole. His discussion of imagination in Kant’s Third Critique, and the somewhat covert relation it bears to Heidegger’s reflections on art and language, frees language from the confines of the concept to allow it a creativity that “re-
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nounces the mastery of representation in favor of the impromptu character of play” (DC, 193). The Third Critique is “hermeneutical in the most primeval manner of all, in the sense that it returns us to the inception of language as the dynamic of intermediation, as the relation of all relations” (DC, 197). As such, language constitutes a sensus communis that is more fundamental than imperative ethics and norms, for “meaning is not restricted to what is objectively definable, but instead extends to how our finitude can be revealed through examples set by our response to art” (DC, 199). The question of Heidegger’s relation to the transcendental philosophy of Kant motivates the two books examined here. Undoubtedly, from the point of view of the ‘historical Kant,’ objections can be brought against Schalow’s interpretation. The place he gives to the relation of language and imagination, for example, in reference to Kant, will not find universal favour. The same may be said, perhaps, of the hermeneutical re-interpretation of reason, and Schalow’s critique of the primacy of the apophantic-as. These objections, however, if they are to be fully transparent to themselves, to their own grounds, would have to consider the understanding of being that they presuppose. If the question of the history of being is seriously engaged, then the presupposition that ‘being’ means objectivity, and that the language of truth finds its natural center in the propositional form, both become questionable. At this point a being-historical appropriation of Kant’s philosophy becomes necessary, and as Schalow’s book shows, this can open entirely new perspectives on transcendental philosophy. The attempt, conversely, to ignore the pivotal place of historicity in Being and Time, in favour of world time understood within a transcendental framework, can only fail, because it calls for such a radical reconfiguration of that treatise as to distort it entirely.
Irene Borges-Duarte: Arte e técnica em Heidegger Chiara Pasqualin Irene Borges-Duarte: Arte e técnica em Heidegger, 239 S., Lisboa 2014, ISBN 978-9898566-67-6.
Das hier vorliegende Buch widmet sich den eng miteinander verbundenen Fragen nach dem Wesen der Kunst und der Technik, wie sie von Heidegger vom Anfang der Dreißiger- bis zum Ende der Sechzigerjahre wiederholt gestellt und aufgegriffen werden. Mit Ausschluss des ersten, einleitenden Kapitels sammelt der Band sieben ursprünglich als selbstständige Aufsätze konzipierte Beiträge, welche dennoch ein in sich kohärent gegliedertes einheitliches Werk bilden. Das Verfahren der Abhandlung besteht in einer textnahen Auslegung, welche sich vor allem durch eine sorgfältige sprachlich-lexikalische Untersuchung und den Vorschlag von triftigen Übersetzungslösungen auf Portugiesisch einen Zugang zu den Inhalten schafft. Das zweite Kapitel geht auf das Spiegel-Interview (GA 16, S. 652–683) ein, welches nicht als ein nützliches biografisches Dokument für die Beurteilung der politischen Haltung Heideggers, sondern als eine kurz gefasste Einführung in die Grundthemen seines Denkens gelesen wird. Insbesondere beruft sich die Textanalyse auf die vielzitierte und oft missverstandene Behauptung Heideggers „Nur noch ein Gott kann uns retten“ (GA 16, S. 671), um die Frage zu behandeln, welche Rettung unter der heutigen Herrschaft der Technik noch möglich sei. Nach der Lesart der Autorin wäre nicht Gott selbst derjenige, der uns rettet – was wir uns von ihm üblicherweise erwarten (statt auf ihn eigentlich zu warten). Eine solche Perspektive würde nur die traditionelle – und sagen wir sogar dazu „ontotheologische“ – Auffassung eines allmächtigen Gottes wiederholen, der darum angerufen wird, den menschlichen Ansprüchen zu genügen. Was uns vielmehr rettet, ist die Pflege des Andenkens an Gott (und zwar den „letzten Gott“): Die tief erfahrene Sehnsucht (saudade) nach unserem Band mit etwas, was sich nicht auf den ontischen Bezirk und den Horizont des Berechenbaren und der menschlichen Erwartungen reduzieren lässt (S. 26). Im dritten Kapitel, dem längsten und gedankenreichsten des Bandes, werden Heideggers Besinnung auf die Kunst und deren entscheidende Rolle für ein volles Verständnis des Menschenwesens angesprochen. Es wird eine Übersetzung des Terminus „Da-sein“ dargeboten, welche die Bedeutung des künstlerischen Schaffens deutlicher macht: Da-sein ist das „Da-des-Seins“ (aí-do-ser, statt der geläufigen portugiesischen Übersetzung ser-aí), d.h. der Ort in dem sich das Sein ent-
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wirft und lichtet (S. 40). Die Kunst bildet eine privilegierte Verwirklichungsweise dieser Wesensbestimmung des Menschen, insofern er durch das Werk einen Raum für die sich verbergende Entbergung des Seins stiftet. Laut der Autorin hat dabei das künstlerische Schaffen einen Vorsprung vor dem Denken (S. 41). Während es dem Denken nur selten gelingt, mehr als eine Vorbereitung der möglichen Begegnung mit dem Verborgenen zu sein, ereignet sich in der Kunst diese Begegnung auf unmittelbare Weise. In diesem Zusammenhang könnte man einen Schritt weitergehen und anmerken, dass das „Da“ des Da-seins nicht nur einen räumlichen Charakter im Sinne des einräumenden Entwerfens aufweist, sondern auch, und zuvor, den Ort einer passiven Aufnahme des Seins durch das Medium der Befindlichkeit (und daher eine xþra1 noch ursprünglicher als einen tüpoò) andeutet. Nur weil das Dasein das Da-des-Seins als dasjenige ist, das den Zuwurf des Seins befindlich bzw. stimmungsmäßig empfängt, kann es den Entwurf und das wesentliche Bauen, darunter auch das künstlerische Schaffen, aktiv vollziehen. Der schöpferische Entwurf gründet sich in der befindlichen Aufgeschlossenheit des Daseins. Dies ist ein Punkt, den die Autorin nicht zu übersehen scheint, vor allem wenn sie bemerkt, dass die Kunst durch ein „ursprüngliches affektives Verständnis“ (compreensão afectiva originária) gekennzeichnet ist (S. 67). Darüber hinaus schildert das dritte Kapitel den begrifflichen Rahmen – den des geschichtlich-epochalen Geschehens der Wahrheit und des Wieder-holens des Ursprungs –, in welchem Heidegger am Anfang der Dreißigerjahre seine Überlegungen über die Kunst zu entfalten beginnt: Der theoretische Hintergrund und die Methode dieser neu entwickelten Fragestellung stehen aufgrund des Vortrags Vom Wesen der Wahrheit (GA 9, S. 177–202) und der Vorlesung Einführung in die Metaphysik (GA 40) fest. Gegen die These Pöggelers, nach welchem Heideggers Besinnung auf die Kunst nur eine romantische Flucht nach der politischen Ernüchterung wäre2, werden insbesondere der innere Zusammenhang dieser Besinnung mit dem Denkweg Heideggers und deren wichtige Stellung als unentbehrliche Prämisse für die spätere Untersuchung über die Technik hervorgehoben. Sich mehr der Position von Herrmanns annähernd3, behauptet die Autorin, dass die Holzwege-Abhandlung Der Ursprung des Kunstwerkes (GA 5, S. 1–74) schon die Grundzüge von Heideggers Nachdenken über Kunst enthält, welches später von dem Philosophen nicht infrage gestellt, sondern in den Fünfziger- und Sechzigerjahren entsprechend den neuen Begriffen von „Ge-stell“ und „Geviert“ nur leicht 1 Vgl. GA 40, S. 71: „Könnte xþra nicht bedeuten: das Sichabsondernde von jedem Besonderen, das Ausweichende, das auf solche Weise gerade anderes zuläßt und ihm ,Platz macht‘?“. 2 Vgl. O. Pöggeler, Philosophie und Politik bei Heidegger, Freiburg/München 1972, insbes. S. 122 und 157. 3 Vgl. F.-W. von Herrmann, Heideggers Philosophie der Kunst. Eine systematische Interpretation der Holzwege-Abhandlung „Der Ursprung des Kunstwerkes“, Frankfurt am Main 1980, insbes. S. XXIII.
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überarbeitet wird. Als Beispiel und Beweis dieser These wendet sich die Autorin der Übersetzung und Analyse der kurzen Schrift von 1955 über Raffaels Sixtinische Madonna (GA 13, S. 119–121) zu. Im vierten Kapitel geht es darum, zu zeigen, dass Heideggers Besinnung auf die Kunst vom Anfang bis zum Ende durch dieselbe Grundüberzeugung bewegt wird: Dass nämlich das Kunstwerk den Versammlungsort, einerseits von Mensch und Sein und andererseits von Sterblichem und Göttlichem, umgrenzt. Nicht nur die griechische Architektur, beliebtester Bezugspunkt der Dreißigerjahre, sondern auch die später bedachte post-metaphysische Kunst Klees eröffnen nach Heidegger einen Raum für die Epiphanie des Heiligen. Was sich ändert, sind die Weise und die Umstände, unter welchen der Mensch die Erfahrung des Heiligen in diesen zwei Extremen der geschichtlich-künstlerischen Entwicklung macht: Während der griechische Mensch sich fügsam und scheu gegenüber den Göttern verhält, bleibt dem Künstler in der gegenwärtigen Epoche nur ein schwacher Kontakt mit der heiligen Dimension mittels der Erfahrung des Todes und der Abwesenheit. Die feine Auswahl von Abbildungen, vor allem der Aquarelle und Zeichnungen Klees, die das Kapitel bereichert, führt den Leser durch die Galerie der von Heidegger in seinen Texten erwähnten oder vielleicht nur insgeheim inspirierenden Werke. Im fünften Kapitel wird die Aufmerksamkeit auf die Arbeit an der ÜbersetzungAuslegung gerichtet, die Heidegger von dem ersten Standlied der Antigone von Sophokles im Laufe der 1935 gehaltenen Vorlesung Einführung in die Metaphysik gab. Von der ursprünglichen Fassung dieser Übersetzung ist nur eine einem Brief an Karl Jaspers4 beigefügte Reproduktion erhalten. (Der im 40. Band der Gesamtausgabe veröffentlichte Vorlesungstext gibt eine spätere, im Jahr 1943 von Heidegger abgefasste Übersetzung des Standlieds wieder). Laut der Autorin bedeutet die Auseinandersetzung mit Sophokles ein Gedanken-Labor für die Genese von Heideggers Auffassung der Technik. Aufgrund vom Text Sophokles’ entwickelt Heidegger eine Ontologie des Menschen als doppelt „unheimlichen“ Wesens: In einem positiven Sinne liegt diese Eigenschaft des Menschen an seiner schöpferischen Macht, die sich darin ausdrückt, das Sein in den ontischen Offenbarungsraum zu zwingen (hier ist die ursprüngliche Bedeutung der griechischen tÝxnh gemeint); negativ betrachtet wirkt jedoch der Mensch unheimlich, weil er seine kreative Fähigkeit in eine Beherrschungs- und Herrschaftsausübung verwandeln und dadurch die freie Schenkung des Seins verhindern kann (hier vollzieht sich die Herabsetzung der tÝxnh zur Machenschaft). Im Mittelpunkt des sechsten Kapitels stehen die Beiträge zur Philosophie (GA 65) und die daran angeknüpfte Frage, welcher Denkstil in diesem bahnbrechenden Text am Werk ist. Das Problem stellt sich, insofern das von Heidegger
4 Vgl. M. Heidegger/K. Jaspers, Briefwechsel 1920–1963, hrsg. von W. Biemel und H. Saner, Frankfurt am Main 1990, S. 158–159.
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darin versuchte Denken eine angemessene Sprache benötigt, die das „Ereignis“ auffängt und gestaltet. Diesen letztgenannten Grundbegriff der Beiträge übersetzt die Autorin als acontecimento propício (S. 156) und betont bei der Wahl des Adjektivs propício sowohl den Charakter von wechselseitiger Aneignung (die in der lateinischen Wurzel prope anklingt) als auch das Moment vom günstigen Augenblick (kairüò), in welchem sich gleichursprünglich der Zuwurf des Seins und der menschliche Entwurf ereignen. Nicht nur vergegenwärtigt uns die Autorin, dass der Stil des Ereignisdenkens, die sogenannte „Sigetik“, in der Grundstimmung der Verhaltenheit gegründet ist, sondern sie sieht mit vollem Recht in der Stimmung, d.h. in der porösen und wachsamen Affektivität, das Medium des kehrigen Bezugs zwischen dem Menschen und dem Sein. Aus dieser befindlichen Aufnahme des Zuwurfs wächst ein Denken, das mit der architektonischen oder musikalischen Kunst vergleichbar ist, weil es dem Sein einen innerlich gegliederten Raum (im Sinne der Ordnung der „Fugen“) für seine Offenbarung bereitet. Im siebten Kapitel wird Heideggers Überlegung über die Technik anhand des 1954 veröffentlichten Texts Die Frage nach der Technik (GA 7, S. 5–36) in Betracht gezogen. Die Technik zu denken, dies macht die Grundaufgabe des „anderen Denkens“ aus, durch welches Heidegger die Überwindung der Metaphysik beabsichtigt. Die „technische“ Verhaltensweise, in welcher der heutige Mensch verfangen ist, d.h. die berechnende Ausnutzung der Erde zugunsten des menschlichen Machtwillens und seiner Bestärkung, kann nur aus der Anerkennung des Wesens der modernen Technik verstanden werden: Und zwar aus dem Ge-stell. Laut der Autorin erweist sich die Wahl dieses Terminus nicht als unglücklich, wie Heidegger befürchtet, sondern als sehr angemessen, weil damit drei Wesenscharaktere der modernen Technik an den Tag kommen. Erstens deutet das Präfix „ge-“ auf den kollektiven Charakter und zugleich auf das Ergebnis eines Vorgangs hin. Zweitens spielt der Terminus auf die Zweideutigkeit des Verbs „stellen“ an, welches sowohl das „sein-lassen“ der griechischen tÝxnh (den poietischen Aspekt) als auch die herausfordernde Tendenz der modernen Rationalität (den vorstellungsmäßigen Ansatz) anzeigt. Zuletzt erinnert das Wort Ge-stell an die Gestalt, weil es sich um die Form oder das vorgängige Schema handelt, das auf das Reale angewandt wird, um es entsprechend dem Bedürfnis eines beherrschenden Willens zu machen. Die beste Übersetzung, um diese dreifache Charakterisierung auszudrücken, ist laut der Autorin das Wort com-posição (eine Bemerkung die auch für die italienische com-posizione und die spanische com-posición gilt). Von dieser genauen lexikalischen Analyse ausgehend beschreibt die Autorin das Ge-stell als „gestaltende Gestalt“, insofern es die Entfaltungsweise eines besonderen Wechselverhältnisses zwischen Mensch und Sein bezeichnet und zugleich das, was jedes menschliche Verhalten im voraus bestimmt. Im letzten Kapitel wird das Bedenken der Technik weitergeführt, so dass ihr von Heidegger angedeuteter Zusammenhang mit der Kunst ans Licht kommt. Mit der Veröffentlichung der Schrift Die Frage nach der Technik gelangt, so denkt die
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Autorin, die in den Dreißigerjahren angefangene Erörterung der Kunst zur vollen Entfaltung. Insbesondere wird im Text von 1954 ein in den Frankfurter Vorträgen von 1936 nur implizites Element ausdrücklich gemacht: Und zwar, das der inneren Verbindung zwischen Kunst und Technik kraft ihrer gemeinsamen Herkunft, d.h. der griechischen tÝxnh. In ihrem eigentlichen Sinne sind Kunst und Technik Modi der tÝxnh, d.h. des Her-vor-bringens und des Sich-ins-Werk-Setzens der Wahrheit des Seins. Während aber in der griechischen Welt dieses Setzen/Stellen noch ein respektvolles und durch das Erstaunen gestimmtes Antworten auf die entbergende Dynamik des Seins war, ist bekanntlich in der Neuzeit das Erstaunen verloren gegangen und hat sich das Bedürfnis nach Gewissheit und Sicherheit durchgesetzt, so dass jenes ursprüngliche schöpferische Wissen auf ein bloßes berechnendes Entwerfen herabgesunken ist. Die einzige Rettung für unsere Epoche kann nur daraus kommen, den Schritt zurück zum griechischen Anfang zu vollziehen, d.h. den ursprünglichen und verlorenen Sinn der Technik als eines vor dem Geschehen der Wahrheit respektvollen poietischen Wissens zurückzugewinnen. Darin fasst die Autorin den Grundgedanken des 1967 in Athen gehaltenen Vortrags5 zusammen, von dem in den abschließenden Seiten des letzten Kapitels die Rede ist. Das Buch wirft zum Schluss die Frage nach der Rettung wieder auf, welche schon im zweiten Kapitel anhand des Spiegel-Interviews zur Sprache kam. Zu diesem Leitmotiv des Buches möchten wir jetzt zurückkehren, um einige Schlussbemerkungen anzufügen. Wie bereits betont, identifiziert die Autorin zu Recht das rettende Potenzial unserer Epoche mit der ständig gepflegten und vollzogenen Erinnerung an unsere Bindung an die das ontische Gebiet überschreitende Dimension, d.h. an das, was wir zumindest formal als das „Transzendente“ bestimmen dürfen. Dabei sei hier darauf hingewiesen, dass genau diese Praxis einer bewahrenden Erinnerung die wesentliche Aufgabe ausmacht, die in den Beiträgen der Bergung zugeschrieben wird, von welcher die Kunst (wie auf verschiedene Weise die technisch-handwerkliche Anfertigung von Gebrauchsdingen) eine wesentliche Vollzugsform gestaltet6. Hierbei entsteht jedoch immer wieder die Frage, ob in der heutigen Welt die Kunst noch imstande ist, den Menschen für das Unberechenbare bzw. das Transzendente zu erwecken und empfänglich zu machen. Bekanntermaßen diagnostiziert Heidegger die „Kunst-losigkeit“ 7 der gegenwärtigen Epoche, indem er die Herabsetzung der Kunst zur machenschaftlichen Einrichtung feststellt. Und dennoch gesteht er die Möglichkeit „eines anderen Ursprungs der Kunst“ 8 zu, weil er die Aussicht nicht ausschließt, dass die Kunst noch einmal als ungestörte Gründung des Seins walten könnte. 5 Vgl. M. Heidegger, Die Herkunft der Kunst und die Bestimmung des Denkens, in P. Jaeger/R. Lüthe (Hrsg.), Distanz und Nähe. Reflexionen und Analysen zur Kunst der Gegenwart, Würzburg 1983, S. 11–22. 6 Vgl. GA 65, S. 71, 256, 389 und 392. 7 Ebd., S. 505–506. 8 Ebd., S. 506.
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Chiara Pasqualin
Dieser Hinweis darf hier anschließend in Verbindung mit dem im Nachwort der Holzwege-Abhandlung niedergeschriebenen Satz gebracht werden, dass das Erlebnis vielleicht das Element sei, in dem die Kunst stirbt9. Dazu hat sich Heidegger in einer Randbemerkung notiert: „Dieser Satz besagt aber doch nicht, daß es mit der Kunst schlechthin zu Ende sei. Das wäre nur der Fall, wenn das Erlebnis das Element schlechthin für die Kunst bliebe. Aber es liegt gerade alles daran, aus dem Erleben ins Da-sein zu gelangen, und das sagt doch: ein ganz anderes ,Element‘ für das ,Werden‘ der Kunst zu erlangen“ 10. Welches könnte das ganz andere Element sein, das die Kunst rettet und ihr die Gründungskraft wiedergibt? Halten wir zunächst fest, dass das Erlebnis, verstanden als Ausgangspunkt und Ziel der Ästhetik11, sich als der Gegenbegriff der Grundstimmung erweist. Während das Erlebnis die traditionelle Auffassung des Emotionalen als subjektiven psychischen Zustandes und zugleich die heute verbreitete Form eines oberflächlichen und auf Divertissement gerichteten Fühlens bezeichnet, gilt die Grundstimmung als das eigenste Merkmal der Heidegger’schen Neubestimmung des Emotionalen wie auch als Bezeichnung einer tiefgreifenden Erfahrung, die Sein und Dasein in ihrem kehrigen Bezug betrifft und dadurch auch das alltägliche Verhalten umwandelt. Genau die Berufung auf die Grundstimmung kann uns zur Frage einer möglichen ontologischen und nicht ästhetisch betriebenen Wiedergeburt der Kunst führen. Wenn das Erlebnis das Element ist, in dem die Kunst stirbt, könnte die Grundstimmung das Element sein, in dem sie einen neuen Ursprung erfährt? Was man aus Heideggers Bemühungen zum Thema zumindest entnehmen kann, ist die Einsicht, dass ein erneutes und nicht mehr metaphysisches Verstehen der Kunst in der Grundstimmung seinen Brennpunkt haben sollte. Schon in der 1934–1935 gehaltenen Vorlesung über Hölderlins Hymnen „Germanien“ und „Der Rhein“ (GA 39) lädt Heidegger uns ein, diese neue Hermeneutik des Kunstwerkes durchzuführen. Die ganze Vorlesung ist nämlich der Beweis für die Grundannahme, dass, wie Heidegger zwischen den Zeilen suggeriert, nach dem Innersten eines Werkes zu fragen, bedeutet, nach der Grundstimmung zu fragen (GA 39, S. 162), die jeder echten Schöpfung zugrunde liegt und daher in der menschlichen Gemeinschaft weiter klingt und wirkt.
Vgl. GA 5, S. 66. Ibid., Randbemerkung b. 11 Vgl. M. Heidegger, Zur Überwindung der Ästhetik. Zu „Ursprung des Kunstwerks“, in: Heidegger Studies, 6 (1990), S. 7. 9
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Metaphysik ist eigentlich Theologie Klaus Neugebauer Leonardo Messinese: Heideggers Kritik der abendländischen Logik und Metaphysik. Ein kritischer Dialog. Aus dem Italienischen übersetzt und hrsg. von Christian Göbel. Mit einem Geleitwort von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Philosophische Schriften Band 88, Berlin 2015, 107 S., ISBN 978-3-428-14511-9, 49,90 EUR
Die Erstfassungen der zugrunde liegenden italienischen Aufsätze waren nach Angabe des Übersetzers in Sammelbänden unter anderem der „Lateran University Press“ erschienen und sind von Messinese so überarbeitet worden, dass sie sich in das neue Ganze des Textes als organische Einheit fügen. Der hier publizierte deutsche Text ist insofern als neue Publikation zu bezeichnen. Eine Kritik der Metaphysik und Logik kann man von ganz verschiedenen Seiten angehen: vom Ansatz einer phänomenologischen Destruktion her, aus der klassischen Position einer vernunftbasierten Logik und von Seiten der Metaphysik selbst, wenn es gelingt, diesen Begriff aus seiner oftmals beliebigen Verwendung herauszuheben. Ohne weiteres ist es möglich, auch die analytische Philosophie einzubinden, die sich metaphysischem Fragen gar nicht verweigert.1 Man kann, wie F.-W. von Herrmann in seinem Geleitwort sagt, in der metaphysischen Seinsfrage die Seiendheit des Seienden thematisieren und sie auch als andere Metaphysik anklingen lassen. Wenn die großen Philosophien es sind, die, einem Wort aus den „Beiträgen zur Philosophie (Vom Ereignis)“ zufolge, „dem Land sein Höchstes“ (S. 7) gewähren, also nicht die Siege der Fußballnationalelf und auch nicht der wirtschaftliche Wohlstand, verbunden mit einem stattlichen Exportüberschuss, dann stehen die Denkenden dieses Landes, so mag der gemeine Verstand glauben, vor einem schier nicht zu überwindenden Fiasko. Sie haben kein Ohr bei den Massen, müssen sich sogar daran erinnern lassen, dass die Berge dieses Landes nicht als Metaphern der Metaphysik emporragen, sondern als Skiund Wandergebiete, als Ausflugsziele, also als betriebliche Einrichtungen merkantiler Wertschöpfung. Vor diesem Hintergrund zählt das Denken, von außen betrachtet, nichts, in Wahrheit aber alles.
1 Vgl. Edmund Runggaldier: „Die Metaphysik“ und die vielen metaphysischen Thesen, in: (Hrsg.) P.-L. Coriando, Tina Röck: Perspektiven der Metaphysik im „postmetaphysischen“ Zeitalter, Berlin 2015, S. 20 f.
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Noch anders Messinese, für den Metaphysik jeweils eine geschichtliche Gestalt unseres Selbst-Welt- und Gottesverständnisses ist. Damit ist nicht gesagt, dass er die andere Metaphysik ignoriert, aber sie liegt zumindest nicht im Schwerpunkt seiner Untersuchung, vielleicht auch deshalb nicht, weil wir eigentlich nichts über sie wissen. Vielmehr unterwindet er sich einer Kritik, die der Leitfrage nach den Seienden als den Seienden2 entspringt, selbst wenn sein Maß einer im Hintergrund spielenden, anderen Metaphysik angehört. Allein, diese selbst ist Zukunftsmusik. Wir dürfen solche Kritik aber als Teil des Wunschgedankens lesen, dass eine andere Metaphysik gerade so ermöglicht und gefördert werde. In seiner Einleitung macht er auf jenes andere Denken aufmerksam, das eben nicht nur (durch eigene Verwindung) an die Tradition der Metaphysik anknüpft, sofern diese das Seiende als das Seiende aufnimmt, sondern eine eigene, andere Metaphysik gründet, wobei zweifelhaft ist, ob die dann noch diesen Namen führen wird. Messinese jedoch bleibt am sicheren Ufer der Betrachtung der traditionellen Metaphysik und Logik, soweit sie sich (1. Teil der Arbeit) in Heideggers HeraklitInterpretationen manifestieren und in Logik-Positionen, die er bei Cassirer und bei Kant fand. Der 2. Teil der Schrift untersucht zunächst Heideggers Metaphysikbegriff auch in seinen Konsequenzen. Dazu gehören theologische Implikationen, auch sein Brief an amerikanische Theologen und seine Absage an ein wissenschaftliches Verständnis der Theologie (S. 92), und schließlich Messineses Deutung von Heideggers Rede vom letzten Gott. (S. 94) Es ist eine lösbare Aufgabe, Heideggers Denken von dem der traditionellen Logik zu unterscheiden. Am einfachsten geht das, wenn man die heutige analytische Philosophie, auch in ihrer sprachphilosophischen Variante, auf die Gegenseite des Vergleichs zieht. Messinese wählt den anderen Weg der eigenen Auseinandersetzung Heideggers mit Heraklit, mit der er uns seit 1993 (in GA 22) merkwürdig geworden ist. Seine Deutungen verstehen sich freilich nicht als bloße philologische Ausarbeitungen, sondern sind aus dem Drang gewachsen, ein neues Lesen einzuüben und dadurch Sachlagen ins Sichtbare zu befördern. Der erste Anfang des Denkens soll erreicht werden (S. 15), anders als in den Hölderlin-Interpretationen, bei denen es auch um den Zugang zu einem anderen Anfang gegangen sei. In diesem anfänglichen Denken allerdings zeigte sich dessen ursprünglicher Horizont schon verdunkelt und hätte sich bei Platon und Aristoteles in die uns bekannten klassischen Positionen der Logik und Metaphysik verwandelt. Daraus habe sich das Sein als Idee entwickelt und die Vernunft, die mit Hilfe der Kategorien das Anwesen der Dinge fortan bestimmte.
2 Der Übersetzer Christian Göbel schreibt „gli enti“ auch im Deutschen meist in der Pluralform „die Seienden“, etwa auf S. 21.
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Heideggers Interesse an Heraklit kommt aus dessen ohnfernem Bezug zum Ursprung des Denkens, das noch unverdunkelt von späterer Metaphysik und Logik in der Pflege des Anfänglichen gewesen sei. Daraus ergibt sich für Messinese eine zweifache Weise der Betrachtung: Einmal soll das Andenken an die erstanfänglichen Denker bewahrt, dann aber auch eine Destruktion von Metaphysik und Logik geleistet werden. Die Aufgabe aber, mit der alles beginnt, ist die Aufmerksamkeit auf die Lichtung des Seins als des Sichzeigenden und Sichverbergenden. Später begegnet „die ,planetarische Herrschaft‘ der Wissenschaft und der Technik“ (S. 16) als Vollendung des metaphysischen und des logischen Denkens. Heraklit steht für eine Denknähe, die sich nicht auf den Doppelpack von Metaphysik und Logik zurückführen lässt, sondern ihm zuvorläuft. (S. 23) Nach ihm werden Idee und Kategorie die Titel sein, mit denen der abendländische Mensch sein Erkenntnisfeld zu rüsten beginnt. (S. 30) Das Spiel des Sichverbergens und Entbergens der Wahrheit des Seins bleibt so auf viele Jahrhunderte hin verschlossen. Der Herrschaft der Technik gegenüber wäre ein Denken „im Licht der ,Situation unserer Zeit‘ “ (S. 34) ein zurückzugewinnender Ansatz. Philosophie könnte damit der Ort eines neuen, anderen Sagens werden. Für Messinese ergeben sich daraus zwei Probleme. Ist, was Heidegger unter phänomenologischem Denken versteht, identisch mit demjenigen der alten Griechen? Und sind Metaphysik und Logik wirklich ein „minderwertiges Konstrukt“ geworden? (S. 35) Antworten erhofft er sich aus den „Beiträgen zur Philosophie (Vom Ereignis)“. Um zu einer positiven, gefestigten Zukunft der theologischen Metaphysik zu gelangen, geht Messinese den Weg über Giovanni Gentile und Gustavo Bontadini, und zwar über deren Immanentismus und Transzendenzmetaphysik. Dazu muss auch Nietzsche in Anspruch genommen werden, der Glaubensformen kritisierte, und zwar sowohl die christlichen als auch die der Wissenschaften. (S. 65) An die Stelle der Absolutheit des Wissens (Kant, Hegel) trat mit ihm Endlichkeit und Lebensbezogenheit. Um nun zu einem theologischen Charakter der Metaphysik zu gelangen, nimmt Messinese Heideggers Kritik der Metaphysik in Schutz vor dem sprachphilosophischen Ansatz eines Wittgenstein oder Carnap. Seine eigene Kritik an der traditionellen Metaphysik komme eher aus dem Abweis subjektivistischer Positionen wie des Neukantianismus oder der idealistischen Deutung der Phänomenologie bei Husserl. Die Erfüllung der Metaphysik ist ihre theologische Ausrichtung. Ihr Fehler sei die Verwechslung des absoluten Seins mit dem Begriff eines wahren Gottes, der sich in der Verweigerung seiner Aussagbarkeit schlicht entziehe. Gleichwohl steht die Frage nach Gott im Zentrum der Metaphysik-Kritik, sowohl bei Kant als auch bei Heidegger. (S. 69) Darin erkennt Messinese den „zutiefst ,theologischen‘ Charakter der Metaphysik“. (S. 70) Wie groß und international die Zahl der Forscher sein muss, die sich ernsthaft, also nicht journalistisch-feuilletonistisch, mit dem heideggerschen Denken befas-
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sen, kann man an genugsamen Querverweisen Messineses ablesen, mit denen er sich nur auf einige seiner italienischen Fachkollegen bezieht. Der Verfasser dieser Rezension gibt (unwillig) zu, dass er von denen bisher nur wenig gehört hat: Da ist die Rede von Gustavo Bontadini, seit den neunziger Jahren mit Fragen der Metaphysik befasst; von Giovanni Gentile, in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts mit Fragen nach Idealismus und Erkenntnistheorie unterwegs; Roberto Giusti mit Heideggers Aristoteles-Deutung; Leo Lugarini 1991 über „Sein und Zeit“; Emanuele Severino über Heidegger und Metaphysik seit den achtziger Jahren; Vincenzo Vitiello zur selben Zeit über Zusammenhänge mit Gentile und Kant; nicht zu vergessen den hierzulande besser bekannten Franco Volpi über Heidegger und Aristoteles. Um nur einige Beispiele zu nennen. Messinese befindet sich damit im Gespräch mit den Fachkollegen. Das geschieht im Mittelgrund seiner Schrift, der auch für unsere Deutungs-Klassiker noch Platz lässt: Gadamer, Löwith, von Herrmann, Pöggeler, Volkmann-Schluck. ,Mittelgrund‘ bedeutet, dass er sie als Prominenz seines Landes oder Deutschlands nicht auf die vorderste Bühne schiebt, wo ja sein eigentliches Thema Aufmerksamkeit erheischt. Nun ist im 1. Kapitel des zweiten Teils „Heideggers Wesensfrage an die Metaphysik und ihre Konsequenzen“ einiger Lesefleiß und konzentriertes Dabeibleiben erforderlich, um nicht in den Unterabschnitten 3, 4 und 5 (S. 71–81) hängen zu bleiben – auf dem Weg zur Beantwortung von Messineses Frage nach der metaphysischen Verfasstheit einer künftigen Theologie. Man gelangt im Kapitel 2 des zweiten Teils zu Heideggers Hinweis, dass in der Metaphysik „Gott nicht als Gott gedacht werde“ (S. 83), sondern als ein ständig anwesendes Seiendes. Bestenfalls begegne er als das größte Seiende, so Messineses Weg zur Metaphysik, der dazu in den „Beiträgen“ entscheidende Winke der Kritik vernimmt. (S. 83) Aber schon der „Brief über den ,Humanismus‘“ gab den Impuls, an das Wesen Gottes anders heranzugehen und seinen Begriff aus der Wahrheit des Seins, und zwar aus dem Heiligen zu schöpfen. (ebd.) Umgekehrt könnte es sein, dass das gottlose Denken diesem Wesen formal einen Schritt näher kommt, indem es ex negativo auf Optionen hinweist, die diesem konventionellen Begriff hart entgegenschlagen. So gibt es auf der einen Seite einen Gott der Philosophen, der mit Heideggers Gottesbegriff wenig zu tun hat, und auf der anderen Seite den Gott, der bisher unauffindbar war. Wir warten auf ihn als den letzten Gott, der uns in einem künftigen Ereignis begegnet und uns damit ein ganz eigenes Interesse einflößt. Warum, so fragen wir, darf er nicht, wenn er nicht der erste oder erstanfängliche heißen darf, der andere Gott heißen? Was also ist das Letzte an diesem letzten Gott? Messinese ist indessen auf einem anderen Weg. Wer zarte Bedeutungen liebt, wird hier auf seine Rechnung kommen. Berechtigterweise interessiert ihn der Übergang aus der metaphysischen Sehensweise hin zu der noch vorzubereitenden Frage nach dem wahren Gott. Dieses Übergangsgeschreite hat nicht so sehr mit Fortschritt zu tun, sondern ist eine stille Vorbereitung auf ein X, das sich uns eines Tages vielleicht gibt. Heideggers philosophischer Atheismus ist jene notwendige Gottlosigkeit, die in der
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Destruktion den Weg zum anderen Gott freimacht. So ist er nur und besonders ein Aussetzen der metaphysischen Gottesbestimmungen. Stattdessen gebe es durch die Schriften von Herrmanns und Jean-Luc Marions Vorschläge zu einer „phänomenologischen Theologie“. (S. 95 f.) Dazu kommt von Messinese kein klares Ja oder Nein, sondern der Sprung zum Rätselwort des letzten Gottes. Diesen versteht er als Option, die sich öffnet, nachdem die metaphysischen „Wahrheitsmöglichkeiten“ (S. 95), auch die des Christentums, verwelkt sind. Gleichauf damit erscheint die theologische Lehre des Christentums im Blickfang der Metaphysik, die die Begegnung eines wahren Gottes verdunkelt. Mit dieser etwas zagenden Gangart des Interpretierens werden wir versöhnt, wenn wir uns klar machen, dass Messinese nicht eine neue Grundstellung des theologischen Denkens ins Auge fasst, sondern es ihm einzig darum geht, „der inneren Entwicklung von Heideggers Denken in seinem engen und zuweilen schwierigen Verhältnis zum Christentum nachzugehen.“ (S. 97) Doch darüber sei hier nicht grillisiert und gerechtet. So bleibt es bei der Frage, ob nicht die metaphysische Philosophie „einen wahren Bezug“ (S. 99) zur Transzendenz eines Göttlichen behalten kann und ihn nicht trennen darf vom Seienden dieser schnöden Welt. (ebd.)
IV. Update on the Gesamtausgabe
List of Heidegger’s Gesamtausgabe In German, English, French, Italian, and Spanish The following is a complete list of all the volumes of the Gesamtausgabe that have been published as of the end of 2016. The list includes all the volumes available in the original German as well as in the French, English, Italian, and Spanish translations.
German (published by Vittorio Klostermann Verlag, Frankfurt am Main): I. Abteilung: Veröffentlichte Schriften (1910–1976) 1.
Frühe Schriften (1912–1916) Herausgeber: Friedrich-Wilhelm von Herrmann 1978.
2.
Sein und Zeit (1927) Herausgeber: Friedrich-Wilhelm von Herrmann 1977.
3.
Kant und das Problem der Metaphysik (1929) Herausgeber: Friedrich-Wilhelm von Herrmann 1991, 22010.
4.
Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung (1936–1968) Herausgeber: Friedrich-Wilhelm von Herrmann 1981, 21996, 32012.
5.
Holzwege (1935–1946) Herausgeber: Friedrich-Wilhelm von Herrmann 1977, 22003.
6.1 Nietzsche I (1936–1939) Herausgeberin: Brigitte Schillbach 1996. 6.2 Nietzsche II (1939–1946) Herausgeberin: Brigitte Schillbach 1997. 7.
Vorträge und Aufsätze (1936–1953) Herausgeber: Friedrich-Wilhelm von Herrmann 2000.
8.
Was heißt Denken? (1951–1952) Herausgeberin: Paola-Ludovika Coriando 2002.
9.
Wegmarken (1919–1958) Herausgeber: Friedrich-Wilhelm von Herrmann 1976, 21996, 32004.
10.
Der Satz vom Grund (1955–1956) Herausgeberin: Petra Jaeger 1997.
11.
Identität und Differenz (1949–1963) Herausgeber: Friedrich-Wilhelm von Herrmann 2006.
12.
Unterwegs zur Sprache (1950–1959) Herausgeber: Friedrich-Wilhelm von Herrmann 1985.
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13.
Aus der Erfahrung des Denkens (1910–1976) Herausgeber: Hermann Heidegger 1983, 22002.
14.
Zur Sache des Denkens (1962–1964; 1927–1968) Herausgeber: Friedrich-Wilhelm von Herrmann 2007.
15.
Seminare (1951–1973) [Heraklit (Freiburg 1966/67, mit Eugen Fink) Vier Seminare (Le Thor 1966, 1968, 1969; Zähringen 1973) Züricher Seminar (Aussprache mit Martin Heidegger am 6. 11. 1951)] Herausgeber: Curd Ochwadt 1986, 22005.
16.
Reden und andere Zeugnisse eines Lebensweges (1910–1976) Herausgeber: Hermann Heidegger 2000.
II. Abteilung: Vorlesungen 1919–1944 A. Marburger Vorlesungen 1923–1928 17.
Einführung in die phänomenologische Forschung (Wintersemester 1923/24) Herausgeber: Friedrich-Wilhelm von Herrmann 1994, 22006.
18.
Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie (Sommersemester 1924) Herausgeber: Mark Michalski 2002.
19.
Platon: Sophistes (Wintersemester 1924/25) Herausgeberin: Ingeborg Schüßler 1992.
20.
Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs (Sommersemester 1925) Herausgeberin: Petra Jaeger 1979, 21988, 31994.
21.
Logik. Die Frage nach der Wahrheit (Wintersemester 1925/26) Herausgeber: Walter Biemel 1976, 21995.
22.
Die Grundbegriffe der antiken Philosophie (Sommersemester 1926) Herausgeber: Franz-Karl Blust 1993, 22004.
23.
Geschichte der Philosophie von Thomas v. Aquin bis Kant (Wintersemester 1926/27) Herausgeber: Helmuth Vetter 2006.
24.
Die Grundprobleme der Phänomenologie (Sommersemester 1927) Herausgeber: Friedrich-Wilhelm von Herrmann 1975, 21989, 31997.
25.
Phänomenologische Interpretation von Kants Kritik der reinen Vernunft (Wintersemester 1927/28) Herausgeberin: Ingtraud Görland 1977, 21987, 31995.
26.
Metaphysische Anfangsgründe der Logik im Ausgang von Leibniz (Sommersemester 1928) Herausgeber: Klaus Held 1978, 21990, 32007.
B. Freiburger Vorlesungen 1928–1944 27.
Einleitung in die Philosophie (Wintersemester 1928/29) Herausgeber: Otto Saame y und Ina Saame-Speidel 1996, 22001.
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28. Der deutsche Idealismus (Fichte, Schelling, Hegel) und die philosophische Problemlage der Gegenwart (Sommersemester 1929) Herausgeber: Claudius Strube 1997, 22011. 29./30. Die Grundbegriffe der Metaphysik. Welt – Endlichkeit – Einsamkeit (Wintersemester 1929/30) Herausgeber: Friedrich-Wilhelm von Herrmann 1983, 21992, 32004. 31. Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung in die Philosophie (Sommersemester 1930) Herausgeber: Hartmut Tietjen 1982, 21994. 32. Hegels Phänomenologie des Geistes (Wintersemester 1930/31) Herausgeberin: Ingtraud Görland 1980, 21988, 31997. 33. Aristoteles: Metaphysik 1–3 (Sommersemester 1931) Herausgeber: Heinrich Hüni 1981, 21990, 32006. 34. Vom Wesen der Wahrheit. Zu Platons Höhlengleichnis und Theätet (Wintersemester 1931/32) Herausgeber: Hermann Mörchen 1988, 21997. 35. Der Anfang der abendländischen Philosophie (Anaximander und Parmenides) (Sommersemester 1932) Herausgeber: Peter Trawny 2012. 36./37. Sein und Wahrheit. 1: Die Grundfrage der Philosophie (Sommersemester 1933) 2: Vom Wesen der Wahrheit (Wintersemester 1933/34) Herausgeber: Hartmut Tietjen 2001. 38. Logik als die Frage nach dem Wesen der Sprache (Sommersemester 1934) Herausgeber: Günter Seubold 1998. 39. Hölderlins Hymnen „Germanien“ und „Der Rhein“ (Wintersemester 1934/35) Herausgeberin: Susanne Ziegler 1980, 21989, 31999. 40. Einführung in die Metaphysik (Sommersemester 1935) Herausgeberin: Petra Jaeger 1983. 41. Die Frage nach dem Ding. Zu Kants Lehre von den transzendentalen Grundsätzen (Wintersemester 1935/36) Herausgeberin: Petra Jaeger 1984. 42. Schelling: Vom Wesen der menschlichen Freiheit (1809) (Sommersemester 1936) Herausgeberin: Ingrid Schüßler 1988. 43. Nietzsche: Der Wille zur Macht als Kunst (Wintersemester 1936/37) Herausgeber: Bernd Heimbüchel 1985. 44. Nietzsches metaphysische Grundstellung im abendländischen Denken: Die ewige Wiederkehr des Gleichen (Sommersemester 1937) Herausgeberin: Marion Heinz 1986.
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45. Grundfragen der Philosophie. Ausgewählte „Probleme“ der „Logik“ (Wintersemester 1937/38) Herausgeber: Friedrich-Wilhelm von Herrmann 1984, 21992. 46. Zur Auslegung von Nietzsches II. Unzeitgemäßer Betrachtung „Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben“ (Wintersemester 1938/39) Herausgeber: Hans-Joachim Friedrich 2003. 47. Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht als Erkenntnis (Sommersemester 1939) Herausgeber: Eberhard Hanser 1989. 48. Nietzsche. Der europäische Nihilismus (II. Trimester 1940) Herausgeberin: Petra Jaeger 1986. 49. Die Metaphysik des deutschen Idealismus. Zur erneuten Auslegung von Schelling: Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände (1809) (I. Trimester 1941) Herausgeber: Günter Seubold 1991, 22006. 50. 1: Nietzsches Metaphysik (für Wintersemester 1941/42 angekündigt, aber nicht vorgetragen). 2: Einleitung in die Philosophie – Denken und Dichten (Wintersemester 1944/45) Herausgeberin: Petra Jaeger 1990, 22007. 51. Grundbegriffe (Sommersemester 1941) Herausgeberin: Petra Jaeger 1981, 21991. 52. Hölderlins Hymne „Andenken“ (Wintersemester 1941/42) Herausgeber: Curd Ochwadt 1982, 21992. 53. Hölderlins Hymne „Der Ister“ (Sommersemester 1942) Herausgeber: Walter Biemel 1984, 21993. 54. Parmenides (Wintersemester 1942/43) Herausgeber: Manfred S. Frings 1982, 21992. 55. Heraklit. 1: Der Anfang des abendländischen Denkens (Heraklit) (Sommersemester 1943) 2: Logik. Heraklits Lehre vom Logos (Sommersemester 1944) Herausgeber: Manfred S. Frings 1979, 21987, 31994. C. Frühe Freiburger Vorlesungen 1919–1923 56./57. Zur Bestimmung der Philosophie. 1: Die Idee der Philosophie und das Weltanschauungsproblem (Kriegsnotsemester 1919) 2: Phänomenologie und transzendentale Wertphilosophie (Sommersemester 1919) 3. Anhang: Über das Wesen der Universität und des akademischen Studiums (Sommersemester 1919) Herausgeber: Bernd Heimbüchel 1987, 21999. 58. Grundprobleme der Phänomenologie (Wintersemester 1919/20) Herausgeber: Hans-Helmuth Gander 1992, 22010. 59. Phänomenologie der Anschauung und des Ausdrucks. Theorie der philosophischen Begriffsbildung (Sommersemester 1920) Herausgeber: Claudius Strube 1993, 22007.
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60. Phänomenologie des religiösen Lebens. 1. Einleitung in die Phänomenologie der Religion (Wintersemester 1920/21) Herausgeber: Matthias Jung und Thomas Regehly. 2. Augustinus und der Neuplatonismus (Sommersemester 1921) Herausgeber: Claudius Strube. 3. Die philosophischen Grundlagen der mittelalterlichen Mystik (1918/19) Herausgeber: Claudius Strube. 1995, zweite, überarbeitete Auflage 2011. 61. Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles. Einführung in die phänomenologische Forschung (Wintersemester 1921/22) Herausgeber: Walter Bröcker und Käte Bröcker-Oltmanns 1985, 21994. 62. Phänomenologische Interpretationen ausgewählter Abhandlungen des Aristoteles zur Ontologie und Logik (Sommersemester 1922) Herausgeber: Günther Neumann 2005. 63. Ontologie. (Hermeneutik der Faktizität) (Sommersemester 1923) Herausgeberin: Käte Bröcker-Oltmanns 1988, 21995. III. Abteilung: Unveröffentlichte Abhandlungen – Vorträge – Gedachtes 64. Der Begriff der Zeit Herausgeber: Friedrich-Wilhelm von Herrmann 2004. 65. Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) Herausgeber: Friedrich-Wilhelm von Herrmann 1989, 21994, 32003, 42014. 66. Besinnung Herausgeber: Friedrich-Wilhelm von Herrmann 1997. 67. Metaphysik und Nihilismus. 1. Die Überwindung der Metaphysik 2. Das Wesen des Nihilismus Herausgeber: Hans-Joachim Friedrich 1999. 68. Hegel Herausgeberin: Ingrid Schüßler 1993, 22009. 69. Die Geschichte des Seyns Herausgeber: Peter Trawny 1998, 22012. 70. Über den Anfang Herausgeberin: Paola-Ludovika Coriando 2005. 71. Das Ereignis Herausgeber: Friedrich-Wilhelm v. Herrmann 2009. 73.1./73.2. Zum Ereignis-Denken Herausgeber: Peter Trawny 2013. 74. Zum Wesen der Sprache und Zur Frage nach der Kunst Herausgeber: Thomas Regehly 2010. 75. Zu Hölderlin – Griechenlandreisen Herausgeber: Curd Ochwadt 2000.
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76. Leitgedanken zur Entstehung der Metaphysik, der neuzeitlichen Wissenschaft und der modernen Technik Herausgeber: Claudius Strube 2009. 77. Feldweg-Gespräche Herausgeberin: Ingrid Schüßler 1995, 22007. 78. Der Spruch des Anaximander (1946) Herausgeberin: Ingeborg Schüßler 2010. 79. Bremer und Freiburger Vorträge Herausgeberin: Petra Jaeger 1994, 22005. 80.1 Vorträge 1915–1932 Herausgeber: Günther Neumann 2016. 81. Gedachtes Herausgeberin: Paola-Ludovika Coriando 2007. 82. Zu eigenen Veröffentlichungen Herausgeber: Friedrich-Wilhelm v. Herrmann 2016. IV. Abteilung: Hinweise und Aufzeichnungen 83. Seminare: Platon – Aristoteles – Augustinus Herausgeber: Mark Michalski 2012. 84.1. Seminare: Kant – Leibniz – Schiller Herausgeber: Günther Neumann 2013. 85. Vom Wesen der Sprache. Die Metaphysik der Sprache und die Wesung des Wortes. Zu Herders Abhandlung „Über den Ursprung der Sprache“ Seminar (Sommersemester 1939) Herausgeberin: Ingrid Schüßler 1999. 86. Seminare: Hegel – Schelling Herausgeber: Peter Trawny 2011. 87. Nietzsche Seminare 1937 und 1944 Herausgeber: Peter v. Ruckteschell 2004. 88. Seminare: 1. Die metaphysischen Grundstellungen des abendländischen Denkens 2. Einübung in das philosophische Denken Herausgeber: Alfred Denker 2008. 90. Zu Ernst Jünger Herausgeber: Peter Trawny 2004. 94. Überlegungen II–VI (Schwarze Hefte 1931–1938) Herausgeber: Peter Trawny 2014. 95. Überlegungen VII–XI (Schwarze Hefte 1938/39) Herausgeber: Peter Trawny 2014.
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96. Überlegungen XII–XV (Schwarze Hefte 1939–1941) Herausgeber: Peter Trawny 2014. 97. Anmerkungen I–V (Schwarze Hefte 1942–1948) Herausgeber: Peter Trawny 2015.
French (published by Édition Gallimard, Paris): 2. Être et temps Traducteur: François Vezin 1986, 21988, 31990, 41992, 51994, 61996, 71998, 8 2000, 92002, 102004. 17. Introduction à la recherche phénoménologique Traducteur: Alain Boutot 2013. 19. Platon: Le Sophiste Traducteurs: Jean-François Courtine, Pascal David, Dominique Pradelle, Philippe Quesne, sous la responsabilité de Jean-François Courtine et Pascal David 2001. 20. Prolégomènes à l’histoire du concept de temps Traducteur: Alain Boutot 2005. 22. Les Concepts fondamentaux de la philosophie antique. Traducteur: Alain Boutot 2003. 24. Les problèmes fondamentaux de la phénoménologie Traducteur: Jean-François Courtine 1985. 25. Interprétation phénoménologique de la “Critique de la raison pure” de Kant Traducteur: Emmanuel Martineau 1982. 29./30. Les concepts fondamentaux de la métaphysique Traducteur: Daniel Panis 1992. 31. L’essence de la liberté humaine Traducteur: Emmanuel Martineau 1988. 32. La “Phénoménologie de l’Esprit” de Hegel Traducteur: Emmanuel Martineau 1984. 33. Aristote Métaphysique 1–3 Traducteurs: Bernard Stevens et Pol Vandevelde 1991. 34. De l’essence de la vérité Traducteur: Alain Boutot 2001. 38. La logique comme question en quête de la pleine essence du langage Traducteur: Frédéric Bernard 2008. 39. Les Hymnes de Hölderlin “La Germanie” et “Le Rhin” Traducteurs: Julien Hervier et François Fédier 1988. 46. Interprétation de la 2ème Considération inactuelle de Nietzsche. Traducteur: Alain Boutot. 49. La métaphysique de l’idéalisme allemand (Schelling) Taducteur: Pascal David 2015.
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50. Achèvement de la métaphysique et poésie Traductrice: Adéline Froidecourt 2004. 51. Concepts fondamentaux Traducteur: Pascal David 1985. 54. Parménide Traducteur: Thomas Piel 2010. 59. Phénoménologie de l’intuition et de l’expression. Théorie de la construction philosophique des concepts Traducteur: Guillaume Fagniez 2014. 60. Phénoménologie de la vie religieuse Traducteur: Jean Greisch 2012. 63. Ontologie. Herméneutique de la factivité. Traducteur: Alain Boutot 2013. 65. Apports à la philosophie (de l’avenance) Traducteur: François Fédier 2013. 66. Méditation Traducteur: Alain Boutot 2016. 68. Hegel. 1. La négativité 2. Elucidation de l’Introduction à la Phénoménologie de l’esprit de Hegel Traducteur: Alain Boutot 2007.
In Preparation: 21. Logique: la question de la vérité Traductrice: Françoise Dastur. 26. Fonds métaphysiques initiaux de la logique, en partant de Leibniz Traducteur: Gérard Guest. 27. Introduction à la philosophie Traducteur: Henri Crétella. 45. Questions fondamentales de la philosophie Traducteur: Pascal David. 61. Interprétations phénoménologiques en vue d’Aristote / Introduction à la recherche phénoménologique Traducteur: Philippe Arjakovsky.
English (published by Indiana University Press, unless otherwise indicated): 3. Kant and the Problem of Metaphysics Translator: Richard Taft 1997. 4. Elucidation of Hölderlin’s Poetry Translator: Keith Hoeller (Humanity Books. Amherst, NY) 2000.
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5. Off the Beaten Track Translators: Julian Young and Kenneth Haynes (Cambridge University Press, Cambridge) 2002. 17. Introduction into the Phenomenological Research Translator: Daniel Dahlstrom 2005. 18. Basic Concept of Aristotelian Philosophy Translators: Robert Metcalf and Mark Tanzer 2009. 19. Plato: The Sophist Translators: Richard Rojcewicz and André Schuwer 1997. 20. History of the Concept of Time, Prolegomena Translator: Theodore Kisiel 1985. 22. Basic Concepts of Ancient Philosophy Translator: Richard Rojcewicz 2007. 24. The Basic Problems of Phenomenology Translator: Albert Hofstadter 1982. 25. Phenomenological Interpretation of Kant’s Critique of Pure Reason Translators: Parvis Emad and Kenneth Maly 1997. 26. The Metaphysical Foundations of Logic Translator: Michael Heim 1984. 29./30. The Fundamental Concepts of Metaphysics Translators: William McNeill and Nicholas Walker 1995. 31. The Essence of Human Freedom: An Introduction to Philosophy Translator: Ted Sadler (Continuum Books, London) 2002. 32. Hegel’s Phenomenology of Spirit Translators: Parvis Emad and Kenneth Maly 1988. 33. Aristotle’s Metaphysics 1–3: On the Essence and Actuality of Force Translators: Walter Brogan and Peter Warnek 1995. 34. The Essence of Truth: On Plato’s Parable of the Cave and the Theaetetus Translator: Ted Sadler (Continuum Books, London) 2002. 38. Logic as the Question concerning the Essence of Language Translators: Wanda Torres, Gregory and Yvonne Unna (Suny Press) 2009. 45. Basic Questions of Philosophy: Selected “Problems” of “Logic” Translators: Richard Rojcewicz and André Schuwer 1994. 50. Introduction to Philosophy – Thinking and Poetizing Translator: Philipp Jacques Braunstein 2011. 51. Basic Concepts Translator: Gary Aylesworth 1994. 53. Hölderlin’s Hymn “The Ister” Translators: William McNeill and Julia Davis 1997. 54. Parmenides Translators: André Schuwer and Richard Rojcewicz 1993.
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56./57. Towards the Definition of Philosophy Translator: Ted Sadler (Continuum Books, London) 2000. 60. Phenomenology of Religious Life Translators: Jennifer Gosetti and Matthias Fritsch 2004. 61. Phenomenological Interpretations of Aristotle Translator: Richard Rojcewicz (Indiana University Press, Bloomington) 2001. 63. Ontology: The Hermeneutic of Facticity Translator: John van Buren 1999. 65. Contributions to Philosophy (From Enowning) Translators: Parvis Emad and Kenneth Maly 1999. 66. Mindfulness Translators: Parvis Emad and Thomas Kalary (Continuum Books, London) 2006. 71. The Event Translator: Richard Rojcewicz 2013. 77. Conversation on a Country Path about Thinking Translator: Bret Davis (2009). 79. The Bremen and Freiburg Lectures: Insight into That Which Is and Basic Principles of Thinking Translator: Andrew Mitchell 2012. 85. On the Essence of Language: The Metaphysics of Language and the Essencing of the Word: Concerning Herder’s Treatise on the Origin of Language Translators: Wanda Torres Gregory and Yvonne Unna 2004 (State University of New York Press).
In Preparation: 27. Introduction to Philosophy Translators: Eric Sean Nelson and Virginia Lyle Jennings (Indiana University Press, Bloomington). 28. German Idealism Translator: Peter Warnek (Indiana University Press, Bloomington). 36./37. Being and Truth Translators: Richard Polt and Gregory Fried (Indiana University Press, Bloomington). 39. Hölderlin’s Hymns “Germanien” and “Der Rhein” Translator: William McNeill (Indiana University Press, Bloomington). 52. Hölderlin’s Hymn “Andenken” Translator: William McNeill (Indiana University Press, Bloomington). 59. Phenomenology of Intuition and Expression Translators: Ted Sadler and Jan Lyne (Continuum Books, London). 69. History of Being Translators: Jeffrey Powell and William McNeill (Indiana University Press, Bloomington).
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79. Insight into That Which Is and Principles of Thinking: The Bremen and Freiburg Lectures Translator: Andrew Mitchell (Indiana University Press, Bloomington).
Italian: 2. Essere e tempo Traduttore: Pietro Chiodi; nuova edizione a cura di Franco Volpi 2005, 22006, 3 2008 (Longanesi, Milano). Traduttore: Alfredo Marini 2006 (Mondadori, Milano). 4. La poesia di Hölderlin Traduttore: Leonardo Amoroso; direzione scientifica: Franco Volpi 1988, 21994, 3 2001, 42007 (Adelphi, Milano). 5. Holzwege. Sentieri erranti nella selva Traduttore: Vincenzo Cicero 2002 (Bompiani, Milano). 6. Nietzsche Traduttore: Franco Volpi 1994, 21995, 32000, 42005 (Adelphi, Milano). 9. Segnavia Traduttore: Franco Volpi 1987, 31994, 42002 (Adelphi, Milano). 10. Il principio di ragione Traduttori: Giovanni Gurisatti e Franco Volpi; a cura di Franco Volpi 1991, 22004 (Adelphi, Milano). 13. Dall’ esperienza del pensiero (1910–1976) Traduttore: Nicola Curcio 2011 (Il nuovo Melangolo). 15. Seminari Traduttore: Massimo Bonola; a cura di Franco Volpi 1992, 22003 (Adelphi, Milano). Dialogo intorno a Eraclito Traduttore: Mauro Nobile; a cura di Mario Ruggenini 1992 (Coliseum, Milano). 16. Discorsi e altre testimonianze del cammino di una vita (1910–1976) Traduttore: Nicola Curcio (Il melangolo, Genova) 2005. 19. “Sofista” die Platone Traduttori: Alfonso Cariolato ed Enrico Fongaro; a cura Nicola Curcio 2013 (Adelphi, Milano). 20. Prolegomeni alla storia del concetto di tempo Traduttori: Renato Cristin e Alfredo Marini 1991 (Il melangolo, Genova). 21. Logica. Il problema della verità Traduttore: Ugo Maria Ugazio 1986 (Mursia, Milano). 22. I concetti fondamentali della filosofia antica Traduttore: Giovanni Gurisatti 2000; a cura di Franco Volpi (Adelphi, Milano). 24. I problemi fondamentali della fenomenologia Traduttore: Adriano Fabris 1988 (Il melangolo, Genova).
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25. Interpretazione fenomenologica della “Critica della ragion pura” di Kant Traduttore: Alfredo Marini (in collaborazione con Renato Cristin) 2002 (Mursia, Milano). 26. Principi metafisici della logica Traduttore: Giovanni Moretto 1990 (Il melangolo, Genova). 27. Avviamento alla filosofia Traduttore: Maurizio Borghi 2007 (Christian Marinotti Edizioni, Milano). 29./30. Concetti fondamentali della metafisica. Mondo – finitezza – solitudine. Traduttrice: Paola-Ludovica Coriando 1992 (Il melangolo, Genova). 32. La fenomenologia dello spirito di Hegel Traduttrice: Silvia Caianello 1988 (Guida, Napoli). 33. Aristotele, Metafisica 1–3 Traduttore: Ugo Maria Ugazio 1992 (Mursia, Milano). 34. L’essenza della verità. Sul mito della caverna e sul Teeteto di Platone Traduttore: Franco Volpi 1997, 22003 (Adelphi, Milano). 36./37. Che cos’ è la verità? Traduttore: Carlo Götz 2011 (Christian Marinotti Edizioni, Milano). 38. Logica e linguaggio Traduttore: Ugo Maria Ugazio 2008 (Christian Marinotti Edizioni, Milano). 39. Gli inni “Germania” e “Il Reno” di Hölderlin Traduttore: Giovanni Battista Demarta 2005 (Bompiani, Milano). 41. La questione della cosa. La dottrina kantiana dei principi trascendentali Traduttore: Vincenzo Vitiello 1989 (Guida, Napoli); 2011 (Mimesis, Milano). 42. Schelling Traduttore: Carlo Tatasciore 1994 (Guida, Napoli). 45. Domande fondamentali della filosofia. Selezione di “problemi” della “logica” Traduttore: Ugo Maria Ugazio 1988 (Mursia, Milano). 48. Nietzsche: Il nichilismo europeo Traduttore: Franco Volpi 2003, 22006 (Adelphi, Milano). 50. (2) Introduzione alla filosofia. Pensare e Poetare Traduttore: Vincenzo Cicero 2009 (Bompiani, Milano). 51. Concetti fondamentali Traduttore: Franco Camera 1989 (Il melangolo, Genova). 52. L’inno Andenken di Hölderlin. Traduttori: Chiara Sandrin e Ugo Maria Ugazio 1997 (Mursia, Milano). 53. L’inno “Der Ister” di Hölderlin Traduttori: Chiara Sandrin e Ugo Ugazio 2003 (Mursia, Milano). 54. Parmenide Traduttore: Giovanni Gurisatti 1999, 22005; a cura di Franco Volpi (Adelphi, Milano).
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55. Eraclito Traduttore: Franco Camera 1993 (Mursia, Milano). 56./57. La determinazione della filosofia. Traduzione: a cura di Giuseppe Cantillo (Guida, Napoli 1993). 59. Fenomenologia dell’intuizione e dell’espressione. Teoria della formazione del concetto filosofico Traduttore: A. Canzonieri; a cura di Vincenzo Costa (Quodlibet 2012). 60. Fenomenologia della vita religiosa Traduttore: Giovanni Gurisatti; a cura di Franco Volpi 2003 (Adelphi, Milano). 61. Interpretazioni fenomenologiche di Aristotele. Introduzione alla ricerca fenomenologica Traduttore: Massimo De Carolis 1990 (Guida, Napoli). 63. Ontologia. Ermeneutica della effettività Traduttore: Gennaro Auletta 1992 (Guida, Napoli). 65. Contributi alla filosofia (Dall’ evento) Traduttori: Franco Volpi e Alessandra Iadicicco; a cura di Franco Volpi 2007 (Adelphi, Milano). 67. Metafisica e nichilismo Traduttori: Francesca Bolino e Corrado Badocco; a cura di Carlo Angelino 2006 (Il melangolo, Genova). 68. Hegel Traduttore: Chiara Gianni; a cura di Giampiero Moretti 2010 (Zandonai, Milano). 69. La storia dell’Essere Traduttore: Antonio Cimino 2012 (Christian Marinotti Edizioni, Milano). 70. Sul principio. Traduttore: Giovanni Battista Demarta 2006 (Bompiani, Milano). 75. Hölderlin. Viaggi in Grecia Curatore: Tommaso Scappini 2012 (Bompiani, Milano). 76. Pensieri-guida sulla nascita della metafisica, della scienza contemporanea e della tecnica moderna Curatore: Tommaso Scappini 2014 (Bompiani, Milano). 77. Colloqui su un sentiero di campagna (1944–45) Traduttore: Adriana Fabris 2007 (Il Nuovo Melangolo, Genova). 79. Conferenze di Brema e Friburgo Traduttore: Giovanni Gurisatti; a cura di Franco Volpi 2002 (Adelphi, Milano). 90. Ernst Jünger Traduttore: Marcello Barison (Bompiani, Milano) 2013. 94. Quaderni neri 1931–1938. Riflessioni II–VI Traduttrice:Alessandra Iadicicco (Bompiani, Milano) 2015.
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In Preparation: 43. Nietzsche: La volontà di potenza come arte Traduttore: Franco Volpi (Adelphi, Milano). 44. La posizione metafisica fondamentale di Nietzsche nel pensiero occidentale Traduttore: Franco Volpi (Adelphi, Milano). 66. Meditazione Traduttori: Ivo De Gennaro e Gino Zaccaria (Christian Marinotti Edizioni, Milano).
Spanish 2. Ser y tiempo Traductor: José Gaos, 1951, 102000 (Fondo de Cultura Económica, Madrid). Traductor: Jorge Eduardo Rivera, 1998 (Editorial Universitaria, Santiago de Chile; Trotta, Madrid 2003). 3. Kant y el problema de la metafísica Traductor: Gred Ibscher, 1981 (Fondo de Cultura Económica, Madrid). 4. Aclaraciones de la poesía de Hölderlin Traductores: Helena Cortés y Arturo Leyte (Alianza Editorial, Madrid) 2005. 4. Interpretaciones sobre la poesía de Hölderlin Traductor: José María Valverde, 1983 (Ariel, Barcelona). 5. Caminos de bosque Traductores: Helena Cortés y Arturo Leyte, 1995 (Alianza Editorial, Madrid). 6. Nietzsche I u. II Traductor: Juan Luis Vermal, 2000 (Destino, Barcelona). 7. Conferencias y artículos Traductor: Eustaquio Barjau, 1995 (Ediciones el Serbal, Barcelona). 8. Qué significa pensar? Traductor: Raúl Gabás, 2006 (Trotta, Madrid). 9. Hitos Traductores: Helena Cortés y Arturo Leyte, 2000 (Alianza Editorial, Madrid). 10. La proposición del fundamento Traductor: Ives Zimmermann (Ediciones el Serbal, Barcelona). 12. De camino al habla Traductor: Ives Zimmermann, 1987 (Ediciones el Serbal, Barcelona). 14. Tiempo y ser Traductores: Manuel Garrido, José Luis Molinuevo y Félix Duque, 1999 (Tecnos, Madrid). 17. Introducción a la investigación fenomenológica Traductor: Juan José García Norro (Síntesis, Madrid, 2008). 20. Prolegómenos para una historia del concepto de tiempo Traductor: Jaime de Aspiunza, 2006 (Alianza Editorial, Madrid).
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21. Lógica. La pregunta por la verdad Traductor: Alberto Ciria, Madrid 2004. 24. Los problemas fundamentales de la fenomenología Traductor: Juan José García Norro, 2000 (Trotta, Madrid). 26. Principios metafísicos de la lógica Traductor: Juan José García Norro, 2009 (Síntesis, Madrid). 27. Introducción a la filosofía Traductor: Manuel Jiménez Redondo, 1999 (Cátedra, Madrid). 29./30. Los conceptos fundamentales de la metafisica Traductor: Alberto Ciria, 2007 (Alianza Editorial, Madrid). 32. La fenomenología del espíritu de Hegel Traductores: Manuel Vázquez y Klaus Rohde, 1992 (Alianza Editorial, Madrid). 34. De la esencia de la verdad. Sobre la parábola de la caverna y el Teeteto de Platón Traductor: Alberto Ciria (Herder, Barcelona, 2008). 39. Los himnos de Hölderlin “Germania” y “El Rin” Traductora: Ana Carolina Merino, 2010 (Biblos, Buenos Aires). 40. Introducción a la metafísica Traductora: Angela Ackermann Pilári, 1995 (Gedisa, Barcelona). 41. La pregunta por la cosa Traductor: J.-M. García Gómez del Valle, 2009 (Palameda, Girona). 42. Schelling y la libertad humana Traductor: Alberto Rosales, 1990 (Monte Ávila, Caracas). 45. Pregunta fundamentales de la filosofía. “Problemas” selectos de “logica” Traductor: Ángel Xolocotzi (Comares, Granada, 2008). 51. Conceptos fundamentales Traductor: Manuel Vázquez García, 1989 (Alianza Editorial, Madrid). 54. Parménides Traductor castellana: Carlos Másmela. Akal, Madrid 2005. Traductor catalana: Manuel Carbonell. Quaderns Crema, Barcelona 2005. 55. Heráclito Traductor: Carlos Másmela, 2012 (El Hilo de Ariadna, Buenos Aires). 56./57. La idea de la filosofía y el problema de la concepción del mundo Traductor: Jesús Adrián. Herder, Barcelona 2005, 22007. 60. Estudios sobre mística medieval Traductor: Jacobo Muñoz, 1995 (Siruela, Madrid). Introducción a la fenomenología de la religión Traductor: Jorge Uscatescu, 2005 (Siruela, Madrid). 62. Interpretaciones fenomenológicas sobre Aristoteles Traductor: Jesús Adrián, 2012 (Trotta, Madrid).
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63. Ontología. Hermenéutica de la facticidad Traductor: Jaime Aspiunza, 1999 (Alianza Editorial, Madrid). 64. El concepto de tiempo Traductor: Jesús Adrián, 2008 (Herder, Barcelona). 65. Aportes a la Filosofía. Acerca del Evento Traductora: Dina V. Picotti, 2003 (Almagesto, Buenos Aires). 66. Meditación Traductora: Dina V. Picotti, 2006 (Editorial Biblos, Buenos Aires). 68. Hegel Traductora: Dina V. Picotti, 2000 (Almagesto, Buenos Aires). 69. La historia del ser Traductora: Dina V. Picotti, 2012 (El Hilo de Ariadna, Buenos Aires). 70. Sobre el Comienzo Traductora: Dina V. Picotti, 2007 (Editorial Almagesto, Buenos Aires). 75. Estancias Traductor: Isidoro Reguera, 2008 (Pretextos, Valencia). 81. Pensamientos poéticos Traductor: Alberto Ciria, 2010 (Herder, Barcelona). 88. Ejercitación en el pensamiento filosófico Traductor: Alberto Ciria, 2011 (Herder, Barcelona). 89. Seminarios de Zollikon Traductor: Angel Xolocotzi, 2012 (Herder, Barcelona).
In Preparation: 13. La experiencia del pensar Traductor: Francisco de Lara (Abada, Madrid). 50. La metafisica de Nietzsche Traductor: Manuel Garrido (Cátedra, Madrid). 58. Problemas fundamentales de la fenomenología Traductor: Francisco de Lara (Alianza Editorial, Madrid).
Addresses of Contributors Prof. Dr. Francesco Alfieri Pontificia Università Lateranense Piazza S. Giovanni in Laterano, 4 I-00120 Città del Vaticano, Italy Dr. Andrea C. Bertino Klint 10 D-38170 Eilum Prof. Pascal David Faculté des Lettres et Sciences humaines 20, rue Duquesne, CS 93387 F-29238 Brest cedex 3 Prof. Dr. Udo Reinhold Jeck Institut für Philosophie Ruhr-Universität Bochum Vogelsängerstr. 107 D-58300 Wetter Prof. George Kovacs Department of Philosophy Florida International University Tamiami Campus Miami, FL 33199, USA Prof. Dr. Tarmo Kunnas Topeliuksenkatu 36a 7 00270 Helsinki, Finnland Dr. Elad Lapidot Zentrum Jüdische Studien Berlin Brandenburg Freie Universität Berlin Kastanienallee 91 D-10435 Berlin Dr. Maria Marafioti Via Rocco Pugliese Trav. XII Nr. 3 I-89015 Palmi (R. C.), Italy
Dr. Klaus Neugebauer Siemensstraße 62 D-70839 Gerlingen, Germany Dr. Chiara Pasqualin Via Milazzo 2 I-37128 Verona, Italy Prof. Bernhard Radloff Department of English University of Ottawa 70 Laurier E. Ottawa ON KIN 6N5, Canada Prof. Dr. Ewald Richter Brückwiesenstr. 30 D-22453 Hamburg Dr. Tina Röck School of Humanities University of Dundee Nethergate Dundee Scotland, UK, DD1 4HN Prof. Frank Schalow Department of Philosophy University of New Orleans 2000 Lakeshore Drive New Orleans, LA 70148, USA Prof. Dr. Marc-Antoine Vallée Collège Édouard-Montpetit 945 Chemin de Chambly Longueil, QCJX 3516 Université de Montréal, Department of philosophy, Ph.D. Canada Prof. Dr. Helmuth Vetter Scheibenbergstr. 33 A-1180 Wien