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German Pages 1040 Year 2014
Ehinger . Griesche . Rasch Handbuch Unterhaltsrecht
Handbuch Unterhaltsrecht Ansprüche · Berechnung Strategien · Verfahren von
Dr. Uta Ehinger Richterin am KG Berlin a.D.
Gerhard Griesche Vorsitzender Richter am KG Berlin a.D.
Dr. Ingeborg Rasch Richterin am KG Berlin
7. neu bearbeitete und erweiterte Auflage
2014
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-47143-9 ©2014 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungs beständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany
Vorwort Anliegen unseres Handbuchs zum Unterhaltsrecht war und ist es, dem Praktiker einen möglichst umfassenden Überblick über das aktuelle Unterhaltsrecht zu geben. Dazu gehört nach unserer Erfahrung nicht nur eine systematische Darstellung des materiellen Rechts unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen und instanzgerichtlichen Rechtsprechung mit vielen Beispielen und praktischen Tipps, sondern ebenso die Darstellung des Verfahrensrechts einschließlich der Grundlagen des Zwangsvollstreckungsrechts. Um dem Leser die praktische Arbeit am Fall zu erleichtern, sind auch die Kapitel zum Verfahrensrecht jeweils angereichert mit Beispielen und Mustern für Schriftsätze und Antragsschriften. Auf diese Weise bietet das Buch Informationen und Anleitung von der vorgerichtlichen Geltendmachung des Unterhalts über die prozessuale Durchsetzung bis hin zur Vollstreckung aus einem erstrittenen Titel. Des Weiteren war und ist uns wichtig, für den Leser die jeweils maßgeblichen Grundsätze und Kriterien bei der Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen herauszuarbeiten, was sowohl für die Rechtsanwendung im Einzelfall als auch für die fachliche Einschätzung der Bedeutung neuer Rechtsprechung hilfreich ist. Seit Erscheinen der 6. Auflage im Jahr 2010 und der letzten grundlegenden Reform des Ehegattenunterhaltsrechts 2008 sowie der Reform des Familienverfahrensrechts 2009 zeichnet sich eine Konsolidierung der Rechtslage ab, insbesondere nachdem zahlreiche Streitfragen, die das neue Recht zunächst aufgeworfen hat, höchstrichterlich geklärt wurden. Diese Rechtsentwicklung – einschließlich neu aufgetretener Fragen – haben wir im Rahmen unserer systematischen Darstellung aufgearbeitet, das Handbuch gründlich überabeitet und teilweise erweitert, z.B. durch Einführung eines neuen Kapitels: Unterhaltsansprüche mit Auslandsberührung. Darin werden Fragen des Unterhaltsrechts mit internationalem Bezug behandelt, das in der Vergangenheit zunehmend an Bedeutung gewonnen hat, weil die Zahl binationaler Eheschließungen – aber auch der Scheidungen dieser Ehen – stetig angestiegen und die Mobiltät der Bürger auf dem europäischen Arbeitsmarkt weiter gewachsen ist. In diesem neuen Kapitel wird eine Übersicht gegeben über die Rechtsquellen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts und des anwendbaren Rechts, die maßgeblichen Kriterien für die Bemessung des Unterhalts bei stark auseinanderfallenden Lebensverhältnissen des Unterhaltsberechtigten und -verpflichteten und die Besonderheiten bei der Vollstreckung ausländischer Unterhaltstitel im Inland. Damit erhalten Familienrechtsanwälte und Familienrichter ein praxisorientiertes Rüstzeug zur Lösung dieser Fälle, die eine zunehmend wichtige Rolle in der anwaltlichen Beratungspraxis und im gerichtlichen Alltag spielen. Ebenfalls eingearbeitet sind die bis zum Stichtag 30.6.2014 eingetretenen wesentlichen Gesetzesänderungen, wie zum Beispiel das Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts oder das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung (ZwVollstrAufklRef, gültig ab 1.1.2013), das viele grundlegende Änderungen im Vollstreckungsrecht gebracht hat durch eine erleichterte Informationsbeschaffung des Gläubigers, eine umfassende Erweiterung der Regelungsbefugnisse des Gerichtsvollziehers und Änderung des Verfahrens zur Abgabe einer Vermögensauskunft. Aber auch viele Neuerungen im Steuerrecht und Sozialrecht (SGB XII und SGB II) sind berücksichtigt, die ins V
Vorwort
materielle Recht und Verfahrensrecht hineinwirken und für das Verständnis und Lösung der Fälle relevant sind. Zu den Berechnungsbeispielen – vor allem im materiellrechtlichen Teil des Buches – ist darauf hinzuweisen, dass sie i.d.R. gebildet sind mit Werten der in 2013/2014 geltenden Düsseldorfer Tabelle. Da die Unterhaltstabellensätze, Regelbedarfssätze für volljährige Kinder und Selbstbehaltssätze, die auch in den Leitlinien veröffentlicht sind, von den Gerichten regelmäßig den veränderten Lebensverhältnissen angepasst werden, kann der Leser die jeweils maßgeblichen Werte für den Zeitraum, auf den sich sein zu lösender Fall bezieht, jeweils kostenlos abrufen unter www.famrb.de, der Homepage der Familienrechtszeitschrift FamRB des Verlags. Über Anregungen, Hinweise und Verbesserungsvorschläge der Leser, die auch per E-Mail an den Verlag gerichtet werden können, würden wir uns freuen. Berlin, im Juli 2014
VI
Uta Ehinger
Gerhard Griesche
Inge Rasch
Inhaltsübersicht Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IX
Musterverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXXV
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXXIX
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XLIII Seite
A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes (Ehinger) . . . . . .
1
B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes (Ehinger) . . . . . . . .
141
C. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder (Ehinger) . . . .
201
D. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern (Ehinger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
241
E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten (Ehinger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
277
F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten (Ehinger) . . . . .
369
G. Unterhaltsansprüche zwischen Lebenspartnern einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft (Rasch) . . . . . . . . . . . . .
523
H. Spezialprobleme: Rückgriff beim Bezug von Sozialleistungen, Rückforderung überzahlten Unterhalts und der familienrechtliche Ausgleichsanspruch (Ehinger) . . . . . . . . . .
525
I. Auskunft und Vorlage von Belegen (Rasch) . . . . . . . . . . . . . .
555
J. Vorprozessuale Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs (Rasch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
569
K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen (Rasch, Griesche) . . . . . . .
583
L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen (Griesche) . . . . . . . . .
739
M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen (Griesche) . . . . .
809
N. Unterhaltsansprüche mit Auslandsberührung (Rasch) . . . . . . .
893
O. Übergangsvorschriften (Rasch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
933
P. Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
945
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
957
VII
Inhaltsverzeichnis Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII
Musterverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXXV
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XLIII
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes . . . . .
1
1
I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedarf – abgeleitet aus der Lebensstellung der Eltern . . b) Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt . . c) Die Darlegungs- und Beweislast für den Bedarf . . . . . d) Unterhalt für den gesamten Lebensbedarf – § 1610 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Mindestunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Bedarf nach der Düsseldorfer Tabelle, Mehrbedarf, Sonderbedarf und Bedarf bei überdurchschnittlichem Einkommen des Verpflichteten . . . . . . . . . . . . . . g) Die vom Mindestunterhalt abgedeckten Bedarfsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Folgen der Verknüpfung des Mindesunterhalts mit § 32 Abs. 6 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Bedeutung der Mindestunterhaltsbeträge/Regelbeträge für den dynamisierten Kindesunterhalt . . . . . . . . . 2. Bedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Leistungsfähigkeit der Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . a) Folgen der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zurechnung eines fiktiven Einkommens bei pflichtwidrigem Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . c) Angemessener und notwendiger Eigenbedarf der Eltern d) Wegfall der gesteigerten Unterhaltspflicht, § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ersatzhaftung anderer Verwandter – Großeltern . . . . . f) Darlegungs- und Beweislast bei eingeschränkter oder fehlender Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beginn und Dauer des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . III. Berechnung des Unterhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 4 6 7 9 12
2 4 4 4 5 6
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23 24 24 IX
Inhaltsverzeichnis
1. Prüfungsschema mit Erläuterung der Arbeitsschritte . . . . 2. Klärung und Bereinigung der Einkommensverhältnisse . . a) Übersicht unterhaltsrechtlich relevanter Einkünfte . . . b) Übersicht zwingender und möglicher Abzugsposten . . c) Berechnung des bereinigten Durchschnittseinkommens aa) Das Durchschnittseinkommen nichtselbständig Erwerbstätiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das Durchschnittseinkommen selbständig Erwerbstätiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zur Vertiefung: Typische Probleme der Zuordnung von Einkünften zum unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abfindungen und Sonderzuwendungen . . . . . . . bb) Arbeitslosengeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Arbeitslosengeld II – Grundsicherung für Arbeitssuchende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Einkünfte aus Mehrarbeit und überobligatorischer Erwerbstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . ee) Einkünfte aus Vermögen und Verwertung des Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Elterngeld und Betreuungsgeld . . . . . . . . . . . gg) Fiktive Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Hausmann-/Hausfraurechtsprechung . . . . . . . . ii) Kindergeld – Kinderzulagen – Kinderzuschläge (§ 6a BKGG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . jj) Renten – Schmerzensgeld . . . . . . . . . . . . . . kk) Sachbezüge – Pkw-Nutzungsvorteile . . . . . . . . ll) Steuererstattungen – Steuernachzahlungen – Ehegattensplittingvorteil . . . . . . . . . . . . . . mm) Unterhaltsvorschuss, Sozialgeld, BAföG und Ausbildungsbeihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . nn) Wohnwertvorteil durch mietfreies Wohnen . . . . oo) Zweckbestimmte Entgelte . . . . . . . . . . . . . . e) Zur Vertiefung: Typische Probleme bei der Bereinigung des Einkommens um Aufwendungen und Verbindlichkeiten . aa) Abzug berufsbedingter Aufwendungen . . . . . . . . bb) Abzug von Betreuungskosten und krankheitsbedingtem Mehrbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Betreuungsbonus und Erwerbstätigenbonus . . . . . dd) Umgangskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Verbindlichkeiten für das Wohnen im eigenen Heim und für Vermögensbildung . . . . . . . . . . . gg) Verbindlichkeiten wegen Unterhalt . . . . . . . . . hh) Versicherungsbeiträge und zusätzliche Vorsorgeaufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X
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63 68 70 73 78
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Inhaltsverzeichnis
IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI.
3. Ermittlung des Bedarfs nach Unterhaltstabellen . . . . a) Einkommensgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Altersstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bedarfskontrollbeträge . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Höher- und Herabstufungen bei einer höheren oder niedrigeren Zahl von Unterhaltsberechtigten . . . . e) Berechnung des dynamisierten Unterhalts . . . . . . f) Bedarfsberechnung bei beiderseitiger Barunterhaltspflicht der Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Bedarfsberechnung bei gemeinsamer elterlicher Sorge und Betreuung durch beide Eltern (sog. Wechselmodell) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anwendung der Vortabellen zur Düsseldorfer Tabelle in den neuen Bundesländern und dem Beitrittsteil von Berlin wegen Unterhalts bis zum 31.12.2007 . . . 5. Unanwendbarkeit des Tabellenunterhalts . . . . . . . 6. Anrechnung des Kindergeldes . . . . . . . . . . . . . . a) Kindergeld im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . b) Auszahlung an den Kindergeldberechtigten . . . . . c) Der Kindergeldausgleich zwischen den Eltern nach § 1612b BGB seit 1.1.2008 . . . . . . . . . . . . . . . d) Der Kindergeldausgleich nach § 1612b BGB a.F. bis 31.12.2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Der Kindergeldausgleich beim Wechselmodell . . . f) Kinderzulagen und Kinderzuschüsse . . . . . . . . . 7. Mehrbedarf und Sonderbedarf . . . . . . . . . . . . . . 8. Bedürftigkeit des Kindes in Höhe des errechneten Bedarfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Leistungsfähigkeit des Elternteils . . . . . . . . . . . . a) Notwendiger oder sog. kleiner Selbstbehalt . . . . . b) Einschränkung oder Wegfall der Leistungsfähigkeit . 10. Mangelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Mangelfallberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie der Unterhalt geleistet wird . . . . . . . . . . . . . . . Keine Beschränkung oder Wegfall des Unterhalts nach § 1611 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterhaltsverträge und Unterhaltsverzicht . . . . . . . . . Rangverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterhalt für die Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB . Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrenskostenvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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244 245 246 248
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XI
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164
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168 171 171 173 174 175 177 179 179
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes . . . . . . I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Leistungsfähigkeit der Eltern . . . . . . . . . . . . . . . a) Angemessener und notwendiger Eigenbedarf (Selbstbehalt) nach der DT und den Leitlinien . . . . b) Anforderungen an die Erwerbstätigkeit der Eltern . . aa) Verlust der Arbeitsstelle . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausübung einer Nebentätigkeit . . . . . . . . . . cc) Fortbildungswünsche des Elternteils . . . . . . . c) Fiktives Einkommen bei Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Fiktives Einkommen bei Übernahme der Haushaltsführung in einer neuen Beziehung (sog. Hausmannsrechtsprechung) . . . . . . . . . . . . bb) Die Bedeutung der Ausfallhaftung bei fiktivem Einkommen eines Elternteils . . . . . . . . . . . d) Weitere Besonderheiten bei der Zurechnung und Bereinigung des Einkommens der Eltern . . . . . . . aa) Überstunden und überobligatorische Einkünfte . bb) Unterhalt als Einkommen eines Elternteils . . . cc) Vorabzug von Unterhaltsverbindlichkeiten . . . 4. Materiellrechtliche Voraussetzungen der Privilegierung volljähriger Schüler im Überblick . . . . . . . . . . . . a) Partielle materiellrechtliche Privilegierung volljähriger Schüler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Privilegierung von Schülern einer allgemeinbildenden Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ausbildungsunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Angemessene Vorbildung zu einem Beruf . . . . . . . b) Beginn und Ende der Verpflichtung zur Zahlung von Ausbildungsunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausbildungsverzögerungen . . . . . . . . . . . . . . d) Ausbildungswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Finanzierung einer weiteren Ausbildung des Kindes . f) Weiterbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Zweitausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anspruch auf Unterhalt außerhalb der Ausbildung . . . . . IV. Die Berechnung des Unterhalts . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedarfsberechnung nach der Unterhaltstabelle . . . . . 2. Bedarfsberechnung nach pauschalierten Regelbedarfssätzen für Volljährige . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder . .
1
201
I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedürftigkeit – berücksichtigungsfähige eigene Einkünfte 3. Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Kindes – angemessener Eigenbedarf, Familienbedarf, 50 %-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Berechnung des Unterhalts . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prüfungsschema für die Berechnung des Elternunterhalts 2. Bedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedürftigkeit – Anrechnung eigener Einkünfte . . . . . . 4. Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Kindes – Klärung seines Einkommens . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zur Vertiefung: Typische Probleme bei der Zurechnung und Bereinigung des Einkommens des unterhaltspflichtigen Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abzug von Unterhaltsverbindlichkeiten . . . . . . . . b) Abzug von anderen Verbindlichkeiten . . . . . . . . . c) Fiktives Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. XII.
3. Bedürftigkeit des Kindes in Höhe des errechneten Bedarfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abzug von eigenem Einkommen . . . . . . . . . . . b) Abzug des Kindergelds . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ermittlung der Haftungsanteile der Eltern . . . . . . . a) Berechnungsbeispiel für Studenten mit eigenem Hausstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Berechnungsbeispiel für Auszubildenden, der bei einem Elternteil lebt . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Berechnungsbeispiel für privilegierte Volljährige . . d) Berechnung der Haftungsquoten für den Unterhalt eines privilegiert volljährigen Kindes bei weiteren gleichrangigen Ansprüchen minderjähriger Kinder . Das Unterhaltsbestimmungsrecht der Eltern nach § 1612 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschränkung oder Wegfall des Unterhalts nach § 1611 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterhalt für die Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB Unterhaltsverträge und Unterhaltsverzicht . . . . . . . . Rangverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrenskostenvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . .
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d) Die leistungserhöhende Zurechnung von Familienunterhalt – sog. Schwiegersohnhaftung . . . e) Einsatz von Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Berechnung der Haftungsanteile mehrerer Geschwister Probleme beim gesetzlichen Forderungsübergang auf den Sozialhilfeträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Forderungsübergang nach §§ 93, 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Folgen des Anspruchsübergangs . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausschluss des gesetzlichen Forderungsübergangs wegen unbilliger Härte nach § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII . Beschränkung oder Wegfall des Unterhalts nach § 1611 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rangverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterhalt für die Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB . Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrenskostenvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . .
D. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV.
V. VI. VII. VIII. IX. X.
I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unterhaltsanspruch der Mutter . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Klärung der Vaterschaft . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die einzelnen Unterhaltstatbestände . . . . . . . . . . a) Mutterschutzunterhalt (§ 1615l Abs. 1 Satz 1 BGB) . b) Entbindungskosten (§ 1615l Abs. 1 Satz 2 BGB) . . . c) Unterhalt wegen schwangerschaftsbedingter Erkrankung (§ 1615l Abs. 2 Satz 1 BGB) . . . . . . . d) Unterhalt wegen Kindesbetreuung (§ 1615l Abs. 2 Satz 2–5 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unterhalt für die ersten drei Jahre – Basisunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verlängerung des Unterhalts nach Billigkeit . . cc) Befristung des Unterhalts . . . . . . . . . . . . dd) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . 3. Die Berechnung des Unterhalts . . . . . . . . . . . . . a) Bedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Leistungsfähigkeit des Vaters . . . . . . . . . . . . . aa) Klärung des unterhaltsrelevanten Einkommens bb) Grenzen der Inanspruchnahme . . . . . . . . . cc) Einzelheiten zur unterhaltsrechtlichen Bereinigung des Einkommens . . . . . . . . . . . . . XIV
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dd) Leistungsfähigkeit bei mehreren Unterhaltsschuldnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . 4. Beschränkung oder Wegfall des Unterhalts nach § 1611 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rangverhältnisse und Ersatzhaftung . . . . . . . . . . . . a) Rangverhältnisse seit 1.1.2008 . . . . . . . . . . . . . . b) Ersatzhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rangverhältnisse bis zum 31.12.2007 . . . . . . . . . . 6. Unterhalt für die Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . 7. Verwirkung nach § 242 BGB und Auswirkungen von Tod und Heirat auf den Anspruch . . . . . . . . . . . . . 8. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Verfahrenskostenvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unterhaltsanspruch des Vaters . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Geltendmachung von Unterhalt bei ungeklärter Vaterschaft 1. Unterhalt im Wege des einstweiligen Anordnungsverfahrens bei vermuteter Vaterschaft . . . . . . . . . . . 2. Unterhaltsvorausleistungen und der Scheinvaterregress . 3. Rückwirkende Geltendmachung von Unterhalt nach Klärung der Vaterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten . I. Grundsätze zur Abgrenzung des Trennungsunterhalts vom Familien- und Nacheheunterhalt . . . . . . . . . . . II. Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Getrenntleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Maß des Unterhalts: Der eheangemessene Lebensbedarf 4. Grundsatz der Halbteilung und Erwerbstätigenbonus . . 5. Unterhaltsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zur Erwerbsobliegenheit des bedürftigen Ehegatten nach der Trennung (§ 1361 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . 8. Beginn und Ende des Trennungsunterhalts . . . . . . . 9. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Berechnung des Unterhalts . . . . . . . . . . . . . . . 1. Klärung der aktuellen Einkommensverhältnisse . . . . a) Zu berücksichtigende Einkünfte . . . . . . . . . . . . b) Bestimmung des Durchschnittseinkommens . . . . . c) Bereinigung des Einkommens um berufsbedingte Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Arbeitsschema zur Klärung der aktuellen Einkommensverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . .
XV
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2. Feststellung des bedarfsbestimmenden Einkommens nach den prägenden ehelichen Lebensverhältnissen . . . . . a) Bedarfsbestimmendes Einkommen . . . . . . . . . . . . . b) Behandlung von Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . 3. Zur Vertiefung: Typische Probleme bei der Feststellung der bedarfsbestimmenden Einkünfte . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitsrechtliche Abfindungen . . . . . . . . . . . . . . b) Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, die auf einer vom Normalverlauf abweichenden Entwicklung beruhen (Karrieresprung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einkünfte aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit . . . d) Einkünfte aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit wegen Kindesbetreuung – Abzug eines Betreuungsbonus e) Fiktives Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Fiktive Einkünfte beim Zusammenleben mit einem neuen Partner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Überdurchschnittlich hohes Einkommen und Begrenzung bei Bagatellunterhalt . . . . . . . . . . . . . h) Veränderungen der Steuerklasse und begrenztes Realsplitting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Wohnvorteil beim Wohnen im eigenen Heim . . . . . . . j) Abzug von Kreditraten und sonstigen Verbindlichkeiten vom Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Kosten für die Mietwohnung . . . . . . . . . . . . . . . . l) Trennungsbedingter Mehrbedarf . . . . . . . . . . . . . . m) Unterhaltsleistungen für gemeinschaftliche, nicht gemeinschaftliche Kinder und Umgangskosten . . . . . . 4. Berechnung des Bedarfs des Unterhaltsberechtigten (Quotenunterhalt) mit Beispielen . . . . . . . . . . . . . . . a) Berechnung mit der Additions- und Differenzmethode . . b) Beispiele zur Berechnung des Bedarfs . . . . . . . . . . . . aa) Beispiel Alleinverdienerehe . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beispiel Doppelverdienerehe mit Einkünften aus Erwerbstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beispiel Doppelverdienerehe mit Einkünften aus Erwerbstätigkeit und sonstigen Einkünften . . . . . . 5. Berechnung des Bedarfs bei konkurrierenden Unterhaltsansprüchen von getrennt lebenden und geschiedenen Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beispiel: Der Verpflichtete ist Alleinverdiener . . . . . . . b) Beispiel: Doppelverdienerehe und ein früherer Ehegatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Bedürftigkeit des Anspruchstellers . . . . . . . . . . . . . . a) Übersicht zu den bedürftigkeitsmindernden Einkünften . b) Eheprägende Einkünfte aus Erwerbseinkommen und Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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c) Nichtprägende Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einkünfte aus zumutbarer Erwerbstätigkeit, die nicht dem Normalverlauf entspricht . . . . . bb) Sonstige geldwerte Zuwendungen . . . . . . . . . cc) Besonderheiten bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit . . . . . . . . . . . . . 7. Leistungsfähigkeit des Anspruchsgegners . . . . . . . . a) Der eheangemessene und der angemessene Eigenbedarf (Untergrenze) . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Kontrollrechnung und Angemessenheitsprüfung . 8. Die Mangelfallberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Berechnung im einfachen Mangelfall . . . . . . . . . b) Berechnungsmodelle für den absoluten oder echten Mangelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beispiel zur Berechnung des Unterhalts bei Hinzutreten eines Anspruchs nach § 1615l BGB . . . . . Rangverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschluss, Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen grober Unbilligkeit nach § 1579 Nr. 2 bis 8 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kranken- und Vorsorgeunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . Unterhaltsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterhalt für die Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwirkung rückständigen Unterhalts nach § 242 BGB . . Verfahrenskostenvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . .
F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten . . .
IV. V.
VI. VII. VIII. IX. X. XI.
I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz der Einheitlichkeit des Anspruchs . . 2. Bedarfsbemessung und Halbteilung . . . . . . . . 3. Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit . . . . . . . 4. Die Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . 5. Die Erwerbsobliegenheit zur Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse und Bedürftigkeit . 6. Herabsetzung, Befristung und Ausschluss nach § 1578b BGB und § 1579 BGB . . . . . . . . . . . 7. Beginn und Ende des Anspruchs . . . . . . . . . . 8. Herabsetzung und Befristungsmöglichkeiten bis zum 31.12.2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB . . . . . . 1. Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes (§ 1570 BGB) . . a) Verfassungsrechtliche Vorgaben der Reform des § 1570 BGB durch das UÄndG . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anspruchsvoraussetzungen und Konkurrenzen . . . . c) Verlängerung aus kindbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Möglichkeiten der Fremdbetreuung . . . . . . . . . bb) Belange des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verlängerung aus ehe- und elternbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ehe- und elternbezogene Gründe . . . . . . . . . . bb) Beispiele aus der Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit . . . . . . . . e) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . f) Befristung, Herabsetzung und Beendigung des Betreuungsunterhaltsanspruchs . . . . . . . . . . . . . g) Unterhalt wegen Kindesbetreuung nach altem Recht (§ 1570 a.F. BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterhalt wegen Alters (§ 1571 BGB) . . . . . . . . . . . . a) Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . b) Einsatzzeitpunkte und Anschlussunterhalt . . . . . . . c) Herabsetzung und Befristung . . . . . . . . . . . . . . 3. Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen (§ 1572 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . b) Einsatzzeitpunkt und Anschlussunterhalt . . . . . . . c) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . d) Herabsetzung und Befristung . . . . . . . . . . . . . . 4. Unterhalt wegen Arbeitslosigkeit nach § 1573 Abs. 1 BGB sowie Ausbildung nach § 1573 Abs. 1 i.V.m. § 1574 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . b) Pflicht zur Aus-, Fortbildung und Umschulung . . . . c) Einsatzzeitpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nachhaltige Sicherung der Erwerbstätigkeit . . . . . . e) Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . g) Befristung und Herabsetzung . . . . . . . . . . . . . . 5. Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . a) Anspruchsvoraussetzungen und Konkurrenzen . . . . b) Einsatzzeitpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Befristung und Herabsetzung . . . . . . . . . . . . . . 6. Unterhalt wegen Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung (§ 1575 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Unterhalt wegen Aufnahme oder Fortsetzung einer Ausbildung (§ 1575 Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . b) Unterhalt wegen Fortbildung oder Umschulung (§ 1575 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Unterhalt aus Billigkeitsgründen (§ 1576 BGB) . . . . . . . IV. Die Berechnung des Unterhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Klärung der aktuellen Einkommensverhältnisse . . . . . . 2. Klärung der prägenden Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Feststellung des bedarfsbestimmenden Einkommens nach dem Maßstab der prägenden ehelichen Lebensverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zur Vertiefung: Typische Probleme bei der Feststellung des prägenden bedarfsbestimmenden Einkommens . . . . a) Einkommenserhöhungen und Einkommensminderungen nach der Scheidung (§ 1578 Abs. 1 BGB) . b) Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit, die neben der Kindesbetreuung ausgeübt wird . . . . . c) Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit . d) Fiktives Einkommen bei Verletzung der Erwerbsobliegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Fiktives Einkommen bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung nicht gemeinsamer Kinder (sog. Hausmannsrechtsprechung) . . . . . . . . f) Fiktive Einkünfte beim Zusammenleben mit einem neuen Partner und Synergieeffekt . . . . . . . . . . . . g) Überdurchschnittlich hohes Einkommen – konkrete Bedarfsberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Vermögenserträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Wohnvorteil beim Wohnen im eigenen Heim . . . . . j) Abzug von Kreditraten und sonstigen Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Berücksichtigung von Steuervorteilen . . . . . . . . . . l) Miete für die Ehewohnung . . . . . . . . . . . . . . . . m) Unterhalt für Kinder, Mütter nichtehelicher Kinder und Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . n) Unterhalt für neuen Ehepartner des Verpflichteten . . 5. Berechnung des Anteils des Anspruchstellers am bedarfsbestimmenden Einkommen (Quotierung) mit Rechenbeispielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Bedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beispiele für abzugspflichtiges Einkommen, das nicht die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat . . . b) Anforderungen an die Verwertung von Vermögen . . . . c) Besonderheiten bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XIX
Inhaltsverzeichnis
V. VI. VII.
VIII.
IX. X. XI. XII. XX
7. Leistungsfähigkeit des Anspruchsgegners . . . . . . . . a) Eigenbedarf (Selbstbehalt) als Kontrollbetrag der Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mangelfallberechnung bei vor- und gleichrangigen Unterhaltsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorsorgeunterhalt für den Fall des Alters, der Erwerbsund Berufsunfähigkeit (§ 1578 Abs. 3 BGB) . . . . . . . . . Vorsorgeunterhalt wegen Krankheit (§ 1578 Abs. 2 BGB) . . Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit (§ 1578b BGB) . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtspolitisches Ziel des seit 1.1.2008 geltenden § 1578b BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsätze der Billigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . a) Kriterien für das Vorliegen ehebedingter Nachteile . . b) Nachteilsunabhängige Billigkeitskriterien . . . . . . c) Weitere Gesichtspunkte der Billigkeitsprüfung . . . . 3. Ehebedingte Nachteile wegen Zeiten der Kindesbetreuung, der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Dauer der Ehe und das Maß nachehelicher Solidarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Herabsetzung und/oder Befristung des Unterhalts als Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Herabsetzung des Unterhalts auf den angemessenen Lebensbedarf nach § 1578b Abs. 1 BGB . . b) Zeitliche Begrenzung des Anspruchs . . . . . . . . . 6. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . Beschränkung und Versagung von Unterhalt wegen grober Unbilligkeit (§ 1579 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kurze Ehedauer (Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfestigte Lebensgemeinschaft (Nr. 2) . . . . . . . . . . 3. Verbrechen oder schweres vorsätzliches Vergehen (Nr. 3) 4. Mutwilliges Herbeiführen der Bedürftigkeit (Nr. 4) . . . 5. Verletzung schwerwiegender Vermögensinteressen (Nr. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Unterhaltspflichtverletzung (Nr. 6) . . . . . . . . . . . . 7. Offensichtlich schwerwiegendes einseitiges Fehlverhalten (Nr. 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Anderer ebenso schwerwiegender Grund (Nr. 8) . . . . . 9. Anwendung von § 1579 BGB a.F. auf Unterhaltszeiträume bis zum 31.12.2007 . . . . . . . . . . . . . . . Unterhaltsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterhalt für die Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . Verwirkung rückständigen Unterhalts nach § 242 BGB . . Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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G. Unterhaltsansprüche zwischen Lebenspartnern einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft . . . . . . . .
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H. Spezialprobleme: Rückgriff beim Bezug von Sozialleistungen, Rückforderung überzahlten Unterhalts und der familienrechtliche Ausgleichsanspruch . . .
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XIII. Rangverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Regelung der Rangverhältnisse seit 1.1.2008 . 2. Die Regelung der Rangverhältnisse bis 31.12.2007 . XIV. Verfahrenskostenvorschuss . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Unterhaltsvorschuss – Rückgriff des Leistungsträgers auf den Unterhaltspflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anspruch auf Unterhaltsvorschuss . . . . . . . . . . . . a) Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . b) Höhe und Umfang des Vorschusses . . . . . . . . . . c) Ausschlussgründe für die Unterhaltsvorschussleistung 2. Anspruchsübergang und Rückgriff des Leistungsträgers (§ 7 UVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzlicher Anspruchsübergang bei Vorschussgewährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geltendmachung und Durchsetzung des übergegangenen Unterhaltsanspruchs . . . . . . . . . . . II. ALG II/Sozialgeld/Sozialhilfe – Rückgriff des Leistungsträgers auf den Unterhaltspflichtigen . . . . . . . . . . . . 1. Der Rückgriff nach Gewährung von ALG II und Sozialgeld (§ 33 SGB II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen des Rückgriffs des Leistungsträgers nach § 33 SGB II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahrensrechtliche Besonderheiten . . . . . . . . . 2. Rückgriff nach Gewährung von Sozialhilfe (§ 94 SGB XII) a) Leistungsangebot nach dem SGB XII, Forderungsübergang und Ausschluss des Übergangs . . . . . . . b) Sozialhilferechtliche Vergleichsberechnung und Prüfung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit des Verpflichteten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausschluss wegen unbilliger Härte . . . . . . . . . . d) Verwirkung von Unterhaltsansprüchen nach bürgerlichem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rückforderung zu viel gezahlten Unterhalts . . . . . . . . 1. Freiwillige Unterhaltszahlungen . . . . . . . . . . . . . 2. Überzahlungen während eines laufenden Unterhaltsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Auskunft und Vorlage von Belegen . . . . . . . . . . . .
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J. Vorprozessuale Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Überzahlung bei unrichtig gewordenen Unterhaltstiteln 4. Sicherung der Rückerstattung von Unterhalt bei nachträglicher Rentenbewilligung . . . . . . . . . . . . 5. Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch . . . . . . . . . .
I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Personenkreis der Auskunftsberechtigten und -verpflichteten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erforderlichkeit der Auskunft . . . . . . . . . . 3. Umfang der Auskunft . . . . . . . . . . . . . . 4. Form der Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anspruch auf Vorlage von Belegen . . . . . . . . . IV. Eidesstattliche Versicherung . . . . . . . . . . . . V. Zur Häufigkeit der Auskunftserteilung . . . . . . VI. Pflicht zur ungefragten Information . . . . . . . .
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I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Formlose Absprachen zum Unterhalt . . . . . . . . . . . III. Schriftliches Auskunfts- und Unterhaltsbegehren . . . . 1. Auskunftsverlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zahlungsverlangen/Verzug . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aufforderung zur Übergabe einer vollstreckbaren Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verwirkung trotz Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Außergerichtliche Titulierung des Unterhaltsanspruchs . 1. Vollstreckbare Schuldurkunde des Jugendamts . . . . 2. Notarielles Schuldanerkenntnis . . . . . . . . . . . . 3. Notarieller Unterhaltsvertrag . . . . . . . . . . . . . . 4. Anwaltsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Exkurs: Zu Form und Inhalt von Unterhaltsverträgen . .
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen . . . . . . . . . . .
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I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundzüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff der Unterhaltsstreitsache . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
2. Systematik des FamFG in Unterhaltsstreitsachen . . . . 3. Terminologie bei Unterhaltsstreitsachen . . . . . . . . III. Gericht: Organisation und Zuständigkeit . . . . . . . . . . 1. Sachliche Zuständigkeit und Instanzenzug . . . . . . . 2. Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausschließlicher Gerichtsstand am Gericht der Ehesache gemäß § 232 Abs. 1 Nr. 1 FamFG . . . . . . b) Ausschließlicher Gerichtsstand im Verfahren wegen des Unterhalts für ein Kind gemäß § 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorrang der ausschließlichen Gerichtsstände nach § 232 Abs. 1 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weitere Gerichtsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verweisung, Abgabe, Zuständigkeitskonflikte . . . . . . IV. Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bezeichnung der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beteiligung des minderjährigen Kindes . . . . . . . . . . a) Alleinvertretungsbefugnis eines Elternteils . . . . . . b) Verfahrensstandschaft eines Elternteils . . . . . . . . c) Begriff der Obhut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beistandschaft des Jugendamts . . . . . . . . . . . . . e) Ergänzungspflegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Eintritt der Volljährigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwaltszwang für die Beteiligten . . . . . . . . . . . . . V. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kostenfaktor Verfahrenswert . . . . . . . . . . . . . . . a) Wert des Zahlungsantrags . . . . . . . . . . . . . . . b) Wert des Unterhaltsabänderungsverfahrens . . . . . . c) Wert des negativen Feststellungsantrags . . . . . . . d) Wert eines Antrags auf Unterhaltsbefristung . . . . . e) Wert des Auskunftsantrags . . . . . . . . . . . . . . . f) Wert des Stufenantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Wert eines Unterhaltsverzichts . . . . . . . . . . . . h) Wert eines Vollstreckungsabwehrantrags . . . . . . . i) Wert eines Antrags auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Unterhaltstitels . . . . . . . . . . . . 3. Höhe der Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kostenentscheidung in Unterhaltsstreitverfahren . . . . a) Kostenentscheidung in isolierten Unterhaltsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Obsiegen und Unterliegen (§ 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Versäumnisse bei der Auskunft (§ 243 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 FamFG) . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
VI.
VII. VIII.
IX. X.
XXIV
cc) Sofortiges Anerkenntnis (§ 243 Satz 2 Nr. 4 FamFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Weitere Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . b) Kostenentscheidung bei der einstweiligen Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kostenentscheidung im Scheidungsverbund . . . . . 5. Kostenerstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrenskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bewilligungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedürftigkeit des Antragstellers . . . . . . . . . . . . b) Hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung . c) Fehlender Mutwillen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten . . . . . . 4. Wirkung der Verfahrenskostenhilfe . . . . . . . . . . . . 5. Änderung der Bewilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Aufhebung der Bewilligung . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrenskostenvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besondere Verfahrensvorschriften im Unterhaltsstreitverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zum Termin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz der Nichtöffentlichkeit, § 170 GVG . . . . b) Kein Zwang zur mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kein Anspruch auf Terminsverlegung, § 113 Abs. 3 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entscheidungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zurückweisung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übertragung von Verfahrensergebnissen . . . . . . . . 3. Auskunftspflicht der Beteiligten und Dritter gegenüber dem Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auskunftspflicht der Beteiligten (§ 235 FamFG) . . . aa) Umfang der Auskunftspflicht . . . . . . . . . . . bb) Schriftliche Versicherung der Richtigkeit . . . . . cc) Pflicht zur ungefragten Information . . . . . . . . dd) Durchsetzung des Auskunftsverlangens . . . . . ee) Pflicht des Gerichts zur Auskunftsbeschaffung . ff) Verhältnis zum Auskunfts- und Stufenverfahren . b) Verfahrensrechtliche Auskunftspflicht Dritter (§ 236 FamFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterhalt im Scheidungsverbund (Unterhaltsfolgesache) . Entscheidung durch Beschluss . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
2. 3. 4. 5.
XI.
XII. XIII. XIV.
XV.
XVI.
Beschluss als Endentscheidung . . . . . . . . . . . . . . Form, Inhalt und Erlass des Beschlusses . . . . . . . . . Kostenentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit des Unterhaltsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anordnung der sofortigen Wirksamkeit . . . . . . . . b) Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung . . 6. Rechtsmittelbelehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anträge im Verfahren auf Zahlung von Unterhalt . . . . . 1. Grundfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mehrere Antragsteller (subjektive Antragshäufung) . . . 3. Antrag auf Zahlung von dynamisiertem Kindesunterhalt 4. Teil-, Zusatz- oder Nachforderung . . . . . . . . . . . . Anträge im Auskunftsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . Anträge im Stufenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . Abänderungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abänderung gerichtlicher Entscheidungen (§ 238 FamFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässigkeit des Abänderungsantrags . . . . . . . . . aa) Anwendungsbereich der Norm . . . . . . . . . . bb) Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . . . . b) Begründetheit des Abänderungsantrags . . . . . . . . aa) Wesentliche Veränderung der unterhaltsrelevanten Verhältnisse . . . . . . . . . . . . . . bb) Nachträgliche Änderung, Präklusion . . . . . . . cc) Unterhaltsanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zeitschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abänderung von Vergleichen und Urkunden (§ 239 FamFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässigkeit des Abänderungsverfahrens . . . . . . . aa) Anwendungsbereich und Abgrenzung . . . . . . . bb) Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . . . . b) Begründetheit des Abänderungsantrags . . . . . . . . aa) Abänderung von Vereinbarungen . . . . . . . . . bb) Abänderung von einseitigen Verpflichtungs erklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine Zeitschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verschärfte Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einstellung der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . Vollstreckungsabwehrverfahren und negativer Feststellungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vollstreckungsabwehrverfahren nach § 767 ZPO . . . . 2. Negativer Feststellungsantrag nach § 256 ZPO . . . . . Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuständiges Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 246 FamFG zur Zahlung von Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung zu § 49 FamFG . . . . . . . . . . . . . b) Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Unterhalt . . . . . . . . . . . . . 4. Ablauf des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Entscheidung durch Beschluss . . . . . . . . . . . . . 6. Vollstreckbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Aufhebung oder Änderung der Entscheidung nach § 54 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Geltungsdauer der einstweiligen Anordnung (§ 56 FamFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Verfahrenskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Kostenentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Anderweitiger Rechtsschutz gegenüber der einstweiligen Anordnung im ordentlichen Verfahren . 12. Rückforderung überzahlten Unterhalts im Fall der einstweiligen Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Sondertatbestände der einstweiligen Anordnung . . . 14. Das Arrestverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII. Verfahrensrechtliche Besonderheiten beim Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes und seiner Mutter . 1. Verfahren auf Vaterschaftsfeststellung in Verbindung mit dem Antrag auf Zahlung von Mindestunterhalt gemäß § 237 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einstweilige Anordnung nach § 248 FamFG . . . . . . 3. Einstweilige Anordnung nach § 247 FamFG . . . . . . XVIII. Vereinfachtes Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vereinfachtes Verfahren zur Festsetzung des Unterhalts minderjähriger Kinder . . . . . . . . . . . . . . . a) Statthaftigkeit des vereinfachten Verfahrens . . . . b) Form und Inhalt des Antrags . . . . . . . . . . . . . c) Einwendungen des Antragsgegners . . . . . . . . . . d) Festsetzungsbeschluss oder Übergang in das streitige Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Korrekturmöglichkeiten: Beschwerde nach § 256 FamFG und Abänderungsverfahren nach § 240 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beschwerde (§ 256 FamFG) . . . . . . . . . . . . bb) Abänderungsverfahren (§ 240 FamFG) . . . . . .
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L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen . . . . . . . . . . I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Überblick über die in Betracht kommenden Rechtsbehelfe . 1. Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sofortige Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anschlussbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sonstige Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zulässigkeit der Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . a) Statthaftigkeit der Beschwerde . . . . . . . . . . . . . b) Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . 2. Beschwerdeberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einlegung der Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Form der Einlegung der Beschwerde . . . . . . . . . . b) Beschwerdefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ort der Einlegung der Beschwerde . . . . . . . . . . . d) Empfangsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . e) Inhalt der Beschwerdeschrift . . . . . . . . . . . . . . f) Beschwerde und Antrag auf Verfahrenskostenhilfe . . 4. Beschwerdebegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einreichung der Beschwerdebegründung – Formalien . b) Begründungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Empfänger der Beschwerdebegründung . . . . . . . . d) Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdebegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zurückweisung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln 6. Anschlussbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einlegung der Anschlussbeschwerde . . . . . . . . . . c) Form und Inhalt der Anschlussbeschwerdeschrift . . d) Auswirkungen der Einführung der Vorschrift des § 137 Abs. 2 Nr. 2 FamFG auf die Beschwerdeinstanz . aa) Bestimmung des Zeitpunkts der mündlichen Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Feststellung der Zeit für die Einreichung einer Folgesache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anschlussbeschwerdefrist . . . . . . . . . . . . . . . f) Besonderheiten aufgrund einer im Verbund ergangenen Endentscheidung . . . . . . . . . . . . . . 7. Rechtsmittelverzicht, Rücknahme und Erweiterung der Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Gang des Beschwerdeverfahrens . . . . . . . . . . . . . .
XXVII
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9. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand . . . . . . . . . . a) Auswirkungen des FamFG auf das Wiedereinsetzungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zweck der Vorschriften der §§ 233 bis 238 ZPO . . . . c) Sachlicher Geltungsbereich der §§ 233 ff. ZPO . . . . . d) Zulässigkeitsvoraussetzungen des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand . . . . . . . . . aa) Die Fristversäumung . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Wiedereinsetzungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . e) Angabe und Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen . . . . . . f) Nachholung der versäumten Verfahrenshandlung nach § 236 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Begründetheit des Wiedereinsetzungsantrages . . . . . aa) Fehlendes Verschulden an der Fristversäumung . . bb) Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch . 10. Entscheidung des Beschwerdegerichts . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausnahme von einer eigenen Sachentscheidung des Beschwerdegerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Form und Inhalt des Beschlusses . . . . . . . . . . . . d) Erlass der Endentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . e) Wirksamwerden der Entscheidung . . . . . . . . . . . f) Rechtsbehelfsbelehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Beschwerde gegen Teilentscheidungen des Familiengerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Anhörungsrüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zulassung der Rechtsbeschwerde als Voraussetzung der Statthaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen der Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Form der Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beschwerdefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Inhalt der Begründung der Rechtsbeschwerde . . . . . . . . 6. Entscheidung über die Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . V. Sofortige Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sofortige Beschwerde in Unterhaltsverfahren . . . . . . . . a) Sofortige Beschwerde gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weitere Fälle der sofortigen Beschwerde in Unterhaltssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsmittel gegen isolierte Kostenentscheidungen . . .
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen . . . . I. Auswirkungen des FamFG auf das Zwangsvollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vollstreckungsschutz bei Endentscheidungen nach § 120 Abs. 2 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vollstreckungsschutzantrag nach § 120 Abs. 2 S. 2 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nicht zu ersetzender Nachteil . . . . . . . . . . . . . d) Vollstreckungsschutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . e) Anwaltszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vollstreckungsrechtliche Auswirkungen abändernder oder aufhebender Beschlüsse (§ 120 Abs. 1 FamFG, §§ 775 und 717 Abs. 3 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vollstreckungsrechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsbehelfsbelehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Terminologie in der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . II. Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Arten der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . 2. Vollstreckungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gerichtsvollzieher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vollstreckungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfahrensgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Antrag auf Einleitung der Zwangsvollstreckung . . . . . a) Voraussetzung: Titel, Zustellung, Klausel . . . . . . . b) Anwaltszwang als Ausnahme . . . . . . . . . . . . . 4. Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe . . . . . . . III. Der Vollstreckungstitel als Grundlage der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übersicht der Vollstreckungstitel . . . . . . . . . . . . . 2. Genaue Bezeichnung der Parteien des Vollstreckungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestimmtheit des Tenors des Titels . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auslegung des Titels . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beispiele zu den Anforderungen an die Bestimmtheit der Tenorierung im Vollstreckungstitel . . . . . . . . aa) Zahlungstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Dynamische Unterhaltstitel . . . . . . . . . . . . cc) Titel auf Vornahme von Handlungen . . . . . . . dd) Vorlage von Belegen . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Beschlüsse nach § 235 FamFG . . . . . . . . . . .
XXIX
Inhaltsverzeichnis
IV.
V. VI.
VII.
VIII.
XXX
ff) Bestimmtheit der Leistungspflicht bei mehreren Schuldnern bzw. Gläubigern . . . . . . . . . . . . Die Vollstreckungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einfache Vollstreckungsklausel . . . . . . . . . . . . . . 4. Qualifizierte Vollstreckungsklausel . . . . . . . . . . . . a) Titelergänzende Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . b) Titelübertragende Klausel . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen der Erteilung der Klausel . . . . bb) Titelübertragende Klauseln bei gesetzlichem Forderungsübergang (§ 94 SGB XII, § 33 SGB II, § 7 UVG, § 7 BAföG) . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Antrag auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung (§ 733 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen über die Erteilung der Vollstreckungsklausel . . . . . . . . . . . Die Zustellung des Vollstreckungstitels . . . . . . . . . . . Weitere Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung . . . . 1. Eintritt eines Kalendertages . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fristen für den Beginn der Vollstreckung . . . . . . . . . Die Vollstreckungsmöglichkeiten bei einem Titel auf Zahlung von Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kriterien für die Auswahl der Vollstreckungsart . . . . . 2. Die Mobiliarvollstreckung (Verfahren, Durchführung) . 3. Die Immobiliarvollstreckung (Verfahren, Durchführung) 4. Die Pfändung und Überweisung von Forderungen . . . . 5. Sicherung der Zwangsvollstreckung durch Vorpfändung a) Zweck der Vorpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen der Vorpfändung . . . . . . . . . . . c) Durchführung der Vorpfändung . . . . . . . . . . . . d) Wirkungen der Vorpfändung . . . . . . . . . . . . . . e) Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Sicherung der Zwangsvollstreckung durch Eintragung einer Sicherungshypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . Pfändungsschutz bei der Pfändung von Arbeitseinkommen (Begriff des Arbeitseinkommens) . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pfändung von Arbeitseinkommen . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begriff des Arbeitseinkommens (§ 850 ZPO) . . . . . 2. Pfändungsschutz bei Vollstreckung in Arbeitseinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Kreis der privilegierten Unterhaltsgläubiger . . .
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IX. X. XI.
XII.
aa) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rangfolge der Unterhaltsberechtigten (§ 850d Abs. 2 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zugehörigkeit zum unpfändbaren Einkommen c) Notwendiger Unterhaltsbedarf im Sinne von § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . d) Zu berücksichtigende Unterhaltspflichten . . . . . e) Begrenzung des Freibetrages des Schuldners . . . . f) Die Vorratspfändung (§ 850d Abs. 3 ZPO) . . . . . . g) Pfändungsschutz für Kontoguthaben . . . . . . . . aa) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zweck der Einführung eines Pfändungsschutzkontos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Aufstockung des Basispfändungsschutzes . . . dd) Begründung des Pfändungsschutzkontos . . . . ee) Das Problem des „Monatskontos“ . . . . . . . ff) Festsetzung des pfändungsfreien Betrages . . . gg) Pfändung durch mehrere Gläubiger . . . . . . . hh) Anwendung der Vorschrift des § 765a ZPO . . . ii) Gebühren für Errichten und Führung eines P-Kontos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . jj) Zusammenstellung der Tätigkeit des Vollstreckungsgerichts im Fall des § 850k ZPO . . kk) Unpfändbarkeit von Kontoguthaben auf dem Pfändungsschutzkonto (§ 850l ZPO) . . . . . . h) Änderungen des unpfändbaren Betrags (§ 850f ZPO) i) Pfändungsschutz bei sonstigen Vergütungen (§ 850i ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abgrenzung zum Arbeitseinkommen . . . . . . j) Pfändung verschleierten Arbeitseinkommens (§ 850h ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Pfändung von Sozialleistungen . . . . . . . . . . . l) Berechnung des pfändbaren Einkommens (§ 850e ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pfändung der Altersvorsorge von Freiberuflern und Selbständigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsbehelfe gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Änderung der Unpfändbarkeitsvoraussetzungen (§ 850g ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen der Änderung . . . . . . . . . . . . . 3. Gang des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Zwangsvollstreckung aus einem Titel auf Auskunft und/oder auf Vorlage von Belegen . . . . . . . . . . . . .
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N. Unterhaltsansprüche mit Auslandsberührung . . . . . .
1
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I. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Recht der Europäischen Gemeinschaft – die EuUnthVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeine Gerichtsstände (Art. 3 EuUnthVO) . . . aa) Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Antragsgegners (Art. 3 lit. a EuUnthVO) . . . bb) Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Unterhaltsberechtigten (Art. 3 lit b) . . . . . cc) Annexzuständigkeit bei Anhängigkeit einer Statussache (Art. 3 lit c) . . . . . . . . . . . . . . dd) Annexzuständigkeit bei Anhängigkeit eines Verfahrens zur elterlichen Verantwortung (Art. 3 lit d) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besondere Gerichtsstände . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zuständigkeit aufgrund Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zuständigkeit aufgrund rügeloser Einlassung . . cc) Auffang- und Notzuständigkeit . . . . . . . . . . d) Verfahrensbegrenzung zum Schutz des Unterhaltsberechtigten (Art. 8 EuUnthVO) . . . . . . . . . . . . e) Rechtshängigkeit im Ausland . . . . . . . . . . . . . 4. Internationale Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . 5. Autonomes deutsches Recht (nur im einstweiligen Rechtsschutz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23. November 2007 (HUP) . a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundzüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Regelanknüpfung und Ausnahmen beim Unterhaltsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Wirkungen des Unterhaltsstatuts . . . . . . . . .
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45 45 48
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1. 2. 3. 4.
XXXII
Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Zwangsgeldverfahren nach § 888 ZPO . . . . . . . . Das Verfahren nach Überweisungsbeschluss (§ 883 ZPO) Das Verfahren auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (§ 889 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Inhaltsverzeichnis
c) Insbesondere: Anwendbares Recht beim Kindes- und Elternunterhalt sowie beim Unterhalt gegenüber Personen unter 21 Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Insbesondere: Anwendbares Recht beim Trennungsund Geschiedenenunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . 3. Völkerrechtliche Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . a) Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973 (HUÜ 73) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weitere völkerrechtliche (multi- oder bilaterale) Abkommen mit kollisionsrechtlichen Regelungen . . III. Unterhaltsbemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berechnungshilfen für die Bemessung des Unterhaltsbedarfs und der Leistungsfähigkeit bei voneinander abweichenden Lebensverhältnissen . . . . . . . . . . . . a) Ländergruppeneinteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Statistische Tabellen zum Preisniveau . . . . . . . . . c) Teuerungsziffern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ausländische Unterhaltstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer Unterhaltstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anerkennung und Vollstreckbarkeit nach der EuUnthVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verfahren ohne Exequatur . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfahren mit Exequatur . . . . . . . . . . . . . . . c) Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer Unterhaltsentscheidungen nach §§ 108 bis 110 FamFG 2. Vollstreckung ausländischer Unterhaltstitel . . . . . . . . 3. Abänderung ausländischer Unterhaltsentscheidungen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zugang zum Recht (Zentrale Behörden und Verfahrenskostenhilfe, weitere Kontaktstellen und Informationsmöglichkeiten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zentrale Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kosten und Verfahrenskostenhilfe . . . . . . . . . . . . c) Weitere Kontaktstellen und Informationsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
O. Übergangsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Artikel 111 FGG-Reformgesetz 1. Grundregel . . . . . . . . . . a) Einstweilige Anordnungen b) Prozesskostenhilfeanträge
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912 913
69
913
72 73 73
914 915 915
76 77 80 85 86
915 916 917 918 919
86 86
919 919
90 91 97
920 920 922
103 109
925 927
111
927
116 116 118
928 928 929
119
930
1
933
1 1 3 4
933 934 934 935 XXXIII
Inhaltsverzeichnis
2. Stichtag für Scheidungs- und Folgesachen am 1.9.2010 . II. Übergangsregelungen zum Unterhaltsänderungsgesetz in § 36 EGZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundzüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abänderung titulierter Unterhaltsansprüche (§ 36 Nr. 1 und Nr. 2 EGZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erheblichkeit der Gesetzesänderung für die Unterhaltsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung . c) Zumutbarkeit der Abänderung . . . . . . . . . . . . . 3. Anpassung dynamischer Kindesunterhaltstitel (§ 36 Nr. 3 EGZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 36 Nr. 3 Satz 4 Buchst. a EGZPO . . . . . . . . . . b) § 36 Nr. 3 Satz 4 Buchst. b EGZPO . . . . . . . . . . c) § 36 Nr. 3 Satz 4 Buchst. c EGZPO . . . . . . . . . . d) § 36 Nr. 3 Satz 4 Buchst. d EGZPO . . . . . . . . . . 4. Festgeschriebene Untergrenze des Mindestunterhalts (§ 36 Nr. 4 EGZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Seite
.
4a
935
. .
4b 5
935 936
.
9
937
. . .
12 16 17
938 939 939
. . . . .
23 25 28 30 31
941 941 943 943 943
.
33
944
P. Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
945
I. Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1.1.2013) . . . . . . . . . . . . . II. Bremer Tabelle zur Berechnung des Altersvorsorgeunterhalts (Stand: 1.1.2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Link zu den Leitlinien und zu weiteren Materialien . . . . .
945 953 955
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
957
XXXIV
Musterverzeichnis Rz.
Seite
1
Auskunft über Einkünfte und Vermögen . . . . . . . . . . . .
31
562
2
Schreiben wegen Auskunft und Unterhalts . . . . . . . . . .
5
570
3
Unterhaltsanerkenntnis vor dem Jugendamt . . . . . . . . .
27
576
4
Vertrag über Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt (mit Anreiz zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit) . . . . . .
30
578
5
Vertretung des minderjährigen Kindes im Unterhaltsverfahren
40
594
6
Mutter als Verfahrensstandschafterin des minderjährigen Kindes im Unterhaltsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
595
Formular (Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse) . . . . . . . . . . . . . . . . .
136
619
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 246 FamFG zur Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
181
637
Auflage nach § 235 Abs. 1 FamFG . . . . . . . . . . . . . . .
193
642
10 Rubrums- und Tenorierungsvorschlag . . . . . . . . . . . . .
237
652
11 Anordnung der sofortigen Wirksamkeit im Verbund . . . . .
259
658
12 Rechtsmittelbelehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
265
660
13 Rechtsbelehrung (bei einstweiliger Anordnung ohne mündliche Verhandlung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
266
660
14 Isoliertes Verfahren auf Zahlung von Trennungsunterhalt (hier: Antrag auf Verfahrenskostenhilfe mit Entwurf des Zahlungsantrages, Mangelfall) . . . . . . . . . . . . . . . . .
267
661
15 Antrag auf Zahlung von Geschiedenenunterhalt und (statischem) Kindesunterhalt – subjektive Antragshäufung .
277
664
16 Antrag des minderjährigen Kindes auf Zahlung eines dynamisierten Unterhalts (Mindestunterhalt) . . . . . . . . .
279
665
17 Antrag des minderjährigen Kindes auf Zahlung von Unterhalt als Prozentsatz des Mindestunterhalts . . . . . . .
286
666
18 Antrag auf Zahlung einer weiteren Unterhaltsrente . . . . .
294
668
19 Antrag auf Zahlung von Unterhalt bei gleichbleibenden Teilleistungen des Pflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . .
301
669
7 8
9
XXXV
Musterverzeichnis Rz.
Seite
20 Auskunftsantrag betreffend Einkünfte aus Arbeitnehmertätigkeit unter Vorlage von Belegen . . . . . . . . . . . . . .
311
672
21 Auskunftsantrag betreffend Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit unter Vorlage von Belegen . . . . . . . . . . . . . .
312
672
22 Auskunftsantrag betreffend Kapitaleinkünfte oder Mieteinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
313
672
23 Auskunftsantrag betreffend Vermögen . . . . . . . . . . . . .
314
673
24 Stufenantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
317
674
25 Abänderungsantrag nach § 238 FamFG . . . . . . . . . . . . .
330
677
26 Abänderungsantrag nach § 239 FamFG . . . . . . . . . . . . .
363
685
27 Vollstreckungsabwehrverfahren . . . . . . . . . . . . . . . .
388
692
28 Negativer Feststellungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . .
398
695
29 Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
412
698
30 Tenorierungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
435
702
31 Antrag auf Vaterschaftsfeststellung und Zahlung von Mindestunterhalt gemäß § 237 FamFG . . . . . . . . . . . .
509
719
32 Antrag auf Festsetzung von Unterhalt . . . . . . . . . . . . .
536
727
33 Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt: Erster Abschnitt des Formulars . . . . . . . . . .
557
732
34 Verpflichtungserklärung des Antragsgegners zur Zahlung von Unterhalt: Dritter Abschnitt des Formulars . . . . . . .
564
734
35 Verfahrenskostenhilfeantrag für eine beabsichtigte Beschwerde nach § 58 FamFG in einer Unterhaltsstreitsache . .
66
756
36 Beschwerde nach § 58 FamFG in einer Unterhaltsstreitsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
763
37 Formulierungsvorschlag zur Beschwerde und zum Wiedereinsetzungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
192
788
38 Formulierungsvorschlag für den Antrag in einem Beschwerdeverfahren gegen eine Teilentscheidung . . . . . . .
222
797
39 Antrag auf Vollstreckungsklausel . . . . . . . . . . . . . . .
86
830
40 Beispiel für den Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
833
41 Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung . . .
119
837
42 Antrag auf Vornahme der Zwangsvollstreckung in bewegliches Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
146
843
XXXVI
Musterverzeichnis Rz.
Seite
43 Antrag auf Versteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
156
845
44 Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen einer Unterhaltsforderung . . . . . . . . .
171
849
45 Formulierungsvorschlag für Ankündigung der Vorpfändung (§ 845 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
182
852
46 Antrag auf Eintragung einer Zwangshypothek . . . . . . . . .
187
854
47 Antrag auf Änderung der Unpfändbarkeitsvoraussetzungen gemäß § 850g ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
331
889
XXXVII
Abkürzungsverzeichnis AfA Anm. AnwBl. Aufl. Az.
Absetzung für Abnutzung Anmerkung Anwaltsblatt Auflage Aktenzeichen
BAföG BAG BayObLG BayOLGZ BBesG BerzGG BGB BGBl. BGH BGHR BGHZ BKGG BMF BR-/BT-Drucks. BRAGO BRAO BSG BSHG BT BVerfG BVerwGE BVG
Bundesausbildungsförderungsgesetz Bundesarbeitsgericht Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen Bundesbesoldungsgesetz Bundeserziehungsgeldgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof BGH-Report Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundeskindergeldgesetz Bundesministerium für Finanzen Bundestagsdrucksache/Bundesratsdrucksache Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung Bundesrechtsanwaltsordnung Bundessozialgericht Bundessozialhilfegesetz Berliner Tabelle Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bundesversorgungsgesetz
DAV DAVorm DIJuF DT DVO DZWIR
Deutscher Anwaltverein Der Amtsvormund Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht Düsseldorfer Tabelle Durchführungsverordnung Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht
EGBGB EStG EuGVÜ
Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einkommensteuergesetz Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivilund Handelssachen Entscheidungssammlung zum Familienrecht
EzFamR FamFG FamFR
Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Familienrecht und Familienverfahrensrecht XXXIX
Abkürzungsverzeichnis
Familienrecht FamRB FamRZ FF FGB FGG FPR FuR
Informationsdienst für Anwälte und Notare kompakt Familienrechtsberater Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Forum Familienrecht Familiengesetzbuch/DDR Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Zeitschrift: Familie Partnerschaft Recht Familie und Recht
GG GKG GVG
Grundgesetz Gerichtskostengesetz Gerichtsverfassungsgesetz
HGB h.M. HUP
Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Haager Protokoll
IPRax IPR-Rspr.
Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts
JAmt JArbSchG JurBüro JW
Das Jugendamt (früher DAVorm = Der Amtsvormund) Jugendarbeitsschutzgesetz Das juristische Büro Juristische Wochenschrift
KG KG-Report KindUG KJHG KostO Kto.-Nr.
Kammergericht Kammergericht-Report Kindesunterhaltsgesetz Kinder- und Jugendhilfegesetz Kostenordnung Kontonummer
LG LL LMK LPartG LS
Landgericht Leitlinie(n) Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring Lebenspartnerschaftsgesetz Leitsatz
MDR MuSchG
Monatsschrift für Deutsches Recht Mutterschutzgesetz
NJW NJW-FER NJW-RR NZFam
Neue Juristische Wochenschrift NJW-Entscheidungsdienst Familien- und Erbrecht NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Neue Zeitschrift für Familienrecht
OLG OLGR OLGZ
Oberlandesgericht Oberlandesgericht-Report Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen
XL
Abkürzungsverzeichnis
PKH PKHVV
Prozesskostenhilfe Prozesskostenhilfevordruckverordnung
RBEG Regelbetrag-VO RG RGZ Rpfleger RPflG
Regelbedarfsermittlungsgesetz Regelbetrag-Verordnung Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Der Rechtspfleger Rechtspflegergesetz
SGb SGB StGB
Die Sozialgerichtsbarkeit (Zeitschrift) Sozialgesetzbuch Strafgesetzbuch
UÄndG UVG
Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts Unterhaltsvorschussgesetz
VKH VO
Verfahrenskostenhilfe Verordnung
ZFE ZfJ ZKJ ZPO ZSEG
Zeitschrift für Familien- und Erbrecht Zentralblatt für Jugendrecht Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe Zivilprozessordnung Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen
XLI
Literaturverzeichnis Andrae, Internationales Familienrecht, 3. Aufl. 2014 Bahrenfuss, FamFG, 2. Aufl. 2013 Bamberger/Roth, Kommentar zum BGB, Bd. 3, 3. Aufl. 2012 (zitiert: Bamberger/ Roth/Autor) Bassenge/Roth, FamFG/RPflG, 12. Aufl. 2009 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 72. Aufl. 2014 (zit: Baumbach/Hartmann) Baumeister/Fehmel/Hochgräber/Kayser/Wick/Griesche, Familiengerichtsbarkeit. Kommentar zu den materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Vorschriften, 1992 (zitiert: FamGB) Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Bd. 2, 3. Aufl. 2007 (zitiert: Baumgärtel/Autor) Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, Bd. 8, 3. Aufl. 2010 (zitiert: Baumgärtel/Autor) Bergmann/Ferid/Henrich/Cieslar, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Loseblatt Bergschneider, Verträge in Familiensachen, 4. Aufl. 2010 Bonomi, Explanatory Report on the Hague Protocol of 23 November 2007 on the Law Applicable to Maintenance Obligations, HCCH 2009; abrufbar unter: www.hcch.net Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 2. Aufl. 2013 Borth, Unterhaltsrechtsänderungsgesetz: UÄndG, 2008 Bumiller/Harders, FamFG, 10. Aufl. 2011 Büte/Poppen/Menne, Unterhaltsrecht, 2. Aufl. 2009 Cirullies, Vollstreckung in Familiensachen, 2009 Diepold/Hintzen, Musteranträge für Pfändung und Überweisung, 9. Aufl. 2011 Dose, Einstweiliger Rechtsschutz in Familiensachen, 3. Aufl. 2010 Eckebrecht/Große-Boymann/Gutjahr/Paul/Schael/v. Swieykowski-Trzaska/ Weidemann, Verfahrenshandbuch Familiensachen, 2. Aufl. 2010 (zitiert: FamVerf/Autor) Eichele/Hirtz/Oberheim, Handbuch Berufung im Zivilprozess, 4. Aufl. 2014 Erman, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Aufl. 2011 (zitiert: Erman/Autor) Eschenbruch/Klinkhammer/Menne, Der Unterhaltsprozess, 6. Aufl. 2013 (zitiert: Eschenbruch/Klinkhammer/Menne/Autor) Fölsch, Das neue FamFG in Familiensachen, 2. Aufl. 2009 Fuchsloch/Scheiwe, Leitfaden Elterngeld, 2007 Garbe/Ullrich, Verfahren in Familiensachen, 3. Aufl. 2012 XLIII
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XLIV
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XLV
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes Inhaltsübersicht Rz.
Rz.
I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Anspruchsvoraussetzungen. . . . . . 1. Bedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedarf – abgeleitet aus der Lebensstellung der Eltern . . . . . . . b) Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt . . . . . . . . . c) Die Darlegungs- und Beweislast für den Bedarf . . . . . . . . . . . d) Unterhalt für den gesamten Lebensbedarf – § 1610 Abs. 2 BGB e) Mindestunterhalt . . . . . . . . . . . . f) Bedarf nach der Düsseldorfer Tabelle, Mehrbedarf, Sonderbedarf und Bedarf bei überdurchschnittlichem Einkommen des Verpflichteten . . . . . . . . . . . . . . . g) Die vom Mindestunterhalt abgedeckten Bedarfsbereiche . . . . h) Folgen der Verknüpfung des Mindesunterhalts mit § 32 Abs. 6 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Bedeutung der Mindestunterhaltsbeträge/Regelbeträge für den dynamisierten Kindesunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Leistungsfähigkeit der Eltern . . . . a) Folgen der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zurechnung eines fiktiven Einkommens bei pflichtwidrigem Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Angemessener und notwendiger Eigenbedarf der Eltern . . . . . d) Wegfall der gesteigerten Unterhaltspflicht, § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ersatzhaftung anderer Verwandter – Großeltern. . . . . . . . . f) Darlegungs- und Beweislast bei eingeschränkter oder fehlender Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . 4. Beginn und Dauer des Anspruchs .
4 6
b) Übersicht zwingender und möglicher Abzugsposten . . . . . . 73 c) Berechnung des bereinigten Durchschnittseinkommens . . . . 78 aa) Das Durchschnittseinkommen nichtselbständig Erwerbstätiger. . . . . . . . . . . . . . 79 bb) Das Durchschnittseinkommen selbständig Erwerbstätiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 d) Zur Vertiefung: Typische Probleme der Zuordnung von Einkünften zum unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 aa) Abfindungen und Sonderzuwendungen . . . . . . . . . . . . 102 bb) Arbeitslosengeld . . . . . . . . . . 107 cc) Arbeitslosengeld II – Grundsicherung für Arbeitssuchende . . . . . . . . . . . . 110 dd) Einkünfte aus Mehrarbeit und überobligatorischer Erwerbstätigkeit . . . . . . . . . . . . 131 ee) Einkünfte aus Vermögen und Verwertung des Vermögens. . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 ff) Elterngeld und Betreuungsgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 gg) Fiktive Einkünfte . . . . . . . . . 155 hh) Hausmann-/Hausfraurechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . 181 ii) Kindergeld – Kinderzulagen – Kinderzuschläge (§ 6a BKGG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 jj) Renten – Schmerzensgeld . . 192 kk) Sachbezüge – Pkw-Nutzungsvorteile. . . . . . . . . . . . . 195 ll) Steuererstattungen – Steuernachzahlungen – Ehegattensplittingvorteil . . . . . . . . 198 mm) Unterhaltsvorschuss, Sozialgeld, BAföG und Ausbildungsbeihilfe. . . . . . . . . . . . . 200 nn) Wohnwertvorteil durch mietfreies Wohnen . . . . . . . . 205 oo) Zweckbestimmte Entgelte . 212 e) Zur Vertiefung: Typische Probleme bei der Bereinigung des Einkommens um Aufwendungen und Verbindlichkeiten . . . . . 214 aa) Abzug berufsbedingter Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . 215
III. Berechnung des Unterhalts . . . . . . 1. Prüfungsschema mit Erläuterung der Arbeitsschritte . . . . . . . . . . . . . 2. Klärung und Bereinigung der Einkommensverhältnisse . . . . . . . . . . a) Übersicht unterhaltsrechtlich relevanter Einkünfte . . . . . . . . .
7 9 12 15 19
21 26 30
33 35 39 41 45 46 49 58 59 62 63 63 68 70
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes Rz. bb) Abzug von Betreuungskosten und krankheitsbedingtem Mehrbedarf . . . . . . . . . . cc) Betreuungsbonus und Erwerbstätigenbonus . . . . . . . dd) Umgangskosten . . . . . . . . . . ee) Verbindlichkeiten . . . . . . . . ff) Verbindlichkeiten für das Wohnen im eigenen Heim und für Vermögensbildung . gg) Verbindlichkeiten wegen Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . hh) Versicherungsbeiträge und zusätzliche Vorsorgeaufwendungen . . . . . . . . . . . . . . 3. Ermittlung des Bedarfs nach Unterhaltstabellen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einkommensgruppen . . . . . . . . b) Altersstufen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bedarfskontrollbeträge. . . . . . . . d) Höher- und Herabstufungen bei einer höheren oder niedrigeren Zahl von Unterhaltsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Berechnung des dynamisierten Unterhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Bedarfsberechnung bei beiderseitiger Barunterhaltspflicht der Eltern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Bedarfsberechnung bei gemeinsamer elterlicher Sorge und Betreuung durch beide Eltern (sog. Wechselmodell) . . . . . . . . . 4. Anwendung der Vortabellen zur Düsseldorfer Tabelle in den neuen Bundesländern und dem Beitrittsteil von Berlin wegen Unterhalts bis zum 31.12.2007 . . . . . . . . . . . . . 5. Unanwendbarkeit des Tabellenunterhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
221 222 224 229 237 239 241 244 245 246 248
252 255 260
Rz. 6. Anrechnung des Kindergeldes . . . . 275 a) Kindergeld im Steuerrecht . . . . . 276 b) Auszahlung an den Kindergeldberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 c) Der Kindergeldausgleich zwischen den Eltern nach § 1612b BGB seit 1.1.2008 . . . . . . . . . . . . 285 d) Der Kindergeldausgleich nach § 1612b BGB a.F. bis 31.12.2007 289 e) Der Kindergeldausgleich beim Wechselmodell . . . . . . . . . . . . . . 290 f) Kinderzulagen und Kinderzuschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 7. Mehrbedarf und Sonderbedarf . . . . 294 8. Bedürftigkeit des Kindes in Höhe des errechneten Bedarfs. . . . . . . . . . 309 9. Leistungsfähigkeit des Elternteils . 319 a) Notwendiger oder sog. kleiner Selbstbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 b) Einschränkung oder Wegfall der Leistungsfähigkeit . . . . . . . . 332 10. Mangelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 11. Mangelfallberechnung. . . . . . . . . . . 354 IV. Wie der Unterhalt geleistet wird . . 356 V. Keine Beschränkung oder Wegfall des Unterhalts nach § 1611 BGB . . 360 VI. Unterhaltsverträge und Unterhaltsverzicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 VII. Rangverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . 366
265
VIII. Unterhalt für die Vergangenheit . . 368 IX. Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB . . . . . . . . . 378 X. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387
273
XI. Verfahrenskostenvorschuss . . . . . . 392
274
I. Einleitung 1
In den letzten zwei Jahrzehnten hat der Gesetzgeber sowohl das materielle Unterhaltsrecht als auch das Verfahrensrecht grundlegend reformiert. Eine der gravierendsten Änderungen im Kindesunterhaltsrecht brachte das Gesetz zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts minderjähriger Kinder vom 6.4.1998 (Kindesunterhaltsgesetz – KindUG), das ehelich und nichtehelich geborene Kinder im materiellen Recht gleichstellte (§ 1615a i.V.m. §§ 1601 ff. BGB). Außerdem wurden volljährige Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die noch zur Schule gehen und im Haushalt eines Elternteils leben (sog. privilegierte volljährige Kinder), minderjährigen Kindern insoweit gleichgestellt, als Eltern für ihren Unterhalt, ebenso wie für den ihrer minderjährigen Kinder, verschärft haften und ihre Ansprüche seitdem gleichen Rang haben (§ 1609 Abs. 1 BGB a.F. i.V.m. § 1603 Abs. 2 BGB). Eine weitere wesentliche Änderung des Kindesunter2
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I. Einleitung
haltsrechts hat das Unterhaltsänderungsgesetz – UÄndG – vom 21.12.20071 gebracht: Seit 1.1.2008 ist für alle minderjährigen Kinder wieder ein gesetzlich definierter Mindestunterhalt eingeführt worden, der auch als dynamisierter Unterhalt verlangt werden kann (§ 1612a BGB). Der Unterhalt kann als Prozentsatz des Mindestunterhalts verlangt werden, wobei als variable Bezugsgröße an die Stelle der bis zum 31.12.2007 geltenden Regelbeträge nach der Regelbetrag-VO der doppelten Freibetrag für das sächliche Existenzminimum eines Kindes nach § 32 Abs. 6 EStG getreten ist (§ 1612a Abs. 1 BGB, vgl. dazu Rz. 33 f. Damit können die Kinder – ohne zu prozessieren – mit ihrem bestehenden Unterhaltstitel, aufgrund der regelmäßigen Anpassung der Bezugsgröße an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse, kontinuierlich an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben. Seitdem ist auch die Berücksichtigung des Kindergeldes für die Unterhaltsberechnung durch Anrechnung auf den Bedarf des Kindes deutlich vereinfacht worden (§ 1612b BGB) und die Rangfolge des Unterhalts so geregelt, dass minderjährige und privilegierte volljährige Kinder vor allen anderen Unterhaltsberechtigten erstrangig berechtigt sind (§ 1609 Nr. 1 BGB). Dies wirkt sich immer dann aus, wenn die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, alle Unterhaltsansprüche zu befriedigen (sog. Mangelfall). Das UÄndG hat außerdem auch den Ehegattenunterhalt für die Zeit nach der Scheidung und den Unterhalt für nichteheliche Mütter und Väter grundlegend geändert mit wesentlichen Folgen für die Betreuungssituation von Kindern: So kann der kinderbetreuende Elternteil, egal ob er verheiratet ist oder nicht, für die ersten drei Lebensjahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Ab Vollendung des dritten Lebensjahres besteht eine volle Erwerbspflicht, allerdings kann der Unterhalt aus Billigkeitsgründen verlängert werden. Der Betreuungsunterhaltsanspruch steht im Mangelfall im zweiten Rang neben Unterhaltsansprüchen von Ehegatten und geschiedenen Ehegatten, deren Ehe von langer Dauer war bzw. ist (§§ 1570 Abs. 1, 1615l Abs. 2, 1609 Nr. 2 BGB). Mit diesem Reformgesetz ist außerdem die verfahrensrechtliche Klärung von Streitigkeiten zwischen Eltern und Kindern über das Unterhaltsbestimmungsrecht der Eltern nach § 1612 Abs. 2 BGB vereinfacht worden, vgl. Kap. B Rz. 135 ff. Parallel zu den materiell-rechtlichen Änderungen wurde im Zuge der Kind- 2 schaftsrechtsreform 1998 das Verfahrensrecht weitgehend angeglichen, so dass seitdem für die Regelung der Unterhaltsansprüche ehelicher und nichtehelicher Kinder nur noch die Familiengerichte zuständig sind. Dieser Grundsatz der verfahrensrechtlichen Gleichbehandlung wurde auch in dem nachfolgenden, neu gefassten und seit 1.9.2009 geltenden Verfahrensrecht des FamFG, dem Verfahrensrecht für Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, beibehalten (§§ 23b Abs. 1, 23a Abs. 1 Nr. 1, 119 Abs. 1 Nr. 1a GVG i.V.m. §§ 111 Nr. 8, 231 Abs. 1 Nr. 1 FamFG). Es gelten jedoch für Unterhaltsverfahren des nichtehelichen Kindes verfahrens- 3 rechtliche Besonderheiten, soweit die Vaterschaft noch nicht anerkannt oder festgestellt worden ist. So kann z.B. die Vaterschaftsfeststellungsklage mit dem Antrag auf Zahlung des Mindestunterhalts verbunden werden (§ 237 FamFG). Beim einstweiligen Rechtsschutz besteht neben dem für alle Kinder geltenden einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 246 FamFG noch ergänzend die Möglichkeit, den Unterhalt bereits vor der Geburt für die ersten 3 Lebensmonate durch einstweilige Anordnung nach § 247 FamG und – bei Verbindung des zu 1 BGBl. I 2007, Nr. 69, S. 3189 ff.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
zahlenden Unterhalts mit der Klärung der Vaterschaft – nach § 248 FamFG regeln zu lassen. Zu den verfahrensrechtlichen Besonderheiten vgl. die Darstellung in Kap. K Rz. 506 ff. und Kap. D Rz. 110 ff.
II. Anspruchsvoraussetzungen 4
Verwandte in gerader Linie – Kinder, Eltern, Großeltern, Enkel, nicht aber Tanten, Onkel und Geschwister – sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren (§ 1601 BGB). Der Unterhaltsanspruch des Kindes entsteht bei seiner Geburt und besteht so lange fort, bis es seine wirtschaftliche Selbständigkeit erlangt hat. Dabei ist die gesetzliche Unterhaltspflicht weder auf Seiten des Berechtigten noch auf Seiten des Verpflichteten an Altersgrenzen gebunden.1 Sie besteht daher unter den allgemeinen Voraussetzungen der Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit dem Grunde nach lebenslang. Allerdings werden die Anforderungen an das Kind, für seinen Unterhalt selbst zu sorgen, größer, je älter es wird, so dass ein Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes nur noch unter engeren Voraussetzungen in Betracht kommt (vgl. Kap. B Rz. 3 f.).
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Beim Zusammenleben von Eltern und minderjährigem Kind wird der Unterhaltsanspruch des Kindes dadurch erfüllt, dass die Eltern das Kind umfassend versorgen, indem sie Naturalunterhalt leisten. Lebt das Kind nur mit einem Elternteil in einem Haushalt zusammen, ist der das Kind nicht betreuende Elternteil verpflichtet, Unterhalt in Form einer Geldrente, also Barunterhalt zu zahlen (§ 1612 Abs. 1 BGB), der betreuende Elternteil erfüllt seine Unterhaltspflicht durch Pflege und Erziehung des Kindes (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB).2 Wird das Kind von keinem Elternteil betreut, sind beide Eltern barunterhaltspflichtig. 1. Bedarf
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Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt, § 1610 Abs. 1 BGB). Der Unterhalt ist durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren (§ 1612 Abs. 1 BGB). Der für den Verwandtenunterhalt geltende Grundsatz, dass sich das Maß des Unterhalts, also der Bedarf, nach der Lebensstellung des Bedürftigen richtet, gilt für minderjährige Kinder in modifizierter Form: Da das minderjährige Kind noch keine eigene Lebensstellung hat, weil es i.d.R. wirtschaftlich von seinen Eltern abhängig ist, richtet sich sein Bedarf tatsächlich nach den Einkommensverhältnissen der unterhaltspflichtigen Eltern.3 a) Bedarf – abgeleitet aus der Lebensstellung der Eltern
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Lebt das Kind bei nur einem Elternteil, der das Kind versorgt und betreut, so bestimmt sich sein Bedarf grundsätzlich nur nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des nicht betreuenden, barunterhaltspflichtigen Elternteils. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des nicht betreuenden Elternteils prägen mithin die Lebensstellung des minderjährigen Kindes und bestimmen damit das
1 BGH, FamRZ 1984, 682. 2 BGH, FamRZ 1980, 994. 3 BGH, FamRZ 1981, 543; FamRZ 1996, 160.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
Maß des ihm zustehenden Barunterhalts.1 Den daneben auch bestehenden Unterhaltsbedarf des minderjährigen Kindes nach Pflege, Betreuung und Erziehung erfüllt der Elternteil – Vater oder Mutter –, mit dem das Kind in einem Haushalt zusammenlebt, mit seiner Betreuungsleistung (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB). Lebt das Kind bei keinem Elternteil, sind beide Eltern barunterhaltspflichtig und haften für den Barunterhalt als Teilschuldner anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB, zur Berechnung s. Rz. 260 ff.). Kinder nehmen – unabhängig davon, ob die Eltern miteinander verheiratet wa- 8 ren, nach deren Trennung oder Scheidung weiter an der Lebensstellung des nun barunterhaltspflichtigen Elternteils teil, der nicht mehr mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebt. Dies gilt für ungünstige Entwicklungen der Einkommensverhältnisse, insbesondere auch für eine durch Trennung und Scheidung bedingte Verringerung des Einkommens des Verpflichteten, aber auch für besonders günstige Veränderungen, z.B. aufgrund eines Karrieresprungs.2 Anderes gilt für den Unterhaltsbedarf eines geschiedenen Elternteils, der nur noch den nach den eheprägenden Lebensverhältnissen zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung angemessenen Unterhalt verlangen kann, Kap. F Rz. 16 ff. Kinder müssen jedoch keine dem Unterhaltspflichtigen vorwerfbaren Verringerungen seines Einkommens hinnehmen, die darauf angelegt sind, ihren Unterhaltsanspruch zu schmälern;3 s. dazu auch das erste Beispiel unter Rz. 164. b) Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt Der betreuende Elternteil ist i.d.R. von der Barunterhaltszahlung befreit, weil 9 Bar- und Betreuungsunterhalt – und zwar für jedes Kindesalter bis zur Volljährigkeit – gleichwertig sind (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB).4 Dieser Grundsatz der Gleichwertigkeit gilt unabhängig davon, ob der betreuende Elternteil berufstätig ist oder nicht.5 Nur besondere Umstände können ausnahmsweise eine weitergehende Unter- 10 haltspflicht des betreuenden Elternteils bewirken. Könnte z.B. der barunterhaltspflichtige Elternteil bei Zahlung des Barunterhalts nicht mehr seinen angemessenen Eigenbedarf decken (§ 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB) und erzielt der betreuende Elternteil wesentlich höhere Einkünfte, kann er außer zur Pflege und Erziehung des Kindes verpflichtet sein, ergänzend einen Teil oder den ganzen Barunterhalt zu leisten.6 Diese zugunsten des barunterhaltspflichtigen Elternteils in Betracht kommende Ausnahme, gehört systematisch zum Prüfungskomplex der Leistungsfähigkeit des barunterhaltspflichtigen Elternteils und kann von ihm als Einwendung gegen die Inanspruchnahme geltend gemacht werden, für deren Vorliegen er auch darlegungs- und beweispflichtig ist. Zu den Einzelheiten der Voraussetzungen der eingeschränkten Leistungsfähigkeit s. Rz. 49, 50 ff.
1 BGH, FamRZ 1996, 160 (161); 1981, 543 (544); 1987, 58; 1989, 172. 2 BGH, FamRZ 1996, 160; FamRZ 1983, 473. 3 So sind z.B. leichtfertig eingegangene Verbindlichkeiten nicht zu berücksichtigen, BGH, FamRZ 1982, 157 (158). 4 BGH, FamRZ 1980, 994 (995); 1988, 159 (161). 5 BGH, FamRZ 1981, 543 (544). 6 BGH, FamRZ 2011, 1041 Tz. 41; 2008, 137 Tz. 41 ff. unter Bezugnahme auf seine ständige Rspr. in FamRZ 1991, 182 (183); 1998, 286 (288); 2002, 742 mit Anm. Büttner, 743.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
11 Die Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt hat noch Bedeutung für
den Fall, dass das Kind teilweise seinen Bedarf durch eigene Einkünfte deckt; denn der zu zahlende Barunterhalt mindert sich dann nur um die Hälfte der bereinigten Einkünfte des Kindes, so dass die aufgrund der Anrechnung des Einkommens des Kindes bewirkte Bedarfsminderung im Ergebnis beiden Eltern zukommt.1 S. dazu das Beispiel unter Rz. 37. c) Die Darlegungs- und Beweislast für den Bedarf 12 Die Darlegungs- und Beweislast für seinen von der Lebensstellung des Verpflich-
teten abgeleiteten Bedarf trägt das Kind, das diesen anhand der Einkommensverhältnisse des Verpflichteten begründen muss. Dies stellt eine Abweichung von dem sonst im Verwandtenunterhalt geltenden Grundsatz dar, nach dem der Berechtigte seinen Bedarf anhand seiner eigenen Lebensstellung darlegen und beweisen muss.2 Das Kind ist jedoch von der Darlegungs- und Beweislast entbunden, soweit es nur den für sein Alter maßgeblichen Mindestbedarf geltend macht, denn dieser Bedarf ist als sog. Mindestunterhalt seit dem 1.1.20083 in § 1612a Abs. 1 BGB gesetzlich definiert und steht für das Existenzminimum des Kindes. Zur Höhe des Mindestunterhalts s. Rz. 19; zu den damit abgedeckten Bedarfsbereichen Rz. 26 ff. 13 Die Erleichterungen bei der Darlegungs- und Beweislast in Höhe des Mindest-
bedarfs zugunsten des Kindes ändern nichts an dem Grundsatz, dass auch der Mindestunterhalt nur nach Leistungsfähigkeit des Verpflichteten geschuldet ist. Denn der materielle Unterhaltsanspruch ist letztlich in seiner Höhe immer auch abhängig von der Leistungsfähigkeit des Schuldners. Insoweit besteht ein wechselbezügliches Abhängigkeitsverhältnis. 14
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Praxishinweis: Muss das Kind seinen Unterhalt einklagen, hat es zur schlüssigen Begründung des von ihm geltend gemachten Unterhaltsbedarfs, soweit dieser den Mindestunterhalt übersteigt, die Einkommensverhältnisse des Verpflichteten darzulegen. Insoweit steht ihm zur Klärung ein Auskunftsanspruch gegenüber dem Verpflichteten zu (vgl. dazu Kap. I Rz. 5 ff.). Es muss hingegen nicht vortragen, wie hoch das Einkommen des betreuenden Elternteils ist. Selbst wenn der betreuende Elternteil ein deutlich höheres Einkommen als der andere hat und deshalb ausnahmsweise eine Beteiligung des anderen Elternteils am Barunterhalt in Betracht käme, ist es nicht Sache des Kindes die Voraussetzungen einer für den barunterhaltspflichtigen Elternteil günstigen Einwendung darzulegen und ggf. zu beweisen. Dem barunterhaltspflichtigen Elternteil steht ein eigener Auskunftsanspruch gegen den anderen Elternteil zu, so dass er selbst die Voraussetzungen klären kann. (Kap. I Rz. 7).4
1 Zur hälftigen Anrechnung eigener Einkünfte des Kindes auf den Barbedarf wegen der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt vgl. BGH, FamRZ 1980, 1109 (1111); 1981, 541 (543); 1988, 159 (161). 2 Baumgärtel/Aps § 1610 BGB Rz. 1; BGH, FamRZ 2002, 536 (540). 3 Zeitpunkt des Inkrafttretens des UÄndG. 4 BGH, FamRZ 1988, 268.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
d) Unterhalt für den gesamten Lebensbedarf – § 1610 Abs. 2 BGB Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf des Kindes, einschließlich 15 der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf sowie der Erziehungskosten (§ 1610 Abs. 2 BGB). Im Wesentlichen besteht der Lebensbedarf in der Ausstattung mit allen für die 16 leibliche und geistige Entwicklung notwendigen Mitteln, also Nahrung, Bekleidung, Hygiene, Gesundheits- und Krankenvorsorge, Unterkunft, aber auch mit Mitteln für Freizeitgestaltung, Taschengeld, Erholung, Reisen, Bildung, Befriedigung musischer und sportlicher Bedürfnisse und dergleichen. Der Bedarf – also die Bestimmung der Höhe des benötigten Barunterhalts – kann 17 konkret nach aufzulistenden Bedürfnissen des minderjährigen Kindes oder pauschal auf der Grundlage des Einkommens des Pflichtigen nach Unterhaltstabellen berechnet werden. In der Praxis hat sich die Bedarfsberechnung nach Unterhaltstabellen als Regelfall durchgesetzt, da sie dem Bedürfnis nach Vereinfachung und einheitlicher Handhabung des Unterhaltsrechts am besten entspricht (s. dazu Rz. 21). Die heute maßgebliche Unterhaltstabelle ist die Düsseldorfer Tabelle (DT). Sie geht bei ihrem untersten Tabellenbetrag vom gesetzlich definierten Mindestunterhalt aus, der durch seine Anbindung an das sächliche Existenzminimum des Steuerrechts bestimmte Bedarfsbereiche abdeckt, die bei höheren Einkommen auf einem großzügigeren Niveau abgedeckt werden können, ohne dass sich das Spektrum der Bedarfsbereiche selbst ändert. Deckt der Tabellenunterhalt nicht den gesamten Lebensbedarf des Kindes ab, kann ein Mehr- oder Sonderbedarf gesondert geltend gemacht werden. Das Gesetz bestimmt für den Bedarf keine feste Grenze nach oben; eine sog. Sätti- 18 gungsgrenze gibt es nicht. Allerdings wird der Anspruch auch in wohlhabenden Verhältnissen zu einer Begrenzung führen.1 Denn die Befriedigung des gesamten Bedarfs während des Heranwachsens eines Minderjährigen bedeutet nicht, alle Kinderwünsche zu erfüllen, sondern dem Minderjährigen das zukommen zu lassen, was ein Kind seines Alters braucht und was ihm nach dem Lebensstandard des barunterhaltspflichtigen Elternteils als angemessener Unterhalt zusteht (§ 1610 Abs. 1 S. 1 BGB). Dabei ist – auch bei besten Einkommensverhältnissen des Verpflichteten – nicht eine Teilhabe am Luxus geschuldet, sondern nur die Befriedigung des gehobenen Lebensbedarfs eines Kindes.2 Zum Problem der Anwendbarkeit der DT bei überdurchschnittlichem Einkommen des Verpflichteten s. Rz. 23; zur Abgrenzung zwischen Mehrbedarf und Unterhalt über die Höchststufe der DT wegen überdurchschnittlicher Einkommensverhältnisse des Verpflichteten s. Rz. 303. e) Mindestunterhalt Minderjährige Kinder haben Anspruch auf einen Mindestunterhalt im Sinne ei- 19 nes Mindestbarbedarfs, der seit 1.1.2008 gesetzlich definiert ist: Nach § 1612a Abs. 1 BGB kann ein minderjähriges Kind von einem Elternteil, mit dem es nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebt, den Unterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhalts verlangen (§ 1612a Abs. 1 S. 1 BGB). Dabei richtet sich dieser Mindestunterhalt nach dem doppelten steuerrechtlichen Freibetrag 1 BGH, FamRZ 1983, 473 (474). 2 BGH, FamRZ 2001, 1603; 1983, 473.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
für das sächliche Existenzminimum eines Kindes (Kinderfreibetrag) nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG. Der Mindestunterhalt ist gestaffelt nach Altersgruppen und beträgt für die Zeit bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres des Kindes (1. Altersstufe) 87 %, für die Zeit vom siebten bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres (2. Altersstufe) 100 % und für die Zeit vom dreizehnten Lebensjahr an 117 % eines Zwölftels des doppelten steuerrechtlichen Kinderfreibetrags. Mit der gesetzlichen Regelung eines Mindestbarbedarfs für Minderjährige hat der Gesetzgeber Klarheit zu der bis dahin streitigen Frage geschaffen, ob – und vor allem in welcher Höhe – ein Kind Anspruch auf Mindestunterhalt hat, denn seit dem Inkrafttreten des KindUG v. 6.4.1998 fehlte eine entsprechende Regelung.1 Die Bedeutung einer gesetzlichen Regelung des Mindestunterhalts liegt darin, dass eine unwiderlegbare Vermutung dafür spricht, dass jedes minderjährige Kind den im Gesetz konkret für seine Altersgruppe geregelten Mindestbedarf im Sinne eines Existenzminiums zum Leben benötigt, es sei denn, es verfügt über eigene bedarfsdeckende Einkünfte. Dies verbessert die verfahrensrechtliche Stellung des Kindes im Unterhaltsstreitverfahren, denn ihm obliegt nicht die Darlegungs- und Beweislast für diesen Mindestbedarf, weil er in der Höhe unabhängig ist von den Einkommensverhältnissen des Verpflichteten. Dies führt jedoch nicht dazu, dass der Unterhalt auch jeweils in dieser Höhe geschuldet ist, denn ein Mindestunterhalt ist unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nicht geschuldet. Auch kann der Bedarf durch eigene Einkünfte des Kindes ganz oder teilweise gedeckt sein, so dass es gar nicht oder in geringerem Umfang unterhaltsbedürftig ist (Rz. 36). 20
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Praxishinweis: Die Darlegungs- und Beweislastregel zugunsten minderjähriger Kinder sollte nicht dazu verleiten, den Mindestunterhalt einzuklagen, ohne sich vorher der Leistungsfähigkeit des Schuldners zu vergewissern, denn in der Praxis kommt es immer häufiger vor, dass Eltern trotz vollschichtiger Arbeit unverschuldet nur eingeschränkt leistungsfähig sind. Da Unterhalt nur nach Leistungsfähigkeit geschuldet wird, trägt das Kostenrisiko einer überhöhten Forderung das Kind (§ 243 Abs. 1 Nr. 1 FamFG, Kap. K Rz. 102 f.; 107). Um nachteilige verfahrensrechtliche Kostenentscheidungen zu vermeiden, sollte deshalb der Unterhaltsschuldner schon vor der Einleitung des Unterhaltstreitverfahrens unter Fristsetzung zur Auskunftserteilung zum Zwecke der Unterhaltsberechnung mit eindeutiger Bezeichnung der gewünschten Auskunft und der vorzulegenden Belege aufgefordert werden (§§ 1605, 1613 BGB, s. Kap. J Rz. 5 f. mit Hinweisen und Musterschreiben). Denn ist der Schuldner insoweit säumig und gibt er damit Anlass für das Streitverfahren, kann das Gericht dies in der am Ende des Verfahrens zu treffenden Kostenentscheidung gem. § 243 Abs. 1 Nr. 2 FamFG nach billigem Ermessen zu seinen Lasten berücksichtigen. Dies selbst dann, wenn der Antrag des Kindes nur teilweise Erfolg hat. Befindet sich der Verpflichtete mit der Auskunftserteilung im Verzug kann das Kind auch sogleich die Zahlung des Mindestunterhalts beantragen, um das langwierige Auskunfts-
1 Der Gesetzgeber hatte bei der Reformierung des Kindesunterhalts im Zuge der Kindschaftsrechtsreform die zuvor bis zum 30.6.1998 geltende Mindestbedarfsregelung des § 1610 Abs. 3 BGB a.F. für das neue Recht ersatzlos gestrichen mit der Folge, dass Unsicherheit darüber bestand, in welcher Höhe zugunsten minderjähriger Kinder ein Mindestunterhalt in Betracht kommt und bis zu welchem Betrag das Kind für einen Mindestunterhalt von seiner Darlegungs- und Beweispflicht entbunden ist. Zum Meinungsstreit s. Ehinger/Griesche/Rasch, Unterhaltsrecht, 6. Aufl. Rz. 13.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
verfahren bei einem Stufenverfahren zu vermeiden. Außerdem kann beantragt werden, dass das Gericht dem Antragsgegner nach § 235 Abs. 1 FamFG die Auskunftserteilung verpflichtend aufgibt. Um die kostengünstige Regelung bei versäumter Auskunftserteilung durch den Verpflichteten zu erreichen, muss das Kind im Streitverfahren konkrete Angaben dazu machen, wann das vorgerichtliche Aufforderungsschreiben dem Verpflichteten zugegangen ist und es muss den Zugang im Falle des Bestreitens beweisen. Zur Sicherung der Beweisführung s. den Praxishinweis unter Kap. J Rz. 9. f) Bedarf nach der Düsseldorfer Tabelle, Mehrbedarf, Sonderbedarf und Bedarf bei überdurchschnittlichem Einkommen des Verpflichteten Üblich ist in der Praxis die Berechnung des Barunterhaltsbedarfs nach der Düs- 21 seldorfer Tabelle (DT). Diese wurde ab 1.1.1979 von den Familiensenaten des OLG Düsseldorf erstellt und publiziert, setzte sich später zunehmend bundesweit durch und beruht mittlerweile auf Koordinierungsgesprächen aller Familiensenate der Oberlandesgerichte und der Unterhaltskommission des Deutschen Familiengerichtstages mit dem Ziel der Sicherung einer möglichst einheitlichen Rechtsprechung zum Kindesunterhaltsbedarf.1 Seit 1.1.2008 wird sie bundeseinheitlich in allen Oberlandesgerichtsbezirken angewendet. Die Unterhaltstabelle enthält nach dem Alter des Kindes und dem Einkommen seines barunterhaltspflichtigen Elternteils gestaffelte Pauschalsätze, deren Ausgangswerte die gesetzlich definierten Mindestunterhaltsbeträge der drei Altersgruppen nach § 1612a Abs. 1 BGB sind. Diese Mindestbedarfssätze der Einkommensgruppe 1 erhöhen sich in den darauf aufbauenden weiteren 9 Einkommensgruppen prozentual entsprechend der Steigerung des Einkommens. Die Anknüpfung der Tabellenrichtsätze an den gesetzlich definierten Mindestunterhalt, der sich wiederum nach dem doppelten Einkommensteuerfreibetrag für das sächliche Existenzminimum eines Kindes richtet (§ 1612a Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 32 Abs. 6 EStG), hat zur Folge, dass die Gerichte die DT jeweils anpassen, wenn der Gesetzgeber die Höhe des steuerrechtlichen Kinderfreibetrags verändert. Mit dem Tabellenunterhalt sollen alle durchschnittlichen Lebenshaltungskosten, die beim Zusammenleben des Minderjährigen mit dem betreuenden Elternteil im Haushalt entstehen, abgedeckt werden. Soweit für bestimmte Bedarfsbereiche besonders hohe Kosten entstehen, kön- 22 nen diese als Mehrbedarf, ergänzend zum Tabellenunterhalt, geltend gemacht werden. Dabei muss es sich um dauerhaft auftretende Kosten handeln, wie z.B. Kosten für eine Krankenkasse, die in den Tabellensätzen nicht mit berücksichtigt sind, weil Minderjährige i.d.R. bei ihren Eltern mitversichert sind. Zu den Einzelheiten, insbesondere zur Zumutbarkeit der Haftung der Eltern für Mehrbedarf s. Rz. 295 f. Soweit einmalig hohe Kosten für einen bestimmten Bedarfsbereich entstehen, deren Finanzierung aus dem laufenden Tabellenunterhalt nicht möglich ist, können diese als Sonderbedarf geltend gemacht werden. S. dazu Rz. 306 f. Hat der Verpflichtete ein überdurchschnittlich hohes Einkommen, das deutlich 23 über der höchsten Einkommensgruppe der DT liegt, stellt sich die Frage, in welchem Umfang das Kind an dem überdurchschnittlichen Lebensstandard teilhaben soll. Für die Bestimmung des angemessenen Bedarfs bei dieser Fallkonstella1 Zur Entwicklung der DT s. Otto, FamRZ 2012, 837 ff.
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tion, hält der BGH es nicht für möglich, die Bedarfssätze der DT über die höchste Gruppe hinaus pauschalierend, unter Berücksichtigung des überdurchschnittlichen Einkommens des Verpflichteten, im Wege der Schätzung fortzuschreiben, vielmehr muss das Kind seinen höheren Bedarf anhand des Einkommens des Verpflichteten und seiner über dem höchsten Tabellenbetrag liegenden eigenen konkreten Bedürfnisse darlegen und beweisen. D.h., es müssen besonders kostenintensive Bedürfnisse und die dafür entstehenden Kosten, die die Tabellensätze überschreiten, dargelegt werden, wobei „an die Darlegungslast keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden“.1 Dahinter steht die Überlegung, dass mit dem Tabellenunterhalt der höchsten Einkommensstufe, der 160 % des Mindestbedarfs beträgt, bereits ein angemessener allgemeiner Lebensbedarf auf erhöhtem Niveau abgedeckt wird, so dass weiterer kindgerechter Unterhalt einer besonderen Begründung bedarf. Keine Rolle spielt für die Beurteilung der Angemessenheit des Bedarfs die Frage der Zumutbarkeit der Belastung des Verpflichteten, denn diese gehört systematisch zur Prüfung der Leistungsfähigkeit, die bei dieser Fallkonstellation außer Zweifel steht. 24 Zu den Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast führt der BGH aus:
„Insbesondere wird dem Unterhaltsberechtigten im Regelfall nicht angesonnen werden können, seine gesamten – auch elementaren – Aufwendungen in allen Einzelheiten spezifiziert darzulegen. Er wird sich vielmehr regelmäßig darauf beschränken dürfen, besondere oder besonders kostenintensive Bedürfnisse zu belegen und darzutun, welche Mittel zu deren Deckung notwendig sind. Im Übrigen ist das Gericht, das einen derartigen erhöhten Bedarf zu beurteilen hat, nicht gehindert, den zur Deckung erforderlichen Betrag unter Heranziehung des Mehrbetrags zu berechnen, der sich aus der Gegenüberstellung solcher besonderer Bedürfnisse mit bereits von den Richtwerten der Düsseldorfer Tabelle erfassten Grundbedürfnissen ergibt, und unter Zuhilfenahme allgemeinen Erfahrungswissens nach Maßgabe des § 287 ZPO zu bestimmen.“2 25 Zur Abgrenzungsproblematik zwischen erhöhtem Unterhalt wegen überdurch-
schnittlicher Einkommensverhältnisse des Verpflichteten und Mehrbedarf als Ergänzung zum Tabellenunterhalt s. Rz. 303 f. g) Die vom Mindestunterhalt abgedeckten Bedarfsbereiche 26 Der Mindestunterhalt richtet sich nach dem doppelten Freibetrag für das sächli-
che Existenzminimum eines Kindes nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG (§ 1612a Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB). Durch die Anknüpfung des Mindestunterhalts an das steuerrechtliche sächliche Existenzminimum eines Kindes ergibt sich eine Konkretisierung der Bedarfsbereiche, die in dem steuerrechtlichen Freibetrag und damit auch im Mindestunterhalt berücksichtigt sind. Denn nach dem Beschluss des Deutschen Bundestags vom 2.6.19953 hat die Bundesregierung alle zwei Jahre einen Bericht über die Höhe des von der Einkommensteuer freizustellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern vorzulegen, in dem die Grundlagen für die Bemessung des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums aufgeschlüsselt sind und der die Grundlage der gesetzgeberischen Entscheidung über den Steuerfreibetrag bilden soll. 1 BGH, FamRZ 2000, 358 (359) mit kritischer Anm. Deisendorfer. 2 BGH, FamRZ 2000, 358 (359). 3 BT-Drucks. 13/1558 v. 31.5.1995 und Plenarprotokoll 13/42 v. 2.6.1995.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
Dabei orientieren sich die Existenzminimumberichte für ihre Prognose des exis- 27 tenzsichernden Bedarfs von Kindern an dem sozialhilferechtlichen Regelbedarf für Kinder, der im Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) errechnet wird1 und Inhalt der Anlage zu § 28 SGB XII ist, einschließlich der besonders typischen Bedarfspositionen der Leistungen für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben nach § 34 SGB XII sowie für Wohn- und Heizkosten, inklusive Warmwasser, die nach dem Sozialhilferecht nicht im Regelbedarf enthalten sind (§ 35 SGB XII). Aus diesen Werten ist ein für alle Kinder geltender Durchschnittswert für die Bildung des steuerrechtlichen Freibetrags zu bilden.2 Für die Bestimmung der Regelbedarfe, die nach Altersgruppen gegliedert sind, hat der Gesetzgeber unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG3 das Sozialhilferecht in 2011 in den §§ 28, 28a, 29, 34 ff. SGB XII neu gestaltet und darin das Verfahren sowie die Bemessungskriterien für den notwendigen Lebensunterhalt und die Leistungen für Bildung und Teilhabe geregelt. Insoweit gilt, dass die Regelbedarfe für den notwendigen Lebensunterhalt durch Bundesgesetz festgesetzt werden4 und für die Jahre, in denen keine Neuermittlung nach § 28 SGB XII erfolgt (§ 28a SGB XII), die Werte nach einem bestimmten Fortschreibungsmodus angepasst werden. Mit dieser Regelung wurde ein bundeseinheitliches Leistungsniveau geschaffen, das jedoch von den Ländern bei regionalen Besonderheiten abgeändert werden kann. Auf der Basis dieser Werte errechnet der Existenzminimumbericht unter Ver- 28 nachlässigung regionaler Unterschiede für alle Altersgruppen einen für die Besteuerung maßgeblichen Durchschnittswert der Regelbedarfswerte, des Bedarfs für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben sowie für Unterkunfts- und Heizkosten. Erfasst sind damit Leistungen für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie, Heizkosten inklusive Warmwasser und Kosten der Unterkunft (Bruttokaltmiete), Leistungen für persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens sowie Bildungs- und Teilhabeleistungen, sofern sie typische Bedarfspositionen abdecken, die für den überwiegenden Teil der Kinder von Bedeutung sind. Letztere sind Kosten für den Schulbedarf sowie für Ausflüge und Teilhabe an Freizeitveranstaltungen (z.B. in Vereinen). Für die Jahre 2013/2014 ergibt sich aus dem Neunten Existenzminimumbericht5 folgende zusammenfassende Übersicht zum sächlichen Existenzminimum von Kindern, das der steuerliche Freibetrag abdecken muss. Dabei handelt es sich um statistisch belegte Mindestbeträge, die der Gesetzgeber aus politischen Erwägungen auch höher festlegen kann:6
1 Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII (RBEG) v. 24.3.2011, BGBl. I, 2011, S. 453. 2 BVerfGE 91, 93, 111 f. = FamRZ 1994, 1313 zum notwendigen Inhalt des Kinderfreibetrags. 3 BVerfGE 125, 175 = FamRZ 2010, 429. 4 Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des SGB XII – RBEG. 5 Der Neunte Existenzminimumbericht für die Jahre 2013/2014 wurde in Fassung vom 7.11.2012 vom Bundeskabinett beschlossen und dem BT am 7.11.2012 vorgelegt, s. BTDrucks. 17/11425, S. 1–8. 6 So z.B. mit Gesetz vom 22.12.2009, mit dem in § 32 Abs. 6 EStG der Freibetrag auf 4 368 Euro (= 2 184 Euro/pro Elternteil) festgesetzt wurde, während das sächliche Minimum nach dem Siebenten Existenzminimumbericht 3 864 Euro betrug, BT-Drucks. 16/11065.
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Kinder: Durchschnittlicher Regelbedarf für Kinder bis unter 18 Jahren Bildung und Teilhabe Kosten der Unterkunft Heizkosten Sächliches Existenzminimum steuerlicher Freibetrag 2013/2014:
3 096 Euro 228 Euro 912 Euro 204 Euro = 4 440 Euro
= 258 Euro/Monat = 19 Euro/Monat = 76 Euro/Monat = 17 Euro/Monat = 370 Euro/Monat
4 368 Euro
29 Der Wohnbedarf einschließlich der Heizkosten entspricht einem Anteil von
25 % des sächlichen Existenzminimums. Insoweit handelt es sich allerdings um einen pauschalierten Wert, der regional unterschiedlich hoch sein kann. Die süddeutschen OLG bringen den Wert im Tabellenunterhalt mit ca. 20 % in Ansatz.1 Neben dem Freibetrag für das sächliche Existenzminimum gibt es noch den Freibetrag für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf i.H.v. 2 640 Euro, so dass der Steuerfreibetrag 2014 insgesamt 7 008 Euro beträgt. Von 2010–2013 betrug der steuerliche Freibetrag ebenfalls 4 368 Euro. Das sächliche Existenzminimum betrug hingegen für 2010 nach dem Siebenten Existenzminimumbericht nur 3 864 Euro2, für 2012 nach dem Achten Existenzminimumbericht 4 272 Euro.3 Die Einzelheiten zu den quotalen Anteilen der einzelnen Bedarfe am Gesamtbedarf können dem jeweiligen Existenzminimumbericht, ab 1.1.2011 i.V.m. dem RBEG (oder der Anlage des § 28 SGB XII), und § 34 SGB XII entnommen werden. h) Folgen der Verknüpfung des Mindesunterhalts mit § 32 Abs. 6 EStG 30 Der Mindestunterhalt nach § 1612a Abs. 1 BGB bildet den Ausgangswert für die
Tabellensätze der DT. Die Verknüpfung des Tabellenunterhalts mit dem Mindestunterhalt – und damit mit dem Sozialhilfe- und Steuerrecht – führt einerseits zu mehr – auch wünschenswerter – Transparenz, welche Bereiche des allgemeinen Lebensbedarfs mit den Pauschalsätzen der Tabelle abgedeckt werden sollen, andererseits verkompliziert sich dadurch aber z.B. die rechtliche Geltendmachung eines besonders kostspieligen Mehrbedarfs (Rz. 299 ff.). So ergibt die Auswertung einiger obergerichtlicher Entscheidungen, dass zunehmend eine differenzierte Auseinandersetzung mit den gesetzlich geregelten Berechnungsgrundlagen der einzelnen Komponenten des allgemeinen Lebensbedarfs erfolgt und teilweise auch schon ein entsprechender Vortrag vom Unterhaltsberechtigten erwartet wird.4 Dies ist insbesondere unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH durchaus folgerichtig, denn da der Tabellenunterhalt nach den höheren Einkommensgruppen im Grundsatz keinen vom Mindestunterhalt we1 2 3 4
Nr. 21.5.2 der SüdL, Stand 1.1.2013. BT-Drucks. 16/11065., S. 1 ff. BT-Drucks. 17/5550, S. 1 ff. So das OLG Brandenburg (9. Senat), FamRZ 2012, 1399; OLG Hamm, FamRZ 2013, 139; OLG Schleswig, FamRB 2012, 139; anders OLG Brandenburg v. 2.9.2013 – 13 UF 136/12, juris, das zwar von einer Beteiligung des Kindes an den Kosten des Mehrbedarfs ab dem Tabellenunterhalt der zweiten Einkommensgruppe ausgeht, diesen aber schätzt, weil er sich einer rationalen Begründung entziehe.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
sensverschiedenen Aufwand, sondern nur den allgemeinen Lebensbedarf auf höherem Niveau abdeckt, muss das Kind als Anspruchsteller seinen über dem Tabellenunterhalt liegenden besonderen Bedarf schlüssig darlegen. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit den Berechnungsgrundlagen des Mindestunterhalts, soweit dieser bereits Bedarfsbereiche wenigstens teilweise berücksichtigt, die beim Anspruchsteller höhere Kosten verursachen. Allerdings kann das Ergebnis kein genaues Rechenwerk sein, denn die Voraussetzungen dafür sind aus mehreren Gründen letztlich nicht gegeben: Zum einen gilt zwar nach der Rechtsprechung des BGH, dass die im Existenz- 31 minimumbericht aufgeschlüsselten Werte für die einzelnen Komponenten des allgemeinen Lebensbedarfs analog zum Steigerungsmodus des Tabellenunterhalts fortgeschrieben werden können, gleichwohl basiert das steuerrechtliche Existenzminimum im Wesentlichen auf dem sozialrechtlichen Existenzminimum, das anhand statistisch ermittelter Durchschnittsbeträge bestimmt wurde. Sinn der Pauschalisierung ist, dass der Hilfsbedürftige einen Betrag zur eigenverantwortlichen Verwendung erhält, bei dem ihm zuzumuten ist, einen besonderen Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen Bereich selbst auszugleichen.1 „Die regelungsrelevanten Ausgabepositionen und -beträge sind von vornherein als abstrakte Rechengrößen konzipiert, die nicht bei jedem Hilfebedürftigen exakt zutreffen müssen, sondern erst in ihrer Summe ein menschenwürdiges Dasein gewährleisten sollen“.2 Daraus folgt, dass auch beim Tabellenunterhalt nicht jede Erhöhung eines Bedarfsbereichs einen Mehrbedarf für das Kind begründet. Denn auch für das steuerrechtliche Existenzminimum – und damit für den Tabellenunterhalt – gilt die Anforderung, den erhöhten Bedarf in einem Bereich durch einen geringeren Bedarf in einem anderen Bereich auszugleichen. Diese Anforderung, mit dem Tabellenunterhalt zunächst zurechtzukommen, wird umso zumutbarer, je höher das Niveau des Tabellenunterhalts steigt. Des Weiteren ist zu beachten, dass der Gesetzgeber für die Bemessung des dem Tabellenunterhalt zugrundeliegenden steuerrechtlichen Existenzminimums nicht nur auf das sozialrechtliche Existenzminimum für Kinder abstellt, sondern für die Pauschalierung des Freibetrags auch steuerpolitische Gesichtspunkte mitberücksichtigt, was dazu führt, dass der Freibetrag höher liegen kann als das sozialrechtliche Existenzminimum. S. dazu Rz. 29. Dieser Umstand rechtfertigt letztlich auch die in der Literatur aufgeworfene Frage, ob die Anbindung der DT an den gesetzlich definierten Mindestunterhalt wirklich nachhaltig tragfähig ist, bzw. inwieweit die gesetzliche Regelung in der jetzigen Fassung mit ihrer uneingeschränkten Bezugnahme auf das steuerrechtliche Existenzminimum für die unterhaltsrechtliche Praxis tauglich ist.3
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Praxishinweis: Der Vorteil der Vereinfachung liegt bei der Bedarfsbestim- 32 mung nach Tabellen auf der Hand und entspricht auch der üblichen Praxis. Dennoch sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass die Tabellen nur Hilfsmittel sind und ihre Anwendung nicht zwingend ist. Im Einzelfall kann durchaus eine konkrete Berechnung sinnvoller sein, z.B. wenn für das Kind aufgrund einer Behinderung, aber auch aufgrund besonderer Begabung oder sportlicher Ambitionen überdurchschnittliche Kosten entstehen. Darle-
1 BVerfG, FamRZ 2010, 429 (439). 2 BVerfG, FamRZ 2010, 429 (439). 3 Koch/Schürmann, Handbuch des Unterhaltsrechts, Kap. 4, Rz. 4117.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
gungs- und beweispflichtig für den Bedarf ist, soweit ein höherer Bedarf als der Mindestunterhalt nach der Einkommensgruppe 1 verlangt wird, im Unterhaltsstreitverfahren immer das Kind. i) Bedeutung der Mindestunterhaltsbeträge/Regelbeträge für den dynamisierten Kindesunterhalt 33 Der Tabellenunterhalt ist in seiner praktischen Bedeutung durch das seit
1.7.1998 geltende KindUG erheblich aufgewertet worden. Denn seitdem kann der nach der Tabelle ermittelte Individualunterhalt – aber auch jeder abweichend davon konkret bestimmte Betrag – nicht nur als bezifferter und damit statischer Zahlbetrag, sondern auch in Form eines Prozentsatzes der jeweiligen Bezugsgröße im Unterhaltstitel sowohl für eheliche als auch nichteheliche Kinder festgelegt werden. Ein z.B. 350 Euro betragender Unterhaltsbedarf für ein Kind der 2. Altersstufe kann deshalb auch als Prozentsatz des Mindestunterhalts tituliert werden. Beträgt der Mindestunterhalt z.B. 322 Euro, so würde der Unterhaltstitel dann auf Zahlung von 108,6 % des Mindestunterhalts der Altersstufe 2 lauten. Dabei ist zu rechnen wie folgt: 350 Euro Bedarf / 322 Euro Mindestunterhalt der Altersstufe 2 × 100 = 108,6 %. Der Prozentsatz ist auf eine Dezimalstelle zu begrenzen, jede weitere sich ergebende Dezimalstelle wird nicht berücksichtigt (§ 1612a Abs. 2 BGB). Erhöhen sich die Mindestunterhaltsbeträge später und läge der Mindestunterhalt für die 2. Altersstufe z.B. bei 330 Euro, stünde dem Kind ein Anspruch auf Zahlung von mtl. 359 Euro zu (108,6 % von 330 Euro), ohne dass sein Titel über 108,6 % des Mindestunterhalts der 2. Altersstufe verändert werden müsste. Der sich aus der Berechnung ergebende Betrag ist jeweils auf volle Euro aufzurunden (§ 1612a Abs. 2 Satz 2 BGB).1 34 Zur Formulierung eines Antrags auf Zahlung von dynamisierten Kindesunter-
halt vgl. Kap. K Rz. 279 ff. Bei dynamisierten Unterhaltstiteln, die in der Zeit bis 31.12.2007 errichtet wurden und in denen fortlaufender Unterhalt auch ab 1.1.2008 tituliert ist, ist als variabler Bezugspunkt des dynamisierten Unterhalts noch der Regelbetrag nach der Regelbetrag-VO angegeben. Diese Titel sind kraft Gesetzes, ohne dass ein Abänderungsverfahren notwendig ist, an das seit 1.1.2008 geltende Recht angepasst (§ 36 Nr. 3 EGZPO), vgl. dazu Kap. O Rz. 23 ff. Die Umrechnung dynamischer Titel wird auch unter Anm. E der DT (Stand 1.1.2013/2014) erläutert. 2. Bedürftigkeit 35 Das minderjährige Kind ist unterhaltsberechtigt, wenn es außerstande ist, sich
selbst zu unterhalten (§ 1602 Abs. 1 BGB). 36 Minderjährige Kinder sind i.d.R. unterhaltsbedürftig, weil sie meist keine eige-
nen Einkünfte haben. Wenn das Kind aber Einkünfte bezieht, z.B. aufgrund eines Ausbildungsverhältnisses oder aus Vermögen, muss es diese Einkünfte für seinen Unterhalt verwenden. Eine Pflicht, den Vermögensstamm zu verwerten, besteht nicht (§ 1602 Abs. 2 BGB). Nur wenn der eigene angemessene Unterhalts1 Vgl. dazu auch jeweils die Nr. 24 der Leitlinien der OLG, in der die Rundungsregel für alle Unterhaltsansprüche empfohlen wird.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
bedarf der Eltern aufgrund der Gewährung von Kindesunterhalt gefährdet wäre, ist das Kind gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB auf seinen Vermögensstamm zu verweisen. Decken die Einkünfte des Kindes jedoch den Bedarf, besteht kein Unterhaltsanspruch nach § 1602 Abs. 1 BGB. Wird der Bedarf nur teilweise mit eigenem Einkommen gedeckt, beschränkt sich der Anspruch auf den nicht gedeckten Teil.1 Eigene Einkünfte werden auf den Barbedarf wegen der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt nur in Höhe der Hälfte angerechnet: 37
Beispiel Der 17-jährige A lebt im Haushalt seiner Mutter M, die das Kindergeld i.H.v. 184 Euro bezieht, und erlernt den Beruf eines Malers. Er erhält nach Abzug von Fahrtkosten ein Ausbildungsgeld von monatlich 300 Euro. Aufgrund des Einkommens des V hat er einen Barunterhaltsbedarf von 426 Euro. Davon ist zunächst das halbe Kindergeld i.H.v. 92 Euro abzuziehen, das M für seinen Bedarf zu verwenden hat, so dass nur noch ein Barbedarf von 334 Euro besteht. Von seinem eigenen Einkommen von 300 Euro muss sich A 150 Euro, also die Hälfte, auf diesen Bedarf anrechnen lassen, so dass sein ungedeckter Barbedarf im Ergebnis 184 Euro (426 – 92 – 150 = 184) beträgt. (Zur Handhabung des Abzugs des Kindergeldes vom Barunterhalt s. Rz. 285 f.)
Nach Beendigung der gesetzlichen Schulpflicht sind minderjährige Kinder ver- 38 pflichtet, sich ausbilden zu lassen. Ihnen steht nach Beendigung der Schule während der Suche nach einem Ausbildungsplatz, aber auch während der Ausbildung, wenn das Ausbildungsentgelt ihren Bedarf nicht deckt, ein Unterhaltsanspruch zu. Kommen sie ihrer Verpflichtung, einen Ausbildungsplatz zu suchen und sich ausbilden zu lassen, nicht nach, besteht eine Erwerbsobliegenheit. Dies betrifft nur Jugendliche ab Vollendung des 15. Lebensjahres, die i.d.R. keiner Vollzeitschulpflicht mehr unterliegen (§§ 2 Abs. 3, 5 Abs. 1, 7 Abs. 1 JArbSchG). Bei Verstoß gegen diese Erwerbsobliegenheit kommt die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht.2 Str. vgl. dazu Rz. 315. 3. Leistungsfähigkeit der Eltern Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Ver- 39 pflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren (§ 1603 Abs. 1 BGB). Befinden sich Eltern in dieser Lage, sind sie ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB). Barunterhaltspflichtige Eltern haften für den Unterhalt mit ihrem Einkommen 40 und Vermögen. Dabei gilt für die Bestimmung der Belastungsgrenze der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.3 Denn die Auferlegung von Unterhaltsleistungen, die den Unterhaltspflichtigen in seiner finanziellen Dispositionsfreiheit einschränken, ist nach der verfassungsmäßigen Ordnung zwar möglich, allerdings nur soweit der Unterhaltspflichtige dadurch nicht unverhältnismäßig belastet wird. Überschreitet eine Belastung die Grenze des Zumutbaren, so „ist die Beschränkung der Dispositionsfreiheit des Verpflichteten im finanziellen Bereich nicht mehr Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und kann vor dem 1 BGH, FamRZ 1988, 159 f. 2 OLG Brandenburg, MDR 2005, 340 = FamRZ 2005, 2094 (LS). 3 BGH, FamRZ 2009, 314 f.; BVerfG, FamRZ 2007, 723 f.; 2006, 469 f.; 2003, 661 f.; 2001, 1685 f.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG nicht mehr bestehen.“1 Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist § 1603 Abs. 1 BGB, nach dem nicht mehr unterhaltspflichtig ist, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen und des Kindesunterhalts seinen eigenen angemessenen Unterhalt gefährden würde. Diese Eingriffsschranke gilt generell gegenüber volljährigen Kindern, sie ist im Verhältnis zu minderjährigen Kindern und ihnen gleichgestellten sog. privilegierten volljährigen Kindern jedoch nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB noch einmal deutlich herabgesetzt, denn insoweit obliegt Eltern eine gesteigerte oder auch verschärfte Unterhaltspflicht. Das heißt, sie haben alle verfügbaren Mittel gleichmäßig auf sich und die minderjährigen Kinder sowie den ihnen gleichgestellten privilegierten Volljährigen zu verteilen und können für sich selbst nur einen notwendigen Unterhaltseigenbedarf beanspruchen. a) Folgen der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB 41 Aus der gesteigerten oder verschärften Unterhaltspflicht gegenüber minderjäh-
rigen Kindern folgt bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen, dass von unterhaltspflichtigen Eltern besondere Anstrengungen erwartet werden, nicht nur für den existenziellen, sondern auch für den nach ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedarf der Kinder zu sorgen. D.h., von dem Verpflichteten wird ein besonderer Einsatz bei der Erwerbstätigkeit und bei den Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit im Falle der Arbeitslosigkeit erwartet.2 Reichen z.B. Einkünfte aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nicht aus, um den Mindestunterhalt zu zahlen, kann die Ausübung einer Nebentätigkeit in Betracht kommen, um das Einkommen zu erhöhen.3 Allerdings muss die Nebentätigkeit zumutbar sein, wobei bei der Zumutbarkeitsprüfung auch Umfang und Anforderungen der bereits ausgeübten Tätigkeit zu berücksichtigen sind. Arbeitet der Unterhaltspflichtige weniger als 40 Stunden in der Woche kann grundsätzlich eine Nebentätigkeit verlangt werden, denn bei einer gesteigerten Unterhaltspflicht hat sich die Erwerbspflicht mindestens an der Höchstgrenze der üblichen Arbeitszeit zu orientieren. Als gültiger Maßstab ist auch das ArbZG (Arbeitszeitgesetz) anerkannt: Eine Erwerbspflicht bis zu 200 Stunden im Monat, also deutlich über den tariflich früher üblichen 168 Stunden, kann im Einzelfall unter Berücksichtigung arbeitsrechtlicher Bestimmungen, sowie objektiver als auch subjektiver Möglichkeiten zumutbar sein.4 Da nach § 3 ArbZG die werktägliche Arbeit des Arbeitnehmers acht Stunden nicht überschreiten darf und gem. § 9 ArbZG ein Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen besteht, ergibt sich eine zulässige Wochenarbeitszeit von 48 Stunden (6 Arbeitstage × 8 Stunden). Der BGH wendet den Maßstab des ArbZG als objektive obere Begrenzung der Zumutbarkeit der 1 BVerfG, FamRZ 2001, 1685. 2 BGH, FamRZ 1985, 158 (159); 1994, 372. 3 BGH, FamRZ 2009, 314 ff.; KG, FamRZ 2006, 1702; AG Rinteln, FamRZ 2007, 1120; OLG Düsseldorf, FamRZ 2006, 1701; OLG Dresden, OLGR 2005, 496; NJW-RR 2005, 951; OLG Brandenburg, NJW-RR 2005, 949; OLG Naumburg, FamRZ 2007, 1118; 2003, 177; OLG Hamm, FamRZ 2003, 177; 2000, 1178; 2001, 565; a.A. OLG Stuttgart, FamRZ 2012, 315 (LS) = FamFR 2011, 464 (LS Kurzwiedergabe); OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 71 LS; OLG Hamm, FF 2005, 158. Wendl/Dose, § 1 Rz. 96 f., 738 lehnt eine generelle Verpflichtung ab, stellt aber auf die Zumutbarkeit im Einzelfall ab. 4 Vgl. OLG Hamm, FamRZ 2001, 565 und die Übersicht zur Entwicklung der tariflichen Arbeitszeiten bei Schürmann, FPR 2005, 448 ff. Zu dem Erfordernis der subjektiven Zumutbarkeit und der Berücksichtigung sozialrechtlicher Bestimmungen bei übertariflicher Arbeit im Unterhaltsrecht BVerfG, FamRZ 2003, 661 f.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
Erwerbstätigkeit im Rahmen von § 1603 Abs. 2 BGB an.1 Bei einem Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit kommt die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht, s. dazu Rz. 45 und Rz. 155 ff. Beruft sich der Verpflichtete auf ein arbeitsvertragliches Nebentätigkeitsverbot, 42 greift diese Einwendung gegen den Anspruch auf Kindesunterhalt in der Regel nicht, denn ein generelles Nebentätigkeitsverbot ist nach der Rechtsprechung des BVerfG2 und BAG3 unvereinbar mit Art. 12 GG.4 Vielmehr besteht ein Rechtsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf Genehmigung der Nebentätigkeit, allerdings nur soweit eine Beeinträchtigung der hauptberuflichen Arbeitsleistung nicht zu erwarten ist.5 So wird ein Busfahrer für eine nebenberufliche Tätigkeit als Kraftfahrer keine Nebentätigkeitsgenehmigung erwarten können,6 ein Verkäufer oder Monteur hingegen schon. Ist der Unterhaltspflichtige arbeitslos, kann ihm zugemutet werden, Arbeit auch 43 in einem ungelernten Beruf aufzunehmen7 oder den Wohnort zu wechseln, wenn dies zur Arbeitsaufnahme notwendig ist.8 Ob allerdings ein Ortswechsel im Einzelfall zumutbar ist, hängt wiederum von den individuellen Verhältnissen des Verpflichteten ab. Maßgebliche Kriterien für die Zumutbarkeitsprüfung sind u.a. die persönliche Bindung des Verpflichten zu seinen Kindern sowie etwaige höhere Umgangs- und Umzugskosten.9 Zu den Anforderungen an die Zumutbarkeitsprüfung bei Verstoß gegen die Erwerbsbemühungen und Zurechnung eines fiktiven Einkommens s. nachfolgend Rz. 45 und Rz. 166 ff. sowie ausführlich zu den Anforderungen an die Erwerbsbemühungen Rz. 336 f. Bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit besteht eine Obliegenheit 44 zur Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens, um den Kindesunterhalt sicherzustellen.10 Denn das Vollstreckungsrecht sieht bei bestehenden Unterhaltsverbindlichkeiten Freibeträge beim Einkommen des Schuldners vor, die ausschließlich der Befriedigung der Unterhaltsgläubiger dienen und von der Vollstreckung verschont werden. Diese Freibeträge erhöhen den notwendigen Eigenbedarf des Schuldners und bilden mit diesem zusammen die in § 850c ZPO geregelten Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen, die das Einkommen des Schuldners vor dem Zugriff von Gläubigern gewöhnlicher Geldforderungen schützen. Aufgrund dieses Vorteils ergibt sich die Obliegenheit für den Schuldner zur Einleitung des Insolvenzverfahrens. Zum Pfändungsschutz von Arbeitseinkommen vgl. Kap. M Rz. 196 ff. Zu den verfahrensrechtlichen Auswirkungen 1 BGH, FamRZ 2009, 314 ff.; 2008, 872 (875); grundlegend zur Einbeziehung des Maßstabes des ArbZG BVerfG FamRZ 2003, 661. 2 BVerfGE 75, 284 = NJW 1988, 543; WM 2002, 2204 (für Notare), BGH, FamRZ 2009, 314 (316). 3 BAGE 98, 123. 4 OLG Naumburg, FamRZ 2005, 70–71; OLG Dresden, FamRZ 2005, 1584. 5 BAG, NZA 2000, 723. 6 BAG, MDR 2002, 97. 7 BGH, FamRZ 1994, 372 ff. 8 BGH, FamRZ 1980, 1113 (1114). 9 BVerfG, FamRZ 2006, 469 ff.; BGH, FamRZ 2009, 314 (316). 10 BGH, FamRZ 2005, 608 ff.; zu den Voraussetzungen und Wirkungen des Verbraucherinsolvenzverfahrens vgl. Janlewing, FamRB 2011, 19–26; Janlewing zur Behandlung von Unterhaltsrückständen im Verbraucherinsolvenzverfahren FamRB 2010, 308 und zur Insolvenz selbständig tätiger Unterhaltsschuldner, FPR 2012, 163; Niepmann, FPR 2006, 91.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
im Unterhaltsstreitverfahren vgl. den Praxishinweis Rz. 235 zu den vollstreckungsrechtlichen Einzelheiten und zur Höhe der Freibeträge Kap. M Rz. 212 ff., 231 ff. b) Zurechnung eines fiktiven Einkommens bei pflichtwidrigem Verhalten 45 Verstößt der Verpflichtete in vorwerfbarer Weise gegen die ihm aufgrund der ge-
steigerten Unterhaltspflicht obliegenden Pflichten zur Erhaltung seiner Leistungsfähigkeit, obwohl ihm die Erfüllung der Pflichten zumutbar wäre, kann er wirtschaftlich fiktiv so gestellt werden, als hätte er sich pflichtgemäß verhalten. D.h. ihm wird dann ein fiktives Einkommen aus der für ihn möglichen und zumutbaren Erwerbstätigkeit zugerechnet. Anknüpfungspunkt für die Bemessung der Höhe des fiktiven Einkommens kann ein zuvor vom Verpflichteten erzieltes Einkommen oder ein branchenüblicher Mindestlohn sein. In jedem Fall sind vom Gericht Feststellungen zu den Schätzgrundlagen zu treffen.1 Zu den Einzelheiten der Schätzung s. Rz. 170. Außerdem setzt die Zurechnung fiktiver Einkünfte neben nicht ausreichenden Erwerbsbemühungen voraus, dass die zu unterstellenden Einkünfte für den Verpflichteten sowohl subjektiv als auch objektiv erzielbar sein müssen, was von seinen individuellen persönlichen Voraussetzungen wie beispielsweise Alter, berufliche Qualifikation, Erwerbsbiografie und Gesundheitszustand sowie dem Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen abhängt (reale Beschäftigungschance). Deshalb ist jeweils außer den subjektiv in Betracht kommenden Erwerbstätigkeiten noch zu prüfen, ob es zumutbare Erwerbstätigkeiten überhaupt gibt und solchen Tätigkeiten keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen, für die der Verpflichtete darlegungs- und beweispflichtig ist.2 Zur realen Beschäftigungschance Rz. 167 f. m.w.N; zu den Voraussetzungen der Zurechnung eines fiktiven Einkommens im Einzelnen Rz. 155 ff. und Rz. 338 f. c) Angemessener und notwendiger Eigenbedarf der Eltern 46 Zur Überprüfung der unterhaltsrechtlichen Belastungsgrenze unterhaltspflichti-
ger Eltern haben die OLG in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien Selbstbehaltssätze aufgestellt. Dabei wird unterschieden zwischen dem angemessenen und dem notwendigen Eigenbedarfssatz. 47 Während die Eltern gegenüber Unterhaltsansprüchen volljähriger Kinder für sich
einen angemessenen Selbstbehalt beanspruchen können (§ 1603 Abs. 1 BGB),3 gelten strengere Maßstäbe gegenüber Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder, denn bei geringen Geldmitteln müssen sich die Eltern für ihren eigenen Lebensbedarf mit dem notwendigen Eigenbedarf begnügen (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB).4 Dieser – auch als notwendiger Selbstbehalt bezeichnete Anteil am Einkommen – ist gesetzlich nicht näher geregelt. Lehre und Praxis haben dazu Maßstäbe entwickelt, nach denen mindestens ein Betrag in Höhe des Existenz-
1 BVerfG, FamRZ 2010, 793 (794 f.). 2 BGH, FamRZ 1998, 357 (359); 1985, 143 (146); 2009, 314 (317); BVerfG, FamRZ 2008, 2104; 2010, 183, 184; 2010, 793, 794. 3 Der angemessene Eigenbedarf des unterhaltspflichtigen Elternteils, der insbesondere gegenüber volljährigen Kindern gilt, beträgt derzeit (Stand 1.1.2014) 1 200 Euro, s. Anm. A. Nr. 5 DT, und Nr. 21.3.1 der LL der OLG. 4 BGH, FamRZ 2006, 683.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
minimums angesetzt wird, der die Mittel zur Bestreitung des unentbehrlichen Lebensbedarfs sichert und etwas über den Sätzen der Sozialhilfe liegt.1 Von diesem Selbstbehalt sind die Kosten für die allgemeine Lebenshaltung, also z.B. für Nahrung, Kleidung, Urlaub, Miete einschließlich der Nebenkosten, Hausratversicherungen, private Haftpflichtversicherungen zu bestreiten. Dabei wird unterschieden, ob der Unterhaltspflichtige erwerbstätig ist oder nicht. Die nachfolgende Übersicht zeigt die Entwicklung der bundeseinheitlich angewendeten notwendigen Eigenbedarfssätze vom 1.8.2008 bis 2014: 2013/2014:2 – 1 000/800 Euro notwendiger Eigenbedarf des erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen, vom 1.1.2011 – 31.12.2012 – 950/770 Euro notwendiger Eigenbedarf des erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen, vom 1.1.2008 – 31.12.2010 – 900/770 Euro notwendiger Eigenbedarf des erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen. Vor Inkrafttreten des UÄndG galten bis zum 31.12.2007 in den neuen und alten 48 Bundesländern unterschiedlich hohe Eigenbedarfssätze, die in den für diese Zeiträume jeweils geltenden Leitlinien der zuständigen OLG nachgeschlagen werden können. d) Wegfall der gesteigerten Unterhaltspflicht, § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB Die verschärfte Haftung des barunterhaltspflichtigen Elternteils, für den Unter- 49 halt der minderjährigen Kinder auch Mittel zu verwenden, die er für seinen eigenen angemessenen Bedarf benötigen würde, besteht nicht, wenn das minderjährige Kind seinen Unterhalt aus dem Stamm seines Vermögens bestreiten kann (§ 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB). Sie tritt nach § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB auch dann nicht ein, wenn andere leis- 50 tungsfähigere Verwandte vorhanden sind. Dies können z.B. der betreuende Elternteil oder die Großeltern sein, wobei Eltern grundsätzlich vor den Großeltern haften (§ 1606 Abs. 2 BGB). Voraussetzung für die Abwendung der verschärften Haftung des Verpflichteten ist, dass er bei Zahlung des Barunterhalts nicht mehr seinen angemessenen Eigenbedarf decken könnte und der andere Elternteil oder ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter über ein wesentlich günstigeres Einkommen verfügt, so dass er den Barunterhalt aufbringen könnte, ohne seinen angemessenen Eigenbedarf zu gefährden.3 Der angemessene Eigenbedarf liegt deutlich höher als der notwendige Eigenbe- 51 darf und entspricht dem Eigenbedarf, der insbesondere gegenüber volljährigen
1 BVerfG, FamRZ 2001, 1685f; BGH, FamRZ 2006, 683 m.w.N.; Klinkhammer, FamRZ 2007, 85 ff. 2 Die aktuellen sowie die für den Unterhaltszeitraum maßgeblichen Werte sind jeweils unter Anm. A. Nr. 5 der DT und Nr. 21.2 der Leitlinien der OLG geregelt. 3 BGH, FamRZ 1991, 182 ff.; 1998, 286, 288; 2011, 1041; 2013, 1558.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
Kindern gilt. Beim angemessenen Eigenbedarf wird i.d.R. nicht differenziert zwischen erwerbs- und nichterwerbstätigen Unterhaltspflichtigen. 52 Die nachfolgende Übersicht zeigt die Entwicklung der bundeseinheitlich ange-
wendeten angemessenen Eigenbedarfssätze vom 1.8.2008 bis 2014: 2013/2014: – 1 200 Euro (inklusive Warmmiete bis zu 450 Euro), vom 1.1.2011 – 31.12.2012: – 1 150 Euro (inklusive Warmmiete bis zu 450 Euro), vom 1.1.2008 – 31.12.2010: – 1 100 Euro (inklusive Warmmiete bis zu 450 Euro). 53 Bei der Prüfung, ob die Zahlung von Unterhalt den angemessenen Eigenbedarf
des barunterhaltspflichtigen Elternteils berühren würde, sind nicht nur seine Einkünfte, sondern auch eventuelle Ansprüche auf Familienunterhalt gegenüber dem Ehepartner (§ 1360 BGB) oder Ersparnisse aufgrund des gemeinsamen Wirtschaftens mit einem Lebenspartner mitzuberücksichtigen.1 Ausführlich zur Höhe des Selbstbehalts s. Rz. 320 ff. 54 Wäre der angemessene Eigenbedarf des Barunterhaltspflichtigen bei Zahlung des
Kindesunterhalts unterschritten, ist zunächst wegen der Vorrangigkeit der Haftung des anderen Elternteils vor anderen Verwandten zu prüfen, inwieweit dem betreuenden Elternteil eine Beteiligung bzw. Übernahme der Barunterhaltspflicht überhaupt zumutbar ist. Denn mit der Betreuung des Kindes hat dieser bereits die ihm obliegende Unterhaltspflicht erfüllt, insoweit gilt gem. § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB der Grundsatz der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt. Eine Beteiligung des betreuenden Elternteils kommt nur dann in Betracht, wenn er neben der Pflege und Erziehung des Kindes auch dessen Barbedarf ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts tragen kann und in deutlich günstigeren wirtschaftlichen Verhältnissen lebt.2 Liegen die genannten Voraussetzungen vor, kann die Barunterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils ganz entfallen oder sich ermäßigen, allerdings nur soweit sie auf der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB beruht, er sich also auf den notwendigen Selbstbehalt beschränken müsste. Soweit ihm noch Einkommen über dem angemessenen Selbstbehalt zur Verfügung steht, ist dieses für den Unterhalt zu verwenden.3 55 Beispiel Die das Kind betreuende M hat ein bereinigtes Einkommen von 2 000 Euro netto, der barunterhaltspflichtige V von mtl. 1 300 Euro. V soll für die 10-jährige Tochter einen monatlichen Kindesunterhalt von 272 Euro zahlen (364 – 92 = 272 Euro). V würden bei Zahlung des vollen Betrags 1 028 Euro verbleiben, also weniger als sein angemessener Eigenbedarf von 1 200 Euro. Er beruft sich wegen der deutlich höheren Einkünfte der M auf ihre Ersatz1 Zum notwendigen Selbstbehalt BGH, FamRZ 2008, 594–599 (bei Zusammenleben mit einem Lebenspartner); BGH, FamRZ 2002, 742 (zum Familienunterhaltsanspruch des verheirateten Verpflichteten) m. Anm. Büttner, S. 743; OLG Brandenburg, FamRZ 2006, 1780–1781; teilweise Deckung des Bedarfs durch nichtehelichen Partner, BGH, FamRZ 2001, 614 m. Anm. Büttner, S. 617. 2 BGH, FamRZ 2008, 138; 1998, 286 (288); 1991, 182 (183). 3 BGH, FamRZ 2011, 1041 Tz. 41; 2008, 137 Tz. 39; 1998, 286 (288); 1991, 182 (183).
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II. Anspruchsvoraussetzungen haftung und will nur 100 Euro zahlen. M würden bei Übernahme des Restbetrags von 172 Euro noch 1 828 Euro verbleiben, so dass ihr angemessener Eigenbedarf nicht in Frage stünde und ihr noch ein deutlich höheres Einkommen als V verbliebe, so dass sie nicht unverhältnismäßig belastet wird. Eine völlige Entbindung des V von seiner Unterhaltspflicht kommt nicht in Betracht.1 Stünden M monatlich nur 1 300 Euro bereinigt zur Verfügung, käme eine Beteiligung nach § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB nicht in Betracht, weil ihr angemessener Eigenbedarf nicht gewahrt bliebe.
Wann der betreuende Elternteil in deutlich günstigeren wirtschaftlichen Ver- 56 hältnissen lebt, so dass vom Grundsatz der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt abgewichen und er am Barunterhalt beteiligt werden kann, ist gesetzlich nicht geregelt, sondern im Einzelfall nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung der Belastungen beider Eltern zu bestimmen. Der BGH hat die Beteiligung des betreuenden Elternteils am Barunterhalt bereits gebilligt bei einem ihm verbleibenden Einkommen von 1 600 Euro.2 Das OLG Hamm meint, dass dem betreuenden Elternteil mindestens ein um 300 Euro höheres Einkommen verbleiben müsse.3 Nach anderer Auffassung wird mindestens ein zwei- bis dreifach so hohes, bereinigtes Einkommen vorausgesetzt.4 Dabei ist immer auch eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, um die Verhältnismäßigkeit der zusätzlichen Belastung unter Berücksichtigung der beiderseitigen Lebensverhältnisse zu klären. So kann z.B. eine Rolle spielen, in welcher Höhe der besser verdienende Elternteil eigene Mittel für die Kinder aufwendet, aber auch wie stark die Belastung der Betreuungsleistung aufgrund des Alters der Kinder einzuschätzen ist.5 Zur Beteiligung des betreuenden Elternteils findet sich in den Leitlinien einiger OLG die Formulierung, dass der betreuende Elternteil auch barunterhaltspflichtig sein kann, wenn sein eigener angemessener Unterhaltsbedarf bei zusätzlicher Leistung auch des Barunterhalts nicht unterschritten wird, während der an sich allein Barunterhaltspflichtige hierzu ohne Beeinträchtigung seines eigenen angemessenen Unterhalts nicht in der Lage ist.6 Soweit damit eine generelle Beteiligung des betreuenden Elternteils am Barunterhalt nur aufgrund einer höheren Leistungsfähigkeit vertreten werden soll, ist diese Auffassung abzulehnen, denn dies stünde im Widerspruch zum gesetzlich geregelten Grundsatz der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt.7 Ließe man schon jede auch nur geringere Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Barunterhaltspflichtigen, bezogen auf den angemessenen Eigenbedarf, genügen, um den anderen, besser verdienenden Elternteil an der Barunterhaltspflicht zu beteiligen, liefe dies auf eine Entwertung des Grundsatzes der Gleichwertigkeit von Bar- und 1 BGH, FamRZ 2011, 1041 Tz. 41 f.; ebenso Bamberger/Roth/Reinken, § 1603, Rz. 44, § 1606 Rz. 18a; u.a. OLG Brandenburg, FamRZ 2006, 1780–1781. Eine Ausnahme gilt bei einem etwa dreifachen Einkommen, BGH, FamRZ 2013, 1558 Tz. 256 ff. 2 FamRZ 2011, 1041 Tz. 41 f. 3 OLG Hamm, FamRZ 2008, 1271; nach Nr. 12.3 der LL des OLG Hamm genügt für die Haftung, dass der angemessene Eigenbedarf des betreuenden Elternteils bei Leistung des Barunterhalts nicht unterschritten wird. 4 Büttner, Anm. zu BGH, FamRZ 2002, 742 f., a.a.O. S. 743; Palandt/Brudermüller, § 1606 BGB Rz. 16 m.w.N. hält mindestens ein doppelt so hohes Einkommen für notwendig; OLG Hamm, FamRZ 2003, 1964: nicht ausreichend ist ein um 20 % höheres Einkommen. Keine Beteiligung des betreuenden Elternteils bei einem Einkommensunterschied von 1 400 Euro zu 2 690 Euro, OLG Naumburg, FamRZ 2013, 796. 5 OLG Karlsruhe, FamRZ 1993, 1116 (kostenloses Wohnen im Eigenheim). 6 S. z.B. Nr. 12.3 der LL der OLG Hamm und Oldenburg. 7 Ebenso Bamberger/Roth/Reinken, § 1606 Rz. 18a.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
Betreuungsunterhalt hinaus. Mindestens folgt aus dem Grundsatz der Gleichwertigkeit, dass eine zusätzliche Belastung des betreuenden Elternteils mit Barunterhalt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen muss. Dazu gehört, wie dies der BGH in seinen früheren Entscheidungen immer wieder klargestellt hat, dass sich der betreuende Elternteil auch unter Berücksichtigung einer Beteiligung wirtschaftlich noch deutlich besser stehen muss als der andere Elternteil.1 Deshalb ist in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob eine zusätzliche Belastung unter Berücksichtigung des erbrachten Betreuungsunterhalts zumutbar ist und ihm wenigstens ein deutlich höheres Einkommen als dem Barunterhaltspflichtigen verbleibt. 57 Eine Beteiligung des betreuenden Elternteils kommt i.d.R. nicht in Betracht,
wenn der angemessene Eigenbedarf des barunterhaltspflichtigen Elternteils durch die Zahlung des Barunterhalts nicht berührt wird. Nur ausnahmsweise kann der betreuende Elternteil in dem Fall ganz oder teilweise mit der Barunterhaltspflicht belastet werden, wenn er selbst über ein deutlich höheres Einkommen verfügt und ohne seine Beteiligung an der Barunterhaltspflicht ein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Eltern entstünde. Dabei können auch fiktive Einkünfte des barunterhaltspflichtigen Elternteils berücksichtigt werden. Nach jüngster Rechtsprechung des BGH muss das Einkommen des betreuenden Elternteils etwa das Dreifache der Nettoeinkünfte des anderen betragen, wenn es der Billigkeit entsprechen soll, dass er allein den Barunterhalt aufzubringen hat. Bei einer nur quotalen Beteiligung des betreuenden Elternteils ist der geleistete Betreuungsunterhalt bei der Quotenberechnung angemessen zu berücksichtigen (§ 1606 Abs. 3 S. 1 BGB), z.B. durch Erhöhung des angemessenen Eigenbedarfssatzes (s. Rz. 260).2 e) Ersatzhaftung anderer Verwandter – Großeltern 58 Die Ersatzhaftung anderer Verwandter kommt immer erst nach den Eltern zum
Zuge (§ 1607 Abs. 1 BGB), denn die Eltern sind als „gleich nahe Verwandte“ Teilschuldner des gesamten Unterhaltsbedarfs des Kindes und vorrangig verpflichtet (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB). Großeltern können deshalb erst in Anspruch genommen werden, wenn beide Eltern nicht oder nur nach den verschärften Anforderungen des § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB leistungsfähig sind.3 Dabei gilt für den betreuenden Elternteil im Verhältnis zu den Großeltern nicht der Grundsatz der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt. Mit Rücksicht auf die nachrangige und damit geringere Einstandspflicht für den Unterhalt der minderjährigen Enkel, stehen den Großeltern generell die erhöhten Selbstbehaltsbeträge zu, wie sie auch im Rahmen des Elternunterhalts gelten.4 Macht ein nichteheliches Kind Unterhalt von den Großeltern väterlicherseits geltend, muss die Vaterschaft geklärt sein, sei es durch Anerkennung oder gerichtliche Feststellung der Vaterschaft. Bei ungeklärter Vaterschaft können 1 BGH, FamRZ 2011, 1041 Tz. 41 f. 2 BGH, FamRZ 2013, 1558 Tz. 26 ff., 30; 1980, 994 (Grundsatzentscheidung); FamRZ 2008, 137; 2002, 742; 1991, 182 (183). 3 OLG Hamm, FamRZ 2013, 899 f. = FamRB 2013, 102 (Leitsatz mit Kurzwiedergabe). 4 BGH, Urt. v. 8.6.2005 – XII ZR 75/04, FamRZ 2006, 26 (28) m. Anm. Duderstadt FamRZ 2006, 30 f. und Luthin, FamRB 2006, 4 f. und FF 2006, 54 f.; BGH, Urt. v. 3.5.2006 – XII ZR 35/05, FamRZ 2006, 1099 ff.; m. Anm. Soyka, FuR 2006, 367; BGH, NJW-RR 2007, 433. Nach den Leitlinien, Stand 2013/2014, beträgt der Eigenbedarf von Großeltern gegenüber Enkeln i.d.R. 1 600 Euro, s. Nr. 21.3.4 der LL.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
nur die Eltern der Mutter im Wege der Ersatzhaftung in Anspruch genommen werden.1 f) Darlegungs- und Beweislast bei eingeschränkter oder fehlender Leistungsfähigkeit Während die Darlegungs- und Beweislast für die Bedarfsbemessung bei dem un- 59 terhaltsberechtigten Kind liegt, soweit es mehr als den Mindestunterhalt verlangt, trägt der barunterhaltspflichtige Elternteil die Darlegungs- und Beweislast für die Einwendung, nicht oder nur eingeschränkt leistungsfähig zu sein.2 Macht er geltend, dass sein Einkommen geringer sei als vom Kind behauptet oder er den Mindestbedarf nicht zahlen könne, hat er im Einzelnen unter Vorlage von Belegen darzulegen, aus welchen Gründen dies der Fall ist. So hat er sämtliche Tatsachen z.B. für die Geltendmachung von einkommensmindernden Abzugsposten, die Anerkennung von Betriebsausgaben, Veränderung der Einkommensverhältnisse, Hinzutreten neuer Unterhaltsberechtigter, Bemühungen um eine Arbeitsstelle bei Erwerbslosigkeit, Gründe für die Kündigung eines sicheren Arbeitsplatzes, höhere konkrete berufsbedingte Aufwendungen, Aufwendungen für eine ergänzende Altersvorsorge, etc. vorzutragen und ggf. zu beweisen. Auch die Darlegungs- und Beweislast für die Vorrangigkeit der Inanspruchnah- 60 me eines leistungsfähigen Verwandten liegt bei dem in Anspruch genommenen barunterhaltspflichtigen Elternteil, der sich darauf beruft.3 Macht er die vorrangige Verpflichtung des anderen, betreuenden Elternteils und damit eine Abweichung von dem Grundsatz der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt geltend, muss er die Voraussetzungen dafür im Einzelnen darlegen.4 Wird die Vorrangigkeit der Großelternhaftung behauptet, muss die eingeschränkte Leistungsfähigkeit beider Eltern dargelegt werden, denn im Rahmen der Ersatzhaftung von Großeltern gilt der Grundsatz der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht. Insoweit bedarf es auch des Vortrags, warum dem anderen Elternteil z.B. eine Erwerbstätigkeit nicht zumutbar ist.5
Û
Praxishinweis: Nimmt das Kind die Großeltern auf Zahlung von Unterhalt 61 aus Ersatzhaftung in Anspruch, trägt es als Anspruchsteller nicht nur die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass beide Eltern nicht oder nur eingeschränkt leistungsfähig sind, sondern auch dafür, in welchem Umfang die Großeltern anteilig haften. Denn Großeltern haften im Rahmen der Ersatzhaftung als gleichrangige Verwandte nicht als Gesamtschuldner, sondern nur als Teilschuldner für den Kindesunterhalt (§ 1606 Abs. 3 BGB).6 Dafür steht dem Kind ein Auskunftsanspruch gegen die Großeltern zu (Kap. I Rz. 5). Unterhaltsansprüche gegen Großeltern sind vor dem Familiengericht geltend zu machen, in dessen Bezirk das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, § 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG.7
1 2 3 4 5
OLG Jena, FamRZ 2010, 746 (747) Rz. 36. BVerfG, FamRZ 1985, 143 (146). BGH, FamRZ 1981, 347. BGH, FamRZ 1981, 347 (349). OLG Hamm, FamRZ 2013, 899 = FamRB 2013, 102; OLG Frankfurt, FamRZ 2004, 1745; OLG Jena, FamRZ 2010, 746 (747). 6 OLG Frankfurt, FamRZ 2004, 1745; OLG Jena, FamRZ 2006, 569. 7 OLG Hamm, FamRZ 2013, 899.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
4. Beginn und Dauer des Anspruchs 62 Der Anspruch des Kindes beginnt mit der Geburt und dauert über die Minderjäh-
rigkeit hinaus fort, solange das Kind unterhaltsbedürftig ist und die Eltern noch leistungsfähig sind. Während der Minderjährigkeit ist die Unterhaltsbedürftigkeit der Regelfall, sie endet mit der Ausbildung des Kindes. Lehnt das Kind noch während der Minderjährigkeit nach Abschluss der Schule ab, eine Ausbildung zu absolvieren, ist es gehalten, selbst für seinen Unterhalt aufzukommen, mindestens zum Barunterhalt beizutragen (Rz. 313 ff.). Während einer Ausbildung ist es nur in dem Umfang bedürftig, in dem die Ausbildungsvergütung seinen Bedarf nicht deckt. Ab Beginn der Volljährigkeit und fortdauernder Bedürftigkeit wegen eines Schulbesuchs oder einer Ausbildung bleibt der Anspruch bestehen, allerdings ändert sich für die Eltern die Art der Unterhaltsleistung, denn von da an sind beide Eltern barunterhaltspflichtig (s. Kap. B Rz. 3). Der Anspruch endet mit dem Tod des Kindes.
III. Berechnung des Unterhalts 1. Prüfungsschema mit Erläuterung der Arbeitsschritte Prüfungsschema für den Unterhalt Minderjähriger
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I. Berechnung des Bedarfs nach den Einkommensverhältnissen des Verpflichteten. 1. Klärung des mtl. Durchschnittsnettoeinkommens des nichtbetreuenden Elternteils. a) Bereinigung des Einkommens durch Abzug berufsbedingter Aufwendungen (nur bei Nichtselbständigen) und berücksichtigungswürdiger Verbindlichkeiten. b) Ist der Verpflichtete vorwerfbar nicht oder nur teilweise erwerbstätig, kommt die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht, das ebenfalls zu bereinigen ist (§ 287 ZPO). c) Klärung, ob und ggf. welche weiteren Unterhaltspflichten bestehen. d) Ergebnis: Feststellung des bedarfsbestimmenden Einkommens. 2. Bestimmung des Bedarfs mit Hilfe des bereinigten Einkommens nach der Unterhaltstabelle. 3. Ist das Kind in Höhe des errechneten Betrags bedürftig? Eigene Einkünfte des Kindes sowie das hälftige Kindergeld sind auf den Bedarf anzurechnen. 4. Ist der Verpflichtete in Höhe des ungedeckten Bedarfs leistungsfähig? a) Von dem bereinigten Einkommen des Verpflichteten sind abzuziehen der ungedeckte Bedarf des Kindes und gleichrangige Unterhaltsverpflichtungen. b) Ist der notwendige Selbstbehalt1 gewahrt? 1 Der notwendige Selbstbehalt beträgt seit 1.1.2013 1 000 Euro bei Erwerbstätigen bzw. 800 Euro bei Nichterwerbstätigen. Die aktuellen bzw. für den maßgeblichen Unterhaltszeitraum geltenden Werte können jeweils der Anm. A. Nr. 5 der DT und Nr. 21.2 der LL entnommen werden.
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III. Berechnung des Unterhalts
Überprüfung der Angemessenheit des Zahlbetrages unter Berücksichtigung der Gesamtverpflichtungen des Verpflichteten einschließlich nachrangiger Unterhaltspflichten sowie der Belange des Kindes. II. Ergebnis: zu zahlender Unterhalt. Die Berechnung des Tabellenunterhalts setzt zunächst voraus, dass das unter- 64 haltsrechtlich maßgebliche Einkommen des Verpflichteten geklärt wird, denn der Unterhaltsbedarf des Kindes richtet sich nach dem Einkommen, das dem Unterhaltspflichtigen zur Deckung seines laufenden Lebensbedarfs und des Unterhalts zur Verfügung steht bzw. bei Anlegung eines objektiven Maßstabs zur Verfügung stehen müsste.1 Dazu steht dem Kind ein Auskunftsanspruch gegenüber dem pflichtigen Elternteil zu (§ 1605 BGB, Kap. I Rz. 2 ff.). Für die Einkommensermittlung werden bei Einkünften aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit Informationen über das im letzten Kalenderjahr oder in den letzten 12 Monaten erzielte Durchschnittseinkommen benötigt (Rz. 79 ff.). Da die Ermittlung des Durchschnittseinkommens dazu dient, eine Prognose über das zukünftig zu erzielende Einkommen zu erstellen, um auf dieser Basis den zukünftigen Unterhalt zu berechnen, ist es sinnvoll, auf einen möglichst entscheidungsnahen Zeitraum zurückzugreifen. Ist aufgrund der Veränderung der Arbeitssituation mit einer nachhaltigen Änderung des erzielbaren Einkommens zu rechnen, ist auf das Einkommen abzustellen, das zukünftig erzielt wird, und nicht mehr schematisch auf einen Durchschnitt von 12 Monaten. Für rückständigen Unterhalt ist das in der Vergangenheit erzielte Einkommen maßgebend.2 Bei einem selbständig Erwerbstätigen wird für die Prognoseberechnung i.d.R. auf einen Dreijahreszeitraum abgestellt, der aber auch länger sein kann bei stark schwankenden Einkünften. Bei deutlich steigenden Einkünften kann auch ein kürzerer Zeitraum maßgebend sein. Für rückständigen Unterhalt kann auf das tatsächlich in dem früheren Zeitraum erzielte Einkommen abgestellt werden (Rz. 83). Die Feststellung des bedarfsbestimmenden Einkommens des Verpflichteten 65 vollzieht sich in zwei Arbeitsschritten: – Aufzulisten sind alle aktuellen Bruttoeinkünfte, steuerpflichtig oder nicht, unabhängig von ihrer Zweckbestimmung. Davon sind die gesetzlichen Abzüge bzw. die insoweit gleichgestellten Beiträge für freiwillige Vorsorgeaufwendungen für Krankheit, Invalidität, Alter und Arbeitslosigkeit abzuziehen. Ebenso aufzulisten sind eventuell vorhandene Schulden und sonstige Verbindlichkeiten, z.B. Kreditraten, Unterhaltspflichten etc., die das Einkommen des Unterhaltsschuldners schmälern. Nicht aufzulisten sind Kosten der allgemeinen Lebensführung, z.B. Miete, Versicherungen etc.; denn diese sind in dem Selbstbehalt, der dem Verpflichteten als eigener Unterhalt zusteht, bereits berücksichtigt. Vgl. dazu die Übersicht Rz. 73 ff. – Danach wird das Einkommen bereinigt, d.h., es ist zu bewerten, welche Einkünfte dem Unterhaltspflichtigen unter Berücksichtigung welcher Aufwendungen und Schuldverpflichtungen für seinen Lebensbedarf zur Verfügung stehen. Dieses so ermittelte unterhaltsrechtlich relevante Einkommen (bedarfsbestimmende Einkommen) ist der Ausgangspunkt für die Bedarfsbemessung. 1 BGH, FamRZ 1986, 780. 2 BGH, FamRZ 2007, 1532 (1534).
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
66 Nach Klärung des bedarfsbestimmenden Einkommens wird der Bedarf nach der
Unterhaltstabelle ermittelt (vgl. Rz. 244 ff.) und geprüft, ob das Kind in Höhe des errechneten Bedarfs auch tatsächlich bedürftig ist. Das (hälftige) Kindergeld und eventuell vorhandene eigene Einkünfte des Kindes werden vom Bedarf abgezogen (vgl. Rz. 309 ff.). Bleibt ein ungedeckter Unterhaltsbedarf des Kindes, ist zu prüfen, ob und ggf. in welcher Höhe der verpflichtete Elternteil tatsächlich leistungsfähig ist. Bei Ansprüchen mehrerer gleichrangiger Unterhaltsberechtigter muss bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit des Verpflichteten eine Mangelfallberechnung durchgeführt werden (vgl. Rz. 349 ff.). 67 Schließlich ist der ermittelte Bedarf stets auf seine Angemessenheit zu überprü-
fen. Denn ob der anhand der Tabelle ermittelte Bedarf tatsächlich dem Anspruch des Kindes auf angemessenen Unterhalt entspricht, ist jeweils noch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles und der Belange des Verpflichteten, einschließlich seiner weiteren Verbindlichkeiten, zu denen sowohl gleich- als auch nachrangige Unterhaltspflichten gehören, auf seine Angemessenheit und Ausgewogenheit hin zu überprüfen.1 D.h., dass trotz günstiger Einkommensverhältnisse Ergebnis der Angemessenheitsprüfung sein kann, dass der Kindesunterhalt nur der ersten Einkommensgruppe der DT zu entnehmen ist, weil z.B. noch nachrangiger Ehegattenunterhalt geschuldet wird.2 Der BGH hat es dem tatrichterlichen Ermessen überlassen, ob dies mit Hilfe der Bedarfskontrollbeträge der DT (Rz. 248 ff. mit Beispiel) geschieht oder aber ohne Anwendung der Kontrollbeträge anhand einer abschließenden Ergebnisprüfung.3 2. Klärung und Bereinigung der Einkommensverhältnisse 68 Die nachfolgend dargestellten Grundsätze zur Klärung und Bereinigung des un-
terhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommens gelten gleichermaßen sowohl für das Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils, bzw. beider Eltern bei gemeinsamer Barunterhaltspflicht, als auch des unterhaltsberechtigten Kindes, soweit es bereits Einkommen erzielt. Auch für die Klärung und Bereinigung der Einkommen von Berechtigten und Verpflichteten anderer Unterhaltsrechtsverhältnisse kann nach den hier erläuterten Grundsätzen verfahren werden. Soweit dort Besonderheiten gelten, wird darauf hingewiesen. 69 Zunächst wird im Anschluss in zwei Übersichten dargestellt, welche Einkünfte
für die unterhaltsrechtliche Einkommensermittlung eine Rolle spielen und welche Abzüge generell in Betracht kommen. Daran anschließend wird anhand des Einkommens abhängig und selbständig Erwerbstätiger erläutert (Rz. 79 ff. und Rz. 87 ff.), wie das jeweilige Durchschnittseinkommen typischerweise ermittelt wird unter Berücksichtigung der üblichen Abzugsposten und typischer Probleme bei der Klärung. Des Weiteren werden zur Vertiefung in alphabetischer Reihenfolge und unter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung die Problembereiche vorgestellt, die zum einen bei der Zuordnung von Einkünften zum unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen (Rz. 102 ff.) und zum anderen bei der Bereinigung des Einkommens (Rz. 214 ff.) immer wieder Anlass für Streitigkeiten und rechtliche Diskussionen bieten und deren Kenntnis zur Lösung unterhaltsrechtlicher Probleme wichtig ist. 1 BGH, FamRZ 2008, 2189 Rz. 19, 20; 2000, 1492 (1493); 2002, 536 (540). 2 BGH, FamRZ 2013, 191 Rz. 33 m. Anm. Born; FamRZ 2008, 2189 Tz. 19, 20. 3 BGH, FamRZ 2000, 1492 (1493); 1990, 266 (290); 1992, 539 (541).
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III. Berechnung des Unterhalts
a) Übersicht unterhaltsrechtlich relevanter Einkünfte Folgende Einkünfte sind möglich:1
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Einkünfte aus Erwerbstätigkeit als Arbeiter, Angestellter, Beamter und aus anderen Rechtsverhältnissen sowie aus selbständiger Erwerbstätigkeit z.B. als Gewerbetreibender, Handwerker oder Freiberufler, einschließlich – Überstundenvergütungen, Leistungszulagen, Trinkgelder, Abschlusszuwendungen, Tantiemen, Jubiläumszulagen, Provisionen, Steuerrückvergütungen; – Sachbezüge vom Arbeitgeber wie freies Essen, Wohnen, Freifahrten, Einkaufsrabatte, Überlassen eines PKW, Spesen und Auslagen, soweit sie den tatsächlich entstandenen Mehraufwand übersteigen; – Einkünfte aus einer Nebentätigkeit, auch aus Hobbys, sofern dauerhafte Einkünfte erzielt werden, z.B. als Trainer oder bei der Zucht von Tieren; – Abfindungen mit und ohne Sozialplan, Übergangsgelder des ausscheidenden Bundeswehrsoldaten,2 Auslandsverwendungszuschläge für im Ausland stationierte Soldaten.3 Einkünfte ohne Erwerbstätigkeit
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– Altersruhegeld, Pensionen, Versorgungsrenten, Renten aus Lebensversicherungen, Invalidenrenten; – Sozialleistungen mit Lohnersatzfunktion wie Arbeitslosengeld – ALG I – nach dem SGB III, Kurzarbeitergeld, Schlechtwettergeld, Streikgeld, Krankengeld, Krankenhaustagegeld, Mutterschaftsgeld. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende –ALG II – (§§ 19–30 SGB II) ist eine subsidiäre Sozialleistung ohne Lohnersatzfunktion und bleibt als Einkommen unberücksichtigt. Eine Ausnahme kommt in Betracht, wenn ein Rückgriff des Sozialträgers gegenüber dem Unterhaltspflichtigen in Höhe der gewährten Leistung ausgeschlossen ist und sich die Unterhaltsforderung eines Leistungsempfängers deshalb als treuwidrig erweist.4 Einkommen ist hingegen das Einstiegsgeld nach § 16b SGB II (früher § 29 SGB II a.F.); – Pflegegeldleistungen nach der Pflegeversicherung (§ 37 Abs. 1 SGB XI) bleiben in der Regel sowohl beim Unterhaltsberechtigten als auch Verpflichteten unberücksichtigt. Denn zugunsten der pflegebedürftigen Person wird gem. § 1610a BGB vermutet, dass das Pflegegeld die Aufwendungen für die Pflege deckt. Pflegegeld, das an die Pflegeperson weitergeleitet wird, ist nach § 13 Abs. 6 SGB XI nur ausnahmsweise unterhaltsrechtliches Einkommen, wenn die Pflegeperson einem minderjährigen und/oder privilegierten volljährigen Kind gesteigert unterhaltspflichtig ist (§ 1603 Abs. 2 BGB) oder wenn beim Trennungs-, Nachehe- oder Verwandtenunterhalt der eigene Unterhaltsanspruch der Pflegeperson wegen grober Unbilligkeit beschränkt wird (§§ 1361 Abs. 3, 1579, 1611 Abs. 1 BGB); ansonsten bleibt es unberücksichtigt.5 Pflegegeld nach § 64 SGB XII, das z.B. für die Pflege von Eltern gewährt wird, oder 1 2 3 4 5
Vgl. dazu auch die Nr. 1–9 der Leitlinien der OLG. BGH, FamRZ 1987, 930. BGH, FamRZ 2012, 1201 Rz. 24. So z.B. Nr. 2.2 der SüdL, Stand 1.1.2013; BGH, FamRZ 1999, 843. BGH, FamRZ 2006, 846 (mit Anm. Born, S. 849 f.) in Änderung seiner früheren Rechtsprechung in FamRZ 1996, 933; 984, 771; zur früheren Rechtsprechung Kalthoener/ Büttner, NJW 1996, 1857 ff.; OLG Hamm, FamRZ 1997, 1216 m.w.N.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
Pflegegeld, das für die Tagespflege von Pflegekindern nach § 23 Abs. 1–2a SGB VIII bezogen wird, soll sowohl den Bedarf des Pfleglings abdecken als auch die Pflegeleistung des Pflegenden materiell anerkennen, deshalb ist nur der Teil Einkommen, der den Arbeitsaufwand des Pflegenden abgelten soll. Lebt ein Kind in der Pflegestelle, umfasst das für die Pflege gezahlte Geld u.a. den notwendigen Unterhalt für das Kind und die Kosten für die Erziehung (§ 39 SGB VIII). Soweit der Träger die Leistungen getrennt ausweist, kann das Erziehungsgeld als Einkommen des Pflegenden behandelt werden,1 anderenfalls ist zunächst von dem Pflegegeld der Bedarf des Pfleglings zu ermitteln und der überschießende Teil als Einkommen zu behandeln. Eine Bedarfsbemessung nach der DT ist nicht ohne weiteres möglich wegen der unterschiedlichen Ausgangssituation der Fremdunterbringung. Der Bedarf des Pfleglings kann hilfsweise gem. § 287 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 FamFG geschätzt werden, der verbleibende Betrag (i.d.R. ein Drittel)2 stellt Einkommen der Pflegeperson dar, das beim Ehegattenunterhalt um einen Erwerbstätigenbonus zu bereinigen ist;3 – Wohngeld wird nur berücksichtigt, soweit es nicht überhöhte Wohnkosten ausgleicht (Berechnungsbeispiel s. Kap. C Rz. 16);4 – Elterngeld gilt als anrechenbares Einkommen sowohl des Unterhaltsberechtigten als auch des -verpflichteten, ausgenommen ist davon ein Betrag von 300 Euro. Diese Einschränkung findet keine Berücksichtigung, soweit ein Unterhaltspflichtiger einem minderjährigen und/oder privilegierten volljährigen Kind gesteigert unterhaltspflichtig ist (§ 1603 Abs. 2 BGB). Auf Seiten des Unterhaltsberechtigten gilt die Einschränkung nicht, wenn sein Unterhaltsanspruch wegen grober Unbilligkeit beschränkbar ist (§ 11 BEEG i.V.m. §§ 1361 Abs. 3, 1579, 1611 Abs. 1 BGB), vgl. dazu die Ausführungen unter Rz. 150 ff.). – Kindergeld und der Kinderzuschlag nach § 6a BKGG stellen kein bedarfsbestimmendes Einkommen des Verpflichteten dar; es wird rechtlich als Einkommen des Kindes behandelt.5 Kinderzuschläge des Arbeitgebers werden als Einkommen des Elternteils behandelt, der sie erhält.6 – Unterhalt, den ein barunterhaltspflichtiger Elternteil vom anderen Elternteil für sich erhält, ist grundsätzlich berücksichtigungsfähiges Einkommen bei der Berechnung des Kindesunterhalts. Nur wenn bei gemeinsamen Kindern der Ehegattenunterhalt im Einverständnis beider Eltern unter Vorabzug des vom anderen Elternteil gezahlten Kindesunterhalts berechnet wurde, bleibt der Ehegattenunterhalt für die Kindesunterhaltsberechnung als Einkommen außer Betracht, da die Ansprüche auf Ehegatten- und Kindesunterhalt in der Höhe voneinander abhängig sind und der Ehegatte wegen des Vorabzugs weniger Unterhalt erhält.7 Taschengeld, das ein unterhaltspflichtiger Elternteil, der wegen eines hinzunehmenden Rollentauschs in der neuen Ehe nicht erwerbstätig ist, von seinem Ehegatten erhält, ist gegenüber minderjährigen 1 2 3 4
OLG Köln, FamRZ 2010, 904. OLGR Zweibrücken 2002, 75; Wendl/Dose, § 1 Rz. 691. OLG Braunschweig, FamRZ 1996, 1216. BGH, FamRZ 1982, 587 (589); 1984, 772 (774); 2003, 860 (862) = FPR 2003, 378 (380). Zum unterhaltsrelevanten Teil des Wohngeldes BGH, FamRZ 2003, 860 (862). 5 BGH, FamRZ 1997, 806; Wendl/Dose, § 1 Rz. 686; BGH, FamRZ 2009, 1990 Tz. 28. 6 BGH, FamRZ 2007, 882. 7 BGH, FamRZ 2011, 454.
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III. Berechnung des Unterhalts
Kindern Einkommen.1 Auch die Gewährung von Familienunterhalt nach § 1360a BGB wirkt sich wirtschaftlich wie Einkommen aus, indem es bedarfsmindernd auf Seiten des Barunterhaltspflichtigen berücksichtigt und damit die Berücksichtigung von tatsächlich oder fiktiv erzielten Nebeneinkünfte ermöglicht (Rz. 183 ff. bei anzuerkennendem Rollentausch in neuer Ehe). Einkünfte aus Vermögen
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– Zinsen, sonstige Kapitalerträge, Mieteinnahmen, Wohnvorteil im Eigenheim, Gewinnbeteiligungen an Unternehmen etc. b) Übersicht zwingender und möglicher Abzugsposten Die nachfolgenden Abzüge sind teilweise zwingend, teilweise bedarf ihre Be- 73 rücksichtigung einer wertenden Entscheidung. Die Entscheidungskriterien über die Berücksichtigungswürdigkeit von möglichen Abzugsposten unterscheiden sich in den einzelnen Unterhaltsrechtsverhältnissen und hängen wesentlich ab von der Einstandspflicht des Verpflichteten für den Unterhalt. Abzüge für Steuern und Vorsorgeaufwendungen
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– Steuern (Einkommen-, Lohn- und Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag), Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung (Renten-, Arbeitslosen-, Krankenund Pflegeversicherung); – Beiträge für freiwillige Vorsorgeaufwendungen bei Krankheit, Invalidität, Alter und Arbeitslosigkeit, soweit sie in angemessenem Verhältnis zum Einkommen stehen. In der Regel sind für die primäre Altersvorsorge ca. 20 % des Bruttoeinkommens angemessen. – Zusätzlicher Altersvorsorgeaufwand wird sowohl bei abhängig als auch selbständig Erwerbstätigen – je nach Anforderung an die Einstandspflicht im Unterhaltsrechtsverhältnis – in Höhe von weiteren ca. 4 % des Bruttoeinkommens anerkannt. Aufzulisten sind mögliche Abzugsposten, z.B.
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– berufsbedingte Aufwendungen, die zur Erzielung des Einkommens erforderlich sind und sich nach objektiven Merkmalen von den privaten Lebenshaltungskosten abgrenzen lassen (weitgehend entsprechend den Werbungskosten im Steuerrecht), verbreitet ist der Abzug einer Pauschale;2 – sämtliche Schulden und Verbindlichkeiten, soweit sie nicht zu den allgemeinen Kosten der Lebensführung gehören, z.B. Zins- und Tilgungsleistungen auf Kreditverpflichtungen, weitere Unterhaltsverpflichtungen etc. Nicht abzugsfähig – und damit nicht aufzulisten – sind allgemeine Kosten der 76 Lebensführung, z.B. Miete, Gas, Elektrizität, Telefon, Haftpflicht-, Rechtsschutz-, Hausratversicherungen etc. Diese sind Teil des dem Verpflichteten zustehenden eigenen notwendigen Unterhalts (Selbstbehalts).
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Praxishinweis: Werden im Unterhaltsstreitverfahren die Gehaltsbescheini- 77 gungen eingereicht, wird das Gericht die gesetzlichen und die für Vorsor-
1 BGH, FamRZ 2006, 1817 (1830); Wendl/Dose, § 1 Rz. 724. 2 Vgl. Nr. 10.2.1 der Leitlinien der OLG.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
geaufwendungen notwendigen Abzüge bei seinen Berechnungen immer berücksichtigen. Anders ist es bei den Schulden und sonstigen Verbindlichkeiten: Dazu muss der Unterhaltspflichtige seine sämtlichen Belastungen (bei Krediten Zeitpunkt der Kreditaufnahme und Verwendungszweck) selbst unter Beweisantritt vortragen; das Gericht betreibt keine Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen. Hier ist äußerste Sorgfalt beim Sachvortrag geboten, da die Höhe des Unterhalts immer von der Höhe des Einkommens abhängt, das sich nach Abzug berücksichtigungswürdiger Schulden ergibt. Am sinnvollsten ist es, schon vorgerichtlich – wenn das Kind Auskunft über Einkommen und Vermögen vom Unterhaltsschuldner verlangt – die Auskunft zu erteilen und auch bestehende Verbindlichkeiten sowie deren Tilgung mitzuteilen und zu belegen. Das Kind kann dann von vornherein seine Zahlungsanträge der Leistungsfähigkeit anpassen, was sich günstig auf die Höhe der Verfahrenskosten auswirkt. Zwar kann der Verpflichtete die Auskunft im Streitfall noch im Rahmen seiner Rechtsverteidigung ohne Nachteil für seine materielle Rechtsposition vortragen. Er muss aber mit erheblichen Kostennachteilen rechnen, wenn er nicht schon vorprozessual auf das Auskunftsbegehren des Kindes reagiert hat oder einer Auflage des Gerichts nach § 235 Abs. 1 FamFG (Kap. K Rz. 98 ff.) nicht fristgemäß nachkommt. Denn das Gericht hat bei der nach billigem Ermessen zu treffenden Entscheidung über die Verteilung der Kosten des Verfahrens gem. § 243 Nr. 2 und 3 FamFG, die Säumigkeit des auskunftspflichtigen Beteiligten zu berücksichtigen (s. Kap. K Rz. 107). c) Berechnung des bereinigten Durchschnittseinkommens 78 Für die Berechnung zukünftigen Unterhalts wird eine Prognoseentscheidung da-
rüber benötigt, mit welchen Einkünften des Verpflichteten – und ggfs. auch des Berechtigten – künftig zu rechnen ist. Deshalb ist zunächst das Durchschnittseinkommen zu ermitteln. Schon hier beginnen oft die Schwierigkeiten, wenn der Betroffene z.B. gerade den Arbeitgeber gewechselt hat und mit höherem oder niedrigerem Einkommen zu rechnen hat, bei einem Selbständigen die Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb im laufenden Jahr plötzlich einbrechen und einen Tiefpunkt erreichen oder einem Arbeitnehmer gekündigt wird. Besondere Schwierigkeiten bereitet oft die Klärung des Einkommens Selbstständiger, weil die vorgelegten Einkommensnachweise, wie Steuerbescheide, Gewinn- und Verlustrechnungen etc. nach steuerrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten erstellt werden, die nicht deckungsgleich mit den unterhaltsrechtlichen Regeln und Maßstäben sind, die für die Bemessung des tatsächlich zur Verfügung stehenden Einkommens gelten. Auch Schnittstellen zum Sozialrecht verkomplizieren die Berechnung. Ist Elterngeld Einkommen gegenüber Unterhaltsansprüchen von Kindern; was gilt, wenn die Elternzeit verlängert wird unter Inkaufnahme geringerer Einkünfte? Wie ist das Arbeitslosengeld unterhaltsrechtlich zu behandeln? Nachfolgend wird zunächst am Beispiel des Einkommens unselbständig Erwerbstätiger (s. Rz. 79 ff.) und selbständig Erwerbstätiger (s. Rz. 87 ff.) dargestellt, wie das Durchschnittseinkommen zu ermitteln und unterhaltsrechtlich zu bereinigen ist. Im Anschluss daran werden typische Problemfälle bei der Zuordnung von Einkünften zum unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen und bei der Bereinigung des Einkommens behandelt.
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III. Berechnung des Unterhalts
aa) Das Durchschnittseinkommen nichtselbständig Erwerbstätiger Hat der Unterhaltsverpflichtete Einkünfte aus nichtselbständiger Erwerbstätig- 79 keit, steht ihm zur Deckung seines Lebensbedarfs der tatsächliche Zahlbetrag – sein Nettoeinkommen, also Bruttoeinkommen abzüglich Steuern, Solidaritätszuschlag und Sozialversicherungsbeiträge (nämlich Kranken-, Pflege-, Rentenund Arbeitslosenversicherung) – zur Verfügung. Für die Unterhaltsberechnung zukünftigen Unterhalts ist i.d.R. auf sein Durchschnittseinkommen des letzten Kalenderjahres abzustellen oder bei nicht unerheblichen Änderungen auf das Einkommen der letzten 12 Monate.1 Anhand eines Jahreseinkommensnachweises oder der monatlichen Gehaltsbescheinigungen, aus denen sich das Bruttound Nettoeinkommen einschließlich sämtlicher Zuschläge und Abzüge ergeben muss, ist unter Einbeziehung der Sonderzuwendungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Ortszuschläge, Überstunden u.Ä.) zunächst der Jahresbetrag und dann das monatliche Durchschnittsnettoeinkommen errechenbar. I.d.R. empfiehlt sich für die Berechnung des Durchschnittseinkommens von dem Unterhaltspflichtigen nicht nur Belege über das erzielte Einkommen, sondern auch eine Auskunft über den Tätigkeitsverlauf eines Jahres zu verlangen, denn aus monatlichen Gehaltsbescheinigungen oder Jahresgehaltsbescheinigungen sind Lohnersatzzahlungen wie Krankengeld oder Arbeitslosengeld nicht erkennbar. Zumindest sollten vorgelegte Belege daraufhin geprüft werden, ob monatliche Gehaltsbescheinigungen Lücken oder auffällige Schwankungen aufweisen, für die meistens ein längerer Krankengeldbezug oder eine längere Zeit der Arbeitslosigkeit ursächlich ist. Ist dies der Fall, sollten Aufklärung und die Vorlage der entsprechenden Belege verlangt werden, denn das Ergebnis kann durch die fehlenden Angaben wesentlich beeinflusst sein. Ebenso ist darauf zu achten, dass Auskunft über Steuererstattungen erteilt und dazu Belege vorgelegt werden, denn Steuererstattungen werden in dem Jahr der Erstattung als Einkommen berücksichtigt und umgelegt. Sie können allerdings für die Prognoseberechnung des zukünftig für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Einkommens nur berücksichtigt werden, wenn auch zukünftig mit entsprechenden Steuererstattungen zu rechnen ist. Zur Handhabung und Formulierung des Auskunftsanspruchs gegenüber dem Verpflichteten s. Kap. J Rz. 10 ff. Die Höhe der gesetzlichen Abzüge unterliegt Schwankungen. Die genaue Kennt- 80 nis der maßgeblichen Werte kann von Bedeutung sein, wenn das Einkommen fiktiv berechnet werden muss. Die fiktive Berechnung muss im Übrigen so detailliert sein, dass erkennbar ist, in welchem Umfang und zu welchem Stundensatz eine Tätigkeit zumutbar ist, für die ein fiktives Einkommen unterstellt wird. S. dazu die Ausführungen zum fiktiven Einkommen m.N. zur Rspr. unter Rz. 170 f. und Rz. 337. Ist der Arbeitnehmer nicht oder nicht in vollem Umfang sozialversicherungs- 81 pflichtig – sorgt er also freiwillig für die Gesundheits- und Altersversorgung bei einer privaten Krankenkasse und Lebensversicherung –, sind die hierfür üblichen nachzuweisenden Ausgaben (bis ca. 20 % des Bruttoeinkommens für die Alters- und Invaliditätsvorsorge und bis ca. 16 % des Bruttoeinkommens für die Kranken- und Pflegeversicherung) vom Bruttoeinkommen abzuziehen.2 Ergänzende Altersvorsorgeaufwendungen erkennt die Rechtsprechung i.d.R. in Höhe 1 BGH, FamRZ 2013, 935 Tz. 22; 1983, 996. 2 BGH, FamRZ 2003, 860 ff.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
von bis zu 4 % des Bruttoeinkommens an. Allerdings gelten insoweit im Rahmen des Minderjährigenunterhalts Besonderheiten; Differenzierungen können sich auch im Rahmen anderer Unterhaltsrechtsverhältnisse ergeben, s. dazu Rz. 242 f. 82 Das durchschnittliche Einkommen des letzten Jahres ist dann nicht maßgeb-
lich, wenn sich in jüngster Zeit gravierende Veränderungen bezüglich der Lohnentwicklung nach oben oder unten ergeben haben, die nun dauerhaft die Lebensbedingungen bestimmen werden, z.B. Wechsel des Arbeitsplatzes oder der Steuerklasse, Arbeitslosigkeit, Beförderung, Pensionierung. Die künftige Unterhaltsrente richtet sich dann immer nach den aktuellen Einkünften.1 Beispiel Der Unterhaltsverpflichtete erzielte 2012 ein Durchschnittsnettoeinkommen von 1 800 Euro monatlich, das sich ab 1.7.2013 um 200 Euro erhöhte. Der Berechnung von Unterhaltsansprüchen sind ab Juli 2013 2 000 Euro zugrunde zu legen. Liegen für die Berechnung des neuen Einkommens erst Belege für einige Monate vor und sind Sonderzuwendungen (z.B. Weihnachtsgeld) zu erwarten, kann eine fiktive Einkommensberechnung erstellt werden.
83 Für die Berechnung von Rückständen, für deren Geltendmachung die Vorausset-
zungen des § 1613 BGB gegeben sein müssen (Rz. 368 ff.), kommt es auf das in diesem Zeitraum tatsächlich erzielte oder – wenn die Voraussetzungen der Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht kommen – das erzielbare Einkommen an (Rz. 170 ff. zur Berechnung fiktiven Einkommens). Abzustellen ist dann auf das Durchschnittseinkommen des Jahres, in dem die Ansprüche fällig geworden sind. Sind in dem Jahr Steuererstattungen geflossen, finden sie Berücksichtigung, unabhängig davon, ob sie auch noch im folgenden Jahr anfallen werden, denn dieser Gesichtspunkt ist nur für die Berechnung zukünftigen Unterhalts maßgeblich. 84 Von dem so ermittelten Einkommen sind i.d.R. berufsbedingte Aufwendungen
als Pauschale abzuziehen (Rz. 215 ff.). Anschließend erfolgt der Abzug eventuell vorhandener Verbindlichkeiten, wobei jeweils deren Berücksichtigungswürdigkeit zu prüfen ist (Rz. 229 ff.). 85 Beim Ehegattenunterhalt ergeben sich Besonderheiten sowohl auf der Ebene der
Zuordnung von Einkünften beider Ehegatten zum unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen als auch bei dessen Bereinigung, weil das Gesetz einen anderen Maßstab für die Klärung des Bedarfs bestimmt, nämlich den Bedarf nach den prägenden ehelichen Lebensverhältnissen nach §§ 1361 und 1568 BGB (s. Kap. E Rz. 69 ff. und Kap. F Rz. 244 ff.). Insoweit sind jeweils zusätzliche wertende Entscheidungen erforderlich, welches Einkommen und welche Abzugsposten nach den ehelichen Lebensverhältnissen in die Durchschnittsberechnung einzubeziehen sind. Ist diese Entscheidung getroffen, erfolgt die Berechnung des Durchschnittseinkommens wie hier dargestellt. 86
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Praxishinweis: Es passiert immer wieder, dass Unterhaltspflichtige Freibeträge auf der Steuerkarte absichtlich nicht eintragen lassen oder eine Steuerklasse wählen, nach der höhere monatliche Lohnsteuerbeiträge zu zahlen sind, als dies der voraussichtlichen tatsächlichen Steuerschuld entspricht.
1 BGH, FamRZ 2013, 935 Tz. 22; OLG München, FamRZ 1984, 173.
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III. Berechnung des Unterhalts
Die erstinstanzlichen Gerichte errechnen häufig mit Hilfe der Lohnsteuertabellen den richtigen Steuerbetrag und ziehen diesen ab, um eine Benachteiligung des Kindes zu vermeiden. Dies empfiehlt sich dann, wenn noch kein Steuererstattungsbescheid vorliegt. Der BGH hat diese Korrektur des Nettoeinkommens im Rahmen des Eltern- und Kindesunterhalts ausdrücklich gebilligt, wenn durch die Steuerklassenwahl die Steuerbelastung von Ehegatten zu Lasten des Unterhaltspflichtigen und damit zum Nachteil des Unterhaltsberechtigten verschoben wird.1 In jedem Fall sollte vom Unterhaltsberechtigten immer auch Auskunft über die Steuererstattungen verlangt und vorsorglich die Zahlung eines geschätzten höher bezifferten Unterhaltsbetrages angemahnt werden. Das Gericht kann zur Aufklärung der Einkommensverhältnisse sogar selbst eine entsprechende Auskunft vom Finanzamt einholen, wenn der Verpflichtete trotz richterlicher Auflage untätig bleibt (§ 236 Abs. 1 Nr. 5 FamFG). Diese Befugnis gilt für alle Unterhaltsrechtsverhältnisse. Das Auskunftsersuchen gegenüber dem Finanzamt ist den Verfahrensbeteiligten mitzuteilen (§ 236 FamFG, vgl. dazu Kap. K Rz. 199). Es ist für die Beteiligten nicht selbständig anfechtbar. Wurde für das Kind Unterhaltsvorschuss gezahlt, hat die Unterhaltsvorschusskasse, neben ihrem Auskunftsanspruch gegenüber den Verpflichteten aus übergegangenem Recht, seit 1.7.2013 noch einen eigenen öffentlich-rechtlichen Auskunftsanspruch gegen das für den Verpflichteten zuständige Finanzamt, s. Kap. H Rz. 16. bb) Das Durchschnittseinkommen selbständig Erwerbstätiger Für die Bestimmung des durchschnittlichen Monatseinkommens bei Selbständi- 87 gen ist i.d.R. das Einkommen der letzten 3 Jahre zugrunde zu legen, weil die Einnahmen häufig schwanken.2 Sind die Schwankungen sehr groß, kann eine Aufstellung für einen längeren Zeitraum verlangt werden.3 Zeichnet sich im letzten Jahr eine deutliche Erhöhung ab, kann ein kürzerer Zeitraum Berechnungsgrundlage für das maßgebliche Einkommen sein, wenn mit einer stetigen Weiterentwicklung des zuletzt erzielten Einkommens zu rechnen ist.4 Besonderheiten gelten bei neu begründeter Selbständigkeit: Hier kann das zuvor verdiente Einkommen Anknüpfungspunkt für den Bedarf sein, weil die Verpflichtung besteht, für den zu zahlenden Unterhalt Rücklagen zu bilden.5 Möglich ist aber auch, auf den vom Selbständigen zur Deckung seines Bedarfs verwendeten Betrag aus dem für die Begründung seines Unternehmens aufgenommenen Kredit abzustellen.6 Beurteilungsgrundlage für die Höhe des Einkommens sind die von dem Verpflichteten (in einer geordneten Aufstellung) erteilten Auskünfte und vorgelegten Belege wie Gewinn- und Verlustrechnungen, Bilanzen, Überschussrechnungen, Einkommensteuerbescheide, Steuererklärungen etc. Fehlt eine ge1 BGH, FamRZ 2004, 443 (444) (zum Elternunterhalt). Zum Kindesunterhalt BGH, FamRZ 1980, 984; OLG Köln, JAmt 2012, 54–55. Dies gilt auch in Fällen der Gläubigerbenachteiligung im Rahmen der Zwangsvollstreckung und des Insolvenzverfahrens; BGH, FamRZ 2006, 37 zur Gehaltspfändung; FamRZ 2008, 1845 zum Insolvenzverfahren. 2 BGH, FamRZ 1982, 680. 3 BGH, FamRZ 1985, 357 (358). 4 BGH, FamRZ 1985, 582. 5 BGH, FamRZ 1992, 1045; 1987, 372 ff. 6 BGH, FamRZ 1988, 256 (Eröffnung einer Arztpraxis).
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
ordnete Übersicht zu den Einkünften und liegen nicht alle Belege vor, ist zu beachten, dass sich nicht alle Einnahmen aus den vorgelegten Belegen ergeben müssen, obwohl sie zu berücksichtigen sind. So können Selbständige z.B. Renten oder Krankengeld beziehen, die in den vorgelegten Überschussrechnungen des Unternehmens nicht erscheinen. 88 Von den Gewinnen und sonstigen Einnahmen sind die Aufwendungen für Steu-
ern sowie für Alters- und Gesundheitsvorsorge abzusetzen. Abzugsfähig sind nur tatsächlich geleistete und dem Einkommen angemessene Vorsorgeaufwendungen.1 Dem Selbständigen wird der übliche, aber kein übermäßiger Versicherungsschutz zugebilligt. Üblich sind Aufwendungen i.H.v. ca. 20 % des Bruttoeinkommens für Alters- und Invaliditätsvorsorge und ca. 16 % für Kranken- und Pflegeversicherung. Beiträge für eine zusätzliche Altersversorgung und zusätzliche Krankenversicherung werden unterhaltsrechtlich i.d.R. ebenfalls anerkannt, wobei Aufwendungen i.H.v. bis zu 4 % des Gesamtbruttoeinkommens des Vorjahres als angemessen anerkannt sind.2 Dies gilt jedoch nicht, wenn der Unterhaltspflichtige nicht den Mindestunterhalt seines unterhaltsberechtigten Kindes abdecken kann. Dann hat der Kindesunterhalt Vorrang, denn minderjährige Kinder haben im Gegensatz zu Erwachsenen schon aufgrund ihres Alters nicht die Möglichkeit durch eigene Anstrengungen zu ihrem Lebensunterhalt beizutragen.3 Damit weicht der BGH nur für den Kindesunterhalt mit Rücksicht auf die gesteigerte Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB von seiner ansonsten für alle anderen Unterhaltsrechtsverhältnisse geltenden Rechtsprechung ab, nach der ergänzende Altersvorsorgeaufwendungen jährlich in Höhe von 4 % des Jahresbruttoeinkommens des Vorjahres4 und beim Elternunterhalt in Höhe von bis zu 5 % akzeptiert werden.5 89 Steuern sind nach der Rechtsprechung des BGH i.d.R. in der Höhe abzuziehen, in
der sie in dem maßgeblichen Jahr tatsächlich angefallen sind (sog. In-Prinzip).6 Die ausschließliche Anwendung des In-Prinzips kann jedoch zu nicht unerheblichen Verzerrungen des unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommens führen, wenn z.B. Steuervorauszahlungen geleistet wurden, die höher sind als die später bei der steuerlichen Veranlagung im Steuerbescheid festgesetzte tatsächliche Steuer, und der Steuerpflichtige die tatsächliche Veranlagung noch hinauszögert. Auch Ansparabschreibungen nach § 7g EStG a.F. haben in der Vergangenheit Anlass geboten, an der Sinnhaftigkeit des In-Prinzips als maßgebliches Zuordnungskriterium zu zweifeln. Denn es kam zu erheblichen Verzerrungen des tatsächlich verfügbaren Einkommens, wenn in den für die Durchschnittsberechnung maßgeblichen Jahren Rückstellungen für künftige abschreibungsfähige Investitionen, gewinnmindernd – und damit die Einkommensteuer mindernd – berücksichtigt wurden, die später wegen fehlender Verwirklichung der Investition aufgelöst werden mussten. Die Konsequenz der Auflösung war dann eine gewinnerhöhende Zuschreibung der getätigten Ansparbeträge in den Folgejahren, mit der Folge stei-
1 BGH, FamRZ 2007, 193–196. 2 BGH, FamRZ 2005, 1817 (1821). 3 BGH, FamRZ 2013, 616 Tz. 20, mit Anm. Finke S. 618; FamRZ 2003, 741 (744); ebenso OLG Brandenburg, Urt. v. 13.1.2009 – 10 UF 132/08 zum Kindesunterhalt. 4 BGH, FamRZ 2005, 1817 (1821 f.); 2007, 793 (795). 5 BGH, FamRZ 2006, 1511; 2003, 860 ff. (Elternunterhalt); OLG München, FamRZ 2005, 367 (368). 6 BGH, FamRZ 1991, 304; 2003, 741 m.w.N.
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gender Steuern, ohne dass in diesen Jahren real Mehreinkünfte erzielt wurden.1 Mit Rücksicht auf diese steuerrechtlich bedingten Möglichkeiten der Verzerrung des unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommens, hat der BGH ausdrücklich eine Exklusivität des In-Prinzips verneint und überlässt es der Verantwortung der Tatsacheninstanzen, unter den gegebenen Umständen des Einzelfalls eine geeignete Methode zur möglichst realitätsgerechten Ermittlung des Nettoeinkommens als Grundlage der Unterhaltsbemessung zu finden.2 In der Praxis verfahren die Gerichte meist pragmatisch, indem sie nach dem Für-Prinzip die Steuern abziehen, die in den Steuerbescheiden für die maßgeblichen Jahre abschließend festgelegt wurden. Dies bietet sich immer dann an, wenn für den Zeitraum, der der Durchschnittsberechnung zugrunde gelegt wird, die Steuerbescheide bereits vollständig vorliegen. Man erspart sich damit eine dreifache Prüfung und Berechnung von Steuervorauszahlungen, Steuererstattungen und Steuernachzahlungen.3 Fiktive Steuerberechnungen kommen in Betracht, wenn die steuerliche Veranla- 90 gung manipulativ verzögert oder unterhaltsrechtlich bedingte Korrekturen am zu versteuernden Einkommen vorzunehmen sind. Selbst wenn Steuerbescheide vorliegen, können unterhaltsrechtliche Gesichtspunkte eine Korrektur des Einkommens und der Besteuerung erfordern, z.B. wenn Aufwendungen für Vermögensbildung, die mit Steuerersparnissen verbunden sind, nicht anzuerkennen sind. Für die fiktive Steuerberechnung sind zunächst von dem Bruttoeinkommen steuerrechtlich anerkannte Abzüge für Sonderausgaben nach § 10 EStG vorzunehmen, wie z.B. für Vorsorgeaufwendungen des Verpflichteten, Krankenkassen- und Pflegeversicherungskosten, § 10 Abs. 1 Nr. 2 und 3 und Abs. 2 EStG, ggf. für Verluste bei Vermietung und Verpachtung (§ 10d EStG), für Unterhaltsbelastungen durch geschiedene oder getrenntlebende Ehegatten gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG oder aber nach § 33a EStG.4 Von dem so ermittelten zu versteuernden Einkommen wird die Steuerschuld ein- 91 schließlich des Solidaritätszuschlags je nach Sachverhalt entweder nach der Grundtabelle oder Splittingtabelle für das maßgebliche Jahr errechnet. Zur Behandlung des Splittingvorteils bei der Einkommensberechnung s. Rz. 199, beim Nacheheunterhalt Kap. F Rz. 321 ff. Die so ermittelte fiktive Steuerschuld wird dann von dem unterhaltsrechtlich maßgeblichen Bruttoeinkommen abgezogen. Anschließend wird das Einkommen um die unterhaltsrechtlich anzuerkennenden Vorsorgeaufwendungen sowie Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeiträge sowie sonstige unterhaltsrechtlich anzuerkennenden Verbindlichkeiten bereinigt. Schwierigkeiten bereitet oft die unterhaltsrechtliche Einschätzung, ob der aus 92 den Gewinn- und Verlustrechnungen (GuV), Einnahmen-Überschussrechnungen oder Steuerbescheiden ersichtliche unternehmerische Gewinn tatsächlich dem unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommen des Selbständigen entspricht; denn nicht alle nach § 242 HGB oder § 4 Abs. 3 EStG ermittelten Betriebsausga-
1 BGH, FamRZ 2004, 1177 f. 2 BGH, FamRZ 2011, 1851 Tz. 19. Zur Kritik an der früheren Rspr. des BGH: Wendl/Dose/Kemper, § 1 Rz. 971 ff.; Fischer-Winkelmann, FamRZ 1993, 880 (884). 3 Kemper empfiehlt die völlige Aufgabe des In-Prinzips wegen Ungeeignetheit, Wendl/ Dose/Kemper, § 1 Rz. 982. 4 Borth, FamRZ 2010, 416 ff.
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ben sind unterhaltsrechtlich abzugsfähig.1 Aufgrund der im Unterhalts- und Steuerrecht geltenden unterschiedlichen Bewertungsmaßstäbe sind deshalb Auskünfte über das steuerrechtliche Einkommen zu hinterfragen. Der Gewinn oder Überschuss ergibt sich aus der Aufstellung der Betriebseinnahmen abzüglich der Betriebsausgaben.2 Abzugsfähig sind alle zur Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung des Betriebs notwendigen Kosten. Aber betriebsbedingten Ausgaben können ersparte Aufwendungen für den privaten Lebensbedarf entsprechen, so dass eine sorgfältige Prüfung der Ausgaben sinnvoll sein kann. Hauptstreitfall hierfür ist der Umfang des privaten Nutzungsanteils eines betrieblichen PKW. Aber auch Teile der Kosten für Telefon, Porto, Papier, Reisen, Bewirtung, Miete und dergleichen kommen oft auch der privaten Lebensführung zugute, so dass die Ersparnis privater Aufwendungen durchaus höher liegen kann als der steuerrechtlich berücksichtigte Anteil.3 Bestreitet der Unterhaltsberechtigte steuerrechtlich anerkannte Ausgaben und fehlen auf Seiten des Verpflichteten dazu konkrete Angaben oder sind sie unvollständig, bleiben die entsprechenden Positionen entweder ganz oder teilweise unberücksichtigt, wodurch sich das maßgebliche Einkommen aus unterhaltsrechtlicher Sicht ändert. In Betracht kommen kann auch eine Schätzung auf der Grundlage von §§ 286 und 287 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 FamFG, wenn der Aufwand der Beweiserhebung in einem unangemessenen Verhältnis zu dem Ergebnis steht.4 93 Im Grundsatz gilt für die verfahrensrechtliche Behandlung von Angaben des
Verpflichteten, die bestritten werden, dass der Tatrichter „im Rahmen einer umfassenden Beweiswürdigung die vom darlegungs- und beweispflichtigen Unterhaltsschuldner vorgelegten Unterlagen auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen (hat), wobei es Sache des Unterhaltsschuldners ist, seine Einnahmen und Ausgaben so darzustellen, dass die steuerlich beachtlichen Aufwendungen von den unterhaltsrechtlich relevanten abgegrenzt werden können. Dabei können einzelne Posten als unwahr zurückgewiesen werden, wenn eine solche Abgrenzung nicht zu treffen ist oder sich konkrete Zweifel am unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen ergeben.“5 94 In der Praxis sind die Abschreibungen für Wirtschaftsgüter häufig ein Streit-
punkt. Die sog. AfA-Beträge, die die steuerrechtliche Absetzung für die Abnutzung von Anlagevermögen bezeichnen, können unterhaltsrechtlich nicht oder nicht in voller Höhe als Betriebsausgaben anerkannt werden, wenn z.B. die Anschaffung des Wirtschaftsguts nicht angemessen war (Kauf eines zu teuren Firmenwagens),6 das Anlagevermögen keinem oder einem längerfristigeren Wertverzehr unterliegt (Kauf eines Unternehmens als immaterielles Anlagevermögen), ferner Wertminderungen von Gebäuden, wenn diese mit einem Anstieg des Immobilienpreises ausgeglichen werden.7 Gemäß § 7 EStG können die Anschaffungskosten für Wirtschaftsgüter über mehrere Jahre als Abzugsposten 1 BGH, FamRZ 1980, 770 (771). 2 Vgl. die Abgrenzung von Gewinn- und Überschusseinkünften bei Wendl/Dose/Kemper, § 1 Rz. 166 ff., 180 ff. 3 Wendl/Dose/Kemper, § 1 Rz. 237 ff. (Sachentnahmen, Nutzungsentnahmen, PKW-Nutzung etc.). 4 BGH, FamRZ 2005, 97 ff. zur Schätzung von betriebsbedingten Vorteilen als Einkommen. 5 BGH, FamRZ 1993, 789. 6 BGH, FamRZ 1987, 46 ff. 7 BGH, FamRZ 1997, 281; 1998, 357 (359); OLG Dresden, FamRZ 1999, 850.
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steuerlich geltend gemacht werden für deren Abnutzung (lineare Abschreibung), Substanzverringerungen sowie außergewöhnliche technische und wirtschaftliche Abnutzung. Vor allem die lineare Abschreibung für Abnutzung (§ 7 Abs. 1 EStG) spielt in Unterhaltsprozessen eine Rolle. Werte für die Schätzung der Nutzungsdauer bei der linearen Abschreibung ergeben sich aus amtlichen Tabellen, die der Bundesfinanzminister mit Fachverbänden der Wirtschaft abstimmt, die aber nicht immer die tatsächliche Nutzungsdauer angeben, weil mit ihnen auch konjunkturpolitische Zwecke verfolgt werden.1 Der BGH hat die Anwendung der Tabellen als Hilfsmittel anerkannt, gleichzeitig jedoch klargestellt, dass sie zwar die Vermutung der Richtigkeit haben, aber die Gerichte nicht binden, wenn sie erkennbar nicht auf Erfahrungswissen beruhen und deshalb unzutreffend sind.2 Unterhaltsrechtlich kann durchaus Anlass für eine Korrektur bestehen, wenn tabellarisch festgesetzte Zeiträume für die Abnutzung zu kurz und die Absetzungsbeträge demzufolge sehr hoch sind, obwohl die tatsächliche Nutzungsdauer wesentlich länger ist. Weicht die tatsächliche Nutzungsdauer im Einzelfall erheblich ab, sind die Abschreibungsbeträge in geringerer Höhe über einen längeren Zeitraum zu verteilen, wodurch sich der Gewinn und damit das für die Bedarfsberechnung maßgebliche Einkommen erhöhen.3 Dem Unterhaltsbedürftigen ist nicht zuzumuten, indirekt durch geringeren Unterhalt eine sachlich nicht gebotene Bildung von Betriebsvermögen mitzufinanzieren.4 Diese Grundsätze gelten auch, soweit für betriebliche Wirtschaftsgüter Sonderabschreibungen in Anspruch genommen werden.5 Ist das Ergebnis der Überprüfung der AfA-Beträge eine Kürzung der Abschreibungsbeträge, erhöht sich der Gewinn des Selbständigen. Häufig wird in der Praxis dann eine fiktive Steuerberechnung durchgeführt. Dies ist nach Auffassung des BGH unterhaltsrechtlich dann nicht geboten, wenn die Steuervergünstigung dem Steuerpflichtigen in den Folgejahren im Wesentlichen verbleibt, sich aber wegen des geringen Einkommens des Steuerpflichtigen nicht steuererhöhend auswirkt.6 Abschreibungen für die Abnutzung von Gebäuden (§§ 7 ff. EStG) werden unter- 95 haltsrechtlich i.d.R. nicht anerkannt;7 denn sie beruhen auf steuerlichen Pauschalen für einen geschätzten Verschleiß, die deutlich über das tatsächliche Ausmaß der Wertminderung der Bauwerke hinausgehen. Auch wirkt sich eine Abnutzung meist nicht auf das Einkommen aus; im Übrigen steht ihr i.d.R eine günstige Entwicklung der Immobilienpreise gegenüber.8 Nur ausnahmsweise können Abschreibungen wegen Abnutzungen berücksichtig werden, wenn dies anhand konkreter Zahlen feststellbar ist.9 Instandsetzungskosten können unterhaltsrechtlich nur insoweit berücksichtigt werden, als es sich um notwendigen 1 Die Tabellen sind im Internet unter folgendem Link für die verschiedenen Wirtschaftszweige abrufbar: http://www.bundesfinanzministerium.de/Web/DE/Themen/Steuern/ Weitere_Steuerthemen/Betriebspruefung/AfA_Tabellen/afa_tabellen.html. 2 BGH, FamRZ 2003, 741 (743) mit krit. Anm. Gerken. 3 Strohal, FPR 2006, 344 (347); kritisch gegenüber Veränderung der Werte der AfA-Tabellen: Kleinle, FamRZ 1998, 1346 ff. sowie Weychardt, FamRZ 1999, 1407. 4 Wendl/Dose/Kemper, § 1 Rz. 205 ff., 343. 5 BGH, FamRZ 2003, 741 (743f). 6 BGH, FamRZ 2003, 741 (744). 7 BGH, FamRZ 1997, 281 (283). 8 BGH, FamRZ 2005, 1159 ff.; 1997, 281 (283); Wendl/Dose/Kemper, § 1 Rz. 210–212, 345 ff. 9 BGH, FamRZ 2012, 514 Tz. 33.
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Erhaltungsaufwand und nicht etwa um den Aufwand für Vermögensbildung handelt, wie dies bei Ausbauten und wertsteigernden Verbesserungen der Fall ist.1 96 Sonderabschreibungen, die sich nicht auf Wirtschaftsgüter des Betriebs beziehen
(gemäß § 7a EStG z.B. bei Bauherrenmodellen), sind unterhaltsrechtlich nicht anzuerkennen, so dass weder die Belastungen noch die erzielten Steuervorteile zu berücksichtigen sind.2 Deshalb sind in diesen Fällen fiktive Steuerberechnungen erforderlich. 97 Investitionsabzugsbeträge, die seit 18.8.2007 an die Stelle der Ansparabschrei-
bungen getreten sind, können das steuerlich bereinigte Einkommen des Unternehmers erheblich mindern, obwohl der bei der Besteuerung berücksichtigte Abzugsbetrag dem Unternehmer tatsächlich zur Verfügung stand. Nach § 7g Abs. 1 EStG können mittelständische Unternehmen für zukünftige Anschaffungen und Herstellung von Wirtschaftsgütern Rücklagen in Höhe von 40 % des Werts des Wirtschaftsguts innerhalb eines Ansparzeitraums von bis zu drei Jahren geltend machen. Die Abwicklung erfolgt – anders als bei der früheren Ansparrücklage – außerhalb des betrieblichen Jahresabschlusses nur im Rahmen der Besteuerung und wird dort steuermindernd berücksichtigt. Erfolgt die Investition, können für das erworbene oder hergestellte Wirtschaftsgut lineare Abschreibungen geltend gemacht werden und es bleibt bei den die Investitionsabzugsbeträge berücksichtigenden Steuerbescheiden. Erfolgt die Investition jedoch nicht, werden die Steuerbescheide nachträglich geändert mit Verzinsung der nachzuzahlenden Steuerschuld. In dem Fall sind die geänderten Steuerbescheide maßgeblich für die einkommensmindernd zu berücksichtigenden Steuern bei der Einkommensberechnung, wenn das Durchschnittseinkommen für einen Zeitraum gebildet wird, auf den sich die Steuerbescheide beziehen. Wird das Durchschnittseinkommen für die Folgejahre errechnet, in dem die Steuernachzahlungen zu tätigen ist, sind diese nicht zu berücksichtigen. 98 Beispiel V macht für die Jahre 2009–2011 jährliche Investitionsabzugsbeträge i.H.v. 8 000 Euro geltend, da er 60 000 Euro in eine Werkbank investieren will (60 000 * 40 % = 24 000 Euro / 3 Jahre = 8 000 Euro). Sein Gewinn und damit sein zu versteuerndes Einkommen verringern sich in diesen Jahren um jeweils 8 000 Euro, so dass ihm die Beträge zur Verfügung stehen. Da er die geplante Investition nicht tätigt, werden die Steuerbescheide für 2009–2011 in 2012 rückwirkend geändert auf der Grundlage eines um jeweils 8 000 Euro höheren zu versteuernden Einkommens. Für den Unterhalt soll das Einkommen aus 2010 – 2012 maßgeblich sein. Hier kann das Einkommen durchgängig auf der Grundlage der teilweise geänderten Steuerbescheide für 2010 und 2011 sowie des Steuerbescheids von 2012 berechnet werden. Korrekturen am betrieblichen Gewinnergebnis sind nicht nötig.
99 Fehlen vollständige Informationen zur Entwicklung der Investitionsabzugs-
beträge, bleiben diese unberücksichtigt und es ist für die maßgeblichen Jahre eine fiktive Steuerberechnung zu erstellen unter Hinzurechnung der Beträge zum zu versteuernden Einkommen. Dies entspricht der früheren Handhabung bei nicht verwirklichten Ansparabschreibungen. Der BGH hat insoweit ausdrücklich betont, dass dann die Steuerbelastung zu berücksichtigen sei, die den Verpflichteten ohne die Ansparabschreibung getroffen hätte.3 1 BGH, FamRZ 2005, 1159; 1997, 281 (283); 1984, 39 (41). 2 BGH, FamRZ 1987, 36 (37). 3 BGH, FamRZ 2004, 1177 ff.; Anm. dazu von Engels, FamRZ 2004, 1356; Heiß/Heiß, Kap. 3, S. 25b; OLG Hamm, FamRZ 2002, 885.
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III. Berechnung des Unterhalts
§ 7g EStG a.F. bleibt anwendbar für die Ansparabschreibungen, die in den bis zum 18.8.2007 endenden Wirtschaftsjahren getätigt und für Wirtschaftsgüter, die vor dem 1.1.2008 angeschafft wurden. Die Beispiele verdeutlichen, dass sorgfältig geklärt werden sollte, ob steuer- 100 rechtlich anerkannte Ausgaben oder Vorteile das Einkommen unterhaltsrechtlich tatsächlich mindern. Dabei ist hier zu beachten, dass dies im Unterhaltsverfahren i.d.R. nicht von Amts wegen geschieht. Es ist vielmehr Aufgabe desjenigen, der den Unterhalt geltend macht, die Einkommensverhältnisse des Verpflichteten, darzulegen und zu beweisen, wenn sich sein Bedarf – wie beim Minderjährigenunterhalt wegen der abgeleiteten Lebensstellung nach den Einkommensverhältnissen des Verpflichteten (§ 1610 Abs. 1 BGB) oder wie beim Ehegattenunterhalt (§§ 1361, 1569 ff. BGB) – auch nach den Einkommensverhältnissen des Verpflichteten richtet. Zu diesem Zweck steht dem Unterhaltsberechtigten ein Auskunftsanspruch gegenüber dem Verpflichteten zu, nach dem dieser verpflichtet ist, seine Einnahmen und Aufwendungen im Einzelnen so darzustellen, dass die allein steuerlich beachtlichen Aufwendungen von solchen, die unterhaltsrechtlich von Bedeutung sind, abgegrenzt werden können. Insbesondere kann auch die Aufklärung zweifelhafter Positionen verlangt werden.1 Vgl. Kap. I Rz. 38 und zum Auskunftsanspruch beim selbständig Erwerbstätigen Kap. I Rz. 21 ff. Kann der Unterhaltsberechtigte seinen Bedarf schlüssig darlegen und bestreitet er im Verfahren die unterhaltsrechtliche Relevanz einzelner Ausgaben, ist es Sache des Unterhaltsschuldners, der sich auf seine Leistungsunfähigkeit oder eingeschränkte Leistungsfähigkeit beruft, seine Einnahmen und behaupteten Aufwendungen im Einzelnen so darzustellen, dass die allein steuerrechtlich beachtlichen Aufwendungen von solchen, die unterhaltsrechtlich beachtlich sind, abgegrenzt werden können. Dazu gehört, substantiiert dazulegen und zu beweisen, dass die steuerrechtlich anerkannten Aufwendungen auch unterhaltsrechtlich berücksichtigungswürdig sind.2 Tut er dies nicht, kann das Gericht ggf. den Betrag außer Ansatz lassen oder gemäß § 287 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 FamFG schätzen.3 Wenn nach den Unterlagen die Gewinne gering ausfallen, obwohl die vollständige Familie vor der Trennung der Eltern noch gut leben konnte, können auch nicht gebuchte „Schwarz“einnahmen ursächlich sein. Beweispflichtig für ein tatsächlich höheres, zu versteuerndes Einkommen ist derjenige, der sich darauf beruft. Möglich ist auch, bei unklaren Einkommensverhältnissen ausnahmsweise auf 101 die Privatentnahmen des Selbständigen abzustellen.4 Da Entnahmen bei Einzelunternehmen das Betriebsvermögen mindern, kann sich unterhaltsrechtlich jedoch das Problem der Zumutbarkeit des Vermögensverzehrs stellen.5 Sie stellen aber mindestens ein Indiz dar, die Einkommensangaben sorgfältig zu hinterfragen. Wird für die Einkommensbestimmung auf die Entnahmen abgestellt, schließt dies die zusätzliche Berücksichtigung von Gewinnen aus.
1 BGH, FamRZ 1980, 770; 1984, 39. 2 BGH, FamRZ 1998, 357 (359); grundlegend zum Abgrenzungserfordernis BGH, FamRZ 1980, 770 (771). 3 BGH, FamRZ 1993, 789. 4 So z.B. OLG Köln, FamRZ 1990, 310; OLG Hamm, FamRZ 1993, 1088; Schürmann, FamRZ 2002, 1149 ff.; kritisch Heiß/Linderer, Kap. 45 Rz. 30 ff. 5 Heiß/Linderer, a.a.O.
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d) Zur Vertiefung: Typische Probleme der Zuordnung von Einkünften zum unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommen aa) Abfindungen und Sonderzuwendungen 102
Abfindungen, die nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, sind über einen längeren Zeitraum zu verteilen, um den bisherigen Bedarf z.B. bei fortdauernder Erwerbslosigkeit zu sichern. Dabei ist für die unterhaltsrechtliche Behandlung nicht von Bedeutung, welchem arbeitsrechtlichen Zweck die Abfindung dienen soll, z.B. als Abgeltung für den Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage oder Entschädigung für zukünftige Einkommenseinbußen, denn ihre Behandlung richtet sich vorwiegend nach unterhaltsrechtlichen Regeln.1 Sie sind jedoch unterhaltsrechtlich unbeachtlich, wenn der Arbeitnehmer im Anschluss an das beendete Arbeitsverhältnis sogleich eine neue, gleich gut dotierte Arbeit ohne finanzielle Einbußen beginnt. Die Abfindungen werden in dem Jahr, in dem sie fließen, als Arbeitseinkommen besteuert, stellen aber kein sozialversicherungspflichtiges Einkommen dar. Auch ein Abzug berufsbedingter Aufwendungen kommt nicht in Betracht. Erfolgt die Besteuerung nach der Splittingtabelle, kommt der steuerliche Vorteil auch dem Kind zugute, unabhängig davon, ob er durch die Ehe mit dem anderen Elternteil begründet ist oder nicht.2
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Bei Abfindungen aus Anlass der Aufhebung eines Anstellungsvertrags ist im Grundsatz der Maßstab für die Verteilung, dass trotz des Verlustes des Arbeitsplatzes die bisherigen wirtschaftlichen Verhältnisse eine gewisse Zeit aufrechterhalten und der bisherige Bedarf sichergestellt werden sollen. Dies gilt auch, wenn eine neue Beschäftigung begonnen wird und der Verdienst deutlich niedriger liegt. Von diesem Grundsatz, den bisherigen Lebensstandard möglichst aufrecht zu erhalten, kann abgewichen werden, wenn die Besonderheiten des Einzelfalls dies erfordern. Droht z.B. eine längerfristige Erwerbslosigkeit oder bestehen keine Chancen, das Niveau des früheren Verdienstes zu erreichen, kann es sinnvoll sein, die monatliche Umlage abweichend vom bisherigem Niveau niedriger zu bemessen und die Abfindung stattdessen über einen längeren Zeitraum zu verteilen. Beispiel Ein 56-jähriger mit einem bereinigten Durchschnittsverdienst von 1 800 Euro verliert seinen Arbeitsplatz und erhält nach Steuerabzug eine Abfindung in Höhe von ca. 40 000 Euro. Bei einem Bezug von Arbeitslosengeld i.H.v. ca. 1 200 Euro müsste die Umlage der Abfindung mtl. 600 Euro betragen. Hier sollte jedoch eine Verteilung des Kapitals und der Zinsen bis zur Rentenbezugsberechtigung auf 9 Jahre vorgenommen werden3, wenn nicht alsbald mit einer Neuanstellung zu rechnen ist4. Das ergibt ein zusätzliches mtl. Netto von ca. 370 Euro ohne Berücksichtigung von Zinserträgen (40 000 Euro : 108 Monate = 370 Euro).
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Sind die Einkünfte aus einer neuen Erwerbstätigkeit dauerhaft niedriger, besteht gleichwohl die Obliegenheit zur Umlage der Abfindung. Insbesondere darf der Unterhaltspflichtige keine Vermögensbildung zu Lasten des unterhaltsberech-
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BGH, FamRZ 2012, 1048 m. krit. Anm. Maurer S. 1685; FamRZ 2012, 1040 Tz. 37. BGH, FamRZ 2012, 1048 m. Anm. Maurer S. 1685. OLG Hamburg, DAV 1989, 87. OLG Koblenz, FamRZ 1991, 573 (574).
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tigten Kindes bilden.1 Ist also die Abfindung noch mindestens teilweise vorhanden, nachdem der Verpflichtete z.B. eine neue Arbeit gefunden hat, besteht eine Obliegenheit mit dem verbliebenen Betrag den Mindestunterhalt des Kindes längerfristig bis zur Volljährigkeit zu sichern. Für den Ehegattenunterhalt gelten für die Berücksichtigung der Abfindungen im 105 Grundsatz gleiche Maßstäbe. Allerdings gibt es auch Besonderheiten, s. Kap. E Rz. 83 ff. zum Trennungsunterhalt und Kap. F Rz. 256 f. zum Nacheheunterhalt. Bei hohen, mehr als ein Monatseinkommen ausmachenden Sonderzuwendun- 106 gen wie Jubiläumszahlungen, Gratifikationen, Abfindungen2 oder Übergangshilfen der Bundeswehr3 sind die Einkünfte in dem Jahr, in dem sie geflossen sind, auf das monatliche Durchschnittseinkommen zu verteilen. Bezieht der Unterhaltsschuldner z.B. nach dem Ausscheiden aus der Bundeswehr eine Übergangshilfe um den Übergang in einen Zivilberuf zu erleichtern, ist er gehalten, sie im Rahmen einer sparsamen Wirtschaftsführung zur Deckung des Unterhaltsbedarfs seines minderjährigen Kindes zu verwenden, um dessen Existenzminimum zu sichern.4 bb) Arbeitslosengeld Arbeitslosengeld tritt im Falle der Arbeitslosigkeit und beruflichen Weiterbil- 107 dung an die Stelle des Arbeitsentgelts, wenn sich der Arbeitnehmer arbeitslos gemeldet hat (§ 137 SGB III)5 und über erforderliche Anwartschaftszeiten (§ 142 SGB III),6 verfügt. Es gilt als Lohnersatzleistung unterhaltsrechtlich uneingeschränkt als Einkommen. Es beträgt in der Regel 60 % des pauschalierten Nettoentgelts, das sich aus dem zuletzt erzielten Bruttoentgelt ergibt, §§ 151, 154 SGB III.7 Der Betrag erhöht sich auf 67 %, wenn ein Kind, das nicht ein eigenes sein muss, mit im Haushalt lebt. Die Anspruchsdauer hängt vom Lebensalter und der Dauer des versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses innerhalb des letzten Jahres ab (§ 147 SGB III mit Tabellen in Abs. 2). Sie beträgt z.B. für Arbeitnehmer bis zum 50. Lebensjahr 6 Monate nach einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis von mindestens 12 Monaten; bei älteren Arbeitnehmern kann sie je nach Dauer des Beschäftigungsverhältnisses bei einem Alter von 58 Jahren bis zu 24 Monate betragen. Die Bezugsdauer kann unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 148 SGB III gekürzt werden, möglich ist auch eine Kürzung der Leistung wegen bestimmter Pflichtverletzungen (§§ 155 ff. SGB III). Der Arbeitslose kann seit 1.1.2005 bei einer Nebentätigkeit, die weniger als 108 15 Stunden beträgt, 165 Euro anrechnungsfrei hinzuverdienen (§ 155 SGB III). Hat der Arbeitslose die geringfügige Tätigkeit schon 18 Monate vor Beginn der Arbeitslosigkeit für 12 Monate neben einem Versicherungspflichtverhältnis ausgeübt, bleibt der volle in den letzten 12 Monaten durchschnittlich erzielte Betrag anrechnungsfrei (§ 155 Abs. 2 SGB III). Erhält ein Arbeitsloser im Rahmen 1 2 3 4 5 6 7
BGH, FamRZ 2012, 1048 Tz. 13. BGH, FamRZ 2001, 278; 1998, 362; 1982, 250 (252); 1987, 359; OLGR Köln, 2004, 285. BGH, FamRZ 1987, 930. BGH, FamRZ 1987, 930. Bis zum 31.3.2012 § 118 a.F. SGB III. Bis zum 31.3.2012 § 123 a.F. SGB III. Bis zum 31.3.2012 §§ 129, 130, 133 a.F. SGB III.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
einer beruflichen Weiterbildung ein Entgelt z.B. von seinem Arbeitgeber, beträgt der Freibetrag 400 Euro (§ 155 Abs. 3 SGB III). 109
Bei Arbeitslosigkeit steht dem Unterhaltspflichtigen – wie jedem anderen auch – ein angemessener und ein notwendiger Eigenbedarf zu, wobei der notwendige Eigenbedarf für Erwerbslose niedriger ist als für Erwerbstätige (s. Rz. 320 ff. und Nr. 21 der Leitlinien der OLG). Vom Arbeitslosengeld ist eine Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen nicht abzugsfähig, wohl aber können notwendige Aufwendungen für die Arbeitssuche abgezogen werden. Ein Erwerbstätigenbonus wird bei Einkünften eines Kindesunterhaltspflichtigen grundsätzlich nicht abgezogen, beim Ehegattenunterhalt immer nur von Einkünften aus Erwerbstätigkeit, nicht beim Arbeitslosengeld oder anderen Lohnersatzgeldern. cc) Arbeitslosengeld II – Grundsicherung für Arbeitssuchende
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Seit 1.1.2005 sind Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe im Vierten Gesetz für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt – kurz „Hartz IV“ genannt – für erwerbsfähige Hilfebedürftige zu einem einheitlichen Leistungsrecht im SGB II zusammengeführt worden. Das Gesetz ist seitdem durch mehrfache, auch grundlegende Änderungen nachgebessert worden. Hervorzuheben ist die Organisationsreform durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitssuchende v. 3.8.2010 und Änderung des GG (Art. 91e), danach betreuen jetzt die Jobcenter die ALG II Bezieher (§§ 6d, 44b SGB II), wobei die Trägerschaft zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den Kommunen unterschiedlich ausgestaltet sein kann. Eine insbesondere für das Unterhaltsrecht relevante grundlegende Änderung der Bemessung der sozialrechtlichen Regelsätze ist seit 1.1.2011 in Kraft. Der Gesetzgeber hat aufgrund der Kritik des BVerfG an der mangelnden Transparenz der Bemessung sozialrechtlicher Regelsätze das Verfahren zur Ermittlung und Festsetzung dieser Sätze im SGB II und SGB XII reformiert und ein aufeinander bezogenes Normengefüge geschaffen, das nicht sehr übersichtlich ist, dessen Kenntnis in Grundzügen aber für die Lösung unterhaltsrechtlicher Probleme mit Bezug zum SGB II hilfreich ist.1
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Nach aktueller Rechtslage werden die Regelbedarfe des SGB II2, die ein zentraler Baustein des Leistungsangebots und in mehrere Regelbedarfsstufen eingeteilt sind, jeweils den Regelbedarfen des SGB XII zum 1. Januar eines Jahres gem. § 20 Abs. 5 SGB II angepasst. D.h. die Leistungshöhe orientiert sich grundsätzlich an den Regelbedarfen der Sozialhilfe, also der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 27a SGB XII, als Referenzsystem. Im SGB XII sind die Regelbedarfe ebenfalls ein zentraler Baustein in einem differenzierten Leistungssystem, das wie im SGB II die Regelbedarfe in Regelbedarfsstufen unterteilt, die die altersbedingten Unterschiede bei Kindern und Jugendlichen und bei Erwachsenen, deren Anzahl im Haushalt sowie die Führung des Haushalts berücksichtigen (§ 27a Abs. 2 SGB XII).
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Im SGB XII ist sowohl das Verfahren zur Neuermittlung als auch zur Fortschreibung der Leistungshöhe der Regelbedarfe geregelt. Danach werden nach § 28
1 Schürmann, FPR 2011, 349 ff.; FamRB 2011, 17 ff. 2 Die frühere Bezeichnung lautete: Regelsätze oder Regelleistungen, s. § 20 SGB II a.F.
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Ehinger
III. Berechnung des Unterhalts
SGB XII die Regelbedarfe anhand bundesweiter Einkommens- und Verbrauchsstichproben ermittelt und im bundesweit geltenden Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) festgelegt. Findet im folgenden Jahr keine Neuermittlung nach § 28 SGB XII statt, bilden die im RBEG geregelten Werte die Grundlage für einen dann maßgeblichen in § 28a SGB XII geregelten Fortschreibungsmodus. Das RBEG unterscheidet 6 Regelbedarfsstufen, deren Höhe nach der Fortschrei- 113 bungsverordnung ab 1.1.2014 bei folgenden Beträgen liegt:1 Regelbedarfsstufe 1: 391 Euro für alleinstehende oder alleinerziehende Leistungsberechtigte, auch beim Zusammenleben mit Erwachsenen, die der Regelbedarfsstufe 3 angehören Regelbedarfsstufe 2: 353 Euro für Ehegatten und Lebenspartner sowie andere erwachsene Leistungsberechtigte, die in einem gemeinsamen Haushalt leben und gemeinsam wirtschaften Regelbedarfsstufe 3: 313 Euro für erwachsene Leistungsberechtigte, z.B. Kinder, die keinen eigenen Haushalt führen, weil sie im Haushalt anderer Personen z.B. der Eltern leben Regelbedarfsstufe 4: 296 Euro für Jugendliche vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Regelbedarfsstufe 5: 261 Euro für Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres und Regelbedarfsstufe 6: 229 Euro für Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres
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Praxishinweis: Da die Hartz IV-Gesetze nach wie vor im Fokus der politi- 114 schen Diskussion stehen, ist auch zukünftig mit Änderungen im SGB II zu rechnen. Deshalb sollte die aktuelle Gesetzeslage bei der konkreten Fallbearbeitung stets vorsorglich überprüft werden. Informationen z.B. zum aktuellen Stand des SGB II sind im Internet abrufbar unter www.gesetze-iminternet.de oder auch mit dem Suchbegriff „Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)“ oder unter Wikipedia zu den Schlagwörtern Zweites Buch Sozialgesetzbuch, Sozialgeld für Kinder, SGB II, ALG II etc. Zu den aktuellen Regelbedarfen kann recherchiert werden unter „Bundesministerium für Arbeit und Soziales Verordnung nach § 28 SGB XII“. Die nachfolgende Darstellung bezieht sich auf den Gesetzgebungsstand 1.1.2014.
Anspruch auf ALG II hat, wer erwerbsfähig und hilfebedürftig ist (§§ 19 ff. 115 SGB II). Das ALG II wird vom Grundsatz her unbegrenzt gewährt, die Bewilligung erfolgt jedoch jeweils nur für einen Zeitraum von sechs Monaten. Erwerbsfähig ist, wer über 15 und unter 65 Jahre und nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, mindestens drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen erwerbstätig zu sein (§ 8 Abs. 1 SGB II). Hilfebedürftig ist, wer seinen Unterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aber auch nicht aus einem zu berücksichtigenden Einkommen aus Erwerbstätigkeit oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht 1 Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung v. 15.10.2013 für das Jahr 2014, Anlage zu § 28 SGB XII, gültig ab 1.1.2014, BGBl. I 2013, S. 3856.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
von anderen, insbesondere (unterhaltspflichtigen) Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 SGB II). 116
Das ALG II setzt sich zusammen aus einem pauschalierten Regelbedarf für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie – ohne die auf Heizung und Warmwasser entfallenden Kosten –, sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens einschließlich der Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben (§ 20 Abs. 1 SGB II). Außerdem werden die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) übernommen. Bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen gehören Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben zu dem sächlichen Existenzminimum, das durch die Sozialleistungen abgedeckt werden muss.1 Sie sind in den §§ 19 Abs. 2, 28, 29 SGB II geregelt. Darüber hinaus kann Mehrbedarf abgedeckt werden, der in § 21 SGB II an verschiedene Voraussetzungen anknüpft, wie z.B. eine Schwangerschaft oder eine Behinderung bei sonst gegebener Erwerbsfähigkeit, höhere Kosten wegen Warmwasserzubereitung bei dezentraler Wasserversorgung etc. (vgl. § 21 Abs. 1–6 SGB II). Als Zuschüsse zum Arbeitslosengeld II kommen in Betracht z.B. Leistungen zur Eingliederung in Arbeit gemäß §§ 14 ff. SGB II, wie z.B. Zuschüsse bis zu 5 000 Euro bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach § 16c SGB II (§ 24 SGB II a.F.) oder die Zahlung eines Einstiegsgeldes nach § 16b SGB II (§ 29 SGB II a.F.), um die Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu fördern.
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Nach dem SGB II erhalten sowohl hilfebedürftige Erwerbsfähige Leistungen zum Lebensunterhalt als auch die Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben (§§ 19 ff., 7 Abs. 3 SGB II). Der Regelbedarf für die Grundsicherung des Lebensunterhalts nach § 20 Abs. 2 SGB II (Regelbedarfsstufe 1) beträgt z.B. für alleinstehende oder alleinerziehende hilfebedürftige Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, oder deren Partner oder Partnerin minderjährig ist, seit 1.1.2014 391 Euro.2 Für andere in § 20 SGB II bezeichnete Varianten einer Bedarfsgemeinschaft ergeben sich die Regelbedarfssätze unmittelbar aus dem Gesetz, bzw. – bei Anpassung der Sätze nach dem Fortschreibungsmodus in § 28a SGB XII – aus einer Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aus dem Bundesgesetzblatt.
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Danach ergeben sich seit 1.1.2014 für die in § 20 Abs. 2–4 SGB II und § 23 Nr. 1 SGB II (Sozialgeld) geregelten Regelbedarfsgruppen die folgende Beträge:3 Regelbedarfe
Normen
Alleinstehende oder -erziehende oder deren Partner minderjährig ist
391 Euro
§ 20 Abs. 2 SGB II; Regelbedarfsstufe 1
volljährige Partner
353 Euro
§ 20 Abs. 4 SGB II; Regelbedarfsstufe 2
1 BVerfG, FamRZ 2010, 429 m. Anm. Schürmann. 2 Der Regelbedarf 1, früher Regelsatz, hat sich seit 1.7.2008 entwickelt wie folgt: 1.7.2008 = 351 Euro; seit 1.7.2009 = 359 Euro; seit 1.1.2011 = 364 Euro; seit 1.1.2012 = 374 Euro; seit 1.1.2013 = 382 Euro. 3 Die aktuellen Werte sind jeweils im Internet z.B. unter dem Schlagwort Sozialgeld für Kinder bei dem BMAS oder Wikipedia abrufbar (www.bmas.de/portal/22144/arbeits marktreform_fragen_und_antworten_zu_geldleistung.html#frage_09 oder http://de.wiki pedia.org/wiki/Sozialgeld.
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Ehinger
III. Berechnung des Unterhalts
Regelbedarfe
Normen
volljähriges Kind unter 25 Jahre
313 Euro
§ 20 Abs. 3 SGB II; Regelbedarfsstufe 3
Kind 0–5 Jahre
229 Euro
§ 23 Nr. 1SGB II; Regelbedarfsstufe 6
Kind 6–13 Jahre
261 Euro
§ 23 Nr. 1SGB II; Regelbedarfsstufe 5
Kind 14–17 Jahre
296 Euro
§ 23 Nr. 1SGB II; Regelbedarfsstufe 4
Minderjährige Kinder, die mit dem Arbeitssuchenden in einem Haushalt leben, 119 erhalten bis zum 15. Lebensjahr Sozialgeld (§ 19 Abs. 1 SGB II), das sich zusammensetzt aus dem Regelbedarf nach § 23 Nr. 1 SGB II, dem Bedarf für Unterkunft und Heizung und Mehrbedarfen. Zusätzlich kommen noch Leistungen für Bedarfe auf Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in Betracht (§ 28 SGB II). Zum Rangverhältnis von Sozialgeld und Unterhaltsvorschuss s. Kap. H Rz. 6. Bezieht der Berechtigte Arbeitslosengeld II, gilt dieses hinsichtlich der Leistun- 120 gen für die Grundsicherung zum Lebensunterhalt einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung nicht als Einkommen, so dass der Berechtigte im Verhältnis zum Unterhaltspflichtigen insoweit unterhaltsbedürftig bleibt (s. Nr. 2.2 der LL).1 Diese Behandlung ist deshalb begründet, weil es sich bei dem Arbeitslosengeld II im Wesentlichen um eine Sozialleistung handelt, die vom Leistungsträger nur nachrangig (subsidiär) erbracht wird, wenn und soweit der Arbeitssuchende seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise, wie z.B. durch Unterhaltsleistungen, bestreiten kann. Bei subsidiär erbrachten Sozialleistungen gilt die Sozialleistung im Verhältnis zwischen Unterhaltsberechtigten und Unterhaltspflichtigen nicht als bedarfsdeckende Leistung, so dass der Unterhaltspflichtige nach wie vor zur Unterhaltsleistung verpflichtet bleibt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz der Subsidiarität kommt nur dann in Betracht, wenn die Geltendmachung von Unterhalt durch den Berechtigten ausnahmsweise treuwidrig wäre, weil er ALG II bezogen hat und außerdem Unterhalt beansprucht, obwohl sein Unterhaltsanspruch nicht nach § 33 Abs. 2 SGB II auf den Sozialträger übergegangen ist, er also eine doppelte Alimentierung beansprucht.2 Soll das Einkommen eines zum Kindesunterhalt Verpflichteten bestimmt wer- 121 den, ist streitig, ob ALG II Einkommen ist.3 Bezieht der Verpflichtete nur ALG 2, ist er i.d.R. nicht leistungsfähig, so dass es auf die Streitfrage nicht ankommt. Erzielt er Einkommen aus Erwerbstätigkeit, sind ergänzende, nichtsubsidiäre Leistungen des Jobcenters zu beachten, denn durch sie kann sich das Einkommen noch erhöhen. Dies waren z.B. nach bis 31.12.2010 geltendem Recht Zuschläge nach § 24 SGB II a.F. bei Begründung einer Selbständigkeit. Diese sind seit 1.1.2011 in §§ 16b und 16c SGB II geregelt, wobei sich Zuschüsse nach § 16c SGB II nur auf die Beschaffung von Sachgütern für die Erwerbstätigkeit beziehen. 1 BGH, FamRZ 2009, 307 Tz. 19 f. 2 So z.B. Nr. 2.2 der LL des OLG Hamm; BGH, FamRZ 1999, 843. 3 Ablehnend Wendl/Dose, § 1 Rz. 111 ff.; im Ergebnis ebenso BGH, FamRZ 2013, 1378 Tz. 22 ff.; anders teilweise noch die LL der OLG (z.B. Nr. 2.2 des KG, OLG Hamm, Stand 1.1.2014).
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
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Komplizierter ist die Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens, wenn der Verpflichtete eine Nebentätigkeit ausübt oder ihm ein fiktives Einkommen aus einer Nebentätigkeit zuzurechnen ist, weil er vorwerfbar eine neben dem Bezug von ALG II mögliche Tätigkeit nicht ausübt. Es ist zulässig und rechtspolitisch auch erwünscht, dass der arbeitslose Arbeitnehmer jede Chance auf Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt ergreift, so dass sich das unterhaltsrechtlich zu berücksichtigende Einkommen sowohl auf Seiten des Unterhaltsverpflichteten als auch des Berechtigten um Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit erhöhen kann.
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Da die Gewährung von ALG II Hilfebedürftigkeit voraussetzt, andererseits Anreize für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gegeben werden sollen, wird das Einkommen aus Erwerbstätigkeit zwar auf die Hilfeleistung bedürftigkeitsmindernd angerechnet, allerdings erst nach Abzug von gesetzlich geregelten Absetzbeträgen (§ 11b SGB II), zu denen auch Freibeträge gehören, die in unterschiedlicher Höhe, abhängig von der Höhe des erzielten Einkommens, gewährt werden.
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Zunächst sind deshalb von dem erzielten Bruttoeinkommen aus Erwerbstätigkeit die in § 11b Abs. 1 Nr. 1–8 SGB II genannten Belastungen abzusetzen, wie z.B. Steuern, Sozialabgaben, Arbeitslosenversicherung, Altersvorsorgebeträge unter den im Gesetz bestimmten Voraussetzungen, berufsbedingte Aufwendungen, titulierte Unterhaltsforderungen etc. Weiterhin sind die Freibeträge abzusetzen, die nach § 11b Abs. 2 und 3 SGB II anrechnungsfrei bleiben. Diese beziehen sich immer auf das Bruttoeinkommen:1 Die ersten 100 Euro aus Erwerbseinkommen werden nicht angerechnet, sofern nicht bereits Vorsorgebeträge und berufsbedingte Aufwendungen nach § 11b Abs. 1 Nr. 3–5 SGB II abgesetzt wurden. Zusätzlich bleiben 20 % des über 100 Euro bis einschließlich 1 000 Euro liegenden Teils des Bruttoeinkommens anrechnungsfrei. Bei einem Bruttoeinkommen über 1 000 Euro werden zusätzlich zu den beiden anderen Freibeträgen weitere 10 % des Bruttolohns über 1 000 Euro bis zur Verdienstobergrenze nicht angerechnet. Bei Leistungsberechtigten ohne Kind liegt die Verdienstobergrenze bei einem Bruttoeinkommen von 1 200 Euro, bei Leistungsberechtigten mit mindestens einem Kind bei 1 500 Euro.
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Die Möglichkeit des Hinzuverdienstes bei Arbeitslosen eröffnet dem Unterhaltspflichtigen die Möglichkeit, Kindesunterhalt weiter zahlen zu können, denn aus dem zulässigen Nebenerwerb sind titulierte Unterhaltsleistungen vor einer Anrechnung des Einkommens auf das ALG II absetzbar.2 Dies gilt seit 1.8.2006 und ist seit 1.1.2011 in § 11b Abs. 1 Nr. 7 SGB II geregelt. Dabei ist die Form des Titels, also ob der Unterhalt z.B. in einem Urteil oder einer Jugendamtsurkunde tituliert ist, unerheblich. Der Absetzbarkeit steht auch nicht entgegen, dass der Unterhalt erst während des Bezugs der Grundsicherung und erst nach Aufnahme der Erwerbstätigkeit tituliert worden ist.3
1 Zu weiteren Einzelheiten s. die Informationen der Bundesagentur für Arbeit unter der Internetadresse: http://www.arbeitsagentur.de/nn_549712/zentraler-Content/A07-Geld leistung/A071-Arbeitslosigkeit/Allgemein/Alg-II-Freibetraege.html. 2 AG Flensburg, FamRZ 2012, 1910; AG Diepholz, FamRZ 2014, 45. 3 BSG, FamRZ 2011, 810 ff., a.A. OLG Hamm v. 6.1.2014 – II-3 UF 192/13, 3 UF 192/13, unter Hinweis auf einen falschen sozialpolitischen Anreiz zum Verbleib im Sozialhilfebezug. Ebenso OLG Hamm v. 10.8.2010 – 7 WF 93/10.
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III. Berechnung des Unterhalts
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Beispiel V ist aufgrund eines Unterhaltstitels verpflichtet, 225 Euro Kindesunterhalt zu zahlen. Er wird arbeitslos und bezieht ALG II i.H.v. 741 Euro. Aufgrund einer Nebentätigkeit verdient er monatlich 450 Euro brutto, das sind 432 Euro netto (Minijob). ALG II – 391 Euro Regelbetrag mit Wohnungszuschuss v. 360 Euro Einkommen aus Nebentätigkeit brutto Grundfreibetrag nach § 11 Abs. 2 SGB II Freibetrag nach § 11b Abs. 3 SGB II 20 % von 350 Euro Freibetrag für titulierten Unterhalt § 11 Abs. 2 Nr. 7 SGB II Summe der Freibeträge auf das ALG II anzurechnender Betrag : 432 – 395 = 37 Euro V stehen zur Verfügung 432 Euro Minijob + 704 Euro ALG II Abzüglich 50 Euro berufsbedingte Aufwendungen
741 Euro 450 Euro 100 Euro 70 Euro 225 Euro 395 Euro = 704 Euro 1 136 Euro 1 086 Euro
Das ALG II wird um den anrechenbaren Teil des Nebenverdienstes (hier 37 Euro) auf 704 Euro gekürzt, es verbleiben V mit seinem Nettoeinkommen aus dem Minijob i.H.v. 432 Euro insgesamt 1 086 Euro nach Abzug einer Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen. Von diesem Betrag geht der titulierte Unterhalt ab, so dass V 861 Euro verbleiben, also ein leicht erhöhter notwendiger Eigenbedarf wegen der geringfügigen Erwerbstätigkeit. Streitig ist die Frage, ob die Absetzbarkeit einer titulierten Unterhaltsverpflich- 127 tung nach § 11b Abs. 1 Nr. 7 SGB II letztlich dazu führt, dass das FamG einem Unterhaltspflichtigen, der ALG II bezieht, bei fehlenden Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit wenigstens ein Einkommen aus einer Nebentätigkeit fiktiv zurechnen kann, weil ihn eine unterhaltsrechtliche Obliegenheit zur Titulierung des Kindesunterhalts trifft, was ihm wegen der Absetzbarkeit des Unterhalts ermöglichen würde, den Kindesunterhalt zu zahlen.1 Der BGH hat mit Beschluss v. 19.6.20132 dieser Interpretation eine Absage erteilt mit der Begründung, dass die Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Kindesunterhalt allein nach den §§ 1601 ff. BGB zu ermitteln sei, bevor die Sozialleistungsbedürftigkeit des Unterhaltspflichtigen festgestellt werde. Denn § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II habe nach dem Willen des Gesetzgebers nur den pragmatischen Zweck, die Prüfung der Sozialhilfebedürftigkeit zu vereinfachen, indem er die Abzugsfähigkeit des im Titel festgesetzten Unterhaltsbetrags regelt, mit der Folge, dass die Verwaltungsbehörden und Sozialgerichte die Unterhaltshöhe nicht selbst prüfen müssen. Mit dieser Entscheidung knüpft der BGH an seine Rechtsprechung an, dass der Verpflichtete nicht durch eine Verurteilung zu Unterhaltszahlungen hilfebedürftig werden dürfe.3 Für die häufig von den Familiengerichten praktizierte fiktive Zurechnung von Einkommen aus einer Nebentätigkeit unter Berücksichtigung eines Freibetrags nach § 11b Abs. 1 Nr. 7 SGB II hat die Entscheidung des BGH zur Folge, dass die Leistungsfähigkeit nicht mehr begründbar ist mit einer Obliegenheit, den Freibetrag in § 11b Abs. 1 Nr. 7 SGB II auszuschöpfen durch Errichtung eines Unterhaltstitels. Denn dadurch würde der Schuldner veranlasst werden, sich selbst im sozialhilferechtlichen Sinne bedürftig zu machen, bzw. 1 Für eine Zurechnung des Einkommens in Höhe des in Betracht kommenden Kindesunterhalts OLG Brandenburg, ZFE 2008, 69 f. m. Anm. Schürmann, ZFE 2008, 57 f.; OLG Brandenburg, FamRZ 2008, 2304 ff.; a.A. OLG Düsseldorf, FamRZ 2010, 1740 (1741); OLG Hamm, FamRZ 2010, 570 (571); OLG Bremen, FamRZ 2007, 1036; Reinken, FPR 2007, 352; Schürmann, jurisPR-FamR 25/2010 Anm. 3. 2 BGH, FamRZ 2013, 1378. 3 St. Rspr., vgl. BGH, FamRZ 2009, 1410 Tz. 20 = NJW 2009, 1410 m.w.N.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
in der Konsequenz höhere Sozialleistungen in Anspruch nehmen, weil der auf den Unterhalt entfallende Teil seines selbstverdienten Geldes nicht auf seine Grundsicherung angerechnet wird.1 Die Entscheidung des BGH bezieht sich zur Auslegung auf den Willen des Gesetzgebers und die Rechtsprechung des BSG im Urteil v. 9.11.2010.2 Die Argumentation des BGH ist zwar stimmig, es fehlt jedoch eine konkrete Auseinandersetzung mit den Gründen der Entscheidung des BSG, denn dieses bejaht die Absetzbarkeit von Unterhaltsverbindlichkeiten nicht nur, soweit sie bereits bei Beginn der Hilfebedürftigkeit tituliert waren. Vielmehr geht das BSG davon aus, dass der Absetzbarkeit auch nicht entgegensteht, wenn die Titulierung erst nach längerem Bezug von ALG II und nach Aufnahme einer Nebenbeschäftigung von dem Verpflichteten erfolgt, solange durch die Titulierung die Gewähr gegeben ist, dass dem Verpflichteten der sozialhilferechtliche Lebensbedarf verbleibt. Ferner ist der Leistungsempfänger auch nicht gehalten, auf eine Abänderung des Titels und Herabsetzung des Unterhalts hinzuwirken. Konsequenz dieser Rechtsprechung ist zwar, dass Unterhaltszahlungen teilweise durch die Grundsicherungsträger mitfinanziert werden, dafür fördert sie aber den Anreiz zur Erwerbstätigkeit, einem zentralen Anliegen des SGB II.3 Diesem Gedanken trägt die Entscheidung des BGH hingegen nicht Rechnung und erwähnt ihn auch nicht. Im Ergebnis entfällt mit dieser Entscheidung für die Praxis ein sinnvolles Instrument, den arbeitsunwilligen Schuldner dazu zu bringen, wenigstens einen Mini- oder Midijob auszuüben, um so einen eigenen Beitrag zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht zu erbringen. 128
Zur Behandlung von Nebeneinkünften und zur Höhe des Eigenbedarfs bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit beim Minderjährigenunterhalt vgl. Rz. 326 ff.
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Einkünfte aus Nebentätigkeiten neben dem Bezug von ALG II spielen ebenfalls eine Rolle beim Ehegattenunterhalt, denn diese Einkünfte mindern – unabhängig von den subsidiären ALG II Leistungen – die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten (Kap. E Rz. 62, Rz. 223 und Kap. F Rz. 238).
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Praxishinweis: Im Kindesunterhaltsstreitverfahren berufen sich Unterhaltsverpflichtete häufig auf mangelnde Leistungsfähigkeit wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld (I und II) und verweisen auf erfolglose Bemühungen um eine Vollbeschäftigung. Meist wird übersehen, dass es zur schlüssigen Darlegung der mangelnden Leistungsfähigkeit nicht nur darauf ankommt, ausreichende vergebliche Bemühungen um eine Vollbeschäftigung nachzuweisen, sondern auch eine Pflicht zur Ausübung eines Mini- oder Midijobs besteht. Fehlt es an zumutbaren Bemühungen um eine Nebenerwerbstätigkeit, kommt die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht. Allerdings muss auch eine reale Beschäftigungschance bestehen und das ihm zurechenbare Einkommen einen realistischen Bezug zu seinen Fähigkeiten haben (Rz. 167 ff.). Soweit der Verpflichtete ALG II bezieht, ist bei der Zurechnung fiktiver Einkünfte eine Auseinandersetzung mit der jüngsten Rechtsprechung des BGH notwendig, nach der die Absetzbarkeit von Unterhalt nach § 11b Abs. 1 Nr. 7 SGB II bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit unbeachtlich sein soll.
1 Günther, FF 2013, 454; Wendl/Dose/Klinkhammer, § 8 Rz. 197. 2 FamRZ 2011, 810 ff. 3 So die zutreffende Einschätzung von Husemann, SGb 2011, 592 ff. A.A. OLG Hamm, v. 6.1.2014 – II-3 UF 192/13, 3 UF 192/13, juris, das von einem falschen Anreiz zum Verbleib im Sozialleistungsbezug ausgeht.
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III. Berechnung des Unterhalts
dd) Einkünfte aus Mehrarbeit und überobligatorischer Erwerbstätigkeit Es wird im Unterhaltsverfahren häufig darüber gestritten, ob Einkünfte, die der 131 Unterhaltspflichtige zusätzlich zum Einkommen aus einer vollen Erwerbstätigkeit erzielt, bei der Unterhaltsberechnung mit zu berücksichtigen sind. Hierzu gehören Einkünfte aus Nebentätigkeiten, Überstunden, Mehrarbeit durch Urlaubsabgeltungen, Zuschläge für Schicht-, Nacht-, Feiertags- und Sonntagsarbeit, Zulagen für Schmutz-, Schwer- und Schwerstarbeit, Zweitarbeit und aus Erwerbstätigkeit neben dem Bezug von Altersruhegeld. Grundsätzlich sind solche zusätzlichen Einnahmen dann mit zu berücksichtigen, wenn sie berufstypisch sind, ein erhöhter Arbeitsaufwand das übliche Maß im Beruf des Verpflichteten nicht übersteigt und wenn die Lebensverhältnisse der Familie dadurch bestimmt waren.1 Beispiel V arbeitete bis zur Trennung regelmäßig 260 Stunden monatlich, so dass die Ehegatten in Erwartung eines entsprechend hohen Einkommens Möbel auf Kredit kauften. Nach der Trennung reduzierte V seine Tätigkeit auf monatlich 180 Stunden und wollte das nun erzielte Einkommen der Unterhaltsberechnung zugrunde legen. Das Gericht akzeptierte diese drastische Reduzierung der Arbeitszeit wegen der hohen Verschuldung nicht und schätzte für die Unterhaltsberechnung die für V zumutbare Stundenzahl und das dieser Arbeitszeit entsprechende Einkommen.2
Auslandsverwendungszuschläge, die bei Einsätzen von Soldaten in Krisen- oder 132 Kriegsgebieten pro Tag gezahlt werden, werden in voller Höhe berücksichtigt, wenn es um die Sicherung des Mindestunterhalts von Kindern geht. Ansonsten kommt nur eine teilweise Berücksichtigung in Höhe von einem Viertel bis zur Hälfte in Betracht, jeweils abhängig von den materiellen und immateriellen Erschwernissen des Soldaten, denen er im im Einzelfall in seinem Einsatzgebiet ausgesetzt ist. Dies gilt auch im Rahmen des Ehegattenunterhalts.3 Bei nichtberufstypischer Mehrarbeit oder einer Erwerbstätigkeit nach Erreichen 133 der Altersgrenze handelt es sich i.d.R. um Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit. Dabei ist es für die Erwerbstätigkeit im Rentenalter unerheblich, ob die ausgeübte Tätigkeit selbständig oder unselbständig ausgeübt wird.4 Folge der Qualifizierung einer Tätigkeit als überobligatorische Erwerbstätigkeit ist, dass die unterhaltsrechtliche Berücksichtigung des daraus erzielten Einkommens immer von einer Interessenabwägung nach Billigkeitsgesichtspunkten abhängt.5 Da in den Normen des Verwandtenunterhaltsrechts eine ausdrückliche Rege- 134 lung über die Behandlung von Einkünften des Verpflichteten aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit fehlt, richtet sich ihre Berücksichtigung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter Beachtung der konkreten Umstände des Einzelfalls.6 Für die vorzunehmende Interessensabwägung ist die Art des Unterhaltsrechtsverhältnisses, insbesondere das Maß der Einstandspflicht für den Unterhalt des Berechtigten von Bedeutung. Gegenüber den Ansprüchen 1 2 3 4 5 6
BGH, FamRZ 1982, 779; 1980, 984. OLG Düsseldorf, FamRZ 1981, 38. BGH, FamRZ 2012, 1201 Tz. 24 zu den Entscheidungskriterien. BGH, FamRZ 2011, 454 f.; 2009, 314. BGH, FamRZ 2011, 454 Tz. 17, 23, 24; 2012, 1201 Tz. 25. BGH, FamRZ 1991, 182 ff.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
minderjähriger und ihnen gleichgestellter privilegierter volljähriger Kinder obliegt dem Verpflichteten eine besonders strenge Einstandspflicht für den Unterhalt (gesteigerte Unterhaltspflicht), so dass die Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit ihnen gegenüber deutlich weiter reichen als gegenüber nicht privilegierten Volljährigen und Ehegatten. Dies kann dazu führen, dass das gesamte Einkommen für die Bedarfsdeckung minderjähriger und privilegiert volljähriger Kinder zur Verfügung zu stehen hat, wenn deren notwendiger Lebensbedarf nicht gedeckt wäre.1 Dabei ist zu beachten, dass sich bei privilegiert volljährigen Kindern beide Eltern an dem Barunterhalt zu beteiligen haben. 135
Geht es nicht um Deckung des Mindestunterhalts, sondern um die Eingruppierung des Unterhaltspflichtigen in eine höhere Einkommensgruppe der DT, greift wieder der Grundsatz von Treu und Glauben mit der Folge, dass entweder das überobligatorisch erzielte Einkommen nur teilweise oder gar nicht zu berücksichtigen ist. Ein Grund dafür, dass die überobligatorischen Mehreinkünfte nur teilweise oder gar nicht beim bedarfsbestimmenden Einkommen berücksichtigt werden, kann z.B. sein, dass das Geld für die Schuldentilgung benötigt wird.2 Beispiel V verdient aus vollschichtiger Erwerbstätigkeit ein mtl., um berufsbedingte Aufwendungen bereinigtes Einkommen von 2 200 Euro und hat 398 Euro Kindesunterhalt zu zahlen. Sein Sohn lebt bei der Mutter, die über ein Einkommen von 2 500 Euro verfügt. V verdient aus einer überobligatorischen Nebentätigkeit als Segellehrer mtl. weitere 350 Euro. Für den Kauf einer eigenen Segelyacht hat er mtl. Raten von 400 Euro zu zahlen. Die Rate für die Yacht kann er dem Kind gegenüber nicht einkommensmindernd absetzen. Obwohl sich der Kindesunterhaltsbedarf erhöhen würde, wenn man das Einkommen aus Nebentätigkeit hinzurechnete, bleibt es hier gleichwohl für die Bedarfsberechnung außer Betracht. Da V schon aufgrund seines Einkommens aus vollschichtiger Tätigkeit einen deutlich über dem Mindestunterhalt liegenden einkommensangemessenen Unterhalt zahlt, entspricht es der Billigkeit, dass er dieses Einkommen zur Schuldentilgung einsetzen kann.
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Erzielt das minderjährige Kind als Unterhaltsberechtigter Einkünfte aus einer überobligatorischen Erwerbstätigkeit z.B. durch Zeitungaustragen, hängt ihre bedüftigkeitsmindernde Berücksichtigung in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens von § 1577 Abs. 2 BGB davon ab, ob der Verpflichtete den vollen Unterhalt abdeckt.3 Ist dies nicht der Fall, bleiben die Einkünfte in Höhe des Betrags anrechnungsfrei, der zur Abdeckung des vollen Unterhaltsbedarfs fehlt. Inwieweit deutlich höhere Einkünfte, die ein Kind z.B. durch Arbeiten als Synchronsprecher, Musiker oder Schauspieler erzielt, auf seinen Unterhaltsbedarf anzurechnen sind, hängt von einer umfassenden Billigkeitsabwägung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern und des Kindes und z.B. von den zu erwartenden Kosten einer zukünftigen Ausbildung des Kindes ab.
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Besonderheiten gelten beim Ehegattenunterhalt wegen der unterschiedlichen Einstandspflicht für den Unterhalt. Vgl. dazu Kap. E Rz. 90 ff., Rz. 207 ff. (Trennungsunterhalt), Kap. F Rz. 265 ff. (Nacheheunterhalt).
1 BGH, FamRZ 2009, 314; OLG Dresden, NJW-RR 2003, 364. 2 OLG Hamm, FamRZ 1999, 43. 3 BGH, FamRZ 1995, 475.
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III. Berechnung des Unterhalts
ee) Einkünfte aus Vermögen und Verwertung des Vermögens Einkünfte aus Vermögen sind beim Verwandtenunterhalt sowohl auf Seiten des 138 Verpflichteten als auch des Unterhaltsberechtigen unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen. Zu den Einkünften aus Vermögen gehören Zinsen aus Kapitalvermögen, Einkünfte aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften und aus Grundstücken. Maßgebend sind die Nettoeinnahmen, die mit einer Überschussrechnung ermittelt werden (§ 2 Abs. 2 Nr. 2, §§ 8, 9 EStG). Abziehbare Kosten sind z.B.
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– von Miet- und Pachteinnahmen die Hauskosten, wie Grundsteuer, Ausgaben für Hausmeister, Hausverwaltung, Hausversicherungen, soweit diese nicht vom Mieter/Pächter getragen werden, notwendige Erhaltungsaufwendungen1, Kredit- und Finanzierungskosten (nicht absetzbar sind dagegen i.d.R. Tilgungsleistungen und Ausgaben für Anbauten oder wertsteigernde Verbesserungen, weil es sich insoweit um Vermögensbildung handelt, Abschreibungen für Gebäudeabnutzungen)2; – von Zinsen aus Kapitalvermögen Depotgebühren, Bankspesen, Steuern und ggf. Verwalterkosten. Sofern die Vermögenseinkünfte der Höhe nach stark schwanken, ist auf die Durchschnittseinnahmen eines längeren Zeitraums – z.B. der letzten 3 Jahre – abzustellen. Im Rahmen des Ehegattenunterhalts gelten Besonderheiten, die zur differenzie- 140 renden Berücksichtigung von Einkünften aus Vermögen beim Bedarf, der Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit führen können, s. dazu z.B. beim Trennungsunterhalt Kap. E Rz. 54 ff.; Rz. 201 ff. und Rz. 234. Für die Verwertung von Vermögen gelten Besonderheiten: Hat der Unterhalts- 141 verpflichtete Vermögen, kann eine Obliegenheit bestehen, das Vermögen selbst zu verwerten, um den Unterhalt zahlen zu können. Dies gilt sowohl gegenüber minderjährigen als auch volljährigen Kindern, wenn der Unterhalt nicht anders aufgebracht werden kann. In dem Fall muss z.B. das Kapitalvermögen verbraucht oder eine Immobilie verkauft und der Erlös für den Unterhalt verwendet werden. Eine selbst genutzte, dem Lebensstandard angemessene Immobilie muss nicht verwertet werden, denn sie deckt auch den Lebensbedarf des Verpflichteten ab und erspart Mietaufwendungen.3 Ebenso gilt für unterhaltsberechtige Kinder, dass sie ihren Unterhalt aus eigenen 142 Mitteln, also auch der Verwertung ihres Vermögens zu bestreiten haben, denn gem.§ 1602 Abs. 1 BGB ist nur unterhaltsberechtigt, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Nur für das minderjährige Kind gilt die Besonderheit, dass es nach § 1602 Abs. 2 BGB den Stamm seines eigenen Vermögens nicht angreifen muss, solange seine Eltern leistungsfähig sind (s. Rz. 35 f., Rz. 310). Kommt eine Verwertungspflicht auf Seiten eines Beteiligten in Betracht, unterliegt diese jedoch immer noch einer Billigkeitsprüfung, bei der die Zumutbarkeit der Verwertung unter Beachtung der beiderseitigen Belange zu prüfen ist. 1 BGH, FamRZ 1997, 281 (283). 2 BGH, FamRZ 1997, 281 (283). 3 Dieser Grundsatz gilt auch im Sozialhilferecht, s. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
Insoweit sind Grundsätze entwickelt worden zum „ob“ und Umfang der Verwertung.1 So kann z.B. bei Unwirtschaftlichkeit der Veräußerung eines Grundstücks die Verwertung wegen grober Unbilligkeit auszuschließen sein oder dem Unterhaltspflichtigen ein Teil seines Kapitals als Schonvermögen zugestanden werden. Das Schonvermögen ist anhand der individuellen Verhältnisse zu bestimmen, die unterste Grenze bilden die im Sozialrecht geltenden Sätze (§ 1 VO zu § 90 SGB XII). 143
Beim Elternunterhalt sind die Anforderungen an den Verpflichteten, seinen Vermögensstamm zu verwerten, weniger streng als beim Kindesunterhalt (Kap. C Rz. 82 ff.). Auch beim Trennungs- und Nacheheunterhalt gelten jeweils Besonderheiten, s. dazu Kap. E Rz. 202 f., Kap. F Rz. 297. ff) Elterngeld und Betreuungsgeld
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Elterngeld ist – ausgenommen eines Schonbetrags von 300 Euro – unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen. Es handelt sich um eine finanzielle Förderung des Staates mit der Zweckbestimmung, die Bereitschaft von Eltern zu fördern, zugunsten der Betreuung neugeborener Kinder zeitweilig auf ihre Erwerbstätigkeit zu verzichten. Das Elterngeld ist seit 1.1.2007 an die Stelle des Erziehungsgeldes getreten, im Bundeseltern- und Erziehungszeitgesetz – BEEG – geregelt und gilt für ab dem 1.1.2007 geborene Kinder. Während das Erziehungsgeld nach dem BErzGG für die Dauer von 24 Monaten gewährt wurde, ist die Leistungsdauer des Elterngeldes auf 12 Monate begrenzt und muss in der Zeit von der Geburt bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats in Anspruch genommen werden. Die Gesamtdauer kann aber auch auf 14 Monate ab der Geburt erweitert werden, wenn der andere Elternteil mindestens für 2 weitere Monate Elternzeit in Anspruch nimmt. Alleinerziehende haben von vornherein Anspruch auf 14 Monate. Das Elterngeld ist im Grundsatz eine Lohnersatzleistung, die in Abhängigkeit von der Höhe des zuvor von einem Elternteil erzielten Einkommens gewährt wird, und liegt damit für Eltern, die vor der Geburt erwerbstätig waren, deutlich höher als bei Nichterwerbstätigen.
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Anspruch auf Elterngeld haben grundsätzlich alle Eltern, deren Kind seit dem 1.1.2007 geboren wurde.2 Es kann nur von jeweils einem Elternteil in Anspruch genommen werden, wobei die bisher ausgeübte Tätigkeit keine Rolle spielt. Anspruch auf Elterngeld haben deshalb alle Eltern, egal ob sie selbständig oder unselbständig erwerbstätig, überhaupt nicht erwerbstätig oder arbeitslos sind. Anspruchsberechtigt können auch Stiefeltern sein oder nichteheliche Väter, deren Vaterschaft noch nicht rechtswirksam feststeht (§ 1 Abs. 3 BEEG). Die Eltern können selbst bestimmen, welcher Elternteil das Elterngeld beziehen soll (§ 5 Abs. 1 BEEG). Sie können das Elterngeld auch im Wechsel in Anspruch nehmen und die Bezugszeit untereinander aufteilen.3 Der antragstellende Elternteil muss 1 BGH, FamRZ 2013, 278 Tz. 20; FamRZ 1989, 170 (Schonvermögen des Pflichtigen beim Minderjährigenunterhalt), BGH, FamRZ 1998, 367 (369) zur Verwertungspflicht des volljährigen Kindes). 2 Das Bundeselterngeld und Elternzeitgesetz ist seit 1.1.2007 in Kraft (vgl. BR-Drucks. 698/06), der zweite Abschnitt des BErzGG ist seit 31.12.2006 außer Kraft getreten. Das Bundeserziehungsgeldgesetz ist insgesamt seit 31.12.2008 außer Kraft (Art. 3 BEEG). 3 Vgl. zu den Wahlmöglichkeiten Schramm, FPR 2007, 342 ff.
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III. Berechnung des Unterhalts
seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, mit dem Kind in einem Haushalt leben, keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausüben und das Kind selbst betreuen und erziehen. Dabei können Institutionen oder andere Personen in die Betreuung mit einbezogen sein (§ 1 Abs. 1 BEEG). Das Gesetz ist unter den in § 1 Abs. 2 BEEG geregelten Voraussetzungen auch anwendbar auf Eltern, die im Ausland arbeiten oder in internationalen Institutionen in Deutschland. Das Elterngeld stellt eine einkommensabhängige Leistung dar und richtet sich 146 nach der Höhe des bisher erzielten Einkommens des betreuenden Elternteils, der das Elterngeld in Anspruch nimmt. Es beträgt 67 % des durchschnittlichen Nettoeinkommens der letzten 12 Monate und maximal 1 800 Euro pro Monat (§ 2 BEEG).1 Die Berechnung des in den 12 Monaten vor der Geburt bezogenen Nettoeinkommens erfolgt seit 1.1.2013 in einem vereinfachten Verfahren, indem die Elterngeldstelle jetzt nicht mehr das Nettoeinkommen übernimmt, das sich aus den Gehaltsbescheinigungen ergibt, sondern zur Berechnung des Durchschnittsnettoeinkommens selbst pauschalierend die Steuern und Sozialabgaben für das aus den Unterlagen ersichtliche Bruttoeinkommen berechnet. Auf der Lohnsteuerkarte angegebene individuelle Freibeträge haben deshalb keine Bedeutung mehr, es werden vereinfachend nur noch Freibeträge und Pauschalen berücksichtigt, die ohne weitere Voraussetzungen jeder berechtigten Person zustehen (§ 2e Abs. 6 BEEG). Da die Höhe des Elterngeldes vom Nettoeinkommen abhängt, spielt die Wahl der Steuerklasse eine nicht unbedeutende Rolle für die Berechnung. Dies gilt auch nach der Einführung der vereinfachten Berechnung, denn für die Berechnung der Steuern stellt die Elterngeldstelle nach wie vor ab auf die aus den Unterlagen ersichtlichen Steuermerkmale, wie z.B. die darin angegebene Steuerklasse. Bei einem Wechsel der Steuerklasse wird die Klasse genommen, die überwiegend in dem Zeitraum gegolten hat.2 Bei einem vor der Geburt erzielten Nettoeinkommen von weniger als 1 000 Euro erhöht sich der Prozentsatz vom Nettoeinkommen nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 BEEG. Hat ein Elternteil ALG II bezogen, studiert oder als Hausfrau bzw. Hausmann kein Einkommen gehabt, wird ein Mindestelterngeld i.H.v. 300 Euro pro Monat gezahlt. Bezieher von Einkommen über 250 000 Euro haben keinen Anspruch auf Elterngeld. Bei der Berechnung der Höhe des Elterngeldes werden aufgrund seines Charak- 147 ters als Einkommensersatzleistung andere Entgeltersatzleistungen i.d.R. angerechnet (§ 3 BEEG). Bezieht der antragstellende Elternteil Sozialleistungen, die in ihrer Höhe von anderen Einkünften abhängig sind, wird das Elterngeld als Einkommen mindernd berücksichtigt bis auf einen Betrag von 300 Euro. Dieser Schonbetrag steht seit 1.1.2011 nicht mehr den Beziehern von Leistungen nach dem SGB II (ALG II, Sozialgeld), dem SGB XII und des Zuschlags nach § 61 BKGG zu, d.h., bei der Prüfung der Bedürftigkeit wird das Elterngeld in voller 1 Zu den Einzelheiten, wie das Elterngeld anhand des früheren Einkommens berechnet wird, informiert das Bundesfamilienministerium in seinem Familienwegweiser unter dem Stichwort Elterngeldrechner, mit dessen Hilfe auf Grundlage der aktuellen Regelungen zum Elterngeld der Anspruch berechnet werden kann, s. dazu im Internet unter: www.familien-wegweiser.de. 2 Richter, Das Gesetz zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs, DStR 2012, 2285 ff. Zur Steuerklassenwahl nach Einführung des Faktorverfahrens gem. § 39f EStG mit seinen Auswirkungen auf das Elterngeld s. Hosser, FamRZ 2010, 951 ff. Zur früheren Berechnung und Bedeutung der Steuerklassenwahl Schramm, FPR 2007, 342 (344).
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
Höhe als Einkommen angerechnet und mindert den Bezug der Sozialleistung (§ 10 Abs. 5 BEEG). 148
Hat ein Elternteil noch ein weiteres Kind unter drei Jahren oder drei und mehr Kinder unter sechs Jahren, wird neben dem Elterngeld ein sog. Geschwisterbonus gezahlt. Dieser Zuschlag beträgt 10 % vom Elterngeld, mindestens allerdings 75 Euro pro Monat. Der Geschwisterbonus wird bis zum dritten beziehungsweise sechsten Geburtstag des ältesten Kindes gezahlt (§ 2a BEEG).
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Das Elterngeld wird für die Dauer von 12 Monaten gezahlt. Es wird um zwei Monate verlängert, falls der zweite Elternteil für mindestens diese Zeit die Betreuung übernimmt und sich sein Einkommen aus Erwerbstätigkeit dadurch vermindert. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Auszahlung des Elterngeldes auf 24 Monate (28 Monate mit Partnermonaten) zu strecken, wobei in diesem Fall die Gesamtsumme des in der Elternzeit erzielten Elterngeldes gleichmäßig auf 24 beziehungsweise 28 Monate verteilt wird und nur Anspruch auf die Hälfte der Monatsbeträge besteht (§ 5 BEEG).
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Unterhaltsrechtlich gilt das Elterngeld als anrechenbares Einkommen, ausgenommen ist davon ein Betrag von 300 Euro, der dem Elternteil ungeschmälert zustehen soll (§ 11 BEEG). Diese Einschränkung gilt jedoch nicht gegenüber Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder und privilegiert volljährigen Schülern. Im Hinblick auf die den Eltern insoweit obliegende gesteigerte Unterhaltspflicht, gilt ihnen gegenüber das gesamte Elterngeld als unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen (§ 11 Satz 1 und 4 BEEG i.V.m. § 1603 Abs. 2 BGB). Dies führt bei dem nachfolgenden Beispiel zu einer Einschränkung der Wahlmöglichkeiten z.B. bei der Bezugsdauer des Elterngeldes, wenn ein Elternteil dadurch leistungsunfähig wird:
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Beispiel F zahlt für ihr beim Vater lebendes Kind Mindestunterhalt i.H.v. 334 Euro. Nach der Geburt eines Kindes aus ihrer neuen Ehe bezieht sie Elterngeld i.H.v. 1 350 Euro, das sie zunächst für 10 Monate beantragt hat. Nachdem sie die Bezugszeit um weitere 6 Monate verlängert hat, erhält sie nur noch das halbe Elterngeld i.H.v. 675 Euro und lehnt die weitere Zahlung von Barunterhalt wegen fehlender Leistungsfähigkeit ab. F wird mit ihrem Vortrag im Unterhaltsstreitverfahren keinen Erfolg haben, denn schuldet ein Elternteil mehreren Kindern sowohl Bar- als auch Betreuungsunterhalt, hat er bei seinen Entscheidungen auf die Belange aller gleichrangig Unterhaltsberechtigten Rücksicht zu nehmen. D.h. die Verlängerung der Elternzeit mit der Folge eines halbierten Elterngeldes kann sich als unterhaltsrechtliches Fehlverhalten darstellen, so dass die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht kommt, es sei denn, F kann substantiiert vortragen und ggfs. beweisen, dass ihr Ehemann weder ein Einkommen erzielt, mit dem er sie ernähren kann, noch dass er das Kind betreuen kann.1 Zur unterhaltsrechtlichen Würdigung der Rollenwahl s. Rz. 183.
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Im Rahmen anderer Unterhaltsrechtsverhältnisse werden Unterhaltsverpflichtungen durch die Zahlung des Elterngeldes nur insoweit berührt, als das Elterngeld 300 Euro monatlich übersteigt (§ 11 Satz 1 BEEG). D.h. der 300 Euro übersteigende Betrag ist als Einkommen auf Seiten des Bezugsberechtigten zu berücksichtigen, dies gilt sowohl für den Unterhaltsberechtigten als auch Verpflichteten, denn insoweit hat das Elterngeld Lohnersatzfunktion wegen seiner Abhängigkeit vom zuvor erzielten Einkommen.2 Hat der bezugsberechtigte El1 So OLG Bamberg, FamRZ 2011, 1302. 2 BGH, FamRZ 2011, 97 Tz. 29 f.
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III. Berechnung des Unterhalts
ternteil von der Möglichkeit der verlängerten Auszahlung nach § 6 BEEG Gebrauch gemacht, bei der er auf Antrag mtl. nur das halbe Elterngeld bei verdoppelter Auszahlungszeit erhält, verringert sich der durch Unterhaltspflichten nicht berührte Betrag auf 150 Euro (§ 11 Satz 2 BEEG). Bei Mehrlingsgeburten vervielfältigt sich der jeweils maßgebliche Betrag um die Zahl der geborenen Kinder. Inwieweit die zeitliche Streckung des Elterngeldes und damit verbundene Verringerung des Einkommens in anderen Unterhaltsrechtsverhältnissen anzuerkennen ist, hängt von den insoweit maßgeblichen Anforderungen an die Obliegenheiten ab. Das Elterngeld ist in voller Höhe als Einkommen in die Unterhaltsberechnung 153 einzustellen, wenn aus Billigkeitsgründen eine Beschränkung, Versagung oder Begrenzung des Trennungs-, Nachehe- oder Verwandtenunterhaltsanspruchs des Bezugsberechtigten wegen eines Fehlverhaltens in Betracht kommen (§ 11 Satz 4 BEEG i.V.m. §§ 1361 Abs. 3, 1579, 1611 Abs. 1 BGB).1 S. dazu das Beispiel beim Trennungsunterhalt Kap. E Rz. 262 oder Kap. F Rz. 444. Das Betreuungsgeld stellt eine neue finanzielle Leistung des Bundes für Famili- 154 en dar, die seit 1.8.2013 von Eltern beansprucht werden kann, die ein nach dem 1.8.2012 geborenes Kind im Alter von 15 bis 36 Lebensmonaten haben (§ 27 Abs. 3 Satz 1 und § 4d Abs. 1 Satz 1 BEEG) und für dieses Kind keine öffentlich geförderte Betreuungseinrichtung in Anspruch nehmen. Das Betreuungsgeld beträgt vom 1.8.2013 bis 31.7.2014 für jedes Kind 100 Euro im Monat und ab 1.8.2014 150 Euro und wird für bis zu 22 Monaten gezahlt. Der Anspruch besteht auch, wenn die Eltern erwerbstätig sind und unabhängig von der Höhe ihres Einkommens. Die Kinder können zudem fremdbetreut werden, solange dies nicht in öffentlich geförderten Einrichtungen erfolgt. Ausnahmeregelungen gelten für Eltern schwer erkrankter oder schwerbehinderter Kinder. gg) Fiktive Einkünfte Die Zurechnung eines fiktiven Einkommens kann sowohl zu Lasten des Unter- 155 haltspflichtigen als auch des Unterhaltsberechtigten erfolgen. In beiden Fällen ist Voraussetzung, dass ein unterhaltsrechtlich vorwerfbarer Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit vorliegt, den der andere nicht hinzunehmen braucht (§ 242 BGB).2 Beim Kindesunterhalt spielt die Zurechnung fiktiver, also gedachter Einkünfte 156 vor allem eine Rolle auf Seiten des Verpflichteten, soweit sich dieser auf verringerte Einkünfte und eine eingeschränkte oder fehlende Leistungsfähigkeit beruft. In dem Fall bestimmen die fiktiven Einkünfte dann auch jeweils den Bedarf des Kindes. Zwar gilt für die Bedarfsbestimmung, dass sich der Bedarf des Kindes aus der konkreten wirtschaftlichen Lebensstellung des Verpflichteten ableitet, also lediglich gedachte wirtschaftliche Verhältnisse, die keine Grundlage in der tatsächlichen Einkommenssituation des Unterhaltspflichtigen haben, nicht seine Lebensstellung prägen können.3 Hier ergibt sich jedoch nur ein scheinbarer Widerspruch, denn das fiktive Einkommen bezieht sich tatsächlich immer 1 BGH, FamRZ 2012, 1201. 2 BGH, FamRZ 1985, 158 (Grundsatzentscheidung zur Zurechnung fiktiver Einkünfte). 3 BGH, FamRZ 1997, 281 (283) zum fiktiven Einkommen beim Kindes- und Trennungsunterhalt; BGH, FamRZ 1992, 1045 (1047) zum fiktiven Einkommen beim Nacheheunterhalt; OLG Karlsruhe, FamRZ 1993, 1481 (1482).
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auch auf die konkrete, individuelle wirtschaftliche Situation des Verpflichteten, die nicht nur durch sein tatsächlich erzieltes Einkommen, sondern auch durch seine Erwerbsmöglichkeiten bestimmt wird, die er nicht vorwerfbar zum Nachteil des Kindes verändern darf (§ 1603 Abs. 2 BGB). Insoweit besteht ein Interdependenzverhältnis zwischen Bedarf und Leistungsfähigkeit, bedingt durch das für das Unterhaltsrechtsverhältnis geltende Pflichtengefüge. 157
Verstößt der Verpflichtete gegen die sich aus § 1603 Abs. 2 BGB ergebende Obliegenheit, seine Arbeitskraft so gut wie möglich zu verwerten, richtet sich der Bedarf nach dem bisher nachhaltig erzielten und/oder erzielbaren Einkommen, denn dem Verpflichteten ist es nach § 242 BGB verwehrt, seine Erwerbsmöglichkeiten vorwerfbar zum Nachteil des Berechtigten zu verschlechtern und sich dann auf eine eingeschränkte oder fehlende Leistungsfähigkeit berufen. Nicht möglich ist es hingegen, dem wenig erfolgreichen Elternteil vorzuhalten, er könne bei entsprechenden Bemühungen ein deutlich höheres Einkommen erzielen und dieses zuvor nie erzielte Einkommen für die Bedarfsberechnung zu verwenden.1 Weiterer Anknüpfungspunkt für die Zurechnung eines fiktiven Einkommens kann auch eine Verletzung der Obliegenheit sein, vorhandenes Vermögen in zumutbarem Rahmen so ertragreich wie möglich anzulegen, gegebenenfalls umzuschichten oder erforderlichenfalls zu verwerten.2 In dem Fall können dann bei vorwerfbarer Untätigkeit fiktive Erträge aus einem vorhandenen oder Einnahmen aus verwerteten Vermögen unterstellt werden.
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Das Prinzip der Zurechnung fiktiver Einkünfte beruht immer nur auf einem indirekten Zwang zum Tätigwerden, sei es zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder zur Optimierung der Vermögenserträge, indem der Verpflichtete unterhaltsrechtlich so gestellt wird, als würde er sich pflichtgemäß verhalten. Nicht möglich ist es hingegen, ihn zu einem bestimmten Tun zu verpflichten, also z.B. eine bestimmte Arbeit aufzunehmen oder Pflichtteilsansprüche aus einer Erbschaft geltend zu machen.3
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Das BVerfG hatte bereits mehrfach die Gelegenheit sich zu der Verfassungsgemäßheit der Zurechnung fiktiver Einkünfte zu äußern und hat dazu in mehreren Entscheidungen die Anforderungen an die Zurechnung eines fiktiven Einkommens im Rahmen von § 1603 Abs. 2 BGB verschärft. Danach ist die Zurechnung fiktiver Einkünfte als Eingriff in die Dispositionsfreiheit des Unterhaltspflichtigen (Art. 2 GG) im Hinblick auf die aus Art. 6 Abs. 2 GG folgende Unterhaltspflicht gegenüber seinem Kind zwar zulässig, die Beschränkung muss jedoch verhältnismäßig sein und von dem Verpflichteten darf nichts Unmögliches verlangt werden.4
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Die Zurechnung fiktiver Einkünfte setzt deshalb immer voraus, dass 1. der Verpflichtete nach seinen tatsächlichen Einkünften nicht oder nur teilweise leistungsfähig ist,
1 OLG Karlsruhe, FamRZ 1993, 1481 (1482). 2 BGH, FamRZ 2013, 278 Rz. 20; Grundsatzentscheidungen dazu in FamRZ 1990, 269 (271); 1993, 1065 (1066). 3 BGH, FamRZ 2013, 278 Tz. 21, 22 m. Anm. Maurer. 4 BVerfG, FamRZ 2006, 469; 2007, 273; 2010, 183 (184); 2010, 793 (795); Zustimmend Schürmann, FamFR 2010, 202; ebenso Borth, FamRZ 2010, 629, allerdings mit Zweifeln an den Aufklärungsmöglichkeiten der Instanzgerichte.
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2. er dies aufgrund eines Verstoßes gegen seine Erwerbsobliegenheit zu vertreten hat und 3. die zur Erfüllung der Unterhaltspflichten erforderlichen und ihm fiktiv zuzurechnenden Einkünfte objektiv für ihn überhaupt erzielbar sein müssen. Die Zurechenbarkeit hängt damit sowohl von persönlichen subjektiven Voraussetzungen wie beispielsweise dem Alter, der beruflichen Qualifikation nach der Erwerbsbiographie und dem Gesundheitszustand als auch objektiv von dem Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen ab.1 Die Zurechnung eines fiktiven Einkommens kommt vor allem in den Fällen in 161 Betracht, in denen dem Verpflichteten der Arbeitsplatzverlust und/oder ein unzureichendes Bemühen um eine neue Arbeit vorwerfbar ist.2 Beruht der Verlust des Arbeitsplatzes auf einem verantwortungslosen, zumin- 162 dest leichtfertigen, unterhaltsbezogenen Verhalten des Pflichtigen, ist ihm der Einwand der mangelnden Leistungsfähigkeit nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, wenn er diese selbst vorwerfbar durch Aufgabe seines sicheren Arbeitsplatzes selbst herbeigeführt hat.3 In dem Fall kann das zuvor erzielte Einkommen fiktiv zugerechnet werden, wenn er bei pflichtgemäßem Verhalten noch das bisherige Einkommen erzielen würde. Für die Annahme eines vorwerfbar leichtfertigen Verhaltens ist nicht ausreichend der ungewollte Verlust der Arbeit z.B. wegen eines Alkoholproblems oder Diebstahls, wenn es an der Unterhaltsbezogenheit des leichtfertigen Verhaltens fehlt.4 Denn die Antriebe und Vorstellungen müssen sich bei dem vorwerfbaren Verhalten bewusst mindestens auch auf die Verminderung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit erstreckt haben.5 Ein leichtfertiges Verhalten kann z.B. darin bestehen, dass der Unterhaltspflich- 163 tige ohne triftigen Grund Altersteilzeit oder den Vorruhestand in Anspruch nimmt, sich dadurch sein Einkommen verringert und seine Leistungsfähigkeit eingeschränkt wird. Auch in diesem Fall bleibt Anknüpfungspunkt das zuvor erzielte Einkommen oder ihm wird ein Einkommen aus einer zumutbaren Nebentätigkeit zugerechnet.6 Ob ein Verhalten als leichtfertig zu beurteilen ist, hängt wesentlich vom Maß der Einstandspflicht für den Unterhalt ab.
1 So das BVerfG in st. Rspr. Grundsatzentscheidung zu subjektiven Möglichkeiten und objektiver Arbeitsmarktlage FamRZ 2006, 469; Fortführung in FamRZ 2010, 626 m. Anm. Borth; FamRZ 2010, 183 und 793; 2012, 1283; NJW 2012, 2420, Beschluss v. 18.6.2012 – 1 BvR 2867/11 = JAmt 2012, 417 = FamRB 2012, 266 m. Praxishinweis v. Götsche. Ebenso BGH, FamRZ 2009, 314 Rz. 24 in st. Rspr. 2 BGH, FamRZ 2000, 1358; 1994, 372 (373); 1985, 158 (Kündigung ohne zureichenden Grund). 3 BGH, FamRZ 2000, 815 (817); 1994, 240; 1993, 1055. 4 BGH, FamRZ 1993, 1055 ff.; 1994, 240 (241). 5 BGH, FamRZ 1993, 1057; 1994, 240 (241): Verneinung bei Verlust des Arbeitsplatzes wegen Alkohols bei einem jungen unreifen Menschen, der sich zügig um neue Arbeit, die aber weniger gut bezahlt wird, bemüht hat. Das OLG Naumburg macht einen Unterschied, wenn der Verpflichtete Berufskraftfahrer ist und wegen eines trunkenheitsbedingten Unfalls seinen Führerschein und seine Arbeit verliert (FamRZ 2001, 565). 6 OLG Hamm, FamRZ 2001, 1476 zur Obliegenheitsverletzung bei Altersteilzeit; zur Obliegenheitsverletzung beim Vorruhestand OLG Brandenburg, Urt. v. 28.1.2009 – 13 UF 31/08, juris Rz. 24.
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Beispiele – V sieht nicht ein, vollschichtig erwerbstätig zu sein und die Hälfte des Gehalts als Unterhalt abgeben zu müssen. Er reduziert seine Arbeitszeit zugunsten von mehr Freizeit. Ihm ist für die Berechnung des Unterhalts das bisher erzielte Einkommen aus Vollzeitbeschäftigung zu unterstellen; denn für die Unterhaltsbemessung bleiben die Einkommensverhältnisse vor der leichtfertigen Reduzierung der Arbeit maßgeblich (§ 242 BGB).1 – V war auf dem Obstgroßmarkt seiner Eltern auch an Wochenenden tätig. Während des Berufswechsels zum Erzieher wird von ihm neben der Ausbildung der Einsatz an den Wochenenden auf dem Obstgroßmarkt zur Erfüllung seiner Unterhaltspflichten den Kindern gegenüber verlangt.2 – V verliert seine Arbeit durch fristlose Kündigung, weil er bei seinem Arbeitgeber – seiner Meinung nach – wertlosen Schrott entwendete. Nach langer Arbeitssuche findet er eine schlechter bezahlte Arbeit. Für die Unterhaltsberechnung ist nicht auf sein früheres höheres, sondern auf sein aktuelles Einkommen abzustellen; denn bei zwar verschuldetem, aber ungewolltem Arbeitsplatzverlust kommt die fiktive Anrechnung des vorher erzielten Einkommens nicht in Betracht.3
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Ist dem Verpflichteten fiktiv sein früheres Einkommen wegen eines unterhaltsbezogenen leichtfertigen Verhaltens zuzurechnen, stellt sich die Frage, ab wann eine Zurechnung des früheren Einkommens entfällt, wenn das früher erzielte Einkommen nicht mehr erzielbar ist. Die Frage kann für den Unterhaltspflichtigen eine existenzielle Bedeutung bekommen, wenn der Anspruch auf der Grundlage des früheren Einkommens berechnet und tituliert wurde, er aber später trotz ernsthafter Bemühungen keine adäquat dotierte Stellung mehr findet und die Abänderung des Unterhaltstitels begehrt. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob der Einwand des Schuldners, er könne trotz ernsthafter Bemühungen nicht mehr eine so gut bezahlte Stelle finden, überhaupt im Rahmen des Abänderungsverfahrens zulässig ist.4 Nach Auffassung des BGH ist ein Abänderungsverfahren des Schuldners nur zulässig mit der Begründung, dass er die frühere Stelle inzwischen ohnehin verloren hätte. Diese Rechtsprechung des BGH überzeugt nicht, wenn der Schuldner trotz ernsthafter Bemühungen keine vergleichbare Stelle mehr findet, denn sie verhindert eine Anpassung des Titels an die veränderten tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners und wird damit dem Sinn und Zweck des Abänderungsverfahrens nach § 238 Abs. 1 FamFG, bzw. § 323 ZPO a.F., nicht gerecht.5 Dabei ist – anders als vom BGH interpretiert – die rechtliche Hürde nicht das Problem der Rechtskraft und Präklusion. Denn auf diese rechtlichen Probleme kommt es dann nicht an, wenn man die im Ersturteil getroffene Prognoseentscheidung mit der Zurechnung des fiktiven Einkommens wegen leichtfertiger Aufgabe des Arbeitsplatzes 1 BGH, FamRZ 1985, 158 ff. 2 BGH, FamRZ 1987, 930 (932); 1982, 365 (366); OLG Koblenz, FamRZ 1991, 1475 (1476). 3 BGH, FamRZ 1993, 1055 ff. 4 Die Zulässigkeit ablehnend BGH, FamRZ 2008, 872 mit zustimmender Anm. Hoppenz, FamRZ 2008, 875; a.A. Graba, FamRZ 2002, 6, 10; Wohlgemuth, FamRZ 2008, 2081. Zum Diskussionsstand vor der BGH-Entscheidung und Vorschlägen zur Befristung s. OLG Hamm, FamRZ 1999, 1013 (LS) = OLGR Hamm 1998, 396 ff. (mit Gründen) zu den Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Schuldners OLG Hamm, FamRZ 1995, 1217 für eine zügige Anpassung; strenger OLG Zweibrücken, FamRZ 1999, 881 (882). Niepmann/Schwamb, Rz. 729, schlagen eine 2- bis 3-Jahres-Frist vor, um ein Unterlaufen der Fiktion zu verhindern; OLG Hamm, FamRZ 1995, 1217. 5 Zu Kritik und Lösungsansätzen s. Graba, FPR 2011, 258, 160; Niepmann/Schwamb, Rz. 729 f.
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nicht ausschließlich als Sanktion vorwerfbaren Verhaltens versteht, sondern nach ihrem Sinn und Zweck als mittelbaren Zwang zu gesetzeskonformem Verhalten interpretiert, bei der unterstellt wird, dass das bisher erzielte Einkommen auch das zukünftig erzielbare Einkommen ist. Das Prinzip der Zurechnung fiktiver Einkünfte beruht immer nur auf einem mittelbaren Zwang zum Tätigwerden, sei es zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder Vermögen ertragreich zu verwalten, indem der Verpflichtete unterhaltsrechtlich so gestellt wird, als würde er sich pflichtgemäß verhalten.1 Gedankliche Prämisse des mittelbaren Zwangs ist aber immer auch, dass überhaupt das unterstellte Einkommen erzielbar ist. Erweist sich diese Prognose als unzutreffend, ist sie zu korrigieren, anderenfalls hätte die Zurechnung eines fiktiven Einkommens einen reinen Sanktionscharakter, der nicht aus § 242 BGB ableitbar ist und im Widerspruch zu den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stünde. Folgt man dieser Auffassung, hängt die Frage nach der Dauer der Frist zur Anpassung von den Umständen des Einzelfalls ab. Kriterien für die Bemessung sind u.a., den Schuldner vor einer Überschuldung zu bewahren, aber auch einem Missbrauch vorzubeugen (§ 242 BGB). Noch wichtiger für die Praxis ist die Fallgruppe, in der der Unterhaltsschuldner 166 ohne eigenes Verschulden seine Arbeit verloren hat, sich aber vorwerfbar nicht ausreichend um eine neue Arbeit bemüht, so dass ihm fiktiv ein erzielbares Einkommen zuzurechnen ist. Den Unterhaltspflichtigen trifft die unterhaltsrechtliche Obliegenheit, seine Arbeitskraft entsprechend seiner beruflichen Ausbildung, seinen persönlichen Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage so gut wie möglich einzusetzen (§ 1603 Abs. 2 BGB, Rz. 41 ff.). Dabei stellt der Umfang der Erwerbsbemühungen ein wichtiges Indiz für die Ernsthaftigkeit der Bemühungen dar. Es können Bewerbungsbemühungen – allerdings abhängig vom Einzelfall und insbesondere von der Arbeitsmarktlage und individuellen Perspektive – bis zum Umfang einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit erwartet werden.2 Zu weiteren Anforderungen an die Ernsthaftigkeit der Bemühungen s. Rz. 336 f. Von dem Unterhaltspflichtigen kann ferner – dies gilt jedenfalls für den Mindestunterhalt – auch erwartet werden, dass er sich bundesweit um Arbeit bemüht. Ein Verstoß gegen diese Pflicht führt jedoch nur dann zur Zurechnung eines fiktiven Einkommens, wenn der Ortswechsel dem Pflichtigen zumutbar ist. Es ist deshalb jeweils zu prüfen, ob unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere unter Berücksichtigung der persönlichen Bindung des Elternteils zu seinen Kindern sowie etwaiger höherer Umgangs- und Umzugskosten, ein Ortswechsel überhaupt zumutbar ist.3 Weitere Aspekte der Zumutbarkeit sind die individuelle Belastbarkeit wie Gesundheit, Alter etc. Die Zurechnung eines fiktiven Einkommens setzt weiter voraus, dass eine reale 167 Beschäftigungschance besteht. Nur dann ist die Obliegenheitsverletzung kausal für die Leistungsfähigkeit, und es ist treuwidrig, wenn sich der Verpflichtete darauf beruft. Nach Auffassung des BVerfG hat das Gericht im Unterhaltsverfahren von sich aus zu prüfen, ob hinsichtlich der konkreten und für den Unterhaltspflichtigen zumutbaren Erwerbstätigkeit objektiv eine Erwerbschance besteht bzw. nicht ausgeschlossen werden kann. Dabei sind Prüfkriterien in ers1 BGH, FamRZ 2013, 278 Tz. 21, 22 zur Geltendmachung eines erbrechtlichen Pflichtteilsanspruchs m. Anm. Maurer. 2 OLG Frankfurt, FamRZ 2001, 624. 3 BVerfG, FamRZ 2006, 469; m. Anm. Finke in FPR 2006, 322 ff.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
ter Linie objektive Voraussetzungen, wie die Lage auf dem Arbeitsmarkt, das Alter, die Qualifikation und die Gesundheit des Verpflichteten.1 D.h. die Gerichte müssen prüfen, ob es die für den Verpflichteten in Betracht kommenden Tätigkeiten überhaupt gibt und der Aufnahme einer solchen Tätigkeit nicht rechtliche Hindernisse entgegenstehen.2 168
Kann eine objektive Beschäftigungschance nicht ausgeschlossen werden und beruft sich der Verpflichtete auf das Fehlen einer Beschäftigungschance, liegt die Darlegungs- und Beweislast dafür bei ihm.3 Anders als in der Literatur teilweise vertreten4, führt die Verpflichtung des Gerichts zur Überprüfung einer realen Beschäftigungschance nicht zu einer Verlagerung der Darlegungs- und Beweislast für die Höhe des fiktiven Einkommens auf das Gericht. Logische Voraussetzung der Zurechnung eines fiktiven Einkommens, die im Rahmen von § 242 BGB wegen unzureichender Erwerbsbemühungen von Amtswegen erfolgt, ist, dass ein solches überhaupt erzielbar ist. Geht das Gericht davon aus, ist es Sache des Verpflichteten, darzulegen und zu beweisen, dass er unverschuldet erwerbslos ist, also dafür, dass er sich ausreichend bemüht und keine Beschäftigungschance hat.
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Die Zurechnung fiktiven Einkommens stellt eine Rechtsfolge aus § 242 BGB dar, wenn nach dem Sachverhalt Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich der Verpflichtete widersprüchlich, und damit treuwidrig gegenüber dem Unterhaltsgläubiger auf Leistungsunfähigkeit beruft, obwohl er diese selbst leichtfertig verursacht hat oder wegen Verstoßes gegen seine unterhaltsrechtlichen Obliegenheiten herbeigeführt hat. Ergibt der Sachverhalt Anhaltspunkte für ein treuwidriges Verhalten, ist von Amts wegen darüber zu entscheiden, ohne dass sich der Schuldner explizit darauf berufen muss.5 Dies gilt auch für die sich daraus ergebende Rechtsfolge.
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Für die Bemessung der Höhe des fiktiven Einkommens6 ist eine Schätzung nach § 287 ZPO vorzunehmen. Grundlage der Schätzung wird in der Regel das früher erzielte Einkommen des Verpflichteten sein. Liegen derartige Erkenntnisse nicht vor oder haben sich Änderungen aufgrund der Arbeitsmarktlage ergeben, muss die Schätzung unter Berücksichtigung der aktuellen Fähigkeiten des Betroffenen auf der Grundlage branchenüblicher Löhne, Tariflöhne durch Heranziehung von Tarifverträgen bzw. Mindestlöhnen bei geringqualifizierten Tätigkeiten vorgenommen werden.7 Zur Höhe geschätzter Stundenlöhne in der Rechtsprechung s. die Nachweise in Rz. 337. Von dem so zu schätzenden fikti1 BGH, FamRZ 1994, 372 (374). 2 BGH, FamRZ 2009, 314 (317); 1998, 357 (359); BVerfG, FamRZ 1985, 143 (146); 2006, 469; FamRZ 2010, 183; FamRZ 2010, 793 = FamRB 2010, 198 ff. m. krit. Anm. Götsche. 3 BGH, FamRZ 1996, 345; Bäumel, Die reale Beschäftigungschance, FPR 2000, 17 ff. 4 So Götsche, FamRB 2010, 198–200 zu BVerfG, FamRZ 2010, 793 und in FamRB 2012, 266 f. zu den Beschlüssen des BVerfG, NJW 2012, 2420; FamRZ 2012, 1283; JAmt 2012, 417. 5 BGH, NJW 1966, 345. 6 Vgl. dazu auch Reinken, FPR 2006, 319, 321 (322). 7 OLG Düsseldorf, FamRZ 1991, 220; OLG Hamm, FamRZ 2010, 985 Tz. 16 ff.; 1995, 438. Eine Übersicht zu den Tariflöhnen findet sich im Internet z.B. bei der Hans-Böckler-Stiftung unter der Internetadresse www.boeckler.de. BVerfG, FamRZ 2010, 183 (184); 2010, 793 (795) zur Begründungsbedürftigkeit bei einem den branchenüblichen Mindestlohn übersteigenden geschätzten Einkommen.
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III. Berechnung des Unterhalts
ven Einkommen sind berufsbedingte Aufwendungen abzuziehen. Das BVerfG hat dazu folgende Vorgehensweise gewählt1: Es hat zunächst errechnet, wie hoch das bereinigte Nettoeinkommen sein müsste, um den vom Kind beanspruchten Unterhalt zu zahlen. Diesen Betrag hat es hochgerechnet auf den Bruttobetrag, daraus den Bruttostundenlohn berechnet und dann auf eine konkrete Prüfung verwiesen, ob der Schuldner mit seinen persönlichen Voraussetzungen eine entsprechende Arbeit finden könnte. Ist dem Unterhaltspflichtigen ein fiktives Einkommen aus Vollbeschäftigung 171 zuzurechnen, steht ihm gegenüber Unterhaltsansprüchen des minderjährigen oder privilegierten volljährigen Kindes der nach den Leitlinien maßgebliche notwendige Eigenbedarfssatz zu, dessen Höhe für die Überprüfung seiner Leistungsfähigkeit von Bedeutung ist (s. dazu Rz. 319 ff.).
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Praxishinweis: Hält das Gericht im Unterhaltsverfahren die Verletzung der 172 Pflicht zur bundesweiten Arbeitssuche für entscheidungserheblich, sind die Beteiligten im Rahmen der Erörterung gemäß § 139 Abs. 1 und 2 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 FamFG darauf hinzuweisen. Es ist dann Sache des Unterhaltspflichtigen die Gründe darzulegen und zu beweisen, die z.B. gegen die Zumutbarkeit einer bundesweiten Arbeitssuche sprechen. Ebenso ist zu verfahren, wenn das Gericht ein fiktives Einkommen in Ansatz bringen will. Dies erfordert nach den strengen Anforderungen des BVerfG und des BGH, dass zunächst konkrete Feststellungen dahingehend getroffen werden, welcher Lohn aufgrund welcher Arbeit für den Verpflichteten realistischer Weise erzielbar wäre.2 Das Gericht hat die Beteiligten dann über die Berechnungsgrundlagen für das fiktive Einkommen zu informieren und diese so aufgeschlüsselt darstellen, dass für denVerpflichteten erkenn- und nachprüfbar ist, von welchem Umfang und Stundensatz das Gericht bei der fiktiv unterstellten und für zumutbar befundenen Tätigkeit ausgeht.3 Zu diesen Feststellungen muss der Verpflichtete ebenfalls rechtliches Gehör erhalten. Denn ihm obliegt insoweit die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein solches Einkommen für ihn nicht erzielbar ist.
Bezieht der Verpflichtete Arbeitslosengeld, kann wenigstens die Aufnahme einer 173 Nebentätigkeit verlangt werden, wenn Bemühungen um eine Vollbeschäftigung fehlgeschlagen sind und insoweit eine reale Beschäftigungsmöglichkeit besteht.4 Denn beim Bezug von ALG I besteht die Möglichkeit zum Nebenverdienst (zur Höhe s. Rz. 108). Bei ALG I handelt es sich um eine Lohnersatzleistung, die als Einkommen zu behandeln ist, so dass sich die Leistungsfähigkeit durch Zurechnung eines fiktiven Einkommens erhöht. Bei Bezug von ALG II besteht ebenfalls die Möglichkeit des teilweise anrechnungsfreien Bezugs von Nebeneinkünften. Auch insoweit kommt bei realen Beschäftigungsmöglichkeiten und vorwerfbar fehlenden Bemühungen die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht. Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit soll jedoch nach jüngster Rechtsprechung des BGH das Einkommen insoweit nicht leistungserhöhend zu berücksichtigen
1 BVerfG, FamRZ 2012, 1283. Anm. dazu v. Schürmann, jurisPR-FamR 16/2012 Anm. 1; Götsche, FamRB 2012, 267 f. 2 BVerfG, FamRZ 2012, 1283; BGH, FamRZ 2009, 314 Tz. 21 m.w.N. 3 BGH, FamRZ 2009, 314 (317). 4 BGH, FamRZ 2008, 594 ff.
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sein, als es sich durch die sozialrechtliche Anerkennung einer Unterhaltsverpflichtung erhöhen würde,1 s. Rz. 127. 174
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Reichen die Einkünfte aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nicht aus, kann ebenfalls die Zurechnung eines fiktiven Einkommens aus einer Nebentätigkeit in Betracht kommen.2 Arbeitet der einem minderjährigen Kind Unterhaltspflichtige weniger als 40 Stunden wöchentlich, kann grundsätzlich eine Nebentätigkeit erwartet werden.3 Dies ist nicht mehr der Fall, wenn die obere Grenze der Belastbarkeit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 48 Stunden erreicht ist (§ 3 ArbZG, s. Rz. 41).4 Die Zurechnung hängt aber immer davon ab, ob die Ausübung einer Nebentätigkeit unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zumutbar ist. Dabei ist zu prüfen, ob dem Verpflichteten die zeitliche und physische Belastung durch die ausgeübte und die zusätzliche Arbeit – auch unter Berücksichtigung von Arbeitsschutzbestimmungen – abverlangt werden kann.5 In jedem Einzelfall ist eine umfassende Abwägung der konkreten Umstände geboten, denn die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Handlungsfreiheit des Verpflichteten darf nur durch eine verfassungsgemäße Anwendung unterhaltsrechtlicher Vorschriften (§ 1603 Abs. 2 BGB) eingeschränkt werden.
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Praxishinweis: In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und des Lohndumpings, das zunehmend im Geringverdienerbereich zu beobachten ist, bereitet die Schätzung des fiktiven Einkommens besondere Schwierigkeiten, da das Gefälle der erzielbaren Einkünfte insbesondere bei ungelernten Arbeitern selbst innerhalb einer Region oft sehr unterschiedlich ist. Hier können Informationen der Hans-Böckler-Stiftung, abrufbar im Internet unter der Adresse: www.boeckler.de weiterhelfen. Zur Einschätzung der realen Beschäftigungschance kann die regelmäßige Beobachtung der Stellenangebote in den regionalen Zeitungen und im Internet z.B. bei der Online-Stellenbörse Arbeiten.de unter www.arbeiten.de oder der Jobbörse der Arbeitsagentur für Arbeit unter jobboerse.arbeitsagentur.de hilfreich sein. Die Anforderungen der Rechtsprechung an die Darlegung der Bemühungen um eine Arbeit und erzielbare Einkünfte sind streng, insbesondere auch im Hinblick auf die Hinzuverdienstmöglichkeiten beim Bezug von Arbeitslosengeld. Es sollte deshalb im Unterhaltsstreitverfahren bei Arbeitslosigkeit des Verpflichteten immer auch zu seinen Bemühungen um eine Nebentätigkeit vorgetragen werden, denn oft ist die Leistungsfähigkeit trotz Arbeitslosigkeit und Bezug von Arbeitslosengeld wenigstens in Höhe des Mindestunterhalts gegeben, wenn eine Nebentätigkeit ausgeübt werden kann. Beim Bezug von ALG II sind insoweit Besonderheiten zu beachten, s. Rz. 125 ff.
Von einem Schüler, Auszubildenden oder Studenten, der noch keine abgeschlossene Berufsausbildung hat, kann nicht der Abbruch der Ausbildung verlangt 1 2 3 4 5
BGH, FamRZ 2013, 1378. BGH, FamRZ 2009, 314 (316) m.w.N. OLG Hamm, FamRZ 2010, 985 Tz. 16 ff. So BGH, FamRZ 2011, 1041 Tz. 30 f.; 2009, 314 Rz. 24. BVerfG, FamRZ 2003, 661 ff.; NJW 2012, 2420 Tz. 24; eine Pflicht zur Nebentätigkeit bejahen z.B.: OLG Karlsruhe, FamRZ 2007, 1123; OLG Brandenburg, NJW-RR 2005, 949; OLG Naumburg, FamRZ 2014, 133 Tz. 46 ff.; OLG Hamm, FamRZ 2003, 177; 2000, 1178; 2001, 565; 1996, 304 ff., FuR 2001, 559 ff., restriktiver: OLG Hamm, FF 2005, 156, 157; KG (3. Senat), FamRZ 2003, 1208 ff.
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werden. Denn die Erstausbildung gehört zum eigenen Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen, dem der Vorrang gegenüber der gesteigerten Unterhaltspflicht einzuräumen ist.1 Allerdings ist er verpflichtet, die Ausbildung zügig zu betreiben, damit in Zukunft der Unterhalt für die Berechtigten gesichert ist.2 Während der Ausbildungszeit sind die übrigen Verwandten – nach der Mutter bzw. dem Vater ggf. die Großeltern – unterhaltsverpflichtet, sofern sie leistungsfähig sind. Ein Elternteil, der eine Arbeit hat und aufgibt, obwohl er bereits eine Ausbil- 177 dung und ein ausreichendes Einkommen hat, um ein Studium, eine Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung zu beginnen,3 verstößt gegen seine Erwerbsobliegenheit, so dass die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht kommt. Der Pflichtige darf zwar seine beruflichen Vorstellungen verwirklichen, muss aber die weitere Zahlung des Unterhalts sicherstellen. Nicht vorwerfbar ist die Aufgabe des bisherigen Arbeitsplatzes dann, wenn der Arbeitsplatz gefährdet ist und die konjunkturelle Lage eine weitere Qualifikation sinnvoll und geboten erscheinen lässt. Aber auch wenn die Aufgabe des Arbeitsplatzes nicht vorwerfbar ist, ist in jedem Einzelfall zu prüfen, inwieweit ein Hinzuverdienst, der nicht die Höhe des Mindestunterhalts erreichen muss, aufgrund einer Nebentätigkeit zumutbar ist.4 Denn bei Bezug von Arbeitslosengeld I während der Umschulungszeit bleiben Einkünfte aus einer Nebentätigkeit von weniger als 15 Stunden wöchentlich in Höhe eines Betrags bis zu 165 Euro anrechnungsfrei (§ 155 Abs. 1 SGB III, s. Rz. 108; beim ALG II gelten andere Voraussetzungen, vgl. Rz. 122 ff.)5. Auch dem selbständigen Unterhaltsverpflichteten, der die letzten durchschnitt- 178 lichen Umsätze und Gewinne nicht mehr erzielt, kann ein fiktives Einkommen zugerechnet werden. Dies kann in Höhe des bisherigen Einkommens geschehen, wenn er den Einkommensrückgang nicht plausibel erklärt oder nicht wieder als Arbeitnehmer arbeitet, obwohl sich das Geschäft als unrentabel erweist. In Betracht kommen kann jedoch auch die Zurechnung eines fiktiven Einkommens aus einer unselbständigen Nebentätigkeit z.B. bei saisonal bedingtem Rückgang des Umsatzes. 179
Beispiele – V ist Elektrotechniker und hat als Angestellter 2 500 Euro verdient. Er hat sich mit der begründeten Aussicht auf deutlich höhere Einkünfte selbständig gemacht, erzielt aber nur noch 800 Euro Einkommen. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann seine fortdauernde Leistungsfähigkeit – jedenfalls für einen gewissen Zeitraum – unterstellt werden, wenn er in vorwerfbarer Weise versäumt hat, Rücklagen zu bilden bzw. den Unterhalt durch Kreditaufnahme zu sichern. Bessert sich die Ertragslage nicht alsbald wesentlich, ist die Wiederaufnahme der unselbständigen Arbeit unter Berücksichtigung der objektiven Erwerbschancen zu verlangen.6 Der Grund für die Zurechnung ist dann, dass er in leichtfertiger Weise an einem unrentablen Geschäft festhält, obwohl er bei angestellter Beschäftigung seiner Unterhaltspflicht nachkommen könnte.7
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BGH, FamRZ 2011, 1041 Tz. 36; 1994, 372 ff. BGH, FamRZ 1987, 930 (931). OLG Naumburg, EzFamR aktuell 2000, 357; OLG Düsseldorf, FamRZ 1995, 755. KG, NJW-FER 2001, 119. Zur Nebenerwerbspflicht von Umschülern OLG Dresden, FamRZ 2003, 1206; KG, NJW-FER 2001, 119. 6 BGH, FamRZ 1996, 345. 7 AG Besigheim, FamRZ 2000, 1429.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes – F lebt von ihrem Mann getrennt. In ihrem erlernten Beruf als Schreibkraft findet sie trotz ernsthafter Bemühungen keine Arbeit. In ihrem Haushalt lebt ein volljähriges Kind. Der minderjährige gemeinsame Sohn S, 11 Jahre, wohnt beim Vater. Der Vater klagt den Mindestunterhalt für S ein. F beruft sich auf ihre Leistungsunfähigkeit. Da F wenigstens eine Tätigkeit als Putzfrau zumutbar ist und sich insoweit nicht ausreichend um Arbeit bemüht hat, ist ihr ein fiktives Einkommen auf der Basis von 170 Stunden pro Monat zuzurechnen. Da sie vor längerer Zeit an Krebs erkrankt war, kommt die Zurechnung eines Einkommens aus einer umfänglicheren Tätigkeit nicht in Betracht. Das geschätzte bereinigte Netto beträgt ca. 1 050 Euro, so dass sie mtl. 50 Euro zu zahlen hat. Für die Schätzung des erzielbaren Einkommens kommt es auf die örtliche Arbeitsmarktlage an. In dem Fall kann es sinnvoll sein, für die Schätzung auf den Lohntarifvertrag der Gebäudereiniger-Innung abzustellen.
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Sobald anzuerkennende Gründe für die Einkommenslosigkeit vorliegen, können fiktive Einkünfte nicht mehr unterstellt werden, so z.B. wenn der Verpflichtete wegen Krankheit nicht mehr voll erwerbstätig sein kann oder trotz aller Bemühungen auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar ist. hh) Hausmann-/Hausfraurechtsprechung
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Gibt der Unterhaltspflichtige wegen der Betreuung eigener minderjähriger Kinder aus einer neuen Ehe seine Erwerbstätigkeit auf, ist er dazu zwar nach § 1356 Abs. 1 BGB berechtigt, bleibt aber seinen minderjährigen Kindern aus früherer Ehe zum Unterhalt verpflichtet. Ob und in welcher Höhe die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht kommt, hängt entscheidend davon ab, ob die Rollenwahl unterhaltsrechtlich anzuerkennen ist. Dabei hat der BGH mehrere Kriterien für die Anerkennung benannt1: – Die Aufgabe der Erwerbstätigkeit muss zu einer wesentlich günstigeren Einkommenssituation der neuen Familie führen. – Auch bei günstigerer Einkommenssituation muss das Interesse des Unterhaltspflichtigen und seiner neuen Familie gegenüber dem Interesse an der Beibehaltung der bisherigen Unterhaltssicherung der alten Familie überwiegen. – Der Unterhaltspflichtige hat zumutbare Vorsorgemaßnahmen zur Sicherstellung des Unterhalts der alten Familie getroffen. – Die Kindesbetreuung durch Dritte ist nicht möglich oder teurer als der finanzielle Vorteil durch den Rollenwechsel.
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Ist die Rollenwahl anzuerkennen, ist gleichwohl zu erwarten, dass der Verpflichtete eine Nebentätigkeit ausübt, um zum Unterhalt für die gleichrangig berechtigten Kinder aus erster Ehe beitragen zu können, oder dass er bei auskömmlichem Verdienst des Ehegatten sein Taschengeld (er kann gem. § 1360a BGB etwa 5 %–7 % des Nettoeinkommens seines Ehegatten als Taschengeld beanspruchen)2 für den Minderjährigenunterhalt einsetzt. In jedem Fall ist für die Deckung seines eigenen Lebensbedarfs sein Anspruch auf Familienunterhalt gegenüber seinem Ehegatten zu berücksichtigen (§§ 1360, 1360a BGB), so dass Ne1 BGH, FamRZ 2001, 614 (616). 2 BGH, FamRZ 1998, 608; 86, 668; zur bedingten Pfändbarkeit des Anspruchs vgl. BGH, NJW 2004, 2450. Nach jüngster Rechtsprechung des BGH ist von dem Taschengeld noch ein Betrag von 5–7 %, bezogen auf den Eigenbedarf des Verpflichteten, abzuziehen, BGH, FamRZ 2013, 363 Tz. 49 (zum Elternunterhalt).
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III. Berechnung des Unterhalts
beneinkünfte oder das Taschengeld in voller Höhe für den Kindesunterhalt zu verwenden sind. Die Zurechnung eines fiktiven Einkommens kommt während des Bezugs von 183 Elterngeld bei Anerkennung der Rollenwahl nicht in Betracht (bis zum 31.12.2008 von Erziehungsgeld).1 Bezieht der Verpflichtete Elterngeld, gilt dieses im Verhältnis zu den minderjährigen Kindern nach § 11 Satz 4 BEEG als Einkommen. Das Elterngeld ist für den Kindesunterhalt zu verwenden, soweit es nicht für den eigenen notwendigen Bedarf des Pflichtigen benötigt wird. Die Zurechnung eines fiktiven Einkommens aus einer Nebentätigkeit entfällt, denn es besteht für die Dauer des Bezugs des Elterngeldes keine Pflicht zur Ausübung einer Nebentätigkeit, weil Kinder mindestens bis zum Alter von 2 Jahren eine ständige Betreuung benötigen. Dies gilt selbst dann, wenn der Verpflichtete das Elterngeld für seinen notwendigen Eigenbedarf benötigt und es nicht für den Kindesunterhalt zur Verfügung stellen kann.2 Das OLG Hamm3 verneint darüber hinausgehend eine Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils für die Dauer der ersten drei Lebensjahre des bei ihm lebenden Kindes. Bei beiden Varianten wird anders zu entscheiden sein, wenn der neue Ehegatte oder Lebenspartner bei der Betreuung helfen kann und dies auch zumutbar ist. Nach Beendigung des Bezugs von Elterngeld kommt die Zurechnung eines fikti- 184 ven Einkommens wieder in Betracht, wenn dem Verpflichteten die Aufnahme einer Nebentätigkeit, z.B. in den Abendstunden zumutbar ist. Der neue Ehegatte ist insoweit verpflichtet, ihn für diese Zeit von der Kinderbetreuung zu entlasten. Soweit entsprechende Einkünfte unter dem Selbstbehalt liegen, müssen sie gleichwohl für den Kindesunterhalt zur Verfügung gestellt werden, wenn der Bedarf des Unterhaltspflichtigen durch seinen Anspruch auf Familienunterhalt gegenüber dem neuen Ehegatten gedeckt ist (§§ 1360, 1360a BGB).4 Ist die Rollenwahl nicht hinzunehmen, bemisst sich der Bedarf nach dem fiktiven, früher erzielten Einkommen aus Vollbeschäftigung. Dies gilt auch während des Bezugs von Elterngeld.5 Ist der Unterhaltsschuldner wieder verheiratet und beruft er sich darauf, keine 185 Einkünfte mehr zu haben, weil er seinem neuen Ehegatten oder Lebenspartner den Haushalt führt, ohne dass Kinder zu betreuen sind, sind ihm fiktive Einkünfte aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit zuzurechnen.6 Erlaubt der Gesundheitszustand nicht die Zurechnung von Einkünften aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit, können ein dem haushaltsführenden Ehegatten zustehendes Taschengeld,7 Einkünfte aus einer zumutbaren Teilzeitbeschäftigung oder eine Vergütung für die Versorgung des Lebenspartner fiktiv in Ansatz zu bringen sein. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der eigene Lebens-
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BGH, FamRZ 2006, 1010 ff. m. Anm. Borth. BGH, FamRZ 2006, 1010 ff. mit Anm. Borth, S. 1014. FF 2007, 268 mit Anm. Bömelburg, S. 270 f. BGH, FamRZ 1996, 796 (797); 2001, 617; 2004, 24 f.; 2004, 364 (365) und BGH, FamRZ 2006, 101 f. 5 Zur Zurechnung eines fiktiven Einkommens, wenn die Elterngeld beziehende Mutter ein höheres Einkommen als der Lebensgefährte erzielen könnte, OLG Brandenburg v. 26.9.2013 – 3 WF 101/13, juris = NJW 2014, 1248 m. krit. Anm. Schürmann. 6 BGH, FamRZ 2001, 1065 ff. 7 BGH, FamRZ 1986, 668; zum Elternunterhalt BGH, FamRZ 2013, 538; 2013, 363.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
bedarf des Verpflichteten in der neuen Beziehung gedeckt ist.1 Liegen die Einkünfte aus einer Teilzeitbeschäftigung unter dem Selbstbehalt, sind sie gleichwohl für den Unterhalt zu verwenden, wenn der eigene Unterhaltsbedarf durch das auskömmliche Einkommen des Ehegatten abgedeckt ist.2 186
Beispiele – V nimmt Erziehungsurlaub und betreut seine zwei Kinder aus der neuen Ehe. Er ist zwei Kindern aus früherer Ehe barunterhaltspflichtig. Seine Ehefrau verdient mtl. 3 000 Euro. Obwohl er nur über Einkünfte i.H.v. 800 Euro aus Elterngeld verfügt, muss er seinen zwei Kindern aus der früheren Ehe Unterhalt zahlen, denn er hat einen Anspruch auf Familienunterhalt gegenüber seiner gut verdienenden Ehefrau nach §§ 1360, 1356 Abs. 1 BGB.3 – M ist wieder verheiratet, nicht erwerbstätig und betreut ihr Kind aus zweiter Ehe, das 9 Jahre alt ist. Wenn ihre Kinder aus erster Ehe Barunterhalt verlangen, kann sie sich nicht auf mangelnde Leistungsfähigkeit berufen. Ihr ist eine Nebentätigkeit zumutbar, um den Barunterhalt aufzubringen; für ihren eigenen Unterhalt kommt ihr Ehemann auf.4 – M ist wieder verheiratet, nicht erwerbstätig und führt ihrem Ehemann, der ca. 1 600 Euro verdient, den Haushalt. Sie hat keine Einkünfte. Kinder sind nicht zu betreuen. Ihr Sohn K aus erster Ehe wird von dem Vater betreut, der ebenfalls wieder verheiratet ist und ca. 1 200 Euro verdient. M will keinen Kindesunterhalt zahlen und beruft sich auf mangelnde Leistungsfähigkeit. Dem ist der BGH nicht gefolgt: M ist mindestens zur Aufnahme einer Nebentätigkeit verpflichtet, die Einkünfte daraus sind dann für den Kindesunterhalt zur Verfügung zu stellen. Im Falle der Erwerbsunfähigkeit ist ggf. das Taschengeld für den Kindesunterhalt einzusetzen.5
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Für die Bemessung des geschuldeten Unterhalts war nach der früheren Rechtsprechung des BGH zu beachten, dass die Obergrenze des geschuldeten Unterhalts immer der Betrag ist, den der Verpflichtete schulden würde, wenn er noch einer Vollbeschäftigung nachginge.6 Diese Rechtsprechung hat der BGH dahingehend modifiziert, dass der auf der Grundlage einer fiktiven Vollzeiterwerbstätigkeit errechnete Unterhalt nur einen Mindestbetrag darstellt, der durch das Einkommen aus Nebenerwerbstätigkeit neben der tatsächlich ausgeübten Hausmannrolle überschritten werden kann.7 Erzielt ein unterhaltspflichtiger Hausmann aus einer Nebentätigkeit z.B. 500 Euro und ist sein eigener angemessener Bedarf durch den neuen Ehepartner abgedeckt, hat er dieses Einkommen, bereinigt um berufsbedingte Aufwendungen, für den Kindesunterhaltsbedarf zu verwenden, selbst wenn er bei einer Vollbeschäftigung von 1 200 Euro nur 200 Euro für das Kind hätte zahlen können.8
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Zu den Besonderheiten der Zurechnung fiktiver Einkünfte beim Ehegattenunterhalt s. Kap. E Rz. 108 ff. (Trennungsunterhalt) und Kap. F Rz. 265 ff. (Nacheheunterhalt).
1 BGH, FamRZ 2002, 742. So auch der BGH, FamRZ 1987, 472 (473) zur Haftung der Eltern beim Volljährigenunterhalt. 2 BGH, FamRZ 2002, 742. 3 Nach OLG Frankfurt, FamRZ 1991, 594 mit geänderten Zahlen. 4 OLG Düsseldorf, FamRZ 1991, 973 (974). 5 BGH, FamRZ 2001, 1065 ff. mit Anm. Büttner, 1068. 6 BGH, FamRZ 1987, 472 (474); 1996, 796 (798); BGH, FamRZ 2004, 364 mit Anm. Luthin, S. 365. 7 BGH, Urt. v. 5.10.2006 – XII ZR 197/02, FamRZ 2006, 1827 ff. 8 Büttner/Niepmann, NJW 2007, 2375 (2380).
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III. Berechnung des Unterhalts
ii) Kindergeld – Kinderzulagen – Kinderzuschläge (§ 6a BKGG) Das Kindergeld stellt kein bedarfsbestimmendes Einkommen der Eltern dar.1 Es 189 handelt sich um eine zweckbestimmte Sozialleistung, die seit 1.1.1996 aufgrund des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11.10.19952 dem Familienleistungsausgleich dient, d.h., das Kindergeld soll in Kombination mit einem Steuerfreibetrag für Kinder sowie dem später hinzugekommenen Freibetrag für den Betreuungs- und Ausbildungsbedarf3 Familien mit Kindern fördern und steuerlich entlasten. Der Gesetzgeber hat mit dem UÄndG seit 1.1.2008 den Kindergeldausgleich bei getrennt lebenden Eltern, soweit ein Elternteil Kindesbarunterhalt zu zahlen hat, neu geregelt und vereinfacht. Dabei hat er die Zweckbestimmung des Kindergeldes betont, dass es als staatliche Leistung im wirtschaftlichen Ergebnis für die Existenzsicherung des Kindes zur Verfügung zu stehen habe. Seit 1.1.2008 wird deshalb das Kindergeld bedarfsmindernd von dem Barunterhaltsbedarf des Kindes abgezogen (§ 1612b Abs. 1 BGB). Vgl. zum Kindergeldausgleich bei Minderjährigen Rz. 285 ff.; bei Volljährigen Kap. B Rz. 119 ff. Diese Regelung ist an die Stelle der bis zum 31.12.2007 geltenden, komplizierteren Anrechnung des Kindergeldes nach § 1612b BGB a.F. getreten (vgl. dazu Rz. 289). Zur Höhe des Kindergeldes s. Rz. 275. Kinderzulagen und Kinderzuschüsse, die Eltern neben einer gesetzlichen Rente 190 vom Versicherer oder von einer anderen Institution beziehen und die den Bezug von Kindergeld ausschließen (§ 4 BKGG), sind bis zur Höhe des durch sie verdrängten Kindergeldes wie dieses zu behandeln. D.h. sie sind kein Einkommen der Eltern sondern gemäß § 1612b BGB Einkommen des Kindes und auf seinen Bedarf anzurechnen. Übersteigen die Zulagen oder Zuschüsse die Höhe des Kindergeldes, werden sie in Höhe des überschießenden Betrags dem unterhaltsrelevanten Einkommen des bezugsberechtigten Elternteils zugerechnet. Kinderzuschläge nach § 6a BKGG gelten – wie das Kindergeld – als Einkommen 191 des Kindes (§ 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Alleinstehende und Elternpaare erhalten mtl. bis zu 140 Euro zusätzlich zu dem Kindergeld für ihre unverheirateten, unter 25 Jahre alten Kinder, die in ihrem Haushalt leben, wenn damit verhindert werden kann, dass der bezugsberechtigte Elternteil hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II wird. D.h., die monatlichen Einnahmen der Eltern, bzw. des alleinstehenden Elternteils müssen einerseits über der Mindesteinkommensgrenze liegen, die Voraussetzung für die Gewährung des ALG II ist, andererseits dürfen Einkommen und Vermögen die Höchsteinkommensgrenze nach den §§ 11, 12 SGB II nicht übersteigen. Die Mindesteinkommensgrenze liegt für den alleinstehenden Elternteil bei 600 Euro und für beide Eltern zusammen bei 900 Euro ohne Berücksichtigung von Kindergeld und Wohngeld.4 Zur Mindest- und Höchsteinkommensgrenze s. § 6a Abs. 1 Nr. 2, 4 BKGG. Nach der gesetzgeberischen Zweckbestimmung des Kinderzuschlags ist ein gleichzeitiger Bezug von ALG II/Sozialgeld beziehungsweise Leistungen der Sozialhilfe und Kinderzuschlag nicht möglich. Der Kinderzuschlag wird zusammen mit dem Kinder1 BGH, FamRZ 1997, 806 (809). 2 BGBl. I 1995, S. 1250. 3 Erstes Gesetz zur Familienförderung v. 22.12.1999, BGBl. I, 2552; Zweites Gesetz zur Familienförderung v. 16.8.2001, BGBl. I, 2074. 4 S. zu den aktuellen Werten auch die Informationen der Bundesagentur für Arbeit unter dem Link: http://www.arbeitsagentur.de/nn_26532/zentraler-Content/A09-Kindergeld/ A091-steuerrechtliche-Leistungen/Allgemein/Kinderzuschlag.html.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
geld gezahlt. Die Bewilligung erfolgt jeweils für 6 Monate. Bei dem Zuschlag handelt es sich nicht um eine subsidiäre Sozialleistung, d.h., ein gesetzlicher Forderungsübergang des Kindesunterhaltsanspruchs erfolgt nicht. Der Zuschlag entfällt, wenn das Kind Unterhalt in dieser Höhe bezieht. jj) Renten – Schmerzensgeld 192
Gesetzliche Renten gemäß § 33 SGB VI wegen Alters, verminderter Erwerbsfähigkeit, Todes (Witwen[r]renten), Unfallrenten1 und private Renten einschließlich sämtlicher Zuschläge, die Einkommensersatzfunktion haben, sind im Rahmen aller Unterhaltsrechtsverhältnisse bei den Beteiligten als Einkommen uneingeschränkt zu berücksichtigen. Sofern Kinderzulagen und Kinderzuschüsse gewährt werden, die den Bezug von Kindergeld ausschließen (§ 4 BKGG), sind diese bis zur Höhe des durch sie verdrängten Kindergeldes wie dieses zu behandeln, also gemäß § 1612b BGB auf den Bedarf des Kindes anzurechnen. Im Übrigen werden die Zulagen und Zuschüsse dem unterhaltsrelevanten Einkommen zugerechnet. Besonderheiten gegenüber dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit ergeben sich lediglich daraus, dass der dem Verpflichteten zustehende Eigenbedarf für seinen Unterhalt grundsätzlich geringer ist als bei Erwerbstätigen, da weder ein finanzieller Aufwand für die Erwerbstätigkeit noch ein Anreiz für die Beibehaltung der Erwerbstätigkeit notwendig ist.
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Renten und Sozialleistungen, die wegen eines Körper- oder Gesundheitsschadens gewährt werden, wie Blindengeld, Pflege- und Mehrbedarfsgeld werden wegen der in § 1610a BGB geregelten Vermutung, dass sie kostendeckend geleistet werden, von der Anrechnung als Einkommen ausgenommen; es sei denn, im Unterhaltsstreitverfahren gelingt dem Gegner der Nachweis, dass diese Einkünfte des Unterhaltspflichtigen oder Unterhaltsberechtigten über dem Mehraufwand liegen, den die Behinderung verursacht. Da Folge der gesetzlich geregelten Vermutung der Kostendeckung die Umkehr der objektiven Beweislast ist, obliegt dem Gegner die volle Beweislast für das Gegenteil. § 1610a BGB gilt nicht nur beim Verwandtenunterhalt, sondern auch beim Trennungs- und Nacheheunterhalt (§§ 1361 Abs. 1 Satz 1, 1578a BGB). Zum Pflegegeld s. auch Rz. 71.
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Besonderheiten gelten für Schmerzensgeld, denn trotz seiner Zweckbestimmung, bei dem Geschädigten einen immateriellen Schaden auszugleichen und ihm Genugtuung zu verschaffen, hat ein Elternteil dieses Geld auch für Unterhaltszwecke des Kindes zur Verfügung zu stellen, insbesondere im Rahmen einer gesteigerten Einstandspflicht für den Unterhalt.2 Die Beweiserleichterung des § 1610a BGB ist auf das Schmerzensgeld nicht anwendbar.3 Dies schließt nicht aus, dass z.B. bei fortdauernder körperlicher oder seelischer Beeinträchtigung der Eigenbedarf des Verpflichteten höher sein kann und deshalb angemessen zu erhöhen ist. Hat das minderjährige Kind aufgrund eines Unfalls Schmerzensgeld erhalten, ist die Kapitalsumme einschließlich der Erträge bis zur Volljährigkeit zu erhalten. Eine Anrechnung auf den Bedarf findet nicht statt.4
1 2 3 4
OLG Hamm, FamRZ 2001, 441. BGH, FamRZ 1989, 170. Palandt/Brudermüller, § 1610a BGB Rz. 4. OLG Düsseldorf, FamRZ 1992, 1097; BVerwG, FamRZ 1995, 1348 zu den Anforderungen an den Einsatz bei der Inanspruchnahme von öffentlichen Hilfe.
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III. Berechnung des Unterhalts
Zur Behandlung von Renten und Schmerzensgeld beim Ehegattenunterhalt: vgl. Kap. E Rz. 53 ff., Rz. 60 (Trennungsunterhalt) und Kap. F Rz. 242 (Nacheheunterhalt). kk) Sachbezüge – Pkw-Nutzungsvorteile Einkommenserhöhend werden Ersparnisse des unselbständig Erwerbstätigen be- 195 rücksichtigt, die sich durch Sachbezüge vom Arbeitgeber wie Dienstwohnung, Freifahrten, Verpflegung u.Ä. ergeben. Ebenso stellt die Überlassung eines PKW vom Arbeitgeber einen zu schätzenden wirtschaftlichen Vorteil dar. Bei einer Schätzung des privaten Nutzungswerts eines Firmen-Pkw ist meist ein geldwerter Vorteil bereits im Erwerbseinkommen berücksichtigt. Denn Arbeitgeber rechnen den geldwerten Vorteil häufig nach der sog. 1 %-Methode dem Arbeitslohn hinzu, wobei sich das 1 % auf den inländischen Listenpreis des PKW inkl. Umsatzsteuer bezieht. Hinzugerechnet werden ferner noch 0,03 % des Listenpreises des PKW für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Diese Bewertungsmethode orientiert sich an § 8 II i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG, nach dem diese Beträge dem steuerpflichtigen Bruttoeinkommen hinzugerechnet werden. Mit der Erhöhung des Einkommens des Arbeitnehmers erhöhen sich die von ihm zu zahlenden Steuern. In den Gehaltsbescheinigungen wird der für die Besteuerung aufgeschlagene Betrag dann bei der Berechnung des Nettoeinkommens nicht abzüglich der darauf zu zahlenden Steuern ausgezahlt, sondern wird als Sachbezug ausgewiesen und abgezogen. Die Gerichte erhöhen deshalb häufig das Nettoeinkommen um den geldwerten Vorteil nach der 1 %-Methode abzüglich der dadurch erhöhten Abgaben.1 Ob dieser Schätzbetrag noch zu erhöhen ist, hängt davon ab, welche Kosten der Arbeitgeber für den PKW trägt (Versicherung, Steuer, Benzin, Reparaturen etc.). Üblich ist ebenfalls, für die Schätzung des privaten Nutzungsvorteils die Verwendung von ADAC-Tabellen.2 Unabhängig davon, welche Methode man anwendet, ist immer zu berücksichtigen, dass aufgrund der individuellen wirtschaftlichen Verhältnisse der Schätzwert nicht identisch sein muss mit dem objektiven Nutzungswert oder dem steuerrechtlich bemessenen Gehaltsanteil. Denn es ist immer nur der angemessene Wert ansetzbar, den der Nutzer erspart, weil er von der Anschaffung und Unterhaltung eines eigenen Fahrzeugs absieht, das er nach dem Maßstab seiner Verhältnisse ausgewählt hätte.3 Deshalb kann der Nutzungsvorteil, etwa im Mangelfall, ganz unberücksichtigt bleiben oder z.B. nur den Betrag ausmachen, den der Nutzer für Privatfahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln erspart.4 196
Beispiel V darf einen Firmen-Pkw auch privat nutzen und erzielt ein Einkommen von netto 1 600 Euro. Im Streit ist, ob sein Einkommen um einen Nutzungsvorteil zu erhöhen ist. Er lehnt dies ab und behauptet, er würde sich für die private Nutzung keinen PKW kaufen. Sein Arbeitgeber hat den Nutzungsvorteil mit mtl. 272 Euro brutto dem Einkommen für die Besteuerung hinzugerechnet. Dabei beziehen sich 200 Euro auf den Bruttoanschaf1 Nr. 4 der LL des OLG Koblenz. OLG Hamm, FamRZ 2009, 981 (984). 2 Die Schätzungen liegen bei ca. 150–250 Euro, vgl. z.B. OLG München, FamRZ 1999, 1350; bei gehobenen Einkommensverhältnissen auch deutlich höher, z.B. OLG Düsseldorf, FamRZ 2005, 1772: 403 Euro. 3 OLG Stuttgart, FamRZ 2010, 217 Rz. 23; Langheim, FamRZ 2009, 665 (666 f.) und FPR 2012, 321 ff. mit Beispielen. 4 OLG Hamm, FamFR 2013, 132; OLG Karlsruhe, FamRZ 2006, 1759.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes fungspreis von 20 000 Euro (1 %) und 72 Euro auf die von V täglich zurückgelegte Kilometerzahl (12 × [0,03 % × 20 000]). Bei der Berechnung des Nettoeinkommens ist der Betrag als Sachleistung abgezogen worden. V muss sich die Zurechnung eines privaten Nutzungsvorteils gefallen lassen, denn lässt sich der Verpflichtete darauf ein, einen Teil seines Einkommens in Form von Sachleistungen zu erhalten, sind geldwerte Vorteile zu berücksichtigen. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben es, den privaten Nutzungsvorteil nach Abzug einer geschätzten Mehrbelastung für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge mit ca. 150 Euro zu bemessen.
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Soweit ein selbständiger Unternehmer einen betrieblichen PKW nutzt, wird die Nutzung steuerrechtlich pauschal nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG bewertet, also der Privatanteil – soweit der PKW zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird – mit 1 % des inländischen Bruttolistenpreises des PKW einschließlich Sonderausstattungen als Entnahme aus dem Betriebsvermögen behandelt. Hinzugerechnet werden ferner noch 0,03 % des Listenpreises des PKW für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Diese Entnahmen aus dem Betriebsvermögen werden im Rahmen der Gewinnermittlung als steuerpflichtige Einnahmen behandelt und in die Besteuerung einbezogen. Insoweit ist zu beachten, dass der um Steuern bereinigte Gewinn den Nutzungsvorteil bereits beinhaltet, so dass ein Aufschlag wie beim Arbeitnehmer auf das um den Sachbezug geminderte Nettoeinkommen nicht erforderlich ist.1 ll) Steuererstattungen – Steuernachzahlungen – Ehegattensplittingvorteil
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Steuererstattungen und Steuernachzahlungen werden bei der Berechnung rückständigen Unterhalts einkommenserhöhend oder einkommensmindernd in dem Jahr berücksichtigt, in dem sie geflossen sind. Für die Berechnung zukünftigen Unterhalts kommt eine entsprechende Berücksichtigung von Zu- bzw. Abschlägen nur in Betracht, wenn in Zukunft mit Steuererstattungen und Steuernachzahlungen zu rechnen ist.2 Bei starken Schwankungen kann für die Prognose des zukünftigen Einkommens und der Steuerschuld – auch bei Nichtselbständigen – der Durchschnitt aus mehreren zurückliegenden Jahren berechnet werden. Sind in der Vergangenheit Steuererstattungen geflossen und werden weder aktuelle Bescheide noch Steuererklärungen vorgelegt, darf das Gericht die zu erwartende Steuererstattung unter Berücksichtigung früherer Erstattungen nach § 287 ZPO schätzen.3
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Soweit der Unterhaltspflichtige steuerliche Vorteile aufgrund einer neuen Eheschließung wegen des sog. Ehegattensplittings genießt, sind diese steuerlichen Vorteile zwar nach der Entscheidung des BVerfG vom 7.10.2003 der neuen Ehe vorzubehalten.4 Dies gilt jedoch nicht für den Kindesunterhalt, bei dem für die Bedarfsberechnung und Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen immer auf dessen tatsächlich erzieltes Einkommen einschließlich des auf seinem Einkommen beruhenden Splittingvorteils abzustellen ist, zumal eine andere Handhabung zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung der gleichrangig berechtigten Kinder aus erster und zweiter Ehe führen würde.5 Sind
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OLG Saarbrücken, FamRZ 2010, 235; OLG Düsseldorf, FamFR 2013, 83. BGH, FamRZ 1999, 372 (375). BGH, FamRZ 2003, 860 (863). BVerfG, FamRZ 2003, 1821. BGH, FamRZ 2013, 1563 Tz. 15; 2008, 2189 ff.; OLG Hamm, FamRZ 2004, 1575 (1576); Schürmann, FamRZ 2003, 1825; so auch OLG Köln, FamRZ 2005, 650.
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III. Berechnung des Unterhalts
Kindes- und Nacheheunterhalt gegen den wiederverheirateten Verpflichteten geltend zu machen, erfolgt deshalb die Bedarfsberechnung anhand unterschiedlich hoher Einkommen des Verpflichteten, denn für die Berechnung des Nacheheunterhalts ist von dem Einkommen ohne Splittingvorteil der neuen Ehe auszugehen, so dass fiktiv zu berechnende Steuern nach der Grundtabelle abzuziehen sind. Zur Handhabung beim Nacheheunterhalt, wenn die Ansprüche des früheren und des neuen Ehepartners konkurrieren,1 vgl. Kap. F Rz. 321 ff. mm) Unterhaltsvorschuss, Sozialgeld, BAföG und Ausbildungsbeihilfe Unterhaltsvorschussleistungen, die das Kind bezieht, sind kein unterhaltsrecht- 200 liches Einkommen des Kindes, das seinen Bedarf mindert. Denn Unterhaltsvorschuss ist eine Sozialleistung, die dem Kind nur gewährt wird, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil nicht oder nur teilweise den Mindestunterhalt zahlt. Das Kind hat in dem Fall bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres einen Anspruch auf Zahlung von Unterhalt aus öffentlichen Kassen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG). Der Anspruch besteht in Höhe des Mindestunterhalts nach § 1612a Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB abzüglich des vollen Kindergelds, das i.d.R. der betreuende Elternteil bezieht. Unterhaltsvorschuss wird für die Dauer von längstens 6 Jahren (72 Monate gem. §§ 1, 3 UVG) gewährt. Erhält das Kind Unterhaltsvorschuss, geht der Unterhaltsanspruch in Höhe der gezahlten Sozialleistung auf die Unterhaltsvorschusskasse bzw. den öffentlichen Träger über. Zu den rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Vorschuss im Einzelnen und des Rückgriffs des Leistungsträgers gegenüber dem barunterhaltspflichtigen Elternteil s. Kap. H Rz. 2 ff., Kap. H Rz. 14 ff. Sozialgeld ist ebenfalls kein unterhaltsrechtliches Einkommen, sondern eine 201 subsidiäre Sozialleistung nach § 19 Abs. 1 Satz 2, 20 SGB II für hilfebedürftige Personen, die nicht erwerbsfähig sind und deshalb keinen Anspruch auf ALG II haben, aber mit einem erwerbsfähigen, nach dem SGB II leistungsberechtigten Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft zusammenleben (§ 7 Abs. 3 SGB II). Anspruchsberechtigt sind damit vor allem Kinder, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, denn sie gelten stets als nicht erwerbsfähig, ferner Kinder bis zum 25. Lebensjahr, die nicht erwerbsfähig sind, aber keine Leistungen wegen Erwerbsminderung erhalten und sich auch nicht aus eigenen Einkünften oder Vermögen unterhalten können. Kinder ab Vollendung des 15. Lebensjahres, die erwerbsfähig sind und zu Hause leben, haben Anspruch auf ALG II und nicht auf Sozialgeld. Dies gilt auch, wenn sie Schüler sind und zu Hause leben, denn ab Vollendung des 15. Lebensjahres gelten auch Schüler und Auszubildende als erwerbsfähig. Das Sozialgeld umfasst den Regelbedarf, die Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung sowie die Bedarfe für Bildung und Teilhabe nach § 28 SGB II. Kindergeld oder Unterhaltsleistungen für das Kind werden ausschließlich auf dessen Bedarf angerechnet und gelten nicht als Einnahmen der Bedarfsgemeinschaft (§§ 7 Abs. 3, 9 Abs. 2 SGB II).2 Das Sozialgeld wird nach festen Regelsätzen gewährt, die den Regelbedarfsstu- 202 fen 4–6 des SGB XII entsprechen (Rz. 112 f.). In 2014 betragen diese für 1 BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 47. 2 BSG, FamRZ 2009, 1057 Tz. 25.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
– Kinder im Alter von 0 bis 5 Jahren: 229 Euro, – Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren: 261 Euro, – Kinder ab 14 Jahren: 296 Euro.1 Soweit Kinder noch nicht das 12. Lebensjahr vollendet haben, haben sie daneben einen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, der gegenüber dem Sozialgeld vorrangig ist. Die Vorrangigkeit beinhaltet jedoch nicht die Pflicht, zunächst Vorschuss und ggfs. dann erst ergänzend noch das höhere Sozialgeld zu beantragen, denn der Träger der Grundsicherung ist gehalten, sofort Hilfen zu gewähren (Kap. H Rz. 6 f.). 203
BAföG können Schüler ab der 10. Klasse und Studenten geltend machen, die außerhalb des Elternhauses wohnen. Es gilt als Einkommen des Kindes. Außerdem können Schüler, Auszubildende und Studenten Leistungen aus dem sog. Bildungspaket nach § 28 SGB II beanspruchen. Zu den Besonderheiten des BAföG bei Volljährigen, Kap. B. Rz. 22 f.
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Berufsausbildungsbeihilfe nach §§ 56 ff. SGB III erhalten Auszubildende bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres für eine förderungsfähige berufliche Ausbildung oder berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme, wenn sie bedürftig sind. Es handelt sich um eine subsidiäre Sozialleistung, also nicht um Einkommen des Kindes. Leisten die Eltern trotz Leistungsfähigkeit ihren Unterhaltsbeitrag nicht, wird die Beihilfe gewährt und der Unterhaltsanspruch geht auf die Agentur für Arbeit über (§ 68 SGB III). Zu den Einzelheiten des Rückgriffs öffentlicher Leistungsträger gegen den Unterhaltsschuldner s. Kap. H Rz. 30 ff. nn) Wohnwertvorteil durch mietfreies Wohnen
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Dem Einkommen hinzuzurechnen ist ein Wohnwertvorteil, also der geldwerte Vorteil um den der (Mit-)Eigentümer einer selbst bewohnten Immobilie billiger wohnt als jemand, der Miete zahlen muss. Insoweit handelt es sich um die Zurechnung von fiktivem Einkommen für einen geldwerten Gebrauchsvorteil.2 Zur Klärung der Höhe des zuzurechnenden Wohnvorteils muss der Wohnwert bestimmt werden. Für die Bestimmung des Wohnwerts ist i.d.R. die ortsübliche Marktmiete maßgeblich. Zu den Korrekturmöglichkeiten der Höhe der Miete nach Angemessenheitsgesichtspunkten, wenn es sich um ein früheres Familienheim handelt, vgl. Rz. 209. Dem Wohnwert hinzuzurechnen ist die Eigenheimzulage (§ 8 ff. EigZulG), die unterhaltsrechtlich Einkommen darstellt.3
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Da ein Wohnwertvorteil nur zurechenbar ist, wenn er die mit dem Gebäude oder der Eigentumswohnung verbundenen Kosten übersteigt, sind entstehende Kosten abzugsfähig. Dies gilt allerdings nur mit Einschränkungen: So können von dem Wohnwert nach der seit 2009 geänderten Rechtsprechung des BGH nur solche Aufwendungen des Eigentümers von der ihm fiktiv zur zuzurechnenden
1 § 20 Abs. 5 SGB II i.V.m. der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Abs. 5 SGB II für die Zeit ab 1.1.2014 (RBBek 2014). 2 Graba, FamRZ 2001, 1257, 1259. 3 OLG München, FamRZ 1999, 251.
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III. Berechnung des Unterhalts
Miete abgezogen werden, die nicht auf den Mieter umgelegt werden können.1 Dies sind nach § 1 Abs. 2 BetrKV die Kosten für die Hausverwaltung und des Geldverkehrs sowie die Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten. Alle übrigen Betriebskosten wie z.B. die verbrauchsabhängigen Kosten für Heizung, Wasser, Kosten für Schornsteinfeger, Stadtreinigung, Aufzug, Hausreinigung, Gartenpflege, Beleuchtung, Antennenanlage, Hauswart etc. einschließlich Grundsteuer und Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung sind umlagefähig und damit nicht mehr absetzbar, denn auch ein Mieter wird an ihnen beteiligt. Damit kommt es nicht mehr – wie früher vom BGH vertreten – auf die Unterscheidung nach der Verbrauchsabhängigkeit der Kosten an, die in Rechtsprechung und Literatur immer wieder auf Kritik gestoßen ist. Für abzugsfähige Instandsetzungskosten kann eine Rücklagenbildung anzuerkennen sein, wenn sie mit greifbaren, anstehenden Instandsetzungsarbeiten begründet werden kann. Ebenso sind die mit dem Erwerb des Eigentums verbundenen Kosten abzugsfähig, wobei der Tilgungsanteil der Kreditraten nur unter bestimmten Voraussetzungen abgezogen werden darf. Diese werden unter Rz. 237 behandelt. Der sich nach Abzug der Unkosten ergebende Differenzbetrag ist der anrechen- 207 bare Wohnvorteil, der als Ersparnis das Einkommen des Verpflichteten erhöht.2 Übersteigen die Zins- und ggf. Tilgungsleistungen den Wohnwertvorteil, entfällt eine Vorteilsanrechnung ganz. Inwieweit die Zins- und Tilgungsleistungen, die den Wohnwertvorteil übersteigen, gleichwohl abzugsfähig sind, hängt – wie bei anderen Verbindlichkeiten auch (Rz. 229 ff.) – von einer umfassenden Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und individuellen Interessenabwägung ab, wobei im Grundsatz gilt, dass der Unterhaltsschuldner nicht auf Kosten des Unterhaltsbedürftigen Vermögen bilden darf. Eine Anerkennung kann jedoch unter dem Gesichtspunkt einer ergänzenden Altersvorsorge in Betracht kommen (Rz. 242 f.). Eine Rolle spielt für die Interessenabwägung ebenfalls, ob es sich um ein früheres Familienheim handelt3 (Rz. 209). Maßstab für die Bestimmung des Wohnwerts sind immer die tatsächlichen Ver- 208 hältnisse und nicht ein pauschaler Wert.4 Die teilweise von den Gerichten praktizierte Bemessung in Höhe eines Drittels des Einkommens (sog. Drittelobergrenze) hat der BGH verworfen, da die Bemessung Teil einer umfassenden Angemessenheitsprüfung sei, die bei einer Pauschalisierung zu kurz komme.5 Besonderheiten ergeben sich, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil nach der 209 Trennung vom anderen Elternteil im früheren Familienheim lebt. Insoweit sind die zum Trennungsunterhalt maßgeblichen Grundsätze zur Behandlung des Wohnwertvorteils im Rahmen des Kindesunterhalts anwendbar. Danach ist der Wohnwert in der Trennungszeit für den unterhaltspflichtigen Elternteil, der das Familienheim allein bewohnt, unter Berücksichtigung seines geänderten Wohnbedarfs zu schätzen;6 vgl. dazu auch die Ausführungen unter Kap. E Rz. 143 ff. zum Trennungsunterhalt. Maßgebend ist dann der sog. angemessene Wohnwert, 1 BGH, FamRZ 2014, 538 Tz. 35 f.; 2009, 1300 ff. = FPR 2009, 413 mit Anmerkung Ehinger, S. 418; zu den Grundsätzen der früheren Rspr. vgl. BGH, FamRZ 1986, 48 (49); 1998, 87 (88). 2 BGH, FamRZ 1990, 991; 1995, 869 (870) m.w.N. 3 BGH, NJW-RR 1995, 129; NJW 1984, 1237. 4 BGH, FamRZ 2000, 950. 5 BGH, FamRZ 1998, 899 (902). 6 BGH, FamRZ 1998, 899 (901); FamRZ 2007, 879 (880).
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
der nach den individuellen Verhältnissen zu bestimmen ist. Dafür ist zu klären, welchen Mietzins der Verpflichtete aufzuwenden hätte, wenn er auf dem örtlichen Wohnungsmarkt eine kleinere, seinen jetzigen Bedürfnissen angepasste, jedoch dem ehelichen Lebensstandard entsprechende Wohnung mieten müsste.1 Ansonsten kann die angemessene Miete z.B. unter Hinzuziehung eines für die örtlichen Verhältnisse maßgebenden Mietspiegels geschätzt oder ein Gutachten eingeholt werden. Lebt im Haushalt des Unterhaltspflichtigen noch ein weiteres unterhaltsbedürftiges Kind, so kann dies die anzusetzende Miete erhöhen.2 Nur wenn die Wohnung ausnahmsweise seinem angemessenen Wohnbedarf entspricht, ist der objektiv erzielbare Mietzins anzusetzen. 210
Soweit für das Familienheim Darlehensverbindlichkeiten bestehen, können nicht nur die Darlehenszinsen, sondern auch die Tilgungsraten von dem Wohnwert abgezogen werden.3 Übersteigen die finanziellen Aufwendungen den Wohnwert, können sie ebenfalls vom Einkommen abgezogen werden. Diese für die Trennungszeit entwickelten Grundsätze zur Handhabung des Wohnwertvorteils gelten nicht nur für das erste Trennungsjahr, sondern generell für die Trennungszeit, denn ihnen liegt die Überlegung zugrunde, dass nicht Fakten geschaffen werden sollten, die einer Versöhnung der Ehegatten im Wege stehen sollten. Deshalb besteht auch keine Verpflichtung zur wirtschaftlichen Verwertung des Familienheims. Nur wenn eine Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft nicht mehr zu erwarten ist, etwa wenn ein Scheidungsantrag rechtshängig wird oder die Ehegatten die vermögensrechtlichen Folgen ihrer Ehe abschließend geregelt haben und auch keine besonderen familiären Belange für die Beibehaltung des status quo sprechen, ist auf die objektive Marktmiete abzustellen und nur noch die Zinsbelastung abzugsfähig, wenn das Familienheim im Alleineigentum des Verpflichteten steht. Denn der Unterhaltspflichtige darf kein Vermögen zu Lasten des Unterhaltsberechtigten bilden.4 Beispiel Der Verpflichtete, ein getrennt lebender Vater, hat ein Nettoeinkommen von 2 000 Euro und bewohnt ein Eigenheim mit 150 qm. Der objektive Wohnwertvorteil beträgt 750 Euro. Der unterhaltsrechtlich angemessene Mietkostenanteil beträgt nach seinem Einkommen für eine 60 qm große Wohnung in entsprechender Lage 400 Euro. Seine abzugsfähigen Wohnungskosten betragen 200 Euro. Seinem Einkommen sind 200 Euro als Wohnvorteil hinzuzurechnen.
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Für die Zeit nach der Scheidung der Eltern richtet sich die Bemessung des Wohnwerts in der Regel nach der objektiven Marktmiete.5 Vgl. dazu die Ausführungen unter Kap. F Rz. 300 ff. zum Nacheheunterhalt. Nur ausnahmsweise kann dann noch bei Vorliegen besonderer Gründe auf die angemessene Miete abgestellt werden, wenn der Verpflichtete z.B. das Familienheim mit einem weiteren behinderten gemeinsamen Kind bewohnt. Für den Regelfall gilt ansonsten, dass der Unterhaltspflichtige, der nach der Scheidung ein für ihn zu großes Haus bewohnt, unterhaltsrechtlich verpflichtet ist, nach Abwägung der beiderseitigen Interessen im zumutbaren Rahmen ein zu großes Haus wirtschaftlich angemes1 2 3 4
BGH, FamRZ 2007, 879 Tz. 10, m.w.N. BGH, FamRZ 2013, 191 Tz. 24. BGH, FamRZ 2007, 879 Tz. 21. BGH, FamRZ 2013, 191 Tz. 24; FamRZ 2008, 963 ff. Tz. 15: kein Abzug von Tilgungsraten ab vereinbarter Gütertrennung; 1987, 572 (575); 1998, 87 (88). 5 BGH, FamRZ 2014, 923 Tz. 19.
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III. Berechnung des Unterhalts
sen zu nutzen.1 Zu diesem Zweck kann er gehalten sein, einzelne Räume zu vermieten oder u.U. das ganze Haus zu vermieten und selbst eine weniger kostspielige Wohnung zu beziehen, um die überschüssigen Einnahmen für Unterhaltszwecke einzusetzen. Nach Abwägung der Interessen von Unterhaltsschuldner und -gläubiger kann selbst die Veräußerung in Betracht kommen. Bei Verletzung der Verpflichtung zur wirtschaftlichen Verwertung der Wohnung kann immer nur der auch tatsächlich am Markt erzielbare Preis für die Vermietung eines oder mehrerer Zimmer bzw. der Wohnung angesetzt werden. Bei einer Pflicht zur Veräußerung, der vorwerfbar nicht nachgekommen wird, sind auch fiktive Einkünfte aus Zinserträgen für den erzielbaren Kaufpreis in Betracht zu ziehen. Entsprechende Maßstäbe sind bei dem nicht verheirateten Elternteil anzulegen, der sich von seinem Partner trennt. Für den Elternunterhalt gilt, dass nicht die objektive Miete, sondern nur die angemessene Miete bei dem unterhaltspflichtigen Kind in Ansatz zu bringen ist, Kap. C Rz. 55 f.2 oo) Zweckbestimmte Entgelte Da ausnahmslos alle Einkünfte zu erfassen sind, bedarf es bei allen Arten von 212 Spesen, Auslösungen, Reisekosten, Essensgeldern, Übernachtungsgeldern, Trennungsentschädigungen, Auslandszulagen, Auslandszuschlägen, Aufwandsentschädigungen, Diäten, Ministerialzulagen, Entschädigungen für Schöffentätigkeit, Betreuer- und Pflegervergütungen einer genauen Aufstellung darüber, in welcher Höhe tatsächlich ein Mehraufwand entstanden ist, der mit dem zweckbestimmten Entgelt ausgeglichen werden soll.3 Der den Aufwand übersteigende Betrag ist unterhaltsrelevantes Einkommen. Hier kann eine Schätzung angebracht sein (§ 287 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 FamFG),4 wenn Angaben zum Mehraufwand unvollständig oder zweifelhaft sind, der Umfang der weiteren Aufklärung unverhältnismäßig schwierig ist und in seiner Bedeutung für die Höhe der Unterhaltsforderung in keinem angemessenen Verhältnis steht.5 Soweit mit Spesen und Auslösungen laufende Lebenshaltungskosten gespart wer- 213 den, können dem Einkommen etwa ein Drittel der gezahlten Beträge hinzugerechnet werden. Bei bescheiden bemessenen Pauschbeträgen, z.B. Schöffenentschädigungen, kann der Betrag wegen Geringfügigkeit auch anrechnungsfrei bleiben. Sind die Auslösungen, z.B. bei Auslandsentschädigungen oder Aufwandsentschädigungen eines Abgeordneten, erkennbar höher als der tatsächliche Mehraufwand, ist der Differenzbetrag bei unvollständigen oder zweifelhaften An1 BGH, FamRZ 2014, 923 Tz. 19 f.; 2000, 950 ff. mit Anm. Graba, S. 952 f.; BGH, FamRZ 1984, 358 (360); 1985, 354 (356). 2 BGH, FamRZ 2003, 1179 (1180 f.); 2010, 1535 Tz. 29; 2014, 538 Tz. 33 ff. 3 BGH, FamRZ 1986, 780 zur Aufwandsentschädigung von Abgeordneten; zur Behandlung von Auslandsverwendungszulagen nach § 55 BBesG bei Berufssoldaten als Einkommensbestandteil nach Abzug von auslandsbedingtem Mehrbedarf BGH, FamRZ 1980, 342 Tz. 15 ff.; zu Fahrkosten und Aufwandsentschädigung für doppelte Haushaltsführung BGH, FamRZ 1990, 266 (267); OLG Köln, FamRZ 1991, 940 (941) zum Auslandszuschlag. 4 BGH, FamRZ 1993, 789 (792). 5 Zur Zulässigkeit der Schätzung im Unterhaltsprozess vergleiche BGH, FamRZ 2001, 1603; 1986, 885; 1981, 1165; 1984, 149 (151).
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gaben zum Mehraufwand zu schätzen und dem Einkommen hinzuzurechnen. Werden die Kosten für Dienst- und Geschäftsreisen vom Arbeitgeber steuerfrei ersetzt, entfällt dafür ein Werbungskostenabzug beim Unterhaltsverpflichteten. Auslandszuschläge von Berufssoldaten in Krisengebieten werden, ggf. nach Abzug eines Mehraufwands, in voller Höhe berücksichtigt, wenn es um die Sicherung des Mindestunterhalts von Kindern geht. Ansonsten werden sie in der Rechtsprechung häufig wegen der besonderen Erschwernisse und Gefahren, die der Einsatz mit sich bringt, nur zur Hälfte als Einkommen angerechnet;1 das OLG Hamm berücksichtigt nur ein Drittel.2 Diese Rechtsprechung hat der BGH gebilligt und die Bemessung jeweils abhängig gemacht von den materiellen und immateriellen Erschwernissen des Soldaten, denen er im Einzelfall in seinem Einsatzgebiet ausgesetzt ist. Für den Einsatz in Afghanistan hält er es für vertretbar, dass nur ein Teilbetrag von 1/3 bis 1/2 des Zuschlags beim unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommen berücksichtigt wird.3 Die gleichen Grundsätze gelten im Rahmen des Ehegattenunterhalts.4 e) Zur Vertiefung: Typische Probleme bei der Bereinigung des Einkommens um Aufwendungen und Verbindlichkeiten 214
Nach der Feststellung des unterhaltsrechtlich zurechenbaren Einkommens ist zu klären, welche Teile davon tatsächlich für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehen können und um welche Schuldverpflichtungen oder Aufwendungen des Unterhaltspflichtigen das Einkommen noch zu bereinigen ist. Die Abzugsposten stellen das größte Streitpotential in Unterhaltsstreitverfahren dar, denn letztlich hängt von der Entscheidung, welches Einkommen in die Unterhaltsbedarfsberechnung eingestellt wird, die Höhe des zu zahlenden Unterhalts maßgeblich ab. aa) Abzug berufsbedingter Aufwendungen
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Bei nichtselbständigen Erwerbstätigen können vom bedarfsbestimmenden Einkommen aus Erwerbstätigkeit berufsbedingte Aufwendungen, d.h. Fahrtkosten zur Arbeitsstelle, Berufskleidung, Beiträge zu Berufsverbänden und Gewerkschaften, Fachliteratur und dergleichen, auf konkreten Nachweis abgezogen werden. Grundsätzlich ist von dem Verpflichteten zu erwarten, dass er die kostengünstigeren öffentlichen Verkehrsmittel für Fahrten zur Arbeit in Anspruch nimmt, so dass Kosten für Fahrten mit dem eigenen PKW nur in Ausnahmefällen anerkannt werden. Als Ausnahme käme z.B. in Betracht, wenn bei Schichtarbeiten die Arbeitsstelle nicht oder nur mit einem unverhältnismäßigen Zeitaufwand mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar wäre. Die Fahrtkosten werden dann konkret nach der Formel Tageskilometer × 220 Tage (variabel) × 0,30 Euro 12 Monate 1 OLG Schleswig, FamRZ 2005, 369; BGH, FamRZ 1980, 342 (344). 2 OLG Hamm, NJW-RR 2010, 508 ff., m. Anm. Griesche, FamFR 2010, 83; ebenso OLG Stuttgart, FamRZ 2002, 820. 3 BGH, FamRZ 2012, 1201 Tz. 24 zu den Entscheidungskriterien bei Auslandsverwendungszuschlägen. 4 BGH, FamRZ 2012, 1201 Tz. 24.
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berechnet, wobei der hier angewendete Bewertungsmaßstab § 5 Abs. 2 Nr. 2 JVEG entnommen ist, der weitgehend dem früheren § 9 Abs. 3 Nr. 1 ZSEG entspricht und dessen Anwendung der BGH ausdrücklich gebilligt hat.1 In der Pauschale von 0,30 Euro2 sind sämtliche Kosten für Abnutzung und Anschaffungskosten sowie Unterhaltungs- und Betriebskosten einschließlich Steuern und Versicherung für den PKW mit berücksichtigt.3 Ein gesonderter Abzug von Kreditraten ist daneben nicht möglich.4 Die meisten Leitlinien orientieren sich an den Werten des JVEG, machen aber teilweise Abschläge wegen privater Nutzungsvorteile und bei langen Fahrstrecken. Bei einer mehr als 30 Kilometer betragenden einfachen Fahrstrecke zwischen Heim und Arbeitsstelle hält das OLG Hamm es für angemessen, die Kilometerpauschale auf 0,20 Euro herabzusetzen, das OLG Frankfurt auf die Hälfte.5 Bei hohen Fahrtkosten, die nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zur Höhe des Einkommens stehen, stellt sich die Frage, ob nicht ein Wohnortwechsel zumutbar wäre. Bei der Angemessenheitsprüfung sind das Maß der Einstandspflicht für den Unterhalt und die Gründe für die weiten Entfernungen gegeneinander abzuwägen. Das OLG Köln hat erhöhte Fahrtkosten, die dem Unterhaltspflichtigen wegen des Umzugs zur neuen Lebensgefährtin entstanden sind, im Rahmen von Kindes- und Trennungsunterhaltsansprüchen nicht anerkannt, da Gründe, die gegen einen Wohnortswechsel in die Nähe der Arbeitsstelle sprechen, nicht plausibel begründet wurden.6 Berufsbedingte Aufwendungen werden meist durch Abzug einer Pauschale be- 216 rücksichtigt. In den Leitlinien der OLG finden sich unter Ziff. 10.2 Angaben dazu, ob ein konkreter Nachweis für die Berücksichtigung erforderlich ist oder ob eine Pauschale abgezogen wird. Werden berufsbedingte Aufwendungen pauschal berücksichtigt, ist ein Abzug i.H.v. 5 % von dem um Steuern und Sozialabgaben bereinigten Einkommen aus Erwerbstätigkeit, teilweise mit Mindest- und Höchstsätzen von zzt. ca. 50 Euro / 150 Euro, üblich. Bei Teilzeitarbeit kann eine Kürzung der Pauschale in Betracht kommen. Das OLG Braunschweig empfiehlt z.B. bei Einkommen bis zu 500 Euro einen pauschalen Abzug von 25 Euro (Nr. 10.2.1 der LL). In den Leitlinien der OLG der neuen Bundesländer ist meist wegen knapperer Geldmittel ein pauschaler Abzug der berufsbedingten Aufwendungen nicht vorgesehen. Berufsbedingte Aufwendungen werden nicht abgezogen von Arbeitslosengeld, Renteneinkünften, Einkünften aus Kapital und Vermietung und Verpachtung. Werden berufsbedingte Aufwendungen bestritten, muss der Verpflichtete sie 217 beweisen. Ist die Höhe streitig, kann das Gericht bei ausreichend konkreten Angaben eine Schätzung nach § 287 ZPO vornehmen, insbesondere, wenn der Aufwand zur Klärung der Beweisfrage durch Beweiserhebung in keinem angemessenen Verhältnis zu den Auswirkungen auf die Höhe des Unterhalts steht.7
1 BGH, FamRZ 2006, 846 (847); 1998, 1501 (1502) (zu § 9 ZSEG). 2 Diese gilt nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 JVEG für Sachverständige, für Zeugen beträgt sie 0,25 Euro gem. § 5 Abs. 2 Nr. 1 JVEG. 3 Welche Werte das zuständige OLG anwendet, sollte den Leitlinien entnommen werden, vgl. dazu jeweils Nr. 10.2.2. 4 OLG Hamm, OLGR 2001, 128; OLG Hamm, FamRZ 2000, 1367. 5 S. jeweils Nr. 10.2.2 der LL. 6 OLG Köln, FamRZ 2006, 1760. 7 BGH, FamRZ 2006, 108 (110).
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Praxishinweis: Es empfiehlt sich, die Leitlinien des zuständigen OLG für die Berechnung heranzuziehen. Bei engen finanziellen Verhältnissen kann es besser sein, der Annahme einer Pauschale zu widersprechen und auf dem Nachweis berufsbedingter Aufwendungen zu bestehen. In den neuen Bundesländern ist ein pauschaler Abzug meist nicht üblich. Hat der Unterhaltsberechtigte oder -verpflichtete nicht nur Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, ist darauf zu achten, dass die Pauschale nur für das Einkommen aus Erwerbstätigkeit gebildet und abgezogen wird.
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Auch bei Auszubildenden können entweder konkrete Aufwendungen oder eine Pauschale abgezogen werden. Allerdings wird bei Auszubildenden der Abzug einer Pauschale in den Leitlinien nicht einheitlich anerkannt (s. dazu jeweils Nr. 10.2.3 und 13.2 der LL).
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Arbeitslose und längerfristig erkrankte Arbeitnehmer können keinen pauschalen Abzug beanspruchen. Entstehen für den arbeitslosen Verpflichteten Kosten bei der Arbeitssuche, sind diese bei Nachweis abzugsfähig. Werden neben dem Bezug von Arbeitslosengeld oder ALG II Einkünfte aus einer Nebentätigkeit erzielt, sollten berufsbedingte Aufwendungen wegen der meist eingeschränkten Leistungsfähigkeit nur bei konkretem Nachweis berücksichtigt werden.
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Bei Selbständigen werden berufsbedingte Aufwendungen nicht abgezogen; denn diese werden bereits bei den Betriebsausgaben bei der Gewinnermittlung im Rahmen der Gewinn- und Verlustrechnung/Einnahmen-Überschussrechnung berücksichtigt. Der Gewinn stellt i.d.R. für die Unterhaltsberechnung das zu versteuernde Einkommen dar. bb) Abzug von Betreuungskosten und krankheitsbedingtem Mehrbedarf
221
Das Nettoeinkommen kann ferner um Mehraufwendungen bei Krankheiten des Verpflichteten und Betreuungskosten, die für andere minderjährige Kinder des Unterhaltsschuldners in seinem Haushalt z.B. den Besuch einer Ganztagsschule oder die Beaufsichtigung während seiner berufsbedingten Abwesenheit anfallen, gemindert werden.1 Bei Betreuungskosten handelt es sich um konkrete berufsbedingte Aufwendungen, die in den Leitlinien jeweils unter Ziff. 10.3 gesondert aufgeführt sind. Sie können neben der Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen berücksichtigt werden. Dazu gehören i.d.R. nicht Kindergartenkosten, denn insoweit handelt es sich um Mehrbedarf des jeweiligen Kindes, s. Rz. 296. cc) Betreuungsbonus und Erwerbstätigenbonus
222
Der Betreuungsbonus ist von der Rechtsprechung als Abzugsposten im Rahmen der Unterhaltsrechtsverhältnisse zwischen getrennt lebenden und geschiedenen Ehegatten entwickelt worden, wenn die Betreuung von gemeinsamen Kindern zwar ohne besondere Kosten, aber nur unter besonderen Erschwernissen neben der Erwerbstätigkeit erfolgt. Ob ihm noch eine eigenständige dogmatische Bedeutung zukommt, nachdem der BGH besondere Erschwernisse bei der Ausübung einer Erwerbstätigkeit neben der Kinderbetreuung mit den Grundsätzen der unzumutbaren Erwerbstätigkeit löst, ist noch nicht eindeutig geklärt, s. da-
1 BGH, FamRZ 1991, 182 f.
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III. Berechnung des Unterhalts
zu Kap. E Rz. 97.1 Im Rechtsverhältnis gegenüber dem minderjährigen Kind spielt er i.d.R. keine Rolle, denn dem Verpflichteten obliegt gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB eine gesteigerte Unterhaltspflicht, die zur Folge hat, dass alle verfügbaren Mittel für den Kindesunterhalt zur Verfügung zu stellen und gleichrangig berechtigte Kinder gleichmäßig mit Unterhalt zu versorgen sind. Der Abzug eines Erwerbstätigenbonus, wie er bei der Bedarfsberechnung im 223 Ehegattenunterhalt üblich ist, kommt beim Einkommen des Unterhaltsschuldners im Unterhaltsrechtsverhältnis Eltern – Kind nicht in Betracht. Dem Gedanken des Arbeitsanreizes, der dem Erwerbstätigenbonus zugrunde liegt, ist beim Kindesunterhaltsrechtsverhältnis dadurch Rechnung getragen, dass dem erwerbstätigen Unterhaltsschuldner ein höherer Eigenbedarf zugestanden wird als dem nichterwerbstätigen Schuldner (s. Rz. 47), wie dies auch bei der Bedürftigkeitsprüfung im Sozialhilferecht und VKH-Verfahren üblich ist. Unabhängig davon können berufsbedingte Aufwendungen extra geltend gemacht und vom Einkommen abgezogen werden. Zum Abzug des Erwerbstätigenbonus beim Trennungs- und Nacheheunterhalt s. Kap. E Rz. 17 f. dd) Umgangskosten Vom bedarfsbestimmenden Einkommen des Pflichtigen können Kosten, die ihm 224 im Zusammenhang mit der Ausübung des Umgangsrechts entstehen, wie z.B. Lebensmittel, Kinokarten etc. im Allgemeinen nicht abgezogen werden, denn es handelt sich insoweit um Kosten der allgemeinen Lebensführung.2 Fallen jedoch z.B. hohe Fahrtkosten an, die unumgänglich zur Durchführung des Umgangs entstehen, und verbleiben dem Verpflichteten nach Abzug des Unterhalts keine ausreichenden Mittel über seinen Eigenbedarf hinaus, um die Fahrtkosten zu bezahlen, können diese im Rahmen der Unterhaltsberechnung vorab einkommensmindernd abgezogen werden.3 Denn das Unterhaltsrecht darf dem Unterhaltspflichtigen nicht die Möglichkeit nehmen, sein Umgangsrecht zur Erhaltung der Eltern-Kind-Beziehung auszuüben (Art. 6 Abs. 2 GG).4 Jedoch können hohe Fahrtkosten dann nicht mindernd berücksichtigt werden, wenn sie erst durch einen Umzug zur neuen Lebensgefährtin entstanden sind und deshalb der Mindestunterhalt nicht gezahlt werden kann.5 Für die Berechnung von Unterhalt bis zum 31.12.2007 war noch vorrangig zu prüfen, ob der Verpflichtete die Umgangskosten aus dem auf ihn entfallenden Kindergeldanteil bestreiten konnte, soweit ihm insoweit unter Berücksichtigung der Verrechnungsregelung des § 1612b Abs. 5 a.F. BGB noch Mittel zur Verfügung standen, denn das Kindergeld galt unterhaltsrechtlich zwar nicht als sein Einkommen, stand ihm aber zur Erleichte1 BGH, FamRZ 2013, 109 Tz. 27; 2010, 1050 Tz. 37; 1982, 779 (780); FamRZ 1983, 569 (570); 1986, 790 (791); zu § 1615l BGB BGH, FamRZ 2005, 442 (444). 2 BGH, FamRZ 2014, 917 Tz. 39 = FamRB 2014, 204–205. 3 BGH, FamRZ 2005, 706 (708); OLG Brandenburg, FamRZ 2013, 1137; s. dazu Nr. 10.7 der LL. Zur Berücksichtigung beim Ehegattenunterhalt BGH FamRZ 2009, 1300 (1306); 2007, 193 ff. 4 Der BGH hat in FamRZ 2005, 706 (708) seine frühere restriktive Rechtsprechung zur Abzugsfähigkeit der Kosten (FamRZ 1995, 215) nach der Reform des Kindschaftsrechts (1.7.1998) geändert, auch im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Bedeutung des Umgangsrechts (BVerfG, FamRZ 2002, S. 809; 2003, 1377) und nachdem sie auf Kritik gestoßen war, vgl. z.B. die Anm. Weychardt, FamRZ 1995, S. 539. 5 OLG Saarbrücken, FamRZ 2012, 797 (LS); OLG Köln, FamRZ 2006, 1760.
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rung seiner Unterhaltspflicht zu.1 Seit 1.1.2008 wird das Kindergeld gem. § 1612b BGB als zweckgebundene Leistung für den Bedarf des Kindes behandelt, auf das es auch einen Anspruch hat, und deshalb vom zu zahlenden Tabellenunterhalt anteilig vorab abgezogen.2 Daraus folgt, dass die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nicht unter Berücksichtigung des Tabellenunterhalts, sondern des Zahlbetrags, d.h. des Tabellenbetrags abzüglich des halben Kindergelds zu prüfen ist.3 Der Unterhaltspflichtige muss die Umgangskosten aus dem ihm verbleibenden Einkommen bestreiten. Ein einkommensmindernder Vorabzug findet bei ausreichenden eigenen Mitteln nicht statt, möglich ist jedoch bei außergewöhnlich hohen Fahrt- und Unterbringungskosten eine Herabstufung des Tabellenunterhalts.4 Sind keine oder nicht ausreichende, über dem notwendigen Eigenbedarf liegende Mittel vorhanden, kann entweder der Selbstbehalt um die notwendigen Kosten erhöht oder das anrechenbare Einkommen entsprechend gekürzt werden.5 Bei beiden Varianten wird das Kind durch Kürzung seines Unterhalts an den Umgangskosten beteiligt. Deshalb sind die Anforderungen an die Angemessenheit der Kosten streng. Von dem Verpflichteten sind – jedenfalls bei engen Verhältnissen – kostengünstige Fahrgelegenheiten wahrzunehmen, deren Inanspruchnahme bei der Berechnung auch fiktiv unterstellt werden können.6 Zweifelhaft ist, ob durch hohe Umgangskosten der Mindestunterhalt vollständig entfallen darf.7 Dies wird man ablehnen müssen, denn insoweit wiegt der Anspruch des Kindes auf existenzsichernden Mindestunterhalt schwerer als das Umgangsrecht. Allerdings wird die Entscheidung auch von den finanziellen Verhältnissen des betreuenden Elternteils abhängen, der sich ggfs. an den Kosten zu beteiligen hat. In dem Zusammenhang ist überdies zu gewärtigen, dass der Unterhaltspflichtige zur Finanzierung des Umgangs öffentliche Hilfen in Anspruch nehmen kann. 225
Bezieht der Verpflichtete ALG II oder ist er aus anderen Gründen in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt, kann ein Anspruch auf Erstattung notwendiger Fahrtkosten zur Durchführung des Umgangs als Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II in Betracht kommen, was auch gilt, wenn die Kosten bei den Kindern entstehen. Insoweit besteht ein Antragsrecht nach § 38 Abs. 2 SGB II. Danach soll das Kind zwar dem Haushalt des Antragstellers angehören, was beim umgangsberechtigten Elternteil i.d.R. nicht gegeben ist. Die Rechtsprechung behilft sich jedoch, indem sie davon ausgeht, dass der umgangsberechtigte Elternteil und das Kind für die Zeit der Umgangskontakte eine Bedarfsgemeinschaft bilden, wenn sie länger als zwölf Stunden zusammen sind.8 Entsprechendes gilt nach der Rechtsprechung des BSG beim Bezug von Sozialhilfe.9 Danach müssen 1 2 3 4 5 6 7 8 9
BGH, NJW 2005, 1493 (1495); OLG Bamberg, FamRZ 1987, 1265 (1295). BT-Drucks. 16/1830, S. 30. BGH, FamRZ 2009, 1477 Tz. 24 und 29. BGH, FamRZ 2009, 1477 Tz. 22, 23; 2009, 1300 Tz. 50. BGH, FamRZ 2014, 917 Tz. 35 = FamRB 2014, 204. BGH, FamRZ 2009, 1391 Tz. 41; s. auch Liceni-Kierstein, FamRB 2012, 347 (348 f.); OLG Jena, FamRZ 2010, 2079 zu einmal im Monat anfallenden Fahrkosten. Das OLG Brandenburg, FamRZ 2013, 1137 zieht anstelle von PKW-Kosten kostengünstige 60 Euro mtl. für die Nutzung öff. Verkehrsmittel ab. So das OLG Bremen, FamRZ 2008, 1274, a.A. Liceni-Kierstein, FamRB 2012, 347 (349). BSG, FamRZ 2009, 1997: „Eine temporäre Bedarfsgemeinschaft besteht in der Regel für jeden Tag, an dem der Hilfebedürftige sich länger als zwölf Stunden in dieser Bedarfsgemeinschaft aufhält.“ Zum Umfang der Sozialhilfeleistungen zur Ermöglichung des Umgangsrechts, BVerfG, FamRZ 1995, 86 ff. Zur Übernahme von Fahrt- und Umgangskosten im Rahmen der Sozialhilfe: BSG, FamRZ 2007, 465 (467f).
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sich die vom Sozialleistungsträger zu übernehmenden Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts in einem Bereich bewegen, der den Einsatz öffentlicher Mittel noch rechtfertigt, d.h. außergewöhnlich hohe Kosten werden nicht übernommen. Der Grundgedanke ist, dass über Sozialleistungen keine unbeschränkte Sozialisierung von Scheidungsfolgekosten möglich sein soll. An dieser Vorgabe des BSG orientiert sich die Rechtsprechung der Sozialgerichte.1 Anspruch auf Erstattung der Kosten besteht auch, wenn der Elternteil am Wohnort des Kindes eine Unterkunft benötigt oder für die Übernachtungen des Kindes einen erhöhten Wohnbedarf hat. Eine Beteiligung des anderen Elternteils an den Umgangskosten kann ebenfalls 226 in Betracht kommen, wenn der Verpflichtete diese nicht aufbringen kann, der andere über ein auskömmliches Einkommen verfügt und das Umgangsrecht anderenfalls leerlaufen würde.2 Entstehen die Umgangskosten beim Kind für die Ausübung des Umgangs mit 227 dem Pflichtigen, dann handelt es sich bei regelmäßig anfallenden Kosten um Mehrbedarf des Kindes, für den beide Eltern nach § 1606 Abs. 3 BGB anteilig aufzukommen haben (Rz. 294 ff.). Längere Ferienaufenthalte des Kindes beim barunterhaltspflichtigen Elternteil, 228 die für diesen mit Kosten für die Beköstigung des Kindes verbunden sind, haben keinen Einfluss auf die laufende Unterhaltsrente, d.h., der Verpflichtete ist nicht zum Einbehalt der Unterhaltsrente für diesen Zeitraum berechtigt.3 Zur Berücksichtigung von Umgangskosten im Rahmen des Ehegattenunterhalts s. Kap. E Rz. 121 ff. und Kap. F Rz. 313. ee) Verbindlichkeiten Ob Schulden einkommensmindernd vorab zu berücksichtigen sind, also vom 229 Nettoeinkommen vor der Unterhaltsberechnung abgezogen werden, ist in der Praxis häufig Anlass zum Streit; denn bei einem Vorabzug von Kreditraten kann sich der Unterhaltsanspruch so verringern, dass dadurch eine andere Gehaltsgruppe in der Tabelle für die Bestimmung des Unterhalts in Betracht kommt. Da zwischen Unterhaltsschulden und sonstigen Schulden keine gesetzlich geregelte Rangfolge für deren Befriedigung besteht (§ 1603 Abs. 1 BGB),4 ist in jedem Einzelfall unter umfassender Abwägung der beiderseitigen Interessen5 und auch unter Beachtung des Umstandes, ob der Mindestbedarf des Kindes gesichert ist, zu prüfen, ob und welche Schulden vom bedarfsbestimmenden Einkommen vor der Unterhaltsberechnung als berücksichtigungswürdig abgezogen werden können und welche Möglichkeiten bestehen, die Leistungsfähigkeit wieder herzustellen.6 Für diese Prüfung hat die Rechtsprechung eine Reihe von Kriterien entwickelt.7 1 Z.B. LSG Rheinland-Pfalz, FamRZ 2012, 1836; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 11.5.2012 – L 15 AS 341/11 B ER, juris jeweils unter Bezugnahme auf BSG, FamRZ 2007, 465 ff. 2 BVerfG, FamRZ 2002, 809. 3 BGH, DAVorm 1995, 370. 4 BGH, FamRZ 1984, 657 (658); 1986, 254; OLG Bamberg, FamRZ 1995, 566 ff. 5 BGH, FamRZ 1982, 157 (158); 1990, 266 (267). 6 BGH, FamRZ 1986, 254 (257); 1990, 266 (267). 7 BGH, FamRZ 1996, 160 ff.; 1982, 157; 1992, 797 jeweils m.w.N.
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Maßgebend für die Berücksichtigungswürdigkeit von Schulden sind: – Zeitpunkt und Art der Entstehung der Schulden, – Zweck der Eingehung der Verbindlichkeiten, – Dringlichkeit der Bedürfnisse von Verpflichtetem und Berechtigten, – Kenntnis von der Unterhaltsverpflichtung bei Eingehung der Verbindlichkeit, – schutzwürdiges Interesse des Drittgläubigers, – Möglichkeiten, einen neuen Schuldentilgungsplan zu entwickeln. Eine Berücksichtigung entfällt immer dann, wenn der Verpflichtete die Verbindlichkeit mit dem Ziel der Unterhaltsumgehung oder leichtfertig für luxuriöse Zwecke oder ohne verständigen Grund eingegangen ist.1
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Die Darlegungs- und Beweislast für die Berücksichtigungswürdigkeit von Verbindlichkeiten trägt der Schuldner.2
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Zins- und Tilgungsraten auf Darlehen, die die Eltern noch während des Zusammenlebens in Übereinstimmung aufgenommen haben – ehebedingte Schulden –, sind i.d.R. vom Nettoeinkommen abzuziehen.3 Sie haben die Familienverhältnisse – und damit den Bedarf des Kindes auch schon vor der Trennung – geprägt und sind Folge der wirtschaftlichen Unselbständigkeit und Abhängigkeit des Kindes von den Einkommensverhältnissen der Eltern.4 Die Raten können aber nur abgezogen werden, wenn sie vom Schuldner auch tatsächlich bezahlt werden. Besteht ein Titel über die Verbindlichkeit, wird es auf den Nachweis der Tilgung nicht ankommen. Bei hoher Verschuldung muss der Verpflichtete sich um eine Tilgungsstreckung bemühen, sofern ansonsten die Unterhaltszahlungen für das Kind nicht mehr ausreichend erbracht werden können. Dabei kann im Verhältnis des Unterhaltspflichtigen zum minderjährigen Kind ein strengerer Maßstab anzuwenden sein als zu dem unterhaltsberechtigten Ehegatten,5 denn bei minderjährigen Kindern scheidet von vornherein die Möglichkeit aus, durch eigene Anstrengungen zur Sicherung ihres notwendigen Bedarfs beizutragen. Nach den gleichen Kriterien sind auch Schulden, die erst nach der Trennung der Eltern entstanden sind, zu behandeln; denn anders als im Ehegattenunterhaltsrecht hängt die Bedarfsbestimmung für das Kind nicht von den prägenden ehelichen Lebensverhältnissen beider Eltern, sondern nur von der Lebensstellung des barunterhaltspflichtigen Elternteils ab. Deshalb hat es teil an der sich verändernden wirtschaftlichen Entwicklung der Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen, und die Bedarfsbestimmung bleibt nicht etwa festgelegt auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Trennung oder Scheidung.6
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Schulden werden i.d.R. dann nicht mehr berücksichtigt, wenn dadurch der Mindestunterhalt für das Kind nicht mehr gezahlt werden kann; denn der Schuldner muss bei der Eingehung von Verbindlichkeiten auf bestehende Unterhaltspflichten Rücksicht nehmen. Eine Berücksichtigung ist ausnahmsweise dann mög-
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BGH, FamRZ 1990, 283; 1984, 358 (360). BGH, FamRZ 1990, 283 ff. BGH, FamRZ 1989, 159; 1985, 911. BGH, FamRZ 1996, 160. BGH, FamRZ 1984, 657 (659). BGH, FamRZ 2008, 2189 (2190); 1996, 161.
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III. Berechnung des Unterhalts
lich, wenn eine durch Zinsen ständig wachsende Verschuldung droht.1 Liegt ein solcher Ausnahmefall vor, kann auch eine Mithaftung des betreuenden Elternteils für den Barbedarf in Betracht kommen (Rz. 50 ff.), insbesondere dann, wenn er während des Zusammenlebens der Kreditaufnahme zugestimmt hat.2 Beispiel V erzielt ein Durchschnittsnettoeinkommen von mtl. 2 000 Euro. Er benutzt öffentliche Verkehrsmittel, um zur Arbeit zu kommen, und hat nach der Trennung einen Kredit mit mtl. Raten i.H.v. 150 Euro für eine neue Wohnungseinrichtung sowie für einen PKW mit mtl. Raten i.H.v. 200 Euro aufgenommen. Er war sich mit seiner Frau M einig, dass ihr und dem Kind der Hausrat verbleiben sollte. Ferner zahlt er mtl. 100 Euro für einen ehebedingten Kredit. Sein bedarfsbestimmendes Einkommen wird wie folgt berechnet: Nettoeinkommen 5 % berufsbedingte Aufwendungen ehebedingter Kredit Kredit für Wohnungseinrichtung Summe
2 000 Euro 100 Euro 100 Euro 150 Euro 1 650 Euro
Wegen der Einigung der Eltern über den Hausrat wird die Kreditrate für die Einrichtung abgezogen. Nicht abzugsfähig ist die PKW-Rate, zumal V das Fahrzeug nicht für die Fahrt zur Arbeit braucht.
Über die Berücksichtigungswürdigkeit von Schulden ist jeweils nach umfassen- 234 der Interessenabwägung zu entscheiden.3 Bei hoher Verschuldung des Unterhaltspflichtigen ist von ihm zu erwarten, dass er einen vernünftigen Tilgungsplan erstellt, der auch den Unterhaltsinteressen seines Kindes Rechnung trägt.4Bei drohender oder bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit kann zur Sicherung des Unterhalts minderjähriger und ihnen gleichgestellter privilegierter volljähriger Kinder die Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens geboten sein (vgl. auch Rz. 44, 235).5 Da Unterhaltsansprüche nach materiellem Recht gleichrangig mit anderen Schuldverpflichtungen sind, ergibt sich im Insolvenzverfahren wegen der Pfändungsfreibeträge des § 850c Abs. 1 ZPO und des vorrangigen Pfändungszugriffs des Unterhaltsgläubigers (§ 850d ZPO) gegenüber anderen Gläubigern der Vorteil einer bevorzugten Befriedigung und Sicherung des Unterhalts. Zur Höhe der Pfändungsfreibeträge, vgl. Kap. M Rz. 198 ff., 212 ff. Insbesondere kann nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, durch das der Vorrang von laufenden Unterhaltschulden gegenüber sonstigen Drittschulden begründet wird, der Tabellenunterhalt nach dem Einkommen des Verpflichten ohne Berücksichtigung von Drittschulden bestimmt werden;6 s. dazu auch Kap. M Rz. 220 ff. Ob aus besonderen Gründen die Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens für den Verpflichteten unzumutbar ist, ist von ihm geltend zu machen und bleibt der Einzelfallprüfung vorbehalten.7
1 BGH, FamRZ 1986, 254 (256). 2 BGH, FamRZ 1986, 254 (256). 3 BGH, FamRZ 2002, 536 (540); BGH v. 19.3.2014 – XII ZB 367/12 – Tz. 26 m.w.N. = FamRZ 2014, 923 Tz. 26 = FamRB 2014, 203. 4 BGH, FamRZ 1982, 23 ff. 5 BGH, FamRZ 2005, 608; Janlewing, FamRB 2011, 19 ff. 6 So BGH, FamRZ 2005, 608 (609) (III 1.b). Zur Bemessung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens Selbständiger BGH, FamRZ 2008, 137 Tz. 26 ff. Zur Behandlung von Unterhaltsschulden in Insolvenzverfahren Janlewing, FamRB 2011, 19 ff.; speziell bei Unterhaltsschulden Selbständiger, Janlewing, FPR 2012, 163 ff. 7 Zu den Voraussetzungen eingehend Lambert, FamRZ 2005, 1725 ff.
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Praxishinweis: Der bevorzugte Zugriff auf das Einkommen des Verpflichteten ist nur wegen des laufenden Unterhalts möglich. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehende Unterhaltsrückstände können nicht bevorrechtigt vollstreckt werden, denn insoweit handelt es sich um Insolvenzforderungen, die im Rahmen des Insolvenzverfahrens eingebracht werden müssen. Deshalb wird ein Unterhaltsverfahren nur wegen der Unterhaltsrückstände kraft Gesetzes unterbrochen (§ 240 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 FamFG), nicht aber wegen des laufenden Unterhalts.1 Wegen Unterhalts für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens2 führt das Gericht das Unterhaltsverfahren weiter, denn Ansprüche auf laufenden Unterhalt gehören gemäß § 40 InsO (Insolvenzordnung) nicht zu den Insolvenzforderungen. Sie können unabhängig vom Insolvenzverfahren erstritten und es kann während dieses Verfahrens in das nicht zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Schuldners vollstreckt werden. Denn nach § 89 Abs. 1 InsO ist der Vollstreckungszugriff nur für Insolvenzgläubiger unzulässig, hingegen die Zwangsvollstreckung wegen eines Unterhaltsanspruchs in den unpfändbaren Teil der Bezüge gem. § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO ausdrücklich zulässig. Die Zwangsvollstreckung von Unterhaltstiteln richtet sich nach den Vorschriften der ZPO (§§ 120 Abs. 1 FamFG).
Schulden, die beim bedarfsbestimmenden Einkommen nicht berücksichtigt werden, können noch einmal eine Rolle bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und der abschließenden Angemessenheitsprüfung der Unterhaltsbelastung spielen. Der mithilfe der Tabelle ermittelte Unterhalt ist stets auf seine Angemessenheit zu überprüfen.3 Besonderheiten gelten für die Berücksichtigungswürdigkeit von Schulden aufgrund unterschiedlicher Anforderungen an die Einstandspflicht für den Unterhalt beim Trennungsunterhalt (Kap. E Rz. 149 ff.), beim Geschiedenenunterhalt (Kap. F Rz. 309 ff.) und beim Elternunterhalt Kap. C Rz. 54 ff.). ff) Verbindlichkeiten für das Wohnen im eigenen Heim und für Vermögensbildung
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Verbindlichkeiten und Belastungen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Erhaltung eines Eigenheims bestehen, können vom aktuellen Einkommen des Unterhaltspflichtigen abgezogen werden, wenn die Unterhaltsberechtigten in dem Eigenheim wohnen. Dies gilt sowohl für die Zins- und Tilgungsleistungen.4 Bewohnt der Unterhaltspflichtige das Familienheim allein, weil die Kinder mit dem anderen Elternteil ausgezogen sind, können die Belastungen jedenfalls in der Trennungszeit für das Heim in voller Höhe abgezogen werden. Dabei muss sich der Verpflichtete einkommenserhöhend einen seinen bisherigen Einkommensverhältnissen und Wohnbedürfnissen angepassten Wohnwertvorteil anrechnen lassen (s. Rz. 209 ff.).5 Kann von einem Scheitern der Ehe aus1 OLG Koblenz, FamRZ 2003, 109; OLG Celle, FamRZ 2003, 1116; Weisbrodt, FamRZ 2003, 1240 ff. m.w.N. 2 Erfolgt die Eröffnung am 18.5., wird das Verfahren wegen Unterhalts ab 1.6. fortgeführt, denn Unterhalt wird jeweils zum Ersten eines Monats fällig, § 1613 Abs. 3 BGB, vgl. OLG Koblenz, FamRZ 2003, 109; Weisbrodt, FamRZ 2003, 1240 m.w.N. 3 BGH, FamRZ 2000, 1492 (1493) m.w.N. 4 BGH, FamRZ 1989, 1160. 5 BGH, FamRZ 1998, 899 (901).
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III. Berechnung des Unterhalts
gegangen werden, z.B. weil die Eheleute sich vermögensrechtlich auseinandergesetzt haben oder der Scheidungsantrag rechtshängig ist, spätestens aber ab Scheidung der Ehe, dürfen Belastungen nur noch in Höhe eines Wohnwertvorteils nach der ortsüblichen Miete abgezogen werden (Rz. 211). Leben weder der Unterhaltspflichtige noch die Kinder in der Eigentumswohnung oder dem Haus und ist dies auch nicht Familienheim gewesen, sind keinerlei Aufwendungen, die die Erträge übersteigen, absetzbar; denn der Verpflichtete darf nicht zu Lasten des Unterhaltsberechtigten Vermögen bilden.1 Beeinträchtigen die Belastungen seine Leistungsfähigkeit, hat er die Möglichkeit, die Immobilie zu verwerten. Sollte die Veräußerung oder Verwertung des Eigentums für den Verpflichteten unzumutbar sein, folgt daraus nicht zwangsläufig, dass die Verbindlichkeiten unterhaltsrechtlich anzuerkennen sind und vom Einkommen abgezogen werden. Zur Frage der Abzugsfähigkeit ist nach der BGH-Rechtsprechung stets noch eine Interessen- und Billigkeitsprüfung erforderlich.2 Werden Zins- und Tilgungsleistungen für Immobiliendarlehen unterhaltsrecht- 238 lich nicht anerkannt, verbleiben dem Verpflichteten die darauf entfallenden Steuervorteile allein.3 Dies geschieht in der Weise, dass das zu versteuernde Einkommen um die auf die Immobilie entfallenden Verluste erhöht wird und von diesem Betrag eine fiktive Steuerschuld errechnet und dann abgezogen wird. Zu den Besonderheiten der Abzugsfähigkeit von Wohnkosten beim Eltern-, Trennungs- und Geschiedenenunterhalt vgl. die Kap. C Rz. 56, Kap. E Rz. 192 ff., Kap. F Rz. 300 ff. gg) Verbindlichkeiten wegen Unterhalt Unterhaltsverbindlichkeiten für andere Unterhaltsberechtigte werden bei der 239 Ermittlung des bedarfsbestimmenden Einkommens des Unterhaltspflichtigen im Rahmen des Minderjährigenunterhalts nicht vorab abgezogen, dies gilt selbst dann, wenn für diese Verbindlichkeiten schon Unterhaltstitel bestehen.4 Zunächst werden alle Unterhaltsansprüche von minderjährigen und ihnen gleichgestellten privilegiert volljährigen Kindern nach den aktuellen Unterhaltstabellen gleichzeitig berechnet. Wie dies bei mehreren Berechtigten geschieht, wird unter Rz. 252 erläutert. Ergibt die Berechnung für einen anderen Unterhaltsberechtigten niedrigere Beträge als bereits tituliert, sind die errechneten maßgeblich, denn der Unterhaltsschuldner kann die Abänderung des Titels beantragen.5 Soweit ein Unterhaltstitel für die Vergangenheit nicht mehr abgeändert werden kann und der titulierte Betrag den tatsächlich geschuldeten Betrag übersteigt, darf der überschießende Differenzbetrag vom Einkommen des Verpflichteten abgezogen werden, es sei denn, er hat vorwerfbar versäumt, rechtzeitig eine Abänderung zu beantragen. Zur Berechnung gleichrangiger Ansprüche minderjähriger Kinder im Mangelfall s. Rz. 349 ff. zur Berechnung der Haftungsanteile der Eltern bei Ansprüchen eines minderjährigen und privilegiert volljährigen Kindes s. das Beispiel in Kap. B Rz. 134. 1 2 3 4 5
BGH, NJW-RR 1995, 129; FamRZ 1988, 145 (149 f.); 1984, 358 (360); 1986, 48 (50). BGH, NJW-RR 1995, 129; FamRZ 1984, 149 (151). BGH, FamRZ 1987, 36 ff. BGH, FamRZ 1980, 555 (557). BGH, FamRZ 1992, 797 ff.
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Auch nachrangige Verbindlichkeiten, z.B. Unterhalt für volljährige Kinder, die sich nicht mehr im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils und in der allgemeinen Schulbildung befinden (§ 1609 Abs. 1 i.V.m. § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB), werden ebenfalls nicht vom bedarfsbestimmenden Einkommen abgezogen. Sie finden nur – genau wie die gleichrangigen Verbindlichkeiten – Berücksichtigung bei der Einstufung in die Einkommensgruppe der Unterhaltstabelle und im Rahmen der Prüfung der Leistungsfähigkeit. Nur wenn die vorhandenen Mittel nicht zur Befriedigung aller Ansprüche ausreichen, werden die vorrangigen Ansprüche abgezogen und der Rest anteilig auf die nachrangigen verteilt, Rz. 350 ff. Wegen der Behandlung von Unterhaltsverbindlichkeiten beim Volljährigenunterhalt wird auf Kap. B Rz. 63 ff., beim Elternunterhalt auf Kap. C Rz. 45 ff. verwiesen. Besonderheiten gelten für die Berücksichtigung von Unterhaltsverbindlichkeiten auch im Rahmen des Ehegattenunterhalts, vgl. Kap. E Rz. 164 ff. zum Trennungsunterhalt und Kap. F Rz. 328 ff. zum Nacheheunterhalt. hh) Versicherungsbeiträge und zusätzliche Vorsorgeaufwendungen
241
Nicht vom Nettoeinkommen abzuziehen sind Versicherungsbeiträge für Hausrat, Rechtsschutz, private Haftpflicht oder Unfallversicherungen. Diese Aufwendungen gehören zum allgemeinen Lebensbedarf und sind pauschal in den Eigenbedarfssätzen, die für die unterschiedlichen Unterhaltsrechtsverhältnisse nach den Leitlinien gelten, enthalten. Abzugsfähig sind jedoch Berufshaftpflichtversicherungen.
242
Beiträge für eine zusätzliche Altersversorgung sind in der Regel anzuerkennen, denn es hat sich allgemein die Erkenntnis durchgesetzt, dass die gesetzliche Rentenversicherung zu einer angemessenen Altersversorgung zukünftig nicht mehr ausreichen wird. Der BGH hat deshalb zusätzliche Aufwendungen für eine angemessene Altersversorgung im Grundsatz anerkannt, differenziert aber je nach Maß der Einstandspflicht für den Unterhalt.1 Im Rahmen des Kindesunterhalts gilt ein Betrag von 4 % des Bruttoeinkommens.2 Ist der Unterhaltspflichtige nicht in der Lage, den Mindestbedarf des Kindes abzudecken, ist wegen der gesteigerten Unterhaltspflicht das Existenzminimum des Kindes sicherzustellen; zusätzliche Vorsorgeaufwendungen – auch für private Krankenzusatzversicherungen – sind abzulehnen.3 Allerdings wird im jeweiligen Einzelfall zu prüfen sein, inwieweit ein Ruhen der Verbindlichkeit möglich ist und ggfs. inwieweit eine durch Eingehung der Verbindlichkeit eingeschränkte Leistungsfähigkeit voraussehbar war.4
243
In welcher Form die Altersvorsorge erfolgt, ist nicht bindend festgelegt. Beim Erwerb einer Immobilie kann deshalb eine Vermögensbildung durch Zahlung von Tilgungsraten i.H.v. bis zu 4 % des Bruttoeinkommens zu berücksichtigen sein.5 Grundsätzlich nicht abzugsfähig sind fiktive Altersvorsorgeaufwendungen.6 1 2 3 4 5 6
BGH, FamRZ 2004, 792 (793). BGH, FamRZ 2005, 1817 (1821); 2013, 616 (617). BGH, FamRZ 2013, 616 (617 f.); 2003, 741 (743). Finke, FamRZ 2013, 618 (Anm. zu BGH, FamRZ 2013, 616). BGH, FamRZ 2007, 779 (881) für den Trennungsunterhalt. BGH, FamRZ 2007, 793 ff.
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III. Berechnung des Unterhalts
Besonderheiten gelten in den anderen Unterhaltsrechtsverhältnissen, wobei die Höhe der Vorsorgeaufwendungen jeweils abhängig ist vom Maß der Einstandspflicht. S. zum Elternunterhalt Kap. C Rz. 64 ff., zum Ehegattenunterhalt Kap. E Rz. 156 und Kap. F Rz. 310. 3. Ermittlung des Bedarfs nach Unterhaltstabellen Steht das bedarfsbestimmende Einkommen fest, wird der Unterhaltsbedarf der 244 Unterhaltstabelle entnommen. Wie das geschieht, wird im Folgenden anhand der von allen Gerichten in den Bundesländern verwendeten Düsseldorfer Tabelle (DT, Stand 1.1.2014) vorgestellt. Seit der Einführung eines einheitlichen Mindestunterhalts für alle Bundesländer mit Wirkung ab 1.1.2008 gibt es nur noch eine einheitliche, bundesweit geltende Unterhaltstabelle. Für die Anwendung der Tabelle müssen immer drei Informationen feststehen: – Einkünfte des Verpflichteten, – Alter des Kindes, – Anzahl und Rang der Unterhaltsberechtigten. Die Unterhaltstabelle enthält nach dem Alter des Kindes und dem Einkommen seines barunterhaltspflichtigen Elternteils gestaffelte Pauschalsätze und ist zugeschnitten auf den Bedarf von zwei Unterhaltsberechtigten, ohne Rücksicht auf ihren Rang. Damit wird der Unterhalt zwar nach dem Alter, Anzahl der Berechtigten und Einkommen individuell, aber ansonsten pauschal bestimmt. a) Einkommensgruppen Die Tabelle war vom 1.7.1998 bis 31.12.2007 in 13 und ist seit 1.1.2008 in 10 245 Einkommensgruppen gegliedert, für die der jeweilige Bedarf für 3 Altersstufen der minderjährigen Kinder ausgewiesen ist. Die Einkommensgruppe 1 der DT, Stand 1.1.2014, beginnt mit einem Einkommen von bis zu 1 500 Euro. Bei einem Einkommen bis zu diesem Betrag besteht für unterhaltsberechtigte Kinder der drei Altersstufen ein Bedarf in Höhe des gesetzlich geregelten Mindestunterhalts gem. § 1612a BGB (vgl. Rz. 19). Zwischen den Einkommensgruppen 2–10 bestehen Einkommenssprünge von jeweils 400 Euro. Liegt das anrechenbare Einkommen des Verpflichteten deutlich unter 1 500 Euro, kann ein geringerer Bedarf als der Mindestunterhalt in Betracht kommen; denn geschuldet wird letztlich nur der nach der Leistungsfähigkeit des Schuldners bezahlbare Betrag.1 Liegt das Einkommen über der 10. Einkommensgruppe, kann der Bedarf höher liegen, muss aber vom Berechtigten konkret dargelegt werden (Rz. 23).2 b) Altersstufen Die 1. Altersstufe umfasst die Zeit bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres, die 2. 246 Altersstufe die Zeit vom 7. bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres und die 3. Altersstufe die Zeit vom 13. Lebensjahr bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Der Unterhaltsbetrag einer höheren Altersstufe ist jeweils ab Beginn des Monats 1 BGH, FamRZ 2002, 536 ff. 2 BGH, FamRZ 2000, 358 (359).
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
maßgebend, in dem das Kind das betreffende Lebensjahr vollendet (§ 1612a Abs. 3 BGB). Die DT ist seit dem 1.1.1996 noch um eine 4. Altersgruppe, die der volljährigen noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils lebenden Kinder, erweitert worden. Der Bedarf der Volljährigen ist höher bemessen als für Kinder der 3. Altersstufe. Insoweit handelt es sich um eine vom OLG Düsseldorf praktizierte Bedarfsbestimmung für diese spezielle Gruppe von Unterhaltsberechtigten, der mittlerweile die meisten OLGe gefolgt sind. Ob und unter welchen Voraussetzungen die 4. Altersstufe für Volljährige angewendet wird, ist in Nr. 13 der Leitlinien der OLG geregelt und wird in Kap. B Rz. 112 ff. beim Volljährigenunterhalt behandelt. 247
Beispiel Bedarfsbestimmung bei 2 Unterhaltsberechtigten (DT, Stand 1.1.2014) V hat ein bereinigtes Einkommen von 2 600 Euro, die getrennt lebende Mutter hat kein Einkommen und betreut die beiden 3 und 7 Jahre alten Kinder. Sie bezieht das Kindergeld i.H.v. insgesamt 368 Euro. Der Bedarf der Kinder beträgt nach der Einkommensgruppe 4 bei einem Einkommen von 2 600 Euro: K 1 Altersstufe 1 (0–5 Jahre) K 2 Altersstufe 2 (6–11 Jahre) Gesamtbedarf:
365 Euro 419 Euro 784 Euro
Der Vater hat den Kindesunterhalt abzüglich des hälftigen Kindergeldes zu zahlen (§ 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB): 365 Euro – 92 Euro = 419 Euro – 92 Euro = zusammen
273 Euro 327 Euro 600 Euro
Zur Vereinfachung der Berechnung der Zahlbeträge durch Abzug des anteiligen Kindergeldes ist der DT ein Anhang: Tabelle Zahlbeträge beigefügt. Bedarfsbestimmung bei 3 Unterhaltsberechtigten Ist außerdem Ehegattenunterhalt zu berechnen, ist seit 1.1.2008 der tatsächlich gezahlte Kindesunterhalt, also der Unterhalt abzüglich des anteiligen Kindergeldes, vom Einkommen des Verpflichteten abzuziehen,1 so dass im Beispiel oben gerechnet wird wie folgt: V 2 600 Euro – 600 Euro = 2 000 Euro. Die Mutter hat nach Abzug eines Erwerbstätigenbonus für V von z.B. 1/ 7 des Einkommens einen Bedarf von 857 Euro (2 000 × 6/ 7 : 2 = 857 Euro oder auch 2 000 × 3/ 7 ). Zur Berechnung des Trennungsunterhalts vgl. Kap. E Rz. 184 ff., des Nacheheunterhalts Kap. F Rz. 340 ff. Die Verteilung des Unterhalts unterliegt einer abschließenden Angemessenheitskontrolle: 2 600 Euro – 273 Euro – 327 Euro – 857 Euro = 1 143 Euro. Von seinen 2 600 Euro verbleiben V 1 143 Euro für den Eigenbedarf. Sein notwendiger Selbstbehalt gegenüber den minderjährigen Kindern (1000 Euro) und angemessener Selbstbehalt gegenüber dem Ehegatten (1 100 Euro) ist nicht tangiert. Darüber hinaus ist jedoch noch jeweils abschließend zu prüfen, ob das Verhältnis der errechneten Unterhaltsbeträge zueinander angemessen und ausgewogen ist; denn auch V hat einen Anspruch auf eigenen angemessenen Unterhalt, soweit nicht der notwendige Unterhaltsbedarf (Mindestunterhalt) der Kinder gefährdet ist. Diese Angemessenheitsüberprüfung kann z.B. durch Anwendung der Bedarfskontrollbeträge der DT geschehen.
1 BGH, FamRZ 2009, 1300 (1304 ff.).
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III. Berechnung des Unterhalts
c) Bedarfskontrollbeträge Um die Angemessenheit der Verteilung des Einkommens zwischen dem Unter- 248 haltspflichtigen und den unterhaltsberechtigten Kindern besser zu gewährleisten, sind neben den Unterhaltsbeträgen in der rechten Spalte der DT Bedarfskontrollbeträge aufgeführt.1 Sie geben den Betrag an, der dem Unterhaltsverpflichteten nach Abzug des Unterhalts in Relation zu den Tabellenbeträgen als eigener angemessener Unterhalt verbleiben sollte; denn Anspruch auf angemessenen Unterhalt haben nicht nur die Berechtigten, sondern auch der Verpflichtete. Nur bei geringen Einkünften muss sich der Verpflichtete zur Sicherung des Unterhalts der Kinder auf den notwendigen Eigenbedarf verweisen lassen (§ 1603 Abs. 2 BGB). In der Einkommensgruppe 1 entspricht der Bedarfskontrollbetrag dem notwendigen Eigenbedarf. Ab Einkommensgruppe 2 sind die Kontrollbeträge nicht mehr identisch mit dem Eigenbedarf, der dem Verpflichteten zu verbleiben hat, sondern stellen ein Hilfsmittel für die angemessene Verteilung der vorhandenen Mittel zwischen den Beteiligten dar. Ob der Tatrichter den Bedarfskontrollbetrag anwendet, um zu einer Bestimmung 249 des angemessenen Bedarfs aller Beteiligten zu kommen, oder eine abschließende Angemessenheitskontrolle ohne Verwendung des Kontrollbetrags vornimmt, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Der BGH hat die Anwendung der Bedarfskontrollbeträge als eine Methode der Angemessenheitskontrolle gebilligt, die für jeden individuellen Einzelfall durchzuführen ist, ohne den Tatrichter auf eine bestimmte Verfahrensweise festzulegen.2 Die Handhabung der Oberlandesgerichte ist deshalb auch nicht einheitlich, so dass jeweils in der Nr. 11.2 der Leitlinien des zuständigen Gerichts zu prüfen ist, wie die Angemessenheitskontrolle durchgeführt wird. Entscheidet man sich zur Anwendung des Kontrollbetrags, ist wie folgt zu ver- 250 fahren: Ergibt sich nach Abzug der Kindes- und anderer Unterhaltsansprüche, dass dem Verpflichteten weniger als der Kontrollbetrag verbleibt, ist der Bedarf so lange den nächstniedrigeren Tabellensätzen zu entnehmen, bis diese Ausgewogenheit zwischen Unterhaltsverpflichtung und Eigenbedarf erreicht ist. Liegt das Einkommen wegen einer geringeren Zahl von Unterhaltsberechtigten nach Abzug des Unterhalts deutlich über dem Kontrollbetrag, ist eine Höherstufung des Tabellenunterhalts vorzunehmen. Seit 1.1.2008 wird für die Kontrollrechnung der Tabellenunterhalt abzüglich des hälftigen Kindergeldes eingesetzt, da dieses seitdem gem. § 1612b Abs. 1 BGB bedarfsmindernd beim Kindesunterhalt zu berücksichtigen ist (Rz. 285 f.).3 Bis zum 31.12.2007 ist der Tabellenunterhalt ohne Abzug des hälftigen Kindergeldes maßgeblich. 251
Beispiel wie oben mit 3 Unterhaltsberechtigten Das V verbleibende Einkommen liegt nach Abzug des Unterhalts bei 1 143 Euro also unter dem Bedarfskontrollbetrag der Einkommensgruppe 4, der bei 1 300 Euro liegt. Bei Herabstufung in die Einkommensgruppe 2 ergäben sich für die Kinder Zahlbeträge von 241 Euro + 291 Euro = 532 Euro, so dass der Ehegattenunterhalt 886 Euro betragen würde (2 600 – 532 Euro = 2068 × 3/ 7 = 886 Euro). Nach Abzug des gesamten Unterhalts würde er mit ihm
1 Anm. 6 der DT. 2 BGH, FamRZ 2000, 1492 (1493) m.w.N. 3 BGH, FamRZ 2009, 1300 (1304 ff.); Klinkhammer, FamRZ 2008, 193 (198); Riegner, FPR, 2008, 4, 6 und 7.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes verbleibenden 1 181 Euro nur um 19 Euro unterhalb des Bedarfskontrollbetrags der Einkommensgruppe 2 von 1 200 Euro liegen, was ein vertretbares Ergebnis ist. Bei Anwendung der Werte nach der Einkommensgruppe 1 verblieben V 1 200 Euro, d.h. ein Betrag von 100 Euro über dem Kontrollbetrag, was nicht angemessen wäre.
d) Höher- und Herabstufungen bei einer höheren oder niedrigeren Zahl von Unterhaltsberechtigten 252
Die Angemessenheit der zu berechnenden Bedarfsbeträge lässt sich dadurch sichern, dass bei der Eingruppierung in die Tabelle beachtet wird, wie viel Personen der Verpflichtete Unterhalt zu leisten hat. Höher- und Herabstufungen sind vor allem dann erforderlich, wenn mehr oder weniger Unterhaltsberechtigte zu befriedigen sind als dies den Tabellenwerten zugrunde liegt. Für die Anwendung der Tabellen nach dem Stand bis zum 31.12.2009 sind die OLG noch einheitlich davon ausgegangen, dass die Werte auf eine Unterhaltspflicht gegenüber 3 Personen zugeschnitten sind (Anm. A 1 der DT, Stand 1.1.2009).
253
Deshalb ist für Unterhaltszeiträume bis zum 31.12.2009 wie folgt zu verfahren: Sind weniger als 3 Unterhaltsberechtigte vorhanden, können die Tabellensätze erhöht werden. Gibt es mehr als 3 Unterhaltsberechtigte, sollten die Tabellenwerte einer niedrigeren Gruppe entnommen werden. Bei der Bestimmung der Anzahl der Unterhaltsberechtigten zählen auch nachrangig Berechtigte mit; denn die im Gesetz geregelte Rangfolge (§ 1609 BGB) greift erst im Mangelfall für die Abfolge der Befriedigung.1
254
Für Unterhaltszeiträume ab 1.1.2010 ist die Anwendung der DT auf 2 Unterhaltsberechtigte bezogen, so dass schon bei 3 Unterhaltsberechtigten Abschläge durch Einstufung in eine niedrigere Gruppe angemessen sein können.2 Eine Höherstufung kommt in Betracht, wenn es nur einen Unterhaltsberechtigten gibt. Insoweit ist notwendig die jeweils maßgebliche Praxis des zuständigen OLG unter der Nr. 11.2 der LL zu überprüfen. In dem vorstehenden Beispiel unter Rz. 247 kann deshalb, wenn V drei Personen unterhaltspflichtig ist, von vornherein der Bedarf der Kinder durch Herabstufung um 2 Gruppen nach der Einkommensgruppe 2 bestimmt werden. Das Ergebnis ist auch in dem Fall abschließend auf seine Angemessenheit zu überprüfen, entweder durch Anwendung der Bedarfskontrollbeträge oder entsprechend der üblichen Handhabung des zuständigen Gerichts (Nr. 11.2 der LL). e) Berechnung des dynamisierten Unterhalts
255
Das Kind kann wählen, ob es von dem Unterhaltsschuldner den ihm zustehenden Tabellenunterhalt als statische Unterhaltsrente mit einem bezifferten Betrag oder in dynamisierter Form als Prozentsatz des Mindestunterhalts (§ 1612a Abs. 1 BGB) geltend macht. Der Vorteil der Titulierung als Prozentsatz des Mindestunterhalts liegt darin, dass der für die drei Altersstufen in § 1612a Abs. 1 Satz 1 BGB definierte Mindestunterhalt3 in der Höhe anknüpft an ein Zwölftel
1 Klinkhammer, FF 2007, 113, 14; Gerhardt/Gutdeutsch, FamRZ 2007, 778 (779); BTDrucks. 16/1830 v. 15.6.2006, S. 24. 2 Anm. 1 der DT und. Nr. 11.2 der LL. 3 Vgl. dazu BT-Drucks. 16/1830, S. 27 f. = RegE S. 50.
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III. Berechnung des Unterhalts
des doppelten steuerrechtlichen Freibetrags des sächlichen Existenzminimums für Kinder nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG und dieser Betrag vom Gesetzgeber alle zwei Jahre anhand eines im Auftrag der Bundesregierung zu erstellenden Existenzminimum-Berichts überprüft und – soweit erforderlich – in § 32 Abs. 6 EStG angepasst wird.1 D.h. ein titulierter Unterhaltsbetrag entwickelt sich in der Höhe dynamisch mit, entsprechend den Anpassungen des steuerrechtliche Freibetrags an das notwendige Existenzminimum. Bis zum 31.12.2007 war die Bezugsgröße für den dynamisierten Unterhalt der Regelbetrag nach der Regelbetrag-VO, der ebenfalls im Abstand von 2 Jahren auf seine Validität überprüft wurde. Die Titulierung des dynamisierten Unterhalts kann im Rahmen eines Unter- 256 haltsstreitverfahrens (Kap. K Rz. 279 ff.), einstweiligen Anordnungsverfahrens oder im vereinfachten Verfahren (Kap. K Rz. 541 ff.) beantragt werden. Ebenso ist sie möglich in allen anderen vollstreckbaren Titeln, wie z.B. den Jugendamtsurkunden, notariell beurkundeten Schuldanerkenntnissen etc. Der Prozentsatz der Dynamisierung wird errechnet wie folgt:
257
Zunächst wird der Unterhaltsbedarf nach der Tabelle errechnet, wie oben unter Rz. 247 ff. dargestellt. Für den errechneten Tabellenbetrag wird dann der Prozentsatz in Bezug auf den Mindestunterhalt der maßgeblichen Altersgruppe bestimmt. Zur Erleichterung der Bestimmung des Prozentsatzes enthält die DT neben den Unterhaltsbeträgen der Altersgruppen die zusätzliche Rubrik „Prozentsatz“. Der Prozentsatz gibt für jede Einkommensgruppe die Steigerung der Unterhaltsbeträge, bezogen auf den für die 1. Einkommensgruppe maßgeblichen Mindestunterhalt, an. Die Mindestunterhaltsbeträge der aktuellen DT, Stand 1.1.2014, ergeben sich aus § 1612a Abs. 1 BGB i.V.m. § 32 Abs. 6 EStG und betragen für die drei Altersstufen: – 1. Altersstufe: 317 Euro = 100 % – 2. Altersstufe: 364 Euro = 100 % – 3. Altersstufe: 426 Euro = 100 % In dem Titel kann die Verpflichtung, den Mindestunterhalt bzw. den Prozent- 258 satz des Mindestunterhalts zu zahlen, jeweils gestaffelt nach Altersstufen aufgenommen werden (Kap. K Rz. 280 f.). Die Titulierung einer dynamisierten Unterhaltsrente empfiehlt sich immer dann, wenn bei dem Verpflichteten nicht mit wesentlichen Veränderungen seiner Einkommensverhältnisse und einer Einstufung in eine andere Einkommensgruppe zu rechnen ist. Wie die Anträge zu formulieren sind, ist unter Kap. K Rz. 279, 286 anhand von Mustern dargestellt und erläutert.
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Praxishinweis: Der Unterhalt für Minderjährige sollte unbefristet tituliert 259 werden, denn wird der Titel nicht ausdrücklich auf die Dauer der Minderjährigkeit begrenzt, gilt der zur Zeit der Minderjährigkeit geschaffene Titel ab Volljährigkeit fort in Höhe des letztgenannten Zahlbetrags. Dafür sprechen mehrere Gesichtspunkte: Meist sind Kinder ab Volljährigkeit noch nicht mit der Ausbildung fertig und unterhaltsbedürftig, so dass sie auch nach Ein-
1 Vgl. 9. Existenzminimum-Bericht, BT-Drucks. 17/11425., S. 1–8.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
tritt der Volljährigkeit noch aus dem Titel vollstrecken können, ohne dass allein wegen der Volljährigkeit die Vollstreckung unzulässig wäre (§ 244 FamFG, entspricht § 798a ZPO a.F.) Außerdem handelt es sich bei dem Unterhaltsanspruch des minderjährigen und volljährigen Kindes rechtlich um einen einheitlichen Anspruch. Deshalb hat das Kind auch einen Anspruch auf unbefristete Titulierung des Unterhalts.1 Kommt der Verpflichtete dem nicht nach und begrenzt den Unterhalt auf die Dauer der Minderjährigkeit, kann das Kind mit Erfolg im Wege der Abänderungsklage auf unbefristete Titulierung klagen. Ändert sich der Bedarf des Kindes und die Höhe der Zahlung – auch wegen der dann einsetzenden Barunterhaltspflicht beider Eltern – kann der Verpflichtete die Abänderung beantragen. Das Kind hat in dem Fall seine fortdauernde Bedürftigkeit und die auf den Verpflichteten entfallende Unterhaltslast darzulegen und ggfs. zu beweisen. f) Bedarfsberechnung bei beiderseitiger Barunterhaltspflicht der Eltern 260
Wie der Bedarf zu berechnen ist, wenn beide Eltern barunterhaltspflichtig sind, z.B. weil das Kind durch Dritte betreut wird, in einer Wohngemeinschaft oder in eigenem Haushalt ohne jegliche elterliche Betreuung lebt, ist von der Rechtsprechung bisher noch nicht eindeutig geklärt. Dabei kommen folgende Alternativen in Betracht: Die Bedarfsbestimmung erfolgt, indem der Barbedarf nach der Tabelle unter Zugrundelegung des bereinigten Gesamteinkommens der Eltern sowie der jeweils maßgeblichen Altersgruppe errechnet wird und ggfs. anfallende Betreuungskosten konkret berechnet und aufgeschlagen werden. Der BGH hat dazu mit Urteil vom 30.8.20062 vertreten, den Betreuungsunterhalt gem. § 1606 Abs. 3 BGB pauschal in Höhe des geschuldeten Barunterhalts zu bemessen. Bei beiden Varianten wird immer nur der Unterhalt nach Leistungsfähigkeit geschuldet, so dass jeder Elternteil hinsichtlich des Tabellenunterhalts jeweils in der Höhe für den Gesamtbedarf haftet, die sich nach seinem eigenen Einkommen bemessen als Tabellenunterhalt ergibt.3 Das OLG Koblenz wendet für die Bedarfsbestimmung eines 17-jährigen Kindes mit eigenem Hausstand ohne jegliche elterliche Betreuung den Regelsatz für Studenten mit eigenem Hausstand an, da eine vergleichbare Versorgungslage bestehe und ein höherer Bedarf der Minderjährigen, wie er sich nach der DT bei Berücksichtigung des Einkommens beider Eltern ergeben kann, gegenüber dem eines Studenten sachlich nicht begründbar sei.4
261
Die Entscheidung des OLG Koblenz verdeutlicht, dass es sinnvoll ist, die Bedarfsbestimmung differenziert, in Abhängigkeit vom zu entscheidenden Sachverhalt, vorzunehmen: Denn fehlt jegliche Betreuung durch die Eltern oder Dritte, ohne dass dies rechtlich zu beanstanden ist, fehlen auch die tatsächlichen
1 OLG Hamm, FamRZ 2012, 1407; dies gilt auch für Jugendamtsurkunden OLG Hamm, FamRZ 2012, 993. 2 BGH, FamRZ 2006, 1597 m. Anm. Born. 3 Wendl/Dose/Scholz, § 2 Rz. 22; Wendl/Dose/Klinkhammer, § 2 Rz. 419 f., 421. 4 OLG Koblenz, FamR 2013, 1140; Wendl/Dose/Klinkhammer, § 2 Rz. 337.
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III. Berechnung des Unterhalts
Voraussetzungen für eine Bemessung des Betreuungsbedarfs, so dass die Begrenzung des Bedarfs in Höhe des Regelsatzes für Studenten sachgerecht ist. Erfolgt jedoch eine Betreuung durch Dritte, wie z.B. die Großeltern, dann müssen die Eltern auch für die Kosten des Betreuungsunterhalts neben dem Barbedarf aufkommen. Der BGH hat für die letztgenannte Konstellation den Betreuungsbedarf zum Zwecke der Vereinfachung – in Anwendung des Rechtsgedankens der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB – pauschal gleichgesetzt mit dem Barbedarf.1 Daraus folgt für das Kind eine Vereinfachung der Darlegung seines Bedarfs. Halten die Eltern den Betreuungsbedarf für zu hoch, obliegt es ihnen, darzulegen und zu beweisen, dass der Betreuungsbedarf niedriger ist. Erfolgt eine Betreuung im Heim oder in einer betreuten Wohngemeinschaft, 262 dann haften die Eltern zwar auch für den Bar- und Betreuungsunterhalt, die Kostenbeteiligung erfolgt jedoch nach öffentlichem Recht und nicht nach der DT (Rz. 274).2 Ist der Barbedarf nach der DT zu ermitteln, ist vorzugehen wie folgt:
263
Der Tabellenunterhalt ist nach dem zusammengerechneten bereinigten Einkommen der Eltern zu bestimmen. Von dem so ermittelten Unterhaltsbetrag ist das Kindergeld abzuziehen, denn es steht dem Kind zu. Für den verbleibenden Zahlbetrag haften die Eltern anteilig. Die Haftungsanteile der Eltern werden nach folgender Formel berechnet: Einsatzbetrag des Vaters oder der Mutter Summe der Einsatzbeträge der Eltern
× Bedarf des Kindes
Während für die Ermittlung des Tabellenunterhalts das bereinigte Gesamtnettoeinkommen der Eltern maßgeblich ist, ist für die Berechnung der Haftungsanteile auf Einsatzbeträge abzustellen, die sich ergeben aus den bereinigten Einkommen der Eltern abzüglich des angemessenen Selbstbehalts, bei engen Verhältnissen nach Abzug des notwendigen Eigenbedarfs.3 264
Beispiel M hat ein bereinigtes Einkommen von 1 500 Euro, V von 2 000 Euro. Bei einem Gesamteinkommen von 3 500 Euro beträgt der Bedarf nach der Einkommensgruppe 5 in der 3. Altersstufe 546 Euro.4 Nach Abzug von 184 Euro Kindergeld gem. § 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB, die das Kind bzw. seine Betreuungsperson erhält (s. Rz. 279 ff.), haben die Eltern noch 362 Euro anteilig zu tragen. Eine Höhergruppierung ist hier nicht vorzunehmen. Jeder Elternteil haftet nur maximal in Höhe des Betrags, den er aufgrund seines eigenen Einkommens nach der Tabelle schulden würde.
1 FamRZ 2006, 1597. 2 BGH, FamRZ 2007, 3777; OLG Bremen, FamRZ 2012, 316 = FamFR 2011, 512 m. Anm. Günther. 3 Ob der angemessene oder notwendige Eigenbedarf abzuziehen ist, wird von den OLG noch nicht einheitlich gehandhabt. Für eine Differenzierung in Abhängigkeit von den finanziellen Verhältnissen s. Nr. 12.3, 13.3 der SüdL, Nr. 12.3 der LL des OLG Oldenburg. Der BGH hat beim Mehrbedarf für die Berechnung der Haftungsanteile der Eltern auf den Abzug des angemessenen Eigenbedarfs abgestellt, BGH, FamRZ 2009, 962 (965). 4 DT, Stand 2013/2014.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes Die Haftungsquoten werden berechnet wie folgt: M: 1 500 Euro – 1 200 Euro (angemessener Selbstbehalt) = V: 2 000 Euro – 1 200 Euro (angemessener Selbstbehalt) = Summe der Einsatzbeträge der Eltern = Haftungsanteil M 300 Euro / 1 100 Euro × 362 Euro = Haftungsanteil V 800 Euro / 1 100 Euro × 362 Euro =
300 Euro 800 Euro 1 100 Euro 99 Euro 263 Euro 362 Euro
Bezieht ein Elternteil, der den höchsten Unterhaltsbeitrag leistet, das Kindergeld (§ 64 Abs. 3 S. 2 EStG, s. Rz. 279), hat er das Kindergeld an das Kind bzw. dessen Betreuungsperson auszukehren. Soweit für die Betreuung konkrete Kosten oder ein pauschalierter Betrag anfallen, sind die Haftungsquoten ebenso zu berechnen wie der Barbedarf. g) Bedarfsberechnung bei gemeinsamer elterlicher Sorge und Betreuung durch beide Eltern (sog. Wechselmodell) 265
Leben Eltern getrennt und üben sie die elterliche Sorge gemeinsam für ihr Kind aus, ändert dies nichts an der üblichen Aufteilung in Bar- und Betreuungsunterhalt nach § 1606 Abs. 3 BGB, so dass insoweit keine Besonderheiten gelten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich die Eltern die Betreuung des Kindes in der Weise teilen, dass jeder etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgaben wahrnimmt.1 Dann hat das Kind gegen jeden Elternteil einen Barunterhaltsanspruch für die Zeit, in der es von dem anderen Elternteil betreut wird. Der BGH lässt Ausnahmen von dem gesetzlichen Regelfall des § 1606 Abs. 3 BGB, nach dem Betreuungs- und Barunterhalt gleichwertig sind, nur zu, wenn die Eltern ein Wechselmodell mit im Wesentlichen gleichen Anteilen an der Betreuung praktizieren. Keine wesentlich gleiche Aufteilung der Betreuung liegt danach vor und es bleibt bei der einseitigen Barunterhaltspflicht, wenn sich das Kind z.B. zu 64 % der Gesamtzeit bei der Mutter aufhält.2 Eine im Rahmen üblicher Umgangskontakte von etwa fünf bis sechs Tagen monatlich gewährte Verpflegung führt danach weder zu nennenswerten Ersparnissen des betreuenden Elternteils noch zu Erstattungsansprüchen des besuchten Elternteils, vielmehr hat dieser die üblichen Kosten, die ihm bei der Ausübung des Umgangsrechts entstehen, grundsätzlich selbst zu tragen.3
266
Diese Rechtsprechung ist in der Literatur auf Kritik gestoßen, weil sie ein Hindernis darstelle, den nicht betreuenden Elternteil mehr in die Betreuung einzubinden und der Tatsache realer Ersparnisse, vor allem bei den Verpflegungskosten, nicht Rechnung trage.4 Um den entlastenden Betreuungsaufwand durch den barunterhaltspflichtigen Elternteil zu quantifizieren, werden unterschiedliche Vorschläge diskutiert.5 So schlägt z.B. Gutdeutsch vor, bei einer Betreuung von fünf bis sechs Tagen im Monat durch den Barunterhaltspflichtigen die He1 BGH, FamRZ 2006, 1015 (1017). 2 BGH, FamRZ 2007, 707 ff.; BGH v. 12.3.2014 – XII ZB 234/13 Tz. 29 = FamRZ 2014, 917 Tz. 29 = FamRB 2014, 204. 3 BGH, FamRZ 2007, 707; 2005, 706 (707). 4 Anm. zu BGH, FamRZ 2007, 707 ff. von Luthin, a.a.O., S. 710; Born, NJW 2007, 1859 ff., Rakete-Dombek, FF 2007, 200 f.; Born, FPR 2008, 88 ff. 5 Wohlgemuth, FuR 2012, 218; FamRZ 2014, 84 ff.; Spangenberg, FamRZ 2014, 88 ff.; Gutdeutsch, FamRB 2012, 250 ff.; Bausch/Gutdeutsch/Seiler, FamRZ 2012, 258 ff.; Wendl/Klinkhammer, § 2 Rz. 449, 450; Scheiwe, FF 2013, 280 (287).
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III. Berechnung des Unterhalts
rabstufung des Tabellenunterhalts um eine Stufe vorzunehmen. Ist nur der Mindestunterhalt zu zahlen, soll ein Abzug von 1,28 % des Bedarfs pro betreuten Tag erfolgen, wenn anderenfalls der angemessene Bedarf des Unterhaltspflichtigen gefährdet wäre.1 Kauft der Verpflichtete die gesamte Kleidung des Kindes, soll dies eine Kostenersparnis von 10 % des Bedarfs zur Folge haben, wobei Berechnungsgrundlage § 6 RBEG ist. (s. Rz. 26 ff.). Zur Vermeidung ausufernder Streitigkeiten, die zu Lasten des Kindes auch in 267 Sorgerechtstreitigkeiten hineinwirken würden, ist der Auffassung des BGH zu folgen und im Grundsatz an der klaren Regel des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB festzuhalten. Unter diesem Aspekt ist es aber gleichwohl sinnvoll, bei einer nicht unbeträchtlichen Beteiligung des barunterhaltspflichtigen Elternteils an der Versorgung des Kindes, die den anderen Elternteil auch finanziell entlastet, einen pauschalierten Ausgleich dadurch zu schaffen, dass der Barbedarf des Kindes – sofern nicht nur der Mindestunterhalt gezahlt wird – z.B. durch Herabstufung um ein oder zwei Einkommensgruppen in der DT gekürzt wird, bzw. von einer an sich gebotenen Höherstufung abgesehen wird.2 In jedem Fall sollten bei der Lösung des Problems kleinteilige Ausgleichsberechnungen vermieden werden, die sich streitigkeitsfördernd auswirken und in der Folge auch ein gemeinsames Sorgerecht in Frage stellen können. Bei hälftiger Betreuung durch die Eltern, dem sog. Wechselmodell, stellt sich 268 die Frage wie der Barunterhaltsbedarf zu berechnen und von den Eltern zu tragen ist. Dazu sind in Literatur und Rechtsprechung unterschiedliche Berechnungsmodelle entwickelt worden, von denen das folgende am einfachsten und für Eltern leicht nachvollziehbar sein dürfte:3 Beispiel (ohne Höhergruppierung in der DT) M hat ein bereinigtes Einkommen von 1 500 Euro, V von 2 000 Euro. M bezieht aufgrund einer Einigung der Eltern das Kindergeld. Das Kind K, 1. Altersstufe, hat nach der DT folgenden Barunterhaltsbedarf, der aufgrund des gewährten Naturalunterhalts jeweils zu halbieren ist. Davon ist abzuziehen jeweils das hälftige Kindergeld, denn dieses steht den Eltern zur Verwendung für die Lebenshaltungskosten des Kindes jeweils zur Hälfte zur Verfügung: Barbedarf gegenüber der Mutter Einkommensgruppe 1 der DT
317 t – 92 t =
225 t / 2
= 113 t
349 t – 92 t =
257 t / 2
= 129 t
Barbedarf gegenüber dem Vater Einkommensgruppe 3 der DT Differenz
16 t
Somit ergibt sich für die Eltern folgende Ausgleichsberechnung: Der Vater müsste nach seinem Einkommen 129 Euro Barunterhalt an die Mutter zahlen; die Mutter 113 Euro an den Vater. Verrechnet man die Beträge, ergibt sich eine Ausgleichs1 Gutdeutsch, FamRB 2012, 250 ff. 2 So jetzt BGH v. 12.3.2014 – XII ZB 234/13 Tz. 31 ff. = FamRZ 2014, 917 = FamRB 2014, 204. OLG Frankfurt, FamRZ 2014, 46; OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 1354 und der Vorschlag von Born, NJW 2007, 1859 ff.; FPR 2008, 88 (90). 3 So OLG Karlsruhe, FamRZ FamRZ 2006, 1225; Anm. Soyka, FuR 2006, 321; ebenso rechnet das AG Freiburg, FamRZ 2006, 567. Ebenso die Empfehlung von Spangenberg für die Beratungspraxis, FamRZ 2014, 88 (90).
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes pflicht des Vaters von 16 Euro. Da das Kindergeld, das den Eltern hälftig für den Unterhalt des Kindes zukommen soll, bereits zugunsten jedes Elternteils bei der Berechnung des Barunterhalts berücksichtigt ist, M aber den vollen Kindergeldbetrag bezogen hat, muss sie den auf V entfallenden Anteil noch nach Abzug des von V zu zahlenden Barunterhalts i.H.v. 76 Euro an V auskehren. Ausgleichszahlung: M hat an V 76 Euro zu zahlen (92 Euro hälftiges Kindergeld – 16 Euro Barunterhalt von V = 76 Euro).
269
Andere Vorschläge stimmen darin überein, dass der Barunterhaltsbedarf anhand des zusammengerechneten Einkommens der Eltern nach der DT ohne Höhergruppierung bestimmt und dann die anteilige Haftung der Eltern unter Berücksichtigung ihres unterschiedlich hohen Einkommens errechnet wird. Da bei dem so ermittelten Barbedarf noch nicht berücksichtigt ist, dass die Eltern während der Zeit, in der sie das Kind betreuen, auch Naturalunterhalt leisten, der den Barbedarf mindert, kann diese Ersparnis nun entweder konkret bestimmt oder pauschal verrechnet werden. Das OLG Düsseldorf bevorzugt einen pauschalen Abzug, für dessen Bemessung der Anteil an der Betreuung maßgebend ist. Bei hälftiger Betreuung ist davon auszugehen, dass beide Eltern ihre eigene Barunterhaltspflicht entsprechend der Gleichwertigkeit von Betreuung und Naturalunterhalt jeweils zur Hälfte in der Zeit erfüllen, in der sie das Kind betreuen.1 Unterschiedliche Handhabungen ergeben sich bei der Berücksichtigung des Kindergeldes, das Klinkhammer in voller Höhe vom Tabellenunterhalt abzieht, Wohlgemuth nur i.H. der Hälfte, da nach ihrer Auffassung der auf den Betreuungsunterhalt entfallende Teil des Kindergeldes bei der Berechnung des Barunterhalts nicht zu berücksichtigen ist.2 Vorzugswürdig ist, den Kindergeldausgleich bei beiderseitiger Betreuungs- und Barunterhaltspflicht, den das Gesetz in § 1612b BGB nicht regelt, zunächst bei der Ermittlung der anteiligen Haftung der Eltern für den Barunterhalt unberücksichtigt zu lassen, denn anderenfalls wirkt sich jeglicher Vorabzug – egal ob das Kindergeld hälftig oder in voller Höhe vorab abgezogen wird –, so aus, dass der einkommensstärkere Elternteil begünstigt wird. S. dazu das Rechenbeispiel in Kap. B Rz. 119. Nach der Gesetzessystematik ist wegen der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt davon auszugehen, dass bei minderjährigen Kindern beide Eltern hälftig von dem Kindergeld, das sie vorrangig für den Bedarf des Kindes zu verwenden haben, in gleicher Weise partizipieren sollen, unabhängig davon, ob ihre Einkommen unterschiedlich hoch sind.3 Sind die Haftungsanteile der Eltern berechnet, hat der kindergeldbeziehende Elternteil die Hälfte an den anderen Elternteil auszukehren, was am besten unter Verrechnung des Ausgleichsbetrags mit dem auszukehrenden Kindergeldanteil geschieht. Dieser Handhabung steht § 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht entgegen, der auf die Fälle der Fremdbetreuung des Kindes durch Dritte und volljährige Kinder zugeschnitten ist, also beide Eltern nur noch barunterhaltspflichtig sind und das Kindergeld dem Kind unmittelbar zufließt.4 Dies ist bei dem Wechselmodell nicht der Fall.
1 OLG Düsseldorf, FamRZ 1999, 1530 = NJW-RR 2000, 74 f.; OLG Düsseldorf, JAmt 2001, 299. 2 OLG Düsseldorf, NJW-RR 2000, 74 f. und NJW 2001, 3344 f. Ebenso Wohlgemuth, FPR 2013, 157 ff.; Wendl/Dose/Klinkhammer, § 2 Rz. 450. 3 Ebenso OLG Düsseldorf, FamRZ 2014, 567 (569). 4 BT-Drucks. 13/7338 S. 29, 30.
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III. Berechnung des Unterhalts Beispiel (ohne Höhergruppierung in der DT) M hat ein bereinigtes Einkommen von 2 000 Euro, V von 3 000 Euro. M bezieht das Kindergeld. Der Bedarf für das 10-jährige Kind beträgt bei einem Gesamteinkommen von 5 000 Euro nach der Einkommensgruppe 10 der DT (Stand 1.1.2014) 583 Euro in der 2. Altersstufe. Es besteht ein Mehrbedarf von 100 Euro (Wohnung + Fahrkosten), so dass sich ein Gesamtbedarf von 683 Euro ergibt. Für die Berechnung der Haftungsanteile wird von den Einkommen der Eltern jeweils ein ihnen zustehender angemessener Eigenbedarf von 1 200 Euro abgezogen,1 so dass sich für M ein Einsatzbetrag von 800 Euro und für V von 1 800 Euro ergibt. Die Summe der Einsatzbeträge beträgt 2 600 Euro. Dies ergibt eine Haftungsquote des V i.H.v. 0,6923 = 69 % und von M i.H.v. 0,3076 = 31 %. Dies ergibt folgende Berechnung: Einkommen von V Einkommen von M Summe
3 000 Euro 2 000 Euro 5 000 Euro
1. Regelbedarf nach DT 2014 Tabellenbedarf
583 Euro
2. Mehrbedarf V: Wohnung M: Fahrtkosten insgesamt
50 Euro 50 Euro 100 Euro
3. Gesamtbedarf
100 Euro 683 Euro
4. Berechnung der Haftungsquote der Eltern V: 3 000 – 1 200 = 1 800 M: 2 000 – 1 200 = 800 Summe der Einsatzbeträge Haftungsquote V: 1 800 / 2 600 = 0,6923 * 683 = Haftungsquote M: 800 / 2 600 = 0,3076 * 683 = 5. Auszugleichende Beträge Anteil V: 473 / 2 = Anteil M: 210 / 2 = Differenz
583 Euro
1 800 Euro 800 Euro 2 600 Euro 473 Euro 210 Euro 237 Euro 105 Euro 131 Euro
V wäre ausgleichspflichtig i.H.v. 131 Euro. Da M noch 92 Euro Kindergeld an V auskehren muss, hat er nur 39 Euro an M zu zahlen (131 – 92 Euro = 39 Euro).
Haben die Eltern annähernd gleich hohe Einkommen, wird meist ein Aus- 270 gleichsanspruch entfallen, abgesehen vom Kindergeldausgleich. Der BGH hat im Urteil vom 21.12.20052 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf dem Grundsatz nach diese Berechnung gebilligt, bei der die Haftungsanteile der Eltern einschließlich des Mehrbedarfs für den gesamten Bedarf anhand des Verhältnisses ihrer Einkünfte berechnet wurden. Durch die Änderungen der Kindergeldberechnung und Struktur der DT seit 1.1.2008 ergeben sich in dem vorstehenden Beispiel Abweichungen bei der Handhabung des Kindergeldes. Eine Entscheidung des BGH zu diesem Problem liegt noch nicht vor.
1 Nur bei engen finanziellen Verhältnissen beider Eltern ist der notwendige Eigenbedarf abzuziehen (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB; ebenso Wendl/Dose/Klinkhammer, § 2 Rz. 426 f. 2 BGH, FamRZ 2006, 1015 (1017) unter Hinweis auf OLG Düsseldorf, NJW-RR 2000, 74 ff. = FamRZ 1999,1530 (LS); OLG Düsseldorf, NJW 2001, 3344 (3345).
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
271
272
Û
Praxishinweis: Können Eltern, die die elterliche Sorge gemeinsam ausüben und das Kind hälftig betreuen, sich nicht über den Unterhalt einigen, muss die Bestellung eines Ergänzungspflegers beantragt werden. Denn ist der Lebensmittelpunkt nicht eindeutig einem Elternteil zuzuordnen, gilt das Alleinvertretungsrecht nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB (Obhutsprinzip) nicht.1 Der Ergänzungspfleger vertritt das Kind dann auch im Unterhaltsstreitverfahren (vgl. Kap. K Rz. 56 f.). Wegen des Anwaltszwangs in Unterhaltsstreitverfahren kann Verfahrenskostenhilfe beantragt werden bei Bedürftigkeit des Kindes. Zur Bezugsberechtigung des Kindergeldes beim Wechselmodell vgl. Rz. 279.
Ist der barunterhaltspflichtige Elternteil zwar nicht hälftig, aber doch über den Rahmen eines üblichen Umgangs hinaus an der Betreuung beteiligt, kann ein zu schätzender Abschlag vom Barbedarf unter Würdigung der Gesamtumstände in Betracht kommen, wenn der mitbetreuende Elternteil Kosten im Einvernehmen mit dem anderen Elternteil für den normal anfallenden Bedarf, wie z.B. für Kleidung übernimmt.2 4. Anwendung der Vortabellen zur Düsseldorfer Tabelle in den neuen Bundesländern und dem Beitrittsteil von Berlin wegen Unterhalts bis zum 31.12.2007
273
Auf Unterhaltsansprüche aus der Zeit bis zum 31.12.2007 finden noch die für die neuen Bundesländer und den Beitrittsteil von Berlin entwickelten Vortabellen i.V.m. der DT Anwendung, wenn das Kind dort lebte. Die Notwendigkeit zur Entwicklung eigener Vortabellen hatte sich nach der Vereinigung ergeben, da die Regelbeträge nach der Regelbetrag-VO, die Grundlage der DT waren, in den neuen Bundesländern niedriger lagen als in den alten Bundesländern. Mit der Einführung eines einheitlichen Mindestunterhalts nach § 1612a Abs. 1 BGB i.V.m. § 36 Nr. 4 EGZPO für die gesamte Bundesrepublik, wird nunmehr seit 1.1.2008 bundesweit nur noch die DT angewendet, denn sie basiert seitdem nicht mehr auf den Regelbeträgen nach der Regelbetrag-VO, sondern den gesetzlich definierten Mindestunterhaltsbeträgen. Wegen der Anwendung der Vortabellen für die Berechnung von Unterhalt für die Zeit bis zum 31.12.2007 wird auf die Erläuterungen in der 6. Auflage sowie die Anmerkungen der Berliner Tabelle als Vortabelle der DT verwiesen.3 5. Unanwendbarkeit des Tabellenunterhalts
274
Lebt das Kind in einem Heim oder bei Pflegeeltern, bestimmt sich sein Bedarf nach den konkret entstehenden Kosten der Heimunterbringung oder Vollzeitpflege. Die insoweit erbrachten Leistungen der öffentlichen Träger erfolgen nicht mehr subsidiär, sondern seit dem 1.10.2005, dem Inkrafttreten des reformierten SGB, bedarfsdeckend.4 D.h., der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen 1 Hennemann, FPR 2006, 295 ff. zu § 1629 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 BGB. 2 BGH v. 12.3.2014 – XII ZB 234/13 Tz. 19 = FamRZ 2014, 917 Tz. 19 = FamRB 2014, 204. 3 Ehinger/Griesche/Rasch, 6. Aufl. Rz. 100, 101. Die DT und Berliner Vortabelle aus 2007 sind veröffentlicht in den Beilage zur NJW Heft 32/2007, zur FPR Heft 7/2007 und zur FamRB Heft 13/2007. Die Tabellen sämtlicher Jahrgänge können in juris unter Arbeitshilfen aufgerufen werden. 4 BGH, FamRZ 2007, 377 ff. m. Anm. Döring-Striening, S. 380 f.
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III. Berechnung des Unterhalts
die Eltern geht nicht auf den Träger über. Dies führt allerdings nicht zu einer Entbindung der Eltern von ihrer Unterhaltspflicht, denn sie werden von den öffentlichen Trägern zu den Kosten herangezogen, wobei sich die Beteiligung der Eltern an den Kosten ausschließlich nach öffentlichem Recht richtet (§§ 92 Abs. 2, 94 Abs. 5 SGBVIII i.V.m. der Ersten Verordnung zur Änderung der Kostenbeitragsverordnung v. 5.12.2013 i.V.m. der Anlage 1, der dazu gehörenden Kostentabelle.1 6. Anrechnung des Kindergeldes Das Kindergeld wird seit dem 1.1.1996 unabhängig von der Höhe des Einkom- 275 mens der Eltern für alle Kinder gezahlt (§§ 66 Abs. 1, §§ 62, 63 EStG und § 6 BKGG) und seitdem in folgender Höhe gewährt: Zeitraum
für das 1. Kind
für das 2. Kind
für das 3. Kind
für jedes weitere Kind
1.1.1996–31.12.1996
200 DM
200 DM
300 DM
350 DM
1.1.1997–31.12.1998
220 DM
220 DM
300 DM
350 DM
1.1.1999–31.12.1999
250 DM
250 DM
300 DM
350 DM
1.1.2000–31.12.2001
270 DM
270 DM
300 DM
350 DM
1.1.2002–31.12.2008
154 Euro
154 Euro
154 Euro
179 Euro
1.1.2009–31.12.2009
164 Euro
164 Euro
170 Euro
195 Euro
Seit 1.1.2010 fortdauernd (Stand 6/2014).
184 Euro
184 Euro
190 Euro
215 Euro
Da das Kindergeld immer nur an einen Berechtigten ausgezahlt wird, erfolgte der Ausgleich zwischen getrennt lebenden Eltern im Rahmen des Unterhaltsrechts bis zum 30.6.1998 nach Grundsätzen, die die Rechtsprechung in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung entwickelt hatte. Vom 1.7.1998 – 31.12.2007 war der privatrechtliche Ausgleich zwischen den Eltern in § 1612b BGB a.F. gesetzlich geregelt. Seit 1.1.2008 ist der Kindergeldausgleich in § 1612b BGB zwischen den Eltern neu geregelt worden, indem das Kindergeld nunmehr auf den Bedarf des Kindes bedarfsmindernd angerechnet wird, vgl. dazu die Darstellung unter Rz. 285 ff. Für bis zum 31.12.2007 fällige Unterhaltsansprüche bleibt der in § 1612b BGB a.F. geregelte Kindergeldausgleich maßgeblich, s. Rz. 289. Zum besseren Verständnis der Ausgleichsregelung sind nachfolgend die Funktion des Kindergeldes im Rahmen des steuerrechtlichen Familienleistungsausgleichs und die Regelung der Bezugsberechtigung im EStG dargestellt. a) Kindergeld im Steuerrecht Da das Kindergeld der finanziellen Entlastung beider Eltern dienen soll, wird es 276 unterhaltsrechtlich nicht mehr dem bedarfsbestimmenden Einkommen der El-
1 BGBl. I 2013, 4041; die Verordnung mit Tabelle kann im Internet unter www.gesetzeim-internet.de eingesehen werden.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
tern zugeschlagen.1 Die Kindergeldbeträge dienen seit 1.1.1996 aufgrund des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11.10.19952 dem Familienleistungsausgleich, d.h., sie sollen durch eine vorweggenommene Steuererstattung in Kombination mit der steuerlichen Freistellung in Höhe des Existenzminimums eines Kindes Familien mit Kindern fördern und steuerlich entlasten (§ 31 EStG). Aufgrund der Beanstandungen des BVerfG3 wurden die Freibeträge der Eltern in der Folgezeit erweitert: Seit dem 1.1.20004 dient die steuerliche Entlastung durch Einräumung eines Kinderfreibetrags nicht mehr nur der Sicherung des Existenzminimums des Kindes, sondern auch der Kompensation des Betreuungsbedarfs für Kinder und seit 1.1.2002 dem Ausgleich von Aufwendungen für Erziehungsund Ausbildungsbedarf.5 277
Die steuerliche Entlastung wird während des laufenden Jahres mit der monatlichen Zahlung des Kindergeldes bewirkt (§ 31 EStG). Das Finanzamt prüft bei der jährlichen Veranlagung von Amts wegen, ob das Kindergeld den Steuervorteil übersteigt oder nicht. Übersteigt das Kindergeld den Steuervorteil, verbleibt dem Steuerpflichtigen der Mehrbetrag. Anderenfalls werden die Freibeträge gewährt und wird das Kindergeld nach § 31 EStG verrechnet.6
278
Bei getrennt lebenden Eltern wird jedem Elternteil der in § 32 Abs. 6 EStG geregelte Freibetrag unter Verrechnung des hälftigen Kindergeldes zugerechnet. Fallen die Freibetragsberechtigung und die Kindergeldberechtigung auseinander, wird dies durch das Verrechnungsgebot nach § 31 EStG ausgeglichen. Die Eintragung des Freibetrags für Kinder auf der Lohnsteuerkarte ist somit nur noch für die Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag von Bedeutung. b) Auszahlung an den Kindergeldberechtigten
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Das Kindergeld wird monatlich vom Beginn des Monats an gezahlt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, bis zum Ende des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen (§ 66 Abs. 2 EStG). Es wird grundsätzlich nur an einen der Berechtigten ausgezahlt (§ 64 Abs. 1 EStG). Die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung wie Wohnsitz, Aufenthaltserlaubnis etc. sind in §§ 62, 63 EStG geregelt. An wen das Kindergeld ausgezahlt wird, bestimmen verheiratete, aber auch unverheiratete, in häuslicher Gemeinschaft wohnende Eltern selbst (§ 64 Abs. 2 Satz 2 EStG). Bei getrennt lebenden, verheirateten oder nicht verheirateten Eltern wird das Kindergeld nach dem sog. Obhutsprinzip an den ausgezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Lebt das Kind je zur Hälfte bei beiden Eltern (Wechselmodell), müssen die Eltern der Familienkasse einen Bezugsberechtigten benennen. Gelingt dies nicht, entscheidet das FamG (§ 64 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 und 4 EStG).7 Wechselt das Kind von der Obhut eines Elternteils in die des anderen, muss die Familienkasse informiert werden; denn dann ändert sich auch die Bezugsberechtigung. Die Familienkasse kann – auch rückwirkend bis zum Zeit1 2 3 4 5 6 7
So jetzt die geänderte Rechtsprechung des BGH, FamRZ 1997, 806. BGBl. I 1995, S. 1250. BVerfG, FamRZ 1999, 285 (291, 295). § 32 Abs. 6 EStG geändert durch das 1. Gesetz zur Familienförderung vom 22.12.1999. § 32 Abs. 6 EStG geändert durch das 2. Gesetz zur Familienförderung vom 16.8.2001. Vgl. die Berechnungsbeispiele bei Kaiser-Plessow, FPR 2003, 36 (37). Ausführlich zu den Voraussetzungen der Kindergeldbestimmung und verfahrensrechtlichen Bestimmung Finke, FPR 2012, 155 (156 f.).
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III. Berechnung des Unterhalts
punkt des Wechsels – bereits gezahltes Kindergeld von dem zuvor Berechtigten zurückverlangen.1 Lebt das Kind nicht mehr im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils, erhält derjenige Elternteil das Kindergeld, der den höheren Barunterhalt zahlt (§ 64 Abs. 3 Satz 2 EStG). Eigene Einkünfte des minderjährigen Kindes aus Erwerbstätigkeit oder einem 280 Ausbildungsverhältnis bleiben bei der Gewährung von Kindergeld unberücksichtigt. Auch bei Kindern über 18 Jahre erhält der bezugsberechtigte Elternteil das Kin- 281 dergeld. Dies gilt bis zum 21. Lebensjahr für arbeitslose und bis zum 25. Lebensjahr für Kinder in der Ausbildung, die keinen Ausbildungsplatz finden oder ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr absolvieren oder behindert sind (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG). Die vergebliche Suche nach einem Ausbildungsplatz muss glaubhaft gemacht werden.2 Behinderte Kinder, deren Behinderung noch vor Vollendung des 25. Lebensjahrs eingetreten ist, werden ohne Altersbegrenzung berücksichtigt (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG). Kindergeld wird nicht mehr gezahlt, wenn das Kind nach einer erstmaligen Berufsausbildung oder einem Erststudium einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S.d. §§ 8 und 8a SGB IV sind unschädlich. Das Kind hat an der Aufklärung des für die Fortzahlung des Kindergeldes maßgebenden Sachverhalts mitzuwirken, z.B. durch Vorlage von Semesterbescheinigungen, Ausbildungsvergütungen etc. (§ 68 Abs. 1 EStG). Das Kind kann die Auszahlung des Kindergeldes an sich beantragen, wenn 282 der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommt (§ 74 Abs. 1 EStG). Das Kindergeld wird auf Antrag durch Bescheid der Familienkasse festgesetzt 283 und ausgezahlt. Die Familienkasse wird im Auftrag der Bundesfinanzverwaltung tätig. Familienkassen wurden im Rahmen der Auftragsverwaltung bei ganz unterschiedlichen Trägern eingerichtet. So übernimmt z.B. im öffentlichen Dienst der Dienstherr die Auszahlung des Kindergeldes, die Bundesagentur für Arbeit hat Familienkassen bei den Arbeitsämtern eingerichtet etc. (§ 72 EStG). Die Auszahlung kann auch an die Person oder Stelle erfolgen (Abzweigung), die 284 dem Kind tatsächlich Unterhalt gewährt (§ 74 Abs. 1 Satz 3 EStG), also z.B. an den Jugendhilfe- oder Sozialhilfeträger, wenn das Kind im Heim lebt.3 c) Der Kindergeldausgleich zwischen den Eltern nach § 1612b BGB seit 1.1.2008 Lebt das Kind bei dem betreuenden Elternteil, erhält dieser in der Regel auch 285 das Kindergeld von der Familienkasse nach dem Obhutsprinzip (§ 64 Abs. 2 EStG). Gegen den nichtbetreuenden Elternteil hat das Kind einen Barunterhalts1 Hußmann, FPR 2003, 65 ff. 2 Bergkaemper, FPR 2003, 44 ff. mit einer umfassenden Übersicht zu den steuerrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen und zur Bezugsberechtigung. 3 Zu den rechtlichen Möglichkeiten des Jugendhilfeträgers auf Rückgriff auf das Kindergeld vgl. Wiesner, FPR 2003, 69 ff.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
anspruch. Von diesem Barbedarf wird bedarfsmindernd die Hälfte des Kindergeldes abgezogen, denn der betreuende Elternteil hat diesen Teil des Kindergeldes für den Barunterhalt des Kindes zu verwenden (§ 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB). Dem betreuenden Elternteil verbleibt die andere Hälfte des Kindergeldes zur Unterstützung der von ihm erbrachten Betreuungsleistung für das Kind, denn diese ist der Barunterhaltsleistung des anderen Elternteils gleichwertig (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB). Beispiel Das Kind hat gegen den nichtbetreuenden Elternteil einen Barbedarf von 317 Euro (1. Altersstufe). Nach Abzug des hälftigen Kindergeldes beträgt der Bedarf (317 Euro – 92 Euro =) 225 Euro. In dieser Höhe hat das Kind einen Mindestunterhaltsanspruch, denn nur insoweit ist es bedürftig.
286
Ist der barunterhaltspflichtige Elternteil nur eingeschränkt leistungsfähig und kann er nur einen geringeren Betrag als den Mindestunterhalt abzüglich des anteiligen Kindergeldes zahlen, verbleibt das Kindergeld ohne weitere Anrechnung auf den zu zahlenden Betrag beim Kind. Die Eltern profitieren vom Kindergeld somit nur noch in der Weise, dass sich der Bedarf des Kindes verringert. Beispiel V hat ein bereinigtes Einkommen von 1 050 Euro. Bei einem Selbstbehalt von 1 000 Euro kann er für sein Kind, das nach der Altersstufe 2 einen Mindestunterhaltsbedarf von 272 Euro hat (364 Euro – 92 Euro anteiliges Kindergeld), nur 50 Euro Unterhalt zahlen. Bei diesem Betrag bleibt es, denn ein anteiliger Kindergeldabzug von diesem Betrag kommt nicht mehr in Betracht, weil der geschuldete Unterhalt hinter dem Mindestunterhalt von 272 Euro zurückbleibt und der betreuende Elternteil das gesamte Kindergeld für den Barbedarf des Kindes zu verwenden hat.
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Wird das Kind nicht von den Eltern betreut und sind beide Eltern barunterhaltspflichtig, wird der Barunterhaltsbedarf durch das volle Kindergeld gemindert (§ 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB). Erst nach Abzug des Kindergeldes wird ermittelt, in welcher Höhe die Eltern für den Restbetrag entsprechend dem Verhältnis ihrer Einkommen aufzukommen haben. Bezieht ein Elternteil das Kindergeld, hat er es dem Kind bzw. dessen Betreuungsperson zur Verfügung zu stellen. Beispiel Das Kind K lebt in einer Wohngemeinschaft. Das Kindergeld erhält der Vater, der das höhere Einkommen hat (§ 64 Abs. 3 Satz 2 EStG). Das Kind hat nach dem Gesamteinkommen der Eltern einen Bedarf von 500 Euro. Nach Abzug des Kindergeldes von 184 Euro haften beide Eltern für den ungedeckten Bedarf von 316 Euro anteilig, entsprechend der Höhe ihrer Einkünfte: der Vater i.H.v. 200 Euro, die Mutter i.H.v. 116 Euro. Der Vater hat zusätzlich zu den 200 Euro noch das Kindergeld an K zu zahlen, also insgesamt 384 Euro.
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Soweit Eltern einen Zuschuss zum Kindergeld ab dem dritten gemeinsamen Kind als sog. Zählkindvorteil erhalten, ist dieser ebenfalls hälftig auszugleichen. Keine Ausgleichspflicht des Zählkindvorteils besteht, wenn das Kindergeld wegen eines nicht gemeinsamen Kindes anfällt (§ 1612b Abs. 2 BGB). d) Der Kindergeldausgleich nach § 1612b BGB a.F. bis 31.12.2007
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Auch nach früherem Recht wurde bis zum 31.12.2007 das Kindergeld jeweils zur Hälfte auf den zu zahlenden Barunterhalt angerechnet, wenn der betreuende Elternteil das Kindergeld bezog. Allerdings gab es Besonderheiten bei der Ver102 Ehinger
III. Berechnung des Unterhalts
rechnung, wenn die Unterhaltsforderung unter 135 % des Regelbetrags lag, das als Existenzminimum galt. Da es noch keine gesetzliche Regelung des Anspruchs minderjähriger Kinder auf einen existenzsichernden Mindestunterhalt gab, war mit Wirkung ab 1.1.2001 mit § 1612b Abs. 5 BGB a.F. eine Regelung geschaffen worden, nach der eine Anrechnung des Kindergeldes zu unterbleiben hatte, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande war, Unterhalt i.H.v. 135 % des Regelbetrags zu zahlen (§ 1612b Abs. 5 BGB a.F.). D.h. der Pflichtige musste immer dann, wenn der nach seinen Einkommensverhältnissen berechnete Tabellenunterhalt unter 135 % des Regelbetrags lag, das auf ihn entfallende Kindergeld in Höhe des für die Bedarfsdeckung des Kindes i.H.v. 135 % fehlenden Betrages zur Verfügung stellen. Die Folge war eine komplizierte Berechnung des Kindesunterhalts, da die Unterhaltsbeträge der DT auf den Regelbeträgen der RegelbetragsVO basierten und der Tabellenunterhalt erst ab der 6. Einkommensgruppe 135 % der Regelbeträge betrug, so dass für alle niedrigeren Einkommen eine besondere Rechnung erforderlich war.1 § 1612b Abs. 5 BGB a.F. hielt zwar der Prüfung durch das BVerfG stand2, wurde aber wegen seiner Kompliziertheit kritisiert, mit der Folge, dass der Gesetzgeber mit Wirkung ab 1.1.2008 den Mindestunterhaltsbedarf minderjähriger Kinder in Höhe des Existenzminimums nunmehr gesetzlich in § 1612a BGB definiert hat und den Kindergeldausgleich in § 1612b BGB durch Vorwegabzug des Kindergeldes vom Bedarf, mit Wirkung ab 1.1.2008 vereinfachend geregelt hat. e) Der Kindergeldausgleich beim Wechselmodell Betreuen Eltern das Kind je zur Hälfte nach dem sog. Wechselmodell, dann ent- 290 spricht diese Betreuungskonstellation nicht dem Modellfall des Kindergeldausgleichs nach § 1612b BGB (s. dazu Rz. 285), gleichwohl hat das Kindergeld zu gleichen Anteilen jedem Elternteil für den Bedarf und die Betreuung des Kindes zur Verfügung zu stehen. Deshalb hat der Elternteil, der das Kindergeld bezieht, die Hälfte an den anderen Elternteil auszukehren. Zur Regelung der Barunterhaltspflicht beider Eltern beim Wechselmodell mit Kindergeldausgleich vgl. Rz. 265 ff. mit Beispiel. f) Kinderzulagen und Kinderzuschüsse Sofern Unterhaltsverpflichtete mit dem Kindergeld vergleichbare Leistungen be- 291 ziehen, wie z.B. Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, Kinderzuschüsse aus den gesetzlichen Rentenversicherungen oder Leistungen von einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung, die den Bezug von Kindergeld ausschließen (§ 65 EStG), sind diese bis zur Höhe des durch sie verdrängten Kindergeldes wie dieses zu behandeln (§ 1612c BGB).3 Darüber hinausgehende oder andere Zulagen und Zuschüsse werden dem unterhaltsrelevanten Einkommen des beziehenden Elternteils zugerechnet. Welche Leistungen das Kindergeld ausschließen, ist abschließend in § 65 EStG und § 4 Abs. 1 BKGG geregelt.4
1 2 3 4
Zu den Einzelheiten der Berechnungen s. die 6. Aufl. Rz. 110 ff. FamRZ 2003, 1370. BGH, FamRZ 1988, 604 ff. BFH, FamRZ 2012, 1804 zur Qualifizierung in der Schweiz bezogener Kinderzulagen als Familienleistung, die geeignet ist, den Kindergeldbezug in Deutschland auszuschließen.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
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Beispiel V bezieht eine Verletztenrente, in der eine Kinderzulage enthalten ist. Liegt die Rente bei 850 Euro, muss V bei einem ihm zustehenden Eigenbedarf von 800 Euro 50 Euro an sein Kind zahlen. Beträgt die Rente inkl. Kinderzulage allerdings nur 730 Euro, muss er – trotz der Verfehlung des rechtspolitischen Zwecks des Kinderzuschusses – die Kinderzulage nicht auszahlen, damit ihm selbst das Existenzminimum verbleibt.1
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Das Kind kann, wenn es keinen Unterhalt vom Verpflichteten erhält, beim Rentenversicherungsträger die Auszahlung des Kinderzuschusses in Höhe des Kindergeldes an sich beantragen; denn der Kinderzuschuss kann auf Antrag an das Kind ausgezahlt werden, wenn es nicht vom Rentenberechtigten unterhalten wird. 7. Mehrbedarf und Sonderbedarf
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Mehrbedarf entsteht bei fortlaufenden Mehrausgaben für das Kind, die mit dem Tabellenunterhalt entweder überhaupt nicht oder nicht in Höhe der tatsächlich entstehenden Kosten abgedeckt werden, die aber gemäß § 1610 Abs. 1 BGB zum allgemeinen Lebensbedarf gehören. Dies sind z.B. Krankenversicherungsbeiträge (minderjährige Kinder sind allerdings i.d.R. bei den Eltern mitversichert) oder besondere Ausgaben wegen eines Internatsaufenthalts, des Besuchs einer Privatschule, überdurchschnittliche Kosten für Sport- oder Musikunterricht bei besonderer Begabung,2 Kosten für regelmäßig zu besuchende, längerfristige Sprachkurse, privaten Förderunterricht3 oder Nachhilfe4 und für behinderungs- oder krankheitsbedingten Mehrbedarf wie z.B. wiederkehrend erforderliche Sehhilfen.5 Zur Definition des allgemeinen Lebensbedarfs s. Rz. 16 und den vom Tabellenunterhalt abgedeckten Bedarfsbereichen s. Rz. 26 ff.
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Für den Mehrbedarf, der über den Tabellenunterhalt hinausgeht, muss immer ein besonderes Bedürfnis sprechen und die insoweit entstehenden Kosten müssen wirtschaftlich für den Verpflichteten zumutbar sein. Entstehen z.B. Kosten für den Besuch einer Privatschule und hat ein Elternteil dies allein, aufgrund seines alleinigen Sorgerechts oder weil ihm die Entscheidung über die Schulauswahl gem. §§ 1687 Abs. 1 S. 1, 1628 BGB vom FamG allein übertragen wurde, entschieden, muss der Unterhaltspflichtige die Entscheidung über die Schulwahl zwar hinnehmen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er auch für die Kosten allein oder teilweise aufzukommen hat. Ob und inwieweit er unterhaltsrechtlich für die entstehenden Mehrkosten (mit-)haftet, hängt von der sachlichen Begründung der kostenverursachenden Entscheidung ab und inwieweit ihm eine weitere Kostentragung wirtschaftlich zumutbar ist.6
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Der BGH qualifiziert alle für den Besuch eines Kindergartens oder in einer vergleichbaren Einrichtung für die Betreuung eines Kindes entstehenden Kosten, abzüglich der darin enthaltenen Kosten für Essen, als Mehrbedarf, weil sie nach seiner Interpretation nicht im Tabellenunterhalt – weder im Mindestunterhalt noch in höheren Tabellenbeträgen – enthalten seien. Dabei orientiert sich der 1 2 3 4 5 6
BGH, FamRZ 1988, 606. BGH, FamRZ 2001, 1603. BGH, FamRZ 2013, 1563. OLG Schleswig, FamRZ 2012, 990 (991 f.). OLG Brandenburg, FamRZ 2012, 1399 ff. BGH, FamRZ 1983, 48; OLG Koblenz, FamRZ 2005, 1006.
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III. Berechnung des Unterhalts
BGH bei der Klärung, welche Kosten im Tabellenunterhalt enthalten sind, an dem Existenzminimumbericht der Bundesregierung, der Grundlage für die Berechnung des steuerlichen sächlichen Kinderfreibetrags ist, der wiederum maßgeblich ist für den Mindestunterhalt nach § 1612a BGB, der der Ausgangspunkt der DT ist.1 Kosten für den Besuch eines Kindergartens oder einer vergleichbaren Einrichtung für die Betreuung eines Kindes in einer kindgerechten Einrichtung sollen ab dem dritten Lebensjahr, sowohl bei halbtägigem als auch ganztätigem Besuch, vorrangig erzieherischen Zwecken dienen und sind deshalb notwendiger Bedarf des Kindes und nicht des betreuenden Elternteils.2 Seine zuvor vertretene Differenzierung zwischen den Kosten für einen halbtägigen Kindergartenbesuch, die im Tabellenunterhalt in Höhe des Existenzminimums (Mindestunterhalt) abgedeckt, und den darüber hinausgehenden Kosten für einen ganztägigen Besuch, die Mehrbedarf des Kindes sein sollten,3 hat der BGH mit Urteil vom 26.11.2008 aufgegeben zugunsten der einheitlichen Zuordnung der Kindergartenkosten (abzüglich der Essenskosten) als Mehrbedarf.4 Siehe dazu auch die Nr. 10.3 und 12.4 der LL der OLG.5 Bisher nicht vom BGH explizit entschieden ist die Behandlung von Kosten für 297 die Kinderkrippe und den Hort. Auch diese sollten als Mehrbedarf behandelt werden, denn es handelt sich ebenfalls um kindgerechte Einrichtungen, die immer auch erzieherischen Zwecken verpflichtet sind,6 indem sie die sozialen Kompetenzen, bei Kindern mit Migrationshintergrund oder aus bildungsfernen Familien außerdem die sprachliche Entwicklung fördern und im Hort eine Schularbeitenbetreuung anbieten. Deshalb gehören auch die Kosten dieser Erziehungseinrichtungen zum allgemeinen Lebensbedarf eines unterhaltsbedürftigen Kindes (§ 1610 Abs. 2 BGB), wobei ebenfalls Kosten für die Ernährung abzugsfähig sind. Kosten für die Ernährung sind aus dem laufenden Tabellenunterhalt zu bestreiten. Für die Eltern besteht die Möglichkeit, für die Hort- und Krippenbetreuung den 298 Steuerfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG für Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf in Anspruch zu nehmen (s. Rz. 29). Für die Berechnung der Höhe des Mehrbedarfs ergibt sich noch die Problematik, 299 ob und in welcher Höhe die zusätzlichen Kosten durch den Tabellenunterhalt abgedeckt wird bzw. abzudecken sind. Dazu ist zunächst zu klären, ob die Extrakosten für einen Bedarf entstehen, der bereits im Tabellenunterhalt berücksichtigt ist (zu den Bedarfsbereichen des Tabellenunterhalts Rz. 26 f.). Ist dies der Fall, ist der Betrag zu schätzen, mit dem der Mehrbedarf aus dem Tabellenunterhalt zu bestreiten ist (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 287 Abs. 2 ZPO). Nach Auffassung des OLG Brandenburg kann z.B. ein Teil des Mehrbedarfs für Schulgeld aus dem Tabellenunterhalt zu bestreiten sein, soweit der Bedarf ab der zweiten Einkom-
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BGH, FamRZ 2009, 962 Tz. 21 ff. BGH, FamRZ 2009, 962 ff. mit Anm. Born, S. 965 f. BGH, FamRZ 2008, 1152 (1153), mit Anm. Born, S. 1155. BGH, FamRZ 2009, 962 (963 f.) m. Anm. Born, S. 965 f.; NJW 2009, 1816 m. Anm. Maurer. 5 Eine Übersicht zur Rezeption der Rechtsprechung des BGH in den Leitlinien gibt Riegner, FPR 2010, 129 ff.; Graba, FamRZ 2010, 601 (602). 6 So zu den Hortkosten Reinken, FPR 2013, 128 (130); ebenso Griesche, FamFR 2012, 11; OLG Brandenburg, FamFR 2013, 485; a.A. OLG Naumburg, NJW 2012, 623.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
mensgruppe bestimmt wird.1 Auch das OLG Hamm geht in Bezug auf regelmäßigen Reit- und Klavierunterricht davon aus, dass dieser anteilig dem Bedarf Freizeit, Unterhaltung, Kultur zuzuordnen und bereits mit einem nach § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzenden Betrag im Tabellenunterhalt abgedeckt ist. Nur hinsichtlich des überschießenden Betrags handele es sich um ausgleichspflichtigen Mehrbedarf. Dieser Auffassung ist zuzustimmen, weil nicht jede Erhöhung eines Bedarfsbereichs des Tabellenunterhalts einen Mehrbedarf für das Kind begründet. Denn für den Tabellenunterhalt gilt die Anforderung, den erhöhten Bedarf in einem Bereich durch einen geringeren Bedarf in einem anderen Bereich auszugleichen. Diese Anforderung, mit dem Tabellenunterhalt zunächst zurechtzukommen, wird umso zumutbarer, je höher das Niveau des Tabellenunterhalts steigt. Des Weiteren ist zu beachten, dass der Gesetzgeber für die Bemessung des dem Tabellenunterhalt zugrundeliegenden steuerrechtlichen Existenzminimums nicht nur auf das sozialrechtliche Existenzminimum für Kinder abstellt, sondern für die Pauschalierung des Freibetrags auch steuerpolitische Gesichtspunkte mitberücksichtigt, was dazu führt, dass der Betrag höher liegen kann als im sozialrechtlichen Existenzminimum aufgeführt. S. zu der Bestimmung der einzelnen Bedarfsbereiche und Abgrenzungsproblematik ausführlich Rz. 30. 300
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Praxishinweis: Der Mehrbedarf muss zusammen mit dem Tabellenunterhalt als laufende monatliche Unterhaltsrente geltend gemacht werden und erfordert auch eine nähere Begründung, inwieweit die Kosten über die bereits im Tabellenunterhalt enthaltenen Bedarfe hinausgehen.2 Dazu ist eine sehr genaue Aufstellung der tatsächlich anfallenden Kosten erforderlich. Zur Problematik der Anforderungen an die Abgrenzung zum bereits im Tabellenunterhalt berücksichtigten Bedarf s. Rz. 30. Da Mehrbedarf Teil des allgemeinen Lebensbedarfs ist und regelmäßig anfällt, wird er – wenn erstmalig ein Streitverfahren durchgeführt wird – als Zuschlag zum Tabellenunterhalt beantragt. Der Antrag kann so formuliert werden: Es wird beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, ab dem … jeweils monatlich im Voraus am Ersten eines Monats an den Antragsteller monatlich 350 Euro (401 Euro Tabellenunterhalt + 41 Euro Mehrbedarf – 92 Euro hälftiges Kindergeld) zu zahlen. Wird dynamischer Unterhalt als Prozentsatz des Mindestunterhalts beantragt, kann der Antrag gefasst werden wie folgt: Es wird beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, an den am 3.2.2009 geborenen Antragsteller jeweils monatlich im Voraus am Ersten eines Monats eine Unterhaltsrente von 110 % des jeweiligen Mindestunterhalts 1. ab 1.3.2013 der Altersstufe 1, 2. ab 1.2.2015 der Altersstufe 2, 3. ab 1.2.2021 der Altersstufe 3 nach § 1612a Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB abzüglich der Hälfte des jeweiligen gesetzlichen Kindergeldes für ein erstes Kind zuzüglich eines Mehrbedarfs
1 OLG Brandenburg, FamFR 2013, 485; a.A. OLG Hamm, NJW-RR 2013, 134. 2 BGH, FamRZ 2001, 1603 zur Schätzung des Bedarfs bei Förderung der Entwicklung zum Konzertpianisten.
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III. Berechnung des Unterhalts
von 41 Euro zu zahlen. Der sich bei der Berechnung des Unterhalts ergebende Betrag ist auf volle Euro aufzurunden. Fällt der Mehrbedarf erst an, wenn bereits ein Unterhaltstitel besteht, ist im Wege des Abänderungsverfahrens vorzugehen (gem. §§ 238, 239 FamFG, s. dazu Kap. K Rz. 330 ff. und Kap. K Rz. 363 ff.).1 Nicht möglich ist es, im Unterhaltsstreitverfahren einen Leistungsantrag ohne Beachtung eines bereits bestehenden Unterhaltstitels zu stellen! Für den regelmäßigen zusätzlichen Mehrbedarf haften i.d.R. beide Eltern antei- 301 lig nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB).2 Dabei sind zur Berechnung der Haftungsanteile der Eltern die Einsatzbeträge in der Weise zu ermitteln, dass von den bereinigten Einkommen die angemessenen Eigenbedarfssätze der Eltern abzuziehen sind.3 Für den Abzug des angemessenen Eigenbedarfs spricht, dass bei einem erheblichen Gefälle zwischen den Einkommen der Eltern der weniger verdienende Elternteil in geringerem Maße mit den Kosten belastet wird. Dies zeigt die nachfolgende Berechnung: Beispiel Beide Eltern sind erwerbstätig. M betreut das gemeinsame Kind, V zahlt Barunterhalt für das Kind in Höhe von 273 Euro. Mehrbedarf besteht für Kindergartenkosten i.H.v. 250 Euro (ohne Essensanteil). Bei Abzug des angemessenen Eigenbedarfs hat sich V mit 180 Euro am Mehrbedarf für den Kindergarten zu beteiligen, M mit 70 Euro. Bei Abzug des notwendigen Eigenbedarfs würde der Beitrag von V 168 Euro und von M 83 Euro betragen: Abzug des angemessenen Eigenbedarfs Einkommen M 1 500 Euro Einkommen des V abzgl. des 2 000 Euro Kindesbarunterhalts Mutter 1 500 – 1 200 = 300 Euro Vater 2 000 – 1 200 = 800 Euro Summe 1 100 Euro
Abzug des notwendigen Eigenbedarfs Einkommen M 1 500 Euro Einkommen des V abzgl. des 2 000 Euro Kindesbarunterhalts Mutter 1 500 – 1 000 = 500 Euro Vater 2 000 – 1 000 = 1 000 Euro Summe 1 500 Euro
Quote Mutter (300 / 1 100 × 100 =) Quote Vater (800 / 1 100 × 100 =) Kindergartenkosten Haftungsanteil der Mutter Haftungsanteil des Vaters
Quote Mutter (500 / 1 500 × 100 =) Quote Vater (1 000 / 1 500 × 100 =) Kindergartenkosten Haftungsanteil der Mutter Haftungsanteil des Vaters
28 % 72 % 250 Euro 70 Euro 180 Euro
33 % 67 % 250 Euro 83 Euro 168 Euro
Bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit beider Eltern ist immer der notwendige Eigenbedarf für die Berechnung der Haftungsanteile einzusetzen (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Verteilungsquote unterliegt einer abschließenden Angemessenheitskontrol- 302 le und kann aus Billigkeitsgründen z.B. zugunsten des betreuenden Elternteils verändert werden, wenn dieser für ein behindertes Kind erhöhte Betreuungsleistungen erbringt.4 Bei einem erheblich höheren Einkommen eines Elternteils kann es angemessen sein, ihm allein die Kostenlast aufzuerlegen. Dies gilt selbst dann, wenn dies der betreuende Elternteil ist (s. Rz. 54 ff.). Der barunter1 Graba, FamFR 2012, 337 (339). 2 BGH, FamRZ 2008, 1152 (1154); 2009, 962 (965). S. dazu Nr. 12.4 der LL. 3 BGH, FamRZ 2009, 962 (965) m. Anm. Born, S. 965 f. Zur Handhabung der OLG s. Nr. 12.3 i.V.m. 13.3 der LL. 4 BGH, FamRZ 1983, 689 ff.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
haltspflichtige Elternteil haftet allein, wenn der betreuende Elternteil nicht leistungsfähig ist, Gleiches gilt umgekehrt. 303
Der Mehrbedarf als zusätzlicher Bedarf zum Tabellenunterhalt lässt sich dogmatisch abgrenzen von dem „Mehrbedarf“, der gegeben sein muss, wenn das Kind einen über der Tabellenhöchststufe liegenden Unterhalt wegen überdurchschnittlichen Einkommens des Verpflichteten geltend macht. Es besteht zwar die Gemeinsamkeit, dass in beiden Fällen ein über den Tabellenunterhalt hinausgehender regelmäßiger Bedarf besteht. Im Detail ergeben sich allerdings wesentliche Unterschiede, nicht zuletzt auf der Rechtsfolgenseite: Da beim Mehrbedarf als zusätzlichen Bedarf zum Tabellenunterhalt der Tabellenunterhalt bereits das Ergebnis einer Unterhaltsbemessung unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des barunterhaltspflichtigen Elternteils ist und der Mehrbedarf für ihn eine zusätzliche Mehrbelastung darstellt, ist immer noch die sachliche Begründung und Notwendigkeit des Mehraufwands zu prüfen, denn Unterhaltspflichten schränken die grundrechtlich geschützte finanzielle Dispositionsfähigkeit des Verpflichteten ein und unterliegen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.1 Außerdem gilt insoweit § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB, d.h. beide Eltern haften für den Mehrbedarf entsprechend dem Verhältnis ihrer Einkünfte.
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Anders verhält es sich beim Kindesunterhalt, wenn eine oberhalb der Tabellenhöchststufe liegende Unterhaltsrente beantragt wird wegen eines überdurchschnittlich hohen Einkommens des Verpflichteten. Insoweit verlangt die Rechtsprechung zwar ebenfalls eine Begründung dafür, warum und in welcher Höhe ein Bedarf besteht, der über den (höchsten) Tabellenunterhalt hinausgeht. Diese Anforderung zur Begründung des „Mehrbedarfs“ dient aber primär der Klärung, in welchem Umfang das Kind aufgrund seines Anspruchs auf angemessenen Unterhalt nach § 1610 Abs. 1 BGB beanspruchen kann, an der gehobenen Lebensstellung des verpflichteten Elternteils teilzuhaben, für den dieser allein aufzukommen hat. Da nach Auffassung des BGH der Kindesunterhalt nach der DT in der höchsten Einkommensstufe bereits reichlich bemessen ist, soll das Kind seinen darüber hinausgehenden „Mehrbedarf“ näher begründen, ohne dass insoweit übertriebene Anforderungen an die Darlegungslast zu stellen sind.2 Die Anforderungen an die Darlegungslast können für diese Fallgruppe vor allem deshalb weniger streng sein, weil die Bemessung des Unterhalts nicht die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten berührt und sich damit nicht die Frage der Zumutbarkeit der Belastung stellt (Art. 2 I GG).3 Zu den grundgesetzlichen Schranken von Unterhaltsbelastungen s. die Ausführungen zur Leistungsfähigkeit Rz. 40.
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Praxishinweis: Ist absehbar, dass eine Mehrbedarf erzeugende Maßnahme im Interesse des Kindes zu treffen ist, für den die Eltern anteilig haften, sollte möglichst schon vorher die (schriftliche) Zustimmung des barunterhaltspflichtigen Elternteils zu seiner Kostenbeteiligung oder -übernahme eingeholt werden, um einen späteren Streit darüber zu vermeiden. Mindestens empfiehlt sich, ihn rechtszeitig zur Zahlung aufzufordern, denn Mehrbedarf kann als Teil des laufenden Unterhaltsbedarfs immer nur ab Inverzug-
1 BVerfG, FamRZ 1981, 745. 2 BGH, FamRZ 2000, 358. 3 BVerfG, FamRZ 2001, 1685 = NJW-RR 2002, 73.
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III. Berechnung des Unterhalts
setzung, d.h. ab dem 1. des Monats in dem ihm das Zahlungsaufforderungsschreiben zugeht, bzw. der Anspruch rechtshängig wird, geltend gemacht werden (§ 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB, s. Rz. 368). Bei der Berechnung der Höhe sollte mitgeprüft werden, in welcher Höhe ein Teil der Kosten ggfs. bereits durch den Tabellenunterhalt abgedeckt ist. S. dazu Rz. 26 f., Rz. 30. Sonderbedarf kann nur wegen eines unregelmäßigen, außergewöhnlich hohen 306 Bedarfs verlangt werden (§ 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Dabei interpretiert der BGH den im Gesetz als unregelmäßigen, außergewöhnlich hohen Bedarf bezeichneten Sonderbedarf in dem Sinne, dass der Sonderbedarf neben dem laufenden Barunterhalt überraschend und der Höhe nach nicht abschätzbar auftritt. Unregelmäßig i.S. von § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist danach nur der Bedarf, „der nicht mit Wahrscheinlichkeit vorauszusehen war und deswegen bei der Bemessung der laufenden Unterhaltsrente nicht berücksichtigt werden konnte“.1 Wann ein in diesem Sinne unregelmäßiger Bedarf zugleich außergewöhnlich hoch ist, hängt letztlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Diese durch Einführung des Kriteriums der Vorhersehbarkeit restriktive Auslegung beruht auf der Überlegung, dass der Schuldnerschutz es gebiete, die Anforderungen streng zu fassen. Denn anders als beim laufenden Unterhalt kann der Unterhaltsgläubiger in Abweichung von § 1613 Abs. 1 BGB den Sonderbedarf auch rückwirkend geltend machen, so dass die Anforderungen an eine zusätzliche Belastung des Schuldners entsprechend streng sein müssen.2 Sonderbedarf wird deshalb nur relativ selten zugestanden; denn der Unterhaltsberechtigte ist gehalten, für erkennbar längerfristigen, höheren Bedarf Rücklagen zu bilden oder diesen als Mehrbedarf geltend zu machen. So stellen Ausgaben für Kinderzimmer, Kommunion, Konfirmation oder Klassenreisen keinen Sonderbedarf dar, denn sie sind i.d.R. vorhersehbar und es können Rücklagen gebildet werden.3 Vorhersehbar längerfristig anfallende hohe Kosten z.B. für Nachhilfestunden stellen Mehrbedarf dar,4 wenn sie nicht aus dem laufenden Unterhalt finanziert werden können. Sonderbedarf ist aber z.B. angenommen worden bei kostspieligen Klassenreisen ins Ausland, Klassenskireise, kieferorthopädischer oder heilpädagogischer Behandlung,5 erforderlichem Umzug,6 behinderungsbedingten Anschaffungen, Kosten eines Computers oder teurer Software bei Lernschwierigkeiten des Kindes.7 Die Anforderung an eine Rücklagenbildung wird allerdings in den Fällen nicht greifen, in denen die laufende Unterhaltsrente nicht hoch genug ist, um Rücklagen zu bilden. In dem Fall wird man dem Kind nicht die Geltendmachung von Sonderbedarf versagen können, insbesondere wenn die
1 BGH, FamRZ 2006, 612; Kritisch zum vom BGH geforderten Überraschungsmoment Norpoth, FamFR 2013, 481 ff. 2 BGH, FamRZ 2006, 612 (613). 3 Zur Klassenreise so auch OLG Jena, FamRZ 1997, 448; OLG Hamm, NJW 2011, 1087; OLG Bremen, FamRZ 2003, 1585 L. So auch BGH zu Konfirmationskosten vgl. BGH, FamRZ 2006, 612 ff.; a.A. OLG Hamm, FamRZ 2003, 1585 für Sonderbedarf bei kostenintensiven Fahrten. 4 Längerfristig anfallende Nachhilfekosten sind Mehrbedarf BGH, FamRZ 2013, 1563 Rz. 7; OLG Düsseldorf, FamRB 2006, 138 m. Anm. Bißmaier; OLG Koblenz, FamRZ 2005,1006; vorübergehender Unterricht kann Sonderbedarf sein OLG Köln, FamRZ 1999, 531, was auch von der Höhe des mtl. Unterhalts abhängt. 5 OLG Frankfurt, FamRZ 2011, 570. 6 BGH, FamRZ 1983, 29. 7 OLG Hamm, FamRZ 2004, 830; KG, FamRZ 2003, 1584.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
Kosten nicht immer vorab in der Höhe einschätzbar sind, wie z.B. bei Klassenreisen ins Ausland.1 In jedem Fall ist im Streitverfahren eine besondere Begründung erforderlich, warum die Kosten nicht aus dem laufenden Unterhalt bestritten werden können und notwendig entstanden sind. Insoweit sind auch zu beachten die mit dem Tabellenunterhalt abgedeckten Bedarfsbereiche, s. dazu Rz. 30. 307
Der Sonderbedarf kann für die Vergangenheit innerhalb eines Jahres seit seiner Entstehung von dem Verpflichteten verlangt werden (§ 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB), nach Ablauf eines Jahres seit seiner Entstehung aber nur, wenn der Verpflichtete vorher in Verzug geraten oder der Anspruch rechtshängig geworden ist. Beispiel K (13 Jahre) braucht nach der Trennung der Eltern eine psychotherapeutische Behandlung, die 1 500 Euro kostet, am 1.1.2012 beginnt und deren Bezahlung am 31.12.2012 fällig wird. Der Sonderbedarf kann bis zum 31.12.2013 ohne vorherige Mahnung oder Klage gegenüber dem barunterhaltspflichtigen Vater geltend gemacht werden.
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Bei Verfahrenskosten handelt es sich auch um Sonderbedarf. Für dessen Geltendmachung sind die besonderen, anspruchseinschränkenden Voraussetzungen zum Verfahrenskostenvorschuss nach § 1360a Abs. 4 BGB zu beachten, der entsprechend anwendbar ist. Vgl. zur dogmatischen Begründung des Anspruchs Rz. 394. 8. Bedürftigkeit des Kindes in Höhe des errechneten Bedarfs
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Unterhaltsberechtigt ist nur, wer bedürftig ist, also außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 1602 Abs. 1 BGB). Erzielt das minderjährige Kind eigene Einkünfte aus Vermögen oder Erwerbstätigkeit, z.B. eine Ausbildungsvergütung, so muss es diese für seinen Unterhalt verwenden. Die Einkünfte werden, ebenso wie das Kindergeld, bedarfsmindernd zur Hälfte wegen der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt2 (vgl. das nachfolgende Beispiel unter Rz. 311) vom errechneten Tabellenunterhalt abgezogen. Verbleibt dann noch ein ungedeckter Bedarf, so besteht der Unterhaltsanspruch nur noch in dieser Höhe.
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Das Kind muss für seinen Unterhalt nicht das Vermögen in der Substanz, den Vermögensstamm, angreifen, sondern nur die (Netto-)Einnahmen verwenden, die es aus dem Vermögen abzüglich der Erhaltungskosten zieht, z.B. Mieteinnahmen, Zinseinkünfte, Gewinnbeteiligungen. Wird unterhaltsrechtlich vorwerfbar versäumt, zumutbare Einnahmen aus dem Vermögen zu erzielen, können diese bei der Unterhaltsberechnung als fiktive Einkünfte des Kindes unterstellt werden. Reichen die Erträge aus dem Vermögen nicht aus, um den Bedarf des Kindes zu decken, und sind die Eltern ohne Gefährdung ihres eigenen angemessenen Unterhalts nicht leistungsfähig, dann ist das Kind gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB auf seinen Vermögensstamm zu verweisen. Es muss das Kapi1 KG, FamRZ 2003, 1584 zu den Kosten einer Konfirmationsfeier; zur Problematik s. auch Wendl/Dose/Scholz, § 6 Rz. 4. 2 Zur hälftigen Anrechnung eigener Einkünfte des Kindes auf den Barbedarf wegen der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt vgl. BGH, FamRZ 1980, 1109 (1111); 1981, 541 (543); 1988, 159 (161).
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III. Berechnung des Unterhalts
tal verbrauchen oder sein Mietshaus, seine Wertpapiere, seine Firmenbeteiligung veräußern, um davon zu leben.1 Für diese Entscheidungen muss der sorgeberechtigte Elternteil ggf. die Genehmigung des Familiengerichts einholen (§§ 1643 Abs. 1, 1821, 1822 BGB). Die Ausbildungsvergütung eines Minderjährigen ist vor ihrer Anrechnung um 311 den nachzuweisenden ausbildungsbedingten Mehraufwand zu kürzen. In einigen OLG-Bezirken ist dieser Aufwand auch als Pauschale (zzt. ca. 90 Euro) abziehbar, andere OLG bestehen auf die konkrete Darlegung berufsbedingten Aufwands.2 Die Einnahmen des Minderjährigen werden ebenfalls nur zur Hälfte auf den errechneten Barbedarf angerechnet; denn die andere Hälfte verbleibt wegen der gleichwertigen Betreuungsleistung auf Seiten des anderen Elternteils.3 Beispiel Ein Minderjähriger lebt bei der Mutter, die das Kindergeld bezieht, und hat nach dem Einkommen des Vaters V einen Bedarf nach der DT i.H.v. 420 Euro (512 – 92 = 420 Euro). Er erhält eine Ausbildungsvergütung i.H.v. 400 Euro, benötigt eine Monatskarte für öffentliche Verkehrsmittel für 50 Euro, so dass ihm 350 Euro verbleiben. Davon sind 175 Euro (350 / 2 = 175 Euro), nämlich die Hälfte der bereinigten Lehrlingsvergütung auf den Bedarf anzurechnen, so dass V noch 245 Euro zu zahlen hat.
Keine Anrechnung finden Einkünfte von Schülern aus Ferienjobs oder Neben- 312 tätigkeiten wie Nachhilfeunterricht, Zeitungsaustragen, wenn der Unterhaltspflichtige nicht den vollen Unterhalt zahlt; denn diese Einkünfte stammen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit (Rz. 136), auf die die Grundsätze des § 1577 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechende Anwendung finden.4 Einen Schüler trifft neben dem Schulbesuch keine Pflicht zur Erwerbstätigkeit. Anders als bei Studenten gilt dieser Grundsatz nicht nur im Regelfall, sondern stets.5 Wird der Mindestunterhalt gezahlt, ist nach den Grundsätzen über die Behandlung von Einkünften aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit eine Billigkeitsabwägung vorzunehmen, ob von den Einkünften ein Teil unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen ist. Dabei sind die Belange des Berechtigten und Verpflichteten unter Einbeziehung der wirtschaftlichen Verhältnisse gegeneinander abzuwägen. Bei Schülerarbeit findet eine Anrechnung nur bei besonders schützenswerten Interessen des Verpflichteten statt.6 Nicht anzurechnen sind Einkünfte eines Schülers, bloß weil sie ein großzügig bemessenes Taschengeld übersteigen und die Einkünfte nicht der Deckung besonders anzuerkennender Bedürfnisse dienen.7 Erzielt das Kind aber z.B. aus einer künstlerischen Tätigkeit als Schauspieler oder Sänger laufende oder unregelmäßige, aber sehr hohe Einkünfte, kann Ergebnis einer Billigkeitsabwägung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern und des Interesses des Kindes an der Sicherung einer qualifizierten Ausbildung sein, dass diese als eigenes Einkommen z.B. teilweise oder vollständig bedarfsmindernd anzurechnen sind. Ob einem Minderjährigen, der gegen seine Obliegenheit verstößt, sich ausbilden 313 zu lassen und mindestens einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, ein fiktives Ein1 2 3 4 5 6 7
BGH, FamRZ 1984, 682. Vgl. jeweils die Nr. 10.2.3 der Leitlinien des zuständigen OLG. BGH, FamRZ 1981, 541 (543). BGH, FamRZ 1995, 475. OLG Köln, FamRZ 1996, 1102. OLG Köln, 14. Senat, FamRZ 1996, 1102. Anders: OLG Köln, 26. Senat, FamRZ 1995, 55.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
kommen auf seinen Bedarf angerechnet werden kann, ist umstritten. Die Frage hat keine Relevanz für minderjährige Kinder, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben; denn sie unterliegen noch der allgemeinen Schulpflicht und dürfen nicht erwerbstätig sein (§ 2 Abs. 3, § 5 Abs. 1 JArbSchG). Ab dem 16. Lebensjahr kann das Kind jedoch auf eine Erwerbstätigkeit verwiesen werden, wenn es seiner unterhaltsrechtlichen Obliegenheit, sich ausbilden zu lassen, die mit der Pflicht der Eltern korrespondiert, dem Kind eine angemessene Vorbildung für einen Beruf zu ermöglichen, nicht nachkommt. Dabei ist jedoch zu differenzieren: 314
Dem Kind ist zunächst nach Abschluss der Schule eine Orientierungsphase zuzugestehen, in der es sich um einen Ausbildungsplatz bemühen kann.1 Ergeben sich erhebliche Schwierigkeiten, einen Ausbildungsplatz zu finden oder liegen lange Wartezeiten zwischen der Beendigung der Schule und dem Beginn der Ausbildung, kann von dem Jugendlichen erwartet werden, dass er in einem angemessenen Rahmen durch Aufnahme von Aushilfsarbeiten oder Teilzeitjobs einen eigenen Beitrag zu seinem Unterhalt erbringt.2 Dabei hängt das Maß des zu fordernden Einsatzes von der Dauer der zu überbrückenden Zeitspanne, den Arbeitsmöglichkeiten, aber auch von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern ab.
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Kommt das Kind seinen Obliegenheiten nicht nach, lehnt es die Fortsetzung des Schulbesuchs sowie die Aufnahme einer Ausbildung ab und beansprucht gleichwohl Unterhalt, wird überwiegend in der Rechtsprechung vertreten, dass ihm ein fiktives Einkommen aus einer zumutbaren Erwerbstätigkeit auf den errechneten Bedarf angerechnet werden kann, sofern eine reale Beschäftigungschance besteht.3 Die Anrechnung erfolgt dann in voller Höhe, wenn das Kind bei keinem Elternteil mehr lebt; nur in halber Höhe, wenn es noch im Haushalt eines Elternteils lebt. Bemessungsmaßstab für die Höhe fiktiver Einkünfte ist das erzielbare Einkommen aus einer Tätigkeit, die der Jugendliche realistischerweise ausüben könnte und für die kein Arbeitsverbot für Jugendliche besteht. Nach anderer Auffassung kommt die Zurechnung eines fiktiven Einkommens nicht in Betracht bei teilweise selbst verschuldeter Bedürftigkeit des Kindes, weil dies letztlich auf eine Versagung von Unterhalt hinauslaufe, was im Widerspruch zu § 1611 Abs. 2 BGB stehe. Wenn sich ein Kind in der Weise verweigere, hänge dies i.d.R. auch mit einem Elternversagen zusammen. Nach § 1611 Abs. 2 BGB sei aber eine von einem minderjährigen Kind selbst schuldhaft verursachte Bedürftigkeit kein Rechtfertigungsgrund für die Versagung oder Beschränkung seines Unterhalts.4 Die erstgenannte Auffassung überzeugt mehr, denn mit dem Wegfall der Schulpflicht muss das Kind lernen, Eigenverantwortung zu übernehmen, indem es sich zu einer Ausbildung oder einer ungelernten Erwerbstätigkeit entscheidet. Tut es dies nicht, kann ihm ein Einkommen aus einer zumutbaren ungelernten Tätigkeit zugerechnet werden, die seinen individuellen Möglichkeiten entspricht, was nicht mit einer Versagung oder Kürzung von Unterhalt 1 Zur Orientierungsphase BGH, FamRZ 2013, 1375. 2 OLG Karlsruhe, FamRZ 1988, 758. 3 OLG Düsseldorf, FamRZ 2000, 442; 1990, 194; OLG Koblenz, JAmt 2004, 153; OLG Köln, FuR 2005, 570; OLG Brandenburg, FamRZ 2005, 2094; OLG Rostock, FamRZ 2007, 1267. 4 So OLG Stuttgart, FamRZ 1997, 447, das die Zurechnung eines fiktiven Einkommens als Versagung von Unterhalt bewertet, gegen die § 1611 Abs. 2 BGB spricht; ebenso Borth, FPR 2008, 341; OLG Hamburg, FamRZ 1995, 959.
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III. Berechnung des Unterhalts
wegen einer schweren Verfehlung oder eines sittlichen Verschuldens nach § 1611 Abs. 2 BGB gleichzusetzen ist. Die Zurechnung fiktiven Einkommens setzt nur eine vorwerfbare Obliegenheitsverletzung, nämlich erwerbstätig zu sein, voraus und stellt den Jugendlichen so, wie er bei pflichtgemäßem Verhalten stünde. Im Übrigen geht der Gesetzgeber auch von einer Erwerbsfähigkeit von Jugendlichen über 15 Jahren aus, so können sie z.B. ALG II-Leistungen nach dem SGB II beanspruchen (die aber subsidiär gegenüber der Unterhaltspflicht der Eltern sind, Rz. 115 f., Rz. 120). Auf den Bedarf sind ferner anzurechnen z.B. Leistungen nach dem BAföG, so- 316 weit es sich um Regelleistungen handelt, die nicht subsidiär zum Unterhalt der Eltern gewährt werden (wie die Vorausleistungen nach §§ 36, 37 BAföG),1 und Waisenrenten. Nicht anrechenbar sind subsidiäre Sozialleistungen wie der Unterhaltsvor- 317 schuss, das Sozialgeld, ALG II und Vorauszahlungen nach dem BAföG,2 ebenso wenig wie Sozialleistungen für Körper- und Gesundheitsschäden. Für Letztere gilt jedoch die Vermutung, dass die Kosten der Aufwendungen nicht geringer sind als die Höhe der Sozialleistungen (§ 1610a BGB). Zur Rückforderung von Unterhaltsvorschuss und Sozialleistungen s. Kap. H Rz. 29 ff. Freiwillige Zuwendungen der Eltern oder Dritter an das Kind (Sparverträge, Ge- 318 schenke, Taschengeld) werden nicht bedarfsmindernd abgezogen; denn i.d.R. dienen diese Leistungen der Unterstützung des Kindes, nicht aber der Entlastung des Unterhaltspflichtigen.3 Liegt keine ausdrückliche Willensbestimmung des Zuwendenden vor, kann diese meist aus den persönlichen Beziehungen der Beteiligten zueinander geschlussfolgert werden.4 9. Leistungsfähigkeit des Elternteils Die Leistungsfähigkeit des barunterhaltspflichtigen Elternteils richtet sich nach 319 seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie seiner Arbeits- und Erwerbsfähigkeit5 und ist dann gegeben, wenn er den Bedarf des Kindes decken kann, ohne unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen seinen eigenen angemessenen Unterhalt zu gefährden (§ 1603 Abs. 1 BGB, Rz. 39 ff.). Die Angemessenheit des dem Pflichtigen verbleibenden Unterhalts wird bei der Bedarfsermittlung nach der Tabelle immer mitgeprüft, z.B. unter Berücksichtigung des Bedarfskontrollbetrags (Rz. 248 f.). Allerdings sind hier die Besonderheiten in der Berechnungspraxis der OLG zu beachten; denn nicht alle OLG verwenden diesen Maßstab für die Angemessenheitsüberprüfung. Grundsätzlich gilt aber, dass der notwendige Unterhaltseigenbedarf der Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern und ihnen gleichgestellten im Haushalt lebenden volljährigen Schülern (§ 1603 Abs. 2 BGB) nicht unterschritten wird. Die Eltern sind zwar verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt zu verwenden (§ 1603 Abs. 1 und 2 Satz 1 BGB), ihnen muss aber ein über dem sozialhilferechtlichen Existenzminimum liegender Betrag verbleiben, denn nach der Rechtsprechung des BGH besteht eine Unterhaltspflicht nicht mehr, soweit der 1 2 3 4 5
BGH, FamRZ 1989, 499. BGH, FamRZ 1993, 417 zur Sozialhilfe; 1980, 126 (128) zum BAföG. BGH, FamRZ 1995, 537 (539). Palandt/Brudermüller § 1602 BGB Rz. 10. BGH, FamRZ 1981, 341 (343); 539 (540); BVerfG, FamRZ 1985, 143 ff.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
Unterhaltsschuldner infolge der Unterhaltsleistung selbst sozialhilfebedürftig würde. Ihm ist deshalb aus verfassungsrechtlichen Gründen mindestens ein Betrag zu belassen, der seinen eigenen Lebensbedarf nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen sicherstellt.1 Wobei die Bemessung dieses Mindestselbstbehalts Aufgabe des Tatrichters ist, dem es unbenommen bleibt, sich an Erfahrungsund Richtwerten, wie z.B. den Selbstbehaltssätzen der Leitlinien der OLG zu orientieren, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände eine Abweichung gebieten.2 a) Notwendiger oder sog. kleiner Selbstbehalt 320
Da das Gesetz keine konkreten Werte zum notwendigen Eigenbedarf der Eltern angibt, hat die Rechtsprechung Richtwerte entwickelt, die in den Leitlinien der OLG – auch als notwendiger oder sog. kleiner Selbstbehalt bezeichnet – veröffentlicht sind. In den Unterhaltstabellen entsprechen diese den niedrigsten Bedarfskontrollbeträgen. Seit 1.1.2013 gelten in allen Bundesländern folgende Werte für den notwendigen Selbstbehalt:3 für erwerbstätige Unterhaltspflichtige: für nicht erwerbstätige Unterhaltspflichtige:
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1 000 Euro 800 Euro
Der Selbstbehalt eines erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen ist um 200 Euro höher als der eines nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen. Dieser Differenzbetrag soll einen Anreiz bieten, die Erwerbstätigkeit fortzusetzen und die für Berufstätige erhöhten Lebenshaltungskosten ausgleichen, die i.d.R. entstehen, wenn weniger Zeit zur Verfügung steht, kostengünstig zu haushalten. Er beinhaltet keinen Ausgleich für berufsbedingte Aufwendungen, die jeweils noch gesondert, in Form einer Pauschale oder konkret, abgezogen werden können.
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Praxishinweis: Der erhöhte Eigenbedarf bei erwerbstätigen Unterhaltsschuldnern entspricht beim Kindesunterhalt dem Erwerbstätigenbonus, der bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts als Abzugsposten üblich ist und eine vergleichbare Funktion hat. Deshalb ist beim Kindesunterhalt bei der Berechnung des Einkommens des Verpflichteten kein Erwerbstätigenbonus abzuziehen, weil hier der erhöhte Eigenbedarf für Erwerbstätige die Funktion des Erwerbsanreizes erfüllt. Daneben können berufsbedingte Aufwendungen abgezogen werden.
Erwerbslosen und längerfristig kranken Unterhaltspflichtigen steht nur noch der niedrigere Selbstbehalt für Nichterwerbstätige zu, da der Zweck des erhöhten Selbstbehalts, einen Arbeitsanreiz und Ausgleich für höhere Kosten für Berufstätige zu schaffen, nicht mehr erfüllt wird.4
1 BGH, FamRZ 2008, 594 (596); 2006, 683 (684). 2 BGH, FamRZ 1984, 1000; 1990, 849 (850); 1996, 1272 (1273); 1984, 1000; 1993, 43 (44); 2006, 683 zum Mindestselbstbehalt beim Ehegattenunterhalt. Vgl. zur Höhe der Selbstbehaltssätze im Verhältnis zum Existenzminimum den kritischen Beitrag von Klinkhammer, FamRZ 2007, 85 ff. 3 Stand 1.1.2014. Die aktuellen Werte sind jeweils unter der Nr. 21.2 der Leitlinien und Anm. A Nr. 5 der DT veröffentlicht. 4 OLG Köln, FamRZ 1998, 480; BGH, FamRZ 2008, 594 (596 f.).
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III. Berechnung des Unterhalts
Umschülern, die ein Unterhaltsgeld beziehen, das meist nicht ausreicht, um 324 noch den Bedarf eines Kindes zu befriedigen, steht der Selbstbehalt für nicht erwerbstätige Unterhaltspflichtige zu, wenn die zeitliche Inanspruchnahme nicht einer Vollbeschäftigung entspricht, denn sie üben keine Erwerbstätigkeit aus und haben Zeit zum preisgünstigen Wirtschaften. Bei der Umschulung handelt es sich um eine Form der Ausbildung, die neue berufliche Chancen eröffnen soll, so dass es eines Anreizes im Hinblick auf die Fortsetzung einer ausgeübten Erwerbstätigkeit nicht bedarf.1 Entspricht der zeitliche Umfang der Umschulung jedoch dem einer Vollbeschäftigung, sollte der Selbstbehalt für Erwerbstätige angewendet werden, denn dann entfällt der ebenfalls den geringeren Eigenbedarf rechtfertigende Grund des günstigeren Wirtschaftens.2 Die Handhabung zum Selbstbehalt ist bei den Gerichten nicht einheitlich, so dass sich insoweit empfiehlt, die Praxis anhand der Rechtsprechung und Leitlinien des maßgeblichen OLG zu überprüfen.3 Soweit für den Umschüler besondere ausbildungsbedingte Aufwendungen entstehen, können diese geltend gemacht werden. Meist erstatten die Jobcenter jedoch den Mehrbedarf. Auch für den arbeitslosen Unterhaltspflichtigen ist der Selbstbehalt für Nicht- 325 erwerbstätige anwendbar, denn der Vorteil kostengünstigeren Wirtschaftens besteht hier ebenfalls, selbst bei intensiven Bewerbungen, da kein festgelegter Zeitrahmen einzuhalten ist. Gleiches gilt für den Unterhaltspflichtigen, der neben dem Arbeitslosengeld bis zu 165 Euro netto aus einer Nebentätigkeit anrechnungsfrei hinzuverdienen kann (vgl. Rz. 108).4 Soweit sich die Nebentätigkeit dem Umfang einer Halbtagsbeschäftigung nähert, kommt eine Erhöhung des Selbstbehaltssatzes für Nichterwerbstätige, zum Beispiel in Höhe der Hälfte der Differenz zum Selbstbehalt für Erwerbstätige, in Betracht.5 Bezieht der Unterhaltspflichtige die Grundsicherung für erwerbsfähige Arbeits- 326 lose, ALG II, ist für ihn gleichfalls der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt für Nichterwerbstätige nach den LL maßgebend. Dies gilt auch für Arbeitslose, die bis zum Inkrafttreten der Reform des SGB II nach § 24 Abs. 2 und 3 SGB II a.F. befristete Zuschläge zum Regelbetrag erhalten haben. Die befristeten Zuschläge sind seit 1.1.2011 weggefallen. Bezieher von ALG II dürfen Nebeneinkünfte erzielen, von denen Freibeträge anrechnungsfrei bleiben. Vgl. wegen der Höhe der Freibeträge und der Möglichkeit des Vorabzugs titulierter Unterhaltsforderungen vom Nebenerwerb Rz. 124 f. Ob bei Nebeneinkünften der Selbstbehalt für Erwerbstätige oder Nichterwerbstätige anzuwenden ist, hat der BGH in dem Sinne entschieden, dass es bei einem nur geringen Hinzuverdienst kaum gerechtfertigt wäre, den zur Förderung des Arbeitsanreizes gewährten höheren Selbstbehalt für vollschichtig Tätige anzuwenden, wenn der überwiegende Teil des
1 Eschenbruch/Schürmann/Menne/Schmidt/Kohne, Kap. 2 Rz. 356; OLG Dresden, FamRZ 2003, 1206–1207. 2 OLG Dresden, FamRZ 2006, 1703; OLG Hamm, FamRZ 2005, 2015; Wendl/Dose/Klinkhammer, § 2 Rz. 388. 3 Den Selbstbehalt für Erwerbstätige oder einen Mittelwert wenden an, z.B. OLG Dresden, FamRZ 2006, 1703 f.; OLG Hamm, FamRZ 1999, 1015; OLG Koblenz, FamRZ 2002, 1215; Wendl/Dose/Klinkhammer, § 2 Rz. 384 ff. 4 BGH, FamRZ 2008, 594 (596 f.); OLG Dresden, FamRZ 2003, 1206; KG, NJW-FER 2001, 119. 5 So z.B. das OLG Nürnberg, FamRZ 2012, 1650 Rz. 79 (860 Euro bei Selbstbehaltssätzen von 950 / 770 Euro).
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
Einkommens aus Arbeitslosengeld besteht.1 Damit kommt allenfalls bei einer umfänglicheren Nebentätigkeit ein Betrag in Betracht, der zwischen dem Selbstbehalt für Erwerbstätige und Nichterwerbstätige liegt. Wie der Zwischenbetrag ermittelt wird, hat der Tatrichter zu entscheiden. Dazu werden verschiedene Lösungsansätze vertreten: So kann man einen zwischen den Selbstbehalten liegenden Betrag z.B. in Höhe der Hälfte der Differenz wählen. Dies ergibt bei Selbstbehaltssätzen i.H.v. 800 Euro und 1 000 Euro einen Selbstbehalt von 900 Euro.2 Möglich ist auch, den Selbstbehalt für Nichterwerbstätige um den Freibetrag nach § 11 Abs. 2 SGB II i.H.v. 100 Euro zu erhöhen, was zurzeit einen gleich hohen Eigenbedarf von 900 Euro ergäbe. 327
Die notwendigen Selbstbehalte sind Richtwerte, die nur bei Vorliegen ganz besonderer Umstände unterschritten werden können, z.B. wenn der Unterhaltsverpflichtete mit einem neuen erwerbstätigen Ehegatten oder Lebensgefährten einen gemeinsamen Haushalt führt. Dann kann beim verheirateten Unterhaltspflichtigen ein zu berücksichtigender Anspruch auf Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360a BGB bestehen, der den Eigenbedarf teilweise oder ganz abdeckt, so dass seine sonstigen Einkünfte teilweise oder ungeschmälert für den Kindesunterhalt zu verwenden sind.3 Der BGH hat dies für den wiederverheirateten Verpflichteten beim Minderjährigenunterhalt entschieden, dessen Einkommen unter dem notwendigen Selbstbehalt lag.4 Die Folge ist, dass es bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit nicht nur auf die Höhe des erzielten Einkommens aus Erwerbstätigkeit, sondern auf das reale Einkommen ankommt.5 Beruft sich der Verpflichtete auf eine mangelnde oder eingeschränkte Leistungsfähigkeit, muss er – wenn er wieder verheiratet ist – auch darlegen und beweisen, dass sein Unterhaltsbedarf nicht durch den Ehegatten gedeckt werden kann. Besteht kein Anspruch auf Familienunterhalt, ist gleichwohl eine Herabsetzung des Eigenbedarfssatzes wegen ersparter Kosten der Haushaltsführung bezogen auf Wohnkosten, Heizung, allgemeine Lebenshaltungskosten möglich, dies gilt selbst dann, wenn der Ehegatte nur Sozialhilfe bezieht. Die Darlegungs- und Beweislast – auch für den Beitrag und das Einkommen des Ehegatten – obliegt dem Verpflichteten, wenn er sich auf eine eingeschränkte oder fehlende Leistungsfähigkeit beruft.6
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Lebt der Verpflichtete mit einem Partner in nichtehelicher Lebensgemeinschaft in einer gemeinsamen Wohnung, kann ebenfalls aufgrund von Einsparungen („Synergieeffekten“) eine Kürzung des Selbstbehalts des Verpflichteten bis auf den notwendigen Lebensbedarf nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen in Betracht kommen, wie dies auch bei der Leistungsbemessung für die Bedarfsgemeinschaft nach §§ 19, 20 Abs. 4 SGB II gehandhabt wird.7 Danach erhalten zwei volljährige Hilfebedürftige in Bedarfsgemeinschaft nur je 90 % der Regel-
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BGH, FamRZ 2008, 594 (597). So z.B. Klinkhammer, FamRZ 2004, 1909 (1914); Streicher, FPR 2005, 438 ff. BGH, FamRZ 2006, 1010 (1013 f.); 2006, 1827 (1828); 2008, 594 (598). BGH, FamRZ 2006, 1827 (1828). BGH, FamRZ 2002, 742; 2003, 363; 2004, 24. BGH, FamRZ 2008, 594 (598). BGH, FamRZ 2008, 594 (597); 1991, 182 (185) zum Anspruch auf Familienunterhalt. Zur Leistungsfähigkeit des wiederverheirateten Verpflichteten beim Minderjährigenunterhalt BGH, FamRZ 2002, 742; 2003, 363; 2004, 24.
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III. Berechnung des Unterhalts
leistung. Um festzustellen, um wie viel sich die Leistungsfähigkeit erhöht, sich also der Eigenbedarfssatz verringert, ist die Differenz zwischen unterhaltsrechtlichem Eigenbedarfssatz und sozialhilferechtlichem Existenzminimum zu bilden. Der Regelbetrag nach dem SGB II beträgt seit 1.1.2014 391 Euro, hinzu kommen Wohnkosten1 (Rz. 118). Aufgrund dieser Erwägungen kommt eine Kürzung des notwendigen Eigenbedarfs des Unterhaltsschuldners sogar dann in Betracht, wenn der Lebenspartner selbst Sozialleistungen bezieht. Die Darlegungsund Beweislast – auch für das Einkommen des Lebensgefährten – obliegt dem Unterhaltsschuldner, der sich auf eine eingeschränkte oder fehlende Leistungsfähigkeit beruft.2 Der BGH bemisst den Synergieeffekt für ersparte Aufwendungen bei dem Zusammenwohnen mit einem Lebensgefährten in Anlehnung an das Sozialrecht mit 10 %.3 Eine große Zahl der Instanzgerichte setzt den Selbstbehalt beim Zusammenle- 329 ben mit einem Dritten herab, wobei sich der Umfang der Kürzung nach den Umständen des Einzelfalles richtet und deshalb differieren kann.4 Das OLG München hat den Selbstbehalt z.B. in einem Fall um 25 %, das OLG Dresden um 12 % gekürzt,5 das OLG Stuttgart um 110 Euro6 und das OLG Hamm um 27 % bei ersparten Kosten für Miete, Heizung, Strom, Telefon, Zeitung, Rundfunkund Fernsehgebühren.7 Die Kürzung ist jedoch höchstens bis auf das Existenzminimum nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen möglich.8 Hat der Unterhaltsschuldner nur geringere Kosten für die Miete, als im Selbst- 330 behalt enthalten,9 ohne dass darüber hinausgehend Ersparnisse durch eine Haushaltsgemeinschaft in Betracht kommen, führt dies nach Rechtsprechung des BGH i.d.R. nicht zu einer Herabsetzung des Selbstbehalts. Auch für den Minderjährigenunterhalt soll gelten,10dass der Selbstbehalt nicht schon deshalb zu vermindern sei, weil der Schuldner geringere Kosten für die Warmmiete habe, als im Selbstbedarfssatz enthalten, denn es unterliege seiner Dispositionsfreiheit, wie er die ihm belassenen Mittel verwende, wenn er sich mit einer preiswerte-
1 Höhe des Regelbedarfs nach der Reform des SGB II und SGB XII i.V.m. dem RegelbedarfsermittlungsG (RBEG) ab 1.1.2011 364 Euro; 1.1.2012 374 Euro; 1.1.2013 384 Euro; 1.1.2014 391 Euro. 2 BGH, FamRZ 2008, 594 (597 f.); Büttner, Anmerkung zu BGH, FamRZ 2002, 742 (743); zur Leistungsfähigkeit des Partners KG FamRZ 2006, 1702 f. 3 BGH, FamRZ 2010, 1535, Tz. 44 f.; das BVerfG, FamRZ 2010, 429 (435), hat die Kürzung der sozialhilferechtlichen Regelbeträge bei Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft in dieser Höhe gebilligt. 4 OLG Hamm, FamRZ 2005, 53; OLG Stuttgart, FamRZ 2005, 54; OLG München, FamRZ 2004, 485; OLG Nürnberg, FamRZ 2004, 300; OLG Köln, OLGR 2004, 330; OLG Hamm, FamRZ 2003, 1210; OLG Hamm, FamRZ 2002, 1708; OLG Frankfurt, FamRZ 1991, 594; OLG Hamburg, FamRZ 1987, 1044; OLG Hamm, FamRZ 1999, 42; 1980, 916 (917). 5 OLG München, FamRZ 2004, 485; OLG Dresden, FamRZ 2007, 1477 ff. 6 OLG Stuttgart, FamRZ 2005, 54. 7 OLG Hamm, FamRZ 2000, 311; 2003, 1210. 8 BGH, FamRZ 2008, 594 (597 f.). 9 Unter Nr. 21 der LL sind die Selbstbehalte in den unterschiedlichen Rechtsverhältnissen aufgeführt, häufig einschließlich der darin enthaltenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Bei fehlenden Angaben zu den Wohnkosten in den LL des zuständigen OLG können bei Bedarf die Werte in der Anmerkungen der DT verwendet werden. 10 BGH, FamRZ 2006, 1664 (1666).
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
ren Wohnung begnüge.1 Diese Rechtsprechung überzeugt im Hinblick auf die gesteigerte Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB nicht, insbesondere wenn der Mindestunterhalt nicht gezahlt wird, zumal niedrigere Wohnkosten nicht unbedingt Ausdruck einer Beschränkung beim Wohnkomfort sind. Eine Herabsetzung sollte deshalb in den Fällen möglich sein, in denen eine Beschränkung in den Wohnverhältnissen nicht feststellbar ist oder geringere Kosten auf einer freiwilligen Leistung Dritter beruhen, die auch den Kindern zugutekommen soll und der Mindestunterhalt nicht gezahlt werden kann.2 Umgekehrt kann der Wohnkostenanteil im Selbstbehalt heraufgesetzt werden, wenn dem Unterhaltspflichtigen nicht unbeträchtliche, unvermeidbare Mehrkosten für den Wohnbedarf entstehen. An die Darlegung der Unvermeidbarkeit sind jedoch, soweit um Mindestunterhalt gestritten wird, besonders strenge Anforderungen zu stellen.3 331
Beispiel Der barunterhaltspflichtige V verdient bereinigt 1 100 Euro netto und lebt schon seit vielen Jahren kostenlos im Haus seiner Mutter. Der Mindestunterhalt abzüglich des anteiligen Kindergeldes für seine beiden 2- und 5-jährigen Kinder beträgt insgesamt 376 Euro. Bei Zahlung des Unterhalts wäre der Selbstbehalt von 1 000 Euro unterschritten. Hier kann eine Kürzung des Selbstbehalts gerechtfertigt sein, weil für V keine Mietkosten anfallen und die Mutter ihn auch deshalb weiter bei sich wohnen lässt, damit er seinen Kindern Unterhalt zahlen kann.
b) Einschränkung oder Wegfall der Leistungsfähigkeit 332
Die Leistungsfähigkeit kann ganz entfallen oder eingeschränkt werden, wenn der Verpflichtete beispielsweise unverschuldet längerfristig arbeitslos ist. Die Zahlungspflicht entfällt oder verringert sich – je nach Höhe des Arbeitslosengeldes – aber nur dann, wenn der Verpflichtete den Verlust des Arbeitsplatzes nicht absichtlich herbeigeführt und alle ihm möglichen Anstrengungen unternommen hat, eine neue Arbeit zu finden, um seine Leistungsfähigkeit zu erhalten. Die Anforderungen an die Bemühungen um eine neue Arbeit werden bestimmt durch die gesteigerte Erwerbsobliegenheit (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB). Es ist dem Verpflichteten auch zuzumuten, eine weniger qualifizierte Arbeit aufzunehmen4, ggf. sogar – soweit es die persönlichen Verhältnisse erlauben- einen Ortswechsel hinzunehmen, um eine neue Arbeit zu finden.5 Kriterien für die Zumutbarkeit eines Ortswechsels sind u.a. Pflege der Bindung zum Kind, Kosten des Umgangs und eines Umzugs,6 vgl. dazu auch die Ausführungen unter Rz. 41 ff. m.w.N.
333
Beim Bezug von Arbeitslosengeld I (§ 137 SGB III, Rz. 107) besteht nicht nur die Obliegenheit, sich um eine Vollbeschäftigung, sondern auch einen Mini- oder Midijob zu bemühen, denn auch schon durch Ausübung einer Nebenbeschäfti-
1 Der BGH hatte früher ausdrücklich eine Kürzung des angemessenen Eigenbedarfs als sachgerecht gebilligt (FamRZ 1998, 286 (288); 2002, 742; 1984, 683 [684]), ist jedoch mit Urt. v. 25.6.2003, FamRZ 2004, 186, davon abgerückt. 2 Vgl. dazu auch die Anm. Ehinger, FPR 2004, 152. 3 KG, FamRZ 2012, 1649 Tz. 4 ff. 4 BGH, FamRZ 1994, 372 ff. 5 BGH, FamRZ 1988, 604 (606). 6 BVerfG, FamRZ 2006, 469 ff.
118 Ehinger
III. Berechnung des Unterhalts
gung kann sich die Leistungsfähigkeit erhöhen oder wieder hergestellt werden. Zur Höhe anrechnungsfreien Nebeneinkommens vgl. § 155 SGB III und Rz. 108. Nebentätigkeiten sind auch beim Bezug von Arbeitslosengeld II erlaubt. Dabei 334 können Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten bis zu dem in einem Unterhaltstitel und in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag von dem anrechenbaren Einkommen aus dem zulässigen Nebenerwerb abgesetzt werden (§ 11 Abs. 2 SGB II). Nach jüngster Rechtsprechung des BGH führt die Berücksichtigung dieser Anrechnungsregelung jedoch nicht zu einer Erhöhung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit des Schuldners, da dies dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Zweck der Vereinfachung von Verwaltungsentscheidungen entgegenstehe (s. Rz. 125).1 Wird dem Verpflichteten fiktiv ein Einkommen aus einer Nebentätigkeit zugerechnet, weil er versäumt hat, sich um eine Arbeit zu bemühen, kann danach sein Einkommen nicht um den Betrag erhöht werden, um den das fiktive Einkommen wegen seiner Kindesunterhaltsverpflichtung auf das ALG II anrechnungsfrei bliebe.2 Dem Unterhaltspflichtigen bleibt es jedoch unbenommen, freiwillig den Unterhalt titulieren zu lassen und den Freibetrag dafür in Anspruch zu nehmen (vgl. dazu Rz. 125). Zur Höhe des anzuwendenden Selbstbehalts bei der Zurechnung eines fiktiven 335 Einkommens aus Nebentätigkeit vgl. Rz. 325. Die Anforderungen an die Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit sind im Un- 336 terhaltsverfahren streng. Um im Falle der Arbeitslosigkeit seiner Darlegungslast für die fehlende Leistungsfähigkeit zu genügen, muss ein Unterhaltspflichtiger in nachprüfbarer Weise vortragen, welche Schritte er im Einzelnen unternommen hat, um einen zumutbaren Arbeitsplatz zu finden und sich bietende Erwerbsmöglichkeiten zu nutzen.3 Von ihm kann erwartet werden die Meldung als arbeitssuchend, ein laufender Kontakt zu den beim Jobcenter zuständigen Mitarbeitern, stetige Lektüre einschlägiger Stellenanzeigen mit entsprechenden Bewerbungen, auch Bewerbungsbemühungen durch Blindbewerbungen und – bei bisher üblicher Tätigkeit im Ausland – auch Bewerbungen im Ausland.4 Soweit in der Rechtsprechung teilweise ein Zeitaufwand für Bewerbungen im Umfang einer Vollzeitbeschäftigung und eine bestimmten Anzahl von Bewerbungen (ca. 20 Stück) erwartet wird,5 kann dies keine allgemeingültige, verbindliche Vorgabe sein. Denn letztlich hängt die Anzahl der Bewerbungen von den individuellen Verhältnissen und Gegebenheiten auf dem Arbeitsmarkt ab. Die Anzahl der Bewerbungen ist aber ein wichtiges Indiz für die Ernsthaftigkeit von Erwerbsbemühungen.6 Der Verpflichtete muss sämtliche Bemühungen einzeln aufführen und Belege vorlegen, z.B. Inserate, Bewerbungs- und Ablehnungs1 BGH, FamRZ 2013, 1378 Tz. 27; ebenso OLG Hamm v. 6.1.2014 – II-3 UF 192/13, 3 UF 192/13, unter Hinweis auf einen ansonsten falschen sozialpolitischen Anreiz zum Verbleib im Sozialhilfebezug; sehr viel großzügiger BSG, FamRZ 2011, 810 ff. 2 BGH, FamRZ 2013, 1378 = NJW 2013, 2595; ebenso OLG Düsseldorf FamRZ 2010, 1740; entgegen KG, FamRZ 2011, 1302; OLG Brandenburg, NJW 2008, 3366. 3 BGH, FamRZ 1996, 345; zur Darlegungslast des Berechtigten vgl. BGH, FamRZ 1986, 244 (246). 4 BGH, FamRZ 2011, 1224; KG, FamRZ 2014, 45 (LS) = FamRB 2013, 349. 5 Zu den Anforderungen im Einzelnen OLG Brandenburg, NJW-RR 2009, 1227 ff. (20–30 Bewerbungen pro Monat); OLG Stuttgart, FamRZ 2006, 1757 (ca. 20 Bewerbungen). 6 BGH, FamRZ 2011, 1851 Tz. 15.
Ehinger
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
schreiben.1 Schriftliche Bewerbungen müssen in korrektem Deutsch verfasst sein, soweit dies bei der in Betracht kommenden Tätigkeit erwartet wird, und die Ernsthaftigkeit der Bewerbung erkennen lassen. Beispiele – V kündigt sein Arbeitsverhältnis, weil er nicht einsieht, dass er so viel Unterhalt an Frau und Kind nach der Trennung zahlen soll. Er ist dennoch weiter zur Zahlung des Unterhalts, bemessen nach seinem früher erzielten Einkommen, verpflichtet; denn ihm obliegt gegenüber seinem Kind eine verschärfte Unterhaltspflicht, gegen die er verstößt, wenn er sich absichtlich leistungsunfähig macht. – V ist seinem minderjährigen Kind gegenüber unterhaltspflichtig. V behauptet, nicht leistungsfähig zu sein, da er arbeitslos sei, und legt seine Arbeitslosengeldbescheinigung über 190 Euro wöchentlich vor. Er habe sich vergeblich um die verschiedensten Stellungen als Fernsehtechniker und Aufnahmeleiter beim Fernsehen bemüht. V wird zur Zahlung des Mindestunterhalts verurteilt, obwohl sein tatsächliches Einkommen unter dem ihm zustehenden Selbstbehalt von 900 Euro liegt. Er hat nicht unter Beweis gestellt, dass er sich ernsthaft um Arbeit bemüht hat. Nicht ausreichend ist es, die Meldung bei der Arbeitsagentur und Bewerbungen auf von vornherein aussichtslose Stellen vorzutragen. Von V wird erwartet, dass er sich bei schwieriger Arbeitsmarktlage auch um weniger qualifizierte Stellen bewirbt und selbst Inserate aufgibt. Sämtliche Bemühungen müssen dem Gericht lückenlos vorgetragen und bewiesen werden können. Nach der Arbeitsmarktlage könnte V mindestens Einkünfte aus einer Nebentätigkeit als Zeitungsbote verdienen.
337
Bei Ansatz eines fiktiven Einkommens wegen Verstoßes gegen die Obliegenheit zur Erwerbstätigkeit muss neben der subjektiven Vorwerfbarkeit unzureichender Bemühungen objektiv auch eine reale Beschäftigungschance bestehen; denn ob ein arbeitsloser Unterhaltspflichtiger einen neuen Arbeitsplatz gefunden hätte, wenn er sich ausreichend bemüht hätte, hängt von den Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt und den persönlichen Eigenschaften des Bewerbers (Alter, Ausbildung, Berufserfahrung, Gesundheitszustand) ab.2 Dabei genügt für die Annahme einer realen Beschäftigungschance, wenn das Gericht nach eigener Prüfung objektiv nicht ausschließen kann, dass der Unterhaltspflichtige bei genügenden Erwerbsbemühungen eine reale Beschäftigungschance auf die konkret für ihn für zumutbar befundene Erwerbstätigkeit hätte.3 Vgl. dazu die Ausführungen zum fiktiven Einkommen unter Rz. 167 f. In Ansatz gebracht werden als fiktive Einkünfte Stundenlöhne i.H.v. ca. 8–9,50 Euro bei ungelernter Tätigkeit,4 das OLG Hamm hält für einen Berufskraftfahrer einen Stundenlohn von 10,92 Euro nach dem maßgeblichen Tarifvertragsrecht der Speditions-, Logistikund Transportwirtschaft erzielbar,5 das OLG Frankfurt hält die Erzielung eines über dem notwendigen Eigenbedarf liegenden Nettoeinkommens für einen ungelernten Arbeiter für unrealistisch.6 Bei Einführung eines Mindestlohns von 8,50 Euro dürfte das Nettoeinkommen bei 172 Stunden bei ca. 1 080 Euro liegen.
1 Für die anwaltliche Praxis können Hinweise für den Mandanten zum gezielten Sammeln von Informationen hilfreich sein, vgl. das Muster eines Informationstextes für Unterhaltsberechtigte und -verpflichtete, Ehinger, FPR 2000, 17. 2 BGH, FamRZ 1996, 345; 1986, 244 (246); 1987, 912 (913). 3 BGH, FamRZ 2009, 314 (317); 1998, 357 (359); 1994, 372 (374). 4 OLG Hamm, FamFR 2012, 61 Stundenlohn von 9,50 Euro für Bauhelfer in NRW; OLG Hamm, FamRZ 2010, 985 Tz. 16 ff. Stundenlohn von 8,50 Euro für Reinigungskraft; AG Flensburg, FamRZ 2006, 1293 (1294). 5 OLG Hamm, FamFR 2013, 132. 6 OLG Frankfurt, NJW 2007, 382.
120 Ehinger
III. Berechnung des Unterhalts
Beruft sich der Verpflichtete auf das Fehlen einer realen Beschäftigungschance, liegt die Darlegungs- und Beweislast dafür bei ihm.1 Die fiktive Zurechnung eines Einkommens, durch die die Leistungsfähigkeit 338 des Verpflichteten unterhaltsrechtlich fingiert wird, setzt immer den Verstoß gegen eine unterhaltsrechtliche Obliegenheit voraus. Sie stellt den Verpflichteten so, wie er bei pflichtgemäßem Verhalten wirtschaftlich stünde. Es ist dann an ihm, die entsprechenden Konsequenzen für sein zukünftiges Verhalten zu ziehen. Nicht möglich ist es, ihn zu einem bestimmten Handeln zu verpflichten. Wird der Verpflichtete arbeitslos wegen Alkoholabhängigkeit, ist für die Zurechnung eines fiktiven Einkommens zu unterscheiden zwischen der Vorwerfbarkeit des Verlustes des Arbeitsplatzes und der Verletzung der unterhaltsrechtlichen Obliegenheit, sich eine neue Arbeit zu suchen. Der Verlust des Arbeitsplatzes hat nur dann unterhaltsrechtliche Sanktionen zur Folge, wenn dem Fehlverhalten, das zur Kündigung geführt hat, auch die Vorstellung und der Antrieb zugrunde gelegen hat, die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit zu mindern.2 Das wird oft kaum nachweisbar und meist nicht Ursache für die Erkrankung gewesen sein. Dem Unterhaltspflichtigen obliegt aber, seine Krankheit behandeln zu lassen, was eine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit voraussetzt. In der Regel entlastet nur eine krankheits- oder suchtbedingte Beeinträchtigung der Einsichts- und Willenskraft von der unterhaltsrechtlichen Vorwerfbarkeit.3 Ist die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit streitig, muss der Unterhaltsschuldner ggf. ärztlich begutachtet werden. Ein Abbruch der Therapie lässt nicht ohne weiteres den Schluss auf einen Krankheitswert der Willensschwäche zu. Kann von einer Willens- und Steuerungsfähigkeit ausgegangen werden, ist meist das nicht ausreichende Bemühen um eine neue Arbeit unterhaltsrechtliche Voraussetzung für die Zurechnung eines fiktiven Einkommens. Abzustellen ist bei der Klärung der Leistungsfähigkeit auf das dann erzielbare Einkommen. Für seine mangelnde Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit ist der Verpflichtete darlegungs- und beweispflichtig.4 Gibt der Unterhaltspflichtige seine Erwerbstätigkeit auf, weil er in einer neuen 339 Ehe den Haushalt führt und Kinder aus dieser Ehe betreut, kann er sich nicht auf mangelnde Leistungsfähigkeit berufen.5 Nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen der sog. Hausmannsrechtsprechung können die neuen Ehegatten zwar nach § 1356 Abs. 1 BGB im gegenseitigen Einvernehmen regeln, dass einer von ihnen die Haushaltsführung und ggf. die Kindesbetreuung allein übernimmt. Unterhaltsrechtlich entlastet die häusliche Tätigkeit einen unterhaltspflichtigen Ehegatten nur gegenüber den Mitgliedern der neuen Familie, denen diese Fürsorge allein zugute kommt, nicht aber gegenüber den minderjährigen Kindern aus früherer Ehe.6 Gleiches gilt, wenn der unterhaltspflichtige Eltern-
1 BGH, FamRZ 2009, 314 (317) (für Nebentätigkeit); 1998, 357 (359); 1996, 345; Bäumel, Die reale Beschäftigungschance, FPR 2000, 17 ff. 2 BGH, FamRZ 1994, 240 (242). Dies gilt auch bei Verlust des Arbeitsplatzes wegen einer Straftat (vgl. BGH, FamRZ 2002, 813 [814]). 3 Förster, FamRZ 1999, 1250; OLG Hamburg, FamRZ 1998, 182; Finke, FPR 1998, 12; KG, FamRZ 2000, 1617. 4 OLG München, FamRZ 1994, 1406; OLG Hamm, FamRZ 1994, 1403; Reinecke, Rechtsprechungstendenzen zur Alkoholabhängigkeit in der Familie, FPR 1998, 36 m.w.N. 5 BGH, FamRZ 1996, 796 zum Bezug von Erziehungsgeld; BVerfG, FamRZ 1996, 915. 6 BGH, FamRZ 1996, 796.
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121
A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
teil Elterngeld in Anspruch nimmt. Auch insoweit ist bei dadurch eingeschränkter Leistungsfähigkeit zu prüfen, ob die Rollenwahl im Hinblick auf das Einkommen des Ehegatten oder Lebenspartners anzuerkennen ist.1 Ist die Rollenwahl anzuerkennen, stellt Elterngeld Einkommen dar und es besteht in dieser Zeit keine Pflicht zur Ausübung einer Nebentätigkeit.2 Seine Leistungsfähigkeit kann sich bei einem Anspruch auf Familienunterhalt gegenüber seinem Ehegatten erhöhen, s. zu den Einzelheiten Rz. 182 f. 340
Ein nur vorübergehender Wegfall der Leistungsfähigkeit – wegen kurzfristiger Arbeitslosigkeit oder unbezahlten Urlaubs – oder eine vorübergehende Minderung der Leistungsfähigkeit beeinträchtigen den Unterhaltsanspruch nicht. Für diese Fälle wird vom Verpflichteten eine Rücklagenbildung erwartet. Allerdings sind bei den Anforderungen an diese Pflicht die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen; denn je niedriger das Einkommen, desto weniger zumutbar ist eine Rücklagenbildung.
341
Nimmt der Unterhaltsschuldner für sich einen Kredit zur Überbrückung eines Einkommensausfalls in Anspruch, wird von ihm verlangt, dass er den Kredit auch für seine Unterhaltsverpflichtungen aufnimmt.3
342
Droht eine Zahlungsunfähigkeit wegen hoher Verschuldung, besteht die Pflicht zur Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens, denn durch die Pfändungsfreibeträge für Unterhaltsschulden kann eine Sicherung des laufenden Unterhaltsbedarfs des Kindes bei entsprechendem Einkommen des Pflichtigen in Betracht kommen;4 vgl. dazu auch Rz. 44 und zu den verfahrensrechtlichen Folgen der Verbraucherinsolvenz den Praxishinweis unter Rz. 235.
343
Strafhaft führt zur Leistungsunfähigkeit, es sei denn, sie wurde wegen Unterhaltsentziehung ausgesprochen oder der Straftat lagen die Vorstellung und der Antrieb zugrunde, die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit zu mindern.5
344
Û
1 2 3 4 5
Praxishinweis: Besteht ein Unterhaltsurteil bzw. -beschluss und kann der Verpflichtete den Unterhalt zu Recht für voraussichtlich längere Zeit nicht mehr oder nur noch zum Teil zahlen, muss er dies dem gesetzlichen Vertreter des Kindes, i.d.R. dem anderen Elternteil, mitteilen (am besten unter Nachweis der Gründe für die mangelnde oder eingeschränkte Leistungsfähigkeit) und innerhalb einer genau bezeichneten Frist den (teilweisen) Verzicht auf die Rechte aus dem Unterhaltstitel für die Zeit ab dem Ersten des folgenden Monats verlangen. Kommt der Berechtigte dieser Aufforderung nicht nach, sollte zügig ein Abänderungsverfahren beantragt werden; denn solange das Gericht den Titel nicht abgeändert hat, kann daraus wegen der Unterhaltsforderung vollstreckt werden. Seit 1.9.2009 ist im Abänderungsverfahren auch die rückwirkende Erhöhung von Unterhalt für die Zeit ab dem Ersten des auf ein entsprechendes Auskunfts- bzw. Verzichtsverlangen folgenden Monats möglich (§ 238 Abs. 3 Satz 3 FamFG, s. Kap. K Rz. 360). Die Herabsetzung kann für die Zeit bis zu einem Jahr vor Rechtshängigkeit des Abänderungsantrags bean-
OLG Brandenburg v. 26.9.2013 – 3 WF 101/13, juris. BGH, FamRZ 2006, 1010. BGH, FamRZ 1987, 372 (374); OLG Koblenz, FamRZ 1991, 1475 (1476). BGH, FamRZ 2005, 608 ff. BGH, FamRZ 2002, 813 (814) zur Leistungsfähigkeit eines Sexualstraftäters.
122 Ehinger
III. Berechnung des Unterhalts
tragt werden (Kap. K Rz. 361). Eine zügige Klärung ist gleichwohl sinnvoll, weil im Falle der Vollstreckung des Unterhalts, die Chance auf Rückerstattung zu viel gezahlten Unterhalts beim Kindesunterhalt gering ist. Wegen der Abänderung von Titeln vgl. Kap. K Rz. 327 ff. Für den Fall, dass der Verpflichtete keinen Unterhalt zahlen kann, kann das Kind 345 einen Anspruch auf Zahlung von Unterhalt aus öffentlichen Kassen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe des Mindestunterhalts seiner Altersgruppe abzüglich des vollen Kindergelds geltend machen. Anspruch auf Unterhaltsvorschuss haben Kinder für die Dauer von längstens 72 Monaten bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres (§§ 1, 3 UVG). Der Unterhaltspflichtige wird durch die Bezahlung des Unterhaltsvorschusses nicht von seiner Unterhaltspflicht befreit, denn der Unterhaltsanspruch des Kindes geht in Höhe der Vorschusszahlung auf den Leistungsträger über. Zum Forderungsübergang s. Kap. H Rz. 14 ff. Zur Höhe der Unterhaltsvorschussbeträge s. die Übersicht unter Kap. H Rz. 9. Bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit ist der über dem Selbstbehalt liegende 346 Teil für den Unterhalt zu verwenden. Sind noch andere gleichrangige Berechtigte mit zu berücksichtigen, ist die jeweilige Unterhaltsrente mithilfe der Dreisatzrechnung zu ermitteln (vgl. dazu die Mangelfallberechnung unter Rz. 355). Bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit kann ausnahmsweise eine Entlastung 347 des barunterhaltspflichtigen Elternteils durch Wegfall oder Ermäßigung der Barunterhaltspflicht in Betracht kommen, wenn der betreuende Elternteil wirtschaftlich deutlich besser gestellt und über wesentlich höhere Einkünfte verfügt. Denn nach § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB ist der barunterhaltspflichtige Elternteil dann nicht mehr gesteigert unterhaltspflichtig, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter, wie z.B. der andere Elternteil, vorhanden ist. In einem solchen Fall entbindet die Pflege und Erziehung den betreuenden Elternteil nicht mehr vollständig von seiner Barunterhaltspflicht und er ist entweder ganz oder teilweise verpflichtet allein oder neben dem anderen Elternteil für den Barunterhalt aufzukommen. In der Rechtsprechung wird überwiegend davon ausgegangen, dass dies der Fall ist, wenn der betreuende Elternteil mindestens ein zwei- oder dreifach hohes Einkommen erzielt, wobei auf das unterhaltsrechtlich bereinigte Nettoeinkommen abzustellen ist.1 Liegen diese Voraussetzungen vor, muss der nicht mehr nach § 1603 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB gesteigert unterhaltspflichtige Elternteil nur noch das über seinem angemessenen Eigenbedarf liegende Einkommen für den Barunterhalt einsetzen, im Übrigen entfällt seine Haftung und der betreuende Elternteil hat für den restlichen Barbedarf des Kindes aufzukommen.2 Nur in Ausnahmefällen kann auch die Barunterhaltspflicht des leistungsfähigen Elternteils, dessen angemessener Selbstbehalt bei Zahlung des Barunterhalts nicht gefährdet wäre, beschränkt oder ermäßigt werden, wenn die Inanspruchnahme auf Unterhalt letztlich zu einem erheblichen finanziellen Ungleichgewicht zwischen dem bar- und dem betreuungspflichtigen Elternteil
1 So die h.M. in der Literatur, s. z.B. Palandt/Brudermüller, § 1606 Rz. 16; nach den LL Nr. 12.3. Anders das OLG Brandenburg, das schon ein zweifach höheres Einkommen genügen lässt, FamRZ 2011, 1302. 2 BGH, FamRZ 2011, 1041 Tz. 41; a.A. OLG Brandenburg, FamRZ 2006, 1780 f., das bei doppelt so hohem Einkommen des betreuenden Elternteils den anderen Elternteil von seiner Barunterhaltspflicht ganz entbindet, bei einem noch nicht doppelt hohen Einkommen soll der nicht betreuende Elternteil anteilig mithaften.
Ehinger
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
führen würde.1 Das OLG Brandenburg hat wegen eines erheblichen Gefälles der Einkommen der Eltern den barunterhaltspflichtigen Elternteil mit einem fiktiven Einkommen von 1 500 Euro – und Einkommen der betreuenden Mutter von 5 700 Euro – ganz von seiner Barunterhaltspflicht entbunden. Zur Problematik einer generellen Beteiligung des betreuenden Elternteils am Barunterhalt, wenn der Barunterhaltspflichtige – bezogen auf seinen angemessenen Eigenbedarf – eingeschränkt leistungsfähig ist und der betreuende Elternteil ein über dem angemessenen Eigenbedarf liegendes Einkommen hat, ohne dass ein erhebliches Gefälle vorliegt, s. Rz. 56. 348
Û
Praxishinweis: Muss das Kind seinen Unterhalt einklagen, hat es zur schlüssigen Begründung des von ihm geltend gemachten Unterhaltsbedarfs, soweit dieser den Mindestunterhalt übersteigt, die Einkommensverhältnisse des Verpflichteten darzulegen. Insoweit steht ihm zur Klärung ein Auskunftsanspruch gegenüber dem Verpflichteten zu (vgl. dazu Kap. I Rz. 1 ff.). Es muss hingegen nicht vorgetragen werden, wie hoch das Einkommen des betreuenden Elternteils ist. Selbst wenn der betreuende Elternteil ein deutlich höheres Einkommen als der andere hat und deshalb eine Beteiligung des anderen Elternteils am Barunterhalt in Betracht käme, ist es nicht Sache des Kindes die Voraussetzungen einer für den barunterhaltspflichtigen Elternteil günstigen Einwendung darzulegen und ggfs. zu beweisen. Dem barunterhaltspflichtigen Elternteil steht ein eigener Auskunftsanspruch gegen den anderen Elternteil zu, so dass er selbst die Voraussetzungen klären kann. (Kap. I Rz. 7).2
10. Mangelfälle 349
Ergibt sich nach der Klärung des Bedarfs der Unterhaltsberechtigten und der Prüfung der Leistungsfähigkeit, dass die zur Verfügung stehenden Nettoeinkünfte des Unterhaltsverpflichteten nicht ausreichen, um seinen notwendigen Selbstbehalt und den errechneten Bedarf mehrerer gleichrangiger Unterhaltsberechtigter abzudecken, muss das über dem Selbstbehalt liegende Geld anteilig auf die gleichrangigen Unterhaltsverpflichtungen aufgeteilt werden (sog. absoluter Mangelfall). Zur Rangfolge der Ansprüche vgl. Rz. 366.
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Vom unechten (relativen) Mangelfall spricht man, wenn die Verteilungsmasse nicht ausreicht, um die Unterhaltsansprüche aller Berechtigten, auch der nachrangig Unterhaltsberechtigten, zu befriedigen. In dem Fall ist die Verteilungsmasse zunächst für die Befriedigung der vorrangig Berechtigten zu verwenden (Rz. 367). Für die Berechnung der Kürzung der Unterhaltsrenten im absoluten Mangelfall gilt folgende Formel: Einsatzbedarf × Verteilungsmasse Höhe der monatlichen Unterhaltsrente = Summe der Einsatzbeträge
1 BGH, FamRZ 2013, 1558 Tz. 26; 2002, 742; 1980, 994 (995); 1981, 347 (348) und 543 (544); 1991, 182 (183); Wendl/Dose/Klinkhammer, § 2 Rz. 434. 2 BGH, FamRZ 1988, 268.
124 Ehinger
III. Berechnung des Unterhalts
Die Mangelfallberechnung erfolgt in 4 Arbeitsschritten1:
351
– Bestimmung der Einsatzbeträge der Unterhaltsberechtigten für die Mangelfallberechnung; – Feststellung des zu verteilenden Einkommens (bereinigtes Einkommen abzüglich des dem Verpflichteten zustehenden notwendigen Selbstbehalts = Verteilungsmasse); – Berechnung der Anteile der Berechtigten an der Verteilungsmasse entsprechend dem Verhältnis ihrer Einsatzbeträge nach der Formel: Einsatzbetrag × Verteilungsmasse : Summe der Einsatzbeträge der gleichrangigen Unterhaltsberechtigten. Vereinfacht: Einsatzbetrag × Kürzungsfaktor (Kürzungsfaktor = Verteilungsmasse : Summe der Einsatzbeträge). – abschließende Angemessenheitskontrolle und ggf. Korrektur des Ergebnisses durch Vergleich des individuellen Bedarfs mit den Ergebnissen. Einsatzbeträge sind, da minderjährige und nach § 1603 Abs. 3 BGB privilegierte 352 volljährige Kinder seit 1.1.2008 im ersten Rang vor den anderen Berechtigten stehen, die errechneten Bedarfsbeträge oder der Mindestunterhalt der Kinder, jeweils abzüglich des anteiligen Kindergeldes, denn es mindert den Barbedarf des Kindes (§ 1612b Abs. 1 Satz 2 BGB).2 Die Verteilungsmasse wird ermittelt durch Abzug des notwendigen Selbstbehalts des Unterhaltspflichtigen von dem bereinigten Einkommen. Der notwendige Selbstbehalt gegenüber minderjährigen Kindern und ihnen gleichgestellten privilegierten volljährigen Kindern beträgt seit 1.1.2013 fortdauernd nach den Leitlinien aller OLG bundesweit 1 000 Euro beim erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen und 800 Euro beim Nichterwerbstätigen. Treffen die Ansprüche von minderjährigen und privilegiert volljährigen Kindern 353 (Schülern) zusammen, ergeben sich keine Besonderheiten, wenn – wie im nachfolgenden Beispiel – der die Minderjährigen betreuende Elternteil zur Leistung von Barunterhalt gegenüber dem volljährigen Schüler nicht leistungsfähig ist. Komplizierter ist die Berechnung jedoch, wenn beide Eltern zur Leistung von Barunterhalt gegenüber dem privilegiert volljährigen Kind leistungsfähig sind, s. dazu Kap. B Rz. 133 f. 11. Mangelfallberechnung 354
Beispiel V lebt von seiner Ehefrau F getrennt, in deren Haushalt drei gemeinsame Kinder im Alter von 5, 7 und 18 Jahren leben. Das volljährige Kind besucht noch die Schule. Das Kindergeld bezieht F, die kein Einkommen hat. Das bereinigte Einkommen des V beträgt 1 500 Euro. Die Kinder haben nach der Einkommensgruppe 1 der DT einen Unterhaltsbedarf i.H.v. zusammen 1 169 Euro. Nach Abzug des Kindergeldes gem. § 1612b Abs. 1 BGB besteht ein ungedeckter Bedarf von 798 Euro:
1 BGH, Urt. v. 22.1.2003 – XII ZR 2/00, FamRZ 2003, 363 ff. in grundlegender Änderung seiner Rechtsprechung; zur früheren Handhabung vgl. BGH, FamRZ 1997, 806 (811). 2 BGH, FamRZ 2009, 1300 (1304 f.); 2010, 1318 Tz. 28; DT, Anm. C sowie Nr. 15.2 der LL; Scholz, FamRZ 2007, 2021 (2027); Reinken, FPR 2008, 9, 11; Klinkhammer, FamRZ 2008, 193 (200); Schürmann, FamRZ 2008, 313 (323).
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes K1 4. Altersstufe K2 2. Altersstufe K3 1. Altersstufe (erhöhtes Kindergeld) Summe der Bedarfsbeträge:
488 Euro – 184 Euro 364 Euro – 92 Euro 317 Euro – 95 Euro 1 169 Euro abzgl. Kindergeld
= 304 Euro = 272 Euro = 222 Euro = 798 Euro
Da F zur Zahlung von Unterhalt für das privilegierte volljährige Kind (K3) nicht leistungsfähig ist, hat V für den gesamten Unterhalt der Kinder aufzukommen. Bei einem Selbstbehalt von 1 000 Euro, der auch gegenüber privilegierten volljährigen Kindern gilt, reichen die zur Verfügung stehenden 500 Euro nicht aus, um den Bedarf der Kinder vollständig zu befriedigen, so dass ein Mangelfall vorliegt. Hier handelt es sich um einen absoluten Mangelfall, denn es können die Ansprüche der im ersten Rang gem. § 1609 Nr. 1 BGB berechtigten Kinder nicht vollständig befriedigt werden. Für die ebenfalls unterhaltsbedürftige F, die gem. § 1609 Nr. 2 BGB im 2. Rang berechtigt ist, sind keine Mittel mehr vorhanden, so dass sie leer ausgeht. 1. Bestimmung der Einsatzbeträge Die Einsatzbeträge entsprechen hier den errechneten Bedarfsbeträgen. Einsatzbetrag ist der Mindestunterhalt abzüglich des anteiligen Kindergelds. K1 K2 K3 Summe der Bedarfsbeträge:
488 Euro – 184 Euro 364 Euro – 92 Euro 317 Euro – 95 Euro
= 304 Euro = 272 Euro = 222 Euro = 798 Euro
2. Verteilungsmasse Bei einem Selbstbehalt von 1 000 Euro reicht das Einkommen des V nicht aus, um den Bedarf der Kinder von 798 Euro zu befriedigen, so dass die Ansprüche gekürzt werden müssen. Die Verteilungsmasse beträgt 500 Euro (1 500 Euro Einkommen – 1 000 Euro Selbstbehalt). 3. Berechnung der anteiligen Unterhaltsansprüche der Kinder Einsatzbeträge × Verteilungsmasse: Summe der Einsatzbeträge der gleichrangigen Unterhaltsberechtigten K1 K2 K3
= 191 Euro (304 Euro × 500 Euro: 798 Euro) = 170 Euro (272 Euro × 500 Euro: 798 Euro) = 139 Euro (222 Euro × 500 Euro: 798 Euro) = 500 Euro
4. Vereinfachte Berechnung Kürzungsfaktor × Einsatzbetrag = Unterhalt Der Kürzungsfaktor beträgt 62,65 % (Verteilungsmasse 500 : Summe der Einsatzbeträge 798 × 100 = 62,65 %) K1 = 191 Euro (304 Euro × 62,65 %) K2 = 170 Euro (272 Euro × 62,65 %) K3 = 139 Euro (222 Euro × 62,65 %) = 500 Euro
355
Zur Berechnung des Unterhalts im relativen oder unechten Mangelfall, also beim Zusammentreffen mehrerer Unterhaltsberechtigter mit unterschiedlichem Rang, s. Kap. E Rz. 244 f.
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IV. Wie der Unterhalt geleistet wird
IV. Wie der Unterhalt geleistet wird Der barunterhaltspflichtige Elternteil ist zur Zahlung von Unterhalt in Form ei- 356 ner Geldrente (§ 1612 Abs. 1 BGB) verpflichtet. Diese ist jeweils im Voraus zu zahlen (§ 1612 Abs. 3 BGB). Die Vorauszahlungsregel ist nicht gleichbedeutend mit der Zahlung zum jeweils Ersten des Monats; vielmehr bezieht sich die Formulierung nur auf die jeweilige Unterhaltsperiode, die auch am 10. oder 15. eines Monats beginnen kann.1 Die Fälligkeit, d.h. ab wann der Unterhaltsgläubiger den Unterhalt verlangen 357 kann, richtet sich nach § 1613 Abs. 1 BGB. Danach ist der Unterhalt ab dem Ersten des Monats geschuldet, in dem der Verpflichtete zur Auskunftserteilung zum Zwecke der Unterhaltsberechnung aufgefordert wurde, in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist (Rz. 368 ff.). Im Unterhaltstitel sollte deshalb die Fälligkeit genau bestimmt werden. Da der Verpflichtete für erbrachte Leistungen auf den geschuldeten Unterhalt darlegungsund beweispflichtig ist, sollte auf den Überweisungsträgern immer genau angegeben werden, auf wen (bei mehreren Berechtigten), in welcher Höhe und auf welchen Zeitraum sich die Zahlungen beziehen. Fehlt es an einer zeitlichen Bestimmung durch den Verpflichteten, werden die Zahlungen zunächst auf den laufenden Unterhalt und dann auf die Rückstände verrechnet (§ 366 Abs. 2 BGB).
Û
Praxishinweis: Empfehlenswert ist folgende Antragsformulierung: „Der An- 358 tragsgegner wird verpflichtet, ab 1.1.2013 an die Antragstellerin zu Händen der gesetzlichen Vertreterin, eine monatliche jeweils im Voraus bis zum 1. (variabel) eines Monats zahlbare Unterhaltsrente in Höhe von 225 Euro (317 Euro Mindestunterhalt – 92 Euro hälftiges Kindergeld) zu zahlen.“ Wie die Zahlungsanträge nebst Zinsen zu fassen sind, ist anhand einer Musterantragsschrift für den Ehegattenunterhalt unter Kap. K Rz. 267 erläutert.
Ob ein Elternteil einem minderjährigen Kind gegenüber barunterhaltspflichtig 359 ist, hängt davon ab, bei welchem Elternteil das Kind lebt. Unabhängig von der Regelung der elterliche Sorge erfüllt der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, in der Regel seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind durch Pflege und Erziehung des Kindes (§ 1606 Abs. 3 BGB), der andere nicht betreuende Elternteil ist barunterhaltspflichtig. Dies gilt auch, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil umfänglich Umgang mit dem Kind hat und sich an der Betreuung beteiligt. Nur bei im Wesentlichen hälftiger Betreuung des Kindes kommt eine beiderseitige Barunterhaltspflicht in Betracht.2 Üben Eltern gemeinsam die elterliche Sorge aus und können sie sich nicht über die Unterhaltsbestimmung, also in welcher Form der Unterhalt gewährt wird, einigen, kann das Gericht auf Antrag nach § 1628 BGB einem Elternteil das Bestimmungsrecht übertragen. Steht das Sorgerecht nur einem Elternteil zu, hat auch dieser das alleinige Bestimmungsrecht.3 Zur Berechnung des Unterhalts beim Wechselmodell vgl. Rz. 265 ff.
1 FamGB/Griesche, § 1612 BGB Rz. 30; KG, FamRZ 1984, 1131 (1134). 2 BGH, FamRZ 2006, 1015 (1017). 3 OLG Saarbrücken, FamRZ 2010, 219.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
V. Keine Beschränkung oder Wegfall des Unterhalts nach § 1611 BGB 360
Anders als sonst im Verwandtenunterhalt schließt das Gesetz eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs wegen sittlichen Verschuldens oder einer schweren Verfehlung des minderjährigen Kindes gegen den Unterhaltspflichtigen oder dessen nahen Angehörigen ausdrücklich aus (§ 1611 Abs. 2 BGB). Maßgeblich für diese Schutzklausel zugunsten Minderjähriger ist zum einen die gesteigerte Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber minderjährigen Kindern, zum anderen, dass eventuelle Fehlentwicklungen oft auf dem unzureichenden Erziehungsverhalten von Eltern beruhen. Privilegierte Volljährige können sich hingegen nicht auf § 1611 Abs. 2 BGB berufen, denn der Gesetzgeber hat eine entsprechende Anwendung der Vorschrift für sie nicht vorgesehen.1 Liegen die Gründe für die Unterhaltsbedürftigkeit eines volljährigen Kindes in der Zeit der Minderjährigkeit, rechtfertigen sie ebenfalls nicht die Anwendung der Verwirkungsvorschrift des § 1611 Abs. 1 BGB. Dies gilt z.B. wenn eine 17-Jährige ihre Ausbildung vorwerfbar abbricht, arbeitslos wird und auch für die Zeit der Volljährigkeit Unterhalt verlangt.2
VI. Unterhaltsverträge und Unterhaltsverzicht 361
Für die Zukunft kann auf den Unterhalt des minderjährigen Kindes nicht verzichtet werden, auch nicht teilweise (§ 1614 Abs. 1 BGB). Eine Unterschreitung der Tabellenwerte wird bis zu 20 % noch hinzunehmen sein, liegt der vereinbarte Unterhalt jedoch um ein Drittel unter dem gesetzlich geschuldeten Unterhalt, ist die Vereinbarung in der Regel unwirksam.3 Die Unwirksamkeit der Vereinbarung führt dazu, dass das Kind jederzeit den höheren Unterhalt verlangen kann. Keine Bedenken bestehen gegen einen Verzicht auf rückständigen Unterhalt. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn für das Kind in der Vergangenheit öffentliche Leistungen von der Unterhaltsvorschusskasse oder vom Sozialhilfeträger bezogen wurden (s. Kap. H Rz. 14 ff.). Da die Ansprüche in Höhe der Leistungsgewährung auf das Sozialamt oder die Vorschusskasse übergegangen sind, bedarf eine solche Vereinbarung der Genehmigung des Leistungsträgers.
362
Oft besteht ein Bedürfnis der Eltern, rechtlich verbindlich zu klären, dass der barunterhaltspflichtige Elternteil keinen Unterhalt zahlen muss, z.B. wenn er nach der Scheidung weiter die Lasten für ein gemeinsames Haus, in dem der andere mit dem Kind lebt, bezahlt oder jeder ein gemeinsames Kind versorgt und beide Eltern etwa gleichviel verdienen. Hier darf zwar auch nicht auf Kindesunterhalt verzichtet werden. Die Eltern können aber wirksam eine Vereinbarung darüber treffen, dass der das Kind betreuende Elternteil den anderen von der Zahlung von Kindesunterhalt im Innenverhältnis freistellt (sog. Freistellungsvereinbarung). Eine Freistellungsvereinbarung stellt eine Erfüllungsübernahmeverpflichtung i.S.v. § 329 BGB dar, aufgrund derer der Unterhaltsschuldner gegenüber dem anderen Elternteil geltend machen kann, dass dieser den Anspruch des Kindes zu erfüllen, bzw. ihm den an das Kind gezahlten Unterhalt zu erstatten hat.
1 Vgl. zur Billigkeitsklausel des § 1611 BGB beim Verwandtenunterhalt ausführlich Griesche, FPR 2005, 335 ff. 2 BGH, FamRZ 1988, 159 (163). 3 BGH, FamRZ 1984, 999.
128 Ehinger
VII. Rangverhältnisse
Das Kind verliert durch diese Vereinbarung der Eltern nicht seinen Unterhalts- 363 anspruch. Bei wechselseitigen Freistellungsvereinbarungen der Eltern in den Fällen der Geschwistertrennung sollte bei sehr unterschiedlichen Einkünften beachtet werden, dass die geschuldeten Unterhaltsrenten erheblich differieren können. Hier kann es sinnvoll sein, festzulegen, dass der besser gestellte Elternteil zur Zahlung eines Differenzbetrags verpflichtet ist. Die Anforderungen an das Vorliegen einer ausdrücklichen Freistellungsvereinbarung sind allerdings streng, insbesondere muss aus übereinstimmenden Willenserklärungen der Eltern eindeutig erkennbar sein, dass ein Elternteil mit Rechtsbindungswillen den tatsächlich geschuldeten Unterhalt für den anderen übernehmen will, was durch ausdrückliche oder konkludente Willenserklärung geschehen kann. Nicht ausreichend ist z.B., dass sich ein Elternteil im Unterhaltsstreit mit einer 364 geringeren Zahlung als geschuldet einverstanden erklärt hat.1 365
Beispiel Vorschlag für eine Vereinbarung über die Freistellung: 1. V verpflichtet sich auf der Grundlage eines bereinigten Nettoeinkommens von 2 000 Euro eine monatliche Unterhaltsrente in Höhe von 273 Euro (365 Euro abzüglich des anteiligen Kindergelds = 273 Euro) für die gemeinsame Tochter T nach der Einkommensgruppe 4 der DT zu zahlen. Die Zahlung erfolgt ab 1.3.2013 mtl. im Voraus, jeweils spätestens bis zum 5. eines Monats. 2. Für die Zeit vom 1.9.2013 – 31.8.2015 stellt M ihren geschiedenen Ehegatten V von der Zahlung des Kindesunterhalts frei mit Rücksicht auf die von M übernommenen Kreditverbindlichkeiten für das Familienheim, das M mit dem Kind bewohnt. Für den Fall der Inanspruchnahme auf Kindesunterhalt durch die Tochter T für den Zeitraum der vereinbarten Freistellung hat M eine Einmalzahlung von 5 000 Euro an V zum Ausgleich der von M übernommenen Kreditverbindlichkeiten zu zahlen.
VII. Rangverhältnisse Reicht das Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils zur Befriedigung 366 der Ansprüche aller Unterhaltsberechtigten nicht aus, gilt die in § 1609 BGB geregelte Rangfolge: Die minderjährigen unverheirateten Kinder und die ihnen gleichgestellten unverheirateten volljährigen Schüler bis zu ihrem 21. Lebensjahr, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben, haben seit 1.1.2008 den ersten Rang vor allen anderen Unterhaltsberechtigten (§ 1609 Nr. 1 BGB). Es folgen im 2. Rang kinderbetreuende Elternteile, egal, ob sie mit dem Verpflichteten verheiratet sind oder waren sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer (§ 1609 Nr. 2 BGB). Im 3. Rang berechtigt sind alle übrigen Ehegatten, die nicht unter Nr. 2 fallen; im 4. die volljährigen Kinder; im 5. Rang Enkelkinder, im 6. Rang die Eltern und im 7. Rang weitere Verwandte (§ 1609 Nr. 3–7 BGB). Sind nur gleichrangige Kindesunterhaltsansprüche nach Abzug des anteiligen Kindergeldes2 zu befriedigen und reichen die Mittel nicht zur vollen Befriedigung aus, wird das zur Verfügung stehende Geld anteilig entsprechend dem Verhältnis der Ansprüche zueinander verteilt. Streitig ist hingegen, in welcher Höhe dem Kind Unterhalt zustehen soll, wenn das Geld zwar ausreichen würde, den vollen Bedarf der bevorrechtigten Kinder zu befriedigen, nicht aber zur vollen Befriedigung nachrangig Berechtigter (sog. unechter Man1 BGH, FamRZ 2009, 768 ff. 2 BGH, FamRZ 2009, 1300 (1304 f.).
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129
A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
gelfall).1 Kann in dem Fall der Kindesunterhalt auf den Mindestunterhalt beschränkt werden, um so einen höheren Unterhalt an nachrangig Berechtigte zahlen zu können? Nach Auffassung des BGH, der zuzustimmen ist, kann im unechten Mangelfall der Bedarf der Kinder auf den Mindestunterhalt beschränkt werden.2 Denn maßgeblich ist der Betrag, der sich nach einer Angemessenheitsprüfung ergibt, bei der die Einstufung in die DT unter Berücksichtigung aller Unterhaltsberechtigten, unabhängig von ihrem Rang überprüft wird (Rz. 252 f.). Dies wird bei knappen Mitteln regelmäßig dazu führen, dass der Tabellenunterhalt herabgestuft wird, ggfs. bis in die erste Stufe, dem Mindestunterhalt. Zur Vertiefung des Problems der angemessenen Verteilung der Mittel s. Kap. E Rz. 246. 367
Bis 31.12.2007 waren die minderjährigen und privilegierten volljährigen Kinder nach § 1609 Abs. 1 und 2 BGB a.F. neben dem Ehegatten – einschließlich des (getrennt lebenden oder geschiedenen) Ehegatten – gleichberechtigt vor allen anderen Unterhaltsgläubigern zu berücksichtigen.
VIII. Unterhalt für die Vergangenheit 368
Unterhalt kann i.d.R. nicht für die Vergangenheit verlangt werden; denn er dient immer nur der Deckung des aktuellen Lebensbedarfs. Es kann deshalb nur ausnahmsweise Unterhalt für die Vergangenheit in folgenden Fällen geltend gemacht werden: – gemäß § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB von dem Zeitpunkt an, zu welchem der Verpflichtete zum Zweck der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen; – gemäß § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB von dem Zeitpunkt an, zu dem der Unterhaltsverpflichtete in der Vergangenheit unter Angabe des Zahlungsbetrags vergeblich zur Zahlung aufgefordert worden ist, d.h. in Verzug gesetzt worden ist, oder der Unterhaltsanspruch mit Zustellung der Klageschrift an den Verpflichteten rechtshängig geworden ist; – gemäß § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB für Sonderbedarf innerhalb eines Jahres seit Entstehung des Anspruchs; nach Ablauf eines Jahres nur, wenn vorher der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Anspruch rechtshängig geworden ist. Zu den Anspruchsvoraussetzungen des Sonderbedarfs vgl. die Erläuterungen unter Rz. 306 f.; – gemäß § 1613 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und b BGB für den Zeitraum, in dem das Kind aus rechtlichen Gründen (Nr. 2 Buchst. a) oder aus tatsächlichen Gründen, die in den Verantwortungsbereich des Unterhaltspflichtigen fallen (Nr. 2 Buchst. b), an der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs gehindert war. In diesen Fällen kann sich der Anspruch aber mindern oder darf gestundet werden, falls die volle oder sofortige Erfüllung für den Verpflichteten eine unbillige Härte bedeuten würde (§ 1613 Abs. 3 BGB).
369
Wird der Unterhalt nach der Auskunftserteilung vom Unterhaltsberechtigten beziffert (§ 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB), ist später eine nachträgliche, höhere Beziffe1 Für den „absoluten“ Vorrang des Kindesunterhalts Schürmann, FamRZ 2008, 313 (321); dagegen Schwab, FamRZ 2005, 1417 (1423); Wever, FamRZ 2008, 553 (559). 2 BGH, FamRZ 2008, 2189 Rz. 22 m. Anm. Graba S. 2192; Dose, JAmt 2009, 1 (6).
130 Ehinger
VIII. Unterhalt für die Vergangenheit
rung aus Gründen des Schuldnerschutzes nicht mehr möglich, es sei denn, der Unterhaltsberechtigte behält sich diese ausdrücklich vor, z.B. weil die Auskunft noch nicht vollständig erteilt wurde oder Anlass zu Zweifeln an deren Richtigkeit besteht.1 Der nach § 1613 Abs. 1 BGB geltend gemachte Unterhalt für die Vergangenheit wird geschuldet ab dem Ersten des Monats (Fälligkeit), in den eines der ersten drei bezeichneten Ereignisse fällt (§ 1613 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Regelung in § 1613 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a BGB ersetzt seit 1.7.1998 den frü- 370 heren § 1615d BGB a.F. und ermöglicht dem nichtehelichen Kind nach Feststellung oder Anerkennung der Vaterschaft, Unterhalt auch für den Zeitraum geltend zu machen, in dem die Vaterschaft noch nicht rechtsverbindlich geklärt war. Beispiel Am 15.1.2013 wird rechtskräftig festgestellt, dass V der Vater des am 15.12.2011 geborenen Kindes K ist. K kann für die Zeit ab 15.12.2011 rückständigen Individualunterhalt einschließlich Sonderbedarf verlangen. Liegt ein Härtegrund vor, kann V die Stundung oder Minderung der Zahlungsverpflichtung verlangen.
Mit der Regelung in § 1613 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b BGB können auch die Fälle er- 371 fasst werden, in denen der Verpflichtete sich z.B. unbekannt im Ausland aufhält. Beispiel M bricht aus dem bürgerlichen Leben aus, verlässt die Familie, ohne Nachricht zu hinterlassen, wie man ihn erreichen kann, und erfüllt sich seinen Traum einer Weltumseglung. Er meldet sich nach 2 Jahren wieder bei der Familie. Seine Kinder können für die vergangenen 2 Jahre rückständigen Unterhalt verlangen.
Verzugszinsen für Unterhalt können nur verlangt werden, wenn sich der 372 Schuldner mit der Zahlung in Verzug befindet. Gemäß § 286 Abs. 1 BGB kommt der Schuldner, wenn er auf eine Mahnung des Gläubigers, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, nicht leistet, durch die Mahnung in Verzug. Die Zahlungsaufforderung entspricht der Mahnung.2 Klageerhebung und Zustellung des Mahnbescheids stehen der Mahnung gleich (§ 286 Abs. 1 Satz 2 BGB). Das Auskunftsverlangen ist ebenfalls einer Mahnung gleichzustellen, wenn es mit einer unbezifferten Zahlungsaufforderung (Stufenmahnung, vgl. Kap. J Rz. 14 ff.) verbunden wird.3 Steht die Leistungszeit z.B. aufgrund eines Vertrags fest, ist eine Mahnung entbehrlich. Der in § 286 Abs. 3 BGB geregelte automatische Verzugseintritt (30-Tage-Regel) bezieht sich nur auf Entgeltforderungen, die eine Gegenleistung darstellen, nicht auf Unterhaltsforderungen. Die Fälligkeit tritt bei der Mahnung ab dem Ersten des Monats ein, in dem die 373 Mahnung bzw. Stufenmahnung dem Schuldner zugeht (§ 1613 Abs. 1 Satz 2 BGB); der Verzug hingegen tritt erst ab Zugang der Mahnung (auch der unbezifferten Stufenmahnung) ein und erstreckt sich auf die künftig fällig werdende wiederkehrende Unterhaltsrente.4 (S. hierzu auch das Muster für eine Antragsschrift Kap. K Rz. 317.) Deshalb muss die Mahnung nicht monatlich wiederholt
1 2 3 4
BGH, FamRZ 2013, 109 Tz. 41 f. Palandt/Grüneberg, § 286 BGB Rz. 16, 17. BGH, FamRZ 1990, 283 (285). BGH, FamRZ 1988, 370, Tz. 11.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
werden. Verzugszinsen können erst einen Tag nach Zugang der Mahnung verlangt werden (§ 187 Abs. 1 BGB). 374
Beispiel M fordert als gesetzliche Vertreterin von K den Vater V schriftlich auf, ab April eine mtl. Unterhaltsrente jeweils zum Ersten eines Monats in noch zu beziffernder Höhe zu zahlen und Auskunft über sein Einkommen für das letzte Kalenderjahr innerhalb einer Frist von 3 Wochen zu erteilen. V geht das Mahnschreiben am 15.4. zu. Nach Auskunftserteilung verlangt K die Zahlung von mtl. 218 Euro ab 1.4. V beginnt mit der Zahlung des laufenden Unterhalts erst ab 1.8. K hat Anspruch auf Zahlung von Unterhalt für die Vergangenheit ab 1.4., denn aufgrund der Stufenmahnung ist der Unterhalt gemäß § 1613 Abs. 1 Satz 2 BGB ab 1.4. fällig. Verzugszinsen können für den rückständigen Unterhalt für April ab 16.4., einen Tag nach dem Zugang der Mahnung (§§ 286 Abs. 1, 287 Abs. 1 BGB), für Mai ab 1.5., für Juni ab 1.6., für Juli ab 1.7. verlangt werden.
375
Ab Verzugseintritt, also einen Tag nach Zugang der Mahnung, können Verzugszinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszins der Europäischen Zentralbank verlangt werden (§ 288 Abs. 1 i.V.m. § 247 BGB). Der Basiszinssatz beträgt z.B. vom 1.7.2008 – 31.12.2008 3,19 %; 1.1.2009 – 30.6.2009 1,62 %; 1.7.2009 – 30.6.2011 0,12 %; 1.7.2011 – 31.12.2011 0, 37 %; 1.1.2012 – 31.12.2012 0,12 %; 1.1.2013 – 30.6.2013 – 0,13 %; 1.7.2013 – 31.12.2013 – 0,38 %; 1.1.2014 – 30.6.2014 – 0,63 %.
376
Für die Zeit vom 1.7. bis 31.12.2013 z.B. können deshalb 4,62 % Zinsen verlangt werden. Der variable Basiszins wird regelmäßig zum 1.1. und 1.7. eines Jahres dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank angepasst und von der Deutschen Bundesbank im Bundesanzeiger veröffentlicht.1
377
Û
Praxishinweis: Die seit 1.7.1998 geltende Regelung des § 1613 BGB, nach der Unterhalt für die Vergangenheit ab dem Ersten des Monats verlangt werden kann, in dem dem Schuldner ein Auskunftsverlangen über sein Einkommen zum Zweck der Unterhaltsberechnung zugegangen ist, entsprach einem Bedürfnis der Praxis; denn zuvor musste der Unterhalt „ins Blaue“ hinein beziffert zu werden, um Ansprüche zu sichern, was auch mit Kostennachteilen verbunden war. Trotz dieser Regelung ist die Mahnung unentbehrlich, wenn das Einkommen des Verpflichteten bekannt ist oder ein Auskunftsverlangen wegen der 2-Jahres-Frist gemäß § 1605 Abs. 2 BGB nicht in Betracht kommt. Aber auch für die Geltendmachung von Verzugszinsen ist sie notwendig (vgl. im verfahrensrechtlichen Teil Mustermahnschreiben unter Kap. J Rz. 14).
IX. Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB 378
Grundsätzlich gilt für alle Unterhaltsansprüche, dass sie zeitnah geltend zu machen sind, denn sie dienen der Befriedigung des allgemeinen aktuellen Lebensbedarfs und für den Unterhaltsschuldner muss alsbald Klarheit über die Höhe seiner Belastungen hergestellt werden, damit Rückstände nicht zu einer drückenden Schuldenlast werden.2 Hält sich der Unterhaltsgläubiger nicht daran, 1 Die aktuellen Daten sind auch im Internet über www.bundesbank.de oder www.basis zinssatz.de abrufbar. 2 BGH, FamRZ 1988, 370.
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IX. Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB
muss er damit rechnen, dass er seine Ansprüche verwirkt (§ 242 BGB). Eine Verwirkung von Unterhaltsansprüchen setzt voraus, dass der Berechtigte 1. Anspruch auf rückständigen Unterhalt hat. Dies wiederum setzt voraus, dass er seine Ansprüche gegenüber dem Verpflichteten unter den Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB entweder durch Auskunftsverlangen, Mahnung geltend oder diese rechtshängig gemacht hat, der Verpflichtete sich vertraglich oder aufgrund eines Titels zu regelmäßigen Zahlungen verpflichtet hat, 2. der Berechtigte diese Ansprüche in der Folgezeit über einen längeren Zeitraum nicht mehr weiter verfolgt hat (sog. Zeitmoment). Dabei muss er in der Lage gewesen sein, die Ansprüche weiterzuverfolgen und 3. er muss durch sein passives Verhalten bei dem Verpflichtete den Eindruck erweckt haben, dass er nicht mehr weiter auf Zahlung in Anspruch genommen werde, woraufhin sich dieser darauf eingerichtet hat (sog. Umstandsmoment).1 Dabei geht der BGH davon aus, dass schon ein Jahr der Nichtgeltendmachung 379 des rückständigen Unterhalts, ausreichen kann, um den Anspruch wegen illoyaler Verspätung der Rechtsausübung zu verwirken.2 Diese Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des BGH auch für den Minderjährigenunterhalt, obwohl die Verjährung der Unterhaltsansprüche eines minderjährigen Kindes gegenüber seinen Eltern bis zum 21. Lebensjahr des Kindes gehemmt ist (§ 207 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Allerdings müssen besondere Gründe das Vorliegen des Zeitund Umstandsmoments rechtfertigen, wenn der rückständige Unterhalt nur in Höhe des Mindestbedarfs geltend gemacht wird:3 Denn hat z.B. der Unterhaltspflichtige für das Kind in der Vergangenheit trotz Mahnung oder eines Auskunftsverlangens gemäß § 1613 Abs. 1 BGB nicht einmal Unterhalt in Höhe des Existenzminimums gezahlt, das Kind zwar wiederholt gemahnt, aber nicht alsbald Klage erhoben, dann wird das Zeitmoment erfüllt sein, nicht jedoch das Umstandsmoment. Der Unterhaltspflichtige konnte trotz des Zeitablaufs nicht damit rechnen, dass das minderjährige Kind nicht auf Unterhalt in dieser Höhe angewiesen sei, weil es anders als ein Erwachsener eben nicht in der Lage ist, sich selbst zu behelfen.4 Ist der Unterhaltsanspruch auf öffentliche Leistungsträger übergegangen, gilt an 380 sich, dass sich Natur, Inhalt und Umfang des Anspruchs nicht durch den Übergang ändern.5 Gleichwohl wird im Rahmen des Umstandsmoments zu prüfen sein, inwieweit ein Bürger tatsächlich in Kenntnis des Rechtsübergangs bereits nach einem Jahr damit rechnen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu 1 BGH, FamRZ 2002, 1698 f. 2 BGH, FamRZ 1988, 370; 2002, 1698; 2004, 531 (532). Zur Fallgruppe der Verwirkung wegen unzulässiger Rechtsausübung im Rahmen von § 242 BGB s. Palandt/Grüneberg, § 242 Rz. 87 ff. 3 Strenge Anforderungen stellen beim Mindestunterhalt u.a. OLG Celle, FamRZ 2008, 2230 ebenso OLG Dresden, JAmt 2004, 337 (339); a.A. OLG München, FamRZ 1986, 504 (505), das grundsätzlich eine Verwirkung des Regelunterhalts für ein nichteheliches Kind abgelehnt hat. 4 A.A. OLG Naumburg, FamRZ 2014, 133 Tz. 37, das keine besonderen Feststellungen zur Erfüllung des Umstandsmoments für erforderlich hält, weil ein Unterhaltspflichtiger sich erfahrungsgemäß an die ihm zur Verfügung stehenden Mittel anpasse (zweifelhaft). 5 BGH, FamRZ 2010, 1888 Tz. 23.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
werden, wenn z.B. bekannt ist, dass die Behörden längere Bearbeitungszeiten benötigen, nicht zuletzt wegen der Häufigkeit der Inanspruchnahme von Unterhaltsvorschuss und Sozialhilfe für Kinder und Sparmaßnahmen in der Verwaltung.1 Allerdings dürfte eine über zwei Jahre hinausgehende Frist mit Rücksicht auf den Schutz des Schuldners vor Überschuldung nicht mehr gerechtfertigt sein. Das Umstandsmoment ist nicht gegeben, wenn der Schuldner selbst auf Auskunftsersuchen der Behörde nur verzögert oder gar nicht geantwortet hat. In dem Fall kann er nicht darauf vertrauen, dass die Behörde den Anspruch nicht weiter verfolgen wird.2 381
Eine Verwirkung kommt hingegen wegen Vorliegen des Umstandsmoments in Betracht, wenn der Gläubiger die Behauptung des Schuldners, er sei leistungsunfähig, folgenlos über Jahre hinnimmt.
382
Besonders strenge Anforderungen an das Zeit- und Umstandsmoment haben gegenüber dem nichtehelichen Vater zu gelten ab Kenntnis einer möglichen Vaterschaft und deren Klärung.3
383
Beispiele 1. K bezieht seit 2008 Unterhaltsvorschuss. Der unterhaltspflichtige V erteilt Auskunft, dass er ALG II beziehe. Die Vorschusskasse unternimmt nichts weiter, informiert V jedoch regelmäßig über die weitere Leistungsgewährung und macht im Januar 2011 einen Gesamtrückstand von 3 192 Euro für die Zeit vom 1.1.2008–31.12.2010 geltend. V ist fortdauernd arbeitslos und teilt dies mit. Am 2.5.2012 wird der Antrag des Landes B beim FamG auf Zahlung des Rückstands von 3 192 Euro rechtshängig. K kann mit Erfolg Verwirkung einwenden, denn hier sind sowohl das Zeit- als auch das Umstandsmoment erfüllt, denn das Land klagt auf Unterhalt für einen Zeitabschnitt, der über ein Jahr vor Rechtshängigkeit der Klage liegt (Zeitmoment). Auch das Umstandsmoment ist gegeben, denn nach der Mitteilung über den Bezug von ALG II in 2008 über mehrere Jahre hat das Land keine Anstalten gemacht, den Anspruch durchzusetzen und den Eindruck erweckt, als akzeptiere es beim Bezug von ALG II die behauptete Leistungsunfähigkeit. 2. Wie oben, aber das Land beantragt neben der Zahlung des Rückstands die Zahlung von laufenden Unterhalt i.H.v. mtl. 133 Euro ab 1.1.2011. In dem Fall kommt nur eine Verwirkung des rückständigen Unterhalts bis zu einem Jahr vor der Rechtshängigkeit des Antrags in Betracht, für die Ansprüche auf Unterhalt ab 2.5.2011 kommt es für die Erfolgsaussicht darauf an, ob V das Gericht von seiner Leistungsfähigkeit überzeugen kann, für die er darlegungs- und beweispflichtig ist. 3. V hatte sich in einer Jugendamtsurkunde zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet. Da er den Unterhalt nicht zahlt, erhält das Kind Unterhaltsvorschuss, die Rechte aus dem Titel gehen auf den Leistungsträger, hier das Jugendamt, über. Da V auf vier Nachfragen des Jugendamts in der Zeit von 2003–2008 mitteilte, dass er ALG II beziehe, wird nicht aus dem Titel vollstreckt. Erst ab 2010 erfolgt die Vollstreckung wegen rückständigen Unterhalts. Sein Vollstreckungsabwehrverfahren blieb auch im Rechtsmittel erfolglos, da nach Auffassung des Gerichts die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht eingetreten seien.4 1 Vgl. zur Kritik an der Rechtsprechung des BGH bezogen auf den Elternunterhalt Hußmann, FPR 2004, 153; Klinkhammer, FamRZ 2003, 1702 (1704). Die Ausgaben des Bundes, der zu einem Drittel die Kosten trägt, betrugen 2010 303,6 Millionen Euro. In 2010 betrug die Rückholquote beim Unterhaltsvorschuss durchschnittlich 18 %, s. dazu BTDrucks. 17/7384. (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/073/1707384.pdf). 2 BGH, FamRZ 2010, Tz. 23 ff., 30. 3 OLG Brandenburg, FamRZ 2000, 1044 f. 4 Das Beispiel ist der Entscheidung des OLG Brandenburg, MDR 2013, 662 = NJW Spezial 2013, 356, nachgebildet.
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IX. Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB
Ist der Unterhalt bereits tituliert, kann ebenfalls die auf § 242 BGB beruhende 384 Einwendung der illoyalen Rechtsausübung wegen verspäteter Durchsetzung der Rechte aus dem Titel in Betracht kommen, wenn der Unterhaltsgläubiger ohne triftigen Grund über einen längeren Zeitraum nicht vollstreckt, obwohl er könnte und keine Anhaltspunkte für die Aussichtslosigkeit der Vollstreckung gegeben sind.1 Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen werden. Dabei lässt die Rechtsprechung bei titulierten Forderungen für das Zeitmoment bereits genügen, dass der Gläubiger – ohne rechtfertigenden Grund – ein Jahr lang untätig bleibt.2 Allerdings werden an das Vorliegen des Umstandsmoments besonders strenge Anforderungen gestellt, denn bei titulierten Forderungen ist die Forderung außer Streit und dem Schuldner drohen keine Beweisnachteile mehr wegen eines säumigen Verhaltens des Gläubigers. Auch ist er nicht rechtlos gegenüber dem Anwachsen eines Schuldenberges, wenn er unverschuldet leistungsunfähig wird, denn insoweit stehen ihm die Abänderungsverfahren nach §§ 238, 239 FamFG zur Verfügung. Das OLG Brandenburg hat in dem vorstehenden Beispiel 3 das Vorliegen des Umstandsmoments abgelehnt, obwohl der Gläubiger die Zwangsvollstreckung aus dem Titel über mehrere Jahre nicht betrieben hat, weil die Auskünfte des Schuldners ergaben, dass eine Vollstreckung aufgrund der finanziellen Lage des Schuldners aussichtslos gewesen wäre.3 Denn nach der Titulierung des Unterhalts sei es Sache des Unterhaltsschuldners, sich um eine Abänderung des Titels zu kümmern, dem Gläubiger jedenfalls sei es nicht zuzumuten, kostenträchtige erfolglose Vollstreckungsversuche zur Sicherung seiner Rechte zu unternehmen, nur um die Einwendung der Verwirkung abzuwenden.4 Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der rechtsvernichten- 385 den Einwendung der Verwirkung liegt beim Schuldner. Der Gläubiger ist darlegungs- und beweispflichtig dafür, wann und wie er den Anspruch geltend gemacht hat.5 Allerdings hat das Gericht, wenn sich die Tatsachen für die Verwirkung aus dem Sachverhalt ergeben, von Amts wegen über eine Verwirkung zu entscheiden, ohne dass sich der Schuldner explizit darauf berufen muss.6 Dies ist eine Besonderheit der sich aus § 242 BGB ergebenden Einwendungen. Bei dem Verwirkungsgrund der unzulässigen Rechtsausübung handelt es sich um einen von der Rechtsprechung zu § 242 BGB entwickelten Rechtsgrundsatz, der aus dem – die Rechtsordnung wesentlich bestimmenden – Vertrauensprinzip folgt, und in jedem Einzelfall bei begründetem Anlass vom Gericht zur inhaltlichen Konkretisierung des objektiven Rechts heranzuziehen ist.7 Anders liegt es bei der Verjährung, insoweit handelt es sich um eine nur
1 BGH, FamRZ 2004, 531 (532); 1999, 1422. Zum titulierten Minderjährigenunterhalt OLG Brandenburg, NJW-RR 2002, 362 ff. 2 BGH, FamRZ 1999, 1422; OLG Brandenburg, MDR 2013, 662, Rz. 31. 3 Zu den strengeren Anforderungen an das Umstandsmoment bei tituliertem Unterhalt s. OLG Brandenburg, MDR 2013, 662 f.; OLG Stuttgart, FamRZ 1999, 859. 4 Elden in NJW-Spezial 2012, 644 empfiehlt zur Vermeidung von Rechtsnachteilen bei leistungsunfähigen Schuldnern mindestens einmal jährlich zu versuchen, den Unterhalt durch Zwangsvollstreckung beizutreiben, was nur sinnvoll erscheint bei einer absehbaren Verbesserung der Verhältnisse. 5 Palandt/Grüneberg, § 242 BGB, Rz. 96. 6 BGH, NJW 1966, 345. 7 BGHZ 67, 56; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 302 ff. zur Bedeutung von Rechtsprinzipien für die Systembildung des Rechts.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
rechtshemmende Einwendung, deren Voraussetzung das Gericht erst prüft, wenn sich der durch § 214 BGB begünstigte Schuldner auf sie beruft (s. Rz. 387 ff.). 386
Û
Praxishinweis: Bei tituliertem laufenden Unterhalt droht – auch wenn die Rechtsprechung für eine Verwirkung strengere Anforderungen an das Umstandsmoment stellt – bei Leistungsunfähigkeit des Schuldners gleichwohl noch der Rechtsnachteil durch die kurze Verjährungsfrist von drei Jahren (s. nachfolgend Rz. 387 ff.). Die kurze Verjährung kann nur abgewendet werden durch einen Vollstreckungsversuch, der zwar bei Erfolglosigkeit Kosten für den Gläubiger verursacht, aber nach § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB den Vorteil bietet, dass die Verjährungsfrist neu zu laufen beginnt. Ob es sich für den Gläubiger lohnt, diese Kosten zu investieren, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und erfordert eine Einschätzung darüber, wie sich die wirtschaftliche Situation des Schuldners zukünftig entwickeln wird. In jedem Fall sollten Beginn und Ende der Fristen für die Verjährung und Verwirkung wie z.B. Zugang des Auskunftsersuchens und Rechtskraft des Titels in der Akte notiert werden für die Beratung.
X. Verjährung 387
Die Verjährungsfrist für Unterhaltsansprüche von Kindern gegenüber ihren Eltern beträgt 3 Jahre (§ 197 Abs. 2 i.V.m. § 195 BGB). Sie beginnt i.d.R. bei Unterhaltsansprüchen erst mit dem Schluss des Kalenderjahres zu laufen, in dem der Anspruch entsteht (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB.). Diese Regelung gilt seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes und ersetzt die bis dahin geltende Frist von 4 Jahren (§§ 197, 201 BGB a.F.). Bei Ansprüchen auf Kindesunterhalt gilt seit 1.1.2010 die Besonderheit, dass die Verjährung von Ansprüchen bis zum 21. Lebensjahr gehemmt ist (§ 207 Abs. 1 Nr. 2a) BGB). Sinn und Zweck der Verjährungshemmung ist, dass Kinder häufig noch nach Beginn der Volljährigkeit z.B. wegen der Ausbildung im Elternhaus leben und die familiäre Beziehung nicht durch eine gerichtliche Auseinandersetzung über Unterhaltsansprüche belastet werden soll.1 Werden Unterhaltsrückstände tituliert, gilt eine dreißigjährige Verjährungsfrist (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Sie ersetzt die Regelverjährungsfrist und gilt nur für die zum Zeitpunkt der Titulierung aufgelaufenen Rückstände. Ein darüberhinausgehend titulierter laufender Unterhalt verjährt innerhalb der Regelverjährungszeit von drei Jahren (§§ 197 Abs. 2, 195 ZPO), die allerdings jeweils nach § 212 Abs. 1 Nr. 2 ZPO durch Vollstreckungshandlungen des Gläubigers neu zu laufen beginnt.
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Beispiele – K wird am 21.4.2008 volljährig. Ihm stehen gegen V noch Unterhaltsansprüche aus der Zeit der Minderjährigkeit zu. Wegen der Hemmung der Verjährung bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres nach § 207 Abs. 1 Nr. 2a) BGB beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst Ende 2011 zu laufen. K kann sich also Zeit lassen für seine Entscheidung, ob er die Ansprüche gerichtlich durchsetzen will, denn die Ansprüche verjähren erst am 31.12.2014 (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). – Der Unterhaltsschuldner V hat sich am 1.10.2011 in einer vollstreckbaren Urkunde zur Zahlung eines Rückstands von 1 000 Euro und Zahlung einer laufenden Unterhaltsrente von 314 Euro ab 1.10.2011 verpflichtet. Für die rückständigen 1 000 Euro gilt die 1 BR-Drucks. 96/08, S. 28.
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X. Verjährung dreißigjährige Frist, gerechnet ab der Titelerstellung und für den laufenden Unterhalt die dreijährige Frist. Der Rückstand von 1 000 Euro ist am 31.12.2041 verjährt. Der laufende Unterhalt aus 2011 verjährt am 31.12.2014.
Ist ein Unterhaltsanspruch auf einen Dritten übertragen worden oder wie z.B. 389 bei der Unterhaltsvorschussgewährung gesetzlich übergegangen (§ 7 UVG), gilt die Hemmung der Verjährung nicht, denn in der Rechtsbeziehung zwischen (Legal-)Zessionar und Schuldner spielt der mit der Verjährungshemmung bezweckte Schutz, nämlich die Wahrung des Familienfriedens, keine Rolle.1 Dies gilt auch in den Fällen, in denen die Unterhaltsansprüche vom Leistungsträger auf das Kind zurückübertragen werden. Erfolgt die Abtretung nach Ablauf der Verjährungsfrist, kommt ein Wiederaufleben der Verjährungshemmung, schon aus Gründen der Rechtsklarheit und -sicherheit, nicht mehr in Betracht und es bleibt bei der einmal eingetretenen Verjährung. Aber auch bei der Abtretung vor Ablauf der Verjährungsfrist, sprechen gewichtigere Gründe gegen ein Wiederaufleben der Verjährungshemmung. Insbesondere ist neben dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtssicherheit zu berücksichtigen, dass ein fortdauerndes Schutzbedürfnis des Kindes nicht ersichtlich ist, mindestens aber gegenüber dem gesetzlich bezweckten Schutz des Schuldners, der den Verjährungsvorschriften zugrunde liegt, zurückzutreten hat. Dabei fällt vor allem ins Gewicht, dass die Rückübertragung nie ohne oder gegen, sondern nur mit Zustimmung des Kindes möglich ist. D.h. es übernimmt freiwillig die Rolle der treuhänderischen Wahrnehmung der Interessen des Leistungsträgers im Unterhaltsstreitverfahren, was auch für den Unterhaltsschuldner offenkundig ist. In dem Fall entspricht es am besten dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Verjährungsvorschriften, wenn für zurückübertragene Forderungen weiter die normale Verjährung gilt, die dem Interesse des Schuldnerschutzes an einer möglichst baldigen Klarheit über das Bestehen der Verbindlichkeiten dient, um eine Überschuldung zu vermeiden.2 Das Gericht überprüft die Voraussetzungen der Verjährung nicht von Amts we- 390 gen. Insoweit steht dem Schuldner eine Einwendung gegen den Unterhaltsanspruch zu, d.h. er ist nach § 214 BGB berechtigt – aber nicht verpflichtet –, wegen Verjährung der Forderung die Erfüllung der Leistung zu verweigern (sog. peremptorische Einrede). Erhebt er die Einrede, kann der Gläubiger den Anspruch dauerhaft nicht mehr durchsetzen, obwohl der Anspruch selbst weiter bestehen bleibt. Für die Voraussetzungen der Einrede, also Fristbeginn und -ende, trägt der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast.
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Praxishinweis: Sowohl für Schuldner als auch Gläubiger empfiehlt es sich, 391 immer die Verjährungsfristen im Blick zu haben, um Rechtsnachteile zu vermeiden. Das gilt in besonderem Maße, wenn der laufende Unterhalt bereits tituliert, der Schuldner aber nicht leistungsfähig ist. Hier greift die kurze Verjährungsfrist von 3 Jahren, die nur abgewendet werden kann, indem die – wenn auch aussichtslose – Vollstreckung beantragt wird, denn dann beginnt die Frist neu zu laufen (§ 212 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Aber nicht nur durch Verjährung drohen Rechtsnachteile, noch viel strenger sind die Anforderungen, die die Rechtsprechung an die zügige Durchsetzung von Unterhaltsansprü-
1 BGH, FamRZ 2006, 1664 Tz. 14. 2 So im Ergebnis auch Wendl/Dose/Klinkhammer, § 8 Rz. 274; ebenso OLG Oldenburg, JAmt 2013, 114 ff. A.A. Palandt/Ellenberger, § 207 BGB Rz. 1; AG Hamburg, DAVorm 1973, 622.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
chen durch den Gläubiger nach § 242 BGB stellt: Da Unterhalt der Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs dient und sich Unterhaltsschulden schnell zu einer drückenden Schuldenlast entwickeln können, ist vom Gläubiger grundsätzlich eine zeitnahe Geltendmachung und Durchsetzung zu erwarten, anderenfalls droht ein Rechtsverlust durch Verwirkung wegen illoyaler Rechtsausübung nach § 242 BGB. S. dazu die vorstehenden Ausführungen unter Rz. 378 ff.
XI. Verfahrenskostenvorschuss 392
Minderjährige Kinder haben ihren Eltern gegenüber einen Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss, mit dem die eigenen voraussichtlich entstehenden Anwalts- und Gerichtsgebühren verlangt werden können. Als Vorschuss kann ein Gerichtskostenvorschuss nach §§ 14, 28 FamGKG und für den Anwalt des Kindes der anwaltliche Gebührenvorschuss gemäß § 9 RVG einschließlich Nebenkosten verlangt werden. Zur Berechnung des Gerichts- und Anwaltskostenvorschusses s. Kap. K Rz. 91 ff. mit einem Musterantrag für eine einstweilige Anordnung nach § 246 FamFG.
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Der Anspruch besteht auch gegen den betreuenden Elternteil, denn er ist Teil des Unterhaltsanspruchs, für den die Eltern zusammen als Teilschuldner haften. Da es sich insoweit um Sonderbedarf handelt, gilt § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB, nach dem Bar- und Betreuungsunterhalt gleichgestellt sind, nicht. Deshalb kann – je nach Einkommensverhältnissen der Eltern – eine Quotenhaftung der Eltern in Betracht kommen, so dass in einem Unterhaltsstreitverfahren zum Einkommen beider Eltern vorgetragen werden muss. Zur Berechnung der Quotenhaftung von barunterhaltspflichtigen Eltern bei Mehr- und Sonderbedarf s. Rz. 301 f.
394
Umstritten war früher, ob der Vorschuss als Sonderbedarf Teil des allgemeinen Lebensbedarfs nach § 1610 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1613 Abs. 2 BGB ist1 oder – wie vom BGH2 entschieden – in entsprechender Anwendung von § 1360a Abs. 4 BGB geltend gemacht werden kann. Vorzuziehen ist die entsprechende Anwendung von § 1360a Abs. 4 BGB, denn insoweit handelt es sich um einen vom Gesetz speziell geregelten Fall von Sonderbedarf, wobei die Inanspruchnahme des Verpflichteten noch an bestimmte, anspruchseinschränkende Voraussetzungen geknüpft ist, deren Geltung auch im Verhältnis Eltern – Kind sinnvoll ist.
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Ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss besteht nach § 1360a Abs. 4 BGB nur, wenn der Berechtigte bedürftig, der Schuldner leistungsfähig ist, der Rechtsstreit eine persönliche Angelegenheit betrifft und die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch der Billigkeit entspricht. Die Bedürftigkeit wird bei Minderjährigen i.d.R. gegeben sein. Bei der Billigkeitsprüfung sind insbesondere die persönlichen Beziehungen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern zu berücksichtigen. Bei einer quotalen Haftung der Eltern können besondere Belastungen berücksichtigt werden, wie z.B. die des betreuenden Elternteils, aber auch andere Belastungen, jeweils unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Der Maßstab für die Belastbarkeit des Verpflichteten bestimmt sich 1 OLG Karlsruhe, FamRZ 1996, 1100, für § 1360a BGB analog OLG Köln, FamRZ 1984, 723. 2 BGH, FamRZ 2004, 1633.
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XI. Verfahrenskostenvorschuss
nach seiner Einstandspflicht aufgrund des Unterhaltsrechtsverhältnisses, so dass dem Verpflichteten in der Regel der nach den Leitlinien maßgebliche eigene angemessene Eigenbedarf verbleiben sollte (§§ 1581 Satz 1, 1603 Abs. 1 BGB). Da gegenüber minderjährigen Kindern die erhöhte Einstandspflicht des § 1603 Abs. 2 BGB gilt, stellt die äußerste Grenze der Belastbarkeit der notwendige Selbstbehalt dar.1 Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit sind vorrangige Verbindlichkeiten abzuziehen. Ist der Verpflichtete eingeschränkt leistungsfähig, so dass er den Vorschuss nur in Raten aufbringen könnte, ist auch die Auferlegung einer ratenweisen Bezahlung möglich, wobei als Maßstab für die Bemessung auf die Grundsätze im Verfahrenskostenhilfeverfahren zurückgegriffen werden kann. Eine stärkere ratenweise Belastung der Eltern als im Falle eigener Verfahrensführung mit VKH-Bewilligung entspräche nicht der Billigkeit.2 Allerdings gelten für die Bemessung der Raten nicht die im VKH-Verfahren maßgeblichen Unterhaltsfreibeträge, sondern die für das Unterhaltsrechtsverhältnis maßgeblichen Selbstbehaltssätze; dies ist beim Minderjährigenunterhalt der notwendige Selbstbehalt. Hätten die Eltern nach ihren Einkommensverhältnissen selber Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung, sind sie nicht leistungsfähig.3 Zu den Anforderungen an die Bedürftigkeit im Verfahrenskostenhilfeverfahren vgl. Kap. K Rz. 134 ff. Zur Billigkeitsprüfung gehört auch, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hin- 396 reichende Aussicht auf Erfolg haben muss.4 Insoweit kann auf die für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe anwendbaren Maßstäbe der §§ 114 ff. ZPO zurückgegriffen werden. D.h. es besteht in aller Regel bereits dann eine Erfolgsaussicht, wenn die Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- und Tatfragen abhängt, deren Prüfung nicht in das Verfahren über die Anordnung eines Verfahrenskostenvorschusses, vorverlagert werden darf.5
Û
Praxishinweis: Bevor das Kind für ein Unterhaltsstreitverfahren gegen den 397 barunterhaltspflichtigen Elternteil Verfahrenskostenhilfe nach §§ 114 ff. ZPO beantragt, sollte immer zunächst geprüft werden, ob ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss gegenüber den Eltern besteht. Denn zu seinem verwertbaren Vermögen i.S.v. § 115 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII gehört auch der Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss gegen die Eltern.6 Der Vorschuss kann im selbständigen einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 246 FamFG beantragt werden (Kap. K Rz. 178 ff.). Insoweit besteht kein Anwaltszwang. Ist der betreuende Elternteil nicht leistungsfähig, sollte dem Antrag des Kindes auf öffentliche Verfahrenskostenhilfe eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Elternteils beigefügt werden. Damit können Verfahrensverzögerungen durch Rückfragen des Gerichts vermieden werden.
Macht das Kind Unterhalt im einstweiligen Anordnungsverfahren geltend und ist der Erfolg einer kurzfristigen Durchsetzung des Kostenvorschusses für dieses
1 2 3 4 5
BGH, FPR 2004, 624 (625). BGH, FPR 2004, 624, (625). BGH, FamRZ 2004, 1633 (1634 f.). BGH, NJW 2001, 1646 f. BVerfG, NJW 1991, 413; 1994, 241 (242); 2000, 1936 (1937); BGH, NJW-RR 2003, 1438; BGH, NJW 2002, 3554; 2001, 2262. 6 Allg. Meinung, vgl. Zöller/Geimer, § 115 ZPO Rz. 67b, m.w.N.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
Verfahren zweifelhaft, kann es mit dieser Begründung sogleich Verfahrenskostenhilfe beantragen. Denn in Eilverfahren kann das Verfahrenskostenhilfe beantragende Kind i.d.R. nicht auf einen Kostenvorschussanspruch gegenüber den Eltern verwiesen werden, wenn ein solcher zweifelhaft ist oder zuvor erst noch gerichtlich durchgesetzt werden müsste. Denn dann wäre das Kind in seinem Recht auf ebenso wirksamen Rechtsschutz, wie sie ein Begüteter hat, beeinträchtigt.1 Außerdem vertrüge sich dies nicht mit dem summarischen Charakter des Eilverfahrens.2
1 BVerfG, FamRZ 2010, 530 m.w.N. 2 OLG Saarbrücken, FamRZ 2010, 2094.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes Inhaltsübersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. 1. 2. 3.
Anspruchsvoraussetzungen. . . . . . Bedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsfähigkeit der Eltern . . . . a) Angemessener und notwendiger Eigenbedarf (Selbstbehalt) nach der DT und den Leitlinien b) Anforderungen an die Erwerbstätigkeit der Eltern . . . . . . . . . . . aa) Verlust der Arbeitsstelle . . . bb) Ausübung einer Nebentätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fortbildungswünsche des Elternteils . . . . . . . . . . . . . . . c) Fiktives Einkommen bei Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Fiktives Einkommen bei Übernahme der Haushaltsführung in einer neuen Beziehung (sog. Hausmannsrechtsprechung) . . . . . . . . . . bb) Die Bedeutung der Ausfallhaftung bei fiktivem Einkommen eines Elternteils . . d) Weitere Besonderheiten bei der Zurechnung und Bereinigung des Einkommens der Eltern . . . aa) Überstunden und überobligatorische Einkünfte . . . . . . bb) Unterhalt als Einkommen eines Elternteils . . . . . . . . . . cc) Vorabzug von Unterhaltsverbindlichkeiten . . . . . . . . 4. Materiellrechtliche Voraussetzungen der Privilegierung volljähriger Schüler im Überblick . . . . . . . . . . . a) Partielle materiellrechtliche Privilegierung volljähriger Schüler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Privilegierung von Schülern einer allgemeinbildenden Schule 5. Ausbildungsunterhalt . . . . . . . . . . a) Angemessene Vorbildung zu einem Beruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beginn und Ende der Verpflichtung zur Zahlung von Ausbildungsunterhalt . . . . . . . . . . . . . . c) Ausbildungsverzögerungen. . . . d) Ausbildungswechsel . . . . . . . . .
Rz.
Rz.
1
e) Finanzierung einer weiteren Ausbildung des Kindes . . . . . . . . 93 f) Weiterbildung . . . . . . . . . . . . . . . 97 g) Zweitausbildung . . . . . . . . . . . . . 101
3 6 16 33 39 42 43 45 48 50
52 57 59 60 62 63 66 66 67 73 74 80 86 89
III. Anspruch auf Unterhalt außerhalb der Ausbildung. . . . . . . . . . . . . 104 IV. Die Berechnung des Unterhalts . . . 111 1. Bedarfsberechnung nach der Unterhaltstabelle . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Bedarfsberechnung nach pauschalierten Regelbedarfssätzen für Volljährige. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 3. Bedürftigkeit des Kindes in Höhe des errechneten Bedarfs. . . . . . . . . . 117 a) Abzug von eigenem Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 b) Abzug des Kindergelds . . . . . . . . 119 4. Ermittlung der Haftungsanteile der Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Berechnungsbeispiel für Studenten mit eigenem Hausstand . 130 b) Berechnungsbeispiel für Auszubildenden, der bei einem Elternteil lebt. . . . . . . . . . . . . . . . 131 c) Berechnungsbeispiel für privilegierte Volljährige . . . . . . . . . . . 132 d) Berechnung der Haftungsquoten für den Unterhalt eines privilegiert volljährigen Kindes bei weiteren gleichrangigen Ansprüchen minderjähriger Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 V. Das Unterhaltsbestimmungsrecht der Eltern nach § 1612 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 VI. Beschränkung oder Wegfall des Unterhalts nach § 1611 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 VII. Unterhalt für die Vergangenheit . . 148 VIII. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 IX. Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB . . . . . . . . . 152 X. Unterhaltsverträge und Unterhaltsverzicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 XI. Rangverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . 156 XII. Verfahrenskostenvorschuss . . . . . . 158
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
I. Einleitung 1
2
Der Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes richtet sich – wie der des minderjährigen Kindes – nach den Vorschriften des BGB über den Verwandtenunterhalt (§§ 1601–1615 BGB); dabei handelt es sich um einen einheitlichen, rechtlich identischen Anspruch.1 Dies gilt für eheliche und nichteheliche Kinder gleichermaßen, denn sie sind seit 1.7.1998, dem Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes vom 16.12.1997 materiell-rechtlich einander völlig gleichgestellt. (Zur verfahrensrechtlichen Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder s. Kap. A Rz. 1 ff.) Im Zuge der Reform in 1998 wurde eine weitere Neuerung im materiellen Unterhaltsrecht eingeführt. Seitdem haften Eltern für unverheiratete, sog. privilegierte volljährige Kinder, die noch bei ihnen zu Hause oder bei einem Elternteil leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden, nach den strengeren Anforderungen des Minderjährigenunterhalts und sind den minderjährigen Kindern im Rang gleichgestellt (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 und § 1609 Nr. 1 BGB). D.h., sie müssen sie bei knappen Geldmitteln gleichrangig mit den minderjährigen Kindern mit Unterhalt versorgen. Außer dieser Besonderheit gelten für privilegierte volljährige Kinder ansonsten die übrigen Grundsätze des Volljährigenunterhalts, das bedeutet insbesondere, dass der bisher betreuende Elternteil den Unterhalt nun – genau wie der andere Elternteil – auch gegenüber dem bei ihm lebenden volljährigen Schüler nicht mehr durch Betreuung, sondern durch Leistung von Bar- oder Naturalunterhalt erbringen muss.2 Die nachfolgende Darstellung gilt deshalb sowohl für volljährige privilegierte Schüler als auch nicht privilegierte Volljährige. Soweit Besonderheiten für privilegierte Schüler gelten, wird darauf hingewiesen. Die wesentlichen Kriterien für die Klärung, wann ein Kind als privilegierter Volljähriger zu behandeln ist, sind in diesem Kapitel unter B.II.4 zusammengefasst (Rz. 66 ff.).
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Praxishinweis: Das Kind kann ab Volljährigkeit weiter aus einem Titel (z.B. einem Beschluss, Urteil, einem gerichtlich protokollierten Vergleich oder einer vollstreckbaren Urkunde), der für ihn als Minderjähriger errichtet wurde, wegen des laufenden Unterhalts vollstrecken; denn der Unterhaltsanspruch des volljährigen ist mit dem des minderjährigen Kindes rechtlich identisch. Das minderjährige Kind hat deshalb auch einen Anspruch auf Titulierung des Unterhalts ohne zeitliche Beschränkung.3 Ist der Unterhalt in einem Scheidungsvergleich von den Eltern oder als Scheidungsfolgesache in einem Beschluss oder Urteil geregelt worden, kann das Kind ab Volljährigkeit die Vollstreckung betreiben, muss den Titel aber auf sich umschreiben lassen (§ 1629 Abs. 3 Satz 2 BGB).4 Auch aus einem Unterhaltstitel in dynamisierter Form kann nach Eintritt der Volljährigkeit weiter vollstreckt werden. Denn für alle während der Minderjährigkeit errichteten Titel gilt, dass dem Verpflichteten die Verteidigung gegen die Zwangsvollstreckung mit dem Einwand der Volljährigkeit durch § 244 FamFG (§ 798a ZPO a.F.) abgeschnitten ist. Zulässig bleibt für den Verpflichteten aber das Abänderungsverfahren
1 BGH, FamRZ 1984, 682; 1994, 696. 2 BGH, FamRZ 2002, 815 (817 f.); 2006, 99 f. 3 BGH, NJW-RR 2006, 217 zur gesetzgeberischen Zweckbestimmung des § 1612a Abs. 3 BGB eine unbefristete Tenorierung über das 18. Lebensjahr hinaus zu ermöglichen; ebenso OLG Hamm, FamRZ 2011, 1407; dies gilt auch für Jugendamtsurkunden OLG Hamm, FamRZ 2012, 993. 4 Zulässig ist ab Volljährigkeit nur noch die Zwangsvollstreckung durch das Kind (OLG München, OLGR 2002, 68 und FamRZ 1997, 1493).
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II. Anspruchsvoraussetzungen
mit der Begründung, die Unterhaltsbedürftigkeit sei mit der Volljährigkeit entfallen oder geringer (vgl. dazu die Ausführungen zum Abänderungsverfahren unter Kap. K Rz. 327 ff.). Das Kind ist dann für seine fortdauernde Unterhaltsbedürftigkeit darlegungs- und beweispflichtig, was häufig übersehen wird.1
II. Anspruchsvoraussetzungen Das volljährige Kind hat einen Anspruch auf angemessenen Unterhalt (§ 1610 3 Abs. 1 BGB). Es ist aber nur unterhaltsberechtigt, soweit es außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 1602 Abs. 1 BGB). Grundsätzlich wird von ihm ab Beginn der Volljährigkeit erwartet, dass es eigenverantwortlich für seinen eigenen Unterhalt sorgt. Ein Anspruch kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn es nicht verpflichtet ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, weil es noch zur Schule geht, studiert, eine Ausbildung erhält, krank ist und deshalb nicht arbeiten oder aber unverschuldet keine Arbeit finden kann. Für die Bestimmung des Bedarfs gilt zwar der im Verwandtenunterhalt maßgebliche Grundsatz, dass sich das Maß des Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen richtet. Da volljährige Kinder typischerweise unterhaltsbedürftig sind, weil sie sich noch in der Ausbildung befinden und keine oder noch keine ausreichenden eigenen Einkünfte haben, die ihre Lebensstellung bestimmen können, hängt der Bedarf i.d.R. maßgeblich von dem Einkommen der Eltern ab. Haben die Kinder eigene Einkünfte, werden diese auf den Bedarf mindernd angerechnet. Für den verbleibenden ungedeckten Bedarf haften beide Eltern, da Volljährige i.d.R. keiner Betreuung mehr bedürfen und § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB, der die Gleichstellung von Bar- und Betreuungsunterhalt regelt, nicht mehr anwendbar ist. Die Eltern haften nach ihrem Leistungsvermögen anteilig entsprechend dem Verhältnis ihrer Einkommen zueinander (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB). Ist Vermögen vorhanden, sind die Erträge daraus für den Unterhalt zu verwenden, unter Umständen muss auch die Substanz des Vermögens aufgewendet werden, wenn anders der Unterhalt nicht aufgebracht werden kann. Die Grenze der Haftung ist gegenüber volljährigen Kindern dann erreicht, wenn der eigene angemessene Unterhalt der Eltern – bei Berücksichtigung ihrer anderen Verpflichtungen – gefährdet wäre (§ 1603 Abs. 1 BGB). Besonderheiten gelten gegenüber 18–21 Jahre alten Schülern, den sog. privile- 4 gierten volljährigen Kindern, die eine allgemeinbildende Schule besuchen und noch bei einem Elternteil leben: Ihnen gegenüber haften die Eltern bis zu ihrem notwendigen Eigenbedarf (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB). D.h. ihre Opfergrenze liegt deutlich höher. Das volljährige Kind hat sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen, z.B. ein 5 Ausbildungsverhältnis oder eine Erkrankung, darzulegen und ggfs. zu beweisen. Dies gilt auch für die Tatsachen, aus denen sich die Höhe des Anspruchs ergibt. Dies sind, wenn sich sein Bedarf aus der Lebensstellung der Eltern ableitet, die Einkommensverhältnisse der Eltern.2 Zur Klärung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens kann auf die in Kap. A Rz. 68 ff. dargestellten Grundsätze 1 KG, FamRZ 1989, 1206 (1207); 1994, 765 (766); OLG Köln, NJWE-FER 2000, 144; FamRZ 2000, 1043; 1990, 496 zur Darlegungs- und Beweislast, wenn sich der Abänderungsgegner trotz veränderten Sachverhalts auf fortdauernde Bedürftigkeit beruft. 2 BGH, FamRZ 1994, 696 ff.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
verwiesen werden. Die Anspruchsvoraussetzungen gelten ab dem Tag der Volljährigkeit und nicht schon ab dem Ersten des Monats, in dem das Kind volljährig wird, denn § 1612a Abs. 3 BGB, der eine entsprechende Regelung für die Unterhaltsberechnung des Minderjährigenunterhalts bei Änderungen der Altersstufen vorsieht, gilt nicht für den Volljährigenunterhalt.1 1. Bedarf 6
Der angemessene Unterhalt bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (§ 1610 Abs. 1 BGB). Dem volljährigen Kind steht ein Anspruch auf angemessenen Unterhalt zu, dessen Höhe sich gemäß dem Gesetzeswortlaut nach seiner Lebensstellung, also seinen eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen richtet. Solange es jedoch ausbildungs- oder krankheitsbedingt noch keine wirtschaftliche Selbständigkeit erreicht hat, fehlt es i.d.R. an der eigenen, von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern unabhängigen Lebensstellung. Davon ist auch dann auszugehen, wenn das Kind nicht mehr im elterlichen Haushalt lebt sondern einen eigenen Haushalt führt, jedoch der Alimentierung bedarf. Deshalb richtet sich der Unterhaltsbedarf des volljährigen Kindes in diesen Fällen nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Eltern.2 Erst nach Abschluss der Ausbildung erlangt das Kind eine eigene, von den Eltern unabhängige Lebensstellung, selbst wenn es nicht gleich eine Anstellung in dem erlernten Beruf findet.3 Das volljährige Kind kann ab Volljährigkeit von beiden Eltern Barunterhalt verlangen. Da es nicht mehr pflege- und erziehungsbedürftig ist, erbringt der bisher betreuende Elternteil seinen Beitrag zum Unterhalt nicht mehr durch Pflege und Erziehung (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB), sondern gemäß § 1612 BGB durch Zahlung einer Geldrente (§ 1612 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder durch Naturalunterhalt (§ 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dies gilt auch für Schüler, die noch im Haushalt eines Elternteils leben.
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Das Recht zur Bestimmung darüber, wie der Unterhalt geleistet wird, steht trotz der mit dem 18. Geburtstag erreichten rechtlichen Selbständigkeit des Kindes den unterhaltsverpflichteten Eltern zu. Sie entscheiden darüber, ob sie den Unterhalt in Form von Naturalunterhalt (Zurverfügungstellung von Wohnraum, Verpflegung und sonstiger Versorgung zuzüglich Taschengeld) oder ausschließlich durch Zahlung einer Geldrente oder in einer Mischform von Bar- und Naturalunterhalt erbringen wollen. Dabei haben die Eltern auf die Belange des Kindes die gebotene Rücksicht zu nehmen (§ 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB). Das Bestimmungsrecht gilt auch, wenn Eltern getrennt leben. Es wird ausgeübt durch Erklärung dem Kind gegenüber und muss sowohl auf die Belange des Kindes als auch des anderen Elternteils Rücksicht nehmen (§ 1618a BGB). Zur Unterhaltsbestimmung durch die Eltern und verfahrensrechtlichen Regelung vgl. Rz. 135 ff.
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Der Bedarf umfasst den gesamten Lebensbedarf, einschließlich der Berufsausbildungskosten (§ 1610 Abs. 2 BGB). Im Wesentlichen besteht der Lebensbedarf in
1 Palandt/Brudermüller, § 1612a BGB Rz. 27. 2 BGH, FamRZ 1986, 151. 3 Das OLG Bamberg (FamRZ 1994, 255 (256)) bemisst in dem Fall den Bedarf bei fortdauernder Erwerbsunfähigkeit des Kindes nach dem kleinen Selbstbehaltssatz für Nichterwerbstätige.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
der Ausstattung mit allen für die leibliche und geistige Entwicklung notwendigen Mitteln, also Nahrung, Bekleidung, Hygiene, Gesundheits- und Krankenvorsorge, Unterkunft, Freizeitgestaltung, Taschengeld, Erholung, Reisen, Bildung, Befriedigung musischer und sportlicher Bedürfnisse und dergleichen. Der Bedarf kann individuell errechnet werden. In der Praxis wird jedoch der Unterhalt i.d.R. nicht nach dem individuellen Bedarf, sondern entweder pauschaliert nach der Unterhaltstabelle oder nach festen Regelbedarfssätzen bestimmt, die in den Leitlinien der zuständigen OLG für volljährige Kinder festgelegt sind. Lebt das Kind nicht mehr im Haushalt eines Elternteils und führt einen eigenen 9 Haushalt, dann gilt für Schüler, Auszubildende und Studenten der feste Regelbedarfssatz. Er beträgt zzt. 670 Euro (Anm. A Nr. 7 der DT, Stand. 1.1.2014) und gilt bundesweit. Der aktuell geltende Wert ist jeweils in den Anmerkungen zur DT und unter der Nr. 13.1.2 der Leitlinien des zuständigen OLG angegeben. Der Regelbedarfssatz umfasst den gesamten Lebensbedarf für Verpflegung, Wohnkosten, Fahrgeld und Fachliteratur. Für Studenten gehören dazu auch die Semesterbeiträge, in denen enthalten sind das Semestersticket, der Asta-Beitrag und Sozialbeiträge.1 Ausgenommen sind davon die teilweise neu eingeführten Studiengebühren, Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge. Für Studiengebühren, die zzt. bei ca. 500–1 000 Euro pro Jahr liegen können, wird diskutiert, ob Eltern überhaupt dafür einzustehen haben, wenn Kinder – ähnlich wie beim BAföG – die Möglichkeit haben, dafür ein zinsfreies oder -günstiges Studiendarlehen aufzunehmen.2 Die Aufnahme eines zinsfreien Darlehens wird zumutbar sein, insbesondere bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern, nicht hingegen bei zu verzinsenden Bildungskrediten und leistungsfähigen Eltern.3 Die Wohnkosten für eine Warmmiete sind in dem derzeitigen Regelbedarfssatz i.H.v. 280 Euro enthalten4. Bezieht das Kind eine Ausbildungsvergütung, kann diese um ausbildungsbedingte Ausgaben pauschal gekürzt werden (Rz. 17). Insoweit ist die Rechtsprechung der OLG jedoch nicht einheitlich, so dass zur Klärung der üblichen Praxis jeweils die Nr. 13.2 der LL des zuständigen OLG herangezogen werden sollte.5 Lebt das Kind noch im Haushalt eines Elternteils, wird der Bedarf nach der Un- 10 terhaltstabelle bemessen.6 Dies gilt für alle volljährigen, in der Ausbildung befindlichen Kinder, im Alter vom 18. bis zum 21. Lebensjahr, wie Studenten und Auszubildende, einschließlich der privilegiert volljährigen Schüler, die noch eine allgemeinbildende Schule besuchen. Die DT hat für diese Zielgruppe eine vierte Altersgruppe entwickelt, die mittlerweile bundesweit von den Familiengerichten angewendet wird. Der Bedarf der Volljährigen dieser Altersgruppe ist höher bemessen als für Kinder der 3. Altersstufe. Die Bedarfsbestimmung anhand der Tabelle erfolgt unter Berücksichtigung der 11 Summe der bereinigten Einkommen beider Eltern. Für die Klärung des bedarfsbestimmenden Einkommens kann auf die Ausführungen zum Minderjährigen1 OLG Düsseldorf, FamRZ 2012, 1654 (LS) = FamRB 2013, 134. 2 Bejahend das OLG Celle, FamFR 2012, 517, wenn zinsfreies Darlehen aufgenommen werden kann; a.A. OLG Bremen, FamRZ 2013, 1050. 3 Ebenso OLG Bremen, FamRZ 2013, 1050 unter Bezugnahme auf die vom BGH, FamRZ 1985, 916, entwickelten Grundsätze; Heiß, FPR 2008, 362 (366). 4 Zum aktuellen Wert s. jeweils DT Anmerkung A. Nr. 7. 5 Für einen Abzug s. Nr. 13.2 der SüdL, ablehnend z.B. das KG, Nr. 13.2 der LL. 6 So jetzt alle OLG, vgl. z.B. Anm. A. 7 der DT und jeweils die Nr. 13.1.1 der Leitlinien.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
unterhalt in Kap. A, Rz. 68 ff. verwiesen werden. Sie gelten ohne Einschränkung für den Unterhalt privilegierter volljähriger Kinder wegen der gleich strengen Anforderungen an die Einstandspflicht der Eltern für den Unterhalt. Ist der Elternteil, bei dem das Kind lebt, nicht leistungsfähig, bleibt sein Einkommen für die Einstufung nach der Tabelle außer Betracht.1 Für nicht privilegierte volljährige Kinder kann ebenfalls auf die Grundsätze zur Einkommensermittlung in Kap. A Rz. 68 ff. verwiesen werden. Soweit sich aufgrund der geringeren Einstandspflicht der Eltern für den Unterhalt Abweichungen ergeben, werden diese im Rahmen der Leistungsfähigkeit nachfolgend unter Rz. 34 ff. behandelt werden. 12 Von den festen Regelbedarfssätzen und pauschalierten Tabellenbeträgen kann
entweder mit Rücksicht auf eine besonders günstige Lebensstellung der Eltern oder bei erhöhtem Bedarf abgewichen werden.2 13 Bei sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern kann sich ein höherer
Bedarf als der maßgebliche Tabellenunterhalt oder pauschalierte Regelbedarfssatz ergeben. Das führt jedoch selbst bei luxuriösen Einkommensverhältnissen der Eltern nicht zu einer schematisierten Teilhabe am Luxus, sondern nur zur Befriedigung des gesamten – wenn auch gehobenen – Lebensbedarfs.3 Der BGH hat ausdrücklich jede pauschale Anknüpfung des Bedarfs an ein über dem Durchschnitt liegendes Einkommen der Eltern abgelehnt,4 denn Unterhalt dient seiner gesetzlichen Bestimmung nach immer nur der konkreten Bedarfsdeckung. Einen festgelegten Grenzwert nach oben (Sättigungsgrenze) gibt es zwar nicht, gleichwohl ergibt sich eine obere Grenze aus der Anknüpfung des Lebensbedarfs der Kinder an ihre Lebenssituation in der Ausbildung, denn geschuldet ist nicht die Teilhabe am Luxus der Eltern.5 Macht das Kind einen Bedarf geltend, der den höchsten Satz der DT oder den festen Bedarfssatz für Volljährige übersteigt, muss es konkret seine besonderen und kostenintensiven Bedürfnisse sowie die dafür entstehenden Kosten darlegen und belegen. Dabei sind an die Darlegungslast keine übertriebenen Anforderungen zu stellen, denn bei dieser Fallkonstellation steht die Leistungsfähigkeit der Eltern außer Frage und es geht letztlich um die Klärung der Angemessenheit des Unterhalts, d.h. in welchem Umfang, das Kind an dem überdurchschnittlichen Lebensstandard der Eltern teilhaben kann.6 14 Davon zu unterscheiden ist ein erhöhter, regelmäßig anfallender Mehrbedarf,
der sich ergeben kann aufgrund des Ausbildungsverhältnisses. Ausbildungsbedingter Mehrbedarf entsteht z.B. durch Studiengebühren an privaten Hochschulen oder wenn das volljährige Kind im Ausland studieren will, was i.d.R. mit zusätzlichen Kosten verbunden ist.7 Ob die Eltern diese Mehrkosten zu tragen haben, hängt von den gesamten Umständen des Einzelfalls und der finanziellen Belastbarkeit der Eltern ab. D.h. es sind sowohl die Angemessenheit des Bedarfs in Bezug auf die gewählte Ausbildung als auch die Zumutbarkeit der 1 2 3 4
BGH, FamRZ 2006, 99 (100); s. auch Nr. 13.1.1. der LL; OLGR Dresden 2009, 652. Nr. 13.1.2. der LL. BGH, FamRZ 1983, 473 (474). BGH, FamRZ 1983, 473 (474) für minderjährige Kinder; FamRZ 1987, 58 (60) für volljährige Kinder und BGH, FamRZ 2000, 358 ff. zur Ablehnung einer prozentualen Fortschreibung der DT für minderjährige Kinder. 5 BGH, FamRZ 1987, 58 (60). 6 BGH, FamRZ 2000, 359. 7 OLG Brandenburg, FamRZ 2014, 847.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
Mehrbelastung der Eltern zu prüfen. Auch das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme nach § 1618a BGB ist zu beachten. Zur angemessenen Vorbildung zu einem Beruf gehört ein Auslandsstudium dann, wenn es typischerweise zu dem Studienablauf gehört, mindestens aber passt und für den angestrebten Beruf nützlich ist. Diese objektiven Kriterien werden eingeschränkt oder modifiziert durch die Einbeziehung des Kriteriums der Zumutbarkeit der Kostentragung durch die Eltern. Nach der Rechtsprechung des BGH muss die Finanzierung den Eltern finanziell zumutbar sein, denn sie schulden nur die Kosten für eine Ausbildung, die sich in den Grenzen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit hält.1 Je besser also die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern, desto eher haben die Kinder auch Anspruch auf die Finanzierung eines Auslandsstudiums.2 Weiterhin folgt aus dem Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme, dass an die Leistungsbereitschaft von Eltern, die einmal der Studienwahl in Kenntnis der Notwendigkeit eines Auslandsaufenthalts zugestimmt haben, höhere Anforderungen zu stellen sind. Von dem Kind ist im Gegenzug zu erwarten, dass es bei der Wahl des Studienorts und der dortigen Lebensführung um Sparsamkeit bemüht ist. Entsprechendes gilt für Mehrkosten, die durch hohe Fahrtkosten zum Studienort anfallen: So kann ein Vater, der noch einer Ehefrau und einem weiteren Kind unterhaltspflichtig ist, die studierende Tochter darauf verweisen, am Studienort zu wohnen, um die hohen Fahrtkosten zur Wohnung ihrer Mutter, bei der sie lebt, zu sparen und sich mit dem Regelbetragssatz zu begnügen.3 Regelmäßig anfallende Studiengebühren stellen immer Mehrbedarf dar.4 Daneben kann der Volljährige noch Anspruch auf Sonderbedarf, d.h. auf Unter- 15 halt wegen eines „unregelmäßigen außergewöhnlich hohen Bedarfs“ (§ 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB), haben (vgl. Kap. A Rz. 306 ff.). Sonderbedarf kann beim volljährigen, in der Ausbildung stehenden Kind entstehen z.B. durch unvorhergesehene Krankheits-, Operations-, Kur- oder Heilbehandlungskosten, soweit sie von der Krankenkasse nicht übernommen werden. Kein Sonderbedarf sind die Kosten eines Erholungsurlaubs oder für den Umzug zur Freundin. Ausbildungsbedingte Aufwendungen, z.B. Fahrgeld und Anschaffungskosten für Fachbücher oder Arbeitskleidung, sind nur dann Sonderbedarf, wenn sie ungewöhnlich hoch sind und nicht regelmäßig anfallen, sonst handelt es sich bei regelmäßig anfallenden erhöhten Kosten um Mehrbedarf (Kap. A Rz. 294 ff.). 2. Bedürftigkeit Ein volljähriges Kind ist nur unterhaltsberechtigt, wenn es bedürftig, also außer- 16 stande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 1602 Abs. 1 BGB). Die Gewährung von Unterhalt ist ab Beginn der Volljährigkeit an strengere Voraussetzungen als bei minderjährigen Kindern geknüpft; denn dem Grundsatz nach wird von dem volljährigen Kind erwartet, dass es sich selbst unterhält. Unterhaltsberechtigt ist deshalb nur, wer nicht verpflichtet ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, weil er noch zur Schule geht, studiert, eine Ausbildung erhält, krank ist und deshalb nicht arbeiten oder aber unverschuldet keine Arbeit finden kann. 1 2 3 4
BGH, FamRZ 2006, 1100 Tz. 14; 1992, 1064; KG, MDR 2013, 602 f. OLG Karlsruhe, FamRZ 2011, 1303 Tz. 126; BGH, FamRZ 1992, 1064. BGH, FamRZ 2009, 763, Tz. 27 ff. OLGR Koblenz 2009, 367 ff.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
17 Erzielt das Kind eigene Einkünfte, z.B. aufgrund eines Ausbildungsverhältnisses,
muss es diese für seinen Unterhalt verwenden. Dabei ist zuvor zu prüfen, ob die Einkünfte um berufsbedingte- bzw. ausbildungsbedingte Aufwendungen bereinigt werden können. Ob und wie das zu geschehen hat, hängt davon ab, ob sich der Bedarf des Kindes nach der Unterhaltstabelle richtet oder vom Regelbedarfssatz auszugehen ist. Ausbildungsbedingte Aufwendungen sind beim Tabellenunterhalt nach der 4. Altersstufe für die Bedarfsbestimmung entweder als Pauschale oder auf Nachweis von der Ausbildungsvergütung abziehbar.1 Da auch beim Abzug einer Pauschale im Falle des Bestreitens von berufsbedingten Aufwendungen ein Nachweis erforderlich ist, sollten die Aufwendungen dem Verpflichteten von vornherein konkret mitgeteilt werden. Bestimmt sich der Bedarf nach dem Regelbedarfssatz, ist die Handhabung der OLG hinsichtlich eines Abzugs von berufsbedingten Aufwendungen bei eigenen Einkünften des Kindes unterschiedlich. Teilweise wird vertreten, dass die üblichen Werbungskosten einschließlich Fahrgeld darin enthalten sind, so dass das Einkommen in voller Höhe abgezogen wird.2 Nach anderer – überwiegender Praxis – wird das Einkommen um die Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen bereinigt und dann bedarfsmindernd abgezogen.3 18 Beispiel K hat nach den Leitlinien seines zuständigen OLG einen Bedarf nach der 4. Altersstufe der DT von 488 Euro – 184 Euro Kindergeld = 304 Euro. Seine bereinigten Einkünfte als Auszubildender i.H.v. 200 Euro (290 Euro abzüglich einer Pauschale von 90 Euro für ausbildungsbedingten Mehrbedarf)4 muss er für seinen Unterhalt verwenden. Dies ergibt einen ungedeckten Bedarf von 104 Euro (304 Euro – 200 Euro = 104 Euro).
19 Erwerbseinkünfte von Schülern und Studenten durch Ferienarbeit oder auch aus
Erwerbstätigkeit neben dem Studium werden nur dann bedarfsmindernd angerechnet, wenn dem Berechtigten ausnahmsweise eine Erwerbstätigkeit zumutbar ist. Ansonsten gilt für den Regelfall, dass Schülern und Studenten nicht zugemutet wird, neben der Ausbildung oder in den Ferien zu arbeiten. Denn von Schülern und Studenten wird erwartet, dass sie sich nach Kräften um einen erfolgreichen Schul- bzw. Hochschulabschluss bemühen und alles unterlassen, was den Ausbildungszweck gefährdet.5 Dabei wird der Besuch einer weiterbildenden Schule oder einer Hochschule mit einer Ganztagsbeschäftigung gleichgesetzt. 20 Wenn der Schüler oder Student erwerbstätig ist, ohne hierzu verpflichtet zu
sein, so ist – wie in sonstigen Fällen überobligationsmäßiger Erwerbstätigkeit im Verwandtenunterhalt (s. Kap. A Rz. 136, Rz. 312) – über eine Anrechnung nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Dabei hat die Rechtsprechung folgende Differenzierung entwickelt: Da im Verwandtenunterhalt nicht geregelt ist, wie Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit zu behandeln sind, rich-
1 Nr. 13.2 der LL. 2 So Nr. 13.2 der Leitlinien des KG und des OLG Hamm. 3 So die meisten OLG, s. z.B. Nr. 13.2 der SüdL, des OLG Frankfurt; OLG Celle, OLG Hamburg. 4 Vgl. Anm. A 8 der DT, und z.B. Nr. 13.2. i.V.m. Nr. 10.2.3 der LL der Süddeutschen Familiensenate. 5 BGH, FamRZ 1995, 475 f.; OLG Karlsruhe, FamRZ 1994, 1278; OLG Hamm, FamRZ 1994, 1279.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
tet sich ihre Berücksichtigung nach Treu und Glauben, und es ist eine umfassende Billigkeitsabwägung vorzunehmen. (§ 242 BGB).1 Bei überobligatorischen Einkünften des Unterhaltsberechtigten wendet der BGH zur Konkretisierung der Beurteilungskriterien den Rechtsgedanken des § 1577 Abs. 2 BGB entsprechend an.2 Danach bleiben Einkünfte anrechnungsfrei, wenn der Verpflichtete nicht den vollen Unterhalt zahlt (§ 1577 Abs. 2 Satz 1 BGB), ansonsten ist über die Anrechnung unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse nach Billigkeit zu entscheiden (§ 1577 Abs. 2 Satz 2 BGB). Die nach Satz 2 von § 1577 Abs. 2 BGB vorzunehmende Billigkeitsabwägung entspricht der Billigkeitsprüfung nach § 242 BGB, die auf Seiten des Verpflichteten anzustellen ist, wenn bei diesem Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit anfallen. Sind Studenten neben ihrem Studium erwerbstätig, bleiben die erzielten Ein- 21 künfte in der Höhe anrechnungsfrei, in der der Verpflichtete nicht den Unterhaltsbedarf abdeckt (§ 1577 Abs. 2 Satz 1 BGB). Ob darüber hinausgehende Einkünfte angerechnet werden, ist nach Billigkeitsgesichtspunkten zu beurteilen.3 Eine teilweise Anrechnung auf den Unterhaltsbedarf kann auch in Betracht kommen, wenn Eltern in günstigen Einkommensverhältnissen ausreichend Unterhalt zahlen und ihr studierender Sohn z.B. mtl. 300 Euro verdient, und zu erwarten ist, dass sich die Studiendauer zu Lasten des Verpflichteten aufgrund der umfänglichen Nebentätigkeit verlängern wird.4 Die Ferienarbeit eines Studenten im höheren Semester wird regelmäßig unzumutbar sein, insbesondere aber, wenn es sich um berufsfremde Tätigkeit handelt. Das hierfür verdiente Geld bleibt anrechnungsfrei. Gleiches gilt für geringfügige Einkünfte in Taschengeldhöhe. Nur in seltenen Einzelfällen – beispielsweise bei wirtschaftlich schwachen Verhältnissen der Eltern oder bei langer Ausbildungsdauer oder nach einem Wechsel der Ausbildung – kann eine Ferien- oder Semesterbeschäftigung oder sogar eine Nebentätigkeit zumutbar bzw. geboten sein. Hierfür bleibt jedoch Voraussetzung, dass die Ausbildung ohne Nachteile weiter durchgeführt werden kann. Das aus pflichtgemäßer Tätigkeit erzielte Einkommen wird – ggfs. nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen (s. Rz. 17) – auf den Unterhaltsbedarf angerechnet. Das volljährige Kind, das eine ihm zumutbare Tätigkeit neben dem Studium aufgibt, muss sich die für ihn erzielbaren Einkünfte fiktiv auf seinen Unterhaltsanspruch anrechnen lassen. Leistungen nach dem BAföG – der Höchstsatz für Studierende an einer Hoch- 22 schule beträgt für den allg. Lebensbedarf zzgl Wohnkosten und Krankenkasse seit 2010 ca. 659 Euro (§§ 13, 13a BAföG) – sind in voller Höhe vom Bedarf abzuziehen, soweit es sich nicht um Vorausleistungen nach § 36 BAföG handelt. Vorausleistungen mindern nicht die Bedürftigkeit, denn der Leistungsträger erbringt sie nur dann, wenn das Kind glaubhaft macht, dass die Eltern keinen Unterhalt zahlen. Es erhält dann auf Antrag Vorausleistungen auf den Unterhalt und die Unterhaltsansprüche gegen die Eltern nebst dem Auskunftsanspruch ge-
1 2 3 4
BGH, FamRZ 2011, 454 Tz. 17, 23, 24; 2012, 1201 Tz. 25. BGH, FamRZ 1995, 475. BGH, FamRZ 1995, 475 ff.; OLG Thüringen, FamRZ 2009, 1416 Tz. 78 ff. OLG Hamm, FamRZ 2013, 961 (LS) = FamRB 2012, 366.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
hen in Höhe der Vorausleistung auf den Träger über (§ 37 BAföG), soweit die Eltern aufgrund ihres Einkommens nach dem BAföG zahlungspflichtig sind.1 23 Ansonsten sind BAföG-Leistungen, selbst wenn sie als Darlehen gewährt wer-
den, auf den Bedarf anzurechnen.2 Diese Rechtsprechung ruft bei den Unterhaltsberechtigten regelmäßig Unverständnis hervor: Es sei nicht einzusehen, dass der Unterhaltspflichtige durch das BAföG-Darlehen dauerhaft, der Berechtigte dagegen nur für die Dauer der Darlehensgewährung entlastet werde, wenn er das Darlehen später zurückzahlen müsse. Der BGH ist dagegen der Auffassung, dass auch das BAföG-Darlehen der Deckung des augenblicklichen Bedarfs dient und dieser nicht zweimal gedeckt zu werden braucht. Die BAföG-Darlehen würden zu sehr günstigen Bedingungen gewährt, so dass es dem Kind zumutbar sei, diese Ausbildungsförderung in Anspruch zu nehmen. 24 Für das Kind besteht eine Obliegenheit BAföG-Leistungen in Anspruch zu neh-
men, wenn es die gesetzlichen Voraussetzungen dafür erfüllt. Deshalb ist im Unterhaltsverfahren darzulegen, dass und warum es keine BAföG-Leistungen bezieht; denn auch diese Leistungen sind Einkommen, die das Kind ggfs. zumutbar erzielen könnte. Versäumt das Kind vorwerfbar einen entsprechenden Antrag zu stellen, kann ihm ein fiktives Einkommen in Höhe des in Betracht kommenden BAföG-Satzes zugerechnet werden mit der Folge, dass die Bedürftigkeit insoweit entfällt bzw. nicht schlüssig dargelegt ist.3 Die Eltern trifft im Bewilligungsverfahren eine Mitwirkungspflicht gem. § 60 SGB I i.V.m. § 47 Abs. 4 BAföG, denn sie müssen über ihre Einkünfte Auskunft erteilen und diese belegen.4 25 Auch in Bezug auf Mehrbedarf durch Studiengebühren, die zzt. bei ca.
500–1 000 Euro pro Jahr liegen können, wird diskutiert, ob für Kinder auch eine unterhaltsrechtliche Obliegenheit besteht, dafür ein zinsfreies oder zinsgünstiges Studiendarlehen aufzunehmen, wenn ihnen – ähnlich wie beim BAföG – dazu die Möglichkeit eingeräumt wird.5 Dies wird zu verneinen sein bei guten wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern, in anderen Fällen bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern kann eine solche Obliegenheit – auch unter dem Gesichtspunkt von § 1618a BGB – bestehen mit der Folge, dass insoweit bei fiktiver Zurechnung entsprechender Einkünfte aus Darlehen, der Bedarf wegen fehlender Bedürftigkeit entfällt.6 26 Erwerbsminderungsrenten sind ebenso anzurechnen wie Waisen- und Halbwai-
senrenten. 27 Nicht bedarfsmindernd angerechnet werden Sozialhilfeleistungen (§ 94 Abs. 3
SGB XII) und das ALG II (§ 33 Abs. 1 SGB II, Kap. A Rz. 120 ff.) wegen der Sub1 BGH, FamRZ 2013, 1644 Tz. 14 ff.; OLG Naumburg, FamFR 2013, 9, zur Obliegenheit des Leistungsträgers den übergegangenen Anspruch innerhalb eines Jahres ab Fälligkeit des Anspruchs gegenüber den Eltern geltend zu machen, da der Anspruch anderenfalls verwirkt werde (§ 242 BGB). 2 BGH, FamRZ 1985, 916; 1989, 499 f.; KG, FamRZ 1985, 962. 3 OLGR Karlsruhe 2009, 280; OLG Schleswig, FamRZ 2006, 571; Kasenbacher, NJW-Spezial 2009, 660; OLG Hamm, FamRZ 2014, 565. 4 OLGR Koblenz 2007, 579. 5 So OLG Celle, FamFR 2012, 517. Zu den vielfältigen Ausbildungsunterstützungen für Schüler und Studenten s. Heiß, FPR 2008, 362 ff. 6 Reinken, FPR 2008, 334 (338).
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II. Anspruchsvoraussetzungen
sidiarität der Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen gegenüber Unterhaltsansprüchen. Denn der Unterhaltsanspruch des Kindes geht kraft Gesetzes auf den Leistungsträger im Umfang der Leistungsgewährung über. Zu den Ausnahmen beim ALG II für volljährige Kinder unter 25 Jahren mit einer Ausbildung vgl. Rz. 109. Angerechnet werden aber alle Leistungen mit Lohnersatzcharakter (Arbeitslosengeld Kap. A Rz. 107 f., Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Krankengeld usw.). Ist das Kind – unabhängig von der Arbeitsmarktlage – z.B. aufgrund einer Behin- 28 derung dauerhaft krank und bezieht es Leistungen der Grundsicherung wegen Erwerbsminderung gemäß § 41 ff. SGB XII, sind diese als Einkommen bedarfsmindernd zu berücksichtigen.1 Denn das Kind hat einen Anspruch auf Grundsicherung, auch wenn Unterhaltsansprüche gegen die Eltern bestehen. Gem. § 43 Abs. 3 SGB XII besteht eine Vermutung, dass das Einkommen der Unterhaltspflichtigen die Gesamteinkommensgrenze von unter 100 000 Euro nicht überschreitet. Nur wenn der Leistungsträger festgestellt hat, dass das Gesamtjahreseinkommen eines jeden unterhaltspflichtigen Elternteils 100 000 Euro brutto oder mehr beträgt, greift der Grundsatz der Subsidiarität und der Anspruch des Kindes auf Grundsicherung entfällt (§ 43 Abs. 3 Satz 6 SGB XII).2 Kommt zugunsten des Kindes ein nicht subsidiärer Anspruch auf Grundsicherung nach § 42 SGB XII in Betracht und versäumt es diesen geltend zu machen, kann ihm fiktiv bedarfsdeckend eine entsprechende Leistung unterstellt werden, denn ihn trifft bei dieser Konstellation die Obliegenheit, den Antrag auf Grundsicherung zu stellen, um die unterhaltspflichtigen Eltern zu entlasten (Rz. 105).3 Anrechnungsfrei bleiben außerdem andere zweckbestimmte Sozialleistungen, 29 beispielsweise Blindengeld und Pflegegeld, da vermutet wird, dass diese Sozialleistungen den Mehrbedarf, der zusätzlich zum Regelbedarf der Leitlinien und Tabellen entsteht, decken (§ 1610a BGB). Die Vermutung ist allerdings widerlegbar, d.h., der Verpflichtete muss im Einzelfall dartun und beweisen, dass der tatsächlich entstehende Mehrbedarf des Berechtigten geringer ist als die erhaltene Sozialleistung. Da § 1610a BGB die Darlegungs- und Beweislast ändert, hat der Verpflichtete den vollen Beweis des Gegenteils nach § 292 ZPO zu erbringen. Ist Vermögen vorhanden, müssen – anders als beim minderjährigen Kind (§ 1602 30 Abs. 2 BGB) – nicht nur die Erträge aus dem Vermögen, sondern auch die Substanz des Vermögens – im Rahmen des Zumutbaren – für den Unterhalt verwertet werden.4 Dies gilt gleichermaßen für das privilegierte volljährige Kind (§ 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB). Dabei ist dem Volljährigen ein Teil des Vermögens als Reserve z.B. für Sonderbedarf zu belassen, mindestens in Höhe des nach dem
1 BGH, FamRZ 2007, 1158; s. auch Nr. 2.9 der Leitlinien. 2 Das Gesamteinkommen i.S.v. § 43 SGB XII ist die Summe der Einkünfte i.S.d. Einkommenssteuerrechts (vgl. § 16 SGB IV i.V.m. § 2 EStG) und bezieht sich nach Auffassung des BSG nicht auf das zusammengerechnete Einkommen beider Eltern, sondern auf das Gesamteinkommen eines jeden Elternteils: BSG v. 25.4.2013 – B 8 SO 21/11 R –. Damit hat das BSG eine bisher in der Literatur umstrittene Rechtsfrage geklärt. 3 OLG Frankfurt v. 23.1.2008 – 5 UF 146/07, juris. 4 BGH, FamRZ 1998, 367 (369). Das OLG Hamm, NJW 2007, 1217 hat bei einem Vermögen von 15 000 Euro eine Verwertbarkeit angenommen für einen Gesamtbedarf von 4 000 Euro.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
Sozialhilferecht maßgebenden Freibetrags von zzt. 1 600 Euro (§ 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 der DVO zu § 90 SGB XII). Das Schonvermögen kann je nach Umständen des Einzelfalls höher bemessen werden, wobei die soziale Lage der Eltern und z.B. ausbildungsbedingte Bedürfnisse gegeneinander abzuwägen sind.1 Die Zweckbestimmung des dem Kind zugewendeten Vermögens spielt für die Abwägung ebenfalls eine Rolle.2 Mittel aus Ausbildungsversicherungen sind i.d.R. für den Unterhalt zu verbrauchen, wozu auch Sonderbedarf für die Einrichtung einer eigenen Wohnung gehört.3 Ausnahmsweise wird die Verwertung der Substanz dann nicht zumutbar sein, wenn sie – wiederum auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern – aufgrund besonderer Umstände grob unbillig wäre (§ 242 BGB). Nicht entsprechend anwendbar ist der weniger strenge Maßstab in § 1577 Abs. 3 BGB, der beim Ehegattenunterhalt an die Verwertung von Vermögen angelegt wird.4 S. dazu auch Kap. E Rz. 203. 31 Decken die eigenen Einkünfte des Kindes den Bedarf, besteht kein Unterhalts-
anspruch. Wird der Bedarf nur teilweise gedeckt, beschränkt sich der Anspruch auf den nicht gedeckten Teil. Das Kind ist für seine ab Volljährigkeit fortdauernde Bedürftigkeit den Eltern gegenüber darlegungs- und beweispflichtig. 32
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Praxishinweis: Wurde ein Unterhaltstitel für das minderjährige Kind errichtet, muss das Kind ab Beginn der Volljährigkeit damit rechnen, dass der bisher allein barunterhaltspflichtige Elternteil Auskunft von ihm darüber verlangen wird, ob es noch unterhaltsbedürftig ist und in welcher Höhe der andere Elternteil nun ebenfalls Unterhalt zahlen wird. Hier sollte – wenn nicht zu erwarten ist, dass die Unterhaltsfrage mit den Eltern einvernehmlich geregelt werden kann – der aus dem Titel verpflichtete Elternteil schon rechtzeitig vor dem 18. Geburtstag darüber informiert werden, dass noch Unterhaltsbedarf besteht, weil das Kind z.B. noch die Schule besucht oder eine Ausbildung absolviert, und in welcher Höhe der andere Elternteil sich am Unterhalt beteiligen wird. Empfehlenswert ist, die erforderlichen Unterlagen wie Schulbescheinigung, Ausbildungsvertrag, Einkommensnachweise des anderen Elternteils und eventuell des Kindes dem Verpflichteten zur Überprüfung der Angaben zur Verfügung zu stellen. Denn beantragt der Verpflichtete die Abänderung des Titels, weil er keine Auskunft erhält, ist das Kind darlegungs- und beweispflichtig für die tatsächlichen Voraussetzungen seines fortdauernden Anspruchs. Hier kann das volljährige Kind durch eigene Aktivität und rechtzeitige Auskunftserteilung ein Unterhaltsstreitverfahren und unnötige Kosten vermeiden. Ihm können nämlich in einem von dem Verpflichteten beantragten Abänderungsverfahren die Kosten auferlegt werden, wenn es trotz vorprozessualer Aufforderung zur Auskunftserteilung durch den Verpflichteten die Auskunft nicht oder nicht vollständig erteilt hat (§ 243 Nr. 2 FamFG, § 93d ZPO a.F., s. Kap. K Rz. 107).
1 OLG Celle, FamRZ 2000, 47 (48) (5 000 DM); OLG München, FamRZ 1996, 1433 (ca. 2 500 Euro); OLG Karlsruhe, FamRZ 1996, 1235 (ca. 5 000 Euro bei besonders günstigen Einkommensverhältnissen des Vaters). 2 BGH, FamRZ 1998, 367 (369); OLG Düsseldorf, FamRZ 1990, 1137. 3 OLG Frankfurt, FamRZ 1993, 98. 4 BGH, FamRZ 1998, 367 (369).
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II. Anspruchsvoraussetzungen
3. Leistungsfähigkeit der Eltern Eltern volljähriger Kinder müssen nur Unterhalt zahlen, wenn sie leistungsfähig 33 sind. Sie haften für den Unterhaltsbedarf des Kindes mit ihrem Einkommen und Vermögen als Teilschuldner, d.h., sie schulden jeweils nicht den gesamten Unterhalt, sondern – abhängig von ihrer Leistungsfähigkeit – nur den auf sie entfallenden Teil. Mit welcher Haftungsquote Eltern rechnen müssen, wenn sie gemeinsam für den Kindesunterhalt aufzukommen haben, hängt von mehreren Faktoren ab: Nämlich wie hoch ihr Einkommen für die Berechnung ihres Haftungsanteils in Ansatz zu bringen ist, also wie hoch ihr tatsächliches Einkommen ist oder – bei schuldhaftem Verstoß gegen ihre Erwerbsobliegenheit – wie hoch ihr erzielbares Einkommen wäre bei Ausübung einer zumutbaren Erwerbstätigkeit. Außerdem ist von Bedeutung, welche Verbindlichkeiten einkommensmindernd berücksichtigt werden können und welcher Lebensstandard ihnen als Eigenbedarf zuzugestehen ist. Für die Beurteilung all dieser Faktoren ist das im Gesetz zum Ausdruck kom- 34 mende Maß der Einstandspflicht der Eltern für den Unterhalt von Bedeutung. Dieses Maß differenziert beim Volljährigenunterhalt zwischen der Einstandspflicht für den Unterhalt von volljährigen Kindern und volljährigen 18–21-jährigen Schülern, die noch bei einem Elternteil leben, den privilegierten Volljährigen. Gegenüber nicht privilegierten Volljährigen gilt, wie für den Verwandtenunter- 35 halt generell, „… unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außer Stande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren“ (§ 1603 Abs. 1 BGB). Gegenüber privilegierten Schülern gilt eine gesteigerte Unterhaltspflicht, nach 36 der Eltern – wie gegenüber minderjährigen Kindern – „alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden“ haben (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB). D.h. sie haften bis zu ihrem eigenen notwendigen Eigenbedarf für den Unterhalt der Kinder. Für beide Varianten der Einstandspflicht enthält das Gesetz keine konkreten 37 Angaben dazu, wie hoch der Unterhalt für die Eltern selbst sein soll, der ihnen als Eigenbedarf verbleiben soll. Die OLG haben deshalb zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung Vorgaben zur Bestimmung des angemessenen und notwendigen Eigenbedarfs in der Form pauschalierter Eigenbedarfssätze in ihren Leitlinien entwickelt, die nachfolgend unter den Rz. 39 ff. dargestellt werden. Die Bedeutung des unterschiedlichen Maßes der Einstandspflicht beschränkt 38 sich jedoch nicht nur auf die Höhe des Unterhalts, der den Eltern selbst bei Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht zu verbleiben hat, vielmehr beeinflusst die stärkere Einstandspflicht vor allem auch die Anforderungen an die Erwerbstätigkeit der Eltern (Rz. 42 ff.) und wirkt sich damit ebenfalls auf die Rechtsfolgen aus bei vorwerfbaren Verstößen gegen die Erwerbsobliegenheit, die nachfolgend unter den Rz. 50 ff. behandelt werden. Das unterschiedliche Maß der Einstandspflicht spielt des Weiteren z.B. noch ein wesentliche Rolle bei der Zuordnung von Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit und der Bereinigung des Einkommens um Unterhaltsverbindlichkeiten. Diese Besonderheiten werden unter den Rz. 59 ff. aufgezeigt. Ehinger
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
a) Angemessener und notwendiger Eigenbedarf (Selbstbehalt) nach der DT und den Leitlinien 39 Der angemessene Eigenbedarf oder Selbstbehalt (§ 1603 Abs. 1 BGB) von Eltern
beträgt gegenüber volljährigen Kindern in allen Bundesländern nach dem Stand 1.1.2014 1 200 Euro. In diesem Betrag ist ein Warmmietanteil von 450 Euro enthalten (Anm. A Nr. 5 der DT und Nr. 21.3.1 der LL). Soweit der Warmmietanteil in den Leitlinien eines OLG nicht ausgewiesen ist, kann bei Bedarf auf die Werte der DT zurückgegriffen werden. Zu beachten ist insoweit jedoch, dass jedem Elternteil in Bezug auf seine Wohnkosten ein Spielraum zuzugestehen ist, sich entweder für geringere oder höhere Wohnkosten zu entscheiden, ohne dass dies bereits eine Senkung oder Erhöhung des Eigenbedarfs zur Folge haben muss. Nur bei unvermeidbar deutlich höheren Mietkosten kann ausnahmsweise eine Erhöhung des Eigenbedarfs in Betracht kommen. Der Selbstbehalt kann sich ausnahmsweise auch dann erhöhen, wenn ein erwachsenes Kind unterhaltsbedürftig wird, nachdem es bereits wirtschaftlich selbständig war, die Eltern sich also in ihrer Lebensführung bereits darauf einrichten konnten, nicht mehr unterhaltspflichtig zu sein. In diesen Fällen kann der deutlich höhere Selbstbehaltssatz zugebilligt werden, der nach den Leitlinien für den Elternunterhalt maßgeblich ist und zurzeit 1 600 Euro beträgt (Nr. 21.3.4 der LL). Dies gilt entsprechend auch für den Familienselbstbehalt, bei dem noch der Bedarf des Ehegatten mitberücksichtigt wird, der mit dem Verpflichteten zusammenlebt (s. Nr. 22.3 der LL).1 40 Gegenüber privilegiert volljährigen Kindern i.S.v. § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB, für
deren Unterhalt Eltern nach einem strengeren Haftungsmaßstab aufzukommen haben, weil sie insoweit minderjährigen Kinder gleichgestellt sind, steht Eltern zwar ebenfalls der angemessene Eigenbedarf zu, allerdings verbleibt ihnen in Mangelfällen nur der notwendige Eigenbedarf. Dieser beträgt in 2014 nach den LL 1 000 Euro bzw. 800 Euro bei Nichterwerbstätigkeit (Anm. A Nr. 5 der DT und Nr. 21.2 der LL).2 Ein solcher Mangelfall, der die Opfergrenze deutlich erhöht und den Unterhaltspflichtigen auf den notwendigen Eigenbedarf beschränkt, liegt nur vor, wenn beide Eltern für die Zahlung des Unterhalts ihren angemessenen Eigenbedarf angreifen müssten. Ist hingegen ein Elternteil noch leistungsfähig im Sinne von § 1603 Abs. 1 BGB, d.h., kann dieser ohne Gefährdung seines angemessenen Eigenbedarfs für den Unterhalt aufkommen, haftet auch der weniger leistungsfähige Elternteil für den Unterhalt nur bis zum angemessenen Selbstbehalt und eine weitergehende Unterhaltspflicht besteht nicht.3 Für die Berechnung der Haftungsanteile und Ermittlung der Einsatzbeträge ist deshalb in diesen Fällen bei beiden Eltern jeweils auf den angemessenen Eigenbedarf abzustellen, was sich zugunsten des weniger leistungsfähigen Elternteils auswirkt (s. dazu die Vergleichsberechnung in Kap. A Rz. 301).4 41 Für sämtliche Eigenbedarfssätze gilt, dass sie eine Richtlinienfunktion haben,
die der Vereinheitlichung der Rechtsprechung in den Bundesländern dient, von 1 BGH, FamRZ 2012, 530; 2012, 1553 (zum Familienselbstbehalt). 2 Der darin enthaltene Mietanteil ist – soweit in den LL ausgewiesen – mit 360 Euro angesetzt. 3 BGH, FamRZ 2011, 454 Tz. 36; FamRZ 2008, 137 Tz. 39. 4 BGH, FamRZ 2011, 454 Tz. 36.
154 Ehinger
II. Anspruchsvoraussetzungen
denen in begründeten Ausnahmefällen auch abgewichen werden kann. Die Höhe der jeweils maßgeblichen Eigenbedarfssätze für den zu prüfenden Unterhaltszeitraum ist den sich auf diesen Zeitraum beziehenden LL der OLG zu entnehmen, die regelmäßig veröffentlicht werden. b) Anforderungen an die Erwerbstätigkeit der Eltern Die Leistungsfähigkeit von Eltern und damit die Höhe des zu zahlenden Unter- 42 halts hängt maßgeblich davon ab, über welches Einkommen sie tatsächlich verfügen (wie das tatsächliche Einkommen zu ermitteln ist, ist ausführlich in Kap. A Rz. 68 ff. erläutert) und über welches sie bei zumutbarem Einsatz ihrer Erwerbstätigkeit verfügen sollten. Eltern, die ihrem Kind Ausbildungsunterhalt schulden, sind – auch ab Beginn der Volljährigkeit – gehalten, weiter ihrer bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit, in der Regel im Umfang einer vollschichtigen Tätigkeit, nachzugehen.1 Dies ist ihnen auch zumutbar, denn sie können sich meist schon aufgrund ihrer Nähe und besonderen Kenntnis der Entwicklung des Kindes von vornherein darauf einstellen, ob und für wie lange sie noch für den Ausbildungsunterhalt aufzukommen haben. aa) Verlust der Arbeitsstelle Wird einem Elternteil gekündigt, ist er gehalten, sich zügig um eine neue ange- 43 messene Erwerbstätigkeit zu bemühen. Denn die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners bemisst sich nicht nur nach seinen tatsächlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen, sondern auch nach seiner Erwerbsfähigkeit und seinen Erwerbsmöglichkeiten.2 Daraus resultiert die Obliegenheit, sich ausreichend um eine neue Arbeit zu bemühen. Verstößt er schuldhaft gegen diese Obliegenheit, sind ihm fiktive Einkünfte zuzurechnen, die er bei zumutbaren Bemühungen erzielen könnte (s. dazu Rz. 50 ff.; Kap. A Rz. 155 ff.). Man wird von ihm jedoch – anders als bei Ansprüchen Minderjähriger – nicht mehr erwarten können, dass er, nur um eine Arbeit zu bekommen, einen Orts- oder Berufswechsel vornimmt. Dies kann im Einzelfall anders zu beurteilen sein, wenn er überhaupt keine Chance mehr hat, in seinem bisherigen Beruf zu arbeiten.3 Besonderheiten bei privilegierten Volljährigen:
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Anderes gilt gegenüber privilegierten volljährigen Kindern, allerdings nur soweit ihr Mindestbedarf in Rede steht. Der Mindestbedarf ist für privilegierte Volljährige nicht gesetzlich definiert, kann aber in Höhe des Tabellenunterhalts der Altersstufe 4 der Einkommensgruppe 1 der DT abzüglich des vollen Kindergelds angesetzt werden.4 Ist der Mindestbedarf nicht gesichert, liegt die Opfergrenze für Eltern für die Erbringung des Unterhalts mit Rücksicht auf die Gleichstellung mit minderjährigen Kindern deutlich höher (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB), d.h., es werden auch strengere Anforderungen an die Erwerbstätigkeit gestellt. 1 Zur Vollzeiterwerbsobliegenheit von Unterhaltsschuldnern s. Wendl/Dose, § 1 Rz. 736; OLG Hamm, FamRZ 1998, 42. 2 BVerfG, FamRZ 2010, 183 Tz. 14; BGH, NJW 2003, 3122 = FamRZ 2003, 1471. 3 Wendl/Dose/Klinkhammer, § 2 Rz. 539. 4 OLG Hamm, FamRZ 2010, 1346 Tz. 66, 67. Die Frage, ob der Mindestunterhalt in entsprechender Anwendung von § 1612a BGB zu bestimmen ist, ist str. Für eine entspr. Anwendung Erman/Hammermann, § 1612a BGB Rz. 13 m.w.N.; a.A. Palandt/Brudermüller, § 1612a BGB Rz. 21.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
So wird den Eltern z.B. die Aufnahme von Tätigkeiten unterhalb der beruflichen Qualifikation, ja sogar ein Ortswechsel zugemutet werden können. Dabei ist die Zumutbarkeit jedoch in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen, insbesondere unter Berücksichtigung der Belange weiterer Kinder und insoweit bestehender Umgangsbedürfnisse.1 Zu weiteren Einzelheiten der gesteigerten Unterhaltspflicht s. Kap. A Rz. 41 ff. bb) Ausübung einer Nebentätigkeit 45 Im Grundsatz gilt, dass die Erwerbsobliegenheit auf die Ausübung einer voll-
schichtigen Erwerbstätigkeit gerichtet ist. Reichen die Einkünfte eines Elternteils aus einer Vollbeschäftigung nicht aus, um seinen Anteil an dem Bedarf des Kindes abzudecken, wird in der Regel nicht zu erwarten sein, dass er über eine vollschichtige Tätigkeit hinaus eine Nebentätigkeit ausübt.2 Dabei kommt es allerdings darauf an, welchen zeitlichen Umfang die Vollbeschäftigung hat. Die übliche Arbeitszeit einer Volltagstätigkeit beträgt derzeit 40 Stunden pro Woche, das sind 172 Stunden pro Monat.3 Übt der Verpflichtete eine Teilzeitbeschäftigung aus, besteht die Obliegenheit, die Arbeitszeit aufzustocken oder eine zweite Teilzeitbeschäftigung zu übernehmen.4 Selbst bei geringfügigem Unterschreiten der Regelarbeitszeit kann noch die Ausübung einer Nebentätigkeit in Betracht kommen. Für die Entscheidung über die Zumutbarkeit einer weiteren Erwerbstätigkeit ist außerdem von Bedeutung, in welchem Umfang der andere Elternteil erwerbstätig ist. Auf eine gleichgewichtige Belastung ist zu achten. 46 Führt ein Verpflichteter seine selbständige Erwerbstätigkeit – sei es im Umfang
einer Voll- oder Nebenbeschäftigung – nach Beginn der Altersrente fort, besteht i.d.R. dazu keine Obliegenheit.5 Zur Berücksichtigung der Einkünfte aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit für die Unterhaltsberechnung s. Rz. 60 ff. und Kap. A Rz. 131 ff. 47 Besonderheiten bei privilegierten Volljährigen:
Gegenüber volljährigen Schülern kommt die Pflicht zur Aufnahme einer Nebentätigkeit neben einer Volltagstätigkeit i.d.R. nicht in Betracht, wenn ihr Mindestbedarf (Rz. 41) gesichert ist. Sehr viel strenger sind die Anforderungen jedoch, wenn die Zahlung des Mindestbedarfs des Kindes in Frage steht. Dann besteht für den Unterhaltspflichtigen die Obliegenheit, seine Einkünfte entweder dadurch zu erhöhen, dass er einer Nebentätigkeit nachgeht oder sich um eine besser bezahlte Vollzeittätigkeit bemüht.6 Bei beiden Varianten ist jedoch jeweils die Zumutbarkeit zu prüfen, insbesondere, ob eine weitere oder andere Tätigkeit den Unterhaltspflichtigen nicht unverhältnismäßig belastet. Bei der Obliegenheit zur Ausübung einer Nebentätigkeit sind die Schutzvorschriften 1 BVerfG, NJW-RR 2007, 649 ff. = FamRZ 2007, 273; BVerfG, NJW 2006, 2317 ff. = FamRZ 2006, 469 ff.; BVerfG, NJW 2010, 1658–1660 = FamRZ 2010, 793 (795) m.w.N., FamRZ 2010, 183 ff. 2 Wendl/Dose, § 1 Rz. 740; z.B. OLG Köln, FamRZ 2010, 382. 3 BGH, FamRZ 2009, 314 Tz. 22. 4 BGH, FamRZ 2012, 1483 Tz. 24 zur Angemessenheit einer Erwerbstätigkeit nach §§ 1573 Abs. 1, 1574 BGB; zur Zumutbarkeit einer Nebentätigkeit und realen Beschäftigungschance neben einer Teilzeitbeschäftigung OLG Hamm, FamRZ 2010, 985 Tz. 16 f., 30 f. 5 BGH, FamRZ 2011, 454 Tz. 18–22; OLG Brandenburg, FamFR 2013, 80. 6 BVerfG, FamRZ 2003, 661 f. = FPR 2003, 479 ff.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
und Restriktionen des Arbeitszeitgesetzes (§§ 3, 6 ArbZG) zu beachten,1 nach denen von dem Pflichtigen maximal eine wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden zu erwarten ist (Kap. A Rz. 41). Ergibt die Einzelfallprüfung, dass der Verpflichtete seine Vollzeitarbeit in Wechselschichten ausübt, kann z.B. eine Nebentätigkeit nicht verlangt werden.2 Bei der Obliegenheit zur Aufnahme einer besser dotierten Tätigkeit kommt es für die Klärung der Zumutbarkeit ebenfalls maßgeblich auf die besonderen Umstände des Einzelfalls, insbesondere die beruflichen Qualifikationen des Unterhaltspflichtigen und die Arbeitsmarktlage, an. Das OLG Hamm geht bei einer mtl. Arbeitszeit von 172 Stunden nicht mehr von einer Nebenerwerbspflicht aus, hält aber Bemühungen um eine besser dotierte Vollzeitbeschäftigung für zumutbar, auch wenn dies mit einer anstrengenderen Tätigkeit verbunden ist.3 cc) Fortbildungswünsche des Elternteils Ob Eltern auf eigene Fortbildungswünsche, die befristet zu einer Einkommens- 48 einbuße führen würden, verzichten müssen, solange das volljährige Kind noch unterhaltsbedürftig ist, ist bisher höchstrichterlich noch nicht geklärt.4 Man wird aber im Grundsatz davon ausgehen können, dass Eltern auch gegenüber volljährigen, in der Ausbildung befindlichen Kindern eigene Fortbildungswünsche bis zum Abschluss der Ausbildung zurückzustellen haben.5 Der BGH hat sich bisher zu dieser Frage nur im Rahmen des Minderjährigenunterhalts geäußert.6 Danach hat das Interesse eines Elternteils an einer Aus- oder Weiterbildung, die eine Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit zur Folge hätte, hinter dem Interesse des Kindes an der Sicherung seines Mindestunterhaltsbedarfs zurückzustehen. Eine Ausnahme davon bildet die Erstausbildung eines Elternteils. Sie gehört nach der Rechtsprechung des BGH zu seinem eigenen Lebensbedarf, den er grundsätzlich auch bei gesteigerter Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern vorrangig befriedigen darf.7 Dies gilt im Rahmen des Volljährigenunterhalts gleichermaßen. Für diese Auffassung spricht insbesondere, dass letztlich schon durch die lange Dauer der Unterhaltsbelastung in der Minderjährigkeit bei Zurückstellen der eigenen Erstausbildung ein berechtigtes Interesse des Elternteils an einem ausbildungsadäquaten Einkommen mit einer entsprechenden Altersversorgung anzuerkennen ist. Allerdings wird die Entscheidung darüber, ob die Durchführung einer Erstausbildung durch ein berechtigtes Interesse gerechtfertigt oder als Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit zu bewerten ist, letztlich von den individuellen Besonderheiten des Einzelfalls und einer Abwägung der Interessen abhängen. Insbesondere ist zu prüfen, wie sich eine damit verbundene Einschränkung der Leistungsfähigkeit auf die Ausbildung des Kindes auswirken würde und welche 1 BVerfG, FPR 2003, 132 ff. = FamRZ 2003, 661 ff.; zur Anwendung der vom BVerfG vorgegebenen Kriterien: BGH, NJW 2009, 1410 = FamRZ 2009, 314 Tz. 22. 2 OLG Saarbrücken, FamRZ 2011, 1302 = MDR 2011, 543. 3 OLG Hamm, FamFR 2011, 513 mit Anm. Huber. 4 Anders Wendl/Dose, § 1 Rz. 767 unter Bezugahme auf BGH, FamRZ 1983, 140. Die Entscheidung bezieht sich jedoch nur auf die nach damaligem Recht gleichrangigen Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder und Ehegatten, nicht hingegen auf volljährige Kinder. 5 Ebenso Wendl/Dose/Klinkhammer, § 2 Rz. 540. 6 BGH, FamRZ 2011, 1041 Rz. 36 ff.; im Anschluss an FamRZ 1994, 566. 7 BGH, FamRZ 2011, 1041; 1994, 372.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
Folgen sich für den Elternteil bei einem weiteren Zuwarten mit der eigenen Ausbildung für seine weiteren Erwerbsmöglichkeiten ergeben. Fortbildungen und Umschulungen, die mit verringerten Einkünften oder einem Wegfall der Leistungsfähigkeit verbunden sind, sind i.d.R. hinzunehmen, wenn die Arbeitsagentur die Fortbildung oder Umschulung zur Vermeidung des Verlustes des Arbeitsplatzes oder bei Arbeitslosigkeit empfiehlt und finanziert. Letztlich dürften diese Fälle jedoch in der Praxis kaum eine Rolle spielen, denn i.d.R. würden sich für den Volljährigen eigene Ansprüche nach dem SGB II oder BAföG ergeben. 49 Besonderheiten bei privilegierten Volljährigen:
Gegenüber privilegiert volljährigen Schülern gilt regelmäßig das Erstausbildungsprivileg, ausschlaggebend sind aber auch in diesem Rechtsverhältnis letztlich alle Umstände des Einzelfalls.1 Im Rahmen der gesteigerten Unterhaltspflicht obliegt dem Unterhaltspflichtigen die Erstausbildung zügig durchzuführen. Bei Nichtbestehen einer Abschlussprüfung sind zunächst alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die Abschlussprüfung zu wiederholen mit dem Ziel, die begonnene Ausbildung erfolgreich abzuschließen, anstatt die Ausbildung aufzugeben und eine neue Ausbildung zu beginnen. Denn ob eine zweite Erstausbildung nach Scheitern der zuvor begonnenen Erstausbildung als Rechtfertigungsgrund für eine eingeschränkte oder fehlende Leistungsfähigkeit anerkannt wird, hängt maßgeblich von den Gründen für den Abbruch der ersten Ausbildung ab.2 Insoweit ist der Anwalt gut beraten, zu den Gründen des Abbruchs und der Notwendigkeit, eine zweite Erstausbildung zu beginnen, sehr genau vorzutragen. c) Fiktives Einkommen bei Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit 50 Kommt ein unterhaltspflichtiger Elternteil in unterhaltsrechtlich vorwerfbarer
Weise den Anforderungen an seine Erwerbsobliegenheit nicht nach, kann er so behandelt werden, als erzielte er das Einkommen, das er bei gutem Willen verdienen könnte. Denn die Grundsätze über die Zurechnung eines fiktiven Einkommens (§ 242 BGB) finden auch beim Unterhalt für volljährige Kinder Anwendung. Erzielt ein Elternteil keine eigenen Einkünfte, ist er darlegungs- und beweispflichtig dafür, aus welchen Gründen eine Erwerbsobliegenheit nicht besteht, bzw. ihm die Ausübung einer Vollzeitbeschäftigung nicht zumutbar ist. Dies kann z.B. aus Krankheitsgründen oder wegen der Betreuung minderjähriger Kinder der Fall sein. Verstößt der Unterhaltspflichtige schuldhaft gegen seine Erwerbsobliegenheit, ist ihm ein fiktives Einkommen sowohl für die Bedarfsberechnung (beim Tabellenunterhalt) als auch die Prüfung seiner Leistungsfähigkeit zuzurechnen.3 51 Sowohl das BVerfG als auch der BGH haben in einer ganzen Reihe von Entschei-
dungen die Kriterien näher bestimmt, die von den Instanzgerichten bei der Zurechnung fiktiver Einkünfte zu beachten sind: 1. Der Unterhaltspflichtige muss vorwerfbar gegen seine Erwerbsobliegenheit verstoßen.
1 BGH, FamRZ 2011, 1041 Tz. 36. 2 KG, FamFR 2011, 272 = FamRZ 2011, 1798 Tz. 25 f. 3 BVerfG, FamRZ 2005, 1893; BGH, FamRZ 1994, 372 (373).
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II. Anspruchsvoraussetzungen
2. Für ihn muss bei gutem Willen unter Ausnutzung seiner Arbeitskraft und Fähigkeiten unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage ein Einkommen erzielbar sein, das ihm die Leistung von Unterhalt ermöglichen würde. 3. Die Zurechnung von Einkünften aus einer Nebentätigkeit kommt nur in Betracht, wenn für den Unterhaltspflichtigen eine Nebentätigkeit unter Beachtung gesetzlicher Schutzvorschriften, seiner individuellen gesundheitlichen Belastbarkeit, seines Alters und seiner familiären Verhältnisse usw. zumutbar ist.1 Wegen der Einzelheiten und Berechnung eines fiktiven Einkommens wird auf die Ausführungen in Kap. A Rz. 170 ff., Kap. A Rz. 336 ff. verwiesen. aa) Fiktives Einkommen bei Übernahme der Haushaltsführung in einer neuen Beziehung (sog. Hausmannsrechtsprechung) Lebt ein unterhaltspflichtiger Elternteil in einer neuen Ehe oder nichtehelichen 52 Lebensgemeinschaft und gibt seine Erwerbstätigkeit auf, um den Haushalt zu führen, entbindet ihn dies nicht von seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber den Kindern aus der früheren Beziehung. Welche Anforderungen an seine Erwerbsobliegenheit zu stellen sind und inwieweit ihm ein fiktives Einkommen zuzurechnen ist, hängt jedoch maßgeblich davon ab, ob er einem privilegierten oder nicht privilegierten volljährigen Kind aus der früheren Beziehung unterhaltspflichtig ist. Zu den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der Hausmannsrechtsprechung s. Kap. A Rz. 181 ff. Wird Unterhalt für ein nicht privilegiertes volljähriges Kind geschuldet, finden 53 die Grundsätze zur Hausmannrechtsprechung nur eingeschränkt Anwendung, insbesondere wenn der Unterhaltspflichtige minderjährige Kinder betreut. Denn dann trifft ihn im Verhältnis zu dem volljährigen Kind keine Erwerbsobliegenheit mehr wegen des Vorrangs der Unterhaltsansprüche seiner minderjährigen Kinder (§ 1609 Nr. 1, 4 BGB), so dass die Zurechnung eines fiktiven Einkommens ausscheidet. Die Zurechnung eines fiktiven Einkommens kommt allerdings in Betracht, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil wieder verheiratet ist, über kein eigenes Einkommen verfügt, weil er seinem Ehegatten den Haushalt führt, und keine minderjährigen Kinder zu betreuen sind. Zwar ist er im Rahmen der neuen Ehe berechtigt, seinen Beitrag zum Familienunterhalt durch Hausarbeit zu erbringen (§§ 1356, 1360 BGB). Dies wird i.d.R. jedoch nicht der Ausübung einer Teilzeitbeschäftigung entgegenstehen.2 Ist der eigene angemessene Bedarf wegen des auskömmlichen Einkommens des neuen Ehepartners gedeckt, kann das Einkommen des Verpflichteten z.B. aus einer Teilzeiterwerbstätigkeit, das unter dem angemessenen Selbstbehalt liegt, für die Bedarfsdeckung herangezogen werden.3 Man wird auch eine Vollzeitbeschäftigung in Betracht ziehen können, wenn anderenfalls der andere Elternteil finanziell übermäßig beansprucht wird. Denn bei Beurteilung der Anforderung an die Erwerbstätigkeit eines Elternteils 1 BGH, FamRZ 2003, 1471; BVerfG, FamRZ 2007, 273 f.; BVerfG, FamRZ 2006, 469 ff.; FamRZ 2010, 793 (795) m.w.N., FamRZ 2010, 183 ff. 2 Wendl/Dose/Klinkhammer, § 2 Rz. 294. 3 BGH, FamRZ 1987, 472 (473) bei Unterhaltsansprüchen volljähriger Kinder; BGH, FamRZ 2002, 742 mit Anm. Büttner zum Elternunterhalt; BGH, FamRZ 2001, 1065 ff. bei Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
ist nicht nur das Pflichtenverhältnis im Eltern-Kind-Verhältnis mit dem der Ehegatten gegeneinander abzuwägen unter Beachtung von § 1609 BGB, vielmehr muss in die Abwägung auch das Rechtsverhältnis der Eltern zueinander einbezogen werden. Denn sind Eltern Teilschuldner des Unterhalts ihres Kindes, ergeben sich in ihrem Innenverhältnis Pflichten, insbesondere gilt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme nach § 242 BGB. 54 Gegenüber dem privilegierten volljährigen Kind gilt:
Betreut der nicht erwerbstätige Elternteil minderjährige Kinder, bleibt er seinem privilegiert volljährigen Kind aus früherer Ehe unterhaltspflichtig, denn die Unterhaltsansprüche der Kinder sind gleichrangig. Ob und in welcher Höhe ihm ein fiktives Einkommen zuzurechnen ist, hängt entscheidend davon ab, ob die Aufgabe seiner Erwerbstätigkeit zu Gunsten der Betreuung der minderjährigen Kinder in der neuen Beziehung unterhaltsrechtlich anzuerkennen ist. Gibt es keinen rechtfertigenden Grund für die Rollenwahl,1 ist ihm fiktiv ein Einkommen in Höhe seines bisher erzielten Einkommens zu unterstellen. Dies gilt auch, wenn er Elterngeld bezieht.2 Ist die Rollenwahl anzuerkennen, ist zu klären, in welchem Umfang eine Leistungsfähigkeit unter Berücksichtigung der Besonderheiten des individuellen Sachverhalts und in Abwägung der Belange aller Beteiligten besteht. Bezieht der Betreuende z.B. Elterngeld,3 ist dieses für den Kindesunterhalt zu verwenden, soweit es nicht für den eigenen notwendigen Bedarf des Pflichtigen benötigt wird. Denn Elterngeld gilt im Verhältnis zu den minderjährigen und ihnen gleichgestellten volljährigen Kindern nach § 11 Satz 4 BEEG als Einkommen und es besteht für die Dauer des Bezugs des Elterngeldes keine Pflicht zur Ausübung einer Nebentätigkeit, weil Kinder mindestens bis zum Alter von 2 Jahren eine ständige Betreuung benötigen. Dies gilt selbst dann, wenn der Verpflichtete das Elterngeld für seinen notwendigen Eigenbedarf benötigt und es nicht für den Kindesunterhalt zur Verfügung stellen kann.4 Nach Beendigung des Bezugs von Elterngeld kann die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht kommen, wenn dem Verpflichteten die Aufnahme einer Nebentätigkeit, z.B. in den Abendstunden zumutbar ist. Der neue Ehegatte ist insoweit verpflichtet, ihn für diese Zeit von der Kinderbetreuung zu entlasten. Soweit entsprechende Einkünfte unter dem Selbstbehalt liegen, müssen sie gleichwohl für den Kindesunterhalt zur Verfügung gestellt werden, wenn der Bedarf des Unterhaltspflichtigen durch seinen Anspruch auf Familienunterhalt gegenüber dem neuen Ehegatten gedeckt ist (§§ 1360, 1360a BGB).5 Ist der Unterhaltsschuldner wieder verheiratet und beruft er sich darauf, keine Einkünfte mehr zu haben, weil er seinem neuen Ehegatten oder Lebenspartner den Haushalt führt, ohne dass Kinder zu betreuen sind, sind ihm fiktive Einkünfte aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit zuzurechnen.6
1 2 3 4
Zu den Kriterien s. die 6. Aufl., Rz. 139 f. OLG Brandenburg v. 26.9.2013 – 3 WF 101/13, juris. BGH, FamRZ 2006, 1010 ff. m. Anm. Borth. BGH, FamRZ 2006, 1010 ff. m. Anm. Borth, S. 1014; das OLG Hamm verneint eine Erwerbsobliegenheit für 3 Jahre, FF 2007, 268 mit Anm. Bömelburg S. 270 f. 5 BGH, FamRZ 1996, 796 (797); 2001, 617; 2004, 24 f.; 2004, 364 (365) und BGH, FamRZ 2006, 101 f. 6 BGH, FamRZ 2001, 1065 ff.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
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Beispiele – K (20 J.) lebt im Haushalt des V und verlangt Unterhalt von M unter Darlegung der Einkommensverhältnisse des V und Angabe seines eigenen Ausbildungsverhältnisses (Dauer und eventuelle Einkünfte daraus). Die wieder verheiratete M ist nicht mehr erwerbstätig und führt ihrem gut verdienenden Ehemann den Haushalt. Da ihr eine Nebenbeschäftigung zuzumuten wäre, ist Einkommen, das sie aus der Erwerbstätigkeit erzielen könnte (ohne Ansatz des Selbstbehalts, da ihr eigener Bedarf vom Ehemann sichergestellt wird), für den Unterhalt des (nicht privilegierten) volljährigen Kindes mit einzusetzen. K hat Aussicht auf Erfolg, einen Titel gegen M zu erstreiten. – K (20 J.) hat einen eigenen Hausstand, V verdient mtl. 2 000 Euro, M ist nicht erwerbstätig und versorgt als Alleinerziehende 2 kleine Halbgeschwister, die vorrangig unterhaltsberechtigt sind. Hier sollte K nur den V auf Zahlung des gesamten Unterhaltsbedarfs in Anspruch nehmen (s. Rz. 69).
Gleiche Grundsätze gelten, wenn der Elternteil in einer nichtehelichen Lebens- 56 gemeinschaft lebt. bb) Die Bedeutung der Ausfallhaftung bei fiktivem Einkommen eines Elternteils Beruht die Leistungsfähigkeit eines Elternteils nur auf der Zurechnung fiktiver 57 Einkünfte, kann das Kind seinen gesamten Bedarf von dem leistungsfähigen Elternteil verlangen und braucht sich nicht auf ein Unterhaltsverfahren gegen den nur fiktiv leistungsfähigen Elternteil einzulassen. Denn die Verantwortung für eine nur fiktive Leistungsfähigkeit wegen Verletzung der Erwerbsobliegenheit liegt bei dem Elternteil und nicht dem Kind. Das Kind darf sich in Anwendung des Rechtsgedankens des § 1607 Abs. 2 BGB vorrangig an den leistungsfähigen Elternteil halten und ihn in Anspruch nehmen, der dann für den berechneten Bedarf haftet. § 1607 Abs. 2 BGB sieht eine Ausfallhaftung nachrangig oder gleichrangig unterhaltspflichtiger Verwandter vor, wenn der Verpflichtete nicht leistungsfähig ist. Der leistungsfähige Elternteil kann seine Haftung nicht unter Hinweis auf das fiktive Einkommen des anderen Elternteils anteilig reduzieren.1 Das Kind ist für die Leistungsunfähigkeit des anderen Elternteils jedoch darlegungs- und beweispflichtig.2 Zugunsten des vorleistenden Elternteils kommt dann ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch gegenüber dem anderen Elternteil in Betracht, und zwar in Höhe der Haftungsquote, die sich für den anderen unter Berücksichtigung des fiktiven Einkommens errechnet, Rz. 126 ff. Zum familienrechtlichen Ausgleichsanspruch s. Kap. H Rz. 97 ff. 58
Beispiel K (20 J.) studiert, hat einen eigenen Hausstand und nach Abzug des Kindergeldes einen Bedarf von 486 Euro (670 – 184 = 486 Euro). Sein Vater V verdient unterhaltsrechtlich bereinigt mtl. 2 000 Euro, seine Mutter M ist arbeitslos und bemüht sich nicht ausreichend um eine Arbeit. Ihr ist aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation fiktiv ein bereinigtes Einkommen von 1 500 Euro zu unterstellen. Bei einem Selbstbehalt von 1 200 Euro für jeden Elternteil ergibt sich eine Haftungsquote des V von 73 % und der M von 27 % (Einsatzbetrag jedes Elternteils/Summe der Einsatzbeträge = Quote s. dazu Rz. 126 ff.), d.h., V müsste 355 Euro und M 131 Euro zahlen. Hier kann K nur V auf Zahlung des gesamten Unter1 OLG Nürnberg, FamRZ 2000, 687 f. zum Anspruch eines privilegierten Kindes; OLG Koblenz, FamRZ 1989, 307 ff.; OLG Karlsruhe, FamRZ 1991, 971; OLG Köln, FamRZ 2010, 382; Wendl/Dose/Klinkhammer, § 2 Rz. 567 m.w.N. 2 BGH, FamRZ 2006, 26 (30); OLG Celle, FamRZ 1993, 1235; zu den Anforderungen an den Sachvortrag im Unterhaltsverfahren s. Wendl/Dose/Klinkhammer § 2 Rz. 578.
Ehinger
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes haltsbedarfs von 486 Euro in Anspruch nehmen und es diesem überlassen, sich den auf M entfallenden Anteil zurückzuholen.
d) Weitere Besonderheiten bei der Zurechnung und Bereinigung des Einkommens der Eltern 59 Die Klärung des unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommens der Eltern er-
folgt nach den in Kap. A Rz. 68 ff. dargestellten Grundsätzen. Nachfolgend werden einige Probleme der Zuordnung von Einkünften zum unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen und dessen Bereinigung behandelt, die sich speziell aus den unterschiedlichen Anforderungen an die Einstandspflicht der Eltern gegenüber ihren volljährigen und privilegiert volljährigen Kindern ergeben. aa) Überstunden und überobligatorische Einkünfte 60 Überstundenvergütungen sind dem Einkommen hinzuzurechnen, soweit sie be-
rufstypisch sind. Soweit sie auf einer überobligatorischen Tätigkeit beruhen oder sonstige Einkünfte z.B. aus einer neben der Altersrente ausgeübten überobligatorischen Erwerbstätigkeit erzielt werden, hängt die Entscheidung, ob und in welcher Höhe diese Einkünfte als Einkommen zu berücksichtigen sind, von einer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) vorzunehmenden Abwägung der Interessen ab.1 Sind Einkünfte – nach Treu und Glauben in eingeschränktem Umfang – zu berücksichtigen, so gilt dies sowohl für die Ebene der Bedarfsbestimmung als auch der Leistungsfähigkeit.2 61 Besonderheiten bei privilegierten Volljährigen:
Besonderheiten gelten bei privilegierten Volljährigen dann, wenn ihr Mindestbedarf in Frage steht. Nur dann kommt aufgrund der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB eine vollständige Berücksichtigung des Einkommens aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit in Betracht.3 Liegen die Einkommensverhältnisse jedoch so, dass sich der Bedarf in jedem Fall nach einer höheren Stufe der Unterhaltstabelle richtet, dann ist das Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit regelmäßig nur in einer nach Treu und Glauben zu bestimmenden Höhe teilweise zu berücksichtigen. Wie hoch dieser Betrag ist, hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls und einer Abwägung der Interessen des Unterhaltsberechtigten und des Unterhaltsverpflichteten ab.4 bb) Unterhalt als Einkommen eines Elternteils 62 Unterhalt, den ein Elternteil für sich selbst bezieht, ist anrechenbares Einkom-
men und regelmäßig für den Kindesunterhalt mit einzusetzen. Der BGH billigt jedoch folgende Ausnahme: 1 S. dazu im Vergleich zur Berücksichtigung überobligatorischer Einkünfte auf Seiten des Unterhaltsbedürftigen, die sich in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens nach § 1577 Abs. 2 BGB richtet, BGH, FamRZ 1995, 475; zur Berücksichtigung auf Seiten des Verpflichteten BGH, FamRZ 2011, 454 Tz. 53 f. unter Bezugnahme auf BGH, FamRZ 1991, 182 (183 f.) und Kap. A Rz. 133 ff. 2 BGH, FamRZ 2011, 454 Tz. 17, 23. 3 BGH, FamRZ 2011, 454 (459) Tz. 54. 4 BGH, FamRZ 2011, 454 (459) Tz. 55.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
Bezieht ein Elternteil Ehegattenunterhalt und wird nach der Handhabung der Eltern bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts der Unterhalt für ein gemeinsames Kind nur von dem unterhaltspflichtigen Ehegatten gezahlt und von dessen Einkommen vorab abgezogen, dann hängen die Berechnung des Kindes- und des Ehegattenunterhalts so voneinander ab, dass es praktikabler ist, den Ehegattenunterhalt als Einkommen außer Acht zu lassen.1 cc) Vorabzug von Unterhaltsverbindlichkeiten Sind mehrere Unterhaltsansprüche zu befriedigen, ist das unterhaltspflichtige 63 Einkommen der Eltern gleichmäßig in Höhe des Bedarfs auf die Unterhaltsbedürftigen zu verteilen. Reichen die Mittel nicht aus, alle Ansprüche zu befriedigen, liegt ein Mangelfall vor. Für diesen Fall gilt die in § 1609 BGB geregelte Rangfolge für die Befriedigung der Unterhaltsansprüche: Danach gehen die minderjährigen und privilegierten volljährigen Kinder sowie Ansprüche Kinder betreuender Elternteile oder Ehegattenunterhaltsansprüche dem Unterhalt volljähriger, nicht privilegierter Kinder vor. Das volljährige Kind geht deshalb leer aus, wenn die vorhandenen Mittel nur ausreichen, um den Bedarf vorrangiger Unterhaltsansprüche zu befriedigen. Ist der Unterhaltspflichtige einem neuen Ehegatten, der in seinem Haushalt lebt 64 und nicht erwerbstätig ist, zum Unterhalt verpflichtet, so ist dieser vorrangig unterhaltsberechtigt und sein Bedarf einkommensmindernd abzuziehen. Für die Berechnung des abzugsfähigen Bedarfs der Ehefrau auf Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360a BGB, der sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemisst (§ 1578 Abs. 1 BGB), ist dabei zu berücksichtigen, dass die Unterhaltspflicht gegenüber dem volljährigen Kind den ehelichen Bedarf mitgeprägt hat, so dass der Kindesunterhalt vorab vom Einkommen des Ehemannes abzuziehen ist. Da die endgültige Höhe des Kindesunterhalts jedoch noch nicht feststeht, kann zur Vereinfachung auf den bisher geleisteten Betrag zurückgegriffen werden und das gewonnene Ergebnis auf ein Missverhältnis hin überprüft werden.2 Bei der Ehefrau ist kein fiktives Einkommen aus Erwerbstätigkeit einzustellen, da ihr insoweit ein Wahlrecht nach § 1360 BGB zusteht, sich auf die Familienarbeit zu beschränken. Da sowohl der Ehefrau als auch dem Unterhaltspflichtigen aufgrund des gemeinsamen Wirtschaftens ein geldwerter Vorteil zufließt, ist dieser beim Eigenbedarf des Unterhaltspflichtigen und bei dem Bedarf der Ehefrau durch Kürzung in Höhe der Hälfte der zu schätzenden Ersparnis zu berücksichtigen.3 In der Regel geht der BGH in Anlehnung an das Sozialrecht von 10 % für jeden Ehegatten aus.4 Besonderheiten bei privilegierten Volljährigen:
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Haben Eltern mehrere gleichrangige Ansprüche von minderjährigen und privilegiert volljährigen Kindern zu befriedigen, deren Bedarf sich nach der DT richtet, ist für die Einstufung in die Einkommensgruppe beim privilegiert volljährigen Kind das bereinigte Einkommen beider Eltern zu Grunde zu legen. Wie die Quoten der Eltern zu berechnen sind, ist unter Rz. 126 ff. erläutert. Im Detail sind speziell für den Fall von mehreren Ansprüchen privilegierter Schüler und Min1 2 3 4
BGH, FamRZ 2011, 454 Tz. 39; anders Gutdeutsch, FamRZ 2009, 1022 m.w.N. BGH, FamRZ 2009, 762 (766 f.). BGH, FamRZ 2009, 762 (766 f.) Tz. 53. BGH, FamRZ 2010, 1535 Tz. 44 f.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
derjähriger für die Berechnung des Bedarfs und die Berechnung der Haftungsquoten der Eltern viele Frage offen und es gibt keine einheitliche Handhabung in der Rechtsprechung, was die Leitlinien der OLG belegen. So wird in einigen Leitlinien empfohlen, Unterhaltslasten für minderjährige Kinder vom Einkommen der Eltern, das für die Bedarfsbestimmung zusammengerechnet wird, vorab abzuziehen.1 Andere lehnen den Vorabzug ab. Vorzugswürdig ist mit Rücksicht auf die Gleichrangigkeit der Ansprüche eine Berechnung des Bedarfs ohne Vorabzug des Minderjährigenunterhalts und bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit oder unverhältnismäßiger Belastung eines Elternteils eine Korrektur im Rahmen der abschließenden Angemessenheitsprüfung der Belastung. Dieser Lösungsansatz wird auch von einigen OLG praktiziert.2 Er wird unter Rz. 134 anhand eines Berechnungsbeispiels näher erläutert. 4. Materiellrechtliche Voraussetzungen der Privilegierung volljähriger Schüler im Überblick a) Partielle materiellrechtliche Privilegierung volljähriger Schüler 66 Eltern haften für den Unterhalt ihrer unverheirateten, volljährigen Kinder, die
noch bei ihnen zu Hause oder bei einem Elternteil leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden, nach den strengeren Anforderungen des Minderjährigenunterhalts. D.h. sie sind – wie gegenüber Minderjährigen – gesteigert unterhaltspflichtig und haften für den Unterhalt bis zu ihrem eigenen notwendigen Selbstbehalt (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB). Außerdem sind die privilegiert volljährigen Kinder den minderjährigen im Rang gleichgestellt (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 und § 1609 BGB). Eltern müssen sie deshalb bei knappen Geldmitteln gleichrangig mit ihren minderjährigen Kindern mit Unterhalt versorgen. Außer dieser Besonderheit gelten für privilegierte volljährige Kinder ansonsten die übrigen Grundsätze des Volljährigenunterhalts, das bedeutet insbesondere, dass § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht gilt und der bisher betreuende Elternteil den Unterhalt nun – genau wie der andere Elternteil – auch gegenüber dem bei ihm lebenden volljährigen Schüler nicht mehr durch Betreuung, sondern durch Leistung von Bar- oder Naturalunterhalt erbringen muss.3 Auch gilt für alle Volljährige – egal ob privilegiert oder nicht – und anders als bei Minderjährigen, dass sie ihr Vermögen für ihren Unterhalt zu verwenden haben (§ 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB). Ebenso wenig findet die Ausnahmeregelung von der Verwirkung in § 1611 Abs. 2 BGB Anwendung. b) Privilegierung von Schülern einer allgemeinbildenden Schule 67 Von der Privilegierung sind nur Schüler betroffen, die noch eine allgemeinbilden-
de Schule besuchen. Allgemeinbildende Schulen sind immer Schulen, die allgemeine Ausbildungsinhalte vermitteln und einen anerkannten Schulabschluss anbieten (z.B. Hauptschulabschluss, mittlere Reife und Abitur). Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich, weil anerkannte Schulabschlüsse auch an Berufsschulen, Berufsfachschulen, Fachschulen, Fachoberschulen etc. neben dem Erwerb berufsbezogener Ausbildungsinhalte erworben werden können. Nicht zu 1 So z.B. Nr. 13.3.2 der LL des OLG Hamm. 2 OLG Hamm, FamRZ 2010, 1347 f. und OLG Stuttgart, FamRZ 2007, 75. 3 BGH, FamRZ 2002, 815 (817 f.); 2006, 99 f.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
den allgemeinbildenden Schulen zählen Schulen, die neben allgemeinen Ausbildungsinhalten bereits eine auf ein konkretes Berufsbild bezogene Ausbildung vermitteln.1 Der BGH hat für die Begriffsbestimmung auf Grundsätze zurückgegriffen, die die Rechtsprechung bei der Auslegung von § 2 Abs. 1 Nr. 1 BAföG entwickelt hat. In § 2 BAföG ist u.a. die Ausbildungsförderung von Schülern geregelt, die nicht mehr im Elternhaus leben und eine weiterführende allgemeinbildende Schulen besuchen. Danach sind für die Bestimmung, ob eine allgemeine Schulausbildung vorliegt, folgende Kriterien maßgebend: (1) das Ausbildungsziel, (2) die zeitlichen Beanspruchung des Schülers, (3) die Organisationsstruktur der Schule. Zu (1)
68
Ziel des Schulbesuchs muss der Erwerb eines allgemeinen Schulabschlusses als Zugangsvoraussetzung für die Aufnahme einer Berufsausbildung oder den Besuch einer Hochschule oder Fachhochschule sein, also jedenfalls der Hauptschulabschluss, der Realschulabschluss, die fachgebundene oder die allgemeine Hochschulreife. Diese Voraussetzung ist beim Besuch der Hauptschule, der Gesamtschule, der Realschule, des Gymnasiums und der Fachoberschule immer erfüllt.2 Anders zu beurteilen ist der Besuch einer Schule, die neben allgemeinen Ausbildungsinhalten bereits eine auf ein konkretes Berufsbild bezogene Ausbildung vermittelt.3 Auf die Rechtsform der Schule kommt es nicht an. Zu (2)
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Die Schulausbildung muss die Zeit und die Arbeitskraft des Kindes voll oder zumindest überwiegend in Anspruch nehmen, so dass eine Erwerbstätigkeit nebenher nicht möglich ist. Zu (3)
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Die Schule muss in einer Weise organisiert sein, dass eine Stetigkeit und Regelmäßigkeit der Ausbildung gewährleistet ist, wie sie dem herkömmlichen Schulbesuch entspricht, die Teilnahme also nicht etwa der Entscheidung des Schülers überlassen ist. In der Praxis ergeben sich immer wieder Abgrenzungsprobleme, insbesondere 71 wenn mit der Ausbildung eine Doppelqualifikation, nämlich fachbezogene Ausbildung und ein allgemeiner Schulabschluss erworben wird, was in unserem Bildungssystem aufgrund der Länderhoheit sehr häufig und in unterschiedlichsten Bildungseinrichtungen möglich ist. So wird eine allgemeine Schulbildung abgelehnt, wenn trotz volltägigen Besuchs einer Berufsfachschule und der Möglichkeit des Erwerbs der Fachhochschulreife gleichzeitig eine Berufsausbildung abgeschlossen wird.4 1 2 3 4
BGH, FamRZ 2001, 1068 ff. Palandt/Brudermüller, § 1603 BGB Rz. 38; Wendl/Dose/Klinkhammer, § 2 Rz. 584 ff. BGH, FamRZ 2001, 1068 ff. Ablehnend das OLG Stuttgart, FamRB 2012, 365 wegen gleichzeitiger Ausbildung zum Erzieher; KGR Berlin 2002, 113 wegen Ausbildung zum technischen Assistenten; OLGR Dresden 2005, 467 wegen gleichzeitiger Ausbildung zum Wirtschaftsassistenten.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
Anderes soll gelten, wenn der Besuch der Berufsfachschule nicht dem Ziel dient, eine konkrete Berufsausbildung zu erlangen, sondern die Schule nur allgemeine und fachliche Lerninhalte vermittelt, um den Schüler zu befähigen, den Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf oder einen Teil der Berufsausbildung zu erlangen.1 Anerkannt als schulische Allgemeinbildung wurden in der Rechtsprechung das schulische Berufsgrundbildungsjahr, wenn es dem Erwerb des Hauptschulabschlusses dient,2 das Berufsorientierungsjahr in NRW, das ebenfalls den Hauptschulabschluss ermöglicht3; die Berufsfachschule (Höhere Handelsschule), auch wenn sie nur zum Erwerb der Fachhochschulreife führt,4 ein Berufskolleg sowie die Volkshochschule bei kontrolliertem Unterricht, wenn Ziel ein Realschulabschluss ist.5 Nicht anerkannt als allgemeine Schulausbildung wurde der gleichzeitige Erwerb einer Berufsausbildung und Fachhochschulreife z.B. die Ausbildung zum Wirtschaftsassistenten6 oder zum staatlich geprüften Assistenten für medizinische Gerätetechnik, selbst wenn die Ausbildungen dann zum Besuch einer Fachoberschule berechtigen bzw. zur Fachhochschulreife führen.7 72 Beispiele – K 1 ist 18 Jahre alt und lebt bei M. Er hat einen Hauptschulabschluss und besucht eine Berufsfachschule. Er hat täglich Unterricht und kann bei erfolgreichem Abschluss der Schule die Malerausbildung abschließen und die mittlere Reife erlangen. V hat noch einem weiteren, minderjährigen Kind K2 Unterhalt i.H.v. 300 Euro zu zahlen und verdient nur 1 300 Euro. Da K1 auf der Schule auch einen konkreten Beruf erlernt, ist er nicht einem minderjährigen Kind gleichgestellt, so dass V zunächst den Unterhaltsbedarf von K2 befriedigen muss. K1 erhält keinen Unterhalt; denn V ist nach Abzug der 300 Euro nicht mehr leistungsfähig, weil sein Selbstbehalt gegenüber dem nicht privilegierten Sohn K1 1 200 Euro beträgt. Eine Mangelfallberechnung findet nicht statt, weil K2 vorrangig unterhaltsberechtigt ist. Nach Auffassung des OLG Dresden (10. ZS)8 müsste hier von einer allgemeinen Schulausbildung ausgegangen werden, mit der Folge, dass eine Mangelfallberechnung durchzuführen wäre. – K ist 18 Jahre alt, lebt bei M und besucht eine höhere Berufsfachschule für Wirtschaft und Verwaltung (höhere Handelsschule). Sie verlangt von V Unterhalt und meint, dass nur V barunterhaltspflichtig sei, weil sie noch zur Schule gehe. Sie hat täglich Unterricht, erhält zwar berufliche Kenntnisse vermittelt, erlangt aber bei erfolgreichem Abschluss der Schule nicht einen Berufsabschluss, sondern „nur“ die Fachhochschulreife. Der BGH ist K darin gefolgt, dass sie eine allgemeine Schulausbildung absolviere,9 im Übrigen hat er bestätigt, dass beide Eltern gegenüber privilegierten volljährigen Kindern grundsätzlich barunterhaltspflichtig sind.
1 OLG Dresden, FamRZ 2004, 301 (LS) = OLGR Dresden 2004, 17 f. mit Gründen. 2 OLG Celle, FamRZ 2004, 301; OLG Brandenburg, FamRZ 2008, 177; OLG Naumburg, FamRZ 2009, 1226 (LS) = NJW-RR 2009, 1155 (LS und Gründe). 3 OLG Köln, FamRZ 2012, 1576 (LS) = NJW 2012, 2364 (LS und Gründe). 4 BGH, NJW 2002, 2026. 5 BGH, NJW 2001, 2633. 6 OLG Dresden, OLGR 2005, 467. 7 KGR Berlin 2002, 113. 8 OLG Dresden, FamRZ 2004, 301 = OLGR Dresden, 2004, 17 f. 9 BGH, FamRZ 2002, 815 (816).
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II. Anspruchsvoraussetzungen
5. Ausbildungsunterhalt Eltern sind verpflichtet, ihren Kindern den gesamten Lebensbedarf einschließ- 73 lich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf zur Verfügung zu stellen (§ 1610 Abs. 2 BGB). a) Angemessene Vorbildung zu einem Beruf Eltern schulden ihren Kindern Berufsausbildungskosten. Ein Beruf ist jede Tä- 74 tigkeit, die nach allgemeinen gesellschaftlich festgelegten Merkmalen bestimmt ist, beispielsweise durch geregelte Ausbildungsgänge. Ziel der Ausbildung ist, einen Beruf zu erlernen, der geeignet ist, den eigenen und ggf. den Lebensunterhalt der zukünftigen eigenen Familie des Kindes sicherzustellen. Das Bachelorund das Masterstudium bilden eine einheitliche, mehrstufige Ausbildung.1 Die Berufsausbildung muss angemessen sein. Sie soll zuallererst den Neigun- 75 gen, der Leistungsbereitschaft und den körperlichen wie intellektuellen Begabungen des Kindes und seinen Berufswünschen entsprechen. Auf den Beruf und die gesellschaftliche Stellung der Eltern kommt es nicht an.2 Beispiele – V kann seinem Sohn nicht die Finanzierung des von ihm in Aussicht genommenen Studiums mit der Begründung verweigern, er solle gleich etwas Praktisches lernen, um den väterlichen Betrieb zu übernehmen, denn die Arbeitslosigkeit unter Akademikern sei besonders hoch. – Das Kind des Bauhelfers ist ebenso berechtigt, sich für den Beruf des Arztes zu entscheiden, wie das Kind des Arztes den Beruf der Altenpflegerin wählen kann.
Allerdings sind Eltern nicht verpflichtet, offensichtliche berufliche Fehlent- 76 wicklungen ihrer Kinder zu finanzieren. Sind die für den Beruf erforderlichen körperlichen und intellektuellen Fähigkeiten erkennbar nicht vorhanden, so ist die Berufswahl unangemessen; der Unterhaltsanspruch entfällt. Beispiel Einem Kind, das erst im zweiten Anlauf nach jahrelangen Nachhilfestunden das Abitur schafft und erhebliche Mängel gerade in den naturwissenschaftlichen Fächern aufweist, während seine Leistungen im Sport weit überdurchschnittlich sind, müssen die Eltern kein Medizinstudium, möglicherweise aber ein Sportstudium finanzieren.
Prognosen über die Chancen am Arbeitsmarkt nach Abschluss der Ausbildung spielen für die Beurteilung der Angemessenheit der Ausbildung keine Rolle.3 Ein weiteres Kriterium für die Angemessenheit der Berufsausbildung sind die 77 wirtschaftlichen Verhältnisse der unterhaltsverpflichteten Eltern, die das Kind zu berücksichtigen hat.4 Dabei ist Eltern, die frei von finanziellen Sorgen in weit überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen leben, zuzumuten, den Wünschen ihrer Kinder weitestgehend entgegenzukommen. Auch finanzkräftige
1 AG Hamburg-Harburg, Familienrecht kompakt 2013, 163; OLG Brandenburg, FamRZ 2011, 1069. 2 BGH, FamRZ 2006, 1100 f.; 2000, 420; 1992, 170; 1989, 853. 3 Wendl/Dose/Scholz, § 2 Rz. 75. 4 BGH, FamRZ 1977, 629 = NJW 1977, 1774; FamRZ 1995, 416 (417).
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
Eltern brauchen aber unbegabten oder leistungsunwilligen Kindern keine Berufsausbildung ohne konkretes Berufsziel zu finanzieren. Umgekehrt wird von Eltern auch in beengten finanziellen Verhältnissen verlangt, einem hochbegabten und leistungswilligen Kind eine entsprechend gehobene Ausbildung unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden Mittel zu ermöglichen.1 Je höher die Befähigung des Kindes, desto größer werden die von den Eltern zu verlangenden Opfer – allerdings immer nur bis zu der Grenze, die der Selbstbehalt ihrer Leistungsfähigkeit setzt. Haben die Eltern einmal einer Ausbildung zugestimmt, so sind sie verpflichtet, die Kosten auch bis zum Abschluss zu tragen. Letztlich spielt die Problematik der Relation zwischen wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern und Niveau des Ausbildungsziels im Hinblick auf die öffentliche finanzielle Förderung von Schülern und Studenten in Rechtsstreitigkeiten keine bedeutsame Rolle. 78 Die Entscheidung über Art und Gang der Berufsausbildung trifft das volljährige
Kind grundsätzlich selbst. Dabei ist es aufgrund der vom Gesetz gebotenen gegenseitigen Rücksichtnahme gehalten, seine Absichten mit den Eltern zu besprechen (§§ 1618a, 1631a BGB). Denn Eltern müssen wissen, welche Unterhaltslasten auf sie zukommen und können darüber informieren, was sie leisten können. Auch das Kind, das keinen Kontakt zu dem Unterhaltsverpflichteten hat, muss ihn zumindest über die Art der Ausbildung informieren. 79
Û
Praxishinweis: Weigern sich die Eltern (oder ein Elternteil), Unterhalt zu zahlen, weil sie mit der gewählten Ausbildung nicht einverstanden sind, muss das Kind Leistungsantrag auf Zahlung von Ausbildungsunterhalt erheben. Das Familiengericht entscheidet dann über Grund und Höhe des Unterhaltsanspruchs, d.h. also zunächst immer über die Frage, ob dem Grunde nach ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt besteht, also auch über die Frage der Angemessenheit der Berufsausbildung, und bei Bejahung über die Höhe des Anspruchs.
b) Beginn und Ende der Verpflichtung zur Zahlung von Ausbildungsunterhalt 80 Häufig kann das Kind mit einer Berufsausbildung nicht sofort nach Schul-
abschluss beginnen, sei es, dass es sich noch nicht für einen Beruf entscheiden kann oder will, dass es vorher „die Welt sehen“ will, sei es, dass kein Ausbildungsplatz frei ist oder dass einfach zwischen Schulabschluss und frühestmöglichem Ausbildungsbeginn einige Monate liegen. Hier fragt sich dann, ob das Kind zwischenzeitlich von den Eltern unterhalten werden oder für sich selbst sorgen muss, bzw. welchen Einfluss eine längere Orientierungsphase auf den Ausbildungsanspruch hat. 81 Diese Fragen lassen sich nicht für alle Fallgestaltungen einheitlich beantworten.
Grundsätzlich ist das volljährige Kind verpflichtet, sich selbst zu unterhalten. Die Eltern sind lediglich verpflichtet, die Kosten für die Ausbildung zu tragen und während der Ausbildungszeit den Lebensbedarf des Kindes zu decken. Deshalb hat ein Kind sich während einer längeren Orientierungsphase selbst zu unterhalten. Anderes gilt bei kürzeren Übergangszeiten: So kann es aufgrund des im Unterhaltsrecht geltenden Grundsatzes der Gegenseitigkeit, der eine gegenseitige Rücksichtnahme gebietet, durchaus möglich sein, dass Eltern auch für 1 OLG Karlsruhe, NJW-FER1998, 148.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
Übergangszeiten noch Unterhalt zahlen. Denn das Kind ist zwar verpflichtet, die in Aussicht genommene Ausbildung so schnell wie möglich aufzunehmen, aber für eine kurze unverschuldete Übergangszeit von etwa 3 Monaten zwischen Schulabschluss und Ausbildungsbeginn besteht i.d.R. ein Anspruch auf Unterhalt, weil dem Kind nach Schulabschluss und Beginn der Ausbildung auch eine Erholungsphase zuzugestehen ist.1 Wie lange die Dauer jedoch letztlich im Einzelfall zu bemessen ist, hängt immer von mehreren Faktoren ab, wie z.B. dem Erholungsbedürfnis des Kindes, dem Zeitabstand zwischen Schulabschluss und Ausbildungsbeginn sowie den wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern.2 Bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen wird i.d.R. die zügige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu erwarten sein. Gibt es Arbeitsmöglichkeiten und bemüht sich das Kind nicht darum, besteht kein Unterhaltsanspruch.3 Das OLG Karlsruhe hält eine Erholungsphase nur zwischen Schulabschluss und Ausbildung, nicht hingegen nach Beendigung eines sozialen Jahres und Ausbildungsbeginn für gerechtfertigt.4 Für die Zeit zwischen Beendigung der Ausbildung und Beginn der Erwerbstätig- 82 keit gilt: Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt besteht bis zur Beendigung der Ausbildung. Er endet somit mit dem Ende des Monats, in den die Abschlussprüfung fällt (§ 1612 Abs. 3 BGB). Wenn der Berechtigte jedoch nicht sofort eine Anstellung findet, bleibt er gemäß § 1602 Abs. 1 BGB bedürftig. Für eine gewisse Übergangszeit, die für Bewerbungen benötigt wird, steht ihm dann weiterhin Unterhalt zu.5 Gelingt es ihm auch nach einigen Monaten nicht, in dem erlernten Beruf eine Anstellung zu finden, muss er seine Arbeitskraft anderweitig verwerten; notfalls muss er durch ungelernte Tätigkeiten seinen Lebensunterhalt verdienen.6 Das Risiko, eine Anstellung gerade in dem erlernten Beruf zu finden, fällt dem Unterhaltspflichtigen nicht zur Last.7 Grundsätze zum Verlust des Ausbildungsunterhaltsanspruchs bei einer längeren 83 Orientierungsphase: Ob der Ausbildungsunterhaltsanspruch bei längerer Unterbrechung insgesamt verloren gehen kann, hängt ebenfalls sehr von den Umständen des Einzelfalls ab: Der „Weltenbummler“ muss sich selbstverständlich selbst unterhalten. Aber auch er muss sich innerhalb einer angemessenen Zeit zu einer Ausbildung entscheiden, sonst geht er das Risiko ein, seinen Ausbildungsunterhaltsanspruch vollständig zu verlieren. Der BGH hat eine Orientierungsphase von etwa einem Jahr nicht beanstandet; denn diese Zeit diene auch dazu, einem in der Berufswahl noch unsicheren jungen Menschen die Entscheidung für einen Beruf zu erleichtern.8 Wenn das volljährige Kind den Beginn der Ausbildung aber unangemessen und ohne das Einverständnis des Unterhaltsverpflichteten verschiebt und dadurch das schützenswerte Interesse des Unterhaltsverpflichteten an einer zügigen und zuverlässigen Durchführung der Ausbildung gröblich außer Acht lässt, ist die Ausbildung unangemessen, und der Unter-
1 BGH, FamRZ 2013, 1375 = MDR 2013, 975; OLG Hamm, NJW-RR 2006, 509 ff.; OLG Karlsruhe, FamRZ 2012, 1648. 2 OLG Karlsruhe, FamRZ 2012, 1648. 3 OLG Stuttgart, FamRZ 1996, 181; OLG Düsseldorf, FamRZ 2006, 59. 4 OLG Karlsruhe, FamRZ 2012, 1648. 5 BGH, FamRZ 1990, 904. 6 BGH, FamRZ 1985, 273; OLG Zweibrücken, FamRZ 1983, 291. 7 BSG, FamRZ 1985, 1251 (1253). 8 BGH, FamRZ 2001, 757 (758).
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
haltsanspruch entfällt.1 Hingegen können selbst erhebliche mehrjährige Verzögerungen des Beginns der Erstausbildung im Einzelfall von den Unterhaltspflichtigen hinzunehmen sein, solange sie nachvollziehbar begründet werden und den Eltern dies zumutbar ist, z.B. wegen einer Erkrankung des Kindes oder weil das Kind im Elternhaus wegen familiärer Probleme schwierige Entwicklungschancen hatte.2 Denn es gibt keine feste Altersgrenze bis zu der eine Ausbildung aufgenommen sein muss, um den Anspruch zu erhalten. So geht ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nicht verloren, wenn das Kind nach Beendigung der Schule und Absolvierung eines sozialen Jahres, wegen einer anschließenden Schwangerschaft und Betreuung des Kleinkindes bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres erst danach die Ausbildung beginnt.3 Selbst eine Orientierungsphase von drei Jahren nach Schulabschluss steht nach Auffassung des BGH dem Anspruch dann nicht entgegen, wenn es einem Kind aufgrund eines notenschwachen Schulabschlusses erst nach drei Jahren vorgeschalteter Berufsorientierungspraktika und Aushilfstätigkeiten gelingt, einen Ausbildungsplatz zu finden.4 Dabei war für die Entscheidung auch von Bedeutung, dass familiäre Probleme und ein Schulwechsel von den Niederlanden nach Deutschland mitursächlich für den schlechten Schulabschluss gewesen sind, so dass der BGH ein fortwirkende Verantwortung dafür bei den Eltern gesehen hat. 84 Zur Klärung der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme auf Unterhalt können ne-
ben der individuellen wirtschaftlichen Situation der Verpflichteten auch Rechtsvorschriften aus dem Sozial- und Steuerrecht mit herangezogen werden: So gewährt der Gesetzgeber das Kindergeld bis zum 25. Lebensjahr für Kinder in der Ausbildung (§ 2 BKGG)5 oder räumt den Eltern bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Elternzeit ein, für die Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung anerkannt werden (§ 56 SGB VI).6 85 Beispiele – F schafft mit 18 Jahren nicht das Abitur, bricht eine Lehre als Zahnarzthelferin ab, weil die Eltern keinen Unterhalt zahlen, kann eine zweite Lehre wegen einer schweren Erkrankung nicht beginnen, holt dann den Realschulabschluss nach und beginnt 4 Jahre nach der Abiturprüfung eine Ausbildung an der Fachhochschule als Logopädin. Das OLG Thüringen hat F Ausbildungsunterhalt für eine Erstausbildung zugestanden.7 – Ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt besteht nach Auffassung des OLG Jena nicht mehr, wenn ein Kind Ausbildungsunterhalt für eine im Dezember 2010 begonnene Lehre als Hotelfachfrau verlangt, obwohl es nach Beendigung der Hauptschule eine Ausbildung abgebrochen hat, drei Jahre arbeitslos war, sich in dieser Zeit unzureichend um eine Arbeit oder Ausbildung beworben und während eines Zeitraums von 2004–April 2011 Unterhalt bezogen hat.8
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OLG Hamm, FamRZ 1995, 1007. OLG Karlsruhe, FamRZ 1994, 1342; BGH, FamRZ 2011, 1560 Tz. 17. BGH, FamRZ 2011, 1560 Tz. 19 ff. BGH, FamRZ 2013, 1375 Tz. 20 = MDR 2013, 975 Tz. 20. BGH, FamRZ 2013, 1375 Tz. 20 = MDR 2013, 975 Tz. 20 f. BGH, FamRZ 2011, 1560 Tz. 20. OLG Jena, OLGR Jena 2009, 423 f.; ebenso OLG Köln, FamRZ 2005, 301 f. bei einer Unterbrechung von 2,5 Jahren. 8 Das OLG Jena, FamRZ 2013, 890 hat die Versagung von VKH mit der fehlenden Leistungsfähigkeit des Verpflichteten begründet und nur vorsorglich auf das Fehlen der Voraussetzungen eines Ausbildungsunterhalts hingewiesen.
170 Ehinger
II. Anspruchsvoraussetzungen
c) Ausbildungsverzögerungen Mit der Verpflichtung von Eltern, ihren Kindern eine Ausbildung zu finanzieren, 86 korrespondiert die Verpflichtung des in der Ausbildung befindlichen Kindes zu Zielstrebigkeit, Fleiß und Sparsamkeit; denn der Ausbildungsunterhalt ist zweckgebunden und wird nur dann und insoweit geschuldet, als der Berechtigte ihn zu seiner Berufsausbildung auch tatsächlich einsetzt.1 Eltern haben deshalb einen Anspruch darauf, dass ihr unterhaltsberechtigtes Kind seine Ausbildung so betreibt, dass es sie innerhalb der üblichen Zeit erfolgreich beenden kann. Hierzu gehört, dass der Unterhaltsberechtigte seine Ausbildung an den für den Ausbildungsgang geltenden Plänen ausrichtet und diese Zeitpläne einhält. Bei Studenten endet der Unterhaltsanspruch somit mit Ablauf der Regelstudienzeit, bei anderen Ausbildungen mit Ablauf der vorgesehenen Ausbildungszeit einschließlich Abschlussprüfung.2 Einmaliges Prüfungsversagen, krankheitsbedingte Verzögerungen oder vorüber- 87 gehendes Versagen führen nicht zum Wegfall des Anspruchs.3 Zwar besteht ein Interesse der Eltern an einem überschaubaren zeitlichen Rahmen für das ausbildungsbedingte Fortbestehen der Unterhaltspflicht. Solange aber Verzögerungen auf nachvollziehbaren Gründen beruhen, sind sie von den Verpflichteten hinzunehmen. Erst wenn die Misserfolge so offensichtlich werden, dass mit einem erfolgreichen Ausbildungsabschluss vernünftigerweise nicht mehr zu rechnen ist, kann der Anspruch auf fortgesetzte Unterhaltszahlung wenigstens für diese Ausbildung entfallen. Ob der Unterhaltsanspruch wieder aufleben kann, wenn die Ausbildung nach einer längeren Zeit des „Bummelns“ wieder aufgenommen und dann zielstrebig fortgesetzt wird, ist wiederum eine Frage der Angemessenheit und insbesondere der Zumutbarkeit.4 Als Ausfluss des Gegenseitigkeitsprinzips steht dem Unterhaltsverpflichteten 88 ein gewisses Recht zur Überwachung und Kontrolle des Ausbildungsganges zu,5 dem durch die Vorlage von Zeugnissen als Nachweis über den bisherigen Ausbildungsgang Rechnung getragen werden kann. d) Ausbildungswechsel Es liegt in der Natur der Entwicklung junger Erwachsener, dass Umwege bei der 89 Ausbildung beschritten und Änderungen des ursprünglichen Ausbildungsweges oder -ziels vorgenommen werden, weil eigene Fähigkeiten nicht richtig eingeschätzt werden oder falsche Vorstellungen von dem gewählten Beruf bestehen.6 Deshalb billigen die Gerichte dem jungen Menschen sowohl eine gewisse Orientierungsphase vor Beginn der Ausbildung als auch einen Ausbildungswechsel zu, selbst wenn beides zur Verlängerung der Ausbildung führt. Dabei wird ein Ausbildungswechsel umso eher zu akzeptieren sein, je früher er stattfindet; denn bei der Entscheidung ist auch das Interesse des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen, möglichst bald Gewissheit über die Dauer der Zahlungspflicht 1 2 3 4
BGH, FamRZ 1984, 777 (778); 1997, 470. BGH, FamRZ 1984, 777. BGH, FamRZ 1990, 149; 1984, 777; OLG Hamm, FamRZ 1990, 904. OLG Karlsruhe, FamRZ 1994, 1342. Weitere Beispiele bei Reinken, FPR 2009, 334 (338). 5 BGH, FamRZ 1987, 470; OLG Zweibrücken, FamRZ 1995, 1006. 6 BGH, FamRZ 2006, 1100 (1103).
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
zu erhalten. Beruht die Wahl der Erstausbildung auf einer Fehleinschätzung, weil sie keine den Fähigkeiten angemessene Ausbildung darstellt, berechtigt dies zu einer weiteren Ausbildung, vgl. Rz. 93 ff.1 90 So ist ein Studienfachwechsel innerhalb des 1. bis. 3. Semesters unschädlich,2 in
der zweiten Hälfte des Studiums kann der Fachrichtungswechsel dagegen zum Verlust des Unterhaltsanspruchs führen.3 Der Abbruch einer Heilpraktikerausbildung und die Aufnahme eines Medizinstudiums sind hinzunehmen, wenn der Wechsel möglichst früh vollzogen wird und zwischen der abgebrochenen und der angefangenen Ausbildung ein sachlicher Zusammenhang besteht.4 Allerdings ist der Berechtigte im Allgemeinen entsprechend dem oben dargestellten Gebot zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet, sich mit dem Verpflichteten zu beraten oder sogar abzustimmen, bevor er den Ausbildungsgang wechselt. Des Weiteren ist der Fachrichtungswechsel nur dann für die Unterhaltsansprüche unschädlich, wenn er nicht nur einer Laune des Unterhaltsberechtigten entspringt, sondern nach Neigung und Eignung begründbar und sinnvoll ist. Außerdem ist zu erwarten, dass das Kind nach dem Abbruch der einen Ausbildung die danach in Aussicht genommene unverzüglich aufnimmt und zielstrebig durchführt.5 Überlegungs- oder Orientierungsphasen werden dem jungen Erwachsenen nach Abbruch einer Ausbildung i.d.R. nicht mehr zugestanden. 91 Beispiel Der Abbruch der Ausbildung zur Verkäuferin nach 10 Monaten, um eine Handelsschule zu besuchen, war für den Unterhaltsanspruch unschädlich.6 Wer aber die begonnene Lehre nach 4 Monaten abbricht, ohne sich zuvor um einen bestimmten anderen Ausbildungsplatz gekümmert zu haben, kann seinen Unterhaltsanspruch verlieren, wenn eine neue Ausbildung nicht alsbald aufgenommen wird.
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Praxishinweis: In der Praxis führen Ausbildungswechsel häufig zu Unterhaltsverfahren, die ihre Ursache meist in der gestörten Kommunikation zwischen dem Kind und dem Unterhaltspflichtigen haben. Davon sind besonders häufig Kinder aus geschiedenen Ehen betroffen. Zwar können volljährige Kinder über ihren Ausbildungsgang in eigener Verantwortung entscheiden, gleichwohl muss, wer Ausbildungsunterhalt von seinen Eltern verlangt, auch auf die Interessen der Eltern Rücksicht nehmen. Deshalb empfiehlt sich immer, die Ausbildungswünsche mit den Eltern zu besprechen, auch und gerade, wenn im Fall der Scheidung der Eltern kein Kontakt mehr zum anderen Elternteil gepflegt wird. Sind Gespräche nicht mehr möglich, können die Informationen auch schriftlich in höflicher Form ausgetauscht werden. Hier gibt es häufig Empfindlichkeiten, so dass Ungeschicktheiten in der Form vermieden werden sollten. Grobe Beleidigungen können zu einer Verwirkung des Anspruchs führen (vgl. dazu Rz. 142 ff.).
1 BGH, FamRZ 2006, 1100 (1103). 2 LG Hannover, FamRZ 1976, 380; BGH, FamRZ 1987, 470; OLG Hamm, NJW-RR 2013, 772 ff. (3. Semester). 3 OLG Hamm, FamRZ 1981, 490; OLG Frankfurt, FamRZ 1984, 193. 4 BGH, FamRZ 2001, 757 (759). 5 OLG Sachsen-Anhalt, FamRZ 2010, 1456 (LS) = NJW-RR 2010, 1306 (LS und Gründe). 6 OLG Hamburg, FamRZ 1983, 523.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
e) Finanzierung einer weiteren Ausbildung des Kindes Haben die Eltern ihre Pflicht zur Finanzierung einer angemessenen Ausbildung 93 des Kindes erfüllt, so sind sie nicht verpflichtet, die Kosten einer weiteren Ausbildung zu tragen.1 Dieses gilt ausnahmsweise nicht, wenn
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(1) die Eltern ihr Kind in eine von ihm nicht gewünschte Ausbildung gedrängt haben oder die begabungsangemessene Ausbildung aus Kostengründen verweigert haben,2 (2) der erlernte Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht ausgeübt werden kann,3 (3) die Erstausbildung auf einer schwerwiegenden Fehleinschätzung der Begabung und Fähigkeiten des Kindes beruht,4 (4) erkennbar von vornherein ein einheitlicher Berufs- und Ausbildungsplan bestand (z.B. in den Mittlere-Reife-Lehre-Fachoberschule-Fachhochschulstudium-Fällen),5 (5) ein enger und sachlicher Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten Berufsausbildung und Studium besteht (z.B. bei den Abitur-Lehre-Studium-Fällen).6 In all diesen Fällen sind die Eltern verpflichtet, dem Kind eine weitere Ausbildung zu ermöglichen, d.h., sie müssen für die Dauer einer weiteren Ausbildung Unterhalt zahlen. Im Fall (1) folgt dieses aus der Tatsache, dass die dem Kind von den Eltern aufgenötigte Ausbildung noch nicht die gesetzlich geschuldete angemessene Vorbildung zu einem Beruf war. Auch im Fall (2) ist die Berufsausbildung noch nicht die gesetzlich geschuldete, da sie nicht den persönlichen Eignungsvoraussetzungen des Kindes für den gewählten Beruf entsprach. In der Praxis führen vor allem die Konstellationen der Fälle (3) bis (5) zu Streit zwischen Eltern und Kindern, wenn es nämlich darum geht, wann Eltern verpflichtet sind, ihrem Kind die Weiterbildung in dem erlernten Beruf oder eine Zweitausbildung zu finanzieren, nachdem der ursprünglich vom Kind gewünschte und von den Eltern finanziell ermöglichte Berufsausbildungsabschluss erreicht ist. 95
Beispiele – Nach dem Abitur macht der Sohn eine dreijährige Ausbildung zum Bankkaufmann. Im Anschluss daran möchte er Betriebswirtschaft studieren (Weiterbildung). – Die Tochter möchte im Anschluss an die erfolgreich abgeschlossene Banklehre ein Sportstudium aufnehmen, um Lehrerin zu werden (Zweitausbildung).
Die Rechtsprechung hat für die fortdauernde Zahlungspflicht trotz Finanzierung 96 einer Ausbildung zwischen Weiterbildung und Zweitausbildung differenziert, in 1 2 3 4 5 6
BGH, FamRZ 1993, 1057; 1990, 149; 1991, 322. BGH, FamRZ 1991, 322. OLG Karlsruhe, FamRZ 1990, 555. BGH, FamRZ 1980, 1115. BGH, FamRZ 1995, 416 (417); FamRZ 1991, 320 (321). BGH, FamRZ 1990, 149; 1991, 1044 (1045); 1993, 1057; 1992, 170.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
beiden Fällen aber die Finanzierung an die Erfüllung bestimmter Kriterien geknüpft, die im Folgenden erläutert werden. f) Weiterbildung 97 Die Eltern müssen das beabsichtigte Hochschulstudium nach Abschluss der
Lehre finanzieren, wenn dies von vornherein der einheitlichen Berufs- und Ausbildungsplanung entsprach, denn dann handelt es sich um eine zusammenhängende (Erst-)Ausbildung. 98 Dem Kind wird ebenfalls ein weiterer Unterhaltsanspruch in den sog. Abitur-
Lehre-Studium-Fällen zugebilligt, wenn ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen den praktischen und den theoretischen Ausbildungsabschnitten besteht und die Finanzierung des Hochschulstudiums im Anschluss an die Lehre den Eltern finanziell zumutbar ist.1 Hierfür ist also weder erforderlich, dass der Entschluss zum Studium von vornherein vorlag, noch, dass die Erstausbildung (Lehre) auf einer Fehleinschätzung von Begabung und Fähigkeiten des Kindes beruhte. Allerdings muss das Studium derselben Berufssparte angehören, d.h., die praktische Ausbildung muss zumindest sinnvolle Vorbereitung für den in Aussicht genommenen Beruf bzw. das angestrebte Studium sein. Das Studium muss eine fachliche Ergänzung, Weiterführung oder Vertiefung der praktischen Ausbildung bezwecken.2 Beispiele – Dem Bankkaufmann im Beispiel Rz. 95 stehen damit für das Betriebswirtschaftsstudium (weitere) Unterhaltsansprüche gegen seine Eltern zu. – Bei der Bankkauffrau im Beispiel Rz. 95 fehlt es an dem sachlichen Zusammenhang zwischen praktischer und theoretischer Ausbildung. Sie hat unter dem Gesichtspunkt der Weiterbildung auch dann keinen Unterhaltsanspruch, wenn sie für das Sportstudium besondere Eignung und Begabung mitbringt.
Der von der Rechtsprechung verlangte enge sachliche Zusammenhang wurde bei den Abitur-Lehre-Studium-Fällen z.B. in folgenden Fällen bejaht: Banklehre und Jurastudium3, Banklehre und Betriebswirtschaft,4 Heilpraktiker und Medizin,5 Erzieherin und Sozialpädagogik.6 Dagegen wurde der sachliche Zusammenhang verneint bei folgendem Ausbildungsverlauf: Speditionskaufmann und Jurastudium,7 Industriekaufmann und Medizinstudium,8 Industriekaufmann und Maschinenbaustudium,9 Finanzinspektor und Psychologie.10 Leitgedanke dieser Rechtsprechung ist, dass Eltern eben nicht verpflichtet sind, ihren Kindern eine praktische Ausbildung und ein Studium zu finanzieren. Sie schulden nur eine einzige Berufsausbildung.11 Dem Erfordernis eines engen zeitlichen Zusammen1 BGH, FamRZ 1989, 853; 1990, 149; 1995, 416 ff. 2 BGH, FamRZ 1990, 149; 1995, 416 ff.; grundlegend FamRZ 1977, 629 = NJW 1977, 1774. 3 BGH, FamRZ 1992, 170. 4 OLG Celle, FamRZ 1981, 584. 5 BGH, FamRZ 2001, 757. 6 OLG Frankfurt, FamRZ 1995, 244. 7 OLG Stuttgart, FamRZ 1991, 1472 (1473). 8 BGH, FamRZ 1991, 1044. 9 BGH, FamRZ 1993, 1057. 10 BGH, FamRZ 1981, 344. 11 BGH, FamRZ 1991, 1044 (1045).
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II. Anspruchsvoraussetzungen
hangs ist dann Rechnung getragen, wenn Erst- und Weiterbildung als sinnvolle und nützliche zeitliche Einheit anzusehen sind. Der Berechtigte hat das Studium so bald wie möglich nach Abschluss der Lehre aufzunehmen. Der fertige Bankkaufmann muss sein Studium deshalb im folgenden Semester nach Möglichkeit beginnen. Allerdings muss die anschließende Aufnahme des Studiums auch möglich sein. Stehen dem Zulassungsbeschränkungen entgegen, ist dies nicht dem Kind anzulasten. Beispiel K will nach dem Abitur Zahnmedizin studieren, was sie dem Antragsgegner mitteilt, erhält keinen Studienplatz, absolviert zunächst eine Ausbildung zur zahnmedizinischen Angestellten und erhält erst drei Jahre nach Abschluss der Lehre einen Studienplatz. Das OLG Hamm hat dem Antrag auf Unterhalt stattgegeben, da die Studienverzögerung um fünf Jahre nicht der Antragstellerin anzulasten sei, der Verpflichtete in guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt und auch erstmalig auf Ausbildungskosten in Anspruch genommen wurde.1
Stets ist aber auch bei den Weiterbildungswünschen die finanzielle Leistungs- 99 fähigkeit der Eltern zu berücksichtigen. So soll die erhebliche Verlängerung der Ausbildungszeit durch ein Hochschulstudium von den Eltern dann nicht finanziert werden müssen, wenn damit empfindliche finanzielle Einschränkungen der Eltern verbunden sind. Auch spielt es eine Rolle, ob das Kind bei Beendigung der praktischen Ausbildung bereits ein Alter erreicht hat, in dem die Eltern mit weiterer Belastung von Unterhaltsforderungen nicht mehr zu rechnen brauchten. Nach den gleichen Grundsätzen können auch die Schule-Lehre-Fachoberschule- 100 Studium-Fälle behandelt werden.2 Auch dann ist ein Unterhaltsanspruch zur Weiterbildung gegeben, wenn zwischen Lehre und Hoch- oder Fachhochschulstudium ein weiterer Schulbesuch (Fachoberschule) zur Erlangung eines höheren Schulabschlusses eingeschoben ist, der für Haupt- und Realschüler einen möglichen Weg zur Erlangung einer höherqualifizierten Ausbildung darstellt. Der BGH besteht allerdings in diesen Fällen auf einem einheitlichen Ausbildungsplan, der von vornherein bestanden haben muss.3 Ein Unterhaltsanspruch wurde von der Rechtsprechung z.B. bejaht bei der Ausbildungsfolge Kfz-Mechaniker – Fachoberschule mit Abschluss Fachhochschulreife – Maschinenbaustudium; Physiklaborantin – Berufsoberschule – Physikstudium4 und Facharbeiter mit Abitur und anschließendem Studium.5 g) Zweitausbildung Ausnahmsweise besteht ein Anspruch gegen die Eltern auf Finanzierung einer 101 mit der Erstausbildung in keinem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehenden Zweitausbildung, wenn das Kind eine Zweitausbildung anstrebt, weil die Erstausbildung auf einer deutlichen Fehleinschätzung seiner Fähigkeiten und Begabung beruht (vgl. Rz. 93 ff.).6 1 2 3 4 5 6
OLG Hamm, NJW-RR 2012, 970 = MDR 2012, 920. OLG Karlsruhe, FamRZ 2001, 852. BGH, FamRZ 2006, 1100 (1101 f.); 1995, 416; 1991, 320 ff.; 1989, 853; 1977, 629. LG Freiburg, FamRZ 1990, 308; OLG Düsseldorf, FamRZ 1990, 1387. KG, FamRZ 1994, 1055. BGH, FamRZ 2006, 1100 (1101 f.); 1991, 322 (323).
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
Die Fehleinschätzung kann die Eltern veranlasst haben, das Kind in einen für ihn ungeeigneten Beruf zu drängen oder ihm eine andere besser geeignete Ausbildung zu verweigern1. Bei diesen vom BGH entwickelten Fallgruppen handelt es sich nicht um einen abschließenden, andere Fallgruppen ausschließenden Katalog.2 Für die Beurteilung, ob eine Fehleinschätzung vorliegt, kann auf die Verhältnisse zum Ende der Ausbildung abgestellt werden.3 Damit kommt die Rechtsprechung auch sog. Spätentwicklern zugute, bei denen sich die Begabung, Leistungswille und Ausbildungsfähigkeit erst längere Zeit nach Aufnahme, u.U. erst nach Abschluss der Erstausbildung gezeigt haben. Nach der Lebenserfahrung können sich besonders gestörte häusliche Verhältnisse, die meist durch Trennung und Scheidung offenkundig werden, nachteilig auf die schulische Entwicklung eines Kindes auswirken.4 Das OLG Celle hat die Eltern eines Studenten, der nach dem Abitur zunächst erfolgreich eine Lehre als Einzelhandelskaufmann und Handelsassistent abgeschlossen hatte und dann ein Studium des Wirtschaftsingenieurwesens/Elektrotechnik begann, zur Finanzierung der Zweitausbildung verurteilt, weil die Erstausbildung angesichts seiner überdurchschnittlichen Begabung keine angemessene Ausbildung darstellte. Dabei kam es nicht darauf an, dass die Eltern ihren Sohn in die Erstausbildung gedrängt oder ihm das Studium früher verweigert hätten.5 102
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Beispiele
Praxishinweis: Da der Anspruch auf eine Zweitausbildung nur unter engen Voraussetzungen besteht, muss der Unterhaltsberechtigte im Unterhaltsverfahren besonders gründlich und sorgfältig vortragen und im Falle des Bestreitens auch beweisen können, aus welchen Gründen die Zweitausbildung angestrebt wird, warum diese bisher nicht begonnen oder durchgeführt werden konnte und warum die Erstausbildung nicht ausreicht. Hat z.B. der elterliche Trennungs- und Scheidungskonflikt die Persönlichkeitsentwicklung verzögert, wird die Finanzierung einer Zweitausbildung zumutbar sein.
– Ein Anspruch auf Finanzierung des Sportstudiums der Bankkauffrau besteht nicht, wenn der Studienwunsch allein auf einem Wechsel der Neigung beruht,6 der Lehrerberuf eine bessere gesellschaftliche Stellung7 oder ein höheres Einkommen verspricht, oder die Banklehre gewählt wurde, weil zum Zeitpunkt des Ausbildungsbeginns die Berufsaussichten für Lehrer ungünstig erschienen.8 Auch der Umstand, dass die Eltern zur Erstausbildung nichts beigetragen haben, lässt allein keinen Anspruch auf Finanzierung einer Zweitausbildung entstehen.9 – Ein solcher Anspruch könnte aber gegeben sein, wenn die Tochter sehr bald nach Beginn der Lehre festgestellt hat, dass es nicht die richtige Berufswahl war, ihren Eltern dieses unverzüglich mitgeteilt und eine Alternativausbildung benannt hat, die Ausbildung zur Bankkauffrau aber dennoch auf ausdrücklichen Wunsch der Eltern beendet hat.10 Gleiches gilt für die durchaus nicht seltenen Fälle, in denen die Bildungsfähig-
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BGH, FamRZ 1991, 322; 1980, 115 f. BGH, FamRZ 1991, 322 f.; 2006, 1100 (1101 f.); OLG Celle, FamFR 2013, 294. BGH, FamRZ 1991, 322 f. und 2000, 420. BGH, FamRZ 1981, 437 (439); 2000, 420 (421). OLG Celle, FamFR 2013, 294. OLG München, FamRZ 1976, 216; OLG Frankfurt, FamRZ 1982, 1097. BGH, FamRZ 1977, 669. OLG Frankfurt, FamRZ 1982, 1097; OLG Oldenburg, FamRZ 1985, 1282. BGH, FamRZ 1981, 437; OLG Frankfurt, FamRZ 1984, 926. BGH, FamRZ 1991, 931 f.
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III. Anspruch auf Unterhalt außerhalb der Ausbildung keit des Jugendlichen wegen schwieriger häuslicher Verhältnisse, z.B. wegen Trennung und Scheidung der Eltern, nicht rechtzeitig vor Beginn der ersten Ausbildung erkannt worden ist.1
III. Anspruch auf Unterhalt außerhalb der Ausbildung Nach Abschluss der Ausbildung und völlig unabhängig von deren Qualität oder 104 Dauer hat der Volljährige eine eigene Lebensstellung erlangt und ist nunmehr unterhaltsrechtlich gehalten, für seinen Unterhalt selbst aufzukommen. Unterhaltsberechtigt ist er dann nur noch, wenn er aus besonderen unterhaltsrechtlich anzuerkennenden Gründen an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. Gleiches gilt für den Volljährigen, der keine Ausbildung anstrebt; denn es gilt der Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung. Unterhaltsrechtlich anzuerkennen ist eine Unterhaltsbedürftigkeit, die dadurch 105 verursacht ist, dass das volljährige Kind aufgrund einer Erkrankung nicht mehr erwerbstätig sein kann. Es kann u.U. einen lebenslangen Unterhaltsanspruch gegen seine Eltern haben. Dieser muss jedoch nicht zum Zuge kommen, wenn das volljährige Kind Anspruch auf Grundsicherung wegen Erwerbsminderung hat und sein Unterhaltsanspruch gegenüber den Eltern unberücksichtigt bleiben kann, weil das steuerpflichtige jährliche Gesamteinkommen eines jeden Elternteils unter einem Betrag von 100 000 Euro liegt (§§ 41 Abs. 3, 43 Abs. 2, 91 SGB XII).2 Bei Arbeitslosigkeit nach Abschluss der Ausbildung besteht nur noch aus- 106 nahmsweise ein Unterhaltsanspruch. An die Verwertung der Arbeitskraft nach abgeschlossener Ausbildung werden strenge Maßstäbe angelegt; denn § 1602 Abs. 1 BGB gibt der wirtschaftlichen Eigenverantwortung des Volljährigen für die Bestreitung seines Unterhalts den Vorrang. Der Volljährige ist daher auch gehalten, berufsfremde Tätigkeiten aufzunehmen, wenn es ihm nicht möglich ist, in dem erlernten Beruf sein Auskommen zu finden. Dabei sind ihm auch Arbeiten unterhalb der erstrebten oder bisher innegehabten Lebensstellung zuzumuten.3 Kann der Unterhaltsberechtigte durch die Aufnahme einer solchen Tätigkeit, die der Arbeitsmarkt zulässt, seinen Lebensbedarf erwirtschaften, entfällt ein Unterhaltsanspruch. Das gilt auch dann, wenn er dies vorwerfbar nicht tut, sondern weiterhin nach einer Beschäftigung im erlernten Beruf Ausschau hält. Denn das Risiko, eine Anstellung gerade in dem erlernten Beruf zu finden, fällt den Unterhaltspflichtigen nicht zur Last. Findet der gesunde arbeitsfähige Volljährige jedoch außerhalb des erlernten Berufs ebenfalls keinen Erwerb, um sich seinen angemessenen Unterhaltsbedarf zu verdienen, bleibt der leistungsfähige Unterhaltsverpflichtete zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet, selbst wenn die allgemeine wirtschaftliche Lage bzw. die Lage des Arbeitsmarktes hierfür ursächlich ist.4 Gleiches gilt für diejenigen Schulabgänger, die keine Ausbildung anstreben oder für die nur ungelernte Tätigkeiten in Frage kommen. Bezieht das Kind ALG II, gelten Besonderheiten, s. Rz. 109.
1 BGH, FamRZ 2006, 1100; 1981, 437; OLG Frankfurt, FamRZ 1985, 1167. 2 Das BSG hat im Urteil v. 25.4.2013 – B 8 SO 21/11 R, juris = SuP 2013, 707 die lange strittige Frage, ob sich das Gesamteinkommen in § 43 Abs. 3 SGB XII auf das Einkommen beider Eltern oder eines jeden Elternteils bezieht, im letzteren Sinne entschieden. 3 OLG Zweibrücken, FamRZ 1983, 291. 4 BSG, FamRZ 1985, 1251 (1253).
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
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Die volljährige Tochter, die wegen der Erziehung ihres eigenen Kindes nicht erwerbstätig ist, hat nur ausnahmsweise einen Unterhaltsanspruch für sich gegen ihre Eltern. Denn zunächst muss sie in Betracht kommende Unterhaltsansprüche gegen ihren Ehegatten bzw. den anderen Elternteil des Kindes ausschöpfen. Zur Ersatzhaftung der Eltern für einen Anspruch ihres Kindes nach § 1615l BGB s. Kap. D Rz. 91 ff. Gleiches gilt für den volljährigen Sohn, der ein Kind zu versorgen hat. Bezieht eine schwangere volljährige Tochter oder ein volljähriges Kind, das ein eigenes Kind zu betreuen hat, ALG II, dann mindern diese Sozialleistungen ihre Bedürftigkeit, denn sie werden nicht subsidiär geleistet, d.h. ein Übergang evtl. bestehender Unterhaltsansprüche gegen die Eltern ist bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres des zu betreuenden Kindes generell ausgeschlossen (§ 33 Abs. 2 Nr. 3 SGB II).
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Die Darlegungs- und Beweislast für die Bedürftigkeit liegt beim Unterhaltsberechtigten. Zur Begründung des Anspruchs auf Unterhalt wegen fehlender Erwerbsmöglichkeiten reicht regelmäßig nicht die Erklärung, dass er arbeitslos und Arbeit suchend gemeldet ist. Vielmehr ist unter Vorlage von Belegen darzulegen, wie er sich durch eigene Initiative um Arbeit bemüht (Bewerbungen auf Stellenanzeigen in Zeitungen, Aufgabe eigener Annoncen, Bemühungen auch außerhalb seines Wohnorts usw.) und gleichwohl trotz intensiver Suche weder in seinem erlernten Beruf noch überhaupt irgendeine bezahlte Tätigkeit gefunden hat. Die Bemühungen müssen im Einzelnen für einen Dritten nachvollziehbar dokumentiert und nachprüfbar sein. S. auch Kap. A Rz. 336 f.
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Besonderheiten gelten für das Unterhaltsrechtsverhältnis Eltern-Kind, wenn das Kind ALG II bezieht: Bezieht das arbeitslose volljährige Kind ALG II, ist für die Entscheidung, ob das Arbeitslosengeld als bedarfsdeckendes Einkommen zu behandeln ist, zu differenzieren: – Das ALG II mindert nicht die Bedürftigkeit, solange das Kind das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und noch keine abgeschlossene Ausbildung hat. In dem Fall ist es immer eine subsidiäre Sozialleistung (§ 33 Abs. 2 Nr. 2b SGB II). – Gleiches gilt auch für volljährige Kinder unter 25 Jahren mit abgeschlossener Ausbildung und Kinder ab Vollendung des 25. Lebensjahres, wenn sie selbst Unterhalt von den Eltern geltend machen oder erhalten. – Nur wenn Kinder unter 25 Jahren eine abgeschlossene Ausbildung haben oder 25 Jahre alt sind und keinen Unterhalt von ihren Eltern geltend machen, findet ein gesetzlicher Forderungsübergang nicht statt und das Arbeitslosengeld wirkt bedarfsdeckend. Nach den Arbeitsanweisungen der Arbeitsagentur soll es für eine Geltendmachung von Unterhalt von den Eltern schon ausreichen und die Subsidiarität wieder auslösen, wenn die Zahlung von Unterhalt von den Eltern angemahnt oder eine Auskunft zur Berechnung des Unterhalts verlangt wird.1 Die Eltern können die Unterhaltsleistung nicht mit der Begründung verweigern, das Kind könne ja ALG II beziehen.
1 Heiß/Born/Hußmann, Kap. 16, Rz. 69. Vgl. die Anwendungshinweise der Arbeitsagentur zu § 33 SGB II, abrufbar im Internet z.B. unter www.arbeitsagentur.de, dort unter der Sucheingabe „Unterhalt von Eltern“.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
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Praxishinweis: In Unterhaltsverfahren wird häufig zu wenig zu den Bemühun- 110 gen um eine Erwerbstätigkeit vorgetragen. Es empfiehlt sich für den Unterhaltsberechtigten, einen Ordner zu führen, in dem nicht nur der Nachweis für die unverschuldete Arbeitslosigkeit (z.B. Kündigung aus betrieblichen Gründen oder wegen Krankheit bzw. mangelnder gesundheitlicher Eignung), sondern insbesondere alle Bewerbungen, Ablehnungsschreiben und auch Telefonvermerke über Bewerbungen unter Angabe der Daten und Namen genauestens aufgeschrieben und gesammelt werden. Bewerbungsschreiben müssen die Ernsthaftigkeit der Arbeitssuche belegen. Nicht überzeugend sind z.B. Schreiben mit mehreren Rechtschreibfehlern, ohne individuellen Bezug zum Arbeitsangebot und eigenem Arbeitsprofil oder wenn sie Hinweise auf Mängel in der eigenen Ausbildung oder private Schicksalsschläge enthalten (Kap. A Rz. 336 f.).
IV. Die Berechnung des Unterhalts Für volljährige Kinder kann genau wie für minderjährige der Bedarf konkret be- 111 rechnet werden, was z.B. bei behinderten Kindern mit speziellen Bedürfnissen sinnvoll sein kann. Üblich ist in der Praxis jedoch die Bedarfsbemessung entweder nach der DT oder nach speziell für Volljährige bemessenen festen pauschalisierten Regelbedarfssätzen (Anm. A Nr. 7 der DT und Nr. 13.1.2 der LL der OLG). Nach der einheitlichen Praxis der Obergerichte wird der Unterhaltsbedarf volljähriger Kinder bis zum 21. Lebensjahr nach der Altersstufe 4 der Unterhaltstabelle bestimmt, wenn das Kind im Haushalt der Eltern bzw. eines Elternteils lebt. Die Regelbedarfssätze finden Anwendung, wenn es bereits einen eigenen Hausstand hat. Welche Bedarfsbestimmung maßgeblich ist und wie der Bedarf dann konkret unter Berücksichtigung der Haftungsquoten der Eltern zu berechnen ist, wird nachfolgend im Einzelnen und anhand von Berechnungsbeispielen erläutert. Für beide Varianten ist immer notwendig, das unterhaltsrechtlich maßgebliche Einkommen der Eltern zu klären. Wie es zu ermitteln und zu bereinigen ist, ist in Kap. A Rz. 68 ff. erläutert. Besonderheiten, die sich für die Zuordnung von Einkommen und dessen Bereinigung aufgrund der unterschiedlichen Einstandspflicht der Eltern für den Unterhalt volljähriger und privilegiert volljähriger Schüler ergeben, sind in diesem Kap. unter II. 3 erläutert. 1. Bedarfsberechnung nach der Unterhaltstabelle Prüfungsschema für den Unterhalt des privilegierten und nicht privilegierten 112 volljährigen Kindes, das im Haushalt eines Elternteils lebt 1. Vorfragen zur Klärung der Privilegierung: Ist das Kind 18–21 Jahre alt? Besucht das Kind eine allgemeinbildende Schule? Lebt das Kind im Haushalt eines Elternteils? 2. Ist das volljährige Kind privilegiert, wird der Bedarf wie folgt errechnet: a) Klärung des Bedarfs nach den Einkommensverhältnissen beider Eltern. b) Bereinigung der Einkommen der Eltern durch Abzug berufsbedingter Aufwendungen und berücksichtigungswürdiger Verbindlichkeiten. Ehinger
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
c) Bestimmung des Bedarfs nach dem zusammengerechneten bereinigten Einkommen beider Eltern nach der DT (i.d.R. nach der Altersstufe 4 ohne Herab- oder Heraufstufung). d) Anrechnung eigener Einkünfte des Kindes und des Kindergelds (einschließlich eines Zählkindvorteils,1 s.a. Rz. 125) auf den Bedarf. e) Berechnung der Haftungsanteile der Eltern für den ungedeckten Bedarf nach der Formel: Bedarf des Kindes × Einsatzbetrag (der Mutter bzw. des Vaters) Summe der Einsatzbeträge beider Eltern Die Einsatzbeträge der Eltern entsprechen ihren bereinigten Einkommen abzüglich des angemessenen Eigenbedarfs,2 bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen beider Eltern (Mangelfall) des notwendigen Selbstbehalts.3 f) Zwischenergebnis: Haftungsanteil des Vaters bzw. der Mutter für den Bedarf. Dieser darf nicht höher liegen als der Tabellenunterhalt, der sich für jeden Elternteil allein nach seinem Einkommen ergibt. Dabei kann noch eine Herab- oder Höherstufung erfolgen bei weiteren Unterhaltspflichten. g) Abschließende Angemessenheitskontrolle unter Berücksichtigung der Gesamtverpflichtungen des Vaters bzw. der Mutter und der Belange des Kindes. Ggf. Korrektur des Bedarfs bzw. der Anteile der Eltern. h) Ergebnis: zu zahlender Unterhalt 3. Ist das volljährige Kind nicht privilegiert, wird der Bedarf wie oben mit folgenden Abweichungen berechnet: a) Bei der Bereinigung des Einkommens sind neben dem Abzug berufsbedingter Aufwendungen und berücksichtigungswürdiger Verbindlichkeiten auch vorrangige Unterhaltsschulden abzuziehen. b) Bei der Berechnung der Haftungsanteile der Eltern wird vom bereinigten Einkommen der Eltern für die Ermittlung der Einsatzbeträge immer der angemessene Eigenbedarf abgezogen. 113
Erläuterungen zum Prüfungsschema: Der Unterhaltsbedarf eines volljährigen Kindes, das unverheiratet ist, das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und im Haushalt seiner Eltern oder eines Elternteils lebt, richtet sich nach dem zusammengerechneten unterhaltsrechtlich bereinigten Einkommen beider Eltern und wird nach der Unterhaltstabelle bestimmt (Nr. 13.1 der LL). Dabei werden privilegierte Schüler und andere volljäh1 Abzugsfähig ist nur der Zählkindvorteil für ein gemeinsames Kind der Eltern, § 1612b BGB. 2 Zur Anwendung des angemessenen Eigenbedarfs BGH, FamRZ 2011, 454 Tz. 36 f.; ebenso jetzt in Nr. 13.2 der LL der OLG. 3 Der angemessene Selbstbehalt beträgt zzt. 1 200 Euro in allen Bundesländern einheitlich nach den Leitlinien, Stand 1.1.2014 (s. jeweils Anm. A Nr. 5 der DT und Nr. 21.3.1 der LL); der notwendige Selbstbehalt gegenüber privilegierten Kindern nach dem Stand 1.1.2014 1 000 Euro bei Erwerbstätigen bzw. 800 Euro bei Nichterwerbstätigen (s. jeweils Anm. A Nr. 5 der DT und Nr. 21.2 der LL).
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
rige Kinder in der Ausbildung insoweit gleich behandelt. Die DT sieht eine 4. Altersstufe für Kinder vom 18. bis zum 21. Lebensjahr vor. Die Beträge dieser Altersgruppe sind höher als die der 3. Altersgruppe, denn erfahrungsgemäß hat ein volljähriges Kind, selbst wenn es zu Hause wohnen bleibt, einen höheren Bedarf als ein minderjähriges Kind. In den Oberlandesgerichtsbezirken wird seit 1.1.2008 die 4. Altersgruppe einheitlich angewendet für in der Ausbildung oder in der allgemeinen Schulausbildung befindliche volljährige Kinder bis zum 21. Lebensjahr, die noch im Haushalt eines Elternteils leben. Für die Einstufung in die maßgebliche Einkommensgruppe der Tabelle ist auf das zusammengerechnete, zuvor unterhaltsrechtlich bereinigte Einkommen beider Eltern abzustellen, ohne dass davon in diesem Prüfungsschritt der ihnen zustehende angemessene Eigenbedarfssatz abgezogen wird. An dieser Stelle ist auch keine Höher- oder Herabstufung vorgesehen, selbst wenn – anders als für den Regelfall nach der DT – eine Unterhaltspflicht gegenüber mehr als zwei Unterhaltsberechtigten besteht. Ist ein Elternteil nicht leistungsfähig, bleibt sein unterhalb des Selbstbehalts liegendes Einkommen für die Einstufung in die Tabelle außer Betracht. Nach der Ermittlung des Tabellenunterhalts sind die Haftungsanteile der Eltern zu berechnen. Grundsätzlich haftet jeder Elternteil immer nur maximal in Höhe des Tabellenbetrags, der sich nur aufgrund seines eigenen Einkommens nach der DT ergibt (Nr. 13.1.1 der LL). Diese Haftungsbegrenzung gilt auch, wenn der andere Elternteil nicht leistungsfähig ist. Beispiel K ist 19 Jahre alt, Schüler und lebt bei M, deren bereinigtes Einkommen 500 Euro beträgt. V hat ein bereinigtes Einkommen von 1 500 Euro. Hier ergäbe sich aufgrund des Gesamteinkommens der Eltern von 2 000 Euro ein Bedarf nach der Altersstufe 4 und der Einkommensgruppe 3 (1 901 bis 2 300 Euro) in Höhe von 537 – 184 = 353 Euro. Da V nur höchstens für den nach seinem Einkommen von 1 500 Euro maßgeblichen Tabellenunterhalt haftet und dieser nur 488 – 184 = 304 Euro beträgt, kann der Bedarf auch sogleich nur nach seinem Einkommen als allein leistungsfähiger Elternteil bemessen werden.
Im Rahmen der Prüfung der Haftungsbegrenzung und Angemessenheit besteht noch die Möglichkeit einer Höher- oder Herabstufung unter Berücksichtigung weiterer Unterhaltspflichten. Allerdings ist die Handhabung durch die Gerichte insoweit nicht einheitlich. Aber auch in anderen Detailfragen verfahren die OLG durchaus unterschiedlich: So ergeben sich in den Leitlinien z.B. Besonderheiten bei der Bedarfsbegrenzung: Das OLG Braunschweig begrenzt den Bedarf nach der Altersstufe 4 in Höhe des Regelbedarfssatzes für volljährige Kinder, das sind zzt. (2014) 670 Euro (Nr. 13.1.1 der LL). 2. Bedarfsberechnung nach pauschalierten Regelbedarfssätzen für Volljährige Prüfungsschema für den Unterhalt volljähriger Kinder bemessen nach dem 114 Regelbedarfssatz I. Berechnung des Bedarfs nach dem Regelbedarfssatz für Volljährige unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Eltern. 1. Feststellung des maßgeblichen Regelbedarfs nach den Leitlinien1.
1 Anm. A Nr. 7 der DT und Nr. 13.1.2 der LL.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
a) Abzug des Kindergeldes (einschließlich eines eventuellen Zählkindvorteils,1 s.a. Rz. 125) und gegebenenfalls Anrechnung eigener bereinigter Einkünfte des Kindes auf den Bedarf. b) Zwischenergebnis: ungedeckter Bedarf. 2. Klärung des Durchschnittseinkommens beider Eltern. a) Bereinigung des Einkommens durch Abzug berufsbedingter Aufwendungen und berücksichtigungswürdiger Verbindlichkeiten. b) Berechnung der Haftungsanteile der Eltern für den ungedeckten Bedarf nach der Formel: Bedarf des Kindes × Einsatzbetrag (der Mutter bzw. des Vaters) Summe der Einsatzbeträge beider Eltern Die Einsatzbeträge der Eltern entsprechen ihren bereinigten Einkommen abzüglich des angemessenen Selbstbehalts gegenüber volljährigen Kindern2. 3. Zwischenergebnis: vorläufiger vom Vater bzw. der Mutter zu zahlender Unterhalt. 4. Abschließende Angemessenheitskontrolle unter Berücksichtigung der Gesamtverpflichtungen des Vaters bzw. der Mutter und der Belange des Kindes. Ggf. Korrektur des Bedarfs, bzw. der Anteile der Eltern. II. Ergebnis: zu zahlender Unterhalt. 115
Erläuterungen zum Prüfungsschema: Der Unterhaltsbedarf für ein in der Ausbildung stehendes volljähriges Kind mit eigenem Hausstand und ab dem 22. Lebensjahr auch für Kinder, die noch bei den Eltern oder einem Elternteil leben, wird nach überwiegender Praxis nach dem pauschalierten Regelbedarfssatz für volljährige Kinder bemessen. Der Regelbedarfssatz für Volljährige beträgt seit 1.1.2008 bundeseinheitlich nach den Leitlinien 640 Euro, seit 1.1.2013 und in 2014: 670 Euro. In den Regelbedarfssätzen sind der Wohnbedarf für eine Warmmiete und umlagefähige Nebenkosten i.H.v. 280 Euro berücksichtigt; Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie Studiengebühren sind nicht enthalten. Der Bedarf kann bei guten Einkommensverhältnissen der Eltern höher liegen (s. Rz. 13 ff.).
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Praxishinweis: Da die Leitlinien der OLG den Bedarf volljähriger Kinder in einigen Punkten immer noch unterschiedlich regeln, sind für die Bedarfsberechnung vorsorglich immer die Leitlinien des zuständigen OLG heranzuziehen. So sehen z.B. die LL des OLG Braunschweig eine Höchstgrenze für den Bedarf nach der 4. Altersstufe i.H. des Regelbedarfssatzes für Volljährige vor und nach den SüdL ist nach Errechnung des Bedarfs nach 4. Altersstufe und der Haftungsanteile Eltern noch eine Höher- oder Herabstufung möglich. Sind für den Wohnsitz des Berechtigten und des Verpflichteten unter-
1 Abzugsfähig ist nur der Zählkindvorteil für ein gemeinsames Kind der Eltern, § 1612b BGB. 2 Der angemessene Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern ist geregelt in Nr. 21.3.1 der Leitlinien und Anm. A Nr. 5 der DT. Er beträgt nach dem Stand 1.1.2014 1 200 Euro.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
schiedliche OLG zuständig, gilt: Für die Bedarfsberechnung des Kindes sind die Leitlinien des für den Wohnsitz des Kindes zuständigen OLG, für die Leistungsfähigkeit des/der Verpflichteten die für seinen/ihren Wohnsitz maßgeblichen Leitlinien anzuwenden. 3. Bedürftigkeit des Kindes in Höhe des errechneten Bedarfs Nach der Klärung des Bedarfs, entweder nach der Tabelle oder dem Regelbedarfs- 117 satz, sind eigene Einkünfte des Kindes und das Kindergeld abzuziehen, denn insoweit ist es nicht bedürftig (§ 1602 Abs. 1 BGB). a) Abzug von eigenem Einkommen Auf den Tabellenunterhalt oder den pauschalierten Regelbedarf muss sich das 118 unterhaltsberechtigte Kind alles anrechnen lassen, was ihm als unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen zufließt. Welches Einkommen unterhaltsrechtlich relevant ist, ist unter Rz. 17 ff. erläutert. Für die Klärung des Einkommens und Berechnung des Durchschnittseinkommens aufgrund eines Ausbildungsverhältnisses kann auf die Grundsätze in Kap. A Rz. 68 ff. verwiesen werden. Bei Ausbildungsentgelten ist zu beachten, dass der Abzug von berufsbedingten Aufwendungen nicht einheitlich gehandhabt wird, so dass sich empfiehlt, die jeweilige Praxis des zuständigen Gerichts zu klären, s. dazu Nr. 10.2.3 und 13.2 der LL und Rz. 17. b) Abzug des Kindergelds Nach § 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB wird das volle Kindergeld vom Barunterhalts- 119 bedarf des Kindes bedarfsdeckend abgezogen, wenn beide Eltern barunterhaltspflichtig sind. § 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB regelt den Kindergeldausgleich im Unterhaltsrecht gleichermaßen für minderjährige als auch für volljährige Kinder, denn das Gesetz beschränkt die Anwendbarkeit nicht auf minderjährige Kinder. Erst nach Abzug des Kindergeldes und ggf. eigenen Einkommens des Kindes wird ermittelt, in welcher Höhe die Eltern für den Restbetrag entsprechend dem Verhältnis ihrer Einkommen aufzukommen haben. Der Vorabzug des Kindergeldes vom Bedarf des Kindes hat zur Folge, dass das Kindergeld den Eltern in dem Umfang als Entlastung zugutekommt, in dem sie zum Unterhalt des Kindes beitragen. Beispiel Schüler S hat einen Bedarf i.H.v. 488 Euro. Das Kindergeld beträgt 184 Euro. Aufgrund des Einkommens der Eltern beträgt die Haftungsquote der Mutter 30 %, die des Vaters 70 %. Variante 1 Zieht man das Kindergeld vom Bedarf ab, ergibt sich noch ein Bedarf von 304 Euro, für den die Eltern aufzukommen haben wie folgt: M: 304 Euro * 30 % = 91 Euro V: 304 Euro * 70 % = 213 Euro. Variante 2 Zieht man das Kindergeld nicht vorab vom Tabellenunterhalt ab, sondern erst von den für den Tabellenunterhalt errechneten Haftungsanteilen, ergeben sich folgende Beträge:
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes M: 488 Euro * 30 % = 146 Euro – 92 = 54 Euro V: 488 Euro * 70 % = 342 Euro – 92 = 250 Euro.
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Eine weitere Folge des bedarfsmindernden Abzugs des vollen Kindergeldes ist, dass der Elternteil, der das Kindergeld erhält, dieses in voller Höhe für den Bedarf des volljährigen Kind zur Verfügung zu stellen hat, einschließlich eines Zählkindvorteils für ein gemeinsames Kind. Lebt es nicht mehr in seinem Haushalt, ist das Geld an das Kind auszukehren, denn dieses hat einen Anspruch auf Auskehrung des Kindergeldes gegenüber dem Elternteil, an den es von der Familienkasse gezahlt wird.
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Welcher Elternteil das Kindergeld bezieht (Bezugsberechtigung), richtet sich auch bei volljährigen Kindern nach dem EStG. Lebt das Kind noch im Haushalt eines Elternteils, wird es an den Elternteil ausgezahlt, in dessen Haushalt das Kind lebt (§ 64 Abs. 2 EStG). Hat das Kind einen eigenen Haushalt, wird das Kindergeld dem Elternteil ausgezahlt, der Unterhalt leistet. Zahlen beide Eltern Unterhalt, erhält der das Kindergeld, der den höchsten Unterhalt leistet (§ 64 Abs. 3 EStG). Das Kind kann die Auszahlung an sich selbst verlangen, wenn die Eltern keinen Unterhalt zahlen oder dieser geringer ist als das Kindergeld (§ 74 Abs. 1 EStG).
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Praxishinweis: Für Streitigkeiten über die Bezugsberechtigung des Kindergeldes nach § 64 Abs. 2 EStG ist seit 1.9.2009 das FamG zuständig, denn es handelt sich um Unterhaltssachen i.S.v. § 231 Abs. 2 FamFG. Bei diesen sind jedoch nicht die Verfahrensvorschriften der §§ 235–240 FamFG anwendbar, denn es handelt sich nicht um Familienstreitverfahren, sondern um Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Maßgebend sind die allgemeinen Vorschriften des Allgemeinen Teils des FamFG, zuständig für die Bearbeitung ist der Rechtspfleger (§§ 3 Nr. 3g, 25 Nr. 2 RPflG).1
Lebt das Kind noch im Haushalt eines Elternteils, bezieht der wohnungsgewährende Elternteil das Kindergeld und hat es ebenfalls für den Bedarf des Kindes zur Verfügung zu stellen. Das Kindergeld ist auch dann in voller Höhe vom Bedarf abzugsfähig, wenn der wohnungsgewährende Elternteil zur Zahlung von Barunterhalt nicht leistungsfähig ist. Beispiel K ist Schüler und lebt noch bei der Mutter. Er hat nach den Leitlinien seines zuständigen OLG einen Bedarf von 562 Euro. Das Kindergeld bezieht die Mutter. Nach Abzug des Kindergeldes hat K einen Bedarf von 378 Euro. Da M nicht leistungsfähig ist, hat V allein den Bedarf von 378 Euro zu zahlen. M hat das Kindergeld für K zur Verfügung zu stellen, sie ist jedoch berechtigt, es im Wege der Verrechnung mit der Wohnungsgewährung einzubehalten sowie ggf. einen weiteren Anteil des Barunterhalts von dem Kind zu beanspruchen, insbesondere, wenn weiterer Naturalunterhalt, z.B. durch Beköstigung, erbracht wird.
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Hat das Kind einen eigenen Haushalt, gilt der Vorabzug des Kindergeldes gleichermaßen, wobei das Kind von dem bezugsberechtigten Elternteil im Falle eingeschränkter oder fehlender Leistungsfähigkeit die Auskehrung des Kindergeldes an sich verlangen oder aber sogleich einen Antrag bei der Kindergeldkasse auf Abzweigung und Auszahlung an sich direkt stellen kann (§ 74 Abs. 1 EStG). 1 Zu Einzelheiten des Verfahrens wegen der Klärung der Kindergeldbezugsberechtigung s. Finke, FPR 2012, 155 ff.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
Beziehen die Eltern einen Zählkindvorteil für ein gemeinsames Kind und ent- 125 fällt dieser auf das volljährige Kind, dann ist das Kindergeld zzgl. Zählkindvorteil vom Bedarf abzuziehen (§ 1612b Abs. 2 BGB). Nicht bedarfsmindernd zu berücksichtigen ist ein wegen eines nicht gemeinsamen Kindes der Eltern bezogener Zählkindvorteil, dieser erhöht auch nicht das bedarfsbestimmende Einkommen des Elternteils und dessen Leistungsfähigkeit im Verhältnis zum gemeinsamen Kind.1 4. Ermittlung der Haftungsanteile der Eltern Die Eltern sind gegenüber dem Kind Teilschuldner des Unterhalts,2 d.h., sie schul- 126 den jeweils nicht den vollen Unterhalt sondern, abhängig von ihrer Leistungsfähigkeit, nur den auf sie entfallenden Teil (§§ 1606 Abs. 3 Satz 1, 420 BGB). Zur Berechnung ihres Haftungsanteils sind zunächst die Einsatzbeträge zu ermitteln, die Eltern nach ihrer Leistungsfähigkeit für den Unterhalt zur Verfügung zu stellen haben. Dazu wird von ihrem unterhaltsrechtlich bereinigten Einkommen der ihnen zustehende angemessene Selbstbehalt abgezogen. Dies gilt sowohl für den Unterhalt ihrer volljährigen, also auch für ihre privilegiert volljährigen Kinder. Dies leitet der BGH beim Unterhalt für privilegiert Volljährige daraus ab, dass der an sich verschärft haftende Elternteil nach § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB dann nicht auf den notwendigen Selbstbehalt zu verweisen ist, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter, der auch der andere Elternteil sein kann, vorhanden ist. In dem Fall bleibt die Opfergrenze der angemessene Eigenbedarf. Dem steht nicht entgegen, dass beide Eltern gegenüber ihrem privilegiert volljährigen Kind verschärft nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB haften.3 Der notwendige Selbstbehalt kommt deshalb bei den privilegiert Volljährigen nur im Mangelfall zur Anwendung, wenn auch der angemessene Selbstbehalt des anderen Elternteils nicht gewahrt ist.4 Der Haftungsanteil der Eltern am ungedeckten Unterhaltsbedarf des Kindes 127 wird sodann nach folgender Formel berechnet: Einsatzbetrag des Vaters bzw. der Mutter × ungedeckter Bedarf des Kindes Summe der Einsatzbeträge beider Eltern Möglich ist auch zunächst die auf jeden Elternteil entfallende Haftungsquote zu berechnen: Einsatzbetrag des Vaters oder der Mutter Summe der Einsatzbeträge der Eltern
= Quote
Mit der auf jeden Elternteil entfallenden Quote wird dann der ungedeckte Bedarf multipliziert. Der so errechnete Unterhaltsbetrag, der auf jeden Elternteil entfällt, ist abschließend auf seine Angemessenheit zu überprüfen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Bedarf nach der Tabelle oder nach dem Regelbedarfssatz ermittelt wurde.
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BGH, FamRZ 2000, 1494 (zum alten Recht); s. Wendl/Dose/Scholz, § 2 Rz. 732. BGH, FamRZ 1989, 499. BGH, FamRZ 2011, 545 Tz. 35, 36; FamRZ 1991, 182 (193). BGH, FamRZ 2011, 545 Tz. 36 f.; 2008, 137 Tz. 39; Nr. 13.2 SüdL, Nr. 13.3.2 LL des OLG Hamm.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
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Auch in den Leitlinien ist die Berechnung der Quoten unter Nr. 13.3 erläutert. Dabei geben die Empfehlungen beim Tabellenunterhalt nicht immer eine eindeutige Auskunft darüber, ob bei der Ermittlung des Höchstbetrags, für den jeder Elternteil nach seinem eigenen Einkommen für den Unterhalt haften würde, noch eine Höher- bzw Herabstufung des Tabellenunterhalts vorgenommen werden kann. Davon ist jedoch auch beim Tabellenunterhalt auszugehen, denn im Rahmen der abschließenden Angemessenheitsprüfung können Feinjustierungen notwendig werden.1 Nachfolgend werden die Berechnungsschritte im Einzelnen anhand von Beispielen und unter Berücksichtigung der Eigenbedarfssätze der Eltern nach dem Stand 1.1.2014 dargestellt.
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Praxishinweis: Der Unterhaltsberechtigte muss immer auch die Einkommensverhältnisse des von ihm nicht in Anspruch genommenen Elternteils darlegen und ggfs. beweisen, um seinen Unterhaltsanspruch im Unterhaltsverfahren gegenüber dem Verpflichteten der Höhe nach schlüssig zu begründen. Beantragt der Verpflichtete nach Eintritt der Volljährigkeit die Abänderung eines Unterhaltstitels, der während der Minderjährigkeit des Kindes geschaffen wurde,2 muss das Kind außer seiner fortdauernden Bedürftigkeit noch die Einkommensverhältnisse des anderen Elternteils darlegen und beweisen. Um diesen Anforderungen zu genügen, steht dem Kind gegenüber beiden Eltern ein Auskunftsanspruch zu (s. dazu Kap. I Rz. 2 ff.). Auch die Eltern haben untereinander einen Auskunftsanspruch und können sich so, wenn die fortdauernde Bedürftigkeit des Kindes ab Volljährigkeit feststeht, unabhängig vom Kind Klarheit über ihre zukünftige Unterhaltsbelastung verschaffen. Ist ein Elternteil nicht leistungsfähig oder ist ihm wegen Verletzung seiner Erwerbsobliegenheit ein fiktives Einkommen zuzurechnen, kann das Kind im Wege der Ausfallhaftung nur den leistungsfähigen Elternteil in Anspruch nehmen (Rz. 57 ff.). Leistet ein Elternteil aus freien Stücken allein den Ausbildungsunterhalt, so ist er nicht verpflichtet dem anderen Elternteil Auskunft über sein Einkommen zu erteilen. Macht er hingegen gegen den anderen einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch geltend, ist er zur Auskunftserteilung verpflichtet.3 Zum familienrechtlichen Ausgleichsanspruch s. Kap. H Rz. 97.
a) Berechnungsbeispiel für Studenten mit eigenem Hausstand 130
Der Bedarf eines volljährigen Kindes mit eigenem Hausstand wird von allen OLG mit dem Regelbedarfssatz bemessen. Beispiel K ist Student mit eigenem Hausstand, das bereinigte Einkommen der Eltern beträgt: V 1 600 Euro (Rente), M 1 500 Euro (aus Erwerbstätigkeit). Das Kindergeld bezieht V. Bedarf des K i.H. des Regelbedarfssatzes Abzug des Kindergeldes, 670 – 184 Euro = Haftungsanteile der Eltern: Nettoeinkommen der M abzüglich Selbstbehalt Einsatzbetrag der M 1 So auch Nr. 13.1.1 der SüdL. 2 KG, FamRZ 1989, 1206. 3 BGH, FamRZ 2013, 1027 Tz. 10.
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670 Euro 486 Euro 1 500 Euro 1 200 Euro 300 Euro
IV. Die Berechnung des Unterhalts Nettoeinkommen des V abzüglich Selbstbehalt Einsatzbetrag des V
1 600 Euro 1 200 Euro 400 Euro
Summe der Einsatzbeträge
700 Euro
Nimmt K die M in Anspruch, ist zu rechnen: 300 Euro : 700 Euro × 486 Euro = Nimmt K den V in Anspruch, ist zu rechnen: 400 Euro : 700 Euro × 486 Euro =
208 Euro 278 Euro
Da V das Kindergeld bezieht, hat er dieses an K auszukehren und hat deshalb insgesamt 462 Euro zu zahlen 278 + 184. K erhält somit zusammen 208 + 278 + 184, also insgesamt
670 Euro
b) Berechnungsbeispiel für Auszubildenden, der bei einem Elternteil lebt Der Bedarf wird nach der 4. Altersstufe der DT berechnet.
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Beispiel Lehrling K, 20 Jahre, lebt bei M, die das Kindergeld bezieht, und hat eigene Einkünfte i.H.v. 250 Euro. Das bereinigte Einkommen der Eltern beträgt: V 1 500 Euro (Rente), M 1 700 Euro (aus Erwerbstätigkeit). Gesamteinkommen der Eltern Bedarf des Kindes nach der Altersstufe 4 Abzug von (184 Euro Kindergeld + 250 Euro Ausbildungsvergütung) ergibt einen ungedeckter Bedarf von
3 200 Euro 625 Euro 434 Euro 191 Euro
Haftungsanteile der Eltern: Nettoeinkommen der M abzüglich Selbstbehalt Einsatzbetrag der M
1 700 Euro 1 200 Euro 500 Euro
Nettoeinkommen des V abzüglich Selbstbehalt Einsatzbetrag des V
1 500 Euro 1 200 Euro 300 Euro
Summe der Einsatzbeträge
800 Euro
Nimmt K die M in Anspruch, ist zu rechnen: 500 Euro : 800 Euro × 191 Euro M hat außerdem noch das Kindergeld für den Bedarf zur Verfügung zu stellen
119 Euro 184 Euro
Nimmt K den V in Anspruch, ist zu rechnen: 300 Euro : 800 Euro × 191 Euro K stehen zur Deckung seines Bedarfs zur Verfügung: Unterhalt M mit Kindergeld 119 + 184 = Unterhalt V eigenes Einkommen Summe
72 Euro 303 Euro 72 Euro 250 Euro 625 Euro
c) Berechnungsbeispiel für privilegierte Volljährige Der Bedarf wird nach der 4. Altersstufe bestimmt. Für die Berechnung der Ein- 132 satzbeträge der Eltern wird in der Regel der angemessene Eigenbedarf von 1 200 Euro abgezogen, dies entspricht der Berechnung im vorstehenden Beispiel b). Sind wie im nachfolgenden Beispiel die Einkommensverhältnisse eng, haften
Ehinger
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
die Eltern bis zum notwendigen Eigenbedarf, da anderenfalls der Bedarf des Kindes nicht gedeckt wäre (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB). Beispiel K ist Schüler, 18 Jahre alt (privilegierter Volljähriger), lebt bei M, die das Kindergeld erhält. Das bereinigte Einkommen der Eltern beträgt: V 1 100 Euro (Rente), M 1 200 Euro (aus Erwerbstätigkeit). Gesamteinkommen der Eltern Bedarf des Kindes nach der Altersstufe 4 der DT nach Abzug des Kindergeldes 537 – 184 =
2 300 Euro 537 Euro 353 Euro
Nettoeinkommen der M abzüglich angemessener Selbstbehalt bei Erwerbseinkommen Einsatzbetrag der M
1 200 Euro 1 000 Euro 200 Euro
Nettoeinkommen des V abzüglich angemessener Selbstbehalt bei Renteneinkommen Einsatzbetrag des V
1 100 Euro 800 Euro 300 Euro
Summe der Einsatzbeträge Nimmt K die M in Anspruch, ist zu rechnen: 200 Euro : 500 Euro × 353 Euro = M hat außerdem das Kindergeld zur Verfügung zu stellen 184 Euro, so dass sie zu zahlen hat
500 Euro 141 Euro 325 Euro
Nimmt K den V in Anspruch, ist zu rechnen: 300 Euro : 500 Euro × 353 Euro =
212 Euro
K stehen zur Deckung seines Bedarfs zur Verfügung: Unterhalt M Kindergeld Unterhalt V Summe
141 Euro 184 Euro 212 Euro 537 Euro
d) Berechnung der Haftungsquoten für den Unterhalt eines privilegiert volljährigen Kindes bei weiteren gleichrangigen Ansprüchen minderjähriger Kinder 133
Haben Eltern mehrere gleichrangige Ansprüche von minderjährigen und privilegiert volljährigen Kindern zu befriedigen, deren Bedarf sich nach der DT richtet, ist für die Einstufung in die Einkommensgruppe beim privilegiert volljährigen Kind das bereinigte Einkommen beider Eltern zu Grunde zu legen. Bei der Bereinigung des Einkommens sind die Unterhaltsansprüche gleichrangiger minderjähriger Kinder nicht vorab abzuziehen. Bei der Berechnung der Einsatzbeträge der Eltern besteht seit der Entscheidung des BGH vom 12.1.20111 Einigkeit, dass der angemessene Eigenbedarf abzuziehen ist, es sei denn, beide Eltern können den Unterhalt nur durch Unterschreitung ihres angemessenen Eigenbedarfs erbringen. Keine einheitliche Handhabung lassen die Leitlinien der OLG erkennen, soweit es um den einkommensmindernden Vorabzug von Unterhalt für Minderjährige geht bei der Berechnung der Einsatzbeträge der Eltern. Häufig wird in den Leitlinien empfohlen, den Barunterhalt der Minderjährigen bei dem Verpflichteten vorab von seinem Einkommen für die Berechnung seines Haftungsanteils abzuziehen.2 Dies ist auf Kritik gestoßen, denn der Haftungsanteil 1 BGH, FamRZ 2011, 454 Tz. 36 f. 2 So z.B. Nr. 13.3.2 der LL des OLG Hamm, des OLG Frankfurt, OLG Koblenz; BGH, FamRZ 1988, 1039 (1041).
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
des anderen Elternteils, der dem volljährigen Kind ebenfalls Barunterhalt schuldet, wird aufgrund des Vorabzugs größer.1 Vorzugswürdig ist eine Berechnung, die die Gleichrangigkeit der Ansprüche bei der Berechnung der Haftungsanteile berücksichtigt und ein eventuelles Missverhältnis zwischen der Belastung der Eltern bei der abschließenden Angemessenheitskontrolle korrigiert, die letztlich systematisch auch dafür bestimmt ist.2 134
Beispiel V hat für den volljährigen Schüler K1 (4. Altersstufe der DT) und die zwei minderjährigen Kinder K2 und K3 (3. Altersstufe) Barunterhalt zu zahlen. V verdient 2 200 Euro bereinigt, die Mutter M hat ein Einkommen von 1 500 Euro. Sie bezieht das Kindergeld für alle Kinder i.H.v. 184 + 184 + 190 Euro. Das Kindergeld für K3 beinhaltet einen ausgleichspflichtigen Zählkindervorteil. Für den Bedarf von K1 ist von dem Gesamteinkommen der Eltern i.H.v. 3 700 Euro auszugehen. Der Bedarf von K2 und K3 richtet sich nur nach dem Einkommen von V i.H.v. 2 200 Euro. Unterhaltsbedarfsbeträge (DT, Stand 2013/2014) Bedarf des Kindes K1 nach der Einkommensgruppe 7 der DT (ohne Herabstufung): 664 – 184 Kindergeld = 480 Euro Bedarf des Kindes K2 nach der Einkommensgruppe 2 der DT (nach Herabstufung) : 448 – 92 (1/2 Kindergeld) = 356 Euro Bedarf des Kindes K3 nach der Einkommensgruppe 2 der DT (nach Herabstufung) 448 – 95 (1/2 Kindergeld) = 353 Euro 1 189 Euro Kontrolle der Höchstbetragshaftung von V für den Bedarf von K1: Da V für K1 nur maximal i.H.des nach seinem Einkommen bemessenen Bedarfs haftet, ergibt sich für K1 nach einem Einkommen von 2 200 Euro unter Berücksichtigung einer Herabstufung um eine Gruppe wegen der drei Unterhaltspflichten eine maximale Haftung in Höhe von 329 Euro (513 – 184 = 329 Euro), die bei der Berechnung der anteiligen Haftung der Eltern für den Barbedarf von K1 zu beachten ist. Kontrolle der Höchstbetragshaftung von M für den Bedarf von K1: M haftet für den Unterhalt von K1 maximal in Höhe von 300 Euro. Aufgrund ihres Einkommens von 1 500 Euro kommt ein Bedarf von K1 im Höhe von 304 Euro in Betracht nach der 1. Einkommensgruppe der 4. Altersstufe: 488 –184 Kindergeld = 304 Euro. Bei einem angemessenen Eigenbedarf von 1 200 Euro haftet sie bis zu 300 Euro. Berechnung der Haftungsquoten der Eltern nach ihrem verteilungsfähigen Einkommen (Einsatzbeträge): Einsatzbetrag des Vaters: 2 200 Euro – 1 200 Euro = 1 000 Euro 300 Euro Einsatzbetrag der Mutter: 1 500 Euro – 1 200 Euro = Summe der Einsatzbeträge: 1 300 Euro Haftungsanteil des V: 1 000 / 1300 * 480 = 369 Euro Dieser Betrag ist zunächst auf 329 Euro zu kürzen, da V bei alleiniger Inanspruchnahme nach seinem Einkommen nur i.H.v. 329 Euro haften würde. 1 BGH, FamRZ 2002, 815 Tz. 30 ff. 2 An der in der 6. Aufl. vertretenen, sehr viel komplizierteren Berechnung wird nicht mehr festgehalten. Einfacher und systematisch sehr viel überzeugender sind die vom OLG Hamm, FamRZ 2010, 1346 (1347 f.) und OLG Stuttgart, FamRZ 2007, 75 vertretenen Lösungen.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes Der Haftungsanteil der M beträgt: 300 / 1300 * 480 = 111 Euro. Ihr Eigenbedarf ist nicht tangiert. Zwischenergebnis: Insgesamt würde K1 bei dieser Verteilung nur 440 Euro (329 + 111 = 440 Euro), also 40 Euro weniger als sein Bedarf von 480 Euro erhalten. Selbstbehalts- und Angemessenheitskontrolle: V würden bei Abzug der errechneten Unterhaltsbeträge 1 162 Euro verbleiben, so dass sein angemessener Eigenbedarf um 38 Euro unterschritten wäre: 2 200 – 329 – 356 – 353 = 1 162 Euro. M würden nach Abzug von 111 Euro noch 1 389 Euro verbleiben: 1 500 – 111 = 1 389 Euro. Ihr angemessener Eigenbedarf ist gewahrt. K1 würde wegen der Haftungsbegrenzung der Eltern insgesamt 440 Euro erhalten, dies entspricht einem um das Kindergeld gekürzten Bedarf nach der Einkommensgruppe 6 (vorher Einkommensgruppe 7). Im Rahmen einer abschließenden Angemessenheitsprüfung ist nunmehr unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls zu entscheiden, ob und zu wessen Lasten die Lücke bei V von 38 Euro, um die sein angemessener Eigenbedarf unterschritten ist, und die Lücke bei K1 von 40 Euro zu schließen ist. Dies kann geschehen durch eine anteilige Kürzung des Unterhalts der drei Kinder, durch eine stärkere Inanspruchnahme der F und/oder eine Kürzung des Bedarfs von K1. Kriterien für diese Abwägung sind u.a., ob es sich bei dem Unterhalt für die minderjährigen Kinder um gemeinsame Kinder handelt und mit welchen Belastungen für M die Leistung von Betreuungsunterhalt für K2 und K3 und die Ausübung einer Erwerbstätigkeit verbunden ist. Ist der Barunterhalt dagegen für minderjährige Halbgeschwister des K1 bestimmt, wird z.B. zu fragen sein, ob und in welchem Umfang M zuzumuten ist, an der Entlastung des Elternteils mitzuwirken, der für die minderjährigen Halbgeschwister barunterhaltspflichtig ist.
V. Das Unterhaltsbestimmungsrecht der Eltern nach § 1612 Abs. 2 BGB 135
Haben Eltern einem unverheirateten volljährigen Kind Unterhalt zu gewähren, können sie bestimmen, in welcher Art und für welche Zeit im Voraus der Unterhalt gewährt werden soll, sofern auf die Belange des Kindes die gebotene Rücksicht genommen wird. (§ 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB). Der Unterhalt kann somit – muss aber nicht – dem Kind in Form einer monatlich im Voraus zahlbaren Geldrente gewährt werden (§ 1612 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 BGB). Bestimmen die Eltern dagegen Naturalunterhalt, besteht kein Anspruch auf eine monatliche Geldrente. Die Bestimmung muss immer den gesamten Lebensbedarf umfassen (Wohnung, Bekleidung, Verpflegung, Taschengeld),1 wobei Mischformen von Bar- und Naturalunterhalt möglich sind.
136
Zweck dieser Regelung ist, dass die Eltern mit der Gewährung von Wohnung und Verpflegung wirtschaftlich entlastet werden und ihnen außerdem eine bessere Kontrolle und Einflussmöglichkeit über den jungen Erwachsenen verschafft werden soll, als dieses bei Zahlung einer reinen Geldrente möglich ist.2 Das Recht zur Bestimmung steht beiden Eltern gemeinsam bzw. bei getrennt lebenden Eltern – unter Berücksichtigung der Belange des anderen – jedem allein zu. Die einseitige Unterhaltsbestimmung wird nur Bestand haben, wenn das Recht nicht missbräuchlich ausgeübt wird. Dabei sind wirtschaftliche Gründe des an1 BGH, FamRZ 1988, 831 (832). 2 BGH, FamRZ 1981, 251 (252).
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V. Das Unterhaltsbestimmungsrecht der Eltern nach § 1612
deren beachtenswert.1 Bei Streit der Eltern darum, bei wem das Kind leben soll, wird i.d.R. der bisher Barunterhaltspflichtige dem anderen nicht das Recht zum Naturalunterhalt streitig machen können. 137
Beispiele – Der bisher barunterhaltspflichtige V verlangt von seiner studierenden Tochter T, dass sie den Haushalt der M mit Erreichung der Volljährigkeit verlässt, zu ihm zieht und sich von seiner jetzigen Lebensgefährtin, die den Haushalt führt, versorgen lässt. T lehnt dies ab im Hinblick auf die enge Bindung zur Mutter. Die Unterhaltsbestimmung des V ist missbräuchlich und damit unwirksam, selbst wenn sie M vollständig von Unterhaltsleistungen entlasten würde. – K lebte nach der Scheidung der Eltern zunächst bei M, wechselte dann im Alter von 13 Jahren mit seinem Bruder zu V und im Alter von 18 Jahren wieder zu M. Um die Schule nicht wechseln zu müssen, bezog er am Schulort eine Zweitwohnung und wohnte nur an den Wochenenden bei M. K verlangt von V Barunterhalt. V, der noch für 3 weitere Kinder Unterhalt zu leisten hat, bot ihm an, bei ihm in einem separaten Zimmer einer Einliegerwohnung zu wohnen. Hier sprechen gewichtige wirtschaftliche Gründe für das Wohnen bei V, so dass die Bestimmung rechtswirksam ist.2 Der BGH hielt in diesem Fall die Unterhaltsbestimmung nicht für offenkundig missbräuchlich und verwies den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das OLG zurück.
Wenn der Verpflichtete eine zulässige Unterhaltsbestimmung getroffen hat und 138 der Berechtigte den angebotenen Unterhalt nicht annimmt, verliert das Kind den Unterhaltsanspruch, solange die Unterhaltsbestimmung besteht.3 Denn Eltern können zwar ihr volljähriges, in der Ausbildung befindliches Kind nicht zwingen, in der elterlichen Wohnung zu leben. Wenn sie ihm dieses aber anbieten und der Annahme keine schwerwiegenden Gründe entgegenstehen, hat das Kind, wenn es das Angebot ablehnt, keinen Anspruch auf Barunterhalt. Die Unterhaltsbestimmung braucht von den Verpflichteten nicht wörtlich und ausdrücklich erklärt zu werden. Es reicht aus, wenn dem Volljährigen weiterhin tatsächlich Wohnung, Verpflegung und Taschengeld geboten werden. Diese Unterhaltsbestimmung wird nicht dadurch unwirksam, dass das volljährige Kind die Wohnung der Eltern verlässt. Wohnt ein Kind bei einem Elternteil und entsteht dadurch ein Mehrbedarf durch hohe Fahrtkosten zum Studienort, den der andere Elternteil mitbezahlen soll, kann dieser erwarten, dass das Kind am Studienort ein Zimmer nimmt und sich mit dem Regelbetragssatz begnügt, wenn er selbst noch weiteren Unterhaltsberechtigten verpflichtet ist.4 Hält das volljährige Kind die Bestimmung der Eltern für unzumutbar, kann es 139 seit 1.1.2008 nach § 1612 Abs. 1 BGB sogleich auf Zahlung von Barunterhalt klagen und muss nicht mehr – wie vor Inkrafttreten des UÄndG – zunächst in einem gesonderten gerichtlichen Verfahren die Frage der Zumutbarkeit der Unterhaltsbestimmung der Eltern klären.5 Das Familiengericht hat dann im Unterhaltsverfahren als Vorfrage zu prüfen, ob die Barunterhaltspflicht wirksam durch die abweichende Unterhaltsbestimmung der Eltern oder des Elternteils abbedungen ist. Das ist nur dann der Fall, wenn nach § 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB auf die Belange des Kindes die gebotene Rücksicht genommen wurde. Ist die Bestimmung rechtswirksam, hat der Antrag des Kindes auf Zahlung von Barunter1 2 3 4 5
BGH, FamRZ 1988, 831 (833). In Anlehnung an BGH, FamRZ 1988, 831 (832). BGH, FamRZ 1983, 369 (370). BGH, FamRZ 2009, 763, Tz. 27 ff. S. zur Begründung der Gesetzesänderung BT-Drucks. 16/1830, S. 25 f.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
halt keinen Erfolg; ist sie rechtsunwirksam, ist das Gericht an die Bestimmung nicht gebunden und dem Antrag ist – wenn die übrigen Voraussetzungen der Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit gegeben sind – stattzugeben. Die Darlegungsund Beweislast dafür, dass die Unterhaltsbestimmung der Eltern oder eines Elternteils seine eigenen Belange nicht in gebotener Weise berücksichtigt, liegt beim Kind. Betroffen sind von der Gesetzesänderung vor allem volljährige Kinder in der Ausbildung, Schüler und Studenten, die nicht mehr im elterlichen Haushalt leben wollen und Barunterhalt für ihre selbständige Lebensführung benötigen. 140
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Die Bestimmung der Eltern ist rechtsunwirksam, wenn auf die Belange des Kindes nicht die gebotene Rücksicht genommen wurde. Dies ist dann der Fall, wenn die häuslichen Umstände bei dem Unterhaltspflichtigen für das Kind nicht (mehr) zumutbar sind. Maßstab für die Interessenabwägung ist § 1618a BGB, nach dem Eltern und Kinder einander Beistand und Rücksicht schulden. Dabei kommt es für die Abwägung der in einem Spannungsverhältnis stehenden Interessen maßgebend darauf an, wessen Interesse unter Berücksichtigung aller Umstände gewichtiger erscheint. Je anerkennenswerter die Belange der einen Seite sind, umso eher wird es dem anderen i.d.R. zumutbar sein, sich hierauf einzulassen.1 Der Wunsch nach Selbständigkeit und einer eigenen Lebensführung reicht i.d.R. bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aus, um die Unterhaltsbestimmung unwirksam zu machen,2 wohl aber besonders schwierige Familienverhältnisse, die den jungen Erwachsenen in seiner Entwicklung unangemessen hemmen und einschränken. Besondere Gründe sind Entfremdung,3 zerstörtes Vertrauensverhältnis,4 tiefgreifende Differenzen,5 Misshandlungen im Elternhaus, unwürdige Erziehungsmethoden, Auseinanderfallen von wesentlichen Wertvorstellungen. Da der Gesetzgeber bei der Schaffung des Bestimmungsrechts die intakte Familie mit ihren erhaltenswerten Bindungen im Auge hatte,6 wird eine Bestimmung meist dann scheitern, wenn familiäre Bindungen stark gestört oder nicht vorhanden sind.7
Û
1 2 3 4 5 6 7
Praxishinweis: Da das Kind in der Regel nicht in der Lage sein wird, die Verfahrenskosten zu tragen, ist hier vor der Beantragung von Verfahrenskostenhilfe immer daran zu denken, dass volljährige Kinder, jedenfalls im Rahmen ihres Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt, einen Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss gegen die Eltern haben in entsprechender Anwendung von § 1360a Abs. 4 i.V.m. § 1610 Abs. 1 BGB. Dieser ist vorrangig gegenüber dem Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe geltend zu machen, s. Rz. 158 ff. Bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit der Eltern kann auch eine ratenweise Zahlung des Vorschusses beantragt werden.
BGH, FamRZ 2009, 762 (765). OLG Frankfurt, FamRZ 1982, 1231; Palandt/Brudermüller, § 1612 BGB Rz. 12 m.w.N. OLG Hamm, FamRZ 1998, 1195 (1196); OLG Hamburg, FamRZ 1990, 1269 (1270). OLG Hamm, FamRZ 1999, 404. OLG Celle, FamRZ 2007, 762 (763). BayObLG, FamRZ 2000, 976; Palandt/Brudermüller, § 1612 BGB Rz. 12. OLG Celle, FamRZ 2007, 762 (763); KG, FamRZ 2006, 60 (61).
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VI. Beschränkung oder Wegfall des Unterhalts nach § 1611 Abs. 1 BGB
VI. Beschränkung oder Wegfall des Unterhalts nach § 1611 Abs. 1 BGB Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig gewor- 142 den, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht (§ 1611 Abs. 1 S. 1 BGB). Unterhaltsansprüche volljähriger und auch privilegierter volljähriger Kinder können verwirkt werden. Dabei darf die vorwerfbare Handlung nicht während der Zeit der Minderjährigkeit begangen worden sein; denn eine solche darf dem Kind bei fortdauernder Unterhaltsbedürftigkeit nicht entgegengehalten werden (§ 1611 Abs. 2 BGB). Die Frage der Verwirkung stellt sich in der Praxis meist, wenn Kinder drogenabhängig werden, das Eltern-Kind-Verhältnis infolge der Trennung und Scheidung so stark gestört ist, dass Kinder den Kontakt verweigern, sich beleidigend und hasserfüllt gegenüber dem Verpflichteten verhalten oder ihn beim Arbeitgeber oder sonstigen Behörden anschwärzen. Ob das Kind schuldhaft die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt hat, hängt von seiner Einsichtsfähigkeit ab, die durch nachhaltig gestörte Familienverhältnisse auch noch fortwirkend beim volljährigen Kind beeinträchtigt sein kann. 143
Beispiele – Der volljährige Schüler K jobbt neben dem Schulbesuch, da V aufgrund geringer Einkommensverhältnisse den auf ihn entfallenden Unterhalt nur zum Teil zahlen kann. Da K keine ausreichende Auskunft über seine Nebeneinkünfte erteilt, stellt V im Abiturjahr die Unterhaltszahlung ein. K schreibt ihm daraufhin wutentbrannt zum Geburtstag, er wünsche ihm im wahrsten Sinne des Wortes Hals- und Beinbruch. In einem weiteren Brief droht er, die Schwarzarbeit der Ehefrau des V dem Finanzamt mitzuteilen. Obwohl das Verhalten des Jungen mindestens grob beleidigend war, kommt ein Ausschluss gleichwohl nicht in Betracht, weil V früher gewalttätig gegenüber M war, die Familie verließ, um die beste Freundin der M zu heiraten, und V sich nie um eine Bereinigung des Verhältnisses zu seinem Sohn bemüht hatte.1 – Der Sohn, 40 Jahre alt, ist nach einer Phase der Drogenabhängigkeit an Aids erkrankt und erwerbsunfähig. Er nimmt V, der eine Rente von 2 000 Euro bezieht und zu dem er jahrelang keinen Kontakt pflegte, auf Zahlung von Unterhalt in Anspruch. Hier liegt ein sittliches Verschulden des Sohnes vor; denn Drogenkonsum ist strafbar und er musste mit einer Infizierung rechnen. Der Anspruch ist wegen der günstigen Einkommensverhältnisse des V nach Billigkeit zu kürzen. Anders urteilte das OLG Frankfurt in einem Fall, in dem die Alkoholsucht eines 37-Jährigen zu einer dauerhaften Epilepsieerkrankung und Einrichtung einer Betreuung geführt hat, weil ein Schuldvorwurf nicht mehr habe gemacht werden können.2
Die Annahme einer schwerwiegenden vorsätzlichen Verfehlung setzt immer ei- 144 ne umfassende Abwägung aller maßgeblichen Umstände voraus, die auch das eigene Verhalten des unterhaltspflichtigen Elternteils, und zwar sowohl gegenüber dem Kind als auch ggf. gegenüber dem geschiedenen Elternteil, der das Kind jahrelang während seiner Minderjährigkeit versorgt und betreut hat, angemessen zu berücksichtigen hat.3 1 OLG Hamm, FamRZ 1993, 468 zu mehrfachen Beleidigungen; OLG Frankfurt, FamRZ 1995, 1513 mit Hinweis auf die Berücksichtigung der Familiengeschichte. 2 KG, FamRZ 2002, 1357 (1358) und OLG Frankfurt, FamRZ 2011, 226 Tz. 15 f. 3 BGH, FamRZ 1995, 475 f.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
Die Kontaktverweigerung des Kindes gegenüber seinen Eltern reicht nicht aus, um den Unterhalt ganz oder teilweise auszuschließen.1 Die Kürzung oder der Ausschluss von Unterhalt ist kein von § 1611 BGB legalisiertes Mittel des Unterhaltsverpflichteten, um den Umgang mit dem volljährigen Kind zu erzwingen.2 145
Ist der Tatbestand der Verwirkung erfüllt, ist der Unterhalt nach Billigkeit zu kürzen. Neben der Bezifferung des gekürzten Unterhalts im Unterhaltstitel, sollte in den Gründen des Unterhaltsbeschlusses oder des Vergleichs für den Fall einer späteren Abänderung des Unterhaltstitels die Kürzungsquote angegeben werden, also z.B.: „Der Unterhalt war gemäß § 1611 Abs. 1 BGB um 1/3 des Regelsatzes für Volljährige zu kürzen.“ Das Maß der Kürzung hängt von dem Gewicht der vorsätzlichen Verfehlung des Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Unterhaltspflichtigen ab. So hat das OLG Hamm den Unterhaltsanspruch einer Studentin um 1/3 gekürzt, die eine bewusst falsche Strafanzeige gegen den Unterhaltspflichtigen wegen des Vorwurfs der Nötigung im Straßenverkehr erstattet hatte.3 Soweit das Gesetz darüber hinausgehende Sanktionen für die Verfehlung vorhält, sind diese bei der Kürzung zu berücksichtigen: So ist aufseiten des Kindes Erziehungs- oder Elterngeld ausnahmsweise in voller Höhe als Einkommen zu berücksichtigen (§ 9 BErzGG, § 11 BEEG). Vgl. dazu Kap. A Rz. 153. Der Anspruch entfällt ganz, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre (§ 1611 Abs. 1 Satz 2 BGB). Auch kann das Kind den Unterhalt nicht von anderen Verwandten verlangen, wenn ihm der Anspruch gegenüber dem Vater oder der Mutter nach § 1611 BGB versagt worden ist (§ 1611 Abs. 3 BGB).
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Hat der Unterhaltspflichtige trotz des Vorliegens der Voraussetzungen des § 1611 BGB über längere Zeit den Unterhalt gezahlt, kann dies dafür sprechen, dass er seinem Kind verziehen hat.
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Zur Darlegungs- und Beweislast: Die Darlegungs- und Beweislast für die Tatbestandsvoraussetzungen der Verwirkung trifft den in Anspruch genommenen Elternteil. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen nach dem vorgetragenen und unstreitigen Sachverhalt im Unterhaltsprozess vor, sind sie von Amts wegen zu berücksichtigen.
VII. Unterhalt für die Vergangenheit 148
Für die Vergangenheit kann der Berechtigte Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur von der Zeit an fordern, zu welcher der Verpflichtete aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, zu der der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist (§ 1613 Abs. 1 BGB, ausführlich dazu Kap. A 368 ff.).
1 BGH, FamRZ 1995, 475. 2 OLG Düsseldorf, FamRZ 1995, 957. 3 OLG Hamm, NJW-RR 2006, 509–511 = JAmt 2007, 107.
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IX. Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB
Rückwirkend kann Unterhalt für Sonderbedarf binnen eines Jahres nach Entste- 149 hung verlangt werden (§ 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB); außerdem für solche Zeiträume, in denen der Berechtigte aus rechtlichen Gründen keinen Unterhalt verlangen konnte (§ 1613 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a BGB). Unterhalt kann auch rückwirkend verlangt werden, wenn er aus tatsächlichen Gründen, die in den Verantwortungsbereich des Verpflichteten fallen (unbekannter Aufenthalt des Verpflichteten), nicht rechtzeitig gefordert werden konnte (§ 1613 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b BGB). Verzugszinsen für Unterhalt können nur verlangt werden, wenn sich der 150 Schuldner mit der Zahlung in Verzug befindet (§ 286 Abs. 1 BGB). Wegen der Einzelheiten zur Geltendmachung von Verzugszinsen wird auf die Ausführungen unter Kap. A Rz. 372 ff. verwiesen.
VIII. Verjährung Für Unterhaltsansprüche volljähriger Kinder gilt gemäß § 197 Abs. 2 i.V.m. 151 § 195 BGB die Regelverjährungsfrist von 3 Jahren. Maßgeblich für den Fristbeginn ist jeweils das Ende des Jahres, in dem der Anspruch entsteht (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Für titulierte, bis zur Rechtskraft der Entscheidung, bzw. bis zum Abschluss des Vergleichs oder der Errichtung der Urkunde aufgelaufenen Unterhaltsansprüche, gilt die dreißigjährige Verjährungsfrist (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB), für die titulierten zukünftigen Ansprüche gilt die dreijährige Verjährungsfrist. Die Verjährung von Unterhaltsansprüchen kann aus den verschiedensten Gründen gehemmt werden, z.B. während schwebender Verhandlungen über den Anspruch (§ 203 BGB), während des Unterhaltsverfahrens (auch bei Stufenverfahren) sowie des Verfahrenskostenhilfeverfahrens (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 und 14 BGB) oder Zustellung eines Antrags auf einstweilige Anordnung (§ 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB). Zur Berechnung der Verjährungsfristen sowie Darlegungs- und Beweislast s. Kap. A Rz. 387 ff.
IX. Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB Eine Verwirkung des Rechts auf Geltendmachung rückständigen Unterhalts 152 kann nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht kommen, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre (sog. Zeitmoment), und der Verpflichtete sich aufgrund des gesamten Verhaltens des Berechtigten darauf einrichten durfte und darauf eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (sog. Umstandsmoment).1 Der Geltendmachung von rückständigem Unterhalt kann schon vor Ablauf der Verjährung der Einwand der Verwirkung entgegen gehalten werden, wenn Zeit- und Umstandsmoment erfüllt sind. Da Unterhalt für die Vergangenheit ohnehin nur ausnahmsweise geltend gemacht werden kann, weil der Unterhalt der Deckung des notwendigen und aktuellen Lebensbedarfs dient, ist vom Unterhaltsgläubiger eine zeitnahe Durchsetzung der Ansprüche zu erwarten.2 Auch der Schuldnerschutz macht eine zeitliche Beschränkung erforderlich; 1 BGH, FamRZ 2002, 1698 f. 2 BGH, FamRZ 1988, 370.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
denn Unterhaltsrückstände können zu einer drückenden Schuldenlast anwachsen, die die Leistungsfähigkeit des Schuldners hinsichtlich des laufenden Unterhalts beeinträchtigen könnte. Ferner lassen sich in einem Unterhaltsrechtsstreit die für die Einkommensverhältnisse maßgeblichen Zeitabschnitte nach längerer Zeit schwerer aufklären. Es kann deshalb eine Verwirkung des Anspruchs in Betracht kommen, wenn der Unterhaltsberechtigte, nachdem er den Unterhalt angemahnt oder Auskunft zum Zweck der Berechnung des Unterhalts verlangt hat, über einen längeren Zeitraum nichts mehr von sich hören lässt. Der Unterhaltsschuldner muss aufgrund der Umstände angesichts der Untätigkeit darauf schließen können, dass der Berechtigte sein Recht nicht mehr geltend machen würde. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum widerspruchslos eine geringere Unterhaltsforderung als verlangt annimmt und keine Anstalten macht, den Differenzbetrag einzuklagen. Der BGH1 stellt weniger strenge Anforderungen an das Umstandsmoment und hält selbst im Falle eines gesetzlichen Forderungsübergangs schon nach Ablauf eines Jahres der Untätigkeit des Sozialleistungsempfängers eine Verwirkung für möglich.2 153
Auf bereits titulierte Unterhaltsansprüche finden diese Grundsätze der unzulässigen Rechtsausübung ebenfalls Anwendung, denn vom Gläubiger einer titulierten Unterhaltsforderung ist zu erwarten, dass er sie zeitnah durchsetzt.3 Insoweit spielt zwar das Argument der schwierigeren Sachaufklärung keine Rolle, maßgebendes Gewicht kommt jedoch dem Schuldnerschutz zu: Genau wie vom Gläubiger eines noch nicht titulierten Anspruchs ist schon wegen der Zweckbestimmung der Leistung, nämlich den aktuellen Lebensbedarf des Gläubigers zu sichern, eine zeitnahe Durchsetzung der schon vor Fälligkeit titulierten Forderung zu erwarten, damit die Unterhaltsrückstände nicht zu einer drückenden Schuldenlast anwachsen.4 Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber auch für titulierte Unterhaltsansprüche, soweit es sich um wiederkehrende Leistungen handelt, ab deren rechtskräftiger Feststellung keine längere Verjährungsfrist als 3 Jahre vorgesehen (§§ 197 Abs. 2, 201 BGB).
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Das Zeitmoment für die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung kann schon nach Ablauf eines Jahres erfüllt sein. Ob das Umstandsmoment der Verwirkung ebenfalls erfüllt ist, hängt wiederum von den individuellen Verhältnissen ab, u.a. auch davon, ob der Verpflichtete sich schon in seiner Lebensführung auf die Nichtinanspruchnahme eingestellt hat oder der Gläubiger von der Aussichtslosigkeit der Vollstreckung ausgehen konnte.5 Wegen weiterer Einzelheiten der Abwägungskriterien wird auf Kap. A Rz. 378 ff. verwiesen.
1 So der XII. Senat, FamRZ 2002, 1698 (1699); strenger hinsichtlich des Umstandsmoments der VII. Senat, NJW 2003, 824. 2 BGH, FamRZ 2002, 1698 (1699); 1988, 370; KG, FamRZ 1994, 771. Kritisch dazu Büttner, FamRZ 2003, 449 f.; Hußmann, FPR 2003, 153 f. 3 BGH, Urt. v. 10.12.2003 – XII ZR 155/01, FamRZ 2004, 531 ff. 4 BGH, FamRZ 1999, 1422. 5 Der BGH (Urt. v. 10.12.2003 – XII ZR 155/01, FamRZ 2005, 531 [532]) hat keine Verwirkung der Vollstreckungsbefugnis titulierter, noch nicht verjährter Unterhaltsrückstände angenommen, wenn sich der Schuldner aufgrund seines überdurchschnittlichen Verdienstes nicht in seiner Lebensführung auf die Nichtgeltendmachung hat einstellen müssen.
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XII. Verfahrenskostenvorschuss
X. Unterhaltsverträge und Unterhaltsverzicht Hier gelten keine Besonderheiten gegenüber den Ausführungen betreffend das 155 minderjährige Kind, Kap. A Rz. 361 ff. Insbesondere ist auch der Verzicht auf Unterhalt nicht für die Zukunft, sondern lediglich für die Vergangenheit zulässig (§ 1614 Abs. 1 BGB). Freistellungsvereinbarungen zwischen den Eltern sind zulässig, sofern der Unterhaltsanspruch des Volljährigen dadurch nicht berührt wird.
XI. Rangverhältnisse Wenn Eltern wegen ihres eigenen zu geringen Einkommens außerstande sind, 156 die Unterhaltsansprüche mehrerer Bedürftiger – seien es Kinder oder Ehegatten – zu erfüllen, gilt seit 1.1.2008 gemäß § 1609 BGB folgende Rangfolge für die Befriedigung volljähriger privilegierter Kinder und nicht privilegierter Volljähriger: Die minderjährigen unverheirateten Kinder und ihnen gleichgestellte volljährige Schüler bis zum 21. Lebensjahr, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben, gehen allen anderen Unterhaltsberechtigten im Rang vor (§ 1609 Nr. 1 BGB). Danach folgen im zweiten Rang kinderbetreuende Eltern, egal ob sie verheiratet sind oder nicht, neben verheirateten oder geschiedenen Ehegatten, deren Ehe von langer Dauer ist und im dritten Rang Ehegatten, die nicht in den 2. Rang fallen (§ 1609 Nr. 2 und 3 BGB). Erst im vierten Rang folgen volljährige Kinder, soweit sie nicht unter Nr. 1 fallen (§ 1609 Nr. 4 BGB). Dies bedeutet bei knappen Mitteln, wenn nicht alle Unterhaltsansprüche befriedigt werden können, dass die volljährigen nicht privilegierten Kinder nur insoweit Anspruch auf Unterhalt haben, als nach der Befriedigung der Ansprüche der vorrangig Berechtigten noch Geld vorhanden ist. 157
Beispiel V hat ein bereinigtes Einkommen von 1 600 Euro. Nach Abzug des Unterhalts für den studierenden Sohn i.H.v. 400 Euro würden für den Unterhalt der getrennt lebenden Ehefrau, die über keine eigenen Einkünfte verfügt, nur 100 Euro übrig bleiben. Führt der Vorwegabzug des Unterhalts eines volljährigen Kindes, das gegenüber dem Ehegatten nachrangig unterhaltsberechtigt ist, zu einem Missverhältnis des Anspruchs des Ehegatten, entfällt der Vorwegabzug des Kindesunterhalts, so dass sich ein Anspruch der Frau i.H.v. 500 Euro ergibt. Denn der angemessene Unterhalt würde ohne Vorwegabzug des Kindesunterhalts 686 Euro (1 600 Euro × 3/ 7 = 686 Euro) betragen, von dem V nur 500 Euro zahlen muss, wenn der ihm zustehende Selbstbehalt 1 100 Euro beträgt. S geht in dem Fall leer aus. Allerdings könnten sich V und seine Frau auch auf einen Vorabzug des Kindesunterhalts einigen, den das Gericht bei seiner Berechnung respektieren würde.1
XII. Verfahrenskostenvorschuss Ein volljähriges Kind kann von seinen Eltern einen Verfahrenskostenvorschuss 158 in entsprechender Anwendung des § 1360a Abs. 4 i.V.m. § 1610 Abs. 1 BGB verlangen, wenn es noch keine eigene, von den Eltern unabhängige Lebensstellung erlangt hat und sich in der Ausbildung befindet. Im Gesetz ist ein Anspruch auf Kostenvorschuss zwar explizit nur zwischen Ehegatten geregelt. Hier ist § 1360a Abs. 4 BGB entsprechend anwendbar, denn die Unterhaltsrechtsbeziehung zwischen Eltern und volljährigem Kind ist – jedenfalls in der Zeit der Ausbildung – 1 BGH, FamRZ 2009, 1300 (1304).
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197
B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
ähnlich wie die zwischen Ehegatten noch durch ein besonders hohes Maß an Verantwortung und Opferbereitschaft aufseiten des Verpflichteten geprägt.1 Dies gilt sowohl für das privilegierte2 als auch das nicht privilegierte volljährige Kind. Zwar ist die Inpflichtnahme der Eltern, für den Unterhalt minderjähriger und privilegierter volljähriger Kindern aufzukommen, noch strenger (§ 1603 Abs. 2 BGB), gleichwohl ist die entsprechende Anwendung von § 1360a Abs. 4 BGB auch auf in der Ausbildung befindliche Volljährige geboten, die nicht mehr zu Hause leben und noch ohne eigene Lebensstellung sind, d.h. ohne Beruf, eigenes Einkommen und Vermögen. Denn bei ihnen besteht ebenfalls noch eine wirtschaftliche Unselbständigkeit und Abhängigkeit von den Eltern, die mit einer zwar graduell abgeschwächten, aber noch vergleichbaren Verantwortlichkeit der Eltern korrespondiert. So können die Eltern die Art der Unterhaltsgewährung gemäß § 1612 Abs. 2 BGB weitgehend bestimmen, was die starke Abhängigkeit des Kindes kennzeichnet, müssen im Gegenzug aber auch noch erhebliche Einschränkungen insbesondere in ihren finanziellen Dispositionen hinnehmen, um den Fortgang der Ausbildung des Kindes zu sichern. 159
Die Geltendmachung eines Vorschusses gemäß § 1360a Abs. 4 BGB knüpft an nachfolgende anspruchseinschränkende Voraussetzungen an, deren Geltung auch im Verhältnis Eltern/Kind sinnvoll ist. So besteht ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss nur, wenn der Berechtigte bedürftig, der Schuldner leistungsfähig ist und der Rechtsstreit eine persönliche Angelegenheit betrifft. Schließlich muss die Gewährung eines Verfahrenskostenvorschusses der Billigkeit entsprechen. Der Billigkeit entspricht die Inanspruchnahme des Verpflichteten u.a. nur dann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg haben wird.3 Prüfungsmaßstab für die hinreichende Erfolgsaussicht sind die zu § 114 ZPO von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, die im Familiengerichtsverfahren entsprechend anwendbar sind (§ 76 FamFG, s. Kap. K Rz. 152 ff.). Ist der verpflichtete Elternteil nur eingeschränkt leistungsfähig, so dass er den Vorschuss nur in Raten aufbringen könnte, ist auch die Auferlegung einer ratenweisen Bezahlung möglich, wobei als Maßstab für die Bemessung der Höhe der Raten auf die Grundsätze im Prozesskostenhilfeverfahren zurückgegriffen werden kann. Da es sich beim Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss um einen unterhaltsrechtlichen Anspruch handelt, muss dem Verpflichteten allerdings der ihm nach unterhaltsrechtlichen – und nicht nach den in der Verfahrenskostenhilfe üblichen sozialrechtlichen – Grundsätzen zustehende Selbstbehalt verbleiben. Das ist hier im Rechtsverhältnis Eltern/volljähriges Kind der angemessene Eigenbedarf nach § 1603 Abs. 1 BGB.4 Ist der Verpflichtete zur Zahlung des Vorschusses in Raten leistungsfähig, kann die Bewilligung von Verfahrenskos-
1 So BGH, FamRZ 2005, 883 mit Anm. Borth. Dies entspricht der überwiegenden Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung; vgl. u.a. OLG Zweibrücken, FamRZ 1996, 981 f. mit Rechtsprechungsnachweisen auch für die abweichende Meinung; OLG Hamm, DAVorm 1995, 1011 f.; OLG Köln, FamRZ 2000, 757; OLG Hamm, FamRZ 2000, 255; Wendl/Dose/Scholz, § 6 Rz. 26. 2 Für volljährige privilegierte Schüler vgl. OLG Hamm, NJWE-FER 1999, 120. 3 BGH, NJW 2001, 1646 (1647) = FamRZ 2001, 1363. 4 BGH, FamRZ 2004, 1633 (1634 f.). Der angemessene Eigenbedarf beträgt nach dem Stand 1.1.2014 1 200 Euro. Der aktuelle Stand ist jeweils aufrufbar unter der Anm. A Nr. 5 der DT und Nr. 21.3.1 der LL.
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XII. Verfahrenskostenvorschuss
tenhilfe mit Ratenzahlung in Höhe der Vorschusszahlungen für das unterhaltsberechtigte Kind im Hauptverfahren in Betracht kommen.1 Als Vorschuss kann i.d.R. für den Anwalt des Kindes der anwaltliche Gebühren- 160 vorschuss gemäß § 9 RVG einschließlich Nebenkosten (2,5 Anwaltsgebühren gemäß VV 3100, 3104 zzgl. Auslagenpauschale von 20 % der Gebühren, max. 20 Euro, und Umsatzsteuer auf die Vergütung gemäß VV 7002, 7008) verlangt werden (s. dazu das Beispiel Kap. K Rz. 91 ff.). Will das Kind den Unterhalt im einstweiligen Anordnungsverfahren geltend ma- 161 chen, kann ihm nicht Verfahrenskostenhilfe mit dem Hinweis auf den Kostenvorschuss verweigert werden, wenn eine kurzfristige Durchsetzung des Vorschussanspruchs zweifelhaft ist.2
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Praxishinweis: Wird im Kindesunterhaltsverfahren Verfahrenskostenhilfe 162 beantragt, muss zunächst vor Antragstellung geprüft werden, ob ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss gegenüber den Eltern besteht, denn insoweit handelt es sich um einen vermögenswerten Anspruch, der vorrangig gegenüber den Eltern geltend zu machen ist und die Bedürftigkeit i.S.v. § 115 Abs. 1 ZPO ausschließt. Kommt aufgrund der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern eine Verfahrenskostenvorschusspflicht in Betracht, kann der Anspruch im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß §§ 246 Abs. 1 FamFG sowohl gegen den Antragsgegner des Hauptverfahrens als auch gegenüber dem nicht am Unterhaltsverfahren beteiligten Elternteil geltend gemacht werden. Da es sich seit 1.9.2009 bei den einstweiligen Anordnungsverfahren um selbständige Verfahren handelt, die nicht mehr Teil des Hauptsacheverfahrens sind, kann der Anspruch auf Vorschuss auch von dem nicht an der Hauptsache beteiligten Elternteil mit der einstweiligen Anordnung nach § 246 Abs. 1 FamFG erstritten werden, ohne dass der Anspruch gegen ihn auch als Hauptsache verfolgt werden muss, vgl. dazu Kap. K Rz. 178 ff. Für das einstweilige Anordnungsverfahren besteht kein Anwaltszwang und es kann dafür Verfahrenskostenhilfe beantragt werden. Kann der Verfahrenskostenvorschuss nur in Raten gezahlt werden, empfiehlt es sich auch für das Unterhaltshauptverfahren Verfahrenskostenhilfe zu beantragen. Das Gericht kann dann Verfahrenskostenhilfe mit Ratenzahlung mit der Maßgabe bewilligen, dass die vom Vorschussschuldner erlangten Vorschussleistungen an die Staatskasse abzuführen sind. In jedem Fall sollte ein Verfahrenskostenhilfeantrag des Kindes im Unterhaltsverfahren – vor allem im Interesse einer Verfahrensbeschleunigung – Angaben dazu enthalten, warum eine Vorschusspflicht der Eltern nicht und wenn ja in welchem Umfang in Betracht kommt, denn das Gericht hat die Bedürftigkeit auch unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen. Bei fehlenden Angaben muss mit einer Zurückweisung des Antrags gerechnet werden.
1 BGH, FamRZ 2004, 1633 ff.; m. Anm. Viefhus, 1635 ff.; Zöller/Geimer, § 115 ZPO Rz. 66. 2 BVerfG, FamRZ 2010, 530.
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C. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder Inhaltsübersicht Rz.
Rz.
I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Anspruchsvoraussetzungen. . . . . . 1. Bedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedürftigkeit – berücksichtigungsfähige eigene Einkünfte . . . . 3. Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Kindes – angemessener Eigenbedarf, Familienbedarf, 50 %-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . .
2 4
d) Die leistungserhöhende Zurechnung von Familienunterhalt – sog. Schwiegersohnhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 e) Einsatz von Vermögen . . . . . . . . 81 f) Berechnung der Haftungsanteile mehrerer Geschwister . . . . . . 91
III. Die Berechnung des Unterhalts . . 1. Prüfungsschema für die Berechnung des Elternunterhalts . . . . . . . 2. Bedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedürftigkeit – Anrechnung eigener Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Kindes – Klärung seines Einkommens . . . . . . . . . . . . . . 5. Zur Vertiefung: Typische Probleme bei der Zurechnung und Bereinigung des Einkommens des unterhaltspflichtigen Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abzug von Unterhaltsverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abzug von anderen Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fiktives Einkommen . . . . . . . . .
5
23 32 32 33 38 40
IV. Probleme beim gesetzlichen Forderungsübergang auf den Sozialhilfeträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Der Forderungsübergang nach §§ 93, 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. . . . 96 2. Folgen des Anspruchsübergangs. . . 106 3. Ausschluss des gesetzlichen Forderungsübergangs wegen unbilliger Härte nach § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 V. Beschränkung oder Wegfall des Unterhalts nach § 1611 BGB . . . . . 117 VI. Rangverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . 119 VII. Unterhalt für die Vergangenheit . . 120
43 45
VIII. Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB . . . . . . . . . 124 IX. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
54 72
X. Prozesskostenvorschuss . . . . . . . . . 128
I. Einleitung In der Praxis spielen Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder vor al- 1 lem dann eine Rolle, wenn die Eigenmittel nach Eintritt in den Ruhestand für den allgemeinen Lebensbedarf nicht ausreichen oder die Eltern pflegebedürftig werden und die hohen Pflegekosten nicht mit ihrem Einkommen aus Rente und Pflegeversicherung abdecken können. Meist übernimmt das Sozialamt vorläufig die Kosten und greift später aus übergegangenem Recht auf die Kinder zurück.
II. Anspruchsvoraussetzungen Eltern sind unterhaltsberechtigt, wenn sie außerstande sind, sich selbst zu unter- 2 halten (§ 1602 Abs. 1 BGB). Sie haben einen Anspruch auf angemessenen Unterhalt. Dabei ist für die Bestimmung ihres Bedarfs auf ihre eigene Lebensstellung abzustellen, die auch die obere Grenze bildet (§ 1610 Abs. 1 BGB). Letztlich sind für die Höhe des tatsächlich zu zahlenden Unterhalts aber die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten und die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten maßgebend; denn nach der Ermittlung des Lebensbedarfs ist eigenes Einkommen der Eltern auf den Bedarf mindernd anzurechnen. Für den verbleibenden ungedeckten Bedarf Ehinger
201
C. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
haften die Kinder als Verpflichtete nur nach ihrem Leistungsvermögen unter Wahrung ihres eigenen angemessenen Unterhaltsbedarfs (§ 1603 Abs. 1 BGB).1 Dabei haften mehrere Kinder immer nur als Teil- und nicht als Gesamtschuldner für den Elternunterhalt (§ 1606 Abs. 3 BGB). Die Eltern tragen für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs, also das Verwandtschaftsverhältnis, die Höhe des Bedarfs, ihre Bedürftigkeit einschließlich deren Dauer die Darlegungsund Beweislast, nicht hingegen für die Leistungsfähigkeit der in Anspruch genommenen Kinder. Denn das Gesetz geht zunächst von dem Grundsatz aus, dass Verwandte in gerader Linie verpflichtet sind, einander Unterhalt zu gewähren und sie nur im Ausnahmefall zur Leistung von Unterhalt außerstande sein werden.2 Für alle die Leistungsfähigkeit mindernden oder ausschließenden Umstände obliegt deshalb dem Kind als Unterhaltsschuldner die Darlegungs- und Beweislast.3 Bei mehreren unterhaltspflichtigen Kindern obliegt dem Berechtigten allerdings die Darlegungs- und Beweislast für die Haftungsanteile der Kinder, die als Teilschuldner für den Unterhalt haften. Ist nur eines der Kinder leistungsfähig, muss dargelegt und im Falle des Bestreitens im Unterhaltsverfahren bewiesen werden, dass die anderen Kinder nicht leistungsfähig sind. Zur Klärung der Frage steht den Eltern ein Auskunftsanspruch gegenüber ihren Kindern über deren Einkommensund Vermögensverhältnisse zu (§ 1605 BGB, vgl. Kap. I Rz. 5). 3
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Praxishinweis: Auch wenn Eltern im Unterhaltsverfahren keine Angaben zur Leistungsfähigkeit des in Anspruch genommenen Kindes machen müssen, empfiehlt sich vor Einleitung eines Unterhaltsverfahrens die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners zu klären. Denn scheitern die gestellten Zahlungsanträge später ganz oder teilweise an der Leistungsunfähigkeit des Kindes, wirkt sich dies bei den Verfahrenskosten zu Lasten des unterlegenen Antragstellers aus, § 243 Nr. 1 FamFG. Nur wenn Eltern das Kind vorgerichtlich zur Auskunftserteilung aufgefordert haben und es dieser Aufforderung nicht oder nicht ausreichend nachgekommen ist, kann das Gericht dies bei der nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenregelung nach § 243 Nr. 2 FamFG (entspricht § 93d ZPO a.F.) trotz des Unterliegens zugunsten des Antragstellers berücksichtigen.
1. Bedarf 4
Der unterhaltsbedürftige Elternteil hat Anspruch auf angemessenen Unterhalt. Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (§ 1610 Abs. 1 BGB). Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf (§ 1610 Abs. 2 Satz 1 BGB), also sämtliche Kosten für die allgemeine Lebensführung, die von den individuellen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen des Berechtigten bestimmt werden. Dazu gehören, wenn der Unterhaltsberechtigte noch allein lebt, u.a. die Miete für die Wohnung, Ernährung, Bekleidung, Beiträge für die Krankenkasse und Pflegeversicherung. Ist er pflegebedürftig und lebt in einem Pflegeheim, umfasst der Bedarf auch die Kosten für die Unterbringung und Versorgung im Pflegeheim, soweit diese nicht durch die Versicherungen abgedeckt werden.4 Grundsätzlich gilt deshalb, dass der ange1 2 3 4
BGH, FamRZ 2002, 1698 (1701). Baumgärtel/Aps, vor § 1603 ff. Rz. 1; BGH, FamRZ 1981, 347 (348). Palandt/Brudermüller, § 1601 Rz. 19 ff.; Baumgärtel/Aps, vor §§ 1601 ff. Rz. 1. BGH, FamRZ 2013, 203 Tz. 15; 2013, 363 Tz. 15; 2010, 1535 Tz. 13 f.; 2004, 1370 (1371).
202 Ehinger
II. Anspruchsvoraussetzungen
messene Bedarf nach den individuellen Verhältnissen zu bestimmen ist. Dabei richtet sich der Bedarf nach Eintritt der Eltern in den Ruhestand nicht nach ihren früheren Einkommensverhältnissen, die meist durch Einkünfte aus Erwerbstätigkeit bestimmt waren, sondern nach den danach gegebenen i.d.R. bescheideneren tatsächlichen Mitteln.1 Denn eine Garantie auf Erhalt des bisherigen Lebensstandards bietet der Verwandtenunterhalt nicht. Mindestens ist ihr Bedarf jedoch so zu bemessen, dass das Existenzminimum sichergestellt wird. So kann bei einfachen Verhältnissen als untere Grenze des Bedarfs auf den notwendigen Eigenbedarfssatz abgestellt werden, der am sozialhilferechtlichen Existenzminimum ausgerichtet ist. Er beträgt nach dem Stand 1.1.2014 für nicht Erwerbstätige 800 Euro und Erwerbstätige 1 000 Euro.2 Der BGH hat den notwendigen Eigenbedarf als Bezugsgröße aus Vereinfachungsgründen als untere Grenze des Bedarfs gebilligt.3 2. Bedürftigkeit – berücksichtigungsfähige eigene Einkünfte Bevor Eltern ihre Kinder in Anspruch nehmen, müssen sie eigene Einkünfte da- 5 zu verwenden, ihren Bedarf zu decken. Decken die eigenen Einkünfte den Bedarf, besteht nach § 1602 Abs. 1 BGB kein Unterhaltsanspruch. Anrechenbar auf den Bedarf sind sämtliche Einkünfte des Berechtigten wie z.B. 6 Renten, Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, Unterhaltsansprüche gegenüber dem vorrangig unterhaltspflichtigen Ehegatten, Vermögenserträge, Erträge aus Verwertung des Vermögens, Wohnvorteil beim Wohnen im Eigenheim oder bei einem Wohnrecht, Sozialleistungen, soweit sie nicht subsidiär gewährt werden, Wohngeld,4 soweit es nicht erhöhte Wohnkosten abdeckt, Pflegegeld nach dem Landespflegegeldgesetz,5 Leistungen der Pflegeversicherung.6 Die monatlichen Leistungen der Pflegeversicherung betragen seit 1.1.2012 ge- 7 mäß §§ 36, 43 SGB XI (i.d. Fassung vom 28.5.2008): bei ambulanter Pflege
bei stationärer Pflege
Pflegestufe 1
bis zu 450 Euro
bis 1 023 Euro
Pflegestufe 2
bis zu 1 100 Euro
bis 1 279 Euro
Pflegestufe 3
bis zu 1 550 Euro
bis 1 550 Euro
1 BGH, FamRZ 2003, 860 (861). 2 Vgl. zur Höhe des notwendigen Eigenbedarfssatzes für den jeweils maßgeblichen Zeitraum Anm. B V der DT, der dem notwendigen Eigenbedarf gegenüber dem minderjährigen Kind entspricht, Anm. A Nr. 5 der DT = Nr. 21.2 der LL, in dem 360 Euro Wohnkosten enthalten sind. 3 BGH, FamRZ 2003, 860 (861); für den Mindestbedarf nach § 1615l BGB BGH, FamRZ 2010, 357 Tz. 38; für den Mindestbedarf beim Nacheheunterhalt BGH, FamRZ 2010, 629 Tz. 39. 4 BGH, FamRZ 1982, 587 (589); 1984, 772 (774); 2003, 860 (862). 5 Brudermüller, NJW 2004, 633 (634). 6 Hat der Unterhaltspflichtige Zweifel am Verbrauch des Pflegegeldes, trägt er die Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf § 1610a BGB. Nach Auffassung des OLG Hamm, NJW-FER 1999, 294, ist die gesetzliche Vermutung des § 1610a BGB schon widerlegt bei nicht bestimmungsgemäßem Verbrauch; kritisch dazu Griesche, FPR 2004, 693. Zu den Anforderungen an die Änderung der Darlegungs- und Beweislast bei § 1610a BGB Liceni-Kierstein, FPR 2010, 140 (142).
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203
C. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
8
Bei der Ermittlung der bedarfsmindernden Einkünfte sind folgende Besonderheiten zu beachten:
9
Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsrente) sind in der Regel anrechenbares Einkommen. Nach § 41 Abs. 1 SGB XII haben Eltern ab Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bei dauerhaft eingetretener Erwerbsminderung Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung, wenn sie ihren Unterhalt nicht aus ihren Einkünften und Vermögen bestreiten können. Die Grundsicherung umfasst für Alleinstehende den Regelsatz nach §§ 42 Nr. 1 i.V.m. 28 SGB XII. D.h. die Leistungshöhe orientiert sich grundsätzlich an den Regelbedarfen, die in Regelbedarfsstufen unterteilt sind und bei Erwachsenen die Anzahl der Personen im Haushalt sowie die Führung des Haushalts berücksichtigen (§ 27a Abs. 2 SGB XII, s. dazu Kap. A Rz. 111 ff.).
10 Im SGB XII ist sowohl das Verfahren zur Neuermittlung als auch Fortschreibung
der Leistungshöhe der Regelbedarfe geregelt. Danach werden nach § 28 SGB XII die Regelbedarfe anhand bundesweiter Einkommens- und Verbrauchsstichproben in einem Bundesgesetz für das Bundesgebiet insgesamt ermittelt, dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) und sind dann – wenn im folgenden Jahr keine Neuermittlung nach § 28 SGB XII erfolgt –, Grundlage für den in § 28a SGB XII geregelten Fortschreibungsmodus. 11 Nach dem Stand 1.1.2014 liegt der Regelbedarf der Stufe 1 bei 391 Euro.1 Hinzu
kommen die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, die Kosten für Krankenkasse und Pflegeversicherung soweit keine Pflichtversicherung besteht, sowie gegebenenfalls bei Schwerbehinderung Zuschläge zum Regelsatz. 12 Bezieht der unterhaltsbedürftige Elternteil Leistungen der Grundsicherung, sind
diese im Verhältnis zum unterhaltspflichtigen Kind anrechenbares Einkommen des bedürftigen Elternteils, wenn ein Rückgriff des Leistungsträgers auf die unterhaltspflichtigen Kinder nicht möglich ist.2 Unterhaltsansprüche der Eltern gegen ihre Kinder bleiben unberücksichtigt, d.h. ein Rückgriff des Leistungsträgers auf die Kinder kommt nicht in Betracht, wenn die unterhaltspflichtigen Kinder ein jährliches Gesamteinkommen haben, das unter 100 000 Euro liegt (§ 43 Abs. 3 SGB XII, § 16 SGB IV, § 2 EStG). Dabei bezieht sich die Einkommensgrenze auf das steuerpflichtige Gesamteinkommen eines jeden unterhaltspflichtigen Kindes.3 Nach § 43 Abs. 3 Satz 2 SGB XII gilt eine Vermutung, dass das Einkommen unterhaltspflichtiger Kinder den Grenzbetrag nicht überschreitet. Zur Widerlegung der Vermutung kann der Leistungsträger von dem leistungsberechtigten Elternteil Auskunft über die Einkommensverhältnisse der Kinder verlangen und ist darüber hinaus bei ausreichenden Anhaltspunkten auch berechtigt, von den Kindern selbst Auskunft über ihre Einkommensver1 Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2014, Anlage zu § 28 SGB XII, gültig ab 1.1.2014. 2 Nr. 2.9 der Leitlinien. 3 Das BSG hat im Urteil v. 25.4.2013 – B 8 SO 21/11 R, juris = SuP 2013, 707 die lange strittige Frage, ob sich das Gesamteinkommen in § 43 Abs. 3 SGB XII auf das Einkommen beider unterhaltspflichtiger Eltern bzw. mehrerer Kinder jeweils auf alle Unterhaltspflichtigen zusammen oder nur auf einen Unterhaltspflichtigen bezieht, im letzteren Sinne entschieden. Ebenso OLG Brandenburg, JAmt 2006, 262 ff.; Hußmann, FPR 2004, 534 (540); Günther, FPR 2005, 461 ff. m.w.N.
204 Ehinger
II. Anspruchsvoraussetzungen
hältnisse und die Vorlage entsprechender Belege zu verlangen (§ 43 Abs. 2 SGB XII). Übersteigt das Einkommen der Kinder diesen Grenzbetrag, ist die Vermutung widerlegt und der Anspruch der Eltern auf Grundsicherung entfällt. Beispiel M bezieht eine Rente von 400 Euro und hat Mietkosten von 300 Euro. Sie hat zwei Kinder. Der Sohn S verdient brutto 110 000 Euro, ihre Tochter 50 000 Euro. M hat keinen Anspruch auf Grundsicherung wegen der Höhe des Einkommens ihres Sohnes. Bis zur Klärung und Zahlung des Unterhalts hat sie Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 27 ff. SGB XII. Diese gilt im Verhältnis zu ihren Kindern nicht als bedarfsdeckendes Einkommen. Der Unterhaltsanspruch gegen die Kinder geht deshalb bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen1 gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auf den Sozialhilfeträger kraft Gesetzes über, der bei den Kindern Rückgriff nehmen kann.
Unterhaltsbedürftige Eltern trifft die unterhaltsrechtliche Obliegenheit, vor der 13 Inanspruchnahme der Kinder ihren Anspruch auf Grundsicherung geltend zu machen, wenn deren Einkommen unter 100 000 Euro liegt. Tun sie dies nicht, kann insoweit ein fiktives Einkommen in Höhe der beanspruchbaren Grundsicherung auf den Bedarf angerechnet werden.2 Die Haftungsbegrenzung nach § 43 Abs. 3 SGB XII gilt nur für das Unterhaltsrechtsverhältnis Eltern-Kind und ist nicht anwendbar auf Unterhaltsansprüche gegenüber Ehegatten (Rz. 20, Kap. E Rz. 56).
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Praxishinweis: Zahlen Kinder laufend Unterhalt und beantragt ein Elternteil 14 Grundsicherung, ist zu beachten, dass damit dem Elternteil bereite Mittel zur Befriedigung seines Bedarfs zur Verfügung stehen, die der Leistungsträger bedarfsmindernd auf die Grundsicherung anzurechnen hat.3 In dem Fall kann der Vorteil der Gewährung einer Grundsicherungsrente nur ausgeschöpft werden, wenn die Kinder ausdrücklich den Elternteil auf die Inanspruchnahme der Grundsicherung verweisen und die Zahlungen nur unter Vorbehalt erfolgen, dass keine Grundsicherung gewährt wird. Besteht bereits ein Unterhaltstitel über den Elternunterhalt, besteht die Möglichkeit des Abänderungsverfahrens nach §§ 238 ff. FamFG (§ 323 ZPO a.F.), s. Kap. K Rz. 327 ff.
Führt der bedürftige Elternteil noch einen eigenen Haushalt und bezieht er 15 Wohngeld, kann eine Anrechnung des Wohngeldes in Betracht kommen. Dabei kommt es auf folgende Differenzierung an: Der Anteil des Wohngeldes, der dazu dient erhöhte Wohnkosten auszugleichen, ist nicht bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Übersteigt das Wohngeld jedoch den unterhaltsrechtlich als überhöht zu bewertenden Betrag, ist der Differenzbetrag vom Bedarf abzuziehen. Erhöht sind die Wohnkosten, die den im notwendigen Eigenbedarfssatz (Rz. 4) enthaltenen Wohnkostenanteil übersteigen.4 1 Wegen der Miete geht der Unterhaltsanspruch nur wegen eines Teils der Aufwendungen (44 %) kraft Gesetzes über, 56 % unterliegen nicht der Rückforderung. Ausgenommen sind davon Kosten für Heizung und Warmwasser, vgl. §§ 94 Abs. 1 Satz 6 i.V.m. 105 Abs. 2 SGB XII. 2 OLG Hamm, FamRZ 2004, 1807 fiktives Einkommen aus Grundsicherung für erwerbsunfähiges Kind; OLG Saarbrücken, FamRB 2005, 102 für Elternunterhalt; Scholz, FamRZ 2007, 1160 (1161) (Anm. zu BGH, FamRZ 2007, 1158); Hußmann, FPR 2004, 534, 540; Klinkhammer, FamRZ 2002, 997; Herr, FamRZ 2005, 1021 (1022); Günther, FPR 2005, 461 ff.; OLG Hamm, FamRZ 2004, 1807. 3 BGH, FamRZ 2007, 1158 ff. m. Anm. Scholz, S. 1160, 1161. 4 Das sind 360 Euro, Anm. A Nr. 5 der DT, Stand 1.1.2014.
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C. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
16 Beispiel Die 70-jährige M macht einen Mindestbedarf von 800 Euro geltend. Ihre Miete beträgt 400 Euro, sie bezieht Wohngeld i.H.v. 100 Euro. Da der Mietkostenanteil in dem Mindestbedarfssatz 360 Euro beträgt (vgl. Anm. A Nr. 5 der DT, Stand 1.1.2014), die tatsächliche Miete den Mindestbetrag um 40 Euro übersteigt, ist das Wohngeld in Höhe von 60 Euro vom Bedarf abzuziehen. Denn es werden nur 40 Euro benötigt, um die unterhaltsrechtlich als erhöht geltenden Wohnkosten auszugleichen.1 Sie hat einen Bedarf von 740 Euro.
17 Soweit Vermögen vorhanden ist, müssen nicht nur die Erträge z.B. in Form von
Zinsen für den Unterhalt verwendet werden, sondern es muss der Vermögensstamm – bis auf einen Schonbetrag (Rz. 18) – verwertet werden.2 Dies ergibt der Umkehrschluss aus der Regelung in § 1602 Abs. 2 BGB, nach der minderjährige Kinder, deren Einkünfte aus Vermögen nicht zum Unterhalt ausreichen, Unterhalt von den Eltern verlangen können. Von minderjährigen Kindern wird eine Verwertung des Vermögensstamms vor der Inanspruchnahme der Eltern ausdrücklich nicht verlangt. Da das Gesetz diese privilegierende Regelung nur für minderjährige Kinder und nicht für andere Verwandte vorsieht, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber hier absichtlich differenziert hat. Als Regelfall wird deshalb beim Verwandtenunterhalt von dem Berechtigten erwartet, dass er vor einer Inanspruchnahme des Verpflichteten zunächst seinen Bedarf aus eigenen Einkünften oder der Verwertung seines Vermögens bestreitet. Eine analoge Anwendung der Minderjährigenregelung kommt aufgrund dieser Gesetzessystematik zugunsten der Eltern nicht in Betracht. 18 Ausnahmsweise gilt dies dann nicht, wenn aufgrund besonderer Tatsachen die
Verwertung im Einzelfall grob unbillig und damit unzumutbar wäre, wobei immer auch die Lage des Verpflichteten mit zu berücksichtigen ist.3 Den Eltern ist jedoch ein sog. Notgroschen für eventuell auftretenden Sonderbedarf als Vermögensreserve zu belassen, dessen Bemessung sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet. Mindestens aber sollte ihnen das Vermögen verbleiben, das nach den Vorschriften des Sozialhilferechts als unverwertbares Vermögen gilt.4 Bezogen auf Barmittel liegt der Freibetrag seit 1.1.2005 bei 2 600 Euro (§ 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1a der DVO). Abweichend davon hat das OLG Köln ein Sparvermögen in Höhe von 4 500 DM ausnahmsweise dann für verwertbar gehalten, wenn der Berechtigte im Alter von 88 Jahren bettlägerig ist und im Pflegeheim versorgt wird, so dass ein darüber hinausgehender Bedarf nicht mehr vorstellbar sei.5 Auch die Vorhaltung von Beerdigungskosten können dem Schonvermögen zugeordnet werden.6 Mindestens sind jedoch insoweit eingegangene Verbindlichkeiten zu berücksichtigen. 19 Anrechenbar sind auch vermögenswerte Ansprüche wie Rückgewähransprüche
aus Schenkungsrecht. Hat der Unterhaltsbedürftige sein Vermögen in Form von Wertpapieren, eines Sparguthabens oder Grundstücks vor Eintritt der Bedürftigkeit an seine Kinder, Enkel oder Dritte übertragen, kommt ein Rückforderungsanspruch wegen Notbedarfs gegenüber den Beschenkten gemäß § 528 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn die Beschenkten für den Unterhalt nicht aufkommen 1 2 3 4 5 6
BGH, FamRZ 2003, 860 (862). BVerfG, NJW 1957, 154; BGH, FamRZ 1957, 120; OLG Düsseldorf, FamRZ 1990, 1137. BGH, FamRZ 1998, 367. BGH, FamRZ 2004, 370 (371) zu § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG. OLG Köln, 27. Senat, FamRZ 2001, 437. BGH, FamRZ 2004, 374 unter Hinweis auf Paletta, FamRZ 2001, 1639 f.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
wollen oder können. Der Anspruch entsteht mit der Bedürftigkeit des Schenkers und ist gerichtet auf wiederkehrende Leistungen in Höhe des Bedarfs, bis der Wert des Schenkungsgegenstandes erschöpft ist.1 Er ist ausgeschlossen, wenn die Bedürftigkeit erst 10 Jahre nach der Leistung des geschenkten Gegenstandes eintritt (§ 529 BGB). Unerheblich ist, worauf die Bedürftigkeit zurückzuführen ist. Der Anspruch unterliegt der Regelverjährung von 3 Jahren. Springt der Sozialhilfeträger für den Unterhalt ein, kann er den Anspruch gemäß § 93 SGB XII auf sich überleiten, der Anspruch kann aber auch auf ihn übertragen werden. Für die Entstehung und Wirksamkeit der Überleitung des Anspruchs nach § 528 BGB müssen die Voraussetzungen des Rückforderungsanspruchs des zu Lebzeiten verarmten Schenkers zum Zeitpunkt der Bewilligung der Sozialleistung durch den Sozialhilfeträger vorgelegen haben. Spätere Veränderungen seiner wirtschaftlichen Verhältnisse oder sein Tod beeinträchtigen nicht den übergeleiteten Anspruch.2 Dieser Anspruch ist – anders als ein übergegangener Unterhaltsanspruch – vor dem allgemeinen Zivilgericht und nicht vor dem Familiengericht einklagbar, denn es handelt sich nicht um eine sonstige Familiensache im Sinne der §§ 111 Nr. 10, 266 FamFG. Dies gilt jedenfalls dann, wenn er nicht im Zusammenhang mit einem familienrechtlich geregelten Rechtsverhältnis der Beteiligten steht. Machen die Beschenkten geltend, nicht mehr bereichert zu sein (§ 818 Abs. 3 BGB), tragen sie dafür die Darlegungs- und Beweislast.3 Veräußern sie z.B. ein geschenktes Grundstück, nachdem ihnen bekannt wird, dass der Schenker Sozialhilfeleistungen erhält, sind sie mit dem Einwand der Entreicherung ausgeschlossen (§ 819 BGB). Auf den Bedarf sind auch Unterhaltsforderungen anzurechnen, die der anspruch- 20 stellende Elternteil gegen seinen getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten hat. Bevor sich Eltern an ihre Kinder halten, müssen sie zunächst ihren Ehegatten auf Zahlung in Anspruch nehmen (§ 1608 Satz 1 BGB); denn die Kinder haften nur ersatzweise nach dem Ehegatten des anspruchstellenden Elternteils. Dies gilt auch, wenn die Ehe der Eltern geschieden ist (§ 1584 Satz 1 BGB). Nur wenn der Ehegatte nicht oder nur teilweise leistungsfähig ist, greift die Ersatzhaftung der Kinder (§ 1608 Satz 2, § 1584 Satz 2 BGB i.V.m. § 1607 Abs. 2 und 4 BGB). Bei der Inanspruchnahme des vorrangig unterhaltspflichtigen Ehegatten ist zu 21 berücksichtigen, dass diesem ein angemessener Eigenbedarf zusteht, dessen Höhe sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen bestimmt. Der angemessene Eigenbedarf des Ehegatten des anspruchstellenden Elternteils liegt nach den Leitlinien, Stand 1.1.2014,4 bei 1 100 Euro und damit deutlich niedriger als der Eigenbedarf unterhaltspflichtiger Kinder gegenüber den Eltern, der 1 600 Euro beträgt (Rz. 26).5 Der Grund für die Abweichungen liegt in den unterschiedlichen Maßstäben hinsichtlich der Einstandspflicht für den anderen; denn Unterhaltsberechtigte sind in unterschiedlichem Maße auf Unterhalt angewiesen und zur Selbsthilfe in der Lage, ferner müssen unterhaltspflichtige Kinder – anders als der Ehegatte des Unterhaltsberechtigten – meist nicht mit einer Inanspruchnahme rechnen, da Eltern i.d.R. für ihr Auskommen im Alter vorsorgen. 1 2 3 4 5
BGH, NJW 2003, 2449; BGH, NJW-RR 2003, 53, 54; BGH, FamRZ 1996, 483. BGH, NJW 2003, 2449 (2450). BGH, FamRZ 1995, 160 (162); BGH, NJW 2003, 2448 (2450). Nr. 21.4 der LL und Anm. B IV der DT. Nr. 21.3.4 der LL und Anm. B VI. 1.c.
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C. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
22 Nur wenn die Rechtsverfolgung gegen den Ehegatten im Inland ausgeschlossen
oder erheblich erschwert ist, können die Kinder zuvor in Anspruch genommen werden; auf diese geht dann der Anspruch gegen den Ehegatten kraft Gesetzes über (§ 1607 Abs. 2 Satz 2 BGB in entsprechender Anwendung i.V.m. § 1584 BGB). Sie können deshalb im eigenen Namen Rückgriff beim Ehegatten nehmen und auf Zahlung des von ihnen verauslagten Unterhalts klagen. 3. Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Kindes – angemessener Eigenbedarf, Familienbedarf, 50 %-Methode 23 Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Ver-
pflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren (§ 1603 Abs. 1 BGB). 24 Ob der Unterhaltspflichtige zur Zahlung des Bedarfs leistungsfähig ist, hängt von
dem ihm zur Verfügung stehenden Einkommen und Vermögen ab, das um Verbindlichkeiten zu bereinigen ist. Dabei steht ihm selbst ebenfalls ein nach seiner Lebensstellung angemessener Unterhalt als Eigenbedarf zu. Der angemessene Eigenbedarf richtet sich nach den individuellen Verhältnissen seiner Lebensstellung. Da das Gesetz keine konkreten Werte zum angemessenen Eigenbedarf des Unterhaltspflichtigen angibt, ist dieser individuell zu bestimmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Unterhaltsberechtigte mehr als eine gleichmäßige Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel von dem Verpflichteten nicht verlangen kann, denn nicht nur der Berechtigte, sondern auch der Pflichtige hat Anspruch auf angemessenen Unterhalt (§ 1610 Abs. 1 und § 1603 Abs. 1 BGB). Es ist ein allgemein anerkannter Grundsatz im Unterhaltsrecht, der wiederum aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt (s. Kap. A Rz. 40), dass die Bedürftigkeit des Berechtigten nicht in der Weise gemindert oder beseitigt werden darf, dass der Verpflichtete am Ende bedürftiger ist als der Berechtigte.1 25 In der Rechtsprechung besteht Einigkeit, dass den unterhaltspflichtigen Kindern
als angemessener Eigenbedarf ein deutlich höherer Selbstbehalt gegenüber den Eltern zuzugestehen ist, als dies umgekehrt der Fall ist, wenn Eltern an ihre Kinder Unterhalt zahlen sollen. Denn anders als bei der Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber Kindern müssen Kinder sich in ihrer Lebensplanung nicht von vornherein darauf einstellen, dass die Eltern einmal unterhaltsbedürftig werden.2 Eltern haben i.d.R. für ihren angemessenen Lebensbedarf im Alter Vorsorge getroffen. Ein überdurchschnittlich hoher Unterhaltsbedarf entsteht meist erst bei schweren Krankheiten, die aber i.d.R. nicht vorhersehbar sind. Hinzu kommt, dass Elternunterhalt den anderen Unterhaltsansprüchen im Rang nachgeht (§ 1609 Nr. 6 BGB). 26 Diese Besonderheiten des Unterhaltsrechtsverhältnisses rechtfertigen es, einen
weniger strengen Haftungsmaßstab zugunsten des Pflichtigen anzuwenden.3 Deshalb haben die seit Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes (1.7.1998) in zweiter Instanz zuständigen OLG den angemessenen Selbstbehalt für unterhaltspflichtige Kinder um etwa 25 % höher festgesetzt als den angemessenen Selbstbehalt für Eltern gegenüber volljährigen Kindern, was der BGH 1 BVerfG, FamRZ 2001, 1685; Göppinger/Strohal, 7. Aufl., Rz. 369. 2 BGH, FamRZ 1992, 795. 3 So zuletzt BGH, FamRZ 2002, 1698 (1700 ff.).
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II. Anspruchsvoraussetzungen
gebilligt hat.1 Nach den Leitlinien beträgt der angemessene Selbstbehalt gegenüber Eltern in 2013/2014 mindestens 1 600 Euro, wobei darin ein Mietanteil von 450 Euro für Warmmiete enthalten ist.2 Bei den Selbstbehaltssätzen des Unterhaltspflichtigen handelt es sich nach den Leitlinien um Mindestbeträge. Insoweit gilt wie für alle Selbstbehaltssätze, dass diese nur einen Orientierungsrahmen darstellen, den der Tatrichter verpflichtet ist zu verlassen, wenn andere Lebensverhältnisse zu beurteilen sind, als sie den Pauschalsätzen zugrunde gelegt worden sind.3 Neben dem Eigenbedarfssatz des Unterhaltspflichtigen machen die Leitlinien 27 unter Nr. 22.3 auch Vorgaben für den Mindestbedarf des mit dem Unterhaltsschuldner zusammenlebenden Ehegatten in Höhe von 1 280 Euro / 1 300 Euro, darin sind 350 Euro Kosten für Wohnung und Heizung enthalten.4 Die Differenz zwischen den Eigenbedarfssätzen der Ehegatten beträgt 14 % und trägt der Haushaltsersparnis Rechnung, die sich erfahrungsgemäß aufgrund des gemeinschaftlichen Wirtschaftens ergibt. Der Familienbedarf beträgt für den Verpflichteten und seinen Ehegatten zusammen 2 880 Euro. Der Mindestbedarf eines vom Pflichtigen getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten beträgt gegenüber den Eltern des Verpflichteten 1 600 Euro (Nr. 23.3 und Anm. B VI.1. c) der DT). Zu beachtender Maßstab bei der Entscheidung über das unterhaltsrechtlich für 28 den Elternunterhalt zur Verfügung stehende Einkommen ist, dass die dem Verpflichteten abverlangte Schmälerung seines Einkommens aufgrund der geringeren Anforderungen an seine Einstandspflicht nicht zu einer spürbaren und dauerhaften Senkung seines berufs- und einkommenstypischen Unterhaltsniveaus führen darf. Schützenswert ist dabei nicht ein nach den Verhältnissen unangemessener Aufwand der Lebensführung. Bei der Bestimmung des angemessenen Eigenunterhalts ist die Erfahrung zu berücksichtigen, dass üblicherweise die Lebensführung an die zur Verfügung stehenden Mittel angepasst wird, bei durchschnittlichen Einkommensverhältnissen also ein einfacherer Lebensstandard anzutreffen ist als bei gehobeneren und hohen Einkommensverhältnissen.5 Deshalb kann sich der angemessene Eigenbedarf nach den Leitlinien in Einzelfällen erhöhen,6 bei kurzfristiger Inanspruchnahme aber auch verringern. Darüber hinaus kann der Unterhaltspflichtige i.d.R. die Hälfte des über dem Ei- 29 genbedarf liegenden bereinigten Nettoeinkommens für sich beanspruchen. Denn für die Verteilung des über dem Selbstbehalt liegenden Einkommens hat sich in der Praxis der Gerichte durchgesetzt, dass das über dem angemessenen Eigenbedarf liegende Mehreinkommen nur bis zu 50 % für den Elternunterhalt einzusetzen ist.7 Diese auf einem Vorschlag des Deutschen Familiengerichtstags8 beruhende Handhabung steht im Einklang mit einer verbreiteten Praxis der Sozialhilfeträger, nur einen Teil des über dem Selbstbehalt liegenden Ein1 2 3 4 5 6 7 8
BGH, FamRZ 2006, 1511, Tz. 22. Anm. D. I. der DT und Nr. 21.3.3 der LL (Stand 1.1.2014). BGH, FamRZ 1982, 365 (366); 1985, 354 (356); 1992, 795 ff. 1280 Euro Anm. D. I. der DT nach dem Stand 1.1.2014; nach Nr. 22.3 der LL 1280 oder 1 300 Euro. BGH, FamRZ 2002, 1698 (1700 ff.). BGH, FamRZ 2002, 1698; OLG Hamm, FamRZ 1999, 1533 f. Nr. 21.3.3 der Leitlinien der OLG. Vorschlag des Deutschen Familiengerichtstags, FamRZ 2000, 274 (I.4a).
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C. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
kommens für den Unterhalt zu beanspruchen. Der BGH hat die 50 %-Regelung in seiner Entscheidung vom 23.10.20021 als eines der möglichen Mittel des Tatrichters gebilligt, das über dem Selbstbehalt liegende Einkommen angemessen zwischen den Beteiligten zu verteilen. 30 Beispiel S hat ein um berufsbedingte Aufwendungen und weitere berücksichtigungsfähige Belastungen bereinigtes Einkommen von monatlich 4 000 Euro. Seine Mutter lebt im Pflegeheim. Es entstehen Kosten für Pflege und Wohnen, die nach Abzug ihrer eigenen geringen Einkünfte und der Pflegeversicherung noch monatlich 1 500 Euro betragen. Der Sozialhilfeträger, der die Kosten verauslagt, will sie von S erstattet haben. S ist in Höhe von 1 200 Euro leistungsfähig: 4 000 Euro Einkommen – 1 600 Euro angemessener Eigenbedarf = 2 400 Euro / 2 = 1 200 Euro. S verbleiben 2 800 Euro. Ohne den Verteilungsschlüssel von 50 % ergäbe sich eine Haftung für die volle Höhe des Bedarfs. Kann S einen höheren Eigenbedarf z.B. wegen höherer Mietkosten als in dem Eigenbedarfssatz zugrunde gelegt geltend machen, muss er diesen darlegen und beweisen. Seine Leistungsfähigkeit verringert sich dann entsprechend.
31 Die Grundsatzentscheidungen des BGH zur Billigung der 50 %-Methode und Be-
messung der Selbstbehaltssätze beim Elternunterhalt haben zu einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung und damit zu einer größeren Rechtssicherheit geführt, denn sie werden auch von den Sozialhilfeträgern beachtet, für die bei der Inanspruchnahme des unterhaltspflichtigen Kindes für erbrachte Leistungen auch die unterhaltsrechtlichen Haftungsmaßstäbe gelten (vgl. dazu Rz. 106).
III. Die Berechnung des Unterhalts 1. Prüfungsschema für die Berechnung des Elternunterhalts 32
Prüfungsschema 1. Wie hoch ist der angemessene Unterhaltsbedarf des Berechtigten? a) Klärung des angemessenen Bedarfs nach der Lebensstellung des Berechtigten, § 1610 Abs. 1 BGB (pauschal als Mindestbedarf oder durch konkrete Bedarfsberechnung) b) Abzug sämtlicher eigenen Einkünfte des Berechtigten vom Bedarf. c) Zwischenergebnis: ungedeckter Bedarf des Berechtigten. 2. Ist der Verpflichtete zur Zahlung des ungedeckten Bedarfs leistungsfähig (§ 1603 Abs. 1 BGB? a) Klärung des Durchschnittsnettoeinkommens des Verpflichteten aus Erwerbstätigkeit und Vermögen b) Bereinigung des Einkommens durch Abzug berufsbedingter Aufwendungen, vorrangiger Unterhaltspflichten (§ 1609 BGB) und berücksichtigungswürdiger Verbindlichkeiten. c) Hat der Verpflichtete kein Einkommen, kann die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht kommen, wenn eine Erwerbstätigkeit zumutbar und möglich ist. d) Zwischenergebnis: bereinigtes Einkommen des Verpflichteten.
1 BGH, FamRZ 2002, 1698 (1700 ff.); 2003, 1179 (1182).
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III. Die Berechnung des Unterhalts
e) Von dem bereinigten Einkommen ist der angemessene Eigenbedarf des Verpflichteten in Höhe von mindestens 1 600 Euro abzuziehen.1 Das verbleibende über dem angemessenen Selbstbehalt liegende bereinigte Einkommen des Verpflichteten steht i.d.R. hälftig für den geltend gemachten Elternunterhalt zur Verfügung. Abschließend ist das Ergebnis auf seine Angemessenheit unter Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten des Einzelfalls zu prüfen und ggfs. nach unten oder oben zu korrigieren. 3. Ergebnis: zu zahlender Unterhalt. 2. Bedarf Zunächst ist aufzulisten, wie hoch der allgemeine Lebensbedarf ist. Dies kann 33 durch Angabe der konkreten Kosten geschehen, die für Nahrung, Kleidung, Hygiene, Wohnen und Krankenvorsorge entstehen. Bei bescheidenen Verhältnissen ist eine Auflistung entbehrlich und der Bedarf kann in Höhe des notwendigen Eigenbedarfs nach den Leitlinien geltend gemacht werden. In den typischen Fällen der Unterbringung im Pflegeheim ist die Notwendigkeit der Heimunterbringung darzulegen und ebenfalls eine konkrete Bedarfsbestimmung vorzunehmen. Der Bedarf wird i.d.R. mit den Heimunterbringungskosten identisch sein, so dass es ausreicht, die Heimkosten aufzuschlüsseln und genau zu beziffern.2 Hinzukommt ein Taschengeld zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse, es sei denn, es fehlt die Fähigkeit zur selbstbestimmten Verwendung.3 34
Beispiel Die 80-jährige M lebt seit 1.2.2002 im Altenheim, weil sie sich nicht mehr selbst versorgen kann. Der Tagessatz im Pflegeheim beträgt 80 Euro, so dass sich für die Pflegekosten ein durchschnittlicher mtl. Bedarf von 2 432 Euro (80 * 30.4 Tage) ergibt. Ferner entstehen Krankenkassenkosten, so dass der Bedarf mit einem kleinen Taschengeld insgesamt 2 600 Euro beträgt.
Die Gleichsetzung der entstehenden Heimkosten mit dem angemessenen Be- 35 darf ist jedoch nicht zwingend, denn die Auswahl des Heims hängt wegen erheblicher Kostenunterschiede von den finanziellen Möglichkeiten des Berechtigten und des Verpflichteten ab.4 Generell wird man von dem Berechtigten, der auf Unterhalt angewiesen ist, erwarten können, dass er ein kostengünstiges Heim auswählt.5 Letztlich ist aber entscheidend dafür, ob die Kosten dem angemessenen Bedarf des Unterhaltsberechtigten entsprechen, dass sie in einem adäquaten Verhältnis zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Berechtigten – auch unter Berücksichtigung früherer Lebensverhältnisse – stehen. Bei einem eher bescheidenen Lebensstil wird ein kostengünstiges Heim zumutbar sein. Bei guten wirtschaftlichen Verhältnissen, von denen auch die Kinder in der Vergangenheit partizipiert haben, werden Kosten eines gehobenen Heimniveaus angemessen sein. Das OLG Schleswig räumt den Eltern insoweit einen Entscheidungsspielraum ein, mit der – überzeugenden – Begründung, dass Eltern, die 1 2 3 4
Zur Höhe des angemessenen Eigenbedarfs vgl. jeweils Nr. 21.3.3 der Leitlinien. BGH, FamRZ 2013, 363 Tz. 15; 2004, 1370 (1371); 2002, 1698. BGH, FamRZ 2013, 203 Tz. 24; 2010, 1535. Griesche, FPR 2004, 693 (695 m.w.N.); Brudermüller, NJW 2004, 633 (634); a.A. Müller, FPR 2003, 611 (614). 5 Heiß/Born/Hußmann, Kap. 13, Rz. 21 f.
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211
C. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
ihren Kindern die Ausbildung finanziert haben und deren ausbildungsbezogene Entscheidungen hinzunehmen hatten, ein entsprechend großzügiger Entscheidungsspielraum bei der Gestaltung ihrer Versorgung im Alter eingeräumt werden müsse.1 Ebenfalls von Bedeutung für die Auswahl sind Nähe zum Ehegatten, den Kindern, sonstigen Verwandten, die sich noch kümmern. 36 Der BGH differenziert in dieser Frage: Grundsätzlich ist der angemessene Bedarf
– und damit auch das Kostenniveau der Heimunterbringung – ausschließlich abhängig von der aktuellen Lebenssituation des Berechtigten selbst. D.h. wenn der Elternteil im Alter sozialhilfebedürftig geworden ist, beschränkt sich sein angemessener Bedarf auf das Existenzminimum und damit auch nur auf eine einfache und kostengünstige Heimunterbringung.2 Dass das unterhaltspflichtige Kind in besseren Verhältnissen lebt, hat auf den Bedarf der Eltern keinen Einfluss. Es muss ausnahmsweise jedoch dann höhere Kosten tragen, wenn der Elternteil zunächst die höheren Heimkosten noch selbst zahlen konnte, erst später hilfebedürftig wurde und ihm nun ein Wechsel in ein kostengünstigeres Heim nicht mehr zumutbar ist. 37 Die Darlegungs- und Beweislast für den Bedarf liegt beim Unterhaltsbedürfti-
gen. Lebt er im Heim, ist der Bedarf offenkundig und entspricht den dort entstehenden Kosten, soweit sie nicht durch eigene Einkünfte gedeckt werden.3 Will das unterhaltspflichtige Kind die Kosten wegen preisgünstigerer Alternativen bestreiten, muss es dies substantiiert tun, d.h. es muss konkret darlegen, dass eine kostengünstigere Möglichkeit der Versorgung und Pflege in einem anderen Heim besteht.4 Es ist dann Sache des Berechtigten, ggfs. des Leistungsträgers, der aus übergegangenem Recht den verauslagten Unterhalt erstattet verlangt, die Notwendigkeit der Kosten darzulegen und zu beweisen, also dass z.B. keine kostengünstigere Unterbringung möglich war und ist. Für die Entscheidung über die Notwendigkeit und Angemessenheit der Kosten spielt auch eine Rolle, ob dem Pflegebedürftigen z.B. wegen seines Gesundheitszustands tatsächlich noch ein Umzug in ein kostengünstigeres Heim zugemutet werden kann, und er noch fähig wäre, sich veränderten Verhältnissen anzupassen. Kosten sind ebenfalls dann nicht unangemessen, wenn Eltern den Heimaufenthalt zunächst selbst finanzieren konnten und ihnen dies erst durch eine höhere Pflegestufe nicht mehr möglich geworden ist. Hat das Kind zudem bei der Auswahl des Heims mitgewirkt, wäre der Einwand schon deshalb unbeachtlich, weil er gegen das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens verstößt (§ 242 BGB)5 3. Bedürftigkeit – Anrechnung eigener Einkünfte 38 Auf den ermittelten Bedarf sind alle eigenen Einkünfte des Berechtigten, auch
aus Versicherungsleistungen, anzurechnen. 39 Beispiele 1. Der Bedarf der pflegebedürftigen M beträgt 2 600 Euro. M hat eine eigene Altersrente i.H.v. 400 Euro und bezieht Leistungen aus der Pflegeversicherung für die Pflegestufe 1 1 OLG Schleswig, NJW-RR 2004, 866 (867). 2 BGH, FamRZ 2013, 203 Tz. 17 f. 3 Ständige Rechtsprechung des BGH: FamRZ 2013, 263; 2010, 203 Tz. 16; 2010, 1535; 2004, 1370 (1371). 4 BGH, FamRZ 2010, 203 Tz. 20 f.; 2002, 1698. 5 BGH, FamRZ 2010, 203 Tz. 18; OLG Schleswig, OLGR 2009, 382 ff.
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III. Die Berechnung des Unterhalts i.H.v. 1 023 Euro. Nach Abzug dieser Einkünfte verbleibt ein ungedeckter Bedarf von mtl. 1 177 Euro. 2. M lebt in ihrer Wohnung, hat eine Rente von 500 Euro, Mietkosten von 400 Euro und benötigt Hilfe bei der Pflege. Die von ihr angestellte F verlangt 500 Euro. M erhält ein Pflegegeld von 410 Euro. Ihr Bedarf beträgt insgesamt 1 340 Euro (800 Euro Mindestbedarf incl. Wohnkostenanteil von 360 Euro1 + 40 Euro erhöhte Wohnkosten + 500 Euro Pflegekosten = 1 340 Euro). Ihr ungedeckter Bedarf beträgt 430 Euro (1 340 – 500 Euro Rente – 410 Euro Pflegegeld). (Zur unterhaltsrechtlichen Behandlung des Pflegegeldes s. Kap. A Rz. 71 – Pflegegeldleistungen.)
4. Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Kindes – Klärung seines Einkommens Die Leistungsfähigkeit hängt maßgeblich davon ab, in welcher Höhe der Ver- 40 pflichtete sein Einkommen für den Unterhalt zur Verfügung zu stellen hat. Die Klärung und Bereinigung des Einkommens um Verbindlichkeiten erfolgt nach den in Kap. A Rz. 68 ff. dargestellten Grundsätzen. In der Regel soll von dem um Verbindlichkeiten bereinigten Einkommen des Verpflichteten nach Abzug eines pauschalierten Eigenbedarfs von 1 600 Euro die Hälfte für den ungedeckten Unterhaltsbedarf des bedürftigen Elternteils zur Verfügung stehen (Rz. 26, Rz. 29 f.): 41
Beispiele 1. M hat einen ungedeckten Bedarf i.H.v. 1 177 Euro. Ihr Sohn S hat ein Einkommen von 2 000 Euro und Wohnkosten von 600 Euro. Der angemessene Eigenbedarf, der nach den LL 1 600 Euro inklusive 450 Euro Wohnkosten beträgt, erhöht sich für S um 150 Euro wegen höherer Wohnkosten auf 1 750 Euro. Es verbleiben 350 Euro, die in Höhe von 175 Euro für den Elternunterhalt zur Verfügung zu stellen sind. 2. M hat einen ungedeckten Bedarf von 400 Euro. Ihre Tochter T hat als Krankenschwester ein Einkommen von 1 800 Euro. Sie hält sich wegen ihres Schichtdienstes einen PKW, der alsbald erneuert werden müsste. Dafür bildet sie Sparrücklagen i.H.v. mtl. 100 Euro. Bei Anerkennung der Sparraten, müsste T mtl. 50 Euro Elternunterhalt zahlen.
In welcher Höhe der Unterhalt letztlich zu zahlen ist, hängt damit entscheidend 42 davon ab, welche Einkünfte des unterhaltspflichtigen Kindes aus Erwerbstätigkeit und Vermögen unterhaltsrechtlich als relevantes Einkommen zu behandeln sind und welche Verbindlichkeiten unter Berücksichtigung der Anforderungen an die Einstandspflicht für den Elternunterhalt einkommensmindernd anzuerkennen sind. 5. Zur Vertiefung: Typische Probleme bei der Zurechnung und Bereinigung des Einkommens des unterhaltspflichtigen Kindes Bei der Klärung des für den Unterhalt zur Verfügung zu stellenden Einkommens 43 des Verpflichteten ergeben sich die meisten Streitigkeiten; denn von dem Ergebnis hängt ab, wie viel Unterhalt zu zahlen ist. Hier stellen sich immer wieder folgende Fragen: Kann der Unterhalt für Kinder und Ehegatten vorab abgezogen werden und wie hoch ist er zu bemessen? Welche Ausgaben sind einkommensmindernd zu berücksichtigen und nicht schon Teil des Selbstbehalts? Welche Verbindlichkeiten dürfen einkommensmindernd berücksichtigt werden? Muss Vermögen angegriffen werden? 1 Anm. A 5 der DT.
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C. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
44 Für die Einkommensermittlung des unterhaltspflichtigen Kindes gelten die in
Kap. A Rz. 68 ff. und für die Bereinigung des Einkommens die in Kap. A Rz. 214 ff. dargestellten allgemein gültigen Grundsätze. Die nachfolgenden Ausführungen befassen sich mit den Besonderheiten, die sich für die Bereinigung des Einkommens und die Anforderungen an die Verwertung von Vermögen aus der geringeren Einstandspflicht der Kinder für den Unterhalt der Eltern bei der Einkommensbestimmung ergeben. a) Abzug von Unterhaltsverbindlichkeiten 45 Vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen sind immer abzuziehen die Unter-
haltsverbindlichkeiten gegenüber vorrangig Unterhaltsberechtigten. Vorrangig unterhaltsberechtigt sind der Ehegatte,1 die Abkömmlinge des Verpflichteten sowie die Mutter eines nichtehelichen Kindes des Verpflichteten (§ 1609 BGB, s.a. Rz. 119). 46 Die Höhe des Unterhalts für vorrangig berechtigte Kinder richtet sich nach dem
titulierten Zahlbetrag, wenn sie nicht im Haushalt des Verpflichteten leben. Besteht kein Unterhaltstitel, muss der geschuldete Unterhalt nach der DT und anhand des Einkommens des barunterhaltspflichtigen Verpflichteten berechnet werden. Für die Einstufung in die Einkommensgruppe der Unterhaltstabelle ist aufseiten des Verpflichteten zu berücksichtigen, wie viel Personen er unterhaltspflichtig ist. Dazu zählt auch die Unterhaltspflicht gegenüber den Eltern, obwohl sie Kindern gegenüber nachrangig ist, denn die Rangfolge ist erst im Mangelfall von Bedeutung. Ist der Tabellenunterhalt ermittelt, ist nur der jeweilige Zahlbetrag abzuziehen, d.h. der geschuldete Tabellenunterhalt abzüglich des anteiligen Kindergelds (§ 1612b BGB).2 Ob tatsächlich im Rahmen des Elternunterhalts auch der Zahl- und nicht der Tabellenbetrag abgezogen wird, ist vom BGH bisher noch nicht entschieden worden. Soweit der BGH dies bereits für die Bedarfsermittlung beim Ehegattenunterhalt befürwortet hat, trägt die Begründung auch beim Elternunterhalt, nämlich dass der Gesetzgeber in § 1612b BGB verbindlich geregelt hat, dass das (anteilige) Kindergeld eigenem Einkommen des Kindes gleichstellt und auf seinen Bedarf anzurechnen ist.3 Es ist deshalb auch nicht als Einkommen des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen. Lebt das Kind mit dem Verpflichteten und dem anderen Elternteil in einem Haushalt, ist der Tabellenunterhalt nach dem zusammengezogenen Einkommen der Eltern zu bestimmen und der von dem Unterhaltspflichtigen aufzubringende Unterhalt durch Quotelung nach dem Verhältnis der Einkommen beider Eltern zu ermitteln (s. Kap. A Rz. 264). Auch insoweit ist Berechnungsgrundlage der ermittelte Tabellenunterhalt abzüglich des Kindergelds. 47 Unterhalt für einen getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten richtet sich
nach dem zu zahlenden Unterhalt, der meist tituliert ist. Lebt der Verpflichtete mit seinem Ehegatten zusammen und ist dieser unterhaltsbedürftig, steht auch dem Ehegatten ein Anspruch auf angemessenen Unterhalt zu. 1 Der angemessene Bedarf des in Hausgemeinschaft mit dem Verpflichteten lebenden Ehegatten beträgt nach den Leitlinien, soweit er dort bestimmt ist, ca. 1 280 Euro, so dass ein Familienbedarf i.H.v. insgesamt 2 880 Euro besteht, in dem 800 Euro Wohnkosten enthalten sind (Stand 1.1.2014). 2 BGH, FamRZ 2009, 1300, Tz. 49 ff. 3 BGH, FamRZ 2009, 1300, Tz. 49 ff.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
Der Bedarf des mit dem Unterhaltspflichtigen zusammen lebenden Ehegatten 48 ist nach der Rechtsprechung des BGH als Geldrente nach den Grundsätzen zu berechnen, die für die Berechnung des Trennungs- und nachehelichen Unterhalts gelten (§§ 1361 Abs. 1, 1578 Abs. 1 BGB vgl. Kap. E Rz. 177 ff. und Kap. F Rz. 340 ff.), obwohl der Anspruch des Ehegatten auf Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360a BGB nicht auf Zahlung einer Geldrente gerichtet ist.1 Mindestens steht dem mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten nach Nr. 22.3 der Leitlinien als angemessener Unterhalt ein Betrag von 1 280 Euro zu; in diesem Betrag ist eine Warmmiete von 350 Euro enthalten.2 In dem Gesamtbedarf der Ehegatten von 2 880 Euro sind Mietkosten von 800 Euro incl. Nebenkosten enthalten. Übersteigt das zur Verfügung stehende Einkommen des unterhaltspflichtigen Kindes und seines Ehegatten den Familienmindestbedarf nicht, ist Elternunterhalt wegen fehlender Leistungsfähigkeit nicht zu zahlen. Bei höheren Einkünften ist der Bedarf des Ehegatten, dem nach dem Grundsatz 49 der Halbteilung die Hälfte des Gesamteinkommens – soweit es nicht in die Vermögensbildung fließt – zusteht, nach der Rechtsprechung des BGH immer individuell zu berechnen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn er über dem Mindestbedarf nach den Leitlinien liegen würde. Er ist zu errechnen nach den prägenden ehelichen Lebensverhältnissen der Ehegatten (§§ 1361 Abs. 1, 1578 Abs. 1 BGB), d.h. unter Abzug der anzuerkennenden Verbindlichkeiten und vorrangiger Unterhaltspflichten. Insoweit stellt sich die Frage, ob vom Einkommen des Verpflichteten der Elternunterhalt, soweit er die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat (§ 1578 Abs. 1 BGB), vorweg abzuziehen ist mit der Folge, dass sich dadurch der Bedarf des Ehegatten und damit sein Anspruch auf eheangemessenen Unterhalt mindert.3 Nachdem der BGH zunächst einen Vorabzug dann für gerechtfertigt hielt, wenn die ehelichen Lebensverhältnisse von der Unterhaltslast für den Elternteil bereits geprägt waren, wenn also die Unterhaltsbedürftigkeit schon bei der Heirat bestand oder vorhersehbar war oder schon Unterhaltsleistungen für den bedürftigen Elternteil erbracht wurden4, sieht er nunmehr – jedenfalls bei unteren und mittleren Einkommensverhältnissen, bei denen eine Quotenberechnung in Betracht kommt –, davon ab.5 Damit soll eine Benachteiligung des Ehegatten bei seinem Anspruch auf angemessenen Unterhalt vermieden werden, die sich zwangsläufig durch den Vorabzug des Elternunterhalts ergibt. Diskussionsstoff liefert bei der Berechnung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen auch die Frage, wie die Haushaltsführungsersparnis zu berücksichtigten ist, wenn er mit seinem Ehegatten zusammenlebt. Da nach der Lebenserfahrung die Ersparnis sich bei höheren Einkommen der Ehegatten, die den Familienbedarfssatz von 2 880 Euro übersteigen, höher liegt als bei 14 % (Differenz zwischen den Eigenbedarfssätzen der Ehegatten), sieht der BGH die Notwendigkeit, eine weitere Ersparnis zu berücksichtigen, wodurch sich das für den Elternunterhalt zur Verfügung stehende Einkommen erhöht. Die weitere Ersparnis beziffert er pauschal mit 10 % unter Bezugnahme auf eine auch im Sozi1 BGH, FamRZ 2003, 860 m. Anm. Klinkhammer, S. 866; BGH, FamRZ 2004, 792 (794). 2 Vgl. Anm. B. VI. 2.c) und D. I. der DT und jeweils die Nr. 22.3 der Leitlinien zum aktuellen Stand. 3 BGH, FamRZ 2003, 860 ff. 4 BGH, FamRZ 2004, 792 (794) m. Anm. Borth; 2004, 186 (187 f.); 2003, 860 (864). Zur Kritik an dieser Rechtsprechung u.a. Klinkhammer, FamRZ 2003, 867 f.; Soyka, Familienrecht kompakt, 2003, 96; Ehinger, FPR 2003, 623 (626). 5 BGH, FamRZ 2010, 1535 Tz. 30.
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C. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
alrecht üblicherweise angewendete Quote.1 Der BGH empfiehlt für den Fall, dass der Ehegatte weniger als das unterhaltspflichtige Kind verdient, das nachfolgende Berechnungsmodell zur Klärung des Anteils des Unterhaltspflichtigen am Gesamteinkommen der Ehegatten, den er für den Elternunterhalt zur Verfügung zu stellen hat.2 Die Berechnung ist dem Urteil des BGH vom 28.7.2010 entnommen unter Berücksichtigung aktualisierter Eigenbedarfssätze der LL nach dem Stand 1.1.2014. 50 Beispiel Berechnung des Einkommens des Unterhaltspflichtigen, das für den Elternunterhaltsbedarf einzusetzen ist: Einkommen des Unterhaltspflichtigen Einkommen der Ehefrau
3 000 Euro 1 000 Euro
Gesamteinkommen
4 000 Euro
abzüglich Familienselbstbehalt
2 880 Euro 1 120 Euro
abzüglich 10 % (zusätzliche pauschale Haushaltsersparnis) davon 1/2 zuzüglich Familienselbstbehalt Individueller Familienbedarf Anteil des Unterhaltspflichtigen (75 % des Gesamteinkommens) Einkommen des Unterhaltspflichtigen abzüglich sein individueller Eigenbedarf Für den Unterhalt einsetzbar
112 Euro 1 008 Euro 504 Euro 2 880 Euro 3 384 Euro 2 538 Euro 3 000 Euro 2 538 Euro 462 Euro
Eingängiger ist die vereinfachende Darstellung der Berechnung des vom Unterhaltspflichtigen zur Verfügung zu stellenden Anteils vom Familieneinkommen nach Gutdeutsch3: Von der Differenz zwischen dem Familienselbstbehalt und Gesamteinkommen entfällt ein Anteil auf den Pflichtigen, der in der Höhe dem Verhältnis der Einkommen der Ehegatten zueinander entspricht, im Beispiel sind dies 75 %. Von diesem Anteil hat er statt 50 % wegen der Haushaltsersparnis 55 % davon für den Elternunterhalt zur Verfügung zu stellen: 4 000 – 2 880 = 1 120 *75 % = 840 *55 % = 462 Euro.4
51 Verdient das unterhaltspflichtige Kind weniger als sein Ehegatte, wird die Leis-
tungsfähigkeit ebenfalls anhand des individuellen Familienbedarfs mit demselben Berechnungsmodell ermittelt.5 52 Ist der mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebende Ehegatte neben der Be-
treuung minderjähriger Kinder erwerbstätig, bleibt sein erzieltes Einkommen nicht von vornherein wegen überobligatorischer Tätigkeit unterhaltsrechtlich teilweise oder ganz außer Betracht. Denn anders als bei einem alleinerziehenden geschiedenen oder getrenntlebenden Elternteil ist bei der Kinderbetreuung ein Zusammenwirken der Ehegatten i.S.v. § 1356 Abs. 2 BGB zu erwarten, mit der Folge, dass eine Erwerbstätigkeit eher zumutbar ist, was bei der Prüfung der An-
1 Kritisch zu der Referenz Günther, FamFR 2010, 433 (434 f.). 2 BGH, FamRZ 2010, 1535 Tz. 32 ff., 41. 3 Der Beitrag von Gutdeutsch, FamRZ 2011, 77 ff. (78), bietet eine Übersicht zu den verschiedenen Lösungsansätzen und folgt im Ergebnis dem BGH. Ebenso Hußmann, Kap. 13 Rz. 51, 52. A.A. Wohlgemuth, FamRZ 2011, 341 ff. 4 S. dazu auch den Beitrag von Dose, Elternunterhalt, FamRZ 2013, 993 (998 f.). 5 BGH, FamRZ 2014, 538 Tz. 26 ff.; FamRB 2014, 125 (Hauß).
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III. Die Berechnung des Unterhalts
rechenbarkeit von Erwerbseinkünften im Rahmen von § 1577 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen ist.1 Die Berechnung des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen entspre- 53 chend §§ 1361, 1578 BGB kann dazu führen, dass im Ergebnis dem Ehegatten mehr Unterhalt zur Verfügung steht, als dem unterhaltspflichtigen Ehepartner. Dies ist aber hinzunehmen wegen der nur diesen treffenden Unterhaltspflicht gegenüber dem bedürftigen Elternteil. b) Abzug von anderen Verbindlichkeiten In der Regel gilt wie in anderen Unterhaltsrechtsverhältnissen auch: Verbindlich- 54 keiten, die eingegangen wurden, bevor die Unterhaltsbedürftigkeit bekannt wurde oder deren Eingehung unumgänglich war, werden anerkannt und abgezogen. Für alle anderen Verbindlichkeiten ist jeweils eine Interessenabwägung nach billigem Ermessen erforderlich, bei der u.a. Zweck, Zeitpunkt der Entstehung, Dringlichkeit der Bedürfnisse des Verpflichteten und des Berechtigten miteinander abzuwägen sind.2 Belastungen, die aus Vermögensbildung resultieren, sind dann nicht anzuerkennen, wenn die Verwertung des Vermögens zuzumuten ist (vgl. Rz. 81 ff.). Nicht zumutbar ist die Verwertung des Familienheims, soweit es sich um den jeweiligen Verhältnissen angemessenes Wohnungseigentum handelt.3 Insoweit bestehende Verbindlichkeiten sind anzuerkennen.4 Dabei sind uneingeschränkt absetzbar die Aufwendungen für die Finanzierung 55 des Familienheims.5 Dazu gehören beim Elternunterhalt nicht nur die Zinsen, sondern auch die Tilgungsleistungen und Aufwendungen, soweit es sich um nicht umlagefähige Kosten im Sinne von § 556 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 1, 2 BetrKV handelt (s. dazu Kap. A Rz. 206).6 Im Gegenzug ist dem Einkommen allerdings hinzuzurechnen der wirtschaftliche Wohnvorteil für die Nutzung des Eigenheims in Höhe einer zu schätzenden Miete. Dabei ist für die Schätzung nicht auf die ortsübliche objektiv erzielbare Marktmiete, sondern eine den familiären Verhältnissen entsprechende, angemessene Miete abzustellen.7 Würde man den Wohnvorteil mit der objektiv erzielbaren Marktmiete für die 56 Immobilie gleichsetzen, bestünde häufig die Gefahr, dass die Immobilie verwertet werden müsste, was mit der geringeren Einstandspflicht des Unterhaltspflichtigen nicht vereinbar wäre.8 Verbindlichkeiten für eine nicht selbst genutzte Eigentumswohnung sind nur 57 anzuerkennen, wenn die Immobilie nicht verwertbar ist, bzw. ihre Verwertung nicht zumutbar ist, s. Rz. 81 ff., oder sie zum Zwecke einer angemessenen (ergänzenden) Altersvorsorge benötigt wird (s. Rz. 66 f.).
1 2 3 4 5 6
BGH, FamRZ 2003, 860 (866). BGH, FamRZ 1982, 157. BGH, FamRZ 2003, 1179 (1181). BGH, FamRZ 2013, 1554. BGH, FamRZ 2013, 868 Tz. 17 ff. Ständige Rspr. des BGH, FamRZ 2014, 538 Tz. 33 ff.; 2009, 1300 (1303 = FPR 2009, 413 [414 f.]) m. Anm. Ehinger S. 418; FamRZ 2004, 1184. 7 Ständige Rspr. des BGH, FamRZ 2013, 1554 Tz. 20; 2003, 1179 (1181); 2004, 1184. 8 BGH, FamRZ 2003, 1179 (1181); 2004, 1184.
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C. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
58 Nicht abzuziehen sind Verbindlichkeiten, die für allgemeine Lebenshaltungs-
kosten bestehen, wie Beiträge für Hausrats- und Haftpflichtversicherungen, Miete und Mietnebenkosten, Rundfunkgebühren etc.; denn diese sind üblicherweise bei der Höhe des Selbstbehalts schon berücksichtigt. Die Höhe der Warmmiete incl. umlegbarer Nebenkosten und Heizung ist mit 450 Euro im angemessenen Eigenbedarf nach den Leitlinien der OLG angesetzt (Anm. D I der DT). Liegt die zu zahlende Miete niedriger als in den Selbstbehaltssätzen, erhöht sich dadurch die Verteilungsmasse für den Unterhalt nicht, denn es bleibt beim angemessenen Eigenbedarf der Disposition des Unterhaltschuldners überlassen, wie er die ihm belassenen Mittel verwendet.1 Liegt sie höher, können die erhöhten Aufwendungen vom Einkommen abgezogen bzw. durch Erhöhung des Eigenbedarfssatzes geltend gemacht werden. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn z.B. die Mietverbindlichkeit in Kenntnis des zu zahlenden Elternunterhalts eingegangen wurde, obwohl preisgünstigere Wohnungen zur Verfügung standen oder wenn an sich ein Umzug in eine preisgünstigere Wohnung zumutbar wäre. Bei der Interessenabwägung ist die geringere Einstandspflicht für den Unterhalt zu berücksichtigen. 59 Beispiel S hat ein Einkommen von 4 000 Euro, die Mutter einen Unterhaltsbedarf von 1 500 Euro. Da S eine einkommensangemessene Miete für seine Wohnung von 1 000 Euro mtl. zahlt und diese um 550 Euro höher liegt als die im angemessenen Eigenbedarfssatz mit 450 Euro in Ansatz gebrachten Kosten für eine Warmmiete, kann er diesen Differenzbetrag einkommensmindernd geltend machen. Danach ist er nur noch i.H.v. 1 025 Euro leistungsfähig nach folgender Berechnung: 4 000 Euro – 550 Euro – 1 600 Euro = 1 850 Euro / 2 = 925 Euro. Es kann wegen der höheren Mietkosten auch so gerechnet werden, dass die höheren Mietkosten nicht als Verbindlichkeit abgezogen werden, sondern der Eigenbedarfssatz um diesen Betrag erhöht wird, was auf das Ergebnis letztlich keinen Einfluss hat.
60 Ebenfalls nicht abzuziehen sind alle Ausgaben, die i.d.R. aus dem laufenden Ein-
kommen finanziert werden können, wie Sparverträge, aber auch Aufwendungen für Überziehungskredite für Lebenshaltung, Hausrat2 und Reisen. Die heute in den Haushalten üblichen Aufwendungen für Hausrat, Reisen und PKW werden häufig entweder durch Rücklagenbildung oder Überziehungskredite finanziert, so dass in der Rechtsprechung auch vertreten wird, Raten aus Konsumkrediten, die zu diesen Zwecken aufgenommen worden sind, nicht gesondert abzuziehen. Denn es soll nicht der bevorteilt werden, der für diese Ausgaben extra einen Kredit aufnimmt.3 61 Dieser Auffassung ist nur teilweise zuzustimmen: Beruhen die Ratenzahlungs-
verpflichtungen auf Krediten, die vor der Entstehung der Unterhaltspflicht aufgenommen wurden, sind sie anzuerkennen. Bei einer späteren Aufnahme in Kenntnis der Unterhaltspflicht sollte die Anerkennung davon abhängen, ob der Kredit für größere Anschaffungen aufgenommen wurde, wie z.B. den Kauf eines PKWs, die nach dem individuellen Lebenszuschnitt üblich sind. Für die Anerkennung nach diesem Maßstab spricht auch die Rechtsprechung des BGH, nach der zweckbestimmtes Sparvermögen dann nicht für den Elternunterhalt angegriffen werden muss, wenn der Verwendungszweck zu dem üblichen Lebenszuschnitt 1 BGH, FamRZ 2004, 186. 2 OLG Hamm, FamRZ 1990, 999; OLG Düsseldorf, FamRZ 1987, 596. 3 OLG Hamm, FamRZ 1990, 998; OLG Düsseldorf, FamRZ 1987, 595 (596). Ebenso Griesche, FPR 2004, 693 (699).
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III. Die Berechnung des Unterhalts
des Verpflichteten gehört, denn der Verpflichtete soll durch die Inanspruchnahme auf Elternunterhalt keine wesentliche Beschränkung seines Lebensstandards hinnehmen müssen.1 Ein entsprechender Maßstab ist deshalb bei der Anerkennung von Kreditverbindlichkeiten zu berücksichtigen, wenn die Kreditaufnahme zur Finanzierung größerer Anschaffungen der bisherigen Handhabung entspricht, ohne den angemessenen Lebenszuschnitt zu strapazieren. Ob Geldstrafen oder Geldbußen abzugsfähig sind, hängt von den Umständen des 62 Einzelfalls ab. Der BGH hat z.B. den Abzug eines Ordnungsgeldes wegen Verstoßes gegen baurechtliche Vorschriften bezogen auf eine Immobilie anerkannt, die auch in die Vermögensbilanz des Verpflichteten miteinbezogen wurde.2 Aufwendungen für Besuche des Elternteils im Pflegeheim z.B. für Fahrtkosten 63 sind i.d.R. abzugsfähig und mindern Leistungsfähigkeit.3 Vorsorgeaufwendungen Selbständiger sind abzugsfähig, soweit sie angemessen 64 sind und tatsächlich geleistet werden.4 Ein Richtmaß für die Angemessenheit der Aufwendungen sind die Beitragssätze zur gesetzlichen Rentenversicherung, also ca. 20 % der erzielten Bruttoeinkünfte. Nach Auffassung des BGH ist ein Aufschlag von zusätzlichen 5 % nicht unangemessen und deshalb hinzunehmen im Hinblick auf den im Elternunterhalt um 25 % höheren Selbstbehalt als Konkretisierung der geringeren Einstandspflicht für den Unterhalt.5 Aufwendungen zur Absicherung gegen Arbeitslosigkeit, wie sie Nichtselbständige i.H.v. 2,8 % (§ 341 Abs. 2 SGB III) für die Arbeitslosenversicherung aufbringen, sind bei Selbständigen nicht abzugsfähig, da bei ihnen nicht die Gefahr einer Kündigung besteht.6 Gleich hohe Aufwendungen sind auch für nichtselbständige Arbeitnehmer und 65 Beamte hinzunehmen.7 Als Vorsorgeaufwendungen sind sowohl bei Selbständigen als auch Arbeitneh- 66 mern nicht nur anzuerkennen Lebensversicherungen, sondern auch sonstige vermögensbildende Investitionen, die nicht mit erhöhten Risiken verbunden sind, wie z.B. der Erwerb von Grundeigentum oder Zahlungen auf ein Sparkonto.8 Bei der Wahl der Anlageform hat das unterhaltspflichtige Kind einen eigenen großzügigen Entscheidungsspielraum, allerdings muss die Zweckbestimmung der Altersvorsorge deutlich sein, schon um die Abgrenzung zur gewöhnlichen Vermögensbildung, die der Pflichtige nicht zu Lasten des Unterhaltsberechtigten betreiben darf, zu ermöglichen. Der Wert einer selbstgenutzten Immobilie bleibt bei der Bemessung des Altersvorsorgevermögens grundsätzlich unberücksichtigt. Mit dieser Entscheidung vom 7.8.2013 bestätigt der BGH seine Rechtsprechung der Lebensstandardgarantie für zum Elternunterhalt verpflichtete Kinder.9 1 2 3 4 5 6 7 8 9
BGH, NJW 2006, 3344 = FamRZ 2006, 1511 (1516) m. Anm. Klinkhammer. BGH, FamRZ 2013, 1554 Rz. 33 m. Anm. Hauß, S. 1558. BGH, FamRZ 2013, 868 Tz. 30 f.; Dose, FamRZ 2013, 993 (997). BGH, Urt. v. 19.2.2003 – XII ZR 67/00, NJW 2003, 1660 ff. = FamRZ 2003, 860 ff. Ständige Rechtsprechung des BGH, FamRZ 2013, 1554 Tz. 17; 2010, 1535 Tz. 25 ff.; 2006, 1511 (1514); 2004, 792 (793) m. Anm. Borth, S. 794. BGH, FamRZ 2003, 860 (863). BGH, FamRZ 2004, 792 ff.; 2003, 1179. BGH, NJW 2003, 1660 ff. = FamRZ 2003, 860 ff. BGH, FamRZ 2013, 1554 Tz. 33 m. Anm. Hauß, S. 1557 f.
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C. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
67 Voraussetzung für die Anerkennung von Altersvorsorgeaufwendungen ist die
tatsächliche Zahlung, ein fiktiver Abzug kommt nicht in Betracht.1 Wird die Zahlung bestritten, hat der Unterhaltspflichtige sie nachzuweisen.2 68 Ist der Unterhaltspflichtige verheiratet, ist die angemessene Altersvorsorge für
den nicht berufstätigen Ehegatten als Verbindlichkeit gleichermaßen zu berücksichtigen.3 69 Ist der Verpflichtete Rentner, wird ihm auch ein Betrag zur Rücklagenbildung
für Hausreparaturen, Anschaffungen und Zuzahlungen zu Heilbehandlungen zuzubilligen sein.4 Bei großzügigeren finanziellen Verhältnissen sind von den Betroffenen temporäre Einschränkungen des bisherigen Lebensstils hinzunehmen; denn die Unterhaltspflicht mag zwar unerwartet eingetreten sein, gleichwohl ist ihre Erfüllung durch Anpassung an die veränderte Situation zu ermöglichen.5 Die insoweit erforderliche Abwägung ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Bei einer längerfristigen Inanspruchnahme soll es jedoch nicht zu einer dauerhaften und spürbaren Senkung des berufs- und einkommenstypischen Lebensstandards des Verpflichteten kommen.6 70 Beispiel S soll für die Pflegekosten der M mtl. 200 Euro zahlen. Er beruft sich auf Leistungsunfähigkeit. Zu Recht nach Auffassung des OLG Oldenburg7 (Zahlen und Währung wurden verändert): Er bezieht eine Rente i.H.v. mtl. 2 500 Euro und bewohnt ein lastenfreies Eigenheim mit seiner Ehefrau, die kein Einkommen hat. Auch unter Zurechnung eines Wohnvorteils von 500 Euro für beide Ehegatten reichen seine Einkünfte nur zur Bedarfsdeckung für ihn und seine vorrangig unterhaltsberechtigte Frau. Die verbleibenden 50 Euro (2 500 + 500 – 2 900 Familienselbstbehalt = 100/2 = 50 Euro) darf er zur Rücklagenbildung für unerwartet auftretende Ausgaben wie Hausreparaturen, Zuzahlungen für Medikamente etc. verwenden. Auf eine Errechnung des Kostenvorteils wegen gemeinsamen Wirtschaftens kommt es hier angesichts der geringen verteilungsfähigen Mittel nicht an. Nicht zumutbar ist der Verweis auf eine spätere Kreditaufnahme.
71 Die Abgrenzung, welche Verbindlichkeiten noch aus dem erhöhten Selbstbehalt
zu finanzieren und welche abzugsfähig sind, bereitet in der Praxis Schwierigkeiten; denn es gibt keine eindeutigen Kriterien. Bei der vorzunehmenden Abwägung ist zwar zu berücksichtigen, dass es sich bei dem, dem Verpflichteten zugestandenen angemessenen Selbstbehalt um die Untergrenze des angemessenen Eigenbedarfs handelt,8 was für die Anerkennung von Verbindlichkeiten einen eher großzügiger Maßstab nahe legt. Da jedoch darüber hinaus das über dem Selbstbehalt liegende Einkommen noch hälftig zwischen dem Verpflichteten und dem Berechtigten geteilt wird,9 ist zu bedenken, dass bei sehr großzügiger Anerkennung von Verbindlichkeiten neben dem erhöhten Selbstbehalt und einer 50 %-Regelung die Gefahr besteht, dass der Verpflichtete unangemessen be-
1 2 3 4 5 6 7 8 9
BGH, FamRZ 2007, 193 ff. Griesche, FPR 2004, 693 (700); Herr, FamRZ 2005, 1021 (1023). BGH, FamRZ 2004, 792 ff. m. Anm. Borth, S. 794 f. OLG Oldenburg, FamRZ 2000, 1174. OLG Koblenz, FamRZ 2000, 1176. BGH, FamRZ 2002, 1698 (1700 f.). OLG Oldenburg, FamRZ 2000, 1174. OLG Hamm, FamRZ 1999, 1533. Das hat der BGH als eine mögliche Methode der angemessenen Verteilung der Mittel gebilligt (vgl. FamRZ 2002, 1698 [1700 f.]).
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III. Die Berechnung des Unterhalts
vorteilt wird und Unterhalt für Eltern eine Spendenqualität erhalten könnte, was weder wünschenswert wäre noch im Einklang mit dem Gesetz stünde.1 c) Fiktives Einkommen Die Zurechnung fiktiver Einkünfte beim Verpflichteten kommt immer nur 72 dann in Betracht, wenn dieser in vorwerfbarer Weise seiner zumutbaren Verpflichtung, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen oder die Tätigkeit auszuweiten, nicht nachkommt (§ 242 BGB). Grundsätzlich sind auch Kinder ihren Eltern gegenüber verpflichtet, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, um deren Unterhalt bezahlen zu können. Allerdings wirkt sich die geringere Einstandspflicht für den Elternunterhalt, die insbesondere in der vom Gesetzgeber geregelten Rangfolge der gesetzlichen Unterhaltsansprüche zum Ausdruck kommt und die Eltern nach Abkömmlingen, Ehegatten und der nicht verheirateten Mutter auf den Rang 6 verweist (§ 1609 Nr. 6 BGB)2, auch auf die Anforderungen an die Zumutbarkeit der Aufnahme und Ausübung einer Erwerbstätigkeit aus. Dem Kind wird deshalb nicht ein Orts- oder Berufswechsel zuzumuten sein, nur um den Elternunterhalt zahlen zu können. Ist die unterhaltspflichtige Tochter Hausfrau und versorgt ihre minderjährigen Kinder, kommt die Zurechnung eines fiktiven Einkommens ebenfalls nicht in Betracht. Sind die Kinder schon aus dem Haus und ist sie Hausfrau geblieben, erbringt sie in ihrer Ehe ihren Beitrag zum Familienunterhalt durch die Haushaltsführung (§ 1360 BGB), was zwar hinzunehmen ist, aber die Ausübung mindestens einer geringfügigen Erwerbstätigkeit nicht ausschließen muss.3 Diese muss jedoch mit den Belangen der Familie vereinbar sein (§ 1356 Abs. 2 BGB) und es muss auch eine realistische Erwerbschance bestehen.4 Im Ergebnis wird die Zurechnung eines fiktiven Einkommens meist dann nicht in Betracht kommen, wenn das Kind lange nicht im Beruf tätig war und/oder selbst schon Schwierigkeiten hat, aufgrund seines Alters eine Anstellung zu finden. Gleichwohl ist die bestehende Unterhaltspflicht nicht bedeutungslos, denn mindestens im Hinblick auf die Gleichwertigkeit von Erwerbstätigkeit und Familienarbeit ist bei der Leistungsfähigkeit des Kindes zu prüfen, inwieweit sein angemessener Unterhaltsbedarf durch das Einkommen seines Ehegatten gedeckt ist und er sein Taschengeld oder Einkünfte aus einer Nebentätigkeit für den Unterhalt zur Verfügung zu stellen hat.5 d) Die leistungserhöhende Zurechnung von Familienunterhalt – sog. Schwiegersohnhaftung Erzielt der Unterhaltspflichtige eigene bedarfsdeckende Einkünfte aus einer vol- 73 len Erwerbstätigkeit, bleibt das Einkommen seines Ehegatten i.d.R. außer Betracht, denn dieser ist nicht verpflichtet, Mittel zur Verfügung zu stellen, damit Unterhalt für die Eltern des anderen gezahlt werden kann.6 Anderes gilt, wenn 1 LG Paderborn, FamRZ 1996, 1497; Klinkhammer, FamRZ 2002, 1702 (1704) m.w.N.; Hußmann, Elternunterhalt, S. 29; Wendl/Staudigl/Scholz, 6. Aufl., § 2 Rz. 620. 2 Vgl. zur Rangfolge auch Palandt/Brudermüller, § 1609 BGB Rz. 2, 3. 3 Ebenso Wendl/Staudigl/Scholz, 6. Aufl., § 2 Rz. 620. 4 Anders die h.M., die sich tendenziell gegen eine Erwerbsobliegenheit ausspricht, aber für einen Einsatz des Taschengeldes: BGH, FamRZ 2004, 366 (369); OLG Köln, FamRZ 2001, 437 ff.; Griesche, FPR 2004, 693 (703); Wendl/Dose/Wönne, § 2 Rz. 962. 5 BGH, FamRZ 2013, 363 Tz. 49; Anm. Hauß, FamRB 2013, 71. 6 BGH, FamRZ 2004, 370.
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C. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
der Lebensbedarf des Unterhaltsschuldners durch die Einkünfte seines Ehegatten gedeckt wird: Denn erbringt der Unterhaltspflichtige im Einvernehmen mit seinem gut verdienenden Ehegatten seinen Beitrag zum Familienunterhalt durch Haushaltsführung und Teilzeitarbeit, steht ihm ein Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe an dem von beiden Ehegatten Erwirtschafteten zu.1 Ist sein Auskommen durch den Familienunterhalt nach § 1360 Satz 2 BGB wegen des hohen Einkommens seines Ehegatten angemessen gesichert, ist Konsequenz der Einstandspflicht für den Elternunterhalt, dass er sein selbst verdientes Geld, das für den Familienunterhalt nicht benötigt wird – auch wenn es unter dem angemessenen Eigenbedarf liegt – für den Elternunterhalt (mindestens i.H.v. 50 %) zu verwenden hat.2 Eine solche angemessene Sicherung des Familieneinkommens wird z.B. dann in Betracht kommen, wenn das Einkommen des Ehegatten bereinigt dem doppelten Selbstbehalt beider Ehegatten entspricht.3 Das sind zum Stand 1.1.2014 ca. 5 800 Euro. 74 Werden die Einkünfte des Unterhaltspflichtigen hingegen für den Familien-
unterhalt benötigt, hängt die Frage, ob noch Mittel für den Elternunterhalt zur Verfügung zu stellen sind, davon ab, wie hoch der Familienunterhaltsbedarf zu bemessen ist. Der Familienunterhalt umfasst alles, was für die Haushaltsführung und Deckung der persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten sowie eventueller Kinder erforderlich ist. Er ist nicht generell mit den Mindestselbstbehaltssätzen gleichzusetzen, vielmehr muss er – jedenfalls dann, wenn ein höherer Eigenbedarf als nach den Mindestbedarfsätzen geltend macht wird – nach den im Einzelfall maßgeblichen Verhältnissen unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebensstellung, des Einkommens, Vermögens und der sozialen Gepflogenheiten individuell bestimmt werden. 75 Da der Unterhaltspflichtige insoweit darlegungs- und beweispflichtig ist, muss
er im Einzelnen die Kosten der Lebensführung darlegen. Dazu gehören auch Angaben, ob und gegebenenfalls welche Beträge zur Vermögensbildung verwendet werden, denn wie in anderen Unterhaltsrechtsverhältnissen gilt beim Elternunterhalt, dass der Verpflichtete kein Vermögen zu Lasten des Unterhaltsberechtigten bilden darf, soweit dies nicht zum Zweck der Altersvorsorge erfolgt. Nur wenn Einkommen nicht für den Familienunterhalt benötigt wird und letztlich der Vermögensbildung dient, kommt nach der Rechtsprechung des BGH hinsichtlich dieser freien Mittel in Höhe des auf den Unterhaltspflichtigen entfallenden Anteils, berechnet nach dem Verhältnis der Einkünfte der Ehegatten zueinander, eine Leistungsfähigkeit in Betracht:4 76 Beispiel Das unterhaltspflichtige Kind K hat ein Einkommen von 1 000 Euro, sein Ehegatte in Höhe von 3 000 Euro. Beide leben im Eigenheim. K kann darlegen und beweisen, dass das über dem gemeinsamen Selbstbehalt von 2 880 Euro liegende Einkommen für die gemeinsame Lebensführung benötigt wird. Davon werden monatlich 500 Euro zur Vermögensbil1 BGH, FamRZ 2004, 366 (368). 2 BGH, FamRZ 2004, 370 (372); 443 (445). Diese Rechtsprechung des BGH ist zugespitzt auch als verdeckte Schwiegersohnhaftung kritisiert worden ist, so Klinkhammer, FPR 2004, 555 (558); Brudermüller, NJW 2004, 663 (637); Born, FamRB 2004, 73; zustimmend Griesche, FPR 2004, 693 (703). 3 BGH, FamRZ 2004, 370 (373). 4 BGH, NJW-RR 2004, 721 = FamRZ 2004, 795 (798) m. Anm. Strohal m. Rechenbeispiel.
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III. Die Berechnung des Unterhalts dung verwendet. Da die Altersvorsorge beider Ehegatten ausreichend gesichert ist, steht der von dem Sparbetrag in Höhe von 500 Euro auf den Unterhaltspflichtigen entfallende Anteil für den Elternunterhalt zur Verfügung. Dieser bemisst sich nach dem Verhältnis der Einkommen der Ehegatten zueinander und beträgt für K 55 % von 125 Euro = 68,75 Euro (1 000 Euro : 4 000 Euro × 500 = 125 Euro × 55 %). S. dazu das Beispiel Rz. 50 mit detaillierter Berechnung.1
Ist der verheiratete Unterhaltspflichtige erwerbstätig und wird sein geringeres 77 Einkommen nach der Steuerklasse V besteuert, kann dies durch einen Abschlag korrigiert werden, damit die mit der Einstufung in Steuerklasse V verbundene Verschiebung der Steuerbelastung auf den unterhaltspflichtigen Ehegatten möglichst behoben wird. Diesen Abschlag kann das Gericht in tatrichterlicher Verantwortung schätzen unter Berücksichtigung der Einkommen beider Ehegatten.2 Ist der verheiratete Unterhaltspflichtige nicht erwerbstätig, hat er Anspruch auf 78 Familienunterhalt, in dem Taschengeld für die von ihm geleistete Familienarbeit gegenüber seinem erwerbstätigen Ehegatten enthalten ist (§§ 1356, 1360 BGB).3 Das Taschengeld ist zu Unterhaltszwecken heranzuziehen, wenn der Verpflichtete es nicht benötigt, um damit seinen angemessenen Eigenbedarf abzudecken.4 Nach der Rechtsprechung beträgt der Anspruch auf Taschengeld ca. 5 % bis 7 % des zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens des Ehegatten.5 Dieser Betrag soll nach einer neuen, stärker differenzierenden Rechtsprechung des BGH jedoch nicht vollständig für den Unterhalt einzusetzen sein, denn auch in dem Eigenbedarfssatz ist ein Taschengeldanteil i.H.v. 5–7 % des Eigenbedarfs enthalten. Außerdem ist der über diesen Sockelbetrag von 5–7 % des Selbstbehalts hinausgehende Teil des Taschengelds nur i.H. der Hälfte einzusetzen, entsprechend der sonstigen Handhabung von Einkommen, das über dem Selbstbedarf liegt. Damit wird eine Leistungsfähigkeit des nicht erwerbstätigen unterhaltspflichtigen Kindes nur bei besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen in Betracht kommen und dies auch nur in einem sehr eng begrenzten Umfang.6 79
Beispiel Die pflegebedürftige Mutter M hat einen Bedarf von 600 Euro. Ihre unterhaltspflichtige Tochter T ist Hausfrau und hat keine eigenen Einkünfte. Das für den Familienunterhalt zur Verfügung stehende bereinigte Nettoeinkommen des Ehemannes der unterhaltspflichtigen Tochter beträgt 100 000 Euro pro Jahr. T hat Anspruch auf Familienunterhalt i.H. der Hälfte, also 50 000 / 12 Monate = 4 166 Euro pro Jahr. In dem Betrag ist ein Taschengeld von hier 6 %, d.h. mtl. 250 Euro enthalten, von dem bei einem Eigenbedarf von 1 600 Euro 6 % auf das Taschengeld entfallen (6 % von 1 600 Euro = 96 Euro mtl.). Dieser Sockelbetrag ist von dem gesamten Taschengeld abzuziehen, der verbleibende Restbetrag ist i.H. der Hälfte für den Unterhalt zu verwenden: 250–96 Euro Sockelbetrag = 154 / 2 = 77 Euro. T ist i.H.v. 77 Euro leistungsfähig. Vereinfacht kann gerechnet werden 4 166 – 1 600 Eigenbedarf = 2 566 / 2 = 1 283 Euro * 6 % = 77 Euro.
1 2 3 4
BGH, FamRZ 2014, 538, Tz. 26 ff.; Gutdeutsch, FamRZ 2011, 77 (80). BGH, FamRZ 2004, 443, Tz. 13; 1980, 984 (985). BGH, FamRZ 2013, 363, Tz. 40. BGH, NJW 2004, 674 = FamRZ 2004, 366 (369); OLG Stuttgart, NJW 2001, 2215 = OLGR 2000, 245; Büttner/Niepmann, NJW 2001, 2218. 5 BGH, NJW 1998, 1553 = FamRZ 1998, 608 (609). 6 BGH, FamRZ 2013, 262, Tz. 49, 50; 2004, 366 (369 f.).
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C. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
80 Der BGH hat mit der Einbeziehung des Familienunterhalts in den angemesse-
nen Eigenbedarf des Verpflichteten konsequent seine bereits für andere Unterhaltsrechtsverhältnisse entwickelte Rechtsprechung beim Elternunterhalt fortgeführt. So ist eine Haftung der Eltern beim Volljährigenunterhalt1 (s. Kap. B Rz. 52 ff.) bei einer vergleichbaren Interessenlage ebenfalls nicht ausgeschlossen. Denn der Elternteil, der den Haushalt führt und nicht oder nur teilweise erwerbstätig ist, hat gleichwohl die ihm zur Verfügung stehenden Geldmittel zum Unterhalt einzusetzen, wenn und soweit er sie zur Bestreitung seines angemessenen Lebensbedarfs nicht benötigt, weil dieser durch seinen erwerbstätigen Ehegatten abgedeckt wird.2 e) Einsatz von Vermögen 81 Der Unterhaltspflichtige muss sein Vermögen zur Erfüllung seiner Unterhalts-
pflicht einsetzen (§ 1603 Abs. 1 BGB).3 Soweit Vermögen vorhanden ist, muss das unterhaltspflichtige Kind nicht nur die Erträge z.B. in Form von Zinsen für den Unterhalt der Eltern verwenden, sondern auch den Vermögensstamm verwerten. Für die Entscheidung, ob und in welchem Umfang Vermögen zu verwerten ist, sieht das Gesetz beim Verwandtschaftsunterhalt keine Billigkeitsgrenze vor, wie z.B. beim Ehegattenunterhalt in §§ 1581, 1577 Abs. 2 BGB, deshalb ist für die Auslegung maßgeblich § 1603 Abs. 1 BGB, wonach der Verpflichtete nicht leistungsfähig ist, wenn er bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts Unterhalt zu gewähren.4 D.h. ihm kann eine Erfüllung seiner Unterhaltspflicht dann nicht mehr abverlangt werden, wenn sein eigener angemessener Unterhalt dadurch gefährdet würde. Wann diese Opfergrenze konkret erreicht ist, wann also auch Vermögen nicht mehr eingesetzt werden muss, hängt wesentlich vom Maß der Einstandspflicht von Kindern für den Unterhalt ihrer Eltern im Vergleich zu anderen Unterhaltsrechtsverhältnissen zwischen Verwandten ab. Wegen der relativ schwachen Stellung der Eltern in der Rangfolge der Unterhaltsberechtigten (§ 1609 Nr. 6 BGB), sind die Anforderungen weniger streng als bei vorrangigen Unterhaltsberechtigten, so dass Folgendes gilt: 82 Der Vermögensstamm ist nicht zu verwerten, wenn dies mit einem wirtschaft-
lich nicht mehr vertretbaren Nachteil verbunden wäre.5 Eine Verwertung kann auch nicht verlangt werden, wenn sie den Unterhaltsschuldner von fortlaufenden Einkünften abschneiden würde, die er zur Erfüllung weiterer Unterhaltsansprüche oder anderer berücksichtigungswürdiger Verbindlichkeiten oder zur Bestreitung seines eigenen Unterhalts benötigt.6 So kann die Veräußerung oder Vermietung der Immobilie dann nicht verlangt werden, wenn der Schuldner selbst und ggf. seine Familienangehörigen darin wohnen. Denn die Veräußerung oder Vermietung eines Familienheims würde die bisherige, häufig bereits langjährig gestaltete Lebensführung grundlegend und damit in unterhaltsrechtlich
1 BGH, FamRZ 1987, 472 ff. 2 Dies gilt auch bei Unterhaltspflichten gegenüber Minderjährigen, wenn der Unterhalt des Verpflichteten in neuer Ehe gesichert ist: FamRZ 2002, 742 ff. 3 Ständige Rspr.: RG, JW 1907, 674; BGH, FamRZ 1980, 43; 2006, 1511; 2013, 203 Tz. 33. 4 BGH, FamRZ 2006, 1511; 2013, 203 Tz. 33. 5 BGH, FamRZ 1986, 48 (50); OLG München, FamRZ 2000, 307. 6 BGH, FamRZ 2006, 1511.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
unzumutbarer Weise beeinträchtigen.1 Hingegen kann die Verwertung eines Miteigentumsanteils an einem Ferienhaus durchaus zumutbar sein.2 Eine von den Eltern geschenkte Immobilie ist zu beleihen, wenn an sich die Voraussetzungen der Rückgewähr der Schenkung nach § 528 BGB wegen einer Notlage der unterhaltsbedürftigen Eltern gegeben sind,3 das Kind muss dann aber auch in der Lage sein, Zins- und Tilgungsleistungen für den zur Abgeltung der Ansprüche aufzunehmenden Kredit aufzubringen.4 Die Beleihung oder Veräußerung eines Grundstücks kommt i.d.R. in Betracht, wenn das Grundstück nicht selbst genutzt, sondern fremdvermietet wird. Sie scheidet aus, wenn sie unzumutbar ist, z.B. wegen Unwirtschaftlichkeit oder weil ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen. Unzumutbar ist die Beleihung, wenn keine laufenden Einkünfte da sind, aus denen der Kredit bezahlt werden kann. Die Veräußerung wird man nicht erwarten können, wenn das Grundstück gute Erträge abwirft und wenigstens teilweise der Lebensbedarf daraus bestritten wird, für die Alterssicherung benötigt wird oder nach der Marktlage mit nicht unbeträchtlichen Verlusten zu rechnen wäre. Auch müssen Unterhaltsbedürftigkeit und Leistungsfähigkeit gleichzeitig vorliegen. Ein unterhaltspflichtiges Kind, das Miteigentümer eines vermieteten Mehrfamilienhauses ist, ist z.B. nicht verpflichtet, sich nachträglich durch Aufnahme eines zinslosen, grundpfandrechtlich gesicherten Darlehens vom Sozialhilfeträger zur Zahlung von Elternunterhalt leistungsfähig zu machen.5 Umstritten ist, ob ein rechtliches Hindernis für die Veräußerung dann besteht, 83 wenn das Grundstück das Vermögen des Verpflichteten ausmacht und der Ehegatte der Veräußerung nicht zustimmt (§ 1365 BGB).6 Da Eltern einen eigenen, im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzbaren Unterhaltsanspruch haben, kommt es auf die Zustimmung des Ehegatten zur Zwangsvollstreckung für die Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs nicht an, denn der Miteigentumsanteil unterliegt der Zwangsvollstreckung der Gläubiger des Kindes, unabhängig von der Zustimmung des Ehegatten zur Zwangsversteigerung.7 Die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Zumutbarkeit oder das rechtliche Hindernis obliegt dem Unterhaltsverpflichteten. Auch Barvermögen ist einzusetzen, wenn es weder für die angemessene Lebens- 84 führung noch für die (ergänzende) Alterssicherung benötigt wird. Unstreitig ist, dass dem Unterhaltspflichtigen – genau wie dem Unterhaltsberechtigten – eine 1 2 3 4 5
Ständige Rspr. des BGH, FamRZ 2013, 1554; 2003, 1178 (1181); 2004, 1184. BGH, FamRZ 1986, 48 (50). OLG München, FamRZ 2000, 1177. BGH, FamRZ 2001, 21 (23). BVerfG, FamRZ 2005, 1051 ff. m. Anm. Klinkhammer, S. 1055–1057. Die Verfassungsbeschwerde hatte eine unterhaltspflichtige Tochter eingelegt, die aus laufendem Einkommen nicht leistungsfähig war, und vom LG Duisburg verurteilt worden war, wegen der Verwertbarkeit ihres Miteigentumsanteils an einem Mietshaus mit einem Verkehrswert von 660 000 DM, in entsprechender Anwendung von § 89 BSHG, ein vom Sozialhilfeträger (der für den Elternunterhalt in Vorleistung getreten ist) angebotenes zinsloses und erst nach ihrem Tod rückzahlbares Darlehen anzunehmen und den Grundstücksanteil durch Bewilligung und Eintragung einer Grundschuld in Höhe des Darlehens von 123 000 DM zu belasten. 6 Befürwortend OLG Köln, FamRZ 2001, 437 f. = NJW-RR 2000, 810 (811); Günther, NDV 2003, 85, 88; a.A. Büttner, NJW 1999, 2315 (2318) unter Hinweis auf KG, FamRZ 1992, 846 m.w.N. 7 Büttner, NJW 1999, 2315 (2318); KG, FamRZ 1992, 846.
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C. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
gewisse Vermögensreserve zuzugestehen ist als Notgroschen und dieser mindestens in Höhe des Schonbetrags nach § 90 SGB XII in Verbindung mit der DurchführungsVO besteht.1 Für die Höhe eines Schonvermögens gibt es jedoch keine konkreten Vorgaben durch die Rechtsprechung, da die wirtschaftlichen Verhältnisse der Unterhaltspflichtigen sehr unterschiedlich sind und eine individuelle Bemessung sachgerechter ist. Der BGH lehnt deshalb die Festlegung auf einen Pauschalbetrag ab und stellt dem Tatrichter frei, die Höhe nach den Besonderheiten des Einzelfalls zu bestimmen. Kriterien für die Bemessung sind insbesondere die individuellen Einkommensverhältnisse und Unterhaltspflichten. So hat der BGH im Urteil v. 23.10.2002 entschieden, dass einem unterhaltspflichtigen Kind, das über laufende Einkünfte aus Altersversorgung von ca. 4 000 DM, ein Barvermögen von 300 000 DM und eine zeitweise vermietete Eigentumswohnung verfügte, ohne Weiteres zumutbar sei für Elternunterhalt einmalig 22 400 DM zu zahlen.2 Im Beschluss vom 7.8.2013 hat er neben dem Altersvorsorgevermögen dem alleinstehenden, kinderlosen Unterhaltspflichtigen einen Notgroschen von 10 000 Euro bei einem unter dem Selbstbehalt liegenden Einkommen von 1 400 Euro zugebilligt.3 85 Nicht zu verwerten ist das Vermögen, soweit die Erträge daraus benötigt wer-
den, um den angemessenen Eigenbedarf sicher zu stellen, weil die laufenden Einkünfte dazu nicht ausreichen.4 Das OLG Köln5 hat einem unterhaltspflichtigen Rentner, der ein Eigenheim mit seiner Frau bewohnte, ein vorhandenes Sparguthaben von 58 524 DM als Schonvermögen belassen, das dieser benötigte, um seinen zukünftigen Lebensbedarf zu sichern. In der Rechtsprechung besteht eine deutlich erkennbare Tendenz, den Unterhaltspflichtigen ein Schonvermögen zuzugestehen, das mit Rücksicht auf die geringere Einstandspflicht gegenüber den Eltern sehr viel höher angesetzt wird als etwa bei einer Unterhaltspflicht gegenüber Kindern, Ehegatten oder der nichtehelichen Mutter. 86 Darüber hinaus spielt die Altersvorsorge eine wesentliche Rolle für die Bemes-
sung, denn es ist dem Verpflichteten freigestellt, in welcher Form er seine Altersvorsorge aufbaut; diese kann auch durch Sparvermögen erfolgen.6 So sind in der Rechtsprechung je nach individuellem Sachverhalt z.B. Schonbeträge i.H.v. 237 000 Euro für Sanierungsrücklagen eines Eigenheims und als ergänzende Altersversorgung7 oder 105 000 Euro als reines Vorsorgevermögen8 anerkannt worden. Der BGH9 hat eine Entscheidung des OLG München gebilligt, nach der dem Unterhaltsschuldner ein Schonvermögen von 91 700 Euro als ergänzende Alterssicherung belassen wurde. Da diese bei ca. 5 % des gesamten Bruttoeinkommens liegt (Rz. 65 f.), ist für die Berechnung der Höhe des Schonvermögens eine Sparrate von 5 % des jährlichen Bruttoeinkommens des Verpflichteten für die Dauer von 35 Berufsjahren mit einer Rendite von 4 % zugrunde gelegt wor1 2 3 4 5 6
BGH, FamRZ 2013, 1554 Tz. 36 f. BGH, FamRZ 2002, 1698. BGH, FamRZ 2013, 1554 Tz. 36 ff. BGH, FamRZ 1989, 170 (171). OLG Köln, NJW-RR 2003, 1 (2). BVerfG, NJW 1999, 2357 f.; BGH, FamRZ 2002, 1698 ff.; OLG Köln, NJW-RR 2003, 1 (2) und FamRZ 2003, 471 (472). 7 OLG Düsseldorf, FamRZ 2012, 1651. 8 OLG Nürnberg, FF 2012, 314. 9 BGH, FamRZ 2006, 1511 (1516) mit Anm. Klinkhammer, S. 1516–1517; FamRZ 2013, 203.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
den. Nach diesem Modus lässt sich der Schonbetrag auch für andere Fälle individuell berechnen, wobei geänderten Zinssätzen Rechnung zu tragen ist. Ist der Unterhaltspflichtige im Unterhaltszeitraum bereits im Rentenalter, be- 87 steht eine Obliegenheit das angesparte Kapital in eine lebenslange Rente umzurechnen. Diese fiktive Rente ist dann einkommenserhöhend zu berücksichtigen. Für die Umrechnung des Kapitals stellt der BGH auf den Beginn des Unterhaltszeitraums ab und berechnet aufgrund des zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Kapitals die Rente mit Hilfe eines vom Bundesfinanzminister regelmäßig veröffentlichten Vervielfältigers für den Kapitalwert einer lebenslangen Leistung.1 Dabei berücksichtigt der Kapitalisierungsfaktor Zwischenzinsen und Zinseszinsen i.H.v. von 5,5 %, was in der Literatur als zu hoch kritisiert wird.2 Die Berechnung erfolgt nach folgender Formel: Kapital / 12 Monate/Kapitalisierungsfaktor = monatliche Rente. 88
Beispiel Der unterhaltspflichtige Sohn S ist 66 Jahre alt und hat ein Altersvorsorgekapital von 250 000 Euro angespart. Nach der vom BFM veröffentlichten Tabelle zur Berechnung des Kapitalwerts lebenslänglicher Leistungen vom 26.10.2012 bezogen auf die Sterbetafel 2009/2011 des Statistischen Bundesamts3 beträgt der Kapitalisierungsfaktor 11,0858, wobei die statistische Lebenserwartung von S bei weiteren 16,74 Jahren liegt. Nach Umrechnung in eine monatliche Rente hätte S zusätzliche monatliche Einkünfte i.H.v. 1 879 Euro (250 000 / 12 / 11,0858 = 1 879 Euro).
Für die Bestimmung der Leistungsfähigkeit ist auf das Vermögen abzustellen, 89 das der Verpflichtete während des Zeitraums innehatte, für den Unterhalt geltend gemacht wird. Wird Vermögen später mutwillig verringert, um der Unterhaltspflicht zu entgehen, wird es ihm fiktiv als noch vorhanden zugerechnet (§ 242 BGB).4 Erlangt der Verpflichtete erst später verwertbares Vermögen, begründet dies nicht nachträglich die Leistungsfähigkeit. Das ist auch dann nicht der Fall, wenn der Verpflichtete während des Unterhaltszeitraums nicht leistungsfähig war, weil er die ihm gehörende Eigentumswohnung selbst bewohnt hat, später aber wegen Vermietung oder Veräußerung der Wohnung leistungsfähig wird.5 Der Verpflichtete trägt insoweit die Darlegungs- und Beweislast dafür, wie hoch 90 der angemessene Bedarf bei Eintritt der Rente sein wird, in welcher Höhe Renteneinkünfte zur Verfügung stehen werden und inwieweit eine ergänzende Versorgung benötigt und angemessen ist. f) Berechnung der Haftungsanteile mehrerer Geschwister Hat der Unterhaltsberechtigte mehrere Kinder, haften diese gemäß § 1606 Abs. 3 91 BGB anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit. Es besteht mithin keine Gesamtschuldnerschaft der Kinder für den Bedarf; sie haften vielmehr als Teilschuldner jeweils nur für den auf 1 BGH, FamRZ 2013, 203 Tz. 40 unter Bezugnahme auf BStBl 2009 I S. 270. 2 Hauß, FamRZ 2013, 206 f.; Schürmann, jurisPR 6/2013 Anm. 5. 3 Vgl. die Anlage zu § 14 Abs. 1 BewG: Schreiben des BFM v. 26.10.2012 zu § 14 BewG – IV D4-S 3104/09/10001. 4 Günther, NDV 2003, 85 (88) mit einer sehr detaillierten Übersicht zur Rechtsprechung zur Vermögensverwertung. 5 OLG Köln, FamRZ 2001, 1475 f.
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C. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
sie entfallenden Anteil. Der Unterhaltsberechtigte muss sich deshalb zur Berechnung seiner Ansprüche zunächst Klarheit über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seiner Kinder verschaffen, deren Nettoeinkommen ermitteln, um Verbindlichkeiten bereinigen und davon den nach den Leitlinien maßgeblichen Selbstbehalt abziehen. Die verbleibenden Einkommen der Geschwister sind dann i.d.R. in Höhe der Hälfte zur Deckung des Bedarfs entsprechend ihrem Verhältnis zueinander nach folgender Formel aufzuteilen: Einsatzbetrag des Kindes Summe der Einsatzbeträge aller Kinder
× Bedarf des Elternteils
92 Beispiel M lebt seit Januar 2013 im Pflegeheim. Die monatlichen Heimkosten betragen zuzüglich Krankenkassenbeiträge 2 500 Euro. M verfügt über eigenes Einkommen i.H.v. monatlich 500 Euro aufgrund von Unterhaltszahlungen des geschiedenen Mannes. Die Pflegeversicherung zahlt 1 500 Euro, so dass ein ungedeckter Bedarf von 500 Euro besteht. M verlangt mit Schreiben vom 15.7.2013 von allen Kindern (3 Töchtern) Auskunft über deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse und stellt fest, dass T1 nur über monatlich Einkünfte von 1 200 Euro verfügt, während T2 ein Einkommen von 1 800 Euro und T3 von 3 000 Euro hat. M macht Unterhalt für die Zeit ab 1.7.2013 geltend und kann von T2 monatlich 63 Euro und von T3 mtl. 437 Euro aufgrund folgender Berechnung verlangen: Der Bedarf beträgt 500 Euro. T1 ist nicht leistungsfähig, da ihr Einkommen unterhalb des Eigenbedarfs von 1 600 Euro liegt. T2 kann von ihrem Einkommen 100 Euro (1 800 – 1 600 = 200 / 2 = 100 Euro) zur Verfügung stellen, denn ihr Einkommen übersteigt den Eigenbedarf i.H.v. 200 Euro, von denen sie die Hälfte für den Unterhalt einzusetzen hat (s. Rz. 26 f., Rz. 29 f.). T3 ist in Höhe von 700 Euro leistungsfähig (3 000 – 1 600 = 1 400 / 2 = 700 Euro). Die Summe der Einsatzbeträge beträgt 800 Euro. Für den benötigten Betrag von 500 Euro haften die Schwestern entsprechend dem Verhältnis ihrer Einsatzbeträge zueinander. T 2: 100 Euro Einsatzbetrag × 500 Euro Bedarf : 800 Euro Summe der Einsatzbeträge der Schwestern = 63 Euro. T 3: 700 Euro Einsatzbetrag × 500 Euro Bedarf : 800 Euro Summe der Einsatzbeträge der Schwestern = 437 Euro.
93 Auch die Geschwister, die einander nach dem Gesetz nicht unterhaltspflichtig
sind, können voneinander Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse verlangen, soweit dies zur Feststellung ihrer Haftungsanteile für den Unterhalt der Eltern erforderlich ist. Anspruchsgrundlage ist § 242 BGB;1 denn zwischen den Geschwistern besteht eine Rechtsbeziehung besonderer Art dadurch, dass sie als Kinder ihren Eltern gegenüber unterhaltspflichtig sind (s. Kap. I Rz. 8). Der Anspruch auf Auskunft gegenüber den Geschwistern erstreckt sich auch auf die Einkünfte von deren Ehegatten, soweit dies zur Berechnung der Haftungsanteile der Geschwister von Bedeutung ist. Es besteht jedoch kein eigener Auskunftsanspruch nach § 242 BGB gegenüber den Ehegatten der Geschwister selbst.2 94
Û
Praxishinweis: Der Unterhaltsberechtigte muss im Unterhaltsverfahren den Haftungsanteil seines unterhaltspflichtigen Kindes darlegen und beweisen, was voraussetzt, dass er auch die Einkommensverhältnisse der anderen Kinder und deren Haftungsanteile darlegt und unter Beweis stellt. Der Berechtigte muss deshalb schon vor Verfahrenseinleitung Auskunft von allen Kin-
1 BGH, FamRZ 2003, 1836 (1838); OLG München, FamRZ 2002, 50. 2 BGH, FamRZ 2003, 1836, 1838; zum Auskunftsanspruch nach § 242 BGB zwischen Eltern eines volljährigen Kindes BGH, FamRZ 1988, 268 (269).
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IV. Probleme beim gesetzlichen Forderungsübergang auf den Sozialhilfeträger
dern verlangen, um sich einen Überblick zu verschaffen und die in Betracht kommenden Anteile berechnen zu können. Ihm steht zu diesem Zweck ein Auskunftsanspruch gegenüber allen Kindern zu (§ 1605 Abs. 1 BGB). Die Anforderungen an die Darlegungslast zur Begründung des Haftungsanteils der einzelnen Kinder sind nicht zu unterschätzen; denn es muss z.B. bei selbständig erwerbstätigen Kindern das Einkommen der letzten 3 Jahre nach unterhaltsrechtlichen Kriterien aufgeschlüsselt und belegt werden. Wendet das in Anspruch genommene Kind als Unterhaltsschuldner seine mangelnde Leistungsfähigkeit oder die seiner Geschwister ein, gilt umgekehrt auch, dass es nicht nur für seine eigenen Einkommensverhältnisse, insbesondere für besondere Belastungen oder erhöhten Eigenbedarf darlegungs- und beweispflichtig ist, sondern ggfs. auch für die seiner Geschwister.1 Um sich im Unterhaltsstreitverfahren besser verteidigen zu können, haben alle Kinder untereinander einen Anspruch auf Auskunftserteilung über die jeweiligen Einkommensverhältnisse des anderen, vgl. Kap. I Rz. 8.
IV. Probleme beim gesetzlichen Forderungsübergang auf den Sozialhilfeträger Die Unterhaltsstreitverfahren, in denen Elternunterhalt verlangt wird, werden 95 meist von den Sozialhilfeträgern geführt, die für hohe Pflegekosten der Eltern in Vorleistung getreten sind und dann Rückgriff auf die unterhaltspflichtigen Kinder nehmen, soweit diese leistungsfähig sind. Die Gewährung von Sozialhilfeleistungen, insbesondere die Hilfen zur Pflege aber auch die Grundsicherung im Alter, sowie der Übergang von Unterhaltsansprüchen der Leistungsempfänger gegenüber ihren unterhaltspflichtigen Kindern, richten sich seit der grundlegenden Reform des Sozialrechts seit 1.1.2005 nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches. 1. Der Forderungsübergang nach §§ 93, 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Erbringt der öffentliche Leistungsträger Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII 96 und haben die Leistungsempfänger – hier also die Eltern – während des Leistungszeitraums einen Unterhaltsanspruch nach bürgerlichem Recht gegenüber ihren Kindern, dann gehen die Unterhaltsansprüche entweder kraft Gesetzes gemäß § 94 Abs. 1 SGB XII oder durch Überleitungsanzeige nach § 93 Abs. 1 SGB XII auf den Leistungsträger in Höhe der erbrachten Leistung über. Dieser kann dann selbst, im eigenen Namen den Unterhalt von dem Unterhaltspflichtigen geltend machen und auch verfahrensrechtlich durchsetzen. Obwohl der Anspruch in Höhe der gewährten Sozialhilfeleistung zusammen mit dem Auskunftsanspruch gegenüber dem Verpflichteten auf den Leistungsträger übergeht, behalten auch die Eltern ihren Auskunftsanspruch in Bezug auf einen möglichen, nicht übergegangenen Unterhaltsanspruch, um dessen Höhe überprüfen und diese ggfs. selbst geltend machen zu können.2 Dem Sozialhilfeträger steht daneben noch ein eigener öffentlich-rechtlicher Auskunftsanspruch nach § 117 SGB XII zu.
1 OLG Hamm, FamRZ 2013, 1051; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2006, 361. 2 KG, FamRZ 1997, 105 = KGR Berlin 1998, 332 f. (mit Gründen).
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C. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
97 Bei folgenden gewährten Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII kann ein For-
derungsübergang in Betracht kommen: – Hilfen zum Lebensunterhalt (§§ 27–40, 3. Kapitel) – Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41–46, 4. Kap.) – Hilfen zur Gesundheit (§§ 47–52, 5. Kapitel) – Eingliederungshilfen für behinderte Menschen (§§ 53–60, 6. Kapitel) – Hilfen zur Pflege (§§ 61–66, 7. Kapitel) – Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (§§ 67–69, 8. Kapitel) und – Hilfen in anderen Lebenslagen (§§ 70–74, 9. Kapitel) 98 Ein Übergang des bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruchs der Eltern gegen
die Kinder auf den Leistungsträger ist in folgenden Fällen nach § 94 SGB XII kraft Gesetzes ausgeschlossen: 1) Die Kinder zahlen als Unterhaltsschuldner den Unterhalt laufend an ihre Eltern bzw. einen Elternteil (§ 94 Abs. 1 Satz 2 SGB XII), 2) Das unterhaltspflichtige Kind ist schwanger oder betreut ein leibliches Kind bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres (§ 94 Abs. 1 Satz 4 SGB XII). 3) Die Eltern beziehen bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung und die unterhaltspflichtigen Kinder verdienen jährlich weniger als 100 000 Euro (§ 43 Abs. 3 SGB XII). Liegt das Einkommen darüber und wird kein Unterhalt gezahlt, leistet der Sozialhilfeträger Sozialhilfe, für die der Unterhaltsanspruch kraft Gesetzes in Höhe der gewährten Leistung auf ihn übergeht. Ein Anspruch auf Grundsicherung haben Eltern in dem Fall nicht, s. dazu Rz. 12. 4) Die Kinder sind selbst sozialhilfebedürftig nach den §§ 27 ff. SGB XII oder würden dies bei Erfüllung des Anspruchs werden (§ 94 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII). 5) Der Anspruchsübergang würde eine unbillige Härte für die unterhaltspflichtigen Kinder bedeuten (§ 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII). 99 zu 1) Zahlt ein unterhaltspflichtiges Kind laufenden Unterhalt an seinen Eltern-
teil in Höhe der gewährten Sozialleistung, geht die Forderung nicht über und das Sozialamt wird nicht Gläubiger. Da die Sozialleistung nicht als Erfüllung des Unterhaltsanspruchs dient, muss dem Schuldner letztlich auch jederzeit die Erfüllung möglich sein. D.h. der Schuldner kann – selbst wenn ihm der Leistungsbezug bekannt gegeben wurde – jederzeit wieder die Zahlung des laufenden Unterhalts aufnehmen, um den Forderungsübergang zukünftig zu verhindern. Für die Vergangenheit können Zahlungen jedoch nur an den Sozialhilfeträger erbracht werden, da dieser dann Gläubiger der Forderung geworden ist (§ 94 Abs. 4 S. 1 SGB XII). 100
Zu 2) Die Inanspruchnahme eines unterhaltspflichtigen Kindes ist ausgeschlossen, wenn es schwanger ist oder ein Kind im Alter bis zur Vollendung des 6. Lebensjahrs betreut. Diese Konstellation kann zwar auch auf den Elternunterhalt zutreffen, wird i.d.R. aber eher im umgekehrten Unterhaltsrechtsverhältnis von Kindern gegenüber Eltern greifen, s. Kap. B Rz. 107.
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IV. Probleme beim gesetzlichen Forderungsübergang auf den Sozialhilfeträger
Zu 3) Leistet der Sozialhilfeträger Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbs- 101 minderung gilt die Besonderheit, dass ein gesetzlicher Forderungsübergang nicht stattfindet, weil eine Vermutung dafür spricht, dass das unterhaltspflichtige Kind nicht über ein Bruttoeinkommen von 100 000 Euro verfügt (§ 43 Abs. 3 S. 2 SGB XII). Ein Übergang des Unterhaltsanspruchs gegen die Kinder ist deshalb gem. § 94 Abs. 1 S. 3 2. Halbsatz SGB XII ausgeschlossen. Ergibt die Prüfung des Sozialamts hingegen, dass das Bruttoeinkommen des Kindes (also vor Abzug von Steuern, Sozialabgaben, außergewöhnlichen Belastungen und Unterhaltspflichten) 100 000 Euro oder mehr beträgt, kann es – wenn die Durchsetzung des Anspruchs Erfolg verspricht – den Anspruch auf sich durch Rechtswahrungsanzeige überleiten. Die dadurch erlangte Gläubigerstellung des Sozialträgers entspricht in ihren Rechtswirkungen der Gläubigerstellung, die kraft Gesetzes entstanden ist. Zu 4) Die Wirksamkeit des Forderungsübergangs setzt sozialhilferechtlich vo- 102 raus, dass das Kind nicht selbst sozialhilfebedürftig ist oder dies durch die Unterhaltsgewährung an den Elternteil werden würde. Zur Klärung der Wirksamkeit des Übergangs fordert das Sozialamt regelmäßig das Kind oder die Kinder des Hilfeempfängers auf, Auskunft über ihre Einkommen und Vermögen zu erteilen und führt dann eine sozialrechtliche Vergleichsberechnung durch. Der Maßstab der sozialhilferechtlichen Einstandspflicht mit der Konsequenz des Forderungsübergangs richtet sich nach den sozialrechtlichen Regelbedarfen (§§ 27–40 SGB XII). Ein Forderungsübergang kommt immer dann nicht in Betracht, wenn das Einkommen des Pflichtigen den Regelbedarf und die sonstigen Bedarfe der Sozialhilfe nach den §§ 28 ff. SGB XII nicht übersteigt. Zur Höhe und Bemessung der Regelsätze s. Kap. A Rz. 112 ff., zu Einzelheiten der sozialrechtlichen Vergleichsberechnung s. Kap. H Rz. 66 ff. Zu 5) Der Forderungsübergang findet auch dann nicht statt, wenn die Inan- 103 spruchnahme des Unterhaltsschuldners für ihn eine unbillige Härte bedeuten würde (§ 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII). Das Sozialamt hat bei der Prüfung sowohl materielle als auch immaterielle Gründe zu berücksichtigen. Dieser Ausschlussgrund spielt im Rahmen des Elternunterhalts häufig eine Rolle und wird deshalb nachfolgend unter Rz. 113 ff. gesondert behandelt. Ist die Unterhaltsforderung rechtswirksam übergegangen, muss der Sozialhilfe- 104 träger weiterhin prüfen, inwieweit eine unterhaltsrechtliche Inanspruchnahme des Schuldners tatsächlich zu erfolgen hat. Denn selbst wenn der Verpflichtete nach sozialhilferechtlichen Maßstäben leistungsfähig sein sollte, folgt daraus noch nicht, dass ein Rückgriff Erfolg haben wird, da sich die Anforderungen an die Einstandspflicht des Schuldners für den Unterhalt nur nach bürgerlichem Recht richten und sehr viel weniger streng sind. So sind insbesondere die Eigenbedarfssätze für den Unterhaltspflichtigen deutlich höher und damit günstiger als im Sozialhilferecht. Folge dieser Diskrepanz ist, dass der Sozialhilfeträger im Unterhaltsverfahren zur Schlüssigkeit des Zahlungsantrags i.d.R. nicht mehr zur sozialhilferechtlichen Vergleichsberechnung vortragen und diese vorlegen muss.1 Er hat stattdessen zum Bedarf und zur Bedürftigkeit des Elternteils vorzutragen, denn dafür ist er darlegungs- und beweispflichtig.
1 Wendl/Dose/Klinkhammer, § 8 Rz. 125.
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C. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
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Dem Unterhaltschuldner obliegt es hingegen, seine Leistungsunfähigkeit und alle zu seinen Gunsten in Betracht kommenden Einwendungen und Einreden einschließlich der Gründe für eine unbillige Härte nach § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII darzulegen und zu beweisen. Behauptet er die Unwirksamkeit des Forderungsübergangs wegen eigener sozialhilferechtlicher Bedürftigkeit (§ 94 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII), ist es wiederum Sache des Sozialhilfeträgers durch Vorlage der sozialrechtlichen Vergleichsberechnung die sozialhilferechtliche Leistungsfähigkeit des Schuldners darzulegen und zu beweisen. Fiktive Einkünfte des Schuldners sind weder bei der sozialrechtlichen Vergleichsberechnung noch im Unterhaltsstreitverfahren zu berücksichtigen, denn sie sind kein sozialhilferechtliches Einkommen nach § 82 SGB XII und ihre Berücksichtigung stünde in einem Unterhaltsstreitverfahren, in dem der Sozialhilfeträger für sich streitet, in einem Wertungswiderspruch zum Schuldnerschutz des Sozialhilferechts.1 2. Folgen des Anspruchsübergangs
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Der Unterhaltsanspruch geht nur bis zur Höhe der gewährten Sozialleistung auf den öffentlichen Leistungsträger über. Für den Schuldner ergibt sich unterhaltsrechtlich durch den Übergang keine Benachteiligung, denn aufgrund des unveränderten unterhaltsrechtlichen Charakters des Anspruchs stehen ihm alle unterhaltsrechtlichen Verteidigungsmöglichkeiten gegen den Anspruch zu. D.h. bei Rückständen hat der Leistungsträger als Gläubiger die Voraussetzungen nach § 1613 BGB zu beachten, außerdem muss der Übergang dem Schuldner nach § 94 Abs. 4 Satz 1 SGB XII angezeigt worden sein und zugunsten des Schuldners gelten die i.d.R. günstigeren Haftungsmaßstäbe des Unterhaltsrechts.
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Es ergeben sich jedoch auch Besonderheiten in den Rechtsfolgen aufgrund der unterschiedlichen Haftungsmaßstäbe im Unterhalts- und Sozialrecht: Ist der Verpflichtete nach sozialhilferechtlichen Kriterien leistungsunfähig, nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben aber leistungsfähig, z.B. aufgrund der Zurechnung eines fiktiven Einkommens, geht die Unterhaltsforderung zwar nicht auf den Sozialhilfeträger über,2 bleibt aber als Anspruch für den Unterhaltsberechtigten selbst erhalten und kann von ihm auch gegenüber dem Verpflichteten geltend gemacht werden. Der Grund dafür ist, dass die zivilrechtliche Unterhaltspflicht wegen des Nachrangs der Sozialhilfe zunächst unberührt bleibt von der Gewährung von Sozialhilfe (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB XII). Die gewährte Sozialhilfe gilt, selbst wenn ein gesetzlicher Forderungsübergang nicht stattfindet, nicht als Erfüllung des Unterhaltsanspruchs, so dass der Unterhaltsberechtigte selbst nicht gehindert ist, den noch bestehenden Unterhaltsanspruch gegenüber dem Verpflichteten geltend zu machen.3
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Macht der Unterhaltsberechtigte – obwohl er Sozialhilfeleistungen bezogen hat, diese aber keinen gesetzlichen Forderungsübergang ausgelöst habe – selbst den Anspruch gegen den Verpflichteten geltend, kann die Durchsetzung jedoch ausnahmsweise scheitern, wenn eine Anrechnung der Zuwendung aus öffentlichen Mitteln auf den Bedarf des Berechtigten im Verhältnis zum Unterhaltspflichtigen aus Billigkeitsgründen (§ 242 BGB) geboten ist. Dies kann z.B. in Mangelfäl-
1 BGH, FamRZ 1998, 818. 2 BGH, FamRZ 1999, 843 ff. 3 BGH, FamRZ 1999, 843 ff.
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IV. Probleme beim gesetzlichen Forderungsübergang auf den Sozialhilfeträger
len in Betracht kommen, wenn anderenfalls der Schuldner mit so hohen Unterhaltsschulden aus der Vergangenheit belastet wäre, dass es ihm voraussichtlich auf Dauer unmöglich wäre, den laufenden Unterhalt zu bezahlen.1
Û
Praxishinweis: Hat der Sozialhilfeempfänger mehrere Kinder, die Unterhalt 109 schulden, gehört zur schlüssigen Begründung des Zahlungsantrags eines Sozialhilfeträgers die Darlegung, in welcher Höhe er für welche Zeiträume Zahlungen erbracht hat, wie hoch der Bedarf des anspruchstellenden Elternteils ist, wie hoch dessen eigene Einkünfte sind und wie die Einkommensverhältnisse der Kinder sind. Die Einkommensverhältnisse sind unter Vorlage von Belegen vorzutragen. Die Höhe des beantragten Unterhalts muss wegen der anteiligen Haftung der Kinder nachvollziehbar vorgetragen sein und der Vortrag muss konkrete, überprüfbare Angaben zur Leistungsfähigkeit aller Kinder enthalten. Die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe der anteiligen Haftung der Antragsgegner liegt beim Antragsteller. Ihm steht gegenüber allen Unterhaltspflichtigen ein Auskunftsanspruch zu. Kommen die Kinder ihrer Auskunftspflicht nicht oder erst verspätet nach, so dass der Leistungsträger ein Unterhaltsstreitverfahren eingeleitet hat, das bei ordnungsgemäßer Auskunftserteilung hätte vermieden werden können, kann das Gericht ihnen gem. § 243 S. 2 Nr. 2 FamFG die Kosten auferlegen.
Übergegangener Unterhalt kann auch für die Vergangenheit geltend gemacht 110 werden. Voraussetzung ist, dass der Schuldner bereits zu dem Zeitpunkt, von dem an Unterhalt verlangt wird, zur Auskunftserteilung über sein Einkommen und Vermögen zum Zweck der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, er sich mit der Zahlung des Unterhalts im Verzug befunden hat oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig gewesen ist (§ 1613 Abs. 1 BGB). Ferner muss der Sozialhilfeträger ihm schriftlich die Gewährung der Hilfe mitgeteilt haben (§ 94 Abs. 4 Satz 1 SGB XII). Die rückwirkende Geltendmachung muss zeitnah erfolgen; denn ansonsten droht wegen des Schuldnerschutzes Verwirkung (§ 242 BGB). Verwirkung kann schon in Betracht kommen, wenn die Rückstände Zeitabschnitte betreffen, die etwas mehr als ein Jahr zurückliegen.2 Zu den weiteren Voraussetzungen der Verwirkung nach § 242 BGB s. Rz. 124 ff. Der Sozialhilfeträger kann nicht nur bereits fälligen Unterhalt aus übergegange- 111 nem Recht verlangen. Möglich ist auch der Antrag auf Zahlung zukünftiger Leistungen, wenn die Hilfe voraussichtlich auf längere Zeit gewährt werden muss (§ 94 Abs. 4 Satz 2 SGB XII). Gemäß § 94 Abs. 5 SGB XII kann der Sozialhilfeträger den Unterhaltsanspruch 112 im Einvernehmen mit dem Sozialhilfeempfänger auf diesen zurückübertragen, wovon allerdings beim Elternunterhalt im Hinblick auf das Alter der Unterhaltsbedürftigen kaum Gebrauch gemacht wird. Kosten, mit denen der Hilfeempfänger dadurch belastet wird, sind vom Sozialhilfeträger zu übernehmen.
1 BGH, FamRZ 2000, 1358 (1359). 2 BGH, FamRZ 2002, 1698 (1699); Griesche, FPR 2005, 340 (343); Hußmann, FPR 2003, 153 (154).
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C. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
3. Ausschluss des gesetzlichen Forderungsübergangs wegen unbilliger Härte nach § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII 113
Der gesetzliche Forderungsübergang auf den Sozialhilfeträger kann ausgeschlossen sein, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten eine unbillige Härte bedeuten würde (§ 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII). Dies wäre der Fall, wenn objektiv mit der Inanspruchnahme des Verpflichteten soziale Belange vernachlässigt werden müssten, was nach den jeweiligen Anschauungen der Gesellschaft zu beurteilen ist.1 Da die Anschauungen in der Gesellschaft wandelbar sind, unterliegt der unbestimmte Rechtsbegriff der unbilligen Härte ebenfalls Veränderungen. Immer zu beachten sind bei der Auslegung die Zielsetzung der öffentlichen Hilfe und die Grundsätze des Sozialhilferechts. Kriterien für die unbillige Härte sind u.a.: Dauer und Höhe der bisherigen Unterhaltsbelastung; Betreuung und Pflege des Hilfeempfängers durch den Unterhaltsverpflichteten vor der Gewährung der Sozialhilfe über das Maß seiner zumutbaren Unterhaltspflicht hinaus;2 Ausmaß der Pflegebedürftigkeit, teilstationäre Unterbringung; Höhe des Einkommens des Verpflichteten; Alter des Unterhaltsberechtigten; Rentenbezug des Unterhaltspflichtigen und Höhe des Heranziehungsbetrags im Verhältnis zu einer zu befürchtenden nachhaltigen Störung des Familienfriedens.3
114
Beispiele – S soll für seine im Seniorenheim lebende Mutter M, die nach ihrer Aufnahme im Heim in die Pflegestufe I eingestuft wurde, Unterhalt an das Sozialamt zahlen. S meint, nicht zahlen zu müssen, da er über Gebühr belastet werde, denn er habe M, schon bevor sie in das Pflegeheim gekommen sei, 6 Jahre lang in seinem Haushalt betreut. Ihre zunehmende Pflegebedürftigkeit habe ihn und seine Frau psychisch stark belastet und die Ehe gefährdet. Hier kommt aus Billigkeitsgründen eine Beschränkung des Anspruchs um ein Drittel in Betracht, da S schon vor 6 Jahren die Mutter in seinen Haushalt aufgenommen hat und diese aufgrund einer beginnenden Altersdemenz der besonderen Betreuung bedurfte. – Das Sozialamt macht von T Unterhalt für den im Pflegeheim lebenden Vater aus übergegangenem Recht geltend. Die Tochter lebte nie mit dem Vater zusammen, da dieser infolge der Kriegserlebnisse nach Rückkehr aus dem 2. Weltkrieg ununterbrochen in psychiatrischen Kliniken leben musste. Hier hat der BGH einen Anspruch versagt aus Härtegründen i.S.v. § 91 Abs. 2 BSHG (nicht wegen Verwirkung gemäß § 1611 BGB), weil soziale Belange deswegen vernachlässigt seien, weil die Tochter als Kriegsfolge in ihrer Kindheit die emotionale und wirtschaftliche Fürsorge ihres Vaters habe entbehren müssen.4 § 91 Abs. 2 BSHG entspricht dem heute maßgeblichen § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII.
1 BGH, FamRZ 2004, 1097 ff.; BVerwGE 58, 209 (211); Griesche, FPR 2005, 340 (342); Hußmann, Elternunterhalt, S. 70 ff. 2 BGH, FamRZ 2010, 1888, Tz. 45 ff.; OLG Oldenburg, NJW 2010, 1293 = FamRZ 2010, 992 Tz. 22 ff. 3 OLG Köln, FamRZ 1997, 53; Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge für die Heranziehung Unterhaltspflichtiger in der Sozialhilfe, FamRZ 2000, 788 ff. Nr. 12 ff.; Schellhorn, FuR 1993, 261 (266); OLG Koblenz, FamRZ 2001, 1237 ff. zur Bewertung der Unterhaltsbelastung im Verhältnis Eltern zu behinderten Kindern; OLG Frankfurt, FamRB 2002, 137 (138) zur Bewertung von Störungen bei zwischenmenschlichen Belangen. Das OLG Hamm, Urteil v. 6.8.2008 – 2 UF 241/08, FamRZ 2010, 303 m.w.N. will familiäre Belange im Rahmen von § 94 III SGB XII nur berücksichtigen, wenn auch soziale Belange berührt sind, da den familiären Belangen bereits durch § 1611 BGB Rechnung getragen sei. 4 BGH, FamRZ 2004, 1097 (1098) m. Anm. Klinkhammer, FamRZ 2004, 1283; vgl. auch BGH, FamRZ 2003, 1468.
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V. Beschränkung oder Wegfall des Unterhalts nach § 1611 BGB
Der Sozialträger hat die Einschränkung des Übergangs von Amts wegen zu be- 115 rücksichtigen, wenn er von ihren Voraussetzungen durch vorgelegte Nachweise oder auf andere Weise Kenntnis erlangt (§ 94 Abs. 3 Satz 2 SGB XII). Kommt es zum Unterhaltsstreitverfahren, liegt die Entscheidung darüber, ob die 116 tatsächlichen Voraussetzungen einer unbilligen Härte und damit eines Ausschlusses gemäß § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII vorliegen, beim Familiengericht.1 Eine Bindung an die Einschätzung des Sozialhilfeträgers besteht nicht, wenn der Forderungsübergang nicht durch Verwaltungsakt, sondern kraft Gesetzes auf den Sozialhilfeträger übergeht.
V. Beschränkung oder Wegfall des Unterhalts nach § 1611 BGB Häufig wird vom Schuldner der Einwand der groben Unbilligkeit der Inan- 117 spruchnahme auf Unterhalt geltend gemacht (§ 1611 Abs. 1 BGB), der zu einer Minderung oder einem Wegfall der Unterhaltspflicht führen kann. Nach § 1611 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Unterhalt beschränkt werden oder wegfallen, wenn der Unterhaltsberechtigte durch sein eigenes sittliches Verschulden bedürftig geworden ist (Alternative 1), er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Pflichtigen gröblich vernachlässigt (Alternative 2) oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen (Alternative 3) oder einen nahen Angehörigen des Pflichtigen (Alternative 4) schuldig gemacht hat. Hier werden in der Praxis oft Gründe vorgetragen, die schicksalhaft das frühere Familienleben bestimmt oder sogar zerstört haben, wie z.B. Alkoholmissbrauch, sexueller Missbrauch, Misshandlung (Gründe der Alt. 3), gröbliche Vernachlässigung der Unterhaltspflicht und Betreuung (Gründe der Alt. 2). Da Eltern ihren Kindern entweder Bar- oder Naturalunterhalt schulden, kann auch eine Vernachlässigung bei der Betreuung grundsätzlich geeignet sein, die Rechtswirkungen des § 1611 BGB auszulösen.2 Zwar können sich Eltern der Hilfe Dritter bei der Betreuung ihrer Kinder bedienen, sie verletzen aber ihre Unterhaltspflicht, wenn sie die Verantwortung völlig delegieren und dies einhergeht mit einer groben Vernachlässigung der persönlichen Kontaktpflege.3 Dabei kommt es bei dem Vorwurf der Vernachlässigung wegen mangelnder Kotaktpflege maßgeblich auf die Zeit der Minderjährigkeit an. Ist der Verpflichtete in dieser Zeit seiner Unterhalts- und Fürsorgepflicht gegenüber dem unterhaltspflichtigen Kind nachgekommen, soll ein späterer Kontaktabbruch nicht zu einer Beschränkung oder Wegfall der Unterhaltspflicht des Kindes führen.4 Grundsätzlich gilt, dass für eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nicht ausreicht jegliche Störung familiärer Beziehungen, erforderlich ist vielmehr für das Vorliegen einer schwerwiegenden Verfehlung eine tiefgreifende Beeinträchtigung der schutzwürdigen wirtschaftlichen Interessen oder persönlichen Belange des unterhaltspflichtigen Kindes.5 Der Unterhaltsschuldner ist für die Voraussetzungen der Verwirkung darlegungs- und beweispflichtig für die Gründe, die zum Wegfall oder zur Beschrän1 2 3 4
BGH, FamRZ 2003, 1468 (1470); OLG Frankfurt, OLGR 2002, 25 (27). BGH, FamRZ 2004, 1559 (1560), mit Anm. Born, S. 1561. Kritisch dazu Griesche, FPR 2005, 335 (339). BGH v. 12.2.2014 – XII ZB 607/12, FamRZ 2014, 541 = FamRB 2014, 122 (Kurzwiedergabe). 5 BGH, FamRZ 2010, 1888 m. Anm. Hauß S. 1892; Dose, FamRZ 2013, 993 (1000 f.).
Ehinger
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C. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
kung des Anspruchs geführt haben. Die Anforderungen an die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Verwirkung sind streng, denn es handelt sich um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift.1 118
Beispiele – T soll für M, die im Pflegeheim lebt, Unterhalt zahlen. Sie wendet grobe Unbilligkeit ein, da die Ehe der Eltern schlecht gewesen, M während ihrer Kindheit alkoholabhängig gewesen sei mit der Folge, dass sie sich um die anderen Geschwister habe kümmern müssen und nicht den Beruf habe lernen können, den sie sich erwünscht hatte. Keine Verwirkung ist anzunehmen bei schicksalhaften Verläufen der Familiengeschichte. M litt unter dem tyrannischen Ehemann und befand sich mehrfach in psychiatrischer Behandlung;2 s.a. Rz. 114 f. – V verlangt von seiner Tochter T Unterhalt, obwohl er nach der Scheidung von ihrer Mutter keinen Kontakt mehr zu T gesucht und selbst trotz Leistungsfähigkeit in der Vergangenheit über längere Zeit keinen Unterhalt für T gezahlt hat. Der Anspruch ist verwirkt.3 – T verteidigt sich gegen den Unterhaltsanspruch ihrer Mutter, dass sie seit Jahren keinen Kontakt mehr gehabt hätten, weil ihre Mutter sie in der Vergangenheit mehrfach schwer beleidigt habe. Das OLG Karlsruhe hat eine Kürzung des Anspruchs abgelehnt, weil der fehlende Kontakt und die Kränkungen zwar menschlich bedauerlich seien, sich aber nicht auf völlig ungewöhnlichem Niveau bewegten.4 – M lebt im Pflegeheim und verlangt Unterhalt von der Tochter T, die als berufstätige Krankenschwester leistungsfähig wäre. In der Vergangenheit hatte M die Tochter im Alter von eineinhalb Jahren zur Großmutter in Pflege gegeben, kam zu keinem Zeitpunkt für den Unterhalt des Kindes auf, gebar aus einer weiteren Beziehung noch drei Kinder und wanderte mit diesen für mehrere Jahre in die USA aus. Sie hielt auch in dieser Zeit kaum Kontakt zu T. Hier entfällt der Unterhaltsanspruch nach Auffassung des BGH völlig,5 weil M sowohl gröblich gegen ihre Unterhaltspflicht gegenüber T verstoßen (§ 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB) als auch ihre elterliche Pflichten durch mangelnde Pflege des Kontaktes zu T so erheblich verletzt hat, dass es sich als schwere Verfehlung i.S.v. § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB darstellt. – Das Amtsgericht Frankfurt hat den Elternunterhalt teilweise gem. § 1611 Abs. 1 BGB gekürzt, weil der Unterhaltsberechtigte während seiner Erwerbstätigkeit als Selbständiger überdurchschnittlich gut verdient und keine ausreichende Altersvorsorge getroffen hat.6
VI. Rangverhältnisse 119
Da die Kinder nur ersatzweise nach dem Ehegatten haften – auch nach dem geschiedenen Ehegatten –, muss zunächst dieser in Anspruch genommen werden. Nur wenn der Ehegatte nicht oder nur teilweise leistungsfähig ist, greift die Ersatzhaftung der Kinder (§§ 1608 Satz 2, 1584 Satz 2 BGB). Werden Kinder auf Elternunterhalt in Anspruch genommen, stehen die Unterhaltsansprüche der Eltern an 6. Stelle der Rangfolge der Unterhaltsansprüche (§ 1609 Nr. 6 BGB) und 1 OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 971. 2 Zum fehlenden Verschulden bei einer Erkrankung des Elternteils an einer schizophrenen Psychose vgl. OLG Hamm – 2 UF 241/08. Eine auf Kriegserlebnisse zurückzuführende psychische Erkrankung mit der Folge einer völligen Entfremdung zum unterhaltspflichtigen Kind kann jedoch einen Ausschluss nach § 94 Abs. 3 SGB XII begründen, BGH, FamRZ 2004, 1097 (109). 3 OLG Koblenz, OLGR 2000, 254 ff. 4 OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 971. 5 BGH, FamRZ 2004, 1559 f. m. Anm. Born, S. 1561. 6 AG Frankfurt, FPR 2002, 76.
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VIII. Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB
sind nachrangig gegenüber den Ansprüchen der Abkömmlinge, § 1609 Nr. 1, 4 und 5 BGB, und Ehegatten der unterhaltspflichtigen Kinder, § 1609 Nr. 2 und 3 BGB, sowie den Ansprüchen nichtehelicher Mütter (§ 1609 Nr. 2 BGB). S. auch Kap. A Rz. 366 f.
VII. Unterhalt für die Vergangenheit Für die Vergangenheit kann der Berechtigte Erfüllung oder Schadensersatz we- 120 gen Nichterfüllung nur von der Zeit an fordern, zu welcher der Verpflichtete aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, zu der der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist (§ 1613 Abs. 1 BGB, zu den Einzelheiten der Voraussetzungen s. Kap. A Rz. 368 ff.). Rückwirkend kann Unterhalt für Sonderbedarf binnen eines Jahres nach Entste- 121 hung verlangt werden (§ 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB); außerdem für solche Zeiträume, in denen der Berechtigte aus rechtlichen Gründen keinen Unterhalt verlangen konnte (§ 1613 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a BGB). Unterhalt kann auch rückwirkend verlangt werden, wenn er aus tatsächlichen 122 Gründen, die in den Verantwortungsbereich des Verpflichteten fallen (unbekannter Aufenthalt des Verpflichteten), nicht rechtzeitig gefordert werden konnte (§ 1613 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b BGB). Für rückständigen Unterhalt können Verzugszinsen verlangt werden, wenn sich 123 der Schuldner mit der Zahlung in Verzug befindet. Wegen der Voraussetzungen und der Höhe wird auf Kap. A Rz. 372 ff. verwiesen.
VIII. Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB Das Recht, rückständigen Unterhalt geltend zu machen, kann verwirkt sein, 124 wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre und der Verpflichtete sich aufgrund des gesamten Verhaltens des Berechtigten darauf einrichten durfte und darauf eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Der Geltendmachung von rückständigem Unterhalt kann schon vor Ablauf der Verjährung der Einwand der Verwirkung entgegen gehalten werden, wenn Zeit- und Umstandsmoment erfüllt sind. Der BGH stellt vor allem aus Gründen des Schuldnerschutzes keine strengen Anforderungen an die Tatbestandserfüllung der Verwirkung und hält sie schon für möglich nach mehr als einem Jahr der Untätigkeit1 (zu den Voraussetzungen der Verwirkung im Einzelnen vgl. Kap. A Rz. 378 ff.). Allerdings hat der BGH später eine Entscheidung der Vorinstanz insoweit gebilligt, als diese die Verwirkung von Ansprüchen wegen Fehlens des Umstandsmoments abgelehnt hatte, obwohl die Ansprüche einen Zeitraum betrafen, in dem die Behörde schon über ein Jahr untätig war. Dabei wurde maßgeblich darauf abgestellt, dass der Unterhaltspflichtige zwar in der Regel seine Lebensführung an die zur Verfügung stehenden Einkünfte anpasse, so dass er bei einer Unterhaltsnachforderung, mit der
1 BGH, FamRZ 2002, 1698 f.; 1988, 370; 2007, 453 (zur Verwirkung nachehelichen Unterhalts).
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C. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
er nicht mehr zu rechnen brauche, auf die Mittel zurückgreifen können müsse. Der Vertrauensschutz sei aber weniger stark, wenn sich die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen aus Mitteln ergebe, die nicht für den Familienunterhalt benötigt und der Vermögensbildung zugeführt würden.1 Für die Prüfung der Voraussetzungen einer Verwirkung nach § 242 BGB kommt deshalb neben dem Zeitmoment maßgeblich darauf an, dass auch das Umstandsmoment erfüllt ist. D.h. das unterhaltspflichtige Kind musste nach Treu und Glauben Anhaltspunkte dafür gehabt haben, dass der Unterhaltsberechtigte seine Rechte nicht mehr weiterverfolgen werde und es muss sich deshalb wirtschaftlich darauf eingerichtet haben.2 125
Betroffen von den strengen Anforderungen an das Zeitmoment sind hier vor allem die Sozialhilfeträger, die den übergeleiteten Anspruch häufig erst nach mehreren Jahren, nachdem sie den Verpflichteten um Auskunft über seine Einkommensverhältnisse ersucht haben, beziffern. Im Hinblick auf die erfahrungsgemäß zeitraubende Klärung der Einkommensverhältnisse der Verpflichteten und allgemein bekannten Sparmaßnahmen in der öffentlichen Verwaltung dürften die Anforderungen, den Anspruch innerhalb einer Frist von einem Jahr zu beziffern, überspannt sein, zumal aufgrund der demographischen Entwicklung die Inanspruchnahme öffentlicher Hilfeleistungen für Pflegekosten ständig ansteigt.3
126
Auch bereits titulierte Ansprüche unterliegen der Verwirkung nach den gleichen Grundsätzen (Kap. A Rz. 384 f.).4
IX. Verjährung 127
Gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 i.V.m. § 195 BGB gilt für Unterhaltsansprüche die Regelverjährungsfrist von 3 Jahren. Maßgeblich für den Fristbeginn ist jeweils das Ende des Jahres, in dem der Anspruch entsteht (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F.). Für rechtskräftig zuerkannte Ansprüche auf rückständigen Unterhalt bis zur Rechtskraft des Urteils, bzw. bis zum Abschluss des Vergleichs, der Errichtung der Urkunde gilt die 30-jährige Verjährungsfrist (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB), für die nach diesen Zeitpunkten entstehenden Ansprüchen gilt die dreijährige Verjährungsfrist (§ 197 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 3 BGB). Zur Berechnung der Fristen s. die Beispiele in Kap. A Rz. 388.
X. Verfahrenskostenvorschuss 128
Es besteht kein Anspruch der Eltern auf Verfahrenskostenvorschuss gegen die Kinder. Ein solcher Anspruch ist weder im Gesetz unter Verwandten ausdrücklich geregelt, noch ergibt er sich für Eltern gegenüber ihren Kindern aus einer entsprechenden Anwendung von § 1360a Abs. 4 BGB. Der Gesetzgeber hat einen Anspruch auf Kostenvorschuss für einen Rechtsstreit in § 1360a Abs. 4 BGB nur
1 BGH, FamRZ 2004, 795 (798). 2 BGH, FamRZ 2010, 1888, Tz. 24; Dose, FamRZ 2013, 993 (1001). 3 Zu Recht kritisch gegenüber der kurzen Bemessung der Frist u.a. Hußmann, FPR 2003, 153; Hußmann, Elternunterhalt, S. 60 f.; Büttner, NJW 2003, 449; Griesche, FPR 2005, 340 (343) m.w.N. 4 BGH, FamRZ 2004, 531 (532).
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X. Verfahrenskostenvorschuss
explizit zwischen Ehegatten geregelt, was nach der Rechtsprechung des BGH1 im Umkehrschluss dafür spricht, dass der Vorschuss nicht selbstverständlicher Teil des allgemeinen Lebensbedarfs ist. Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Verpflichteten ist ein Unterhaltsrechtsverhältnis, das durch ein besonders hohes Maß an Verantwortung und Opferbereitschaft aufseiten des Verpflichteten geprägt ist. Davon kann zwar im Verhältnis von unterhaltspflichtigen Eltern gegenüber ihren minderjährigen und in der Ausbildung befindlichen volljährige Kindern2 ausgegangen werden, nicht aber, wenn Kinder ihren Eltern gegenüber unterhaltspflichtig sind.3
1 BGH, FamRZ 1984, 148. 2 So die überwiegende Meinung in der obergerichtlichen Rspr.; vgl. u.a. OLG Zweibrücken, FamRZ 1996, 981 f. mit Rspr.-Nachweisen auch für die abweichende Meinung; OLG Hamm, DAVorm 1995, 1011 f.; OLG Köln, FamRZ 2000, 757; OLG Hamm, FamRZ 2000, 255; Wendl/Dose/Scholz, § 6 Rz. 24a. 3 OLG München, FamRZ 1993, 821.
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D. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern Inhaltsübersicht Rz.
Rz.
I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Unterhaltsanspruch der Mutter . . 1. Die Klärung der Vaterschaft. . . . . . 2. Die einzelnen Unterhaltstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mutterschutzunterhalt (§ 1615l Abs. 1 Satz 1 BGB) . . . . . . . . . . . b) Entbindungskosten (§ 1615l Abs. 1 Satz 2 BGB) . . . . . . . . . . . c) Unterhalt wegen schwangerschaftsbedingter Erkrankung (§ 1615l Abs. 2 Satz 1 BGB) . . . . d) Unterhalt wegen Kindesbetreuung (§ 1615l Abs. 2 Satz 2–5 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unterhalt für die ersten drei Jahre – Basisunterhalt . bb) Verlängerung des Unterhalts nach Billigkeit . . . . . . cc) Befristung des Unterhalts . . dd) Darlegungs- und Beweislast 3. Die Berechnung des Unterhalts . . a) Bedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . c) Leistungsfähigkeit des Vaters . . aa) Klärung des unterhaltsrelevanten Einkommens . . . . . . bb) Grenzen der Inanspruchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einzelheiten zur unterhaltsrechtlichen Bereinigung des Einkommens . .
5 5
dd) Leistungsfähigkeit bei mehreren Unterhaltsschuldnern. . . . . . . . . . . . . . . 79 ee) Darlegungs- und Beweislast 81 Beschränkung oder Wegfall des Unterhalts nach § 1611 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Rangverhältnisse und Ersatzhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Rangverhältnisse seit 1.1.2008 . 88 b) Ersatzhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . 91 c) Rangverhältnisse bis zum 31.12.2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Unterhalt für die Vergangenheit. . . 100 Verwirkung nach § 242 BGB und Auswirkungen von Tod und Heirat auf den Anspruch . . . . . . . . . . . . 104 Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Verfahrenskostenvorschuss . . . . . . 108
6 8
4. 5.
12 13 15 16 18 32 35 39 48 65 72 73 74
6. 7. 8. 9.
III. Unterhaltsanspruch des Vaters . . . 109 IV. Geltendmachung von Unterhalt bei ungeklärter Vaterschaft . . . . . . 110 1. Unterhalt im Wege des einstweiligen Anordnungsverfahrens bei vermuteter Vaterschaft . . . . . . . . . . 111 2. Unterhaltsvorausleistungen und der Scheinvaterregress . . . . . . . . . . . 114 3. Rückwirkende Geltendmachung von Unterhalt nach Klärung der Vaterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
77
I. Einleitung Wird ein Kind nichtehelich geboren, kommen zugunsten der Mutter folgende 1 Ansprüche gegen den Vater in Betracht: – Mutterschutzunterhalt (§ 1615l Abs. 1 Satz 1 BGB), – Entbindungskosten (§ 1615l Abs. 1 Satz 2 BGB), – Unterhalt wegen schwangerschaftsbedingter Erkrankung (§ 1615l Abs. 2 Satz 1 BGB), – Unterhalt wegen Kindesbetreuung (§ 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB). Das Unterhaltsrechtsverhältnis zwischen nicht verheirateten Eltern ist – ins- 2 besondere seit 1995 – schrittweise ausgebaut und vor allem der Unterhaltsanspruch wegen Betreuung des Kindes verbessert worden: Ehinger
241
D. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern
Mit Wirkung ab 1.10.1995 wurde der Betreuungsunterhaltsanspruch der Mutter von einem Jahr auf drei Jahre erweitert (§ 1615l Abs. 2 BGB i.d.F. v. 1.10.1995) Seit 1.7.1998, dem Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes, konnte der Betreuungsunterhalt insbesondere unter Berücksichtigung der Belange des Kindes bei grober Unbilligkeit darüber hinaus verlängert werden (§ 1615l Abs. 2 S. 3 BGB i.d.F. v. 1.7.1998). Außerdem hat seitdem auch der Vater einen Unterhaltsanspruch gegen die Mutter, wenn er das Kind nach der Geburt betreut (§ 1615l Abs. 4 i.V.m. § 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB). Seit 1.1.2008, dem Inkrafttreten des Unterhaltsänderungsgesetzes, besteht der Betreuungsunterhaltsanspruch mindestens für drei Jahre und kann unter weniger strengen Anforderungen, nämlich aus einfachen Billigkeitsgründen, verlängert werden. 3
Im Wesentlichen sind damit nach aktueller Rechtslage die Verlängerungsmöglichkeiten des Anspruchs wegen Kindesbetreuung zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern und zwischen geschiedenen Eltern weitgehend angeglichen (§ 1615l Abs. 2 Satz 3 bis 5 BGB und § 1570 Abs. 1 BGB).1 Dazu gehört auch die Gleichstellung mit unterhaltsberechtigten ehelichen und geschiedenen Müttern in der Rangfolge der Unterhaltsansprüche im zweiten Rang, unmittelbar folgend auf unterhaltsberechtigte minderjährige und ihnen gleichgestellte privilegierte volljährige Kinder (§ 1609 Nr. 2 BGB).
4
Im Zuge der Kindschaftsrechtsreform wurde auch die Zuständigkeit der Gerichte vereinheitlicht. Seitdem sind ausschließlich die Familiengerichte für die Ansprüche nach § 1615l BGB mit dem dreistufigen Instanzenzug Amtsgericht/ Oberlandesgericht/BGH zuständig.
II. Unterhaltsanspruch der Mutter 1. Die Klärung der Vaterschaft 5
Eine entscheidende Vorfrage für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern ist, ob die Vaterschaft des Kindes geklärt ist. Denn die Geltendmachung von Unterhalt im ordentlichen Streitverfahren gegen den Vater setzt voraus, dass die Vaterschaft rechtsverbindlich feststeht.2 Die Vaterschaft für das nichteheliche Kind steht fest, wenn der Vater die Vaterschaft anerkannt hat (§§ 1592 Nr. 2, 1594 BGB) oder die Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist (§ 1592 Nr. 3, § 1600d Abs. 1 und 4 BGB). Ist die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet, gilt ihr Ehemann als Vater (§ 1592 Nr. 1 BGB). Nicht ausreichend ist für das ordentliche Unterhaltsstreitverfahren die Darlegung der vermuteten Vaterschaft, selbst wenn sie nicht bestritten wird. Denn nach dem Wortlaut der §§ 1594 Satz 1 und 1600d Abs. 4 BGB können die Rechtswirkungen der Vaterschaft erst vom Zeitpunkt der Anerkennung bzw. ihrer Feststellung geltend gemacht werden.3 Diese Regelung führt 1 Ausführlich zur Rechtsentwicklung mit Rechtsvergleich Eschenbruch/Schürmann/ Menne, Kap. 2 Rz. 1460 ff.; ebenso Wendl/Dose/Bömelburg, § 7 Rz. 1 ff. 2 So u.a. auch Bamberger/Roth/Reinken, § 1615l Rz. 5; Wendl/Dose/Bömelburg, § 7 Rz. 195; Schilling/Wever, FamRZ 2002, 581 (590); Huber, FPR 2005, 189 (190); a.A. MüKomm.BGB/Born, § 1615l Rz. 3; Palandt/Brudermüller, § 1615l Rz. 2. 3 Wendl/Dose/Bömelburg § 7 Rz. 195 m.w.N.; OLG Celle, FamRZ 2005, 747 a.A. Palandt/ Brudermüller, § 1615l BGB Rz. 2; OLG Zweibrücken, FamRZ 1998, 554.
242 Ehinger
II. Unterhaltsanspruch der Mutter
jedoch nicht dazu, dass Mutter und Kind bis zur Klärung der Vaterschaft rechtund schutzlos sind. Tatsächlich kann auch in der Phase der ungeklärten Vaterschaft Unterhalt geltend gemacht werden, allerdings sind dafür vom Gesetzgeber spezielle Verfahren geschaffen worden, die unter Rz. 111 ff. behandelt werden. 2. Die einzelnen Unterhaltstatbestände Prüfungsschema für die Unterhaltsansprüche
6
1. Was wird verlangt? – Mutterschutzunterhalt (§ 1615l Abs. 1 Satz 1 BGB): Unterhalt für 14 Wochen (6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Geburt), – Sonderbedarf: Entbindungskosten (§ 1615l Abs. 1 Satz 2 BGB), – Unterhalt wegen schwangerschaftsbedingter Erkrankung (§ 1615l Abs. 2 Satz 1 BGB): Unterhalt für die Zeit ab 4 Monate vor der Geburt bis zu 3 Jahren nach der Geburt, – Unterhalt wegen Kindesbetreuung (§ 1615l Abs. 2 Satz 2–5 BGB) 2. Für alle Ansprüche müssen folgende Punkte geklärt werden: – (voraussichtliches) Datum der Geburt des Kindes, – Ist die Vaterschaft anerkannt (§ 1592 Nr. 2, § 1594 BGB) oder festgestellt (§ 1592 Nr. 3, § 1600d BGB)? 3. Bedarf der Mutter – Auflistung des Sonderbedarfs bei Entbindungskosten, ansonsten gilt: Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach bisherigem eigenen Einkommen der Mutter. 4. Bedürftigkeit – Kann der Bedarf durch eigene Einkünfte gedeckt werden (Anrechnung eigener Einkünfte wie Arbeitslosengeld, Mutterschaftsgeld, Zinsen aus Sparguthaben; Wohnvorteil bei Wohnen im Eigenheim; Vermögen, BAföG etc.)? 5. Leistungsfähigkeit des Verpflichteten – Klärung und Bereinigung des unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommens – Angemessenheitskontrolle unter Berücksichtigung des Halbteilungsgrundsatzes und des angemessenen Selbstbehalts des Verpflichteten1 6. Ergebnis: zu zahlender Unterhalt Grundsätzlich liegt die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründen- 7 den Tatsachen der einzelnen Unterhaltstatbestände bei der Mutter.
1 Der angemessene Eigenbedarf des Verpflichteten beträgt zzt. 1 100 Euro (Stand 1.1.2014). Der aktuelle Wert bzw. der Wert für den zu prüfenden Unterhaltszeitraum ist jeweils Nr. 21.3.2 der LL und Anm. D II. der DT zu entnehmen.
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243
D. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern
a) Mutterschutzunterhalt (§ 1615l Abs. 1 Satz 1 BGB) 8
Der Vater hat der Mutter für die Dauer von 6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Geburt des Kindes Unterhalt zu gewähren (§ 1615l Abs. 1 BGB). Die Mutter hat damit im Rahmen der Mutterschutzfristen1 einen eigenen Unterhaltsanspruch für insgesamt 14 Wochen, auf den die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten, geregelt in §§ 1601–1615 BGB, entsprechend anwendbar sind (§ 1615l Abs. 3 Satz 1 BGB). Es spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, ob die Mutter bei Beginn der Frist selbständig, unselbständig oder nicht erwerbstätig gewesen ist.
9
Beispiel Der Zeitraum für die Unterhaltspflicht wird berechnet wie folgt: Voraussichtlicher Geburtstag des Kindes ist Montag, der 23.6.2014. Da der Tag, in den das die Frist auslösende Ereignis fällt, gem. § 187 Abs. 1 BGB nicht mitzählt, wird gerechnet wie folgt: Die Zahlungspflicht beginnt 6 Wochen vor der Geburt, also ab Montag, den 12.5.2014 und endet 8 Wochen nach der Geburt, dies ist Montag, der 18.8.2014. Gemäß § 188 Abs. 2 BGB endet die Wochenfrist mit dem entsprechenden Wochentag, in den das Ereignis nach § 187 Abs. 1 BGB fällt.
10 Weitere Voraussetzung für den Anspruch ist – wie bei jedem anderen Unter-
haltsanspruch auch –, dass die Mutter unterhaltsbedürftig und der Vater leistungsfähig ist. Nicht erforderlich ist, dass die Unterhaltsbedürftigkeit der Mutter ursächlich bedingt ist durch die Schwangerschaft. D.h., zugunsten der Mutter kommt auch dann ein Unterhaltsanspruch in Betracht, wenn sie bereits aus anderen Gründen, z.B. wegen Krankheit oder der Betreuung eines weiteren Kindes, an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert oder arbeitslos ist.2 11 Soweit sie innerhalb der Schutzfrist Mutterschaftsgeld (§ 13 MuSchG) erhält, ihr
Arbeitgeber ihr einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld oder weiter das Arbeitsentgelt zahlt (§§ 14, 11 MuSchG) wird bei einer erwerbstätigen Mutter i.d.R. kein Unterhaltsanspruch bestehen; denn Ziel der Zuschusspflicht des Arbeitgebers ist der volle Lohnausgleich für die Frau während der Schutzfrist (vgl. dazu die Ausführungen zur Höhe des Bedarfs unter Rz. 48 ff. und zu den anrechenbaren eigenen Einkünften Rz. 65 ff.). b) Entbindungskosten (§ 1615l Abs. 1 Satz 2 BGB) 12 Die Mutter kann Sonderbedarf, d.h. Kosten, die ihr im Zusammenhang mit der
Schwangerschaft und Entbindung – auch außerhalb der Mutterschutzfristen – entstanden sind, vom Vater ersetzt verlangen, sofern diese nicht durch Versicherungsleistungen gedeckt sind oder nicht aus eigenem Einkommen bestritten werden können. Hierzu gehören z.B. Arztkosten wegen der Entbindung und für die Klinik, aber auch Aufwendungen für Umstandskleidung, Schwangerschafts1 Die Mutterschutzfristen sind in §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG geregelt. Danach besteht ein Beschäftigungsverbot in den letzten 6 Wochen vor der Entbindung und bis zu 8 Wochen nach der Entbindung bzw. 12 Wochen bei Früh- und Mehrlingsgeburten. Innerhalb der Beschäftigungsverbotsfristen besteht ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld, das die gesetzliche Krankenkasse bzw. das Bundesversicherungsamt gemäß § 13 MuSchG zahlt, und ggf. auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld gegen den Arbeitgeber gemäß § 14 MuSchG. Zur Berechnung der Höhe der Ansprüche vgl. die Hinweise zum Mutterschutzgeld des BMFSFJ unter www.bmfsfj.de. 2 BGH, FamRZ 1998, 541.
244 Ehinger
II. Unterhaltsanspruch der Mutter
gymnastik, Medikamente, soweit sie nicht von anderer Stelle getragen werden. Dazu gehören nicht die Kosten für die Babyausstattung, diese stellt Sonderbedarf des Kindes dar.1 Die Angemessenheit der Aufwendungen richtet sich nach der Lebensstellung der Mutter, die nach der Rechtsprechung des BGH selbst bei einem längeren Zusammenleben mit dem nichtehelichen Vater nicht von dem Lebensstandard der nichtehelichen Lebensgemeinschaft geprägt sein kann (umstr. s. Rz. 61 f.).2 c) Unterhalt wegen schwangerschaftsbedingter Erkrankung (§ 1615l Abs. 2 Satz 1 BGB) Kann die Mutter einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen, weil sie infolge der 13 Schwangerschaft oder einer durch die Schwangerschaft oder die Entbindung verursachten Krankheit dazu außerstande ist, ist der Vater verpflichtet, ihr über die Mutterschutzfristen hinaus Unterhalt zu zahlen. Dies gilt für die Zeit vor und nach der Geburt mit der Maßgabe, dass die Unterhaltspflicht frühestens 4 Monate vor der Geburt beginnt und 3 Jahre nach der Geburt endet. Sie verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind insbesondere die Belange des Kindes und bestehende Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen (§ 1615l Abs. 2 Satz 4 und 5 BGB). Die Verlängerung des Anspruchs wegen einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung wird i.d.R. der Billigkeit entsprechen. 14
Beispiele – M trennt sich während der Schwangerschaft von V. Sie hat eine Risikoschwangerschaft und vorzeitige Wehen, so dass sie ab 15.1.2013 nicht mehr arbeiten darf. Das Kind wird am 15.6.2013 geboren. V muss im Falle der Bedürftigkeit der M ab dem 15.1.2013 zahlen. Der Unterhalt kann ausnahmsweise ohne Rechtsnachteil auch rückwirkend verlangt werden (§ 1615l Abs. 3 Satz 1, § 1613 Abs. 2 Nr. 2a BGB), wenn die Vaterschaft für das nichteheliche Kind erst nach Entstehen des Anspruchs anerkannt oder rechtskräftig festgestellt wird. – Die Unternehmerin erleidet bei der Geburt am 15.7.2010 einen Bandscheibenvorfall, der eine langwierige Behandlung zur Folge hat und eine Erwerbstätigkeit neben der Kindesbetreuung nicht erlaubt. Erst ab 15.7.2014 kann sie – nach einer erfolgreichen Operation – wieder arbeiten. Der nichteheliche Vater muss, wenn keine anderen Billigkeitsgründe dagegen sprechen, bis zum 14.7.2014, also länger als 3 Jahre Unterhalt zahlen, da die Erkrankung durch die Entbindung verursacht wurde.
d) Unterhalt wegen Kindesbetreuung (§ 1615l Abs. 2 Satz 2–5 BGB) Der Mutter steht wegen der Pflege und Erziehung des Kindes mindestens bis zu 15 3 Jahren nach der Geburt Betreuungsunterhalt nach § 1615l Abs. 2 Satz 2–5 BGB zu. Der Anspruch verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind insbesondere die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen (§ 1615l Abs. 2 Satz 5 BGB).
1 OLG Celle, FamRZ 2009, 704. 2 FamRZ 2008, 1739 (1741 f.), m. Anm. Maurer, S. 1831; BGH, FamRZ 2005, 442 (443) m. Anm. Schilling FamRZ 2005, 445. A.A. u.a. Büttner, FamRZ 2000, 781 (783); Schilling/Wever, FamRZ 2002, 581 (584); Maurer, FamRZ 2008, 1831, Ehinger, FPR 2010, 384 (393); 2001, 25 (27).
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D. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern
aa) Unterhalt für die ersten drei Jahre – Basisunterhalt 16 Seit dem 1.1.2008, dem Inkrafttreten des UÄndG, sind die Anspruchsvorausset-
zungen des Betreuungsunterhaltsanspruchs im Umfang eines „Basisunterhalts“1 zwischen Eltern eines nichtehelichen Kindes und zwischen geschiedenen Ehegatten (§ 1570 Abs. 1 BGB) hinsichtlich der Dauer gleich geregelt und die Verlängerungsmöglichkeiten weitgehend angeglichen worden. Dies war aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.2.2007 erforderlich geworden,2 nachdem das Gericht den Betreuungsunterhaltsanspruch der Mutter eines nichtehelichen Kindes nach § 1615l Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. wegen der ungleichen Dauer des Anspruchs im Verhältnis zum Betreuungsunterhaltsanspruch der geschiedenen Mutter für unvereinbar mit Art. 6 Abs. 5 erklärt hatte (vgl. dazu auch Kap. F Rz. 55). 17 Dabei besteht nach dem Willen des Gesetzgebers in den ersten drei Lebensjah-
ren des Kindes ein Vorrang der elterlichen Betreuung, denn in diesem Lebensalter entwickelt das Kind seine Bindungsfähigkeit und ist besonders betreuungsbedürftig. In diesem Zeitraum besteht deshalb für den betreuenden Elternteil keine Erwerbspflicht. Die Mutter kann sich zwischen Erwerbstätigkeit und Betreuung frei entscheiden.3 Demzufolge kommt es i.d.R. nicht darauf an, ob Fremdbetreuungsmöglichkeiten bestehen und ohne die Kindesbetreuung eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werden könnte, ob also die Kindesbetreuung die alleinige Ursache für die Nichterwerbstätigkeit ist. Ein Anspruch besteht auch dann, wenn die Mutter schon zuvor erwerbslos war oder ein anderes Kind betreute, welches sie an einer Erwerbstätigkeit hinderte.4 bb) Verlängerung des Unterhalts nach Billigkeit 18 Der Unterhaltsanspruch verlängert sich nach Vollendung des dritten Lebensjah-
res, wenn dies der Billigkeit entspricht. Als Kriterien für die Billigkeitsprüfung sind vorrangig die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen (§ 1615l Abs. 2 Satz 4 und 5 BGB).5 Diese Regelung beruht auf der Prämisse, dass ein Kind ab Vollendung des dritten Lebensjahres zwar noch betreuungsbedürftig ist, es aber mit dem Kindeswohl vereinbar ist und die Belange eines Kindes nicht beeinträchtigt sind, wenn die Pflege und Erziehung während der Arbeitszeit der Eltern in anderer Weise als durch elterliche Betreuung sichergestellt werden kann.6 19 Wegen der ab dem 3. Lebensjahr fortdauernden Betreuungsbedürftigkeit des Kin-
des kommt eine Verlängerung deshalb immer dann in Betracht, wenn keine oder nur eine eingeschränkte Fremdbetreuungsmöglichkeit für das Kind besteht, so
1 BT-Drucks. 16/6980, Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, S. 17. 2 BVerfG, FamRZ 2007, 965 ff. 3 BT-Drucks. 16/11830, S. 31; BT-Drucks. 16/6980, Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, S. 22; BGH, FamRZ 1998, 543; Puls, FamRZ 1998, 872; Büttner, FamRZ 2000, 881 ff. jeweils m.w.N.; OLG Bremen, FamRZ 2000, 636 ff.; OLG Zweibrücken, FamRZ 2000, 286 ff. 4 OLG Hamm, 2. Senat, FamRZ 1997, 632 und BGH, FamRZ 1998, 543. 5 BGH, FamRZ 2008, 1739 (1748). 6 BT-Drucks. 16/1830, S. 31. Eine zeitliche Begrenzung auf drei Jahre für alle Kinder ist vom BVerfG ausdrücklich nicht beanstandet worden, FamRZ 2007, 965 ff.
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II. Unterhaltsanspruch der Mutter
dass die Mutter an der Ausübung einer (teilweisen) Erwerbstätigkeit gehindert ist. Bei der Billigkeitsprüfung sind insbesondere kindbezogene Gründe zu berück- 20 sichtigen, die für eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs sprechen. Kindbezogene Gründe können z.B. sein:
21
– Alter und Anzahl der zu betreuenden gemeinsamen Kinder – Entwicklungsstand des Kindes/der Kinder (fehlende Kindergartenreife) – vorhandene Betreuungsmöglichkeiten sind nicht zumutbar für das Kind/die Kinder z.B. wegen einer Behinderung, Erkrankung, Verhaltensauffälligkeiten, aber auch wegen unzureichender Förderung bei besonderer Begabung – vorhandene Betreuungsmöglichkeiten sind nicht zumutbar für die Mutter wegen fehlender Verlässlichkeit, Unvereinbarkeit mit den Arbeitsbedingungen der Mutter, eines Missverhältnisses der Kosten mit finanziellem Vorteil aus Erwerbstätigkeit. Die Belange des Kindes sind immer dann berührt, wenn es in besonderem Maße 22 betreuungsbedürftig ist und die Aufnahme einer vollen, oder aber auch nur teilweisen Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils nicht im Einklang mit dem Kindeswohl steht. D.h. nach der Rechtsprechung des BGH auch, dass im Rahmen von § 1615l BGB aus kindbezogenen Gründen kein abrupter übergangsloser Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit verlangt wird, wie dies auch für die Verlängerung des ehelichen Betreuungsunterhaltsanspruchs nach dem Willen des Gesetzgebers gelten soll.1 Eine besondere Betreuungsbedürftigkeit kann sich ergeben wegen Entwicklungsschwierigkeiten, die den Besuch eines Kindergartens nicht oder nur beschränkt zulassen (wie z.B. eine ADHS-Erkrankung), Verhaltensauffälligkeiten aufgrund einer konflikthaften Trennung der Eltern oder fortdauernder Streitigkeiten wegen des Umgangs. Aber auch besondere Begabungen können einen besonderen organisatorischen Betreuungsaufwand erfordern, der nicht durch Betreuungseinrichtungen geleistet werden kann. Elternbezogene Gründe können ebenfalls eine Verlängerung aus Billigkeitsgrün- 23 den rechtfertigen.2 Sie sind zwar in § 1615l Abs. 2 BGB nicht ausdrücklich erwähnt, anders als beim nachehelichen Betreuungsunterhaltsanspruch in § 1570 Abs. 2 BGB, der explizit eine Verlängerung aus ehe- und damit auch elternbezogenen Gründen vorsieht, nämlich „wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kindesbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht“ (s. Kap. F Rz. 80). Gleichwohl sind sie zu beachten, denn nach dem Gesetzeswortlaut in § 1615l Abs. 2 Satz 5 BGB sind bei der Billigkeitsprüfung „insbesondere die Belange des Kindes“ zu berücksichtigen, so dass diese zwar vorrangig zu beachten sind, andere Gründe, die für eine Verlängerung sprechen, jedoch nicht ausgeschlossen sind. Sie spielen jedoch meist nur dann eine Rolle, wenn die Eltern in einer eheähnlichen Gemeinschaft
1 BGH, FamRZ 2010, 444 (446), Tz. 26 unter Bezugnahme auf BT-Drucks. 16/6980, S. 9 und seine Rechtsprechung zu § 1570 BGB in FamRZ 2009, 1391 (1393 f.). 2 BT-Drucks. 16/6980, S. 10; BGH, FamRZ 2008, 1739 (1748); 2010, 444 (447), Tz. 26.
Ehinger
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D. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern
zusammengelebt haben und aufgrund einer gemeinsamen Lebensplanung ein besonderer Vertrauenstatbestand entstanden ist.1 24 Solche elternbezogenen Gründe können sein:
– schützenswertes Vertrauen des betreuenden Elternteils in die Erhaltung der bisherigen Betreuungssituation wenn die Eltern in einer dauerhaften Lebensgemeinschaft zusammen gelebt haben,2 – die Mutter betreut mehrere Kinder desselben Vaters,3 – die Mutter hat in der Kleinkindphase gearbeitet, um die Ausbildung des Vaters zu finanzieren,4 – Einigung der Eltern während des früheren Zusammenlebens, dass eine Fremdbetreuung möglichst gering gehalten werden soll, – überobligatorische Belastung des betreuenden Elternteils durch die Doppelbelastung bei Ausübung einer Vollbeschäftigung neben der Kindesbetreuung,5 – Erkrankung der Mutter, die eine Doppelbelastung unzumutbar macht.6 – Mutter musste ihr Studium wegen der Betreuung des Kindes in den ersten drei Lebensjahren unterbrechen.7 25 Haben Eltern in nichtehelicher Lebensgemeinschaft längere Zeit zusammen-
gelebt, können sich aufgrund einer gemeinsamen Lebensplanung, berücksichtigungswürdige Gründe für die Verlängerung ergeben, wenn die Mutter z.B. ihre beruflichen Pläne von der Unterstützung des Vaters bei der Kinderbetreuung abhängig gemacht hat oder mehrere gemeinsame Kinder zu betreuen sind. 26 Beispiel M und V leben seit mehreren Jahren in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zusammen, aus der 2 gemeinsame Kinder hervorgehen. V übt eine Vollbeschäftigung aus, M studiert. Nach der gemeinsamen Lebensplanung soll M ihr Studium neben der Kinderbetreuung fortsetzen. Als das jüngste Kind 2 Jahre alt ist, trennen sich M und V. M kann die Zahlung von Betreuungsunterhalt verlangen, obwohl sie neben der Kinderbetreuung ein Studium absolviert; denn die Betreuung muss nicht einzige Lebensaufgabe der M sein. Mit Rücksicht auf die gemeinsame Planung der Eltern, dass das Studium neben der Kindesbetreuung absolviert werden soll, verlängert sich der Anspruch über das dritte Lebensjahr des jüngsten Kindes hinaus bis zum Abschluss des Studiums der Mutter.8
1 So der BGH schon zum früheren Recht in FamRZ 2006, 132 (1366 f.) m. Anm. Schilling S. 1367; ebenso Peschel-Gutzeit, Unterhaltsrecht aktuell, Rz. 304; a.A. Löhnig/Preisner, FamRZ 2010, 1422 f., die für eine restriktive Auslegung plädieren und den Vertrauenstatbestand einer gelebten Familie ablehnen, da ansonsten die rechtliche Bedeutung der Ehe abgewertet würde. 2 BT-Drucks. 16/6980, S. 10 unter Bezugnahme auf BGH, FamRZ 2006, 1362 (1367); BGH, 2010, 357 (362), Tz. 48. 3 BT-Drucks. 16/6980, S. 10. 4 Empfehlungen des 13. Deutschen Familiengerichtstags, FamRZ 2000, 273; weitere Gründe bei Puls, FamRZ 1998, 865 (872) und Büttner, FamRZ 2000, 781 (783). 5 BGH, FamRZ 2008, 1739 (1749), Tz. 103; FamRZ 2006, 1362 (1367); Maier, FamRZ 2008, 101 (102 f.); Borth, FamRZ 2008, 2 (7 f.). 6 OLG Schleswig, FamRZ 2004, 975. 7 OLG Nürnberg, FamRZ 2010, 577. 8 OLG Frankfurt, FamRZ 2000, 1522.
248 Ehinger
II. Unterhaltsanspruch der Mutter
Bei einer nur kurzen Beziehung wird eine Verlängerung kaum, bei einer längeren 27 Beziehung mit einer gemeinsamen Lebensplanung, in der ein gemeinsamer Kinderwunsch verwirklicht wurde, eher in Betracht kommen. Haben z.B. Eltern von der Geburt des Kindes bis zur Trennung fünfeinhalb Jahre zusammengelebt, kann es der Billigkeit entsprechen, dass die bisher nur teilzeitbeschäftigte Mutter erst ein Jahr nach der Trennung anfängt, vollschichtig zu arbeiten.1 Die Belange des betreuenden Elternteils sind immer – auch unabhängig von der Dauer eines eventuellen Zusammenlebens – dann zu berücksichtigen, wenn sie in ursächlichem Zusammenhang mit der Betreuung des Kindes stehen und sich auf das Kindeswohl auswirken.2 So kann z.B. eine Überforderung wegen Erkrankung oder Behinderung des betreuenden Elternteils der Aufnahme einer vollen oder teilweisen Erwerbstätigkeit entgegenstehen.3 Diese letztgenannten Gründe lassen sich im Übrigen nach der zutreffenden Auffassung von Borth letztlich auch – genau wie das Fehlen von Fremdbetreuungsmöglichkeiten – wegen ihrer unmittelbaren Auswirkung auf die Belange des Kindes auch als kindbezogene Gründe definieren.4 Eine Erkrankung, die schon vor der Geburt des Kindes bestanden hat, rechtfer- 28 tigt für sich genommen keine Verlängerung des Anspruchs, denn § 1615l Abs. 2 BGB gewährt insoweit keinen Krankheitsunterhalt. So hat z.B. eine schon vor der Geburt an Multipler Sklerose erkrankte Mutter keinen Anspruch auf Verlängerung des Betreuungsunterhaltsanspruchs, wenn sie nicht konkret und nachvollziehbar darlegen und beweisen kann, dass sie durch die Betreuung des Kindes und Ausübung einer vollen Erwerbstätigkeit überobligatorisch belastet ist.5 In die Billigkeitsabwägung sind die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Eltern 29 mit einzubeziehen. Bei der Auslegung der Verlängerungsmöglichkeiten nach § 1615l Abs. 2 BGB ist 30 auf das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 6 Abs. 5 GG für eheliche und nichteheliche Kinder zu achten, so dass auch die zu § 1570 Abs. 1 BGB entwickelte Rechtsprechung herangezogen werden kann. Eine Gleichbehandlung stößt jedoch auf Grenzen, soweit sich beim nachehelichen Betreuungsunterhalt Verlängerungsgründe aus ehebezogenen Billigkeitsgründen nach § 1570 Abs. 2 BGB ergeben. Da auch die Ehe unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes steht, ist ein völliger Gleichklang bei der Auslegung der Verlängerungsmöglichkeiten weder geboten noch zu erwarten, solange sich besondere Verlängerungsgründe aus dem besonderen Vertrauensschutz herleiten lassen, den die Eingehung der Ehe begründet. Die von der Rechtsprechung bei der Auslegung des bis zum 31.12.2007 gelten- 31 den § 1615l Abs. 2 BGB a.F. anerkannten Gründe zur Vermeidung einer groben Unbilligkeit rechtfertigen immer auch eine Verlängerung aus Billigkeitsgründen nach neuem Recht.
1 Zur Relevanz längerfristiger Bindungen zwischen den Eltern für den Unterhalt, vgl. BGH, FamRZ 2010, 357 (363), Tz. 52; 2010, 444 Tz. 19 ff.; 2008, 1739 (1748), Tz. 102; 2006, 1363 (1367); BVerfG, FamRZ 2007, 965 ff. 2 BGH, FamRZ 2006, 1362 (1367). 3 BGH, FamRZ 2006, 1362 (1367). 4 Borth, Anm. zu BGH, FamRZ 2009, 770 ff. in FamRZ 2009, 960 (961). 5 BGH, FamRZ 2010, 357 (363), Tz. 53; ebenso OLG Bremen, FamRZ 2010, 1917.
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D. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern
cc) Befristung des Unterhalts 32 Grundsätzlich gilt, dass eine Pflicht zur Zahlung von Betreuungsunterhalt für
mindestens drei Jahre nach der Geburt besteht und sich die Unterhaltspflicht verlängert, soweit und solange dies der Billigkeit entspricht. Die Verlängerung ergibt sich jeweils – ohne dass es eines konstitutiven Akts bedarf – nach materiellem Recht dann, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Billigkeitsgründen vorliegen. Da es sich bei dem Basisunterhalt und verlängertem Betreuungsunterhalt nach der Gesetzessystematik um einen einheitlichen Anspruch handelt, hat der BGH sowohl für den Betreuungsunterhalt der nichtehelichen Mutter nach § 1615l Abs. 3 Satz 3–5 BGB als auch den wortgleichen Anspruch der ehelichen Mutter nach § 1570 Abs. 1 BGB entschieden, dass eine Befristung des Basisunterhalts nicht geboten ist, sofern nicht im Zeitpunkt der Entscheidung absehbar ist, dass keine kind- oder elternbezogenen Verlängerungsgründe mehr vorliegen.1 Diese in Literatur und Rechtsprechung sehr umstrittene Frage der Befristung hatte der BGH zunächst mit Urteil v. 18.3.20092 für den nachehelichen Betreuungsunterhalt in diesem Sinne entschieden und sie später mit Beschluss v. 2.10.2013 auch für den Anspruch der nichtehelichen Mutter bestätigt. Sowohl die Systematik des Gesetzes als auch der in Art. 6 Abs. 5 GG enthaltene Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber, nichtehelichen Kindern durch positive Regelungen die gleichen Bedingungen für ihre körperliche und seelische Entwicklung zu schaffen wie ehelichen Kindern, sprechen dafür, hinsichtlich der Dauer des aus kindbezogenen Gründen geschuldeten Betreuungsunterhalts nicht zwischen der Betreuung ehelicher und nichtehelicher Kinder zu differenzieren.3 33 Wurde der Unterhalt in den ersten drei Lebensjahren des Kindes nicht tituliert,
weil die Eltern sich erst danach getrennt haben, und begehrt der betreuende Elternteil nach Vollendung des dritten Lebensjahrs den verlängerte Unterhalt nach § 1615l Abs. 2 S. 4–5 BGB, muss er die kind- und/oder elternbezogenen Gründe, die für eine fortdauernde elterliche Betreuung sprechen, unter Berücksichtigung der bestehenden Möglichkeiten der Kindesbetreuung vortragen. Ist der Anspruch begründet, ist der Billigkeitsunterhalt ebenfalls unbefristet zu regeln, es sei denn, der Zeitpunkt des Wegfalls der Verlängerungsgründe ist eindeutig bestimmbar oder die Billigkeitsgründe selbst gebieten eine Befristung. 34 Beispiel V und M waren verlobt und lebten bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres ihres gemeinsamen Kindes zusammen. Nach der Trennung verlangt M Betreuungsunterhalt, ohne darzulegen, dass keine ganztägige Betreuungseinrichtung für das Kind zur Verfügung steht
1 BGH, FamRZ 2013, 1958 Tz. 19 ff. zu § 1615l BGB unter Bezugnahme auf BGH, FamRZ 2009, 770 Tz. 41, wonach eine Befristung des nachehelichen Betreuungsunterhaltsanspruchs nach der Systematik des § 1570 BGB nicht geboten ist. Zum verfassungsrechtlichen Gebot der Gleichbehandlung BVerfG, FamRZ 2007, 965. Zum vorangegangenen Meinungsstreit: Gegen eine Befristung, wenn ein Wegfall nicht sicher prognostiziert werden kann, Dose, JAmt 2009, 1 (5); Borth, FamRZ 2009, 960 (961); 2008, 1 (10) zu § 1570 BGB; Büte/Poppen/Menne, § 1615l BGB Rz. 30; Ehinger, FPR 2010, 392 (398); Johannsen/Henrich/Graba, § 1615l BGB Rz. 12, a.A. OLG Bremen, FamRZ 2008, 1281; Wever, FamRZ 2008, 553 (558); Schilling, FPR 2008, 27 (30); Palandt/Brudermüller, § 1615l BGB Rz. 13; Koch/Wellenhofer, Rz. 3025. 2 BGH, FamRZ 2009, 770 Tz. 41. 3 BGH, FamRZ 2013, 1958 Tz. 19 ff.
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II. Unterhaltsanspruch der Mutter und sie aus besonderen Gründen auf eine finanzielle Absicherung durch V habe vertrauen können. Der BGH hat die Klageabweisung durch die Vorinstanzen gebilligt.1
Möglich ist im Rahmen der Billigkeitsabwägung auch, die Unterhaltsforderung der Höhe nach zu begrenzen. dd) Darlegungs- und Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast für die Geltendmachung von Betreuungsunter- 35 halt liegt bei der Mutter.2 Für die Dauer der ersten drei Lebensjahre muss sie unter Angabe der Personendaten des Kindes, der anerkannten bzw. festgestellten Vaterschaft des Verpflichteten, der Höhe ihres bisher erzielten Einkommens und ihrer jetzigen Einkommenssituation darlegen, dass sie ein gemeinsames Kind betreut und in welcher Höhe sie unterhaltsbedürftig ist. Nicht erheblich und damit auch nicht darlegungsbedürftig ist, ob Fremdbetreuungsmöglichkeiten bestehen. Wird Unterhalt ab Vollendung des dritten Lebensjahres verlangt, sind die Grün- 36 de für einen fortdauernden Betreuungsbedarf darzulegen und zu beweisen.3 Dazu gehört zunächst, dass keine kindgerechte Einrichtung für die Betreuung des gemeinsamen Kindes zur Verfügung steht und/oder dass aus besonderen Gründen eine persönliche Betreuung erforderlich ist. Soll der Unterhalt aus elternbezogenen Gründen verlängert werden, sind alle Umstände, die zu einer eingeschränkten Erwerbspflicht und damit zur Verlängerung des Betreuungsunterhalts führen können, konkret darzulegen und zu beweisen.4 Behauptet der Vater, aus besonderen Gründen treffe die Mutter schon während 37 der ersten drei Lebensjahre eine Erwerbsobliegenheit, ist er insoweit darlegungsund beweispflichtig.5 Hier können vor allem Gründe in Betracht kommen, die sich aufgrund eines Zusammenlebens der Eltern in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ergeben.
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Praxishinweis: Wird der Anspruch unbefristet zugesprochen, bleibt es dem 38 Verpflichteten unbenommen, die Abänderung des Unterhaltstitels zu beantragen, wenn abzusehen ist, dass das Kind ab dem dritten Lebensjahr ganztägig im Kindergarten betreut werden kann, so dass eine Verlängerung des Anspruchs nicht mehr der Billigkeit entspricht. Gleiches gilt, wenn sich die Höhe des Anspruchs aufgrund veränderter Berechnungsgrundlagen ändert, weil z.B. eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt werden kann und Einkünfte aufseiten des Berechtigten den Anspruch mindern. Hier sollte zunächst zur Vermeidung unnötiger Verfahrenskosten rechtzeitig Auskunft über die tatsächlichen Verhältnisse und ggf. der Verzicht auf die Rechte aus dem Titel von dem Berechtigten verlangt werden. Der Berechtigte ist sowohl auskunftspflichtig in Bezug auf die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Verlängerung aus Billigkeitsgründen als auch seine Bedürftigkeit. Im Unter-
BGH, FamRZ 2010, 444. BGH, FamRZ 2008, 1739 (1748). BGH, FamRZ 2010, 444 (447), Tz. 26. BGH, FamRZ 2010, 357 (362), Tz. 49; 2009, 1391 (1393); 2008, 1739 (1748). Diese Handhabung entspricht den Grundsätzen zur Darlegungs- und Beweislast, die der BGH zur Erwerbsobliegenheit bei der Betreuung ehelicher Kinder entwickelt hat, FamRZ 1983, 458; 1982, 24 (25).
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haltsabänderungsverfahren muss er sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für einen fortdauernden Betreuungsunterhaltsanspruch darlegen und beweisen. Kommt er einem vorgerichtlichen Auskunftsbegehren des Verpflichteten nicht rechtzeitig nach, muss er damit rechnen, die Kosten des Abänderungsverfahrens auferlegt zu bekommen, selbst wenn er in der Sache obsiegen sollte (§ 243 Satz 2 Nr. 2 FamFG entspr. § 93d a.F. ZPO, Kap. K Rz. 107). 3. Die Berechnung des Unterhalts 39
Prüfungsschema für die Unterhaltsbedarfsberechnung der Mutter 1. Berechnung des angemessenen Bedarfs der Unterhaltsberechtigten. a) Klärung des bisherigen eigenen Durchschnittseinkommens ggf. abzüglich berufsbedingter Aufwendungen. b) Ergebnis: Bedarf. 2. Ist die Unterhaltsberechtigte in Höhe des errechneten Bedarfs bedürftig? a) Vom Bedarf sind abzuziehen: eigene Einkünfte, z.B. bereinigtes Einkommen aus zumutbarer Erwerbstätigkeit, Arbeitslosengeld, Mutterschaftsgeld, Zinsen aus Sparguthaben, Wohnvorteil bei Wohnen im Eigenheim, Vermögen, BAföG, das Elterngeld, soweit es 300 Euro übersteigt, bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit ggfs. Abzug des nach Billigkeit zu bestimmenden unterhaltsrelevanten Teils, § 1577 Abs. 2 BGB analog1 (vgl. Kap. A Rz. 102 ff.). b) Ergebnis: ungedeckter Bedarf. 3. Ist der Verpflichtete zur Zahlung des ungedeckten Bedarfs leistungsfähig? a) Klärung des Durchschnittseinkommens (Jahreseinkommen bei Arbeitnehmer, 3 Jahreseinkommen bei Selbständigen, Kap. A Rz. 68 ff.). b) Von dem Einkommen sind abzuziehen: ggf. berufsbedingte Aufwendungen (bei Arbeitnehmer), vorrangige Unterhaltspflichten (§ 1609 BGB), berücksichtigungswürdige Verbindlichkeiten (Kap. A Rz. 214 ff.) c) Ergebnis: zu verteilendes Einkommen. 4. Angemessenheits- und Selbstbehaltskontrolle: Begrenzung des Bedarfs der Mutter auf den Betrag, der dem Verpflichteten verbleibt (Halbteilungsgrundsatz, ggf. mit Vorabzug eines Erwerbstätigenbonusses).2 Dem Verpflichteten hat jedoch stets ein angemessener Selbstbehalt zu verbleiben.3 5. Ergebnis: zu zahlender Unterhalt.
40 Die nichteheliche Mutter ist unterhaltsberechtigt, wenn sie außerstande ist,
sich selbst zu unterhalten (§ 1602 Abs. 1 BGB). Sie hat einen Anspruch auf angemessenen Unterhalt (§ 1610 Abs. 1 BGB). Die Höhe des zu zahlenden Unterhalts hängt von ihrem Bedarf und ihrer Bedürftigkeit sowie der Leistungsfähigkeit des Vaters ab (§ 1603 Abs. 1 BGB). Da nicht nur die unterhaltsberechtigte Mutter, 1 BGH, FamRZ 2005, 442 (444). 2 BGH, FamRZ 2005, 442 (443). 3 Vgl. Anm. D.II der DT bzw. jeweils Nr. 21.3.2 der Leitlinien. Der angemessene Selbstbehalt beträgt nach dem Stand 1.1.2014 1 100 Euro.
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sondern auch der unterhaltspflichtige Vater einen Anspruch auf angemessenen Unterhalt hat (§ 1610 Abs. 1 und § 1603 Abs. 1 BGB), sind die vorhandenen Mittel im Rahmen der Angemessenheitsprüfung gleichmäßig zu verteilen. Eine angemessene Verteilung der Mittel setzt voraus, dass dem Unterhalt Leis- 41 tenden mindestens die Mittel verbleiben, die er zur Abdeckung seines eigenen angemessenen Bedarfs benötigt, und sich der Bedürftige aufgrund der Unterhaltsgewährung im Ergebnis nicht besser steht als der Unterhaltspflichtige. Der BGH hat sich zur Lösung des Problems einer gerechten Verteilung der vor- 42 handenen Mittel dafür entschieden, generell den im ehelichen Unterhaltsrecht geltenden Grundsatz der Halbteilung auch auf den Anspruch nach § 1615l BGB zur Begrenzung des Bedarfs anzuwenden. Damit soll verhindert werden, dass ein betreuender Elternteil, der vor der Geburt mehr als der Verpflichtete verdiente, einen höheren Bedarf beanspruchen kann als dem Verpflichteten verbleibt. D.h., dem Verpflichteten hat ein maßvoll die Hälfte seines bereinigten, verteilungsfähigen Einkommens übersteigender Betrag zu verbleiben, was auch beinhaltet, dass ihm der beim Ehegattenunterhalt übliche Erwerbstätigenbonus – der eine Modifizierung des Halbteilungsgrundsatzes darstellt – zugutekommen soll.1 Diese dogmatische, am nachehelichen Betreuungsunterhaltsanspruch angelehnte Lösung ist im Kontext der Rechtsprechung des BGH zu sehen, die Ansprüche nach § 1615l BGB und § 1570 BGB möglichst umfassend anzugleichen im Interesse einer gleichwertigen Betreuungssituation für eheliche und nichteheliche Kinder (Art. 6 Abs. 5 GG2). Unbefriedigend an dieser Rechtsprechung ist, dass sie die Systematik des Ver- 43 wandtenunterhalts außer Acht lässt und der Anspruch mit Hilfe des Halbteilungsgrundsatzes bereits auf der Bedarfsebene gekürzt wird, was im Gesetz nicht vorgesehen ist. Es besteht zwar das verfassungsrechtliche Gebot, nichtehelichen Kindern gleiche Lebensbedingungen wie ehelichen Kindern zu schaffen, dies rechtfertigt jedoch nicht, die Gesetzessystematik für die Bedarfsbestimmung und Leistungsfähigkeit, die sich aufgrund der Rechtsgrundverweisung nach den §§ 1610, 1603 BGB richtet, außer Acht zu lassen. Denn das Problem der gerechten Verteilung der dem Verpflichteten zur Verfügung stehenden Mittel lässt sich beim Verwandtenunterhalt nach der dort maßgeblichen Systematik im Rahmen der üblichen Angemessenheitsprüfung ebenfalls lösen. Eine Angemessenheitsprüfung beinhaltet die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Belastung. Diese impliziert auch, dass sich der Unterhaltsberechtigte durch die Unterhaltsgewährung nicht besser stehen sollte als der Verpflichtete, so dass dem Verpflichteten von seinem Einkommen mindestens ein Betrag zu verbleiben hat, der das eigene Einkommen des Berechtigten zuzüglich des geschuldeten Unterhalts nicht unterschreitet. Denn ein Eingriff in die Handlungsfreiheit des Verpflichteten (Art. 2 GG) durch Auferlegung einer Unterhaltspflicht setzt zu seiner Legitimation voraus, dass der Verpflichtete nach seinem Leistungsvermögen nur gehalten ist, der Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten abzuhelfen, soweit er dadurch nicht selber bedürftiger wird als der Hilfebedürftige. Ein weiterer Kritikpunkt an der Rechtsprechung des BGH ist, dass die entsprechen1 BGH, FamRZ 2005, 442 (443) zu § 1615l BGB; FamRZ 2006, 683 (686) zur Bedeutung des Halbteilungsgrundsatzes beim Ehegattenunterhalt im Sinne der Anspruchsbegrenzung. 2 BVerfG, FamRZ 2007, 965.
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de Anwendung von Grundsätzen des nachehelichen Unterhaltsrechts beliebig erscheint. Dies zeigt die Rechtsprechung des BGH zur Bestimmung des Bedarfs des betreuenden Elternteils, der mit dem Verpflichteten über mehrere Jahre in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammengelebt hat. Danach richtet sich der Bedarf nicht nach dem gemeinsamen Einkommen der Eltern, selbst wenn diese über Jahre in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammengelebt und gewirtschaftet haben, sondern ausschließlich nach der eigenen Lebensstellung der Mutter (s. Rz. 61 f.).1 44 Die OLG haben in den Unterhaltsleitlinien für den nach § 1615l BGB Unter-
haltspflichtigen einen Selbstbehaltssatz festgesetzt, der ihm mindestens als eigener angemessener Unterhalt verbleiben sollte.2 Bei dem pauschalierten Selbstbehaltssatz handelt es sich jedoch nur um einen empfohlenen Richtwert. Er ist als Hilfsmittel zur Bestimmung der Leistungsgrenze des Pflichtigen und Berechnung des geschuldeten Unterhalts heranzuziehen, ist aber immer im Rahmen der Leistungsfähigkeit unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Einzelfalles auf seine Angemessenheit zu überprüfen. Ob und unter welchen Voraussetzungen die in den Tabellen und Leitlinien als Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen angegebenen Mindestbeträge zu erhöhen sind, unterliegt letztlich der verantwortlichen Beurteilung des Tatrichters.3 45 Die Mutter muss die tatsächlichen Voraussetzungen ihres Bedarfs und ihrer Be-
dürftigkeit anhand ihrer eigenen früheren und aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse darlegen und beweisen. Zur Überprüfung der Leistungsfähigkeit des Vaters und besseren Einschätzung eines Verfahrenskostenrisikos steht ihr ein Auskunftsanspruch gegen den Vater zu (§ 1615l Abs. 3 Satz 1, § 1605 BGB), vgl. Kap. I Rz. 7. Dem Vater obliegt die Darlegungs- und Beweislast für Umstände, die seine Leistungsfähigkeit einschränken oder ausschließen.4 46 Hat die Mutter bei noch bestehender Ehe und rechtskräftig festgestellter Vater-
schaft eines anderen Mannes sowohl Anspruch auf Unterhalt gegen den Ehemann wegen der Betreuung weiterer, ehelicher Kinder als auch gegen den Vater des nichtehelichen Kindes wegen der Betreuung des nichtehelichen Kindes, haften beide für den Unterhalt als Teilschuldner;5 vgl. dazu unter Rz. 79. Die Darlegungs- und Beweislast für die Haftungsanteile der Teilschuldner liegt bei der Mutter. Zu den Einzelheiten des Bedarfsbestimmung s. Rz. 54. 47
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Praxishinweis: Sind sich die Eltern über die Zahlung von Betreuungsunterhalt an die Mutter einig, empfiehlt es sich zur Vermeidung späterer Streitigkeiten den Unterhalt z.B. in einem notariell beurkundeten Vertrag oder einem notariellen Schuldanerkenntnis, aber auch – kostenlos – in einer vor dem Jugendamt errichteten Urkunde (§ 59 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII) titulieren zu lassen (Kap. J Rz. 25 ff.).
1 BGH, FamRZ 2010, 444 (445), Tz. 6; 2008, 1739 (1742). 2 Vgl. zur Höhe des Selbstbehaltssatzes des Verpflichteten gegenüber der Mutter bzw. des Vaters eines nichtehelichen Kindes jeweils die Nr. 21 der aktuellen Leitlinien des zuständigen OLG; zu den Bemessungsgrundsätzen BGH, FamRZ 2005, 354. 3 BGH, FamRZ 2004, 1184 ff. zur Bedeutung der Eigenbedarfssätze nach den LL beim Elternunterhalt. 4 Baumgärtel/Aps, § 1615l BGB Rz. 1, 6. 5 BGH, FamRZ 2008, 1739 ff.; mit. Anm. Maurer S. 1831.
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a) Bedarf Das Maß des nach § 1615l Abs. 1 und 2 BGB zu gewährenden angemessenen Un- 48 terhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung der bedürftigen Mutter (§ 1615l Abs. 3 i.V.m. § 1610 Abs. 1 BGB).1 Dabei umfasst der Unterhalt die Kosten für den gesamten Lebensbedarf, z.B. für 49 Nahrung, Kleidung, Hygiene, Wohnen, Freizeitgestaltung, Erholung, Reisen, Bildung, zur Befriedigung kultureller Bedürfnisse, Krankenvorsorge2, Pflegeversicherung. Altersvorsorgeunterhalt gehört nicht zum geschuldeten Bedarf, denn die Mutter ist als betreuender Elternteil kraft Gesetzes in der Zeit der Kindererziehung in den ersten drei Lebensjahren des Kindes in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe des Durchschnittseinkommens der Versicherten versichert (§§ 56, 249 SGB VI). Die Kindererziehungszeit beginnt nach Ablauf des Monats der Geburt und endet nach 36 Kalendermonaten. Der Lebensbedarf kann konkret durch Darstellung der individuellen Lebenshal- 50 tungskosten berechnet werden. Üblicherweise wird auf das von der Mutter vor der Geburt nachhaltig erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit abgestellt.3 Bei niedrigen bis mittleren Gehältern dient das Einkommen i.d.R. der Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs, so dass zur schlüssigen Darlegung des Bedarfs ausreicht, das bisherige Durchschnittseinkommen anzugeben und zu belegen.4 Bei überdurchschnittlichen Einkünften, bei denen meist ein Teil des Geldes in die Vermögensbildung fließt, ist eine Abgrenzung zwischen Aufwendungen für die Lebenshaltung und Vermögensbildung erforderlich; denn verlangt werden kann nur der für die Lebenshaltungskosten maßgebliche Betrag. Es kann ggf. eine konkrete Bedarfsberechnung in Betracht kommen. Durch die seit 1.1.2008 erweiterten Verlängerungsmöglichkeiten des Unterhalts- 51 anspruchs ergeben sich auch neue Fragestellungen zur Bedarfshöhe, wenn sich aufgrund des Zeitablaufs zwischen der Erwerbstätigkeit vor der Geburt und der dreijährigen Betreuung Einkommensentwicklungen ergeben, die für den verlängerten Unterhalt zu einem höheren Bedarf führen. Nach bisheriger Rechtsprechung des BGH bestimmt sich das Maß des Unterhalts ausschlaggebend nach den wirtschaftlichen Verhältnissen, wie sie sich bis zur Geburt des Kindes entwickelt haben.5 War der betreuende Elternteil bis zur Geburt des Kindes erwerbstätig, bemessen sich seine Lebensstellung und damit sein Bedarf nach seinem bis dahin nachhaltig erzielten Einkommen. Auf spätere Veränderungen soll es nicht ankommen. Der Unterhaltsbedarf kann lediglich gekappt werden, wenn dem Unterhaltsberechtigten aus eigenen Einkünften und Unterhaltszahlungen insgesamt mehr zur Verfügung stünde, als dem Unterhaltspflichtigen verbleibt.6 Diese Auslegung greift jedenfalls im Rahmen des verlängerten Unterhalts zu kurz, wenn zum Beispiel eine noch vor der Geburt begonnene Ausbildung zwischenzeitlich abgeschlossen wurde oder in der Branche höhere Löhne gezahlt werden.7 Maß1 BGH, FamRZ 2006, 1362 (1367); 2008, 1739 (1742 f.); 2010, 3357 (359); 2010, 444 (445). 2 OLG München, NJW-RR 2006, 586 (587). 3 BGH, FamRZ 2010, 357 (359) Tz, 17 ff.; 2005, 442 (443); 2007, 1303 ff.; 2008, 1739 (1741 f.); OLG Bremen, FamRZ 2000, 636 f.; OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 1531 ff.; OLG Köln, NJW-RR 2001, 364 f. 4 OLG Bremen, FamRZ 2000, 636. 5 BGH, FamRZ 2010, 444 Tz. 15 f. 6 BGH, FamRZ 2010, 357 Tz. 17. 7 Mehle, FamRZ 2010, 510 ff.
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gebend muss dann der Bedarf sein, den der Unterhaltsbedürftige in dem maßgeblichen Unterhaltszeitraum nach der dann gegebenen Lebensstellung hat. D.h. normale Entwicklungen, die in der beruflichen Tätigkeit angelegt sind, wie z.B. die Beendigung einer Ausbildung sowie sonstige Einkommensentwicklungen, sind bei der Bedarfsbestimmung zu berücksichtigen, denn aus dem Gesetz ergibt sich nicht, dass der Bedarf im Sinne einer statischen Größe fixiert ist auf die Zeit vor der Geburt. Abzustellen ist vielmehr entsprechend der üblichen Systematik im Verwandtenunterhalt auf eine denselben Zeitraum erfassende Prüfung von Bedarf/Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit und auf eine Einkommenssituation der Mutter, die ohne Betreuung des Kindes für sie bestünde.1 52 Beispiel M war vor der Geburt Auszubildende mit einem Ausbildungsentgelt von 600 Euro. Als das Kind 4 Jahre alt ist, hat sie ausgelernt, kann aber aus kindbezogenen Gründen nur halbtags arbeiten. Bei Ausübung einer vollen Erwerbstätigkeit würde sie bereinigt 1 200 Euro verdienen. Ihr Bedarf beträgt 1 200 Euro abzüglich des tatsächlich erzielten Einkommens von 800 Euro, also 400 Euro. Würde man als Bedarf auf das vorgeburtlich erzielte Einkommen von 600 Euro abstellen, ergäbe sich wegen des im Unterhaltszeitraum erzielten Einkommens von 800 Euro kein ungedeckter Bedarf.
53 War die Mutter vor der Schwangerschaft arbeitslos, ist das vor der Arbeitslosig-
keit nachhaltig erzielte Erwerbseinkommen maßgeblich, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie dieses Einkommen ohne Schwangerschaft hätte erzielen können.2 Beispiel M verdiente als Verkäuferin bereinigt 1 200 Euro. Nach 3-monatiger Arbeitslosigkeit wird sie schwanger. Nach der Geburt entscheidet sie sich, das Kind selbst zu betreuen. Ihr Bedarf beträgt 1 200 Euro.
54 Ist die Mutter noch verheiratet oder geschieden und betreut sie neben dem
nichtehelichen Kind ein weiteres Kind aus der (noch nicht) geschiedenen Ehe, so bestimmt sich ihr Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen gemäß §§ 1361, 1578 BGB, die auch den Maßstab für den Unterhaltsanspruch aus § 1615l BGB gegen den Vater des nichtehelichen Kindes bilden.3 Der Bedarf besteht jedoch mindestens i.H. des Existenzminimums (Rz. 58).4 Die Unterhaltsansprüche gemäß § 1615l BGB können neben Unterhaltsansprüchen gegen den Ehemann gemäß § 1570 BGB oder § 1361 BGB geltend gemacht werden ab der rechtswirksamen Feststellung der Vaterschaft des Nichtehemannes (Rz. 5). Der Ehemann und der Vater des nichtehelichen Kindes haften für den Betreuungsunterhalt in entsprechender Anwendung des § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB als Teilschuldner anteilig.5 Für die Bemessung der Haftungsquoten kommt es in erster Linie auf ihre Leistungsfähigkeit, aber auch auf den jeweiligen Betreuungsauf-
1 Wohlgemuth, FamRZ 2010, 1302 ff.; Mehle, FamRZ 2010, 510 (511). A.A. Wendl/Dose/ Bömelburg, § 7 Rz. 105; Born, NJW 2008, 2289 (2293); OLG Bremen NJW 2008, 1745 (1746); NJW 2008, 2289 (2293); OLG Saarbrücken, FamRZ 2014, 484. 2 OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 1531 f.; OLG Naumburg, Beschl. v. 30.9.2000 – 3 WF 93/00, juris. 3 BGH, FamRZ 2008, 1739 (1742); 2007, 1303 ff. (Grundsatzurteil); 1998, 541 (544). 4 BGH, FamRZ 2010, 357. 5 BGH, FamRZ 2005, 357; 1998, 544; KG, FamRZ 2001, 29 ff.; OLG Schleswig, FamRZ 2000, 637; OLG Hamm, FamRZ 2000, 637.
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II. Unterhaltsanspruch der Mutter
wand für die Kinder an.1 Vgl. dazu auch die Ausführungen unter Rz. 79 zur Leistungsfähigkeit des Vaters und unter Rz. 88 ff. zu den Rangverhältnissen. So kann die Quote des nichtehelichen Vaters höher ausfallen, wenn sein Kind keine und das Kind des anderen Vaters schon eine (teilweise) Erwerbstätigkeit der Mutter zulässt. 55
Beispiel M ist verheiratet und lebt von ihrem Ehemann E getrennt, von dem sie 1 000 Euro Unterhalt wegen der Betreuung eines gemeinsamen Kindes erhält. Sie empfängt ein Kind von V, mit dem sie zusammenlebt. Da E und V mit einem gleich hohen Einkommen für den Unterhalt einzustehen haben, hat M gegen V und E jeweils einen Anspruch auf Zahlung von 500 Euro. Ist V nur i.H.v. 300 Euro leistungsfähig, hat E 700 Euro zu zahlen.
Bei der Klärung der Unterhaltsansprüche gegenüber einem Ehemann und dem 56 Vater des nichtehelichen Kindes kann sich ergeben, dass einer der Ansprüche wegen grober Unbilligkeit zu kürzen, zu befristen oder auszuschließen ist, so dass sich fragt, wie sich dies auf den Anspruch gegenüber dem anderen Unterhaltspflichtigen auswirkt. Generell gilt – und insoweit ist Schilling zu folgen –,2 dass jeder Verpflichtete als Teilschuldner nur für seinen Anteil am Unterhalt haftet und nicht auch für den verwirkten Unterhalt aus dem anderen Rechtsverhältnis. Denn für den Ausfall des verwirkten Unterhalts trägt zunächst nur der Unterhaltsberechtigte als Verursacher der Verwirkung die Verantwortung. Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt: Wird z.B. der Trennungsunterhaltsanspruch der Mutter gegen den Ehemann gemäß § 1579 Nr. 2 BGB i.V.m. § 1361 Abs. 3 BGB wegen des dauerhaften Zusammenlebens der Mutter mit dem Vater des nichtehelichen Kindes gekürzt, bleibt es im Verhältnis zum nichtehelichen Vater bei dem vollen Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen, für den dieser dann jedoch neben seiner Haftungsquote auch hinsichtlich des aberkannten Teils uneingeschränkt allein aufzukommen hat (§§ 1608, 1607 BGB in entsprechender Anwendung).3 Eine entsprechende Anwendung von § 1611 Abs. 3 BGB käme bei dieser Konstellation zu seinen Gunsten nicht in Betracht, mindestens wäre ihm gem. § 242 BGB zu versagen, sich auf die Ausübungssperre des § 1611 Abs. 3 BGB zu berufen, da er für den Verwirkungsgrund nach § 1579 Nr. 2 BGB mit verantwortlich ist. Hatte die nichteheliche Mutter vor der Geburt keine nachhaltig gesicherte be- 57 rufliche Stellung und bezieht sie Sozialhilfe bzw. ALG II, ist als Bedarf ein Mindestbedarfssatz anzusetzen.4 Dieser liegt nach dem Stand 1.1.2014 bei 800 Euro (Nr. 18 der LL und Anm. D. II. der DT).5 Dieser Wert orientiert sich am sozialhilferechtlichen Existenzminimum und entspricht dem notwendigen Eigenbedarf für unterhaltspflichtige, nicht erwerbstätige Eltern gegenüber minderjährigen Kindern.6
1 2 3 4
BGH, FamRZ 2010, 357 (359); 2007, 1303 ff. Schilling, FamRZ 2006, 1 (5 ff.). Ebenso Koch/Wellenhofer, Rz. 3039. So jetzt BGH, FamRZ 2010, 444 (447), Tz. 17; in FamRZ 2008, 1739 (1743), noch ohne abschließende Entscheidung. Zur Ablehnung eines Mindestbedarfssatzes beim Ehegattenunterhalt vgl. BGH, FamRZ 1997, 806 (808). 5 Vgl. dazu Nr. 18 der LL der Süddeutschen OLG. 6 Zur Höhe des sozialhilfe- und steuerrechtlichen Existenzminimums vgl. die kritische Abhandlung von Klinkhammer, FamRZ 2007, 85 ff.
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D. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern Beispiel M lebt seit Jahren von Sozialhilfe und empfängt ein Kind von V, mit dem sie nicht zusammenlebt. V verfügt über ein Einkommen von 2 500 Euro. M kann Unterhalt in Höhe des Mindestbedarfssatzes nach den Leitlinien verlangen. Dies sind nach dem Stand der LL 2014: 800 Euro.
58 Der Mindestbedarfssatz gilt auch dann, wenn der Bedarf der Mutter noch geprägt
ist von einem Anspruch auf Trennungs- oder Nacheheunterhalt und dieser unter dem Mindestbedarfssatz liegt.1 Denn der Unterhaltsanspruch nach § 1615l Abs. 2 BGB soll – wie auch der Anspruch auf nachehelichen Betreuungsunterhalt – einem Elternteil ermöglichen, das gemeinsame Kind in den ersten drei Lebensjahren persönlich zu betreuen. Damit er daran nicht gehindert ist, darf sein Unterhaltsanspruch nicht unterhalb des Existenzminimums liegen, da er sonst erwerbstätig sein müsste, um seinen eigenen Bedarf zu verdienen und dann die aus eltern- und kindbezogenen Gründen angemessene persönliche Betreuung nicht sichergestellt wäre. 59 Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Bedarf wegen der angestrebten An-
gleichung der Unterhaltsansprüche nicht verheirateter, getrennt lebender und geschiedener Mütter in der Höhe zu begrenzen durch entsprechende Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes, der im Ehegattenunterhaltsrecht aus § 1578 BGB folgt (Kap. F Rz. 22), denn der nicht verheirateten Mutter soll kein höherer Unterhalt zustehen als der geschiedenen Mutter.2 Danach ist der Bedarf der Mutter stets auf den Betrag zu begrenzen, der dem unterhaltspflichtigen Vater selbst verbleibt.3 Zu einem entsprechenden Ergebnis kommt man allerdings auch, wenn man die Systematik des Verwandtenunterhalts anwendet, was stimmiger ist, solange nach § 1615l Abs. 3 S. 1 BGB die Vorschriften über die Unterhaltspflicht Verwandter entsprechend anwendbar sind. Danach wird die Höhe des Anspruchs der nichtehelichen Mutter durch die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten begrenzt, der – wie die Mutter – ebenfalls Anspruch auf angemessenen Unterhalt hat, so dass ihm aus Gerechtigkeitsgründen ein Betrag seines Einkommens zu verbleiben hat, der das eigene Einkommen des Berechtigten zuzüglich des gezahlten Unterhalts nicht unterschreitet. Vgl. zur Begrenzung des Anspruchs die Ausführungen und Beispiele unter Rz. 74 ff. zur Leistungsfähigkeit. 60 Beispiel M erzielte vor der Geburt ein bereinigtes Einkommen von 1 500 Euro, so dass ihr Bedarf nach ihrer eigenen Lebensstellung 1 500 Euro beträgt. V hat nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen und des Kindesunterhalts ein bereinigtes Einkommen aus Erwerbstätigkeit von 2 500 Euro, so dass eine Leistungsfähigkeit i.H.v. 1 400 Euro gegeben wäre, wenn V sich mit einem Eigenbedarf von 1 100 Euro begnügen müsste. Nach der Rechtsprechung des BGH ergibt sich eine Begrenzung des Bedarfs auf 1 071 Euro, wenn man zugunsten des V einen Erwerbstätigenbonus von 1/ 7 seines Einkommens berücksichtigt: 2 500 * 6/ 7 = 2 143 Euro / 2 = 1 071 Euro. V verbleiben 1 429 Euro. Damit soll gewährleistet sein, dass die Ansprüche nichtehelicher und ehelicher Mütter gleich hoch sind.4
61 Lebt die Mutter mit dem Vater des Kindes in einer auf Dauer angelegten nicht-
ehelichen Lebensgemeinschaft mit gemeinsamer Lebens- und Wirtschaftspla1 2 3 4
BGH, FamRZ 2010, 357 (360); im Anschluss an BGH, FamRZ 2008, 1739, 1743. BGH, FamRZ 2005, 442 (443) mit Anm. Schilling S. 445. BGH, FamRZ 2005, 442 (443). BGH, FamRZ 2005, 442.
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II. Unterhaltsanspruch der Mutter
nung, wird ihr Bedarf nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH nicht nach dem Lebensstandard der nichtehelichen Lebensgemeinschaft bestimmt, selbst wenn mehrere Kinder daraus hervorgegangen sind.1 Maßgeblich für den Bedarf ist allein ihre eigene Lebensstellung vor der Geburt der Kinder. Für diese Gesetzesauslegung soll der maßgebliche Gesichtspunkt sein, dass es sich bei dem Beitrag des besser verdienenden Lebenspartners zum gemeinsamen Lebensstandard vor der Geburt des Kindes um eine freiwillige Leistung handle, auf die für den betreuenden Elternteil kein Rechtsanspruch besteht. Deshalb könne der tatsächliche Lebensstandard nicht nach der Geburt des Kindes einen darauf bezogenen Rechtsanspruch begründen. Denn einen Rechtsanspruch auf einen Bedarf nach den gemeinsamen Lebensverhältnissen sieht § 1615l Abs. 2 BGB nicht vor. Das Unterhaltsrechtsverhältnis entsteht erst mit der Geburt des Kindes, bei mehreren gemeinsamen Kindern soll auf die vor der Geburt des ersten Kindes maßgebenden Verhältnisse des betreuenden Elternteils abgestellt werden.2 Konsequenz dieser Rechtsauffassung ist, dass die Mutter, selbst wenn sie einen qualifizierten Beruf erlernt hat, diesen aber über mehrere Jahre nicht ausübt wegen der Betreuung eines oder mehrerer Kinder und der gemeinsamen Haushaltsführung, nur Anspruch auf einen Mindestunterhalt i.H. des Existenzminimum hat, selbst wenn der Lebenszuschnitt in der Lebensgemeinschaft großzügig war.3 Diese Rechtsauffassung überzeugt nicht, jedenfalls wenn es sich um ein längeres nichteheliches Zusammenleben handelt. Denn die Benachteiligung der nichtehelichen Mutter ist evident. Sie wird – selbst wenn sie einen qualifizierten Beruf erlernt und diesen, im Interesse einer den Kindern und Lebenspartner zugutekommenden Familienarbeit, nicht ausübt – im Falle der Trennung behandelt, als hätte sie während des Zusammenlebens der Familie keine wirtschaftlich relevante Leistung erbracht. Um dieses unbillige Ergebnis zu vermeiden, bieten sich folgende Lösungen an: – Bei einer vor der Trennung auf Dauer angelegten nichtehelichen Lebensgemeinschaft wird der Bedarf auch durch das Einkommen des nicht betreuenden Elternteils mit bestimmt. Es werden die Berechnungsgrundsätze des ehelichen bzw. nachehelichen Unterhalts auf der Bedarfsebene entsprechend angewendet, wenn ein vergleichbarer Lebenssachverhalt und ähnliche Interessenlage gegeben sind.4 Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Bedürftige über einen längeren Zeitraum eine eigene berufliche Tätigkeit im Interesse gemeinsamer Kinder und einer gemeinsamen Haushaltsführung zurückgestellt hat. Dann ist der Lebensstandard nicht nur durch das Einkommen des anderen, sondern auch durch die Familienarbeit nachhaltig bestimmt worden, die einen wirtschaftlich relevanten Beitrag zum Gesamteinkommen der Lebenspartner darstellt. Überdies entsteht aufgrund dieser gemeinsam praktizierten Aufgabenverteilung – genau wie beim ehelichen Zusammenleben – ein schützenswertes Vertrauen darauf, das Kind im Rahmen der gegebenen Verhältnis1 2 3 4
BGH, FamRZ 2010, 357 (359); Bestätigung von BGH, FamRZ 2008, 1739 (1742). BGH, FamRZ 2008, 1739 (1742); m. Anm. Maurer, S. 1831 f. BGH, FamRZ 2010, 357. Eine entsprechende Anwendung befürworten OLG Zweibrücken, FamRZ 2001, 444; Büttner, FamRZ 2000, 781 (783); Johannsen/Henrich/Graba, § 1615l BGB Rz. 14; Wever/ Schilling, FamRZ 2002, 581 (584); Ehinger, FPR 2001, 25 (27) und 2010, 389 (393); Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 2 Rz. 1518; a.A. BGH, FamRZ 2010, 357; 2008, 1739 (1742); OLG Hamm, FF 2000, 137 ff.; NJW 2005, 297; OLG Naumburg, FamRZ 2001, 1321; MüKomm/Born, § 1615l Rz. 39; Wendl/Dose/Bömelburg, § 7 Rz. 106 f.
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D. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern
se versorgen zu können. Nach der Auflösung der Gemeinschaft erscheint es deshalb grob unbillig, den Unterhaltsberechtigten auf sein früher erzieltes niedrigeres Bedarfsniveau oder gar den Mindestbedarf zu verweisen.1 – Für die Bedarfsberechnung wird der Mutter, wenn sie einen Beruf erlernt und dessen Ausübung über längere Zeit wegen der Familienarbeit zurückgestellt hat, in Anwendung des Surrogatgedankens das im erlernten Beruf erzielbare Einkommen für den Unterhaltszeitraum zugerechnet.2 Fehlt es an einem erlernten Beruf, sollte die geleistete Familienarbeit mit dem erzielbaren Einkommen einer Haushälterin in Volltagsbeschäftigung bemessen werden. 63 Bei beiden Lösungen wäre gewährleistet, dass Familienarbeit rechtlich nicht als
wirtschaftliches Nullum behandelt wird. Eine Notwendigkeit, auf die das BVerfG schon mehrfach im Rahmen des ehelichen Unterhaltsrechts hingewiesen hat.3 Die derzeitige Rechtsprechung des BGH berücksichtigt diesen Aspekt nicht. Hinzu kommt, worauf Maurer zutreffend hinweist,4 dass sich bei der restriktiven Auslegung des BGH ein nicht nachvollziehbarer Widerspruch in der Wertung ergibt, wenn einerseits der Anspruch eines vor der Geburt besser verdienenden Elternteils durch entsprechende Anwendung des beim ehelichen Unterhalt geltenden Halbteilungsgrundsatzes gedeckelt wird und andererseits der geringer Verdienende nicht später am höheren Einkommen teilhaben kann, obwohl dieses den Lebensstandard mitgeprägt hat. 64 Beispiel M und V leben bereits seit 2 Jahren zusammen. M hat ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben und versorgt die beiden Kinder des V aus erster Ehe. Nach der Geburt eines gemeinsamen Kindes trennen sie sich. V verbleiben nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen und des Kindesunterhalts noch 2 000 Euro. Davon stünden M unter Berücksichtigung des Halbteilungsrundsatzes und Erwerbstätigenbonus i.H.v. 1/ 7 des Einkommens 857 Euro (2 000 * 3/ 7 = 857 Euro) zu. Der Eigenbedarf des V i.H.v. 1 100 Euro ist gewahrt. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH besteht nur ein Anspruch i.H. des Mindestbedarfs von 800 Euro (Stand 1.1.2014), es sei denn, M kann einen höheren Bedarf aufgrund ihrer früher nachhaltig ausgeübten Erwerbstätigkeit begründen.5
b) Bedürftigkeit 65 Erzielt die Mutter eigene Einkünfte, z.B. Mutterschaftsgeld, BAföG-Leistungen
(auch soweit sie als Darlehen gewährt werden, mit Ausnahme von Vorausleistungen nach §§ 36, 37 BAföG), Arbeitslosengeld oder Krankengeld, sind diese bedarfsmindernd von dem errechneten Bedarf abzuziehen.6 Nicht anrechenbar ist das für das Kind bezogene Kindergeld. Ob Einkünfte aus einer neben der Kindesbetreuung ausgeübten Voll- oder Teilzeitbeschäftigung anzurechnen sind, hängt davon ab, ob eine Erwerbstätigkeit von der Mutter erwartet werden kann oder nicht. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist i.d.R. überobligatorisch während der ersten drei Lebensjahre, denn die Mutter ist jederzeit berechtigt, eine Berufstätigkeit aufzugeben, um sich der Pflege und Erziehung des Kindes zu widmen. 1 2 3 4 5
Ebenso Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 2 Rz. 1518. Wohlgemuth, FamRZ 2010, 1302 ff. BVerfG, FamRZ 2002, 527 ff. Maurer, FamRZ 2008, 1831. Der Mindestbedarf nach Nr. 18 der LL ist anwendbar, wenn Angaben zur Höhe früherer Einkünfte aus Erwerbstätigkeit fehlen. Ebenso BGH, FamRZ 2010, 357, Tz. 39. 6 BGH, FamRZ 2005, 442 (445).
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II. Unterhaltsanspruch der Mutter
Einkünfte aus zumutbarer Tätigkeit sind uneingeschränkt auf den Bedarf anre- 66 chenbar. Bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit richtet sich die Anrechenbarkeit danach, inwieweit dies nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Billigkeit entspricht (§ 1577 Abs. 2 Satz 2 BGB in entsprechender Anwendung).1 Dabei genügt nach der Rechtsprechung des BGH der Abzug eines pauschalierten Betreuungsbonus nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine Billigkeitsprüfung i.S.v. § 1577 Abs. 2 BGB.2 Vielmehr ist anhand der individuellen Umstände des Einzelfalles jeweils zu prüfen, ob und ggf. in welcher Höhe ein Teil des Einkommens unterhaltsrechtlich relevant und in welcher Höhe es der Mutter anrechnungsfrei zu belassen ist. Für die vorzunehmende Billigkeitsabwägung können verschiedene Umstände eine Rolle spielen, z.B. wie die Betreuung konkret geregelt ist, welche Hilfen der Mutter zur Verfügung stehen, wie die Betreuung mit den Arbeitszeiten zu vereinbaren ist, welche Fahrzeiten anfallen und ob z.B. zusätzliche Betreuungskosten entstehen. Beruft sich der Verpflichtete auf die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit oder 67 eine vollständige Anrechnung der Einkünfte aus Billigkeitsgründen, ist er darlegungs- und beweispflichtig für die tatsächlichen Voraussetzungen. Die Frage der Zumutbarkeit wird vor allem dann eine Rolle spielen, wenn die Eltern in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammengelebt haben. Bezieht die Mutter Elterngeld i.H.v. 67 % des in den letzten 12 Monaten vor 68 dem Monat der Geburt erzielten Einkommens (§ 2 Abs. 1 BEEG),3 werden Unterhaltsverpflichtungen nur insoweit berührt, als das Elterngeld 300 Euro (bzw. 150 Euro in den Fällen des § 6 Satz 2 BEEG) übersteigt. Erhöhungen der Beträge ergeben sich bei Mehrlingsgeburten (§ 11 BEEG). Vgl. zu den Einzelheiten des Elterngeldes Kap. A Rz. 144 ff. 69
Beispiel M bekommt ein Kind. Sie ist nicht erwerbstätig, verdiente vor der Geburt 1 000 Euro und bezieht ein Elterngeld von 670 Euro (67 % von 1 000 Euro). Sie hat gegen den Vater einen Anspruch auf Unterhalt in Höhe von 630 Euro: Von dem Elterngeld i.H.v. 670 Euro stehen ihr ungeschmälert 300 Euro ohne Anrechnung auf den Unterhaltsbedarf zu. 370 Euro muss sie sich auf ihren Bedarf von 1 000 Euro anrechnen lassen, so dass noch ein ungedeckter Bedarf in Höhe von 630 Euro besteht.
Freiwillige Leistungen Dritter mindern ebenfalls im Verhältnis zum Verpflichte- 70 ten nicht den Bedarf; denn sie werden im Zweifel nicht erbracht, um den nichtehelichen Vater von seiner Unterhaltspflicht zu entlasten. Vermögen hat die Mutter zum Bestreiten ihres Bedarfs einzusetzen. Die Verwer- 71 tung der Substanz des Vermögens ist allerdings dann nicht zumutbar, wenn das 1 So BGH, FamRZ 2005, 442 (444); Büttner, FamRZ 2000, 783; Göppinger/Wax/Maurer, Rz. 1244; der 14. Deutsche Familiengerichtstag empfiehlt die gesetzliche Regelung der entsprechenden Anwendung (FamRZ 2002, 296 (298), B. I. 3.); a.A. OLGR Schleswig 2001, 201; BGH, FamRZ 1995, 475 ff. zur entsprechenden Anwendung im Unterhaltsrecht; OLG Köln, FamRZ 1991, 856; BGH, FamRZ 1983, 146 ff. grundlegend zu § 1577 Abs. 2 BGB. 2 BGH, FamRZ 2005, 442 (442) unter Hinweis auf die Rechtsprechung zum Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB in FamRZ 1998, 1501; 1981, 1159 (1161). Vgl. zum Betreuungsbonus beim Ehegattenunterhalt Kap. E Rz. 95 ff. 3 Wegen der geplanten Kürzung des Elterngeldes auf 65 % empfiehlt sich die Überprüfung des Werts unter dem Schlagwort Elterngeld z.B. unter http://www.bmfsfj.de oder http:// de.wikipedia.de.
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D. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern
Vermögen benötigt wird, um eine angemessene Altersvorsorge zu sichern.1 Dabei ist besonders zu berücksichtigen, dass § 1615l BGB keinen Altersvorsorgeunterhalt beinhaltet.2 Zur Beurteilung der Zumutbarkeit ist eine umfassenden Zumutbarkeits- und Billigkeitsprüfung anzustellen, in die auch die Vermögenssituation des Verpflichteten mit einzubeziehen ist. Dies kann dazu führen, dass keine Verwertungspflicht besteht, wenn der Verpflichtete ein deutlich höheres Vermögen hat.3 c) Leistungsfähigkeit des Vaters 72 Dem Unterhaltspflichtigen steht ein nach seiner Lebensstellung angemessener
Unterhalt als Eigenbedarf zu. Denn unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren (§ 1603 Abs. 1 BGB). aa) Klärung des unterhaltsrelevanten Einkommens 73 Um die Leistungsfähigkeit festzustellen, ist zunächst das Durchschnittsein-
kommen des Vaters zu ermitteln und das Einkommen um berücksichtigungswürdige Verbindlichkeiten zu bereinigen. Zur Klärung und Bereinigung des Einkommens wird auf die Darstellung in Kap. A Rz. 68 ff. und Rz. 214 ff. verwiesen. Für vorhandenes Vermögen gilt, dass es ebenfalls zum Bestreiten des Unterhalts einzusetzen ist.4 bb) Grenzen der Inanspruchnahme 74 Die untere Grenze der Inanspruchnahme bildet der angemessenen Eigenbedarf,
der dem Verpflichteten für seine Lebensführung i.d.R. zu verbleiben hat, denn § 1615l Abs. 3 Satz 1 BGB verweist auf die entsprechende Anwendung von § 1603 Abs. 1 BGB. Danach ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Der BGH hat den angemessenen Eigenbedarf unter Berücksichtigung der Zweckbestimmung des § 1615l Abs. 2 BGB, die persönliche Betreuung des Kindes durch einen Elternteil während der ersten drei Lebensjahre zu sichern, und wegen der Vergleichbarkeit des Anspruchs mit dem Betreuungsunterhaltsanspruch zwischen Ehegatten, für den Regelfall als Mittelwert zwischen dem angemessenen Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern (§ 1603 Abs. 1 BGB) und dem notwendigen Selbstbehalt gegenüber minderjährigen Kindern (§ 1603 Abs. 2 BGB) definiert.5 Damit ist die Höhe der Eigenbedarfssätze bei allen Betreuungsunterhaltsansprüchen, egal ob die Eltern miteinander verheiratet sind oder nicht, angeglichen. Die Höhe des angemessenen Eigenbedarfssatzes des unterhaltspflichtigen Vaters ist für den maßgeblichen Unterhaltszeitraum in Nr. 21.3.2 der Leitlinien der OLG und 1 2 3 4
KG Berlin, FPR 2003, 671; BGH, FamRZ 2006, 1362 (1368). OLG Düsseldorf, FamRZ 2008, 87 (88). OLG Hamm, FF 2000, 137 ff. BGH, FamRZ 1986, 48 (50) zu den Anforderungen an die Verwertung von Vermögen beim Verwandtenunterhalt. 5 Vgl. die Grundsatzentscheidungen des BGH zum angemessenen Eigenbedarf in FamRZ 2005, 363 ff. zu § 1615l BGB und in FamRZ 2006, 683 ff.
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II. Unterhaltsanspruch der Mutter
Anm. D II der Düsseldorfer Tabelle geregelt,1 wobei i.d.R. nicht mehr differenziert wird zwischen erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen. Soweit in Ausnahmefällen auch der gegenüber minderjährigen Kindern maßgebliche notwendige Selbstbehalt gemäß § 1603 Abs. 2 BGB in Betracht kommen kann, sind die Beträge in Nr. 21.2 der Leitlinien, bzw. Anm. A Nr. 5 geregelt.2 Die Selbstbehaltssätze stellen – wie bei allen Unterhaltsrechtsverhältnissen – nur eine Orientierungshilfe für den Regelfall dar und sind anhand der individuellen Verhältnisse im Rahmen einer abschließenden Billigkeitsprüfung zu überprüfen und ggfs. für den Einzelfall zu korrigieren. Die obere Grenze der Inanspruchnahme ergibt sich aus dem Gerechtigkeits- 75 gedanken, nach dem dem Verpflichteten ein gleich hoher Betrag für seinen eigenen Unterhaltsbedarf zur Verfügung zu stehen hat, wie dem Berechtigten unter Einbeziehung von dessen Einkünften zuzüglich des zu zahlenden Unterhalts. Denn es gilt der Grundsatz, dass nach Sinn und Zweck des Unterhaltsrechts der Verpflichtete wegen der Zahlung des Unterhalts nicht bedürftiger sein darf als der Berechtigte. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die obere Grenze der Inanspruchnahme mit Hilfe des für das eheliche Unterhaltsrecht entwickelten Halbteilungsgrundsatzes zu bestimmen unter Anwendung des ihn einschränkenden Erwerbstätigenbonus. Diese Korrektur des Bedarfs erfolgt bereits auf der Ebene der Bedarfsbestimmung.3 Siehe dazu die Ausführungen zum Bedarf der Mutter, Rz. 59 ff. Die Prüfung der Leistungsfähigkeit erfolgt nach den Rechtsprechungsvorgaben 76 des BGH mehrstufig und setzt voraus: 1. Klärung des Bedarfs der Mutter 2. Bestimmung der oberen Grenze des Bedarfs: Bereinigtes Einkommen des Vaters abzüglich Erwerbstätigenbonus / 2 3. Kontrollberechnung zur Sicherung des Eigenbedarfs des Vaters: Bereinigtes Einkommen des Vaters (ohne Abzug des Erwerbstätigenbonus) – korrigierter Bedarf der Mutter = verbleibendes Einkommen des Vaters. 4. Vergleich zum Eigenbedarf und ggfs. Korrektur. cc) Einzelheiten zur unterhaltsrechtlichen Bereinigung des Einkommens Abzuziehen sind sämtliche den bisherigen Lebensstandard bestimmende Ver- 77 bindlichkeiten, soweit sie nicht in den Selbstbehaltssätzen der Leitlinien berücksichtigt sind. Nicht abzugsfähig sind Verbindlichkeiten, die ohne wichtigen Grund in Kenntnis der Unterhaltspflicht eingegangen worden sind und im Hinblick auf die Ansprüche beider Eltern auf angemessenen Unterhalt nicht anerkennenswert sind. Insoweit gelten die üblichen Grundsätze (vgl. Kap. A Rz. 229 ff.).
1 Er beträgt nach dem Stand 1.1.2014 1 100 Euro. 2 Die Beträge liegen in 2014 bei 1 000 Euro / 800 Euro. 3 BGH, FamRZ 2005, 442 (443); 2007, 1303 ff.
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D. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern
78 Beispiele – V hat ein Einkommen von monatlich 1 500 Euro und kauft sich, obwohl ihm seine Freundin schon von der Schwangerschaft berichtet hatte, einen neuen PKW, für den er monatlich Raten von 200 Euro zu zahlen hat. Da V auf die berufliche Nutzung des PKW nicht angewiesen ist und eine Veräußerung nicht mit gravierenden finanziellen Einbußen verbunden ist, ist diese Verbindlichkeit nicht leistungsmindernd zu berücksichtigen. – M hat einen Bedarf von 1 000 Euro. V hat ein um berufsbedingte Aufwendungen bereinigtes Einkommen von monatlich 1 500 Euro, bewohnt eine Eigentumswohnung, für die er monatlich Belastungen von 300 Euro zu tragen hat. Die ersparte Miete beträgt 800 Euro. Er ist in Höhe von 893 Euro leistungsfähig: 1 500 Euro Einkommen + 800 Euro ersparte Miete – 300 Euro Belastungen = 2 000 Euro. Die Bedarfsberechnung erfolgt nach dem Halbteilungsgrundsatz, wobei nur vom Einkommen aus Erwerbstätigkeit der Erwerbstätigenbonus abgezogen wird: 1 500 Euro * 6/ 7 = 1 286 Euro + 800 Euro = 2 086 Euro – 300 Euro Schulden = 1 786 Euro / 2 = 893 Euro. Kontrollberechnung: 2 000 Euro – 893 Euro = 1 107 Euro. Der Selbstbehalt von 1 100 Euro ist gewahrt. Zur Berechnung des Ehegattenunterhalts s. auch Kap. E Rz. 143 ff. (Wohnvorteil).
dd) Leistungsfähigkeit bei mehreren Unterhaltsschuldnern 79 Hat die Mutter auch einen Unterhaltsanspruch gegen ihren (früheren) Ehemann
wegen der Betreuung ehelicher Kinder, richtet sich ihr Bedarf nach ihrer Lebensstellung nach den ehelichen Lebensverhältnissen, besteht aber mindestens i.H. des notwendigen Eigenbedarfs (Rz. 58).1 Für diesen Bedarf haften der Vater des nichtehelichen Kindes und der Ehemann als Teilschuldner nach ihrer Leistungsfähigkeit gemäß § 1615l Abs. 3 Satz 1 BGB wie „gleich nahe Verwandte“ in entsprechender Anwendung von § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB.2 Da § 1606 Abs. 3 BGB nur entsprechende Anwendung findet, ist bei der Bestimmung der Haftungsquote auch Raum für eine Berücksichtigung individueller Besonderheiten der Fallgestaltung wie Anzahl, Alter, Entwicklung und Betreuungsbedürftigkeit der jeweiligen Kinder. Von Bedeutung wäre z.B., wenn die Mutter wegen der Betreuung ehelicher Kinder eine Teilzeitbeschäftigung ausüben könnte, wegen des jüngsten Kindes aber daran gehindert ist.3 80 Im Unterhaltsstreitverfahren hat die Mutter bei Teilschuldnerschaft des Ehegat-
ten und des Vaters des nichtehelichen Kindes jeweils darzulegen und ggfs. zu beweisen, in welcher Höhe diese als Teilschuldner anteilig für ihren Bedarf haften. Dazu sind deren Einkommensverhältnisse im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit darzutun.4 ee) Darlegungs- und Beweislast 81 Beruft sich der unterhaltspflichtige Vater darauf, jetzt weniger als zuvor zu ver-
dienen oder seine Arbeit verloren zu haben, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast für die von ihm geltend gemachte eingeschränkte oder weggefallene Leistungsfähigkeit. Dazu gehört, dass er seine Bemühungen um eine neue Arbeit dartut. Denn bei unverschuldeter längerfristiger Arbeitslosigkeit entfällt oder verringert sich die Zahlungspflicht nur dann, wenn der Verpflichtete alle 1 BGH, FamRZ 2010, 357 unter Aufgabe von FamRZ 2007, 1303 ff. 2 BGH, FamRZ 2005, 357 f., im Anschluss an BGH, FamRZ 1998, 541 (544); 2008, 1739 (1744). 3 BGH, FamRZ 2007, 1303 ff.; 2008, 1739 (1744). 4 BGH, FamRZ 2007, 1303 ff.; 2008, 1739 (1744).
264 Ehinger
II. Unterhaltsanspruch der Mutter
ihm möglichen Anstrengungen unternommen hat, eine neue Arbeit zu finden, um seine Zahlungsfähigkeit zu erhalten. Er muss deshalb in nachprüfbarer Weise dem Berechtigten vortragen, welche Schritte er im Einzelnen zu dem Zweck unternommen hat, einen zumutbaren Arbeitsplatz zu finden und sich bietende Erwerbsmöglichkeiten zu nutzen.1 Tut er dies in vorwerfbarer Weise nicht, muss er sich ein fiktives Einkommen in Höhe des für ihn nach seiner Leistungsfähigkeit erzielbaren Einkommens zurechnen lassen. Zu den Voraussetzungen und Bemessungskriterien eines fiktiven Einkommens vgl. Kap. A Rz. 155 ff. Auch für das Fehlen einer realen Beschäftigungschance auf dem Arbeitsmarkt obliegt dem Unterhaltspflichtigen, der sich auf die Leistungsunfähigkeit beruft, die Darlegungs- und Beweislast.2
Û
Praxishinweis: Sind sich die Eltern über die Zahlung von Betreuungsunter- 82 halt an die Mutter einig, empfiehlt es sich zur Vermeidung späterer Streitigkeiten den Unterhalt z.B. in einem notariell beurkundeten Vertrag oder einem notariellen Schuldanerkenntnis, aber auch – kostenlos – in einer vor dem Jugendamt errichteten Urkunde (§ 59 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII) titulieren zu lassen (Kap. J Rz. 26 f.). Kommt eine Einigung nicht zustande und steht die Vaterschaft z.B. aufgrund eines rechtswirksamen Anerkenntnisses oder Urteils fest, kann eine schnelle Regelung des Unterhalts im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 246 FamFG beantragt werden. Bei vermuteter Vaterschaft kann Unterhalt ebenfalls im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 247 FamFG, aber auch gemäß § 248 Abs. 2 FamFG im Rahmen eines Vaterschaftsfestellungs- und Unterhaltsverfahren des Kindes verlangt werden, s. dazu Kap. K Rz. 517 ff.).
4. Beschränkung oder Wegfall des Unterhalts nach § 1611 Abs. 1 BGB Auf die Unterhaltsansprüche der nichtehelichen Mutter finden die Vorschriften 83 des Verwandtenunterhalts entsprechende Anwendung, also auch § 1611 Abs. 1 BGB. Danach braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, der der Billigkeit entspricht, wenn der Unterhaltsberechtigte durch eigenes Verschulden bedürftig geworden ist, seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder er sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Verpflichteten oder dessen nahen Angehörigen schuldig gemacht hat (§ 1611 Abs. 1 BGB). Im Rahmen von § 1615l BGB spielt vor allem der Verwirkungsgrund der schwe- 84 ren Verfehlung eine maßgebliche Rolle. Er setzt einen vorsätzlichen und schuldhaften Verstoß des Unterhaltsberechtigten gegen gewichtige, ihm auferlegte Pflichten gegenüber dem Unterhaltspflichtigen oder dessen Rechte voraus. Dabei genügt nicht jede Verfehlung, sondern sie muss schwer wiegen. Als Beispiele kommen in Betracht tätliche Angriffe, ständige grobe Beleidigungen, vorsätzliche Kränkungen, falsche Anschuldigungen, Schädigungen des Verpflichteten in seiner beruflichen Stellung oder Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz oder vorgetäuschte Bedürftigkeit durch falsche Angaben zum eigenen Einkom-
1 BGH, FamRZ 1996, 345; zur Darlegungslast des Berechtigten BGH, FamRZ 1986, 244 (246); Ehinger, Hinweise für Unterhaltsberechtigte oder -verpflichtete, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, FPR 2000, 17. 2 BGH, FamRZ 1996, 345.
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D. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern
men und Vermögen.1 Die Annahme einer schwerwiegenden vorsätzlichen Verfehlung setzt eine umfassende Prüfung und Abwägung aller maßgeblichen Umstände voraus, also auch das Verhalten des Unterhaltspflichtigen im Verhältnis zum Unterhaltsberechtigten und nicht nur umgekehrt. 85 Man wird einen strengen Maßstab an das Vorliegen einer schweren Verfehlung
bei nicht verheirateten Eltern anlegen müssen, denn es handelt sich um ein auf drei Jahre angelegtes Unterhaltsrechtsverhältnis, das der Existenzsicherung in der Zeit vor und nach der Geburt dienen soll, finanzielle Nachteile der Mutter kompensieren will und dem Kind eine Betreuung durch die Mutter vor allem in den ersten drei Lebensjahren ermöglichen soll. Zwar erwähnt § 1611 Abs. 1 BGB nicht explizit die Belange des Kindes, gleichwohl ist der Spezifik des Unterhaltsrechtsverhältnisses bei der Anwendung und Auslegung der Vorschrift nach Sinn und Zweck der Rechtsverweisung in § 1615l Abs. 3 BGB auf den Verwandtenunterhalt Rechnung zu tragen. Denn ordnet das Gesetz eine entsprechende Anwendung an, heißt das immer auch, dass bei gleich zu erachtenden Voraussetzungen auch gleiche Rechtsfolgen gelten sollen, bei nicht gleichen Voraussetzungen hingegen die Rechtsfolgen keine Anwendungen finden.2 Ergeben sich Regelungslücken, können andere Rechtsgrundsätze analog angewendet werden. Gleiches gilt für die Bemessung des Billigkeitsunterhalts auf der Rechtsfolgenseite: 86 Liegt eine schwere Verfehlung vor, sind die Besonderheiten des Unterhalts-
rechtsverhältnisses zwischen Eltern eines nichtehelichen Kindes nochmals auf der Rechtsfolgenseite bei der Bemessung des Billigkeitsunterhalts zu berücksichtigen, was auch bedeutet, dass die gesamte Lebenssituation des Unterhaltsberechtigten, einschließlich der Belange des von ihm zu versorgenden Kindes, zu berücksichtigen ist. Diese Lebenssituation erfordert, dass die Betreuung des Kindes gewährleistet sein muss. Deshalb ist der Mutter trotz schwerer Verfehlung wenigstens der Mindestbedarf nach Maßgabe der Leitlinien zuzusprechen. Insoweit können bei der Bemessung des Billigkeitsunterhalts, die von der Rechtsprechung zum nachehelichen Unterhaltsanspruch entwickelten Grundsätze bei Verfehlungen nach § 1579 BGB für die Auslegung genutzt werden, nach denen dem Berechtigten für die Dauer der Betreuung wenigstens der Mindestbedarf zuzugestehen ist.3 87 Liegen die Voraussetzungen für eine Kürzung des Unterhalts nach § 1611 Abs. 1
BGB vor, ist von der Mutter bezogenes Elterngeld bei der Unterhaltsberechnung nach § 11 Satz 4 BEEG in voller Höhe als Einkommen der Mutter zu berücksichtigen. Das Privileg, 300 Euro anrechnungsfrei beanspruchen zu können, entfällt.4
1 Palandt/Brudermüller, § 1611 BGB, Rz. 5, 6; Bamberger/Roth/Reinken, § 1611 BGB Rz. 4; Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 2 Rz. 1556 ff. m.w.N.; OLG Karlsruhe, FamRZ 2011, 1800 mit Prüfung vielfältiger Verfehlungen, die aber für eine Verwirkung – auch in ihrer Gesamtheit – nicht ausreichten. 2 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 82. 3 BGH, FamRZ 1997, 483; 1989, 1279. Peschel-Gutzeit regt für die Reformgesetzgebung an, die entsprechende Anwendung des § 1579 BGB in § 1615l Abs. 3 Satz 1 BGB zu regeln, FPR 2005, 345 (348). 4 Vgl. OLG Koblenz, FamRZ 1995, 674 für den Nacheheunterhalt.
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II. Unterhaltsanspruch der Mutter
5. Rangverhältnisse und Ersatzhaftung a) Rangverhältnisse seit 1.1.2008 Reichen die Einkünfte des Vaters nicht aus, die Unterhaltsansprüche der Mutter 88 und weiterer Unterhaltsbedürftiger zu befriedigen, sind die Ansprüche gemeinsamer und nicht gemeinsamer minderjähriger und ihnen gleichgestellter privilegierter volljähriger Kinder (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB) vorrangig zu befriedigen (§ 1609 Nr. 1 BGB). Die Mutter eines nichtehelichen Kindes folgt mit ihrem Anspruch wegen Kindesbetreuung1 seit 1.1.2008 im 2. Rang neben der kinderbetreuenden verheirateten Mutter und neben Ehegatten, die wegen der langen Dauer der Ehe einen Unterhaltsanspruch haben (§ 1609 Nr. 2 BGB). Verbleibt dem Verpflichteten nach Abzug bevorrechtigter Unterhaltsansprüche noch ein über dem angemessenen Selbstbehalt von 1 000 Euro liegendes Einkommen, steht dieses zur Befriedigung des errechneten Bedarfs der Mutter und ggf. gleichrangig Berechtigter zur Verfügung. 89
Beispiel M (18 Jahre) hat einen Unterhaltsbedarf von 800 Euro und keine eigenen Einkünfte. Der verheiratete Vater ihres nichtehelichen Kindes V hat ein bereinigtes Einkommen von 2 500 Euro, von dem er 800 Euro Unterhalt für seine ehelichen und nichtehelichen minderjährigen Kinder zahlen muss. Seine Frau kann ihren eigenen Bedarf decken. V verbleiben 1 700 Euro. Für M ergibt sich ein Anspruch i.H.v. 600 Euro: bereinigtes Einkommen des V Kindesunterhalt Zwischensumme
2 500 Euro 800 Euro 1 700 Euro
Begrenzung des Bedarfs von 800 Euro durch Halbteilung nach Abzug eines Erwerbstätigenbonus 1 700 * 6/ 7 = 1 457 Euro / 2 = 729 Euro
729 Euro
Eigenbedarfskontrolle 1 700 – 729 Euro =
971 Euro
Wegen des Eigenbedarfs von V, kann M nur 1 700 – 1 100 Euro = 600 Euro verlangen.
Zur Berechnung von Ehegattenunterhalt und einem gleichrangigen Anspruch 90 nach § 1615l BGB s. das Berechnungsbeispiel unter Kap. E Rz. 253 f. b) Ersatzhaftung Ist der Vater des Kindes nicht leistungsfähig, hat die Mutter einen Ersatz- 91 anspruch nur gegen ihre eigenen Eltern, nicht aber gegen die des Vaters (§ 1607 BGB).2 Nimmt sie ihre Eltern auf Unterhalt in Anspruch, können diese für sich den angemessenen Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern beanspruchen, dessen Höhe in Anm. A Nr. 5 der DT und Nr. 21.3.1 der LL geregelt ist.3 Ausführliche Erklärung der Berechnung der Haftungsanteile der Eltern und Höhe des Selbstbehalts s. Kap. B Rz. 126 ff. 92
Beispiel F hat wegen der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Vaters ihres Kindes noch einen ungedeckten Bedarf von 530 Euro. Diesen Restbedarf kann F von ihren Eltern verlangen, 1 Palandt/Brudermüller, § 1615l BGB Rz. 30 Bamberger/Roth/Reinken, § 1615l BGB Rz. 29 ff. 2 OLG Nürnberg, FamRZ 2001, 1322. 3 Er beträgt nach dem Stand 2014: 1 200 Euro.
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D. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern die gemäß § 1615l Abs. 3 Satz 1 und 2, § 1607 Abs. 1 BGB) ersatzweise anteilig haften. Da ihre Mutter 1 500 Euro und ihr Vater 2 000 Euro verdienen, ergibt sich nach Abzug des angemessenen Selbstbehalts der Eltern von je 1 200 Euro eine Verteilungsmasse von 1 100 Euro (300 Euro + 800 Euro) für den Bedarf der F. Davon haben die Eltern nach ihren Haftungsquoten, die sich nach dem Verhältnis ihrer verteilungsfähigen Einkommen bezogen auf die Verteilungsmasse richten, folgende Beträge zu zahlen: M: 145 Euro (300 Euro × 530 Euro : 1 100 Euro) V: 385 Euro (800 Euro × 530 Euro : 1 100 Euro)
93 Die Ersatzhaftung der Eltern der nichtehelichen Mutter erstreckt sich wegen
Mutterschaftsunterhalt nach § 1615l Abs. 1 BGB auf die Zeit von sechs Wochen vor bis acht Wochen nach der Geburt des Kindes, denn insoweit besteht für die Mutter ein Beschäftigungsverbot (§§ 3, 6 MuSchG). 94 Die Ersatzhaftung für den Anspruch wegen Betreuung des Kindes nach § 1615l
Abs. 2 BGB ist in der Regel auf den Zeitraum begrenzt, für den die nichteheliche Mutter den Vater des Kindes auf Unterhaltszahlungen in Anspruch nehmen könnte, also i.d.R. auf die ersten drei Lebensjahre des Kindes.1 Bezieht die Tochter Elterngeld oder Erziehungsgeld, ist das Elterngeld, soweit es 300 Euro übersteigt, bedarfsmindernd im Unterhaltsrechtsverhältnis Tochter/Eltern zu berücksichtigen (§ 11 BEEG). Die Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit eines kindesbetreuenden volljährigen Kindes sind im Verhältnis zu ihren Eltern nach den Maßstäben zu messen sein, die auch im Verhältnis zum nichtehelichen Vater gelten, d.h., es wird im Grundsatz für die ersten drei Jahre keine Erwerbsobliegenheit zu verlangen sein. Ein strengerer Maßstab ist jedoch dann anzulegen, wenn die Eltern in engen wirtschaftlichen Verhältnissen leben.2 Der BGH ist zwar in einer Entscheidung von 19853 noch von einer Erwerbsobliegenheit nach Ablauf des Mutterschutzes ausgegangen, ausgenommen, dass keine Fremdbetreuungsmöglichkeit für das Kind besteht. Zu diesem Zeitpunkt sah § 1615l BGB in seiner damaligen Fassung jedoch nur einen auf 1 Jahr begrenzten Unterhaltsanspruch der Mutter gegen den Vater mit dem Vorrang elterlicher Betreuung vor, was die Entscheidung maßgeblich beeinflusst haben dürfte.4 Hatte das unterhaltsbedürftige Kind bereits eine eigene, von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern unabhängige Lebensstellung, kann auch ein erhöhter Eigenbedarfssatz für die Eltern in Betracht kommen.5 95 Letztlich spielen Ersatzansprüche gegenüber Eltern in der Praxis für diese Zeit-
spanne im Hinblick auf die geltenden Regelungen im Sozialhilferecht (§ 11 Abs. 4 Sätze 2–4 SGB XII) und zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II) kaum eine Rolle, denn die nichteheliche Mutter hat Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II und es besteht für sie keine Erwerbspflicht während der Schwangerschaft bis zum 3. Lebensjahr ihres Kindes. Ab Vollendung des 3. Lebensjahres besteht ein Anspruch auf einen Kindergartenplatz und deshalb auch eine Erwerbsobliegenheit, sofern die Möglichkeit der Fremdbetreuung vorhanden ist. 1 2 3 4
OLG Frankfurt, FPR 2009, 485 f. OLG München, FamRZ 1999, 1166; BGH, FamRZ 1985, 1245 (1246). BGH, FamRZ 1985, 1245 (1246). Erst seit 1995 besteht ein Betreuungsunterhaltsanspruch für die Mutter bis zum 3. Lebensjahr, der seit 1.7.1998 bei grober Unbilligkeit und seit 1.1.2008 aus Billigkeitsgründen verlängert werden kann. 5 BGH, FamRZ 2012, 530 Tz. 20.
268 Ehinger
II. Unterhaltsanspruch der Mutter
Hinzu kommt, dass die Rückgriffsmöglichkeiten für die Sozialleistungsträger er- 96 heblich eingeschränkt sind: Bezieht die Tochter Sozialleistungen nach dem SGB XII oder Arbeitslosengeld nach dem SGB II, werden die Eltern nicht vom Träger der Leistung in Regress genommen, denn es findet insoweit gem. § 33 Abs. 2 SGB II und § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB kein gesetzlicher Forderungsübergang hinsichtlich der Unterhaltsansprüche des Kindes gegen seine Eltern während der Schwangerschaft und bis zum 6. Lebensjahr des Kindes statt.1 Mit diesen Regelungen sollen nach dem Willen des Gesetzgebers Schwangere nicht davon abgehalten werden, Leistungen nach dem SGB II in Anspruch zu nehmen, weil sie den Regress des Leistungsträgers bei den Eltern fürchten müssen und in diesem Falle unter Umständen dem Druck ausgesetzt werden, das Kind nicht zur Welt zu bringen.2 Bezieht die nichteheliche Mutter Leistungen nach dem SGB II, gilt es nach Nr. 2.2 der Leitlinien als Einkommen, also bedarfsdeckend, da der Unterhaltsanspruch gegen die Eltern nach § 33 Abs. 2 SGB II nicht kraft Gesetzes übergeht. Ist die nichteheliche Mutter noch verheiratet und steht die Vaterschaft des 97 nichtehelichen Vaters fest, sind ihre Ansprüche gegen den Vater des Kindes vorrangig im Verhältnis zu Ansprüchen gegen den Ehemann, soweit sie wegen der Kindesbetreuung nicht erwerbstätig sein kann.3 Der Vorrang der Haftung des Vaters gegenüber dem Ehemann ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 1615l Abs. 3 Satz 2 BGB, nach dem die Unterhaltspflicht des Vaters der der Verwandten vorgeht.4 Der Vorrang gilt dann nicht, wenn die Mutter auch Kinder aus der Ehe betreut und noch einen Betreuungsunterhaltsanspruch gegenüber dem Ehemann hat. Dann haften Vater und Ehemann als Teilschuldner nebeneinander in entsprechender Anwendung von § 1606 Abs. 3 BGB.5 Vgl. dazu die Ausführungen zur Haftung des Ehemannes und des Vaters als Teilschuldner unter Rz. 79. Soweit die nichteheliche Mutter vom Ehemann nicht wegen Betreuung ehe- 98 licher Kinder, sondern aus anderen Gründen Unterhalt verlangen kann, besteht eine Anspruchskonkurrenz zu dem Anspruch nach § 1615l BGB. c) Rangverhältnisse bis zum 31.12.2007 Unterhaltsansprüche der nichtehelichen Mutter spielten nach der Rechtslage 99 bis zum 31.12.2007 in der Praxis kaum ein Rolle, was nicht zuletzt mit der bis dahin geltenden Rangfolge zusammenhängt: Wegen Unterhalts für die Zeit bis 31.12.2007 gehen die Ansprüche des nichtehelichen Kindes sowie anderer minderjähriger und ihnen gleichgestellter volljähriger Kinder und die der (geschiedenen) Ehefrau denen der nichtehelichen Mutter vor (§ 1615l Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 1609 BGB a.F.). Die Mutter des nichtehelichen Kindes kann nur Unterhalt beanspruchen, soweit nach Abzug der vorrangigen Ansprüche noch verteilungsfähiges Geld verbleibt unter Berücksichtigung eines dem Verpflichteten zustehenden Selbstbehalts von 1 100 Euro. 1 A.A. OLG Frankfurt, FPR 2009, 485 (488). 2 LSG Hamburg, Beschl. v. 28.1.2008, FEVS 59, 424 m.w.N. 3 A.A. Bamberger/Roth/Reinken, § 1615l Rz. 30 f.; Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 2 Rz. 1551 m.w.N. 4 Palandt/Brudermüller, § 1615l BGB Rz. 33; OLG Koblenz, FamRZ 1981, 92; a.A. Schilling/Wever, FamRZ 2002, 581 (589). 5 BGH, FamRZ 2005, 357; 1998, 541 (543) m.w.N.; 2008, 1739 (1744).
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D. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern
6. Unterhalt für die Vergangenheit 100
Für die Vergangenheit kann die unterhaltsberechtigte Mutter i.d.R. Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur von der Zeit an fordern, zu welcher der Verpflichtete aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, zu der der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist (§ 1613 Abs. 1 BGB).1 Ohne diese Einschränkungen können jedoch verlangt werden: – Unterhalt für Sonderbedarf (z.B. nach § 1615l Abs. 1 Satz 2 BGB) binnen eines Jahres nach Entstehung (§ 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB); – Unterhalt für Sonderbedarf auch für solche Zeiträume, in denen der Berechtigte aus rechtlichen Gründen keinen Unterhalt verlangen konnte (§ 1613 Abs. 2 Nr. 2a BGB), insbesondere weil die Vaterschaft noch nicht rechtswirksam anerkannt oder festgestellt war; – regulärer Unterhalt für die Vergangenheit, wenn er aus tatsächlichen Gründen gemäß § 1613 Abs. 2 Nr. 2b BGB, die in den Verantwortungsbereich des Verpflichteten fallen (z.B. bei unbekanntem Aufenthalt des Verpflichteten), oder aus rechtlichen Gründen gemäß § 1613 Abs. 2 Nr. 2a BGB nicht rechtzeitig gefordert werden konnte.
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Hat z.B. ein Vater die Vaterschaft zwei Monate nach der Geburt anerkannt, und fordert die Mutter erst sechs Monate nach der Geburt den Vater zur Zahlung von Betreuungsunterhalt auf, dann kann sie rückständigen Unterhalt nur für die Zeit bis zum Anerkenntnis der Vaterschaft nach § 1613 Abs. 2 Nr. 2a BGB und ab dem Ersten des Monats verlangen, in dem sie den Vater zur Zahlung aufgefordert hat, also ab sechs Monate nach der Geburt. Für die Zeit zwischen dem Anerkenntnis und dem Ersten des Monats der Zahlungsaufforderung fehlt es an den Voraussetzungen des § 1613 BGB.2
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Praxishinweis: Beim Unterhalt nach § 1615l BGB kommt es zwar für die Bedarfsberechnung nicht auf die Kenntnis der Einkommensverhältnisse des Verpflichteten an, gleichwohl wird es i.d.R. sinnvoll sein, ihn zur Auskunftserteilung über sein Einkommen nach § 1613 Abs. 1 BGB aufzufordern, um besser einschätzen zu können, ob und in welcher Höhe eine Unterhaltsforderung im Streitverfahren Erfolg haben kann und mit welchen Verfahrenskosten im Unterliegensfall zu rechnen ist. Wird der Unterhalt nach der Auskunftserteilung beziffert (§ 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB), ist zu beachten, dass nach jüngster BGH-Rechtsprechung eine spätere, höhere Bezifferung aus Gründen des Schuldnerschutzes nicht mehr möglich ist. Besteht Anlass zu Zweifeln an der Vollständigkeit der Auskunft, sollte sich der Unterhaltsberechtigte im Hinblick darauf ausdrücklich eine spätere höhere Bezifferung vorbehalten.3
Für rückständigen Unterhalt können Verzugszinsen verlangt werden, wenn sich der Schuldner mit der Zahlung in Verzug befindet (§ 286 Abs. 1 BGB). Insoweit wird auf die Ausführungen unter Kap. A Rz. 372 ff. verwiesen.
1 BGH, FamRZ 2013, 1958. 2 BGH v. 2.10.2013 – XII ZB 249/12, juris = FamRZ 2013, 1958 Tz. 11 = FamRB 2014, 3. 3 BGH, FamRZ 2013, 109 Tz. 41 f.
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II. Unterhaltsanspruch der Mutter
7. Verwirkung nach § 242 BGB und Auswirkungen von Tod und Heirat auf den Anspruch Ist die Vaterschaft rechtswirksam geklärt und bestehen auch ansonsten keine 104 rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse an der Geltendmachung von Unterhalt, ist die Mutter gehalten, ihre Ansprüche zeitnah gegenüber dem Vater geltend zu machen, ansonsten droht deren Verwirkung nach § 242 BGB. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie in den anderen Rechtsverhältnissen des Verwandtenunterhalts. Siehe dazu Kap. A Rz. 378 ff. Der Anspruch der Mutter erlischt nicht beim Tod des Vaters, sondern geht als 105 Verpflichtung auf dessen Erben über (§ 1615l Abs. 3 Satz 4, § 1967 BGB). Heiratet die nichteheliche Mutter, entfällt ihr Unterhaltsanspruch in entsprechender Anwendung von § 1586 Abs. 1 BGB.1 Stirbt die Mutter bedingt durch Schwangerschaft oder Entbindung und kann der 106 Erbe nicht dafür aufkommen, hat der Vater die Beerdigungskosten für die Mutter zu tragen (§ 1615m BGB). 8. Verjährung Gemäß § 197 Abs. 2 i.V.m. § 195 BGB gilt die Regelverjährungsfrist von 3 Jah- 107 ren. Maßgeblich für den Fristbeginn ist jeweils das Ende des Jahres, in dem der Anspruch entsteht (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Bei ungeklärter Vaterschaft beginnt die Verjährungsfrist nicht vor Eintritt der Rechtswirksamkeit der Anerkennung oder gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft zu laufen (§ 1594 Abs. 1, § 1600d Abs. 4 BGB). Zu weiteren Einzelheiten s. Kap. A Rz. 387 ff. 9. Verfahrenskostenvorschuss Es besteht kein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss zwischen den Eltern 108 eines nichtehelichen Kindes. Das entsprechend anwendbare Unterhaltsrecht zwischen Verwandten sieht einen solchen Anspruch nicht vor. Der Gesetzgeber hat einen Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss in § 1360a Abs. 4 BGB explizit nur zwischen verheirateten Ehegatten geregelt, was nach der Rechtsprechung des BGH2 im Umkehrschluss dafür spricht, dass er nicht selbstverständlicher Teil des allgemeinen Lebensbedarfs und deshalb Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Verpflichteten ein Unterhaltsrechtsverhältnis ist, das durch ein besonders hohes Maß an Verantwortung und Opferbereitschaft aufseiten des Verpflichteten geprägt ist. Davon kann zwar im Verhältnis von unterhaltspflichtigen Eltern gegenüber ihren minderjährigen und in der Ausbildung befindlichen volljährigen Kindern3 ausgegangen werden, nicht jedoch im Unterhaltsrechtsverhältnis zwischen den Eltern eines nichtehelichen Kindes, denn auch die ge-
1 BGH, FamRZ 2005, 347 ff. 2 BGH, FamRZ 2005, 883 (885); 1984, 148. 3 So die überwiegende Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung, vgl. u.a. OLG Zweibrücken, FamRZ 1996, 981 f. mit Rechtsprechungsnachweisen auch für die abweichende Meinung; OLG Hamm, DAVorm 1995, 1011 f.; OLG Köln, FamRZ 2000, 757; OLG Hamm, FamRZ 2000, 255; Wendl/Scholz, § 6 Rz. 22.
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D. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern
schiedene Mutter, deren Situation mit der der nichtehelichen Mutter vergleichbar ist, hat keinen Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss.1
III. Unterhaltsanspruch des Vaters 109
Auch der Vater hat einen Unterhaltsanspruch gegenüber der Mutter, wenn er das nichteheliche Kind betreut. Sein Unterhaltsanspruch ist dem der Mutter angepasst; denn nach § 1615l Abs. 4 BGB steht ihm ein Unterhaltsanspruch gemäß § 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB gegenüber der Mutter zu, § 1615l Abs. 3 BGB gilt entsprechend. Bei sinngemäßer Anwendung der Vorschrift auf den Vater kann der Anspruch nicht erst für die Zeit nach Ablauf von 8 Wochen nach der Geburt geltend gemacht werden, sondern auch schon während der Mutterschutzzeit, wenn die Mutter dem Vater das Kind schon kurzfristig nach der Geburt überlässt (§ 1615l Abs. 1 BGB).2 Das Gesetz bindet den Anspruch nicht an eine Übertragung der elterlichen Sorge für das Kind. Wegen der Berechnung des Unterhalts wird auf die Ausführungen zum Unterhaltsanspruch der Mutter verwiesen. Die Ausführungen ab Rz. 15 ff. gelten sinngemäß auch für den Vater.
IV. Geltendmachung von Unterhalt bei ungeklärter Vaterschaft 110
Da die Vaterschaft gerade bei nicht miteinander verheirateten Eltern oft nicht sicher geklärt ist, gleichwohl aber in der Zeit der Schwangerschaft sowie Vor- und Nachgeburtsphase für Mutter und Kind ein erhöhtes Schutzbedürfnis gegeben ist, hat der Gesetzgeber verfahrensrechtliche Lösungen geschaffen, die die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen nach § 1615l BGB auch bei einer nur vermuteten Vaterschaft ermöglichen. Dabei sind die Anforderungen an die Darlegung der Vaterschaft deutlich weniger streng. 1. Unterhalt im Wege des einstweiligen Anordnungsverfahrens bei vermuteter Vaterschaft
111
Ist die Vaterschaft noch nicht rechtsverbindlich geklärt, kann die Mutter gleichwohl Unterhalt nach § 1615l Abs. 1 BGB geltend machen, allerdings gelten verfahrensrechtliche Besonderheiten: Ist sie unverheiratet und besteht ein dringender Unterhaltsbedarf, kann sie durch einstweilige Anordnung gemäß § 247 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 1615l Abs. 1 BGB den Mutterschaftsunterhalt einschließlich der Kosten für die Schwangerschaft, Entbindung etc3 nach § 1615l Abs. 1 BGB schon für die Zeit von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt geltend machen. Dabei reicht es in diesem Verfahren aus, den vermuteten Vater anzugeben. Dazu genügen die Angaben, wann der Antragsgegner mit der Mutter in der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr hatte, denn insoweit gilt die Vaterschaftsvermutung nach § 1600d Abs. 2 BGB gem. § 247 Abs. 2 FamFG entsprechend. Die Mutter kann außerdem die Regelung des Kindesunterhalts für die ersten drei Monate ab der Geburt beantragen. Die Anordnung
1 BGH, FamRZ 2005, 883 (885). Zum Reformbedarf vgl. Schilling, FPR 2005, 513 (516); a.A. OLG München, FamRZ 2002, 1219; Palandt/Brudermüller, § 1615l BGB Rz. 22. 2 Zur Auslegung vgl. Büdenbender, FamRZ 1998, 129 (138) mit synoptischer Übersicht der Ansprüche der Eltern. 3 Prütting/Helms/Bömelburg, § 247 FamFG Rz. 6.
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IV. Geltendmachung von Unterhalt bei ungeklärter Vaterschaft
nach § 247 FamFG setzt nicht die Anhängigkeit eines Vaterschaftsfeststellungverfahrens voraus.
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Praxishinweis: Zu beachten ist, dass mit der einstweiligen Anordnung im- 112 mer nur der Unterhalt ab Antragstellung, also der zukünftige Unterhalt und nicht Unterhalt für die Vergangenheit beantragt werden kann. Deshalb ist eine acht Wochen nach der Geburt beantragte einstweilige Anordnung nach § 247 FamFG nicht mehr statthaft.1 Die Mutter muss zur Schlüssigkeit ihres Antrags die Voraussetzungen einer zu vermutenden Vaterschaft des Antragsgegners glaubhaft machen, wozu eine eidesstattliche Versicherung im Rahmen des summarischen Verfahrens ausreicht (§ 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 294 ZPO). Dabei reicht allerdings nicht nur eine pauschale Behauptung der Vaterschaft, sondern es sind konkrete Angaben dazu zu machen, wann genau bei der Mutter eine Empfängniszeit bestand und wann und wo sie mit dem Antragsgegner Geschlechtsverkehr hatte.2
Nach der Geburt besteht für die Mutter noch die weitere Möglichkeit, im Wege 113 der einstweiligen Anordnung gemäß § 248 Abs. 1 FamFG i.V.m. 1600d Abs. 2 und 3 BGB für sich und das Kind Unterhalt gemäß §§ 1615l, 1601 ff. BGB regeln zu lassen, wozu ebenfalls ausreicht, die Vaterschaft des Verpflichteten glaubhaft zu machen (Kap. K Rz. 518).3 Gleichzeitig ist aber für die Zulässigkeit dieser einstweiligen Anordnung erforderlich, dass ein gerichtliches Vaterschaftsfeststellungsverfahren nach § 1600d BGB (sog. Statusklage) anhängig ist. Trotz dieses Erfordernisses handelt es sich rechtlich um zwei selbständige Verfahren. Im Rahmen des Statusverfahrens als Hauptverfahren ist – anders als im Anordnungsverfahren – für die Klärung der Vaterschaft ein förmliches Beweisverfahren mit den nach der ZPO zulässigen Beweismitteln durchzuführen (§ 177 Abs. 2 FamFG). 2. Unterhaltsvorausleistungen und der Scheinvaterregress Die Mutter kann sich während des ungeklärten Zustands der Vaterschaft auch 114 zunächst an ihre Verwandten halten und von ihnen Unterhalt verlangen, die dann – nach der Klärung der Vaterschaft – aus übergegangenem Recht von dem Vater die Rückerstattung verlangen können (§ 1607 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 1615a, § 1615l Abs. 3 BGB). Ist oder war die Mutter verheiratet und gilt ihr Ehemann gem. § 1592 Nr. 1 BGB 115 als Vater des nicht gemeinsamen Kindes, kann sie keine Ansprüche nach § 1615l BGB gegen den biologischen Vater gerichtlich geltend machen. Erst mit der rechtskräftigen Feststellung der Vaterschaft des biologischen Vaters kann die Mutter ihre Ansprüche gemäß § 1615l BGB einklagen. Bis dahin kann sie den getrennt lebenden oder geschiedenen Ehemann auf Unterhalt im ordentlichen und/oder einstweiligen Unterhaltsverfahren in Anspruch nehmen, bzw. – sofern dieser leistungsunfähig ist – ihre Eltern. Wird die wahre Vaterschaft geklärt, können die Vorausleistenden Rückgriff nehmen bei dem tatsächlichen Vater des Kindes. 1 Wendl/Dose/Bömelburg, § 7 Rz. 269. 2 Zur Berechnung der Empfängniszeit s. die Tabellen bei Erman/Hammermann, § 1600d BGB Rz. 33. 3 Zu den Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Vaterschaft s. Zöller/Lorenz, § 248 FamFG Rz. 5.
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D. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern
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Hat der Ehemann vor der Rechtskraft des die Vaterschaft feststellenden Beschlusses Unterhalt für das Kind gezahlt, kann er ihn vom wahren Vater gemäß § 1607 Abs. 2, § 1615l Abs. 3 Satz 1 BGB zurückverlangen; denn die rechtskräftige Feststellung der Vaterschaft gestaltet rückwirkend die Rechtsverhältnisse bis zum Zeitpunkt der Geburt. Allerdings besteht insoweit gem. § 1600d Abs. 4 BGB eine Rechtsausübungssperre, so dass die Rechtswirkungen der Vaterschaft erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung geltend gemacht werden können. Diese Sperrwirkung des § 1600d Abs. 4 BGB steht der Rückwirkung der Vaterschaftsfeststellung und Entstehung des Anspruchs der Mutter und des Übergangs auf Dritte nicht entgegen, nur kann der Anspruch i.d.R. erst nach Feststellung der Vaterschaft geltend gemacht werden.1
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Nur in Ausnahmefällen kann diese Rechtsausübungssperre durchbrochen werden, z.B. wenn diejenigen, die berechtigt sind ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren zu beantragen, es ablehnen, ein solches durchzuführen.2
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Beispiel F und M sind von 1989 bis 2004 miteinander verheiratet. In der Ehe werden 3 Kinder geboren. Das Vaterschaftsanfechtungsverfahren des M hat Erfolg. Die Mutter F und ihr Lebensgefährte, der vermutlich der Vater der Kinder ist, lehnen es ab, an der Klärung des Status der Kinder mitzuwirken. M klagt auf Erstattung des von ihm erbrachten Kindesunterhalts gegen den Lebensgefährten aus gem. § 1607 Abs. 3 BGB übergegangenem Recht. Der BGH hat hier die Klage nicht an der Rechtsausübungssperre scheitern lassen und ausnahmsweise die Inzidentfeststellung der Vaterschaft im Rahmen eines Unterhaltsverfahrens für möglich gehalten, da M ansonsten rechtlos gestellt wäre im Hinblick auf die Weigerung von M und ihrem Lebensgefährten, den Status des Kindes zu klären.3 Durch die Weigerung von F konnten auch die Kinder kein Statusverfahren beantragen, denn seit 1.7.1998 ist die gesetzliche Amtspflegschaft für nichteheliche Kinder abgeschafft (§§ 1706, 1709 BGB a.F.).
119
Eine weitere Voraussetzung der ausnahmsweisen Durchbrechung der Rechtsausübungssperre im Regressverfahren des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger ist, dass der Scheinvater zuvor erfolgreich seine Vaterschaft angefochten haben muss.4 Der BGH hat die Rechte des Scheinvaters – unabhängig davon, ob die Scheinvaterschaft auf der Ehe mit der Mutter oder einem Anerkenntnis beruht – ergänzend dadurch gestärkt, dass er diesem auch zur Vorbereitung eines Regressverfahrens gegen den biologischen Vater gem. § 242 BGB einen Anspruch gegenüber der Mutter zugesprochen hat, über die Person des mutmaßlichen Vaters ihres Kindes Auskunft zu erteilen.5 Bleibt der Unterhaltsanspruch z.B. wegen Leistungsunfähigkeit des Verpflichteten nicht durchsetzbar, kann der Ehemann auch die Mutter wegen des für sie wegen der Schwangerschaft und Betreuung des nichtehelichen Kindes auf Rückzahlung gemäß § 812 BGB in Anspruch nehmen.
120
Nicht möglich ist es hingegen die Mutter wegen des gezahlten Kindesunterhalts auf Schadensersatz wegen des begangenen Ehebruchs, aus dem das Kind hervor1 Palandt/Brudermüller, § 1600d BGB Rz. 18 ff.; OLG Celle, FamRZ 2007, 673 ff. 2 BGH, FamRZ 2008, 1424 ff.; fortgeführt in FamRZ 2009, 32 Tz. 15. m. Anm. Wellenhofer; Anm. Zimmermann in FPR 2008, 327. 3 BGH, FamRZ 2008, 1424. 4 BGH, FamRZ 2012, 437 Tz. 31 m. Anm. Wellenhofer, FamRZ 2012, 440. 5 BGH, FamRZ 2012, 200 Tz. 20 ff. m. Anm. Löhnig, FamRZ 2012, 782 und Helms, FamRZ 2013, 943.
274 Ehinger
IV. Geltendmachung von Unterhalt bei ungeklärter Vaterschaft
gegangen ist, in Anspruch zu nehmen.1 In Betracht kommen kann jedoch bei Hinzutreten weiterer Umstände, die ein arglistiges Verhalten nahelegen, ein Anspruch nach § 826 BGB. Dies wäre z.B. der Fall, wenn die Ehefrau ihren Ehemann, wenn dieser Zweifel an seiner Vaterschaft hatte, durch falsche Angaben oder Leugnen des Ehebruchs von der Erhebung einer Ehelichkeitsanfechtungsklage abgehalten hat. 3. Rückwirkende Geltendmachung von Unterhalt nach Klärung der Vaterschaft Wartet die Mutter die Klärung der Vaterschaft ab ohne finanzielle Unterstüt- 121 zung durch Verwandte, kann sie ihren Unterhalt vom Vater rückwirkend verlangen (§ 1615l Abs. 3 i.V.m. § 1613 Abs. 2 Nr. 2a BGB). Anerkennt der wahre Vater spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechts- 122 kraft des Scheidungsurteils für ein nach Anhängigkeit des Scheidungsantrags geborenes Kind mit Zustimmung des Ehemanns die Vaterschaft, wird die anerkannte Vaterschaft frühestens mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils wirksam, so dass die Mutter ab dem Zeitpunkt ihre Ansprüche gemäß § 1615l BGB – auch rückwirkend – geltend machen kann (§ 1599 Abs. 2 i.V.m. § 1592 Nr. 2 BGB). Gleiches gilt auch für die Erstattungsansprüche des Ehemanns oder von Verwandten.
1 BGH, FamRZ 2013, 939 Tz. 16 ff. zu § 826; 1990, 367.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten Inhaltsübersicht Rz. I. Grundsätze zur Abgrenzung des Trennungsunterhalts vom Familien- und Nacheheunterhalt . . . . . . . II. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Anspruchsvoraussetzungen. . . . . . Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Getrenntleben . . . . . . . . . . . . . . . . . Maß des Unterhalts: Der eheangemessene Lebensbedarf . . . . . . . . Grundsatz der Halbteilung und Erwerbstätigenbonus . . . . . . . . . . . Unterhaltsbedürftigkeit . . . . . . . . . Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . Zur Erwerbsobliegenheit des bedürftigen Ehegatten nach der Trennung (§ 1361 Abs. 2 BGB). . . . Beginn und Ende des Trennungsunterhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darlegungs- und Beweislast. . . . . .
III. Die Berechnung des Unterhalts . . 1. Klärung der aktuellen Einkommensverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . a) Zu berücksichtigende Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmung des Durchschnittseinkommens . . . . . . . . . c) Bereinigung des Einkommens um berufsbedingte Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Arbeitsschema zur Klärung der aktuellen Einkommensverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Feststellung des bedarfsbestimmenden Einkommens nach den prägenden ehelichen Lebensverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedarfsbestimmendes Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Behandlung von Verbindlichkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zur Vertiefung: Typische Probleme bei der Feststellung der bedarfsbestimmenden Einkünfte . . . a) Arbeitsrechtliche Abfindungen b) Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, die auf einer vom Normalverlauf abweichenden Entwicklung beruht (Karrieresprung) . . . c) Einkünfte aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit . . . . . . . .
1 5 5 8 13 17 20 21 25 42 48 49 52 53 61 64 68
69 69 74 82 83
85 90
Rz. d) Einkünfte aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit wegen Kindesbetreuung – Abzug eines Betreuungsbonus . . . . . . . . . . . . . 95 e) Fiktives Einkommen . . . . . . . . . 108 f) Fiktive Einkünfte beim Zusammenleben mit einem neuen Partner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 g) Überdurchschnittlich hohes Einkommen und Begrenzung bei Bagatellunterhalt. . . . . . . . . . 119 h) Veränderungen der Steuerklasse und begrenztes Realsplitting . . . 127 i) Wohnvorteil beim Wohnen im eigenen Heim. . . . . . . . . . . . . . . . 143 j) Abzug von Kreditraten und sonstigen Verbindlichkeiten vom Einkommen. . . . . . . . . . . . . 149 k) Kosten für die Mietwohnung . . . 160 l) Trennungsbedingter Mehrbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 m) Unterhaltsleistungen für gemeinschaftliche und nicht gemeinschaftliche Kinder und Umgangskosten . . . . . . . . . . . . . . 164 4. Berechnung des Bedarfs des Unterhaltsberechtigten (Quotenunterhalt) mit Beispielen . . . . . . . . . . . . . 177 a) Berechnung mit der Additionsund Differenzmethode . . . . . . . . 180 b) Beispiele zur Berechnung des Bedarfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 aa) Beispiel Alleinverdienerehe 187 bb) Beispiel Doppelverdienerehe mit Einkünften aus Erwerbstätigkeit . . . . . . . . . . . . 188 cc) Beispiel Doppelverdienerehe mit Einkünften aus Erwerbstätigkeit und sonstigen Einkünften. . . . . . . . . . 189 5. Berechnung des Bedarfs bei konkurrierenden Unterhaltsansprüchen von getrennt lebenden und geschiedenen Ehegatten . . . . . . . . . 190 a) Beispiel: Der Verpflichtete ist Alleinverdiener . . . . . . . . . . . . . . 195 b) Beispiel: Doppelverdienerehe und ein früherer Ehegatte . . . . . . 196 6. Bedürftigkeit des Anspruchstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten Rz. a) Übersicht zu den bedürftigkeitsmindernden Einkünften . . b) Eheprägende Einkünfte aus Erwerbseinkommen und Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nichtprägende Einkünfte . . . . . aa) Einkünfte aus zumutbarer Erwerbstätigkeit, die nicht dem Normalverlauf entspricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonstige geldwerte Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Besonderheiten bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit . . . . . . . . . 7. Leistungsfähigkeit des Anspruchsgegners . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der eheangemessene und der angemessene Eigenbedarf (Untergrenze). . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Kontrollrechnung und Angemessenheitsprüfung . . . . . . . . 8. Die Mangelfallberechnung . . . . . . a) Berechnung im einfachen Mangelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
200 201 204
Rz. b) Berechnungsmodelle für den absoluten oder echten Mangelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 c) Beispiel zur Berechnung des Unterhalts bei Hinzutreten eines Anspruchs nach § 1615l BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 IV. Rangverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . 256
205 206 207
V. Ausschluss, Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen grober Unbilligkeit nach § 1579 Nr. 2 bis 8 BGB . . . . . . 260 VI. Kranken- und Vorsorgeunterhalt . . 264 VII. Unterhaltsverträge. . . . . . . . . . . . . . 267
210
VIII. Unterhalt für die Vergangenheit . . 268 IX. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272
211 220 239
X. Verwirkung rückständigen Unterhalts nach § 242 BGB . . . . . . . . . . . 275 XI. Verfahrenskostenvorschuss . . . . . . 277
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I. Grundsätze zur Abgrenzung des Trennungsunterhalts vom Familienund Nacheheunterhalt 1
Wenn Ehepartner sich trennen, stellt sich die Frage nach dem Unterhalt. Kann der wirtschaftlich schwächere Ehegatte im Fall der Trennung Unterhalt verlangen und wie viel?
2
Solange Ehepartner in häuslicher Lebensgemeinschaft zusammenleben, schulden sie sich wechselseitig Familienunterhalt (§ 1360 BGB), d.h., sie sind beide verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Jeder leistet entsprechend der vereinbarten Aufgabenteilung in der Familie seinen Beitrag zum Familienunterhalt, z.B. durch Erwerbstätigkeit, Haushaltsführung, Kindesbetreuung und mit seinem Vermögen. Wird die häusliche Lebensgemeinschaft durch die Trennung beendet, endet der Anspruch auf Familienunterhalt und wandelt sich für den bedürftigen Ehegatten in einen persönlichen Anspruch auf Zahlung von Trennungsunterhalt (§ 1361 BGB) und später, nach der Scheidung, auf nachehelichen Unterhalt (§§ 1569 ff. BGB). Soweit ein Ehegatte während des Zusammenlebens höhere Beiträge zum Familienunterhalt erbracht hat, als ihm oblag, können Mehrbeträge nach der Trennung nicht zurückverlangt werden, denn nach § 1360b BGB spricht eine – widerlegbare – Vermutung dafür, dass er nicht beabsichtigt, von dem anderen Ersatz zu verlangen. Zur Widerlegung der Vermutung müsste der zurückverlangende Ehegatte darlegen und beweisen, dass er sich schon zum Zeitpunkt der Leistung die Rückforderung vorbehalten habe.
3
Für den Trennungs- und Geschiedenenunterhalt gelten unterschiedliche Maßstäbe: Da während des Getrenntlebens noch das rechtliche Band der Ehe zwi278 Ehinger
II. Anspruchsvoraussetzungen
schen den Ehepartnern besteht und häufig noch nicht abzusehen ist, ob die Ehe tatsächlich geschieden wird, werden beim Trennungsunterhalt weniger strenge Anforderungen an die Eigenverantwortung des bedürftigen Ehegatten gestellt. Denn solange das rechtliche Band der Ehe noch besteht, sind die Ehegatten zur gegenseitigen Unterstützung verpflichtet und die Zerrüttung der Ehe soll nicht noch durch eine drastische Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse gefördert werden. Der Status quo der wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere die bisherige Aufgabenverteilung einschließlich des Umfangs der Erwerbstätigkeit, soll zunächst möglichst aufrechterhalten werden. Deshalb haben auch beide Ehegatten noch bis zur Scheidung gleichberechtigt 4 teil an der wirtschaftlichen Entwicklung der ehelichen Lebensverhältnisse. Anders nach der Scheidung der Ehe: Nunmehr soll jeder Ehegatte wieder für sich selbst sorgen, so dass der zum Zeitpunkt der Scheidung erzielte Lebensstandard Maßstab für die Höhe des Unterhalts bleibt. Allerdings gilt sowohl für den Trennungs- als auch den nachehelichen Unterhalt, dass Veränderungen des Einkommens, die sich zwischen Trennung und Scheidung aber auch nach der Scheidung ergeben, grundsätzlich für die Bedarfsberechnung beachtlich sind, soweit diese auch während des Zusammenlebens aufgrund einer absehbaren Entwicklung hätten hingenommen werden müssen.1 Darunter fällt insbesondere die normale Fortentwicklung des Einkommens, was sowohl für Steigerungen als auch Minderungen der Einkünfte gilt. Nicht beachtlich sind dagegen unerwartete, vom Normalverlauf abweichende Entwicklungen, z.B. ein deutlich erhöhtes Einkommen aufgrund eines erst nach der Trennung eingetretenen Karrieresprungs (s. Rz. 85 ff.). Ebenso wenig sind Verringerungen des Einkommens beachtlich, die auf ein vorwerfbares Verhalten des getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten zurückzuführen sind (Rz. 149 ff.).
II. Anspruchsvoraussetzungen 1. Übersicht Leben die Ehegatten getrennt, so kann ein Ehegatte von dem anderen den nach 5 den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen (§ 1361 Abs. 1, 1. Halbs. BGB). Voraussetzungen für den Anspruch sind, dass die Ehegatten 1. getrennt leben, 2. 6 ein Ehegatte unterhaltsbedürftig ist, weil er seinen Unterhaltsbedarf nicht aus eigenen Einkünften decken kann, und 3. der Anspruchsgegner zur Zahlung des ungedeckten Bedarfs in der Lage, d.h. leistungsfähig ist; denn Unterhalt muss nicht zahlen, wer wegen der Erfüllung der Unterhaltspflicht selbst bedürftig wird. Der Unterhaltsanspruch ist gerichtet auf eine monatlich im Voraus zu zahlende 7 Geldrente (§ 1361 Abs. 4 BGB) und umfasst den gesamten Lebensbedarf als Summe der individuellen Einzelbedürfnisse, die ein menschenwürdiges Dasein sichern (Elementarbedarf). Zum gesamten Lebensbedarf gehört auch regelmäßig 1 BGH, FamRZ 2012, 281 ff., unter Aufgabe der Rechtsprechung in FamRZ 2008, 968 Tz. 42 ff.; 2008, 1911 Tz. 30 ff.; und Anknüpfung an seine frühere Rechtsprechung in FamRZ 2001, 986 (989 ff.); 2000, 1492 (1493); 1999, 367 (368 f.); 1994, 87 (88 f.); 1992, 1045 (1056); 1988, 1031 (1032); 1988, 817 (818) und FamRZ 1987, 456 (458 f.).
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
auftretender Mehrbedarf, wie z.B. die Kosten für eine Fortbildung oder Umschulung, für die Krankenvorsorge, krankheitsbedingten Mehrbedarf und ab Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags auch die Kosten einer angemessenen Altersversicherung und Versicherung für den Fall der verminderten Erwerbsfähigkeit (sog. Trennungsvorsorgeunterhalt Rz. 264 ff. – § 1361 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Anspruch auf Trennungsunterhalt umfasst neben dem laufenden Unterhaltsbedarf auch Sonderbedarf. Unter Sonderbedarf fällt ein unregelmäßig auftretender nicht vorhersehbarer, außerordentlich hoher Bedarf, wie er z.B. aufgrund einer Behinderung oder schweren Erkrankung auftreten kann für Arztkosten, Rollstuhl, Prothesen etc., der aus laufenden Einkünften nicht finanziert werden kann (§§ 1361 Abs. 4, 1360a Abs. 3, 1613 Abs. 2 Satz 1 BGB, vgl. auch zur Begriffsbestimmung Kap. A Rz. 306). 2. Getrenntleben 8
Ein Getrenntleben i.S.v. § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt vor, wenn die Ehegatten entweder in verschiedenen Wohnungen leben oder, beide noch in der Ehewohnung lebend, keinen gemeinsamen Haushalt mehr führen. In jedem Fall ist aber eine möglichst vollständige Trennung vor allem der wirtschaftlichen Haushaltsführung Voraussetzung. Beispiel Die Eheleute leben in der Ehewohnung in getrennten Zimmern, die Frau versorgt die Kinder und hält die Wohnung in Ordnung. Der Mann versorgt sich selbst, erledigt und bezahlt aber nach wie vor die Einkäufe für den gesamten Lebensbedarf der Familie.
In diesem Fall liegt noch keine völlig getrennte Haushaltsführung vor. Will die Frau Unterhalt in Form der Geldrente, muss sie auf die Dienstleistung des Mannes verzichten, die Annahme der Naturalleistungen verweigern und Unterhalt in bezifferter Höhe ab einem bestimmten Zeitpunkt verlangen. 9
Gemeinsame Aktivitäten im Interesse der Kinder, wie z.B. gemeinsame Mahlzeiten, stehen hingegen der Annahme des Getrenntlebens nicht entgegen. Häufig ergeben sich in der Praxis noch wirtschaftliche Verflechtungen dadurch, dass ein Ehegatte die Miete, Kreditraten oder sonstige Zahlungsverpflichtungen trägt. Diese Geldleistungen stehen dem Anspruch auf Trennungsunterhalt grundsätzlich nicht entgegen und können bei der Berechnung der Höhe des Unterhalts berücksichtigt werden.
10 Für den Anspruch auf Trennungsunterhalt ist nicht erforderlich, dass die Ehe-
leute überhaupt schon zusammengelebt und eine eheliche Lebensgemeinschaft begründet haben.1 Auch steht dem Anspruch nicht entgegen, dass die Eheleute während des Zusammenlebens aus getrennten Kassen gewirtschaftet haben2 oder schon sehr lange voneinander getrennt leben und während der Trennungszeit zuvor nie Unterhalt geltend gemacht worden ist.3 Beispiele – Während ihres Zusammenlebens haben die Eheleute die Kosten für das Zusammenleben in der Wohnung je zur Hälfte bezahlt. Ansonsten hat jeder seinen Lebensbedarf aus 1 BGH, FamRZ 1982, 573. 2 BGH, FamRZ 1989, 838. 3 BGH, FamRZ 1986, 244 (246).
280 Ehinger
II. Anspruchsvoraussetzungen seinen eigenen Einkünften bestritten. Trotz der getrennten Kassenführung steht der weniger verdienenden Ehefrau nach der Trennung ein Anspruch auf Trennungsunterhalt zu.1 – Die Eheleute trennen sich nach 16-monatigem Zusammenleben. Die Frau verlangt in der darauffolgenden 10-jährigen Trennungszeit nie Unterhalt, obwohl der Mann ein deutlich höheres Einkommen hat. Erst als sie arbeitslos wird, verlangt sie Trennungsunterhalt. Der Ehemann muss zahlen. Er konnte sich bei bestehender Ehe nicht darauf verlassen, nicht mehr auf Zahlung in Anspruch genommen zu werden.2
Wird Unterhalt erstmalig nach einer langen Trennungszeit geltend gemacht, 11 kann die nunmehr erhobene Unterhaltsforderung jedoch aus anderen Gründen zu versagen oder herabzusetzen sein, und zwar, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig ist (vgl. zu den gesetzlich geregelten Fällen der groben Unbilligkeit § 1361 Abs. 3 i.V.m. § 1579 Nr. 2–8 BGB, Rz. 260 ff., Kap. F Rz. 436 ff.). Für die tatsächlichen Voraussetzungen des Getrenntlebens ist der bedürftige 12 Ehegatte darlegungs- und beweispflichtig. Beziehen Ehegatten Leistungen nach dem SGB II und werden sie vom Jobcenter für die Berechnung als Bedarfsgemeinschaft behandelt, dürfte dies gegen ein Getrenntleben der Ehegatten sprechen. Möglich und sinnvoll ist in dem Fall, dem Jobcenter die Trennung mitzuteilen und neue Leistungsbescheide zu beantragen.3 3. Maß des Unterhalts: Der eheangemessene Lebensbedarf Maßstab für die Bemessung des Unterhalts ist der eheangemessene Lebensbedarf 13 (§ 1361 Abs. 1 BGB), der sich nach den prägenden individuellen ehelichen Lebensverhältnissen richtet. D.h. bei der Berechnung der Höhe des Unterhalts wird abgestellt auf das den Ehegatten für den Unterhalt zur Verfügung stehende Einkommen aus Erwerbstätigkeit oder Vermögen, also auf den individuellen Lebensstandard der Familie. Dazu können auch fiktive Einkünfte gehören, wenn ein Ehegatte vorwerfbar sei- 14 ner Erwerbsobliegenheit oder Nutzung seines Vermögens nicht nachkommt. Denn ein Verhalten des Unterhaltspflichtigen, das gegen seine Obliegenheit verstößt, seine Arbeitskraft oder sein Vermögen so gut wie möglich einzusetzen, kann die ehelichen Lebensverhältnisse nicht zum Nachteil des Unterhaltsberechtigten verändern.4 Welche Anforderungen speziell an die Erwerbsobliegenheit nach der Trennung zu stellen sind, wird unter Rz. 25 ff. behandelt. Der angemessene Unterhaltsbedarf wird nach dem Grundsatz der Halbteilung 15 individuell aus dem zur Verfügung stehenden, bedarfsprägenden Einkünften beider Ehegatten errechnet (Quotenunterhalt). Dazu wird das Einkommen zunächst um Verbindlichkeiten bereinigt. Verbindlichkeiten der Ehegatten werden von dem festgestellten Einkommen abgezogen, wenn sie schon die ehelichen Lebensverhältnisse während des Zusammenlebens geprägt haben. Soweit nach der Trennung erhöhte Kosten entstehen, die
1 2 3 4
BGH, FamRZ 1989, 838 ff. BGH, FamRZ 1986, 244 (246). KG, FamFR 2012, 443 m. Anm. Conradis. BGH, FamRZ 1992, 1045 ff.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
auf unabwendbaren und nicht leichtfertig eingegangenen Verbindlichkeiten beruhen, sind diese ebenfalls einkommensmindernd zu berücksichtigen, denn auch nach der Trennung haben beide Ehegatten teil sowohl an positiven als auch negativen Entwicklungen ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse.1 Zur Entwicklung der Rechtsprechung zu den ehelichen Lebensverhältnissen und der Bedeutung von Entwicklungen nach der Trennung für die Berücksichtigungswürdigkeit von einseitig eingegangenen Verbindlichkeiten nach der Trennung und neu hinzugekommenen Unterhaltspflichten s. Rz. 75 ff. Obwohl der Bedarf im Grundsatz individuell zu bestimmen ist, gibt es nach geänderter Rechtsprechung des BGH bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen einen Mindestbedarf.2 Mit der Einführung eines Mindestbedarfs beim Ehegattenunterhalt hat der BGH eine Angleichung zu seiner Rechtsprechung zum Mindestbedarf von Unterhaltsberechtigten im Verwandtenunterhalt und dem Anspruch der Mutter eines nichtehelichen Kindes nach § 1615l BGB vollzogen, nach der – unabhängig von einem ansonsten individuell zu bestimmenden Lebensbedarf – mindestens ein Bedarf auf einen existenzsichernden Unterhalt i.H. der Sozialleistungen besteht.3 Daraus folgt im Rahmen von § 1361 Abs. 1 BGB jedoch keine Überforderung des Verpflichteten, denn ihm hat regelmäßig ein angemessener Selbstbehalt für seinen eigenen Unterhaltsbedarf zu verbleiben. Praktische Bedeutung hat der Mindestbedarf z.B., wenn der Unterhalt aus Billigkeitsgründen zu kürzen ist. 16 Bei besonders günstigen, überdurchschnittlich hohen Einkommen der Ehegatten
kann der Bedarf auch konkret berechnet werden. Zu den Einzelheiten der Berechnung s. Rz. 119 ff. 4. Grundsatz der Halbteilung und Erwerbstätigenbonus 17 Von den für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Einkünften beider Ehegat-
ten steht jedem die Hälfte zu (Grundsatz der Halbteilung4). Dabei hat sich bei Einkünften aus Erwerbstätigkeit in der Praxis durchgesetzt, dass neben berücksichtigungswürdigen Belastungen, zu denen auch berufsbedingte Aufwendungen (Rz. 64 ff.) gehören, noch ein Erwerbstätigenbonus vom bereinigten Nettoeinkommen abgezogen wird.5 Dies führt zu einer moderaten Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz, die nach der Rechtsprechung des BGH gerechtfertigt ist, denn dem Erwerbstätigenbonus kommt folgende Doppelfunktion zu: Für den Erwerbstätigen soll durch einen maßvoll höheren Anteil an seinem Arbeitseinkommen ein Anreiz für die Fortsetzung der Erwerbstätigkeit geschaffen werden. Ferner soll mit dem Bonus dem typischerweise mit der Berufstätigkeit verbundenen erhöhten Aufwand, auch soweit er sich nicht in konkret messbaren Kosten niederschlägt, Rechnung getragen werden.6 Der BGH hat den Abzug eines
1 BGH, FamRZ 2006, 683 ff. (Grundsatzentscheidung). 2 BGH, FamRZ 2010, 629; 2010, 802; 2012, 1201. Zur früheren Rechtsprechung BGH, FamRZ 2007, 1303; 2006, 683. 3 BGH, FamRZ 2010, 802 Tz. 23 f.; 2012, 1201 Tz. 28. 4 Grundlegend BGH, FamRZ 1979, 692 (694); 1981, 442 (444); 1988, 265 (267); 1999, 372 (374) jeweils m.w.N. 5 BGH, FamRZ 1997, 806 (807) zum Abzug nach Bereinigung des Einkommens; FamRZ 1991, 304 (305); 1988, 265 (267). 6 BGH, FamRZ 1997, 806 (807).
282 Ehinger
II. Anspruchsvoraussetzungen
pauschalen Erwerbstätigenbonus zwar grundsätzlich gebilligt,1 allerdings auch die Notwendigkeit der individuellen Kontrolle der Angemessenheit im Einzelfall betont, um eine zu starke Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz zu vermeiden. Denn sind bereits berufsbedingte Aufwendungen einkommensmindernd berücksichtigt, kann ein pauschaler Abzug eines Erwerbstätigenbonus den Unterhaltsbedürftigen unangemessen benachteiligen, weil einer der beiden Zweckbestimmungen des Erwerbstätigenbonus bereits durch den Abzug der berufsbedingten Aufwendungen Genüge getan ist.2 So führt schon der kombinierte Abzug der Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen in Höhe der üblichen 5 % und eines Erwerbstätigenbonus i.H.v. 1/ 7 dazu, dass der nicht erwerbstätige Ehegatte nur noch i.H.v. 40,71 %, (100 % – 5 %) × 3/ 7 , an dem Einkommen partizipiert. Bei einem kombinierten Abzug einer Pauschale von 5 % und eines Erwerbstätigenbonus von 1/10 ergäbe sich demgegenüber ein Anteil von 42,75 %, (100 % – 5 %) × 4,5/ 10 . Insbesondere bei engen finanziellen Verhältnissen und in Mangelfällen ist deshalb im Einzelfall abzuwägen, ob berufsbedingte Aufwendungen nur auf Nachweis abgezogen und/oder ein Erwerbstätigenbonus entweder gekürzt oder gar nicht abgezogen wird, um eine Benachteiligung des Berechtigten zu vermeiden. Der BGH hat es in einem Mangelfall ausdrücklich gebilligt, dass der Tatrichter den Bonus nur mit 1/ 9 angesetzt hat, weil schon hohe Fahrtkosten als konkrete berufsbedingte Aufwendungen abgezogen worden sind.3 Er hat auch darauf hingewiesen, dass der Abzug der Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen in den Fällen fraglich ist, in denen unstreitig keine berufsbedingten Aufwendungen anfallen; denn dann wirke sich diese nur noch als Erhöhung des Anreizes zur Erwerbstätigkeit aus und könne mit der Anforderung einer nur maßvollen Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz kollidieren.4 Nachdem der BGH mehrfach auf die doppelte Zweckbestimmung des Erwerbs- 18 tätigenbonus und das Erfordernis einer flexiblen und den individuellen Verhältnissen des Einzelfalls angepasste Handhabung durch den Tatrichter hingewiesen hat, wird in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien vor allem der Süddeutschen OLG nur noch der Abzug eines Erwerbstätigenbonus i.H.v. 1/10 neben der Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen empfohlen.5 Bei Abzug eines Bonus von 1/10 beträgt der Quotenunterhalt für den Berechtigten 4,5/ 10 der Differenz der Einkommen, bei Abzug eines Erwerbstätigenbonus von 1/ 7 beträgt der Quotenunterhalt 3/ 7 .6 Bei Einkommen, das nicht aus Erwerbstätigkeit herrührt, z.B. aus Kapitalerträgen, Renten und Pensionen, gilt der Halbteilungsgrundsatz uneingeschränkt, d.h. ein Erwerbstätigenbonus wird davon nicht abgezogen. Zur Berechnung des Quotenunterhalts s. Rz. 177 ff.
1 2 3 4 5
FamRZ 1981, 1165 (1166); 1985, 908 (910); 1988, 265 (267). BGH, FamRZ 1990, 1085 (1087); 1990, 1090 (1091). FamRZ 1997, 806 (807). FamRZ 1990, 989 (981). So z.B. die SüdLL, zur Handhabung des zuständigen OLG, vgl. jeweils die Nr. 15.2 der maßgeblichen Leitlinien. 6 Gutdeutsch, FamRB 2012, 350 f., regt an, im Interesse einer Vereinfachung des Unterhaltsrechts auf den Abzug eines Erwerbstätigenbonus zu verzichten, da anders als zur Zeit der Einführung des ETB heute seit der Unterhaltsrechtsreform kaum noch lebenslange Unterhaltsrenten zugesprochen werden, so dass der ursprüngliche Rechtfertigungsgrund entfallen sei. Ebenso Gerhardt, FamRZ 2013, 834–837. Zur Begründung der Abweichung von der hälftigen Quote u.a. BGH, FamRZ 1979, 692.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
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Praxishinweis: Während die Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen immer von dem nur um Steuern und gesetzliche Abzüge bereinigten Einkommen aus Erwerbstätigkeit abgezogen wird, wird der Erwerbstätigenbonus immer nur bezogen auf das um alle berücksichtigungswürdigen Verbindlichkeiten bereinigte Erwerbseinkommen errechnet und abgezogen. Um sicher zu sein, bei der Berechnung des Unterhalts nicht versehentlich den Erwerbstätigenbonus fehlerhaft auf Einkünfte anzuwenden, die nicht aus Erwerbstätigkeit stammen, wird empfohlen, generell die unter Rz. 180 ff. vorgestellte Berechnungsmethode der Additionsmethode anzuwenden, bei der der Erwerbstätigenbonus jeweils gesondert abgezogen wird. Wendet man dagegen die Differenzmethode an, die üblicherweise mit der Quotenformel 3/ 7 oder 4,5/ 10 kombiniert wird, besteht die Gefahr, den Bonus auf alle Einkünfte zu erstrecken. Errechnet man den Bedarf nach der Additionsmethode, ist ferner zu beachten, dass der Erwerbstätigenbonus immer nur im Rahmen der Bedarfsberechnung vom Erwerbseinkommen abgezogen wird, nicht hingegen im Rahmen der Leistungsfähigkeit, wenn das Einkommen des Verpflichteten daraufhin überprüft wird, ob sein Eigenbedarf gewahrt ist.
5. Unterhaltsbedürftigkeit 20 Ist zunächst auf der Grundlage der bereinigten Einkünfte der Ehegatten ermit-
telt, wie hoch der Bedarf der Ehegatten ist, werden zur Klärung der Unterhaltsbedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten von dem auf ihn entfallenden hälftigen Anteil des eheangemessenen Bedarfs seine vorhandenen eigenen Einkünfte abgezogen (zur Berechnung s. Rz. 197 ff.). Verbleibt dann ein ungedeckter Bedarf, besteht der Zahlungsanspruch in dieser Höhe, sofern der Verpflichtete leistungsfähig ist (Rz. 210 ff.). Abzuziehen sind auch fiktive Einkünfte, die dem bedürftigen Ehegatten zugerechnet werden, wenn er vorwerfbar seiner Erwerbsobliegenheit nicht nachkommt. Zu den Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit s. Rz. 25 ff. 6. Leistungsfähigkeit 21 Letztlich bestimmt die Leistungsfähigkeit des Schuldners die Höhe des zu zah-
lenden Unterhalts. Die Leistungsfähigkeit des Schuldners findet ihre Grenze in der Höhe des ihm zustehenden angemessenen Eigenbedarfs (oder sog. Selbstbehalts), der für den Schuldner von Trennungsunterhalt jeweils in der Anmerkung B. IV. der Düsseldorfer Tabelle und in den Leitlinien der OLG unter Nr. 21.4 geregelt ist. Nach dem Stand zum 1.1.2014 beträgt der Eigenbedarfssatz 1 100 Euro. 22 Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit ist das gesamte Einkommen des Ver-
pflichteten in die Berechnung einzustellen. Davon abzuziehen sind die gesetzlichen Abgaben (Steuern, Solidarzuschlag), die notwendigen Aufwendungen für eine angemessene Alters- und Krankenvorsorge sowie die ehebedingten Verbindlichkeiten. Dazu gehören auch die nach der Trennung entstandenen Schulden des Verpflichteten, soweit sie unumgänglich waren und nicht leichtfertig eingegangen wurden. Zu den Einzelheiten s. Rz. 74 ff., Rz. 149 ff. Dabei muss dem Verpflichteten ein eheangemessener eigener Unterhalt verbleiben, bei dessen
284 Ehinger
II. Anspruchsvoraussetzungen
Gefährdung nur noch ein Billigkeitsunterhalt geschuldet wird.1 Die untere Grenze bildet der angemessene Eigenbedarf oder Selbstbehalt, dessen Höhe in Nr. 21.4 der Leitlinien in Anpassung an die Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungskosten geregelt ist. Zum Billigkeitsunterhalt und zur Unterscheidung des eheangemessenen und angemessenen Selbstbehalts s. Rz. 211 ff. Eine darüberhinausgehende Absenkung des Eigenbedarfs ist nur unter besonderen Voraussetzungen möglich (Rz. 217 f.), z.B. bei Ersparnissen aufgrund einer gemeinsamen Haushaltsführung des Verpflichteten mit einem neuen Lebenspartner. Die für den Nacheheunterhalt maßgebende Regelung der Unterhaltsgewährung 23 nach Billigkeit bei Gefährdung des eigenen eheangemessenen Unterhalts des Verpflichteten in § 1581 BGB, findet auf den Trennungsunterhalt entsprechende Anwendung mit der Folge, dass immer dann, wenn der eheangemessene Eigenbedarf des Verpflichteten nicht gewährleistet ist, eine Billigkeitsabwägung über die Höhe des zu zahlenden Unterhalts anzustellen ist. S. dazu Rz. 221. Bei der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass Ehegatten, die noch miteinander verheiratet sind, in höherem Maße füreinander verantwortlich sind als geschiedene Ehegatten.2 Der Anspruch auf Trennungsunterhalt kann gemäß § 1361 Abs. 4 BGB i.V.m. 24 § 1579 Nr. 2–8 BGB wegen grober Unbilligkeit ausgeschlossen, gekürzt oder befristet werden, s. Rz. 260 ff., Kap. F Rz. 436 ff. Keine Anwendung findet im Rahmen des Trennungsunterhalts die für den nachehelichen Unterhalt geregelte Beschränkung des Bedarfs oder der Leistungsdauer aus Billigkeitsgründen nach § 1578b BGB.3 7. Zur Erwerbsobliegenheit des bedürftigen Ehegatten nach der Trennung (§ 1361 Abs. 2 BGB) Ob und wie viel Trennungsunterhalt verlangt werden kann, hängt wesentlich 25 von der Klärung der Frage ab, ob der bisher nicht oder nur in geringem Umfang erwerbstätige Ehegatte nach der Trennung verpflichtet ist, seinen Unterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen. Dabei hat die Klärung der Frage Einfluss sowohl auf die Bestimmung des eheangemessenen Bedarfs als auch auf die Bedürftigkeit, denn kommt ein Ehegatte vorwerfbar seiner Erwerbsobliegenheit nicht nach, ist ihm ein fiktives Einkommen in Höhe des erzielbaren Einkommens zuzurechnen und wird in die Unterhaltsberechnung eingestellt (Rz. 108 ff.). Die Pflicht zur Erwerbstätigkeit richtet sich nach den persönlichen Verhältnissen, der Dauer der Ehe und den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten (§ 1361 Abs. 2 BGB). Ist ein Ehegatte während des Zusammenlebens und zum Trennungszeitpunkt 26 erwerbstätig, obliegt es ihm grundsätzlich seine Erwerbstätigkeit auch nach der Trennung fortzusetzen.4 Nur wenn gewichtige Gründe eintreten, die gegen eine
1 BGH, 2012, 281 Tz. 34 f., in Anknüpfung an seine frühere Rechtsprechung in FamRZ 1990, 260 (265); 2006, 683 ff. 2 BGH, FamRZ 1986, 556. 3 OLG Bremen, FamRZ 2009, 1415; OLG Brandenburg FamRZ 2009, 1837 (1840); FamFR 2012, 320; OLG Düsseldorf, FamRZ 2008, 1539 und FamFR 2010, 390. 4 OLG Bremen, FamFR 2012, 226 m. Anm. Reinecke = FamRZ 2012, 1391 (LS).
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
Erwerbstätigkeit sprechen, wie z.B. eine Erkrankung, besteht diese Obliegenheit nicht. 27 Ist ein Ehegatte während des Zusammenlebens nicht oder nur teilweise er-
werbstätig gewesen, kann er nur dann darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen, wenn dies von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen, insbesondere wegen einer früheren Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe, und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten erwartet werden kann (§ 1361 Abs. 2 BGB). Dabei gilt zunächst i.d.R., dass der bisher nicht erwerbstätige Partner nicht unverzüglich nach der Trennung eine Arbeit aufnehmen muss, weil dann meist noch nicht absehbar ist, ob die Ehe geschieden wird oder die Ehepartner sich wieder versöhnen. Zur Aufnahme oder Erweiterung einer Erwerbstätigkeit ist er nur dann verpflichtet, wenn die Eheleute sich einig waren, dass er wieder arbeiten sollte, oder schon die bisherigen finanziellen Verhältnisse eine Mitarbeit dringend erforderlich machten. Dem getrennt lebenden Ehegatten soll es nicht besser gehen, als wenn er noch in der ehelichen Lebensgemeinschaft leben würde. Zeichnet sich aber nach der Trennung ab, dass die Ehe endgültig gescheitert ist, werden die Anforderungen an die Wiedereingliederung in das Erwerbsleben höher.1 28 Wann genau die Verpflichtung zur Erwerbstätigkeit allerdings einsetzt, ist im
Gesetz nicht in Form einer konkreten Zeitangabe geregelt. Die Zumutbarkeit der Erwerbstätigkeit hängt deshalb im Einzelfall immer von den persönlichen Verhältnissen, also einer Vielzahl von Faktoren ab: der Anzahl und dem Alter der Kinder, der Dauer der Ehe und der Trennung, dem Alter und Gesundheitszustand des bedürftigen Ehegatten, seiner beruflichen Vorbildung, einer früher von ihm ausgeübten Tätigkeit und den wirtschaftlichen Verhältnissen. Grundsätzlich gilt, dass insbesondere während des 1. Jahres der Trennung die Anforderungen an die Pflicht zur Erwerbstätigkeit geringer sind, um den Erhalt der Ehe nicht durch eine zu tiefgreifende Veränderung der Lebensverhältnisse zusätzlich zu gefährden. Deshalb trifft einen längere Zeit nicht erwerbstätig gewesenen Ehegatten im ersten Trennungsjahr keine Erwerbsobliegenheit.2 Steht allerdings das Scheitern der Ehe endgültig fest und leben die Ehepartner schon längere Zeit getrennt, gilt zunehmend der Grundsatz der Eigenverantwortung und die Anforderungen nähern sich immer mehr den für den Nacheheunterhalt in § 1574 Abs. 2 BGB geregelten Maßstäben an (s. Rz. 36, Kap. F Rz. 27 ff.).3 29
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Praxishinweis: Nach Ablauf des Trennungsjahres ist es Sache des Unterhaltsberechtigten darzulegen, aus welchen Gründen er noch nicht einer vollen Erwerbstätigkeit nachgeht. Dazu müssen konkrete Gründe vorgetragen und – falls der Vortrag bestritten wird – Beweis für den Vortrag angeboten werden. Deshalb empfiehlt sich für den Unterhaltsberechtigten – insbesondere wenn er selbst das Scheidungsverfahren betreibt – sich rechtzeitig um eine Erwerbstätigkeit oder Aufstockung auf eine Vollbeschäftigung zu be-
1 BGH, FamRZ 2008, 963 (966); 2001, 350 (351) (grundlegend); 1990, 283 (285 f.). 2 So explizit BGH, FamRZ 2008, 963 (966); zu den Beurteilungsmaßstäben allgemein BGH, FamRZ 1981, 439. Die Leitlinien der OLG verhalten sich unterschiedlich dazu, vgl. dazu jeweils die Nr. 17.2 des zuständigen OLG. 3 BGH, FamRZ 2008, 963 (966).
286 Ehinger
II. Anspruchsvoraussetzungen
mühen. Zur Klärung der Positionen sollte von Seiten des Unterhaltspflichtigen rechtzeitig klargestellt werden, ab wann er von einer Erwerbsobliegenheit ausgeht. War die Ehe nicht von langer Dauer und sind keine Kinder zu betreuen, muss damit gerechnet werden, dass die Gerichte auch schon vor Ablauf des Trennungsjahres von einer Erwerbsobliegenheit ausgehen, so dass sich insbesondere jüngere Ehegatten schon relativ kurz nach der Trennung um eine Erwerbstätigkeit bemühen sollten.1 Sind Kinder zu betreuen, bleibt die bisherige Betreuungssituation zunächst auf- 30 rechterhalten. Ist nach Ablauf des Trennungsjahres klar, dass die Ehe endgültig gescheitert ist, wird sich der unterhaltsberechtigte Ehegatte bei längerfristiger Trennung darauf einzustellen haben, dass sich zunehmend die Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit nach den Maßstäben richten, die für den nachehelichen Betreuungsunterhaltsanspruch gelten, s. dazu die unter Kap. F Rz. 61 ff. dargestellten Grundsätze zu § 1570 BGB.2 Diese stellen seit Inkrafttreten des UÄndG und des neugefassten § 1570 BGB strengere Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit eines kinderbetreuenden Ehegatten. Denn seitdem gilt, dass ab Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes i.d.R. eine Fremdbetreuung mit den Kindesbelangen vereinbar und eine vollschichtige Erwerbstätigkeit bei vorhandenen Fremdbetreuungsmöglichkeiten zumutbar ist. Nur wenn der Unterhaltsberechtigte darlegen und beweisen kann, dass aus kind- und/oder elternbezogenen Belangen eine volle Erwerbstätigkeit nicht in Betracht kommt, verlängert sich der Unterhaltsanspruch. Insbesondere soll nach der Rechtsprechung des BGH nicht mehr das bis zum 31.12.2008 von den Gerichten praktizierte Altersphasenmodell, auch nicht in modifizierter Form, angewendet werden. Zum Altersphasenmodell vgl. Kap. F Rz. 107 ff. und zu den Folgen für die Darlegungsund Beweislast Kap. F Rz. 93 ff. Allerdings verlangt das nacheheliche Unterhaltsrecht von dem betreuenden El- 31 ternteil nicht einen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zur Vollerwerbstätigkeit und ermöglicht einen gestuften Übergang. Zudem sieht § 1570 Abs. 2 BGB vor, dass der Betreuungsunterhalt zu verlängern ist, wenn es der Billigkeit entspricht, das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Kinderbetreuung zu schützen. Im Rahmen des Trennungsunterhalts kommt erst recht nur ein gestufter Übergang in Betracht, denn dem Vertrauensschutz kommt in Bezug auf die bisher praktizierte Rollenverteilung naturgemäß eine noch größere Bedeutung zu, solange die Ehe besteht. 32
Beispiel F lebt nach 10-jähriger Ehe, in der sie sich ausschließlich um den gemeinsamen Sohn und Haushalt gekümmert hat, seit über einem Jahr von ihrem Ehemann M getrennt und verlangt Trennungsunterhalt. Der 11-jährige Sohn besucht ein Gymnasium. F arbeitet 20 Stunden in der Woche und lehnt die Ausübung einer Vollzeittätigkeit ab, insbesondere weil der Sohn aufgrund des Schulwechsels noch ihre Unterstützung benötige. Das OLG Düsseldorf hat hier eine Obliegenheit zur Ausübung einer Vollzeitbeschäftigung vor allem mit Rücksicht auf die bisherige Rollenverteilung und das praktizierte Betreuungsmodell für den Sohn abgelehnt, eine gestufte Erwerbsobliegenheit für die Zukunft in den Raum 1 OLG Hamm, FamRZ 1997, 1536 zur Erwerbsobliegenheit einer jungen Ehefrau 6 Monate nach der Trennung; ebenso OLG Köln, FamRZ 1996, 1215; OLG Düsseldorf, ZFE 2006, 394. 2 BGH, FamRZ 1990, 283 (286) zum alten Recht; Borth, UÄndG, S. 65.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten gestellt und die tatsächlich ausgeübte wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden als derzeit zumutbar befunden im Hinblick auf den noch notwendigen Betreuungsbedarf des 11-jährigen Kindes.1
33 Der Ehegatte, der während des Zusammenlebens wegen der Betreuung eines
nicht gemeinsamen Kindes2 oder eines Pflegekindes nicht erwerbstätig war, kann nach den gleichen Voraussetzungen Trennungsunterhalt verlangen. Nach der Scheidung der Ehe kann der Unterhaltsanspruch allerdings nicht auf Betreuung des Kindes gemäß § 1570 BGB gestützt werden, weil kein gemeinsames Kind betreut wird. Dann kann bei fortdauender Betreuungsbedürftigkeit des Kindes ein Billigkeitsunterhalt zum Zuge kommen (§ 1576 BGB; vgl. dazu Kap. F Rz. 221 ff.).3 34 War ein Ehegatte schon vor der Trennung erwerbstätig, so darf er seine Erwerbs-
tätigkeit nicht wegen der Trennung aufgeben. Ändern sich durch das Getrenntleben aber die Betreuungsbedingungen für die Kinder, kann es erforderlich sein, dass der betreuende Elternteil teilweise oder ganz aufhört, zu arbeiten. Die Zumutbarkeitsanforderungen sind bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen strenger. Beispiele – Nach 9-jähriger Ehe trennen sich die Eheleute. Die Frau konnte bisher teilzeitbeschäftigt sein, da auch der Mann die beiden Kinder mitbetreute. Entfällt nun die Betreuung durch den Mann, kann eine weitere Erwerbstätigkeit der Frau unzumutbar werden, insbesondere wenn die Kinder wegen der Trennung der Eltern besonderer Fürsorge bedürfen. – Die Frau arbeitet aushilfsweise als Kellnerin neben der Betreuung der beiden Kinder im Alter von 11 und 14 Jahren. Nach der Trennung kann die Fortsetzung der Erwerbstätigkeit zumutbar sein, wenn die Betreuung der Kinder in den Arbeitszeiten gesichert ist.4
35 Steht die Zumutbarkeit der Arbeitsaufnahme fest, ist der Ehegatte nur zur Aus-
übung einer angemessenen Erwerbstätigkeit verpflichtet. Liegt die Erwerbstätigkeit schon länger zurück, kann die Wiedereingliederung in das Erwerbsleben schwierig sein. Ob eine berufsqualifizierende Maßnahme oder die Tätigkeit in einem Bereich, der der beruflichen Vorbildung entspricht, angemessen ist, hängt wiederum von verschiedenen Faktoren wie dem Alter, der beruflichen Vorbildung, den Arbeitsmarktchancen und den wirtschaftlichen Verhältnissen und Lebenszuschnitt der Eheleute ab. Da § 1361 Abs. 2 BGB nicht näher regelt, was unter einer angemessenen Erwerbstätigkeit zu verstehen ist, können die in § 1574 Abs. 2 BGB für den Nacheheunterhalt geregelten Grundsätze zur Auslegung herangezogen werden (ausführlich dazu Kap. F Rz. 27 ff.). Dabei gilt auch insoweit, dass erst mit zunehmender Verfestigung der Trennung die für den Nacheheunterhalt geltenden Maßstäbe angewendet werden können. 36 Nach § 1574 Abs. 2 BGB soll eine angemessene Erwerbstätigkeit der Ausbil-
dung, den Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten entsprechen und darf nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig sein. Maßstab für die Be1 OLG Düsseldorf, FamRB 2010, 35 f. = FamRZ 2010, 646. 2 BGH, FamRZ 1979, 51; 1981, 17. 3 So OLG Koblenz, Urt. v. 16.3.2010 – 11UF 532/09, NJW 2010, 1537 f. = FamRZ 2010, 1251 (LS). 4 S. weitere Beispiele bei Menne/Grundmann, Das neue Unterhaltsrecht, S. 52 f.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
stimmung der Angemessenheit der Erwerbstätigkeit ist – anders als bis zum 31.12.2007 geltenden Recht – nicht der Zuschnitt der ehelichen Lebensverhältnisse, sondern die frühere Erwerbstätigkeit des Bedürftigen.1 Damit haben sich seit 1.1.2008 die Anforderungen an die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess für den Nacheheunterhalt verschärft, was sich auch auf den Trennungsunterhalt auswirkt, wenn von einem Scheitern der Ehe ausgegangen werden kann.2 Hat der unterhaltsbedürftige Ehegatte z.B. ehebedingt in seiner beruflichen Entwicklung zurückgesteckt, wird er sich gleichwohl längerfristig auch auf geringer qualifizierte Erwerbstätigkeiten verweisen lassen müssen, selbst wenn der andere Ehegatte einen hochqualifizierten Beruf ausübt und die Aufnahme der früheren Tätigkeit nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig ist. Wegen der strengeren Anforderungen beim Nacheheunterhalt empfiehlt sich für den Unterhaltsbedürftigen, schon in der Trennungszeit einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nach den Kriterien des § 1573 Abs. 1 i.V.m. § 1574 Abs. 3 BGB geltend zu machen (s. Kap. F Rz. 32). Dieser ist zwar nicht in § 1361 BGB geregelt, kommt aber zu seinen Gunsten in Betracht, denn der getrennt lebende Ehegatte darf nicht schlechter stehen, als er im Falle einer Scheidung stünde.3 Nicht möglich ist allerdings erst eine Ausbildung nach der Trennung zu beginnen, wenn die zuvor während des Zusammenlebens ausgeübte ungelernte Tätigkeit nach den ehelichen Lebensverhältnissen, den Fähigkeiten und dem Lebensalter des Unterhaltsbedürftigen angemessen war.4 37
Beispiele – Hat eine Ehefrau über 15 Jahre nicht in ihrem Beruf als Spülerin gearbeitet, ist ihr dennoch zumutbar, die Tätigkeit wieder aufzunehmen und auch als Raumpflegerin zu arbeiten, weil es Wiedereingliederungsprobleme in diesem Beruf nicht gibt und der Ehemann nur ca. 1 200 Euro als Arbeiter verdient.5 – Demgegenüber ist einer Lehrerin, die seit über 20 Jahren nicht in ihrem Beruf gearbeitet hat und keine Anstellung findet, nicht die Ausübung einer Tätigkeit als Verkäuferin zumutbar. Dies gilt jedenfalls bei günstigen wirtschaftlichen Einkommensverhältnissen des Ehemannes. – Eine seit 10 Jahren nicht mehr berufstätige technische Zeichnerin hat Anspruch auf Trennungsunterhalt zur Teilnahme an berufsqualifizierenden Maßnahmen wegen der technischen Entwicklung in ihrem Beruf. – Hat die Ehefrau wegen der Kinder ihre Ausbildung als Krankenschwester abgebrochen, steht ihr nach der Trennung ein Anspruch auf Finanzierung einer angemessenen Ausbildung zu.6 – Hat eine Ehefrau während des Zusammenlebens als Reinigungskraft in Teilzeit gearbeitet und gibt sie ihre Arbeit nach der Trennung auf, um an Sprach- und Berufsqualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen, ist ihr ein fiktives Einkommen aus Teilzeitbeschäftigung zuzurechnen, weil sie ihrer Erwerbsobliegenheit nicht nachkommt. Die Ausübung einer ungelernten Tätigkeit entsprach der Übung während der Ehe, weil die Voraussetzungen für die Ausübung einer gelernten Tätigkeit oder dem Erlernen einer solchen zu keinem Zeitpunkt vorlagen (OLG Bremen, FamFR 2012, 226).
1 Bis 31.12.2007 waren die ehelichen Lebensverhältnisse ein wesentliches Kriterium für die Angemessenheit (§ 1574 Abs. 2 BGB a.F.). 2 Reinken, FPR 2005, 502 (504). 3 BGH, FamRZ 2001, 350 (351). 4 OLG Bremen, FamFR 2012, 226 m. Anm. Reinecke = FamRZ 2012, 1391 (LS). 5 BGH, FamRZ 1981, 17 (18). 6 BGH, FamRZ 2001, 350 (351).
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
38 Verstößt der bedürftige Ehegatte gegen seine Erwerbsobliegenheit, wird ihm ein
fiktives Einkommen zugerechnet, das er bei Ausübung der ihm obliegenden Erwerbstätigkeit tatsächlich verdienen könnte. Die Zurechnung erfolgt sowohl auf der Bedarfsebene als auch im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung. Zu den Einzelheiten der Zurechnung eines fiktiven Einkommens s. Rz. 108 ff. 39 Eine Erwerbsobliegenheit besteht nicht oder nur teilweise, wenn der Unterhalts-
berechtigte wegen einer Erkrankung daran gehindert ist. Zu den Anforderungen an den Vortrag im Unterhaltsstreitverfahren s. Kap. F Rz. 148. Bei teilweiser Erwerbsunfähigkeit kann unterhaltsrechtlich noch eine Obliegenheit bestehen, eine andere ihm noch mögliche Beschäftigung auszuüben. 40 Eine Erwerbsobliegenheit besteht nur bis zum Erreichen der Altersgrenze. Wird
eine Tätigkeit nach Erreichen der Altersgrenze ausgeübt, handelt es sich um eine überobligatorische Erwerbstätigkeit. In welchem Umfang Einkünfte aus dieser Tätigkeit in die Unterhaltsberechnung eingestellt werden, richtet sich nach Billigkeitsgesichtspunkten. S. dazu Rz. 90 ff. 41 Die Darlegungs- und Beweislast für die Gründe einer eingeschränkten oder feh-
lenden Erwerbsobliegenheit, ebenso wie für erfolglose Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit, liegt bei dem Anspruchsteller. Insoweit ist immer erforderlich ein detaillierter Sachvortrag unter Angabe der Beweismittel. 8. Beginn und Ende des Trennungsunterhalts 42 Der Unterhaltsanspruch beginnt mit der Trennung der Ehegatten und dem Ein-
tritt der Bedürftigkeit, der Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt erst ab Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens (§ 1361 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Trennungsunterhaltsanspruch endet einen Tag vor Eintritt der Rechtskraft der Scheidung mit Ablauf der Rechtsmittelfrist. Die Rechtskraft der Scheidung tritt nach Ablauf der Rechtsmittelfrist ein (§ 1564 Satz 2 BGB, §§ 113 Abs. 1, 116 Abs. 2, 58, 63 Abs. 1 FamFG). Beispiel Das Scheidungsurteil (ohne Folgesachen) wird beiden Ehegatten am 5.9.2013 zugestellt. Keine der Parteien legt ein Rechtsmittel ein, so dass die Rechtsmittelfrist – da das Ende des Fristablaufs am 5.10.2013 auf einen Sonnabend fällt – erst mit Ablauf des nächsten Werktags, am 7.10.2013 endet (§§ 63, 113 Abs. 1, 1 FamFG, § 522 Abs. 2 ZPO). An diesem Tag endet auch der Anspruch auf Trennungsunterhalt. Die Rechtskraft der Scheidung tritt am 8.10.2013 ein (§§ 113 Abs. 1, 116 Abs. 2 FamFG, § 729 ZPO). Von dem Tag an kommen nur noch Unterhaltsansprüche auf Nacheheunterhalt in Betracht. Besonderheiten gelten bei den Rechtsmittelfristen von Verbundurteilen (§§ 142, 145, 117 FamFG, §§ 514 ff. ZPO, s. Kap. L Rz. 118 ff.).
43 Ab Rechtskraft der Scheidung richten sich Unterhaltsansprüche nach den Vor-
schriften über den nachehelichen Unterhalt gemäß §§ 1569 ff. BGB; denn Trennungs- und nachehelicher Unterhalt sind nicht identisch.1 Ein erstrittenes Urteil, bzw. ein Unterhaltsbeschluss sichert deshalb den Anspruch nur bis zur Rechtskraft der Scheidung, auch wenn sich aus dem Titel nicht ausdrücklich eine Befristung ergibt.2 Dauert die Unterhaltsbedürftigkeit an, müssen Ansprüche
1 BGH, FamRZ 1981, 441. 2 BGH, FamRZ 1980, 1099.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt rechtzeitig geltend gemacht werden (vgl. den Praxishinweis unter Kap. F Rz. 6). Dies gilt auch, wenn der Trennungsunterhalt in anderer rechtlicher Form, z.B. in einem Vergleich geregelt ist, es sei denn, aus dem Vergleich ergibt sich, dass die Ehegatten auch den nachehelichen Unterhalt regeln wollten. Ausgenommen von der anspruchsbegrenzenden Funktion der Rechtskraft der 44 Scheidung ist die im selbständigen Anordnungsverfahren nach § 246 FamFG ergangene einstweilige Unterhaltsanordnung. Denn eine einstweilige Anordnungen nach §§ 246, 51 Abs. 3 FamFG, mit der der Unterhalt eines getrennt lebenden Ehegatten geregelt ist, erwächst nicht in materieller Rechtskraft und kann auch für die Zeit nach der Scheidung als Unterhaltstitel verwendet werden. Dies gilt nur dann nicht, wenn das Gericht den Unterhalt ausdrücklich bis zur Rechtskraft der Scheidung befristet hat. Der Titel tritt ferner außer Kraft bei Wirksamwerden einer anderweitigen Unterhaltsregelung bzw. einer sonstigen Erledigung eines Hauptsacheverfahrens (§ 56 FamFG; vgl. dazu Kap. K Rz. 462).
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Praxishinweis: Vollstreckt der Unterhaltsgläubiger trotz des Eintritts der 45 Rechtskraft der Scheidung wegen des laufenden Unterhalts noch aus dem Trennungsunterhaltstitel, kann der Verpflichtete, wenn der Beschluss über den Trennungsunterhalt noch nicht rechtskräftig ist, Beschwerde einlegen und ferner die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung beantragen. Ist der Beschluss bereits rechtskräftig, kann der Verpflichtete mit dem Vollstreckungsabwehrantrag (§ 120 FamFG, § 767 ZPO) gegen die Inanspruchnahme vorgehen. Ein Beschluss über den Trennungsunterhalt kann nicht nach § 238 FamFG in einen Beschluss über nachehelichen Unterhalt abgeändert werden.1 Ein Unterhaltsverfahren wegen Trennungsunterhalt, das zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung noch nicht abgeschlossen ist, erstreckt sich nicht automatisch auf den Nacheheunterhalt. Soll im Wege der Antragshäufung auch Nacheheunterhalt geltend gemacht werden, bedarf es eines gesonderten Antrags und ergänzenden Vortrags zu den anspruchsbegründenden Tatsachen.2 Um Missverständnissen über die Fortdauer eines Titels über Trennungsunterhalt vorzubeugen, sollte in der Beschlussformel der gerichtlichen Endentscheidung im Hauptsacheverfahren entweder die Unterhaltszahlung bis zur Rechtskraft der Scheidung befristet oder der zu zahlende Unterhalt ausdrücklich als Trennungsunterhalt bezeichnet werden. Der Verfahrensantrag bzw. die Beschlussformel könnte deshalb lauten: „Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin eine monatliche jeweils im Voraus zahlbare Trennungsunterhaltsrente i.H.v. … zu zahlen“ bzw. „… Unterhaltsrente i.H.v. … bis zur Rechtskraft der Scheidung zu zahlen“.
Der Anspruch auf Trennungsunterhalt endet auch, wenn die Ehegatten sich ver- 46 söhnen und nicht mehr getrennt leben. Ein kürzeres Zusammenleben zum Zwecke der Versöhnung unterbricht zwar noch nicht das Getrenntleben mit den sich daran anknüpfenden rechtlichen Folgen (§ 1567 Abs. 2 BGB). Bei einem längeren Zusammenleben von etwa 3 Monaten erlischt jedoch der Trennungsunterhalts-
1 BGH, FamRZ 1981, 242 ff.; 1981, 441 zur Nichtidentität des ehelichen und nachehelichen Unterhalts. 2 OLG Hamm, FamRZ 1998, 1512.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
anspruch.1 An seine Stelle tritt wieder der Anspruch auf Familienunterhalt (§ 1360 BGB), der nicht wesensgleich ist mit dem Anspruch auf Trennungsunterhalt.2 Besteht ein Titel über den Trennungsunterhalt, können nach längerem Zusammenleben daraus keine Rechte mehr hergeleitet werden, denn der Anspruch lebt nicht wieder auf.3 Dem Verpflichteten stehen für den Fall der Vollstreckung die Rechte aus § 120 FamFG, § 767 ZPO zu. Wird erneut ein Unterhaltsverfahren eingeleitet, ist ein allgemeiner Leistungsantrag nach § 113 Abs. 1 FamFG, 258 ZPO zu stellen, nicht ein Abänderungsantrag nach § 238 FamFG. Der BGH hat zu der Frage, ob ein Trennungsunterhaltstitel trotz längeren Zusammenlebens wieder aufleben kann, bisher noch nicht Stellung genommen. 47 Auf den Anspruch auf Trennungsunterhalt kann – anders als beim Nachehe-
unterhalt – nicht verzichtet werden (§§ 1361 Abs. 4 S. 3, 1360a Abs. 3, 1614 BGB). Einigen sich Ehegatten auf einen Verzicht und macht ein Ehegatte oder ein Sozialhilfeträger aus übergegangenem Recht später gleichwohl Trennungsunterhalt geltend, ist der Einwand des Verzichts rechtlich nicht relevant, denn die Verzichtsvereinbarung ist gem. § 134 BGB nichtig. Möglich sind zwar Vereinbarungen über die Höhe des Unterhalts mit einem gewissen Spielraum, allerdings muss sich eine Vereinbarung, die den gesetzlich geschuldeten Unterhalt unterschreitet, noch im Rahmen der Angemessenheit des Unterhalts gem. § 1361 Abs. 1 BGB bewegen, also den Lebens-, Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten entsprechen.4 9. Darlegungs- und Beweislast 48 Der Unterhaltsberechtigte trägt die Darlegungs- und Beweislast für seine Be-
dürftigkeit und die den Bedarf bestimmenden gegenwärtigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse beider Ehegatten.5 Dazu steht ihm ein Auskunftsanspruch gegenüber dem getrennt lebenden Ehegatten nach §§ 1361 Abs. 4 i.V.m. 1605 BGB zu (vgl. Kap. I Rz. 6). Beruft sich der Verpflichtete auf eine eingeschränkte oder fehlende Leistungsfähigkeit, obliegt ihm insoweit auch die Darlegungs- und Beweislast.6 Dies git auch für die tatsächlichen Voraussetzungen von Unterhaltsverbindlichkeiten gegenüber nicht gemeinsamen Kindern und aus § 1615l BGB gegenüber einer nichtehelichen Mutter, die die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten mindern.7
1 OLG Saarbrücken, NJW-Spezial 2010, 6; Palandt/Brudermüller § 1361 BGB Rz. 5; Wendl/Dose/Bömelburg, § 4 Rz. 30. 2 OLG Hamm, FamRZ 1999, 30; OLG Düsseldorf, FamRZ 1992, 943. 3 OLG Hamm, NJW-RR 2011, 1015 = FamRZ 2011, 1234 (LS). 4 Der BGH, FamRZ 1984, 997, sieht bei einer Unterschreitung von einem Drittel die Angemessenheit nicht mehr gewahrt (zum Kindesunterhalt). Das OLG Düsseldorf, FamRZ 2001, 1148 (LS) = MDR 2000, 1252, sieht die Angemessenheitsgrenze bei einer Unterschreitung von 20 % noch gewahrt. 5 BGH, FamRZ 1983, 352 ff. 6 BGH, FamRZ 1988, 930 f. 7 BGH, FamRZ 2010, 869 ff. m. Anm. Maier, zur Darlegungs- und Beweislast bei Unterhaltspflicht gegenüber neuen Ehegatten.
292 Ehinger
III. Die Berechnung des Unterhalts
III. Die Berechnung des Unterhalts Prüfungsschema für Trennungsunterhalt
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1. Leben die Ehegatten getrennt (§ 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB)? 2. Berechnung des eheangemessenen Unterhalts des Anspruchstellers (§ 1361 Abs. 1 BGB). a) Bestimmung des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen. aa) Klärung sämtlicher eheprägender Einkünfte der Ehegatten. bb) Bereinigung des Nettoeinkommens beider Ehegatten durch Abzug berufsbedingter Aufwendungen vom Erwerbseinkommen, des Kindesunterhalts, ggf. Kindesbetreuungskosten und ehebedingter Verbindlichkeiten, abschließend Abzug eines Erwerbstätigenbonus vom Einkommen aus Erwerbstätigkeit. cc) Besteht nach dem Maßstab des § 1361 Abs. 2 BGB eine Erwerbsobliegenheit und kommt ein Ehegatte dieser nicht nach, kommt die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht, das ebenfalls zu bereinigen ist. dd) Bei Einkünften aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit Zurechnung eines nach Billigkeit zu bestimmenden unterhaltsrechtlich relevanten Teils des Einkommens (§ 1577 Abs. 2 BGB analog, § 242 BGB). ee) Ergebnis: Summe der bereinigten Einkommen ergibt den Bedarf beider Ehegatten. Davon steht dem Unterhaltsberechtigten die Hälfte zu. b) Ist der Berechtigte in Höhe des errechneten Bedarfs bedürftig? aa) Vom eheprägenden Bedarf des Berechtigten sind sämtliche eigenen bereinigten Einkünfte abzuziehen, egal ob eheprägend oder nicht, einschließlich eines unterhaltsrechtlich relevanten Teil des Einkommens aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit. bb) Ergebnis: ungedeckter Bedarf des Berechtigten. c) Ist der Verpflichtete zur Zahlung des ungedeckten Bedarfs leistungsfähig? aa) Von dem bereinigten Einkommen des Verpflichteten, das nicht um den Erwerbstätigenbonus gemindert ist, sind abzuziehen: – der ungedeckte Bedarf des Berechtigten, – ggf. weitere nicht ehebedingte Verbindlichkeiten, unvermeidbarer trennungsbedingter Mehrbedarf. bb) Angemessenheitskontrolle unter Berücksichtigung des eheangemessenen Selbstbehalts des Verpflichteten: Dem Verpflichteten soll der eheangemessene Bedarf verbleiben, mindestens jedoch als untere Grenze der angemessene Eigenbedarf. Die Höhe ist in Nr. 21.4 der LL geregelt.1 3. Ergebnis: zu zahlender Unterhalt, ggf. Billigkeitsunterhalt in entsprechender Anwendung der Grundsätze des § 1581 BGB. 1 Der angemessene Eigenbedarf gegenüber dem getrennt lebenden Ehegatten beträgt 1 100 Euro nach Nr. 21.4 der LL nach dem Stand 1.1.2014.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
50 Für die Berechnung des Unterhaltsbedarfs des Anspruchstellers muss zunächst
das bedarfsbestimmende Einkommen der Ehegatten, das nach den ehelichen Lebensverhältnissen für den Unterhalt beider Ehegatten zur Verfügung stehen müsste, geklärt werden. Den Maßstab für den Bedarf bilden die prägenden individuellen ehelichen Lebensverhältnisse, die im Wesentlichen von dem aktuell erzielten Einkommen aus Erwerbstätigkeit und Vermögen bestimmt werden. Bei der Festlegung des bedarfsbestimmenden Einkommens ergeben sich die meisten Streitigkeiten, denn häufig verändern sich die Lebens- und auch Einkommensverhältnisse nach der Trennung, und es stellt sich die Frage, welchen Einfluss diese Veränderungen auf die Höhe des Unterhaltsanspruchs haben. Also z.B.: Können Kreditraten für die Einrichtung einer neuen Wohnung einkommensmindernd vom bedarfsbestimmenden Einkommen abgezogen werden mit der Folge, dass sich das für den Unterhalt zur Verfügung stehende Einkommen für beide Ehegatten verringert, oder muss der kreditnehmende Ehegatte die Raten aus eigener Tasche von dem auf ihn entfallenden Anteil des bedarfsbestimmenden Einkommens zahlen? Sind neu hinzugetretene Unterhaltsbelastungen für ein nichteheliches Kind und dessen Mutter abzugsfähig? Wie werden die Belastungen für die Miete oder das Familieneigenheim berücksichtigt? 51 Nachfolgend werden die einzelnen Arbeitsschritte der Klärung und Berechnung
des bedarfsbestimmenden Einkommens und typische Probleme bei der Feststellung des bedarfsbestimmenden Einkommens behandelt. 1. Klärung der aktuellen Einkommensverhältnisse 52 Für die Einkommensermittlung der Ehegatten gilt die nachfolgend dargestellte
Übersicht. Zur Vertiefung wird auch auf die Ausführungen zur Einkommensklärung in Kap. A Rz. 68 ff. und zur Bereinigung des bedarfsbestimmenden Einkommens (Kap. A Rz. 214 ff.) Bezug genommen. a) Zu berücksichtigende Einkünfte 53 Zu erfassen sind sämtliche Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, Lohnersatzzahlun-
gen wie Krankengeld, Arbeitslosengeld einschließlich zulässiger Nebenverdienste, Renten, Unfallrenten, soweit sie Lohnersatzfunktion haben,1 Arbeitslosengeld II, aber nur soweit es ausnahmsweise nicht subsidiär ist,2 der auf den Pflegenden entfallende Teil des Pflegegeldes, Leistungen nach dem BAföG, auch wenn sie als Darlehen gewährt werden etc. (s. Kap. A Rz. 70 ff.). 54 Ferner sind sämtliche Einkünfte aus Vermögen zu berücksichtigen. Sind die
Einkünfte des anderen nicht bekannt, kann Auskunft verlangt werden (§§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1605 BGB, vgl. dazu Kap. J Rz. 4 ff. mit Musterschreiben). 55 Unberücksichtigt bleiben sozialstaatliche Leistungen, die nur gezahlt werden,
weil der Bedürftige seinen Unterhaltsanspruch nicht durchsetzen kann, und die bei Zahlung des Unterhalts zurückgefordert werden, bzw. vom Sozialträger vom
1 Auf Unfallrenten mit Lohnersatzfunktion findet die Deckungsvermutung des § 1610a BGB für Mehrbedarf keine Anwendung OLG Brandenburg, NJW-RR 2009, 1371. 2 Nr. 2.2 der Leitlinien des zuständigen OLG.
294 Ehinger
III. Die Berechnung des Unterhalts
Unterhaltspflichtigen zurückverlangt werden können. Dies sind z.B. sozialstaatliche Leistungen aufseiten des Unterhaltsberechtigten wie das ALG II nach dem SGB II (ausgenommen sind davon die Zuschläge zum ALG II bei Begründung einer Selbständigkeit gemäß § 16b SGB II),1 Sozialhilfe und Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII. Die Sozialleistungen des ALG II gehen seit 1.8.2006 kraft Gesetzes auf den Leistungsträger über (§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II); bei der Sozialhilfe und Leistungen der Grundsicherung nach §§ 41 ff. SGB XII ergibt sich der gesetzliche Forderungsübergang aus § 94 Abs. 1 SGB XII.2 Zur Berechnung des ALG II, zu Nebenverdienstmöglichkeiten und zum gesetzlichen Forderungsübergang vgl. Kap. A Rz. 120 ff. Auch bei den Leistungen der Grundsicherung nach § 41 ff. SGB XII, die für Ehe- 56 gatten ab Vollendung des 65. Lebensjahres oder bei dauerhafter Erwerbsminderung in Betracht kommen können, handelt es sich um eine besondere Form der Sozialhilfe, die nur dann zum Zuge kommt, wenn kein Anspruch auf Ehegattenunterhalt besteht bzw. dieser nicht alsbald realisierbar ist oder wenn der Unterhaltsanspruch den Grundsicherungsbedarf unterschreitet. Dann besteht ein Anspruch auf (ergänzende) Grundsicherung. Bleibt dann immer noch ein ungedeckter Bedarf, kann darüber hinaus Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 ff. SGB XII) und ggf. für besondere Bedarfslagen (Kapitel 3–9 des SGB XII) beantragt werden. Für alle Sozialleistungen gilt, dass sie ausnahmsweise dann unterhaltsrechtlich 57 als anrechenbares Einkommen zu behandeln sind, wenn die Nichtberücksichtigung durch den Unterhaltsberechtigten treuwidrig wäre, weil z.B. ein Rückgriff des Sozialträgers gegen den Empfänger aus übergeleitetem oder übergegangenem Recht nicht mehr in Betracht kommt (§ 242 BGB).3 Das Kindergeld wird weder bei der Ermittlung des Einkommens des Verpflichte- 58 ten noch aufseiten des Berechtigten einkommenserhöhend berücksichtigt.4 Dies gilt auch für den Zählkindvorteil. Das Elterngeld (Kap. A Rz. 144 ff.), das für seit 1.1.2007 geborene Kinder gezahlt 59 wird, bleibt bis zu 300 Euro unberücksichtigt, wobei sich der Betrag erhöht bei Mehrlingsgeburten (§ 11 Satz 3 BEEG) oder verringert, wenn der Elterngeldbezug nach § 6 BEEG verlängert wird (§ 11 BEEG). Insoweit gelten jedoch folgende Ausnahmen: Bezieht der bezugsberechtigte Elternteil ALG II oder andere Sozialleistungen ist auch der Sockelbetrag auf den Bedarf anzurechnen (§ 10 BEEG). Gleiches gilt, wenn der Anspruch gegen den Ehegatten wegen grober Unbilligkeit gekürzt wird. Dann ist das Elterngeld unterhaltsrechtlich ebenfalls wie normales Einkommen zu behandeln (§ 11 Satz 5 BEEG i.V.m. §§ 1361 Abs. 3, 1579 BGB, vgl. Kap. A Rz. 153). Hingegen sind Einkünfte (Erträge) aus Schmerzensgeld zu erfassen. Diese wer- 60 den zwar nicht bei der Bedarfsberechnung berücksichtigt, sie können aber bei der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten oder Bedürftigkeit des Berechtigten ei-
1 2 3 4
BGH, FamRZ 2009, 307 Tz. 19 f.; Nr. 2.2 der Leitlinien des zuständigen OLG. Günther, FPR 2005, 416 (462). BGH, FamRZ 1999, 843; 2001, 619. BGH, FamRZ 1997, 806.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
ne Rolle spielen, wobei die Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes – Ersatz immaterieller Schäden und Genugtuung – im Rahmen einer Billigkeitsprüfung zu beachten ist. Allerdings darf der geschädigte Verpflichtete das Kapital selbst in seiner Substanz erhalten oder für andere Zwecke verwenden, ohne gegen seine unterhaltsrechtliche Obliegenheit zu verstoßen.1 Gleiches gilt für den Berechtigten, auch dieser ist nicht verpflichtet, das Kapital selbst zur Erleichterung der Unterhaltspflicht des anderen für seinen Bedarf zu verbrauchen.2 b) Bestimmung des Durchschnittseinkommens 61 Die Einkommensermittlung sollte sich auf folgende Zeiträume beziehen: 62 Bei Einkünften aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit ist Berechnungsgrund-
lage das im letzten Kalenderjahr oder in den letzten 12 Monaten erzielte Durchschnittseinkommen.3 Da die Ermittlung des Durchschnittseinkommens dazu dient, eine Prognose über das zukünftig zu erzielende Einkommen zu erstellen, um auf dieser Basis den zukünftigen Unterhalt zu berechnen, ist es sinnvoll, auf einen möglichst entscheidungsnahen Zeitraum zurückzugreifen. Ist aufgrund der Veränderung der Arbeitssituation mit einer nachhaltigen Änderung des erzielbaren Einkommens zu rechnen, ist auf das Einkommen abzustellen, das zukünftig erzielt wird, und nicht mehr schematisch auf einen Durchschnitt von 12 Monaten. Für rückständigen Unterhalt ist maßgebend das tatsächlich innerhalb dieser Zeiträume erzielte Einkommen.4 Vgl. zu weiteren Einzelheiten der Einkommensbestimmung bei nichtselbständiger Erwerbstätigkeit die Ausführungen unter Kap. A Rz. 79 ff. mit Beispielen, zum Auskunftsanspruch Kap. I Rz. 19 f. 63 Erzielt ein Ehegatte Einkommen aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit, ist
das Durchschnittseinkommen der letzten 3 Jahre zugrunde zu legen. Hier ergeben sich immer wieder Schwierigkeiten bei der Bestimmung des dauerhaft erzielbaren, unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommens, denn i.d.R. werden für die Bestimmung des Einkommens Belege vorgelegt, wie Gewinn- und Verlustrechnungen, Einkommensteuererklärungen, Bilanzen, die für das Finanzamt nach steuerrechtlichen Gesichtspunkten aufbereitet sind oder Bescheide des Finanzamts, so dass im Hinblick auf die im Steuer- und Unterhaltsrecht geltenden unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe die Auskünfte und Belege kritisch zu hinterfragen sind. Vgl. zu Einzelheiten der Bestimmung des Einkommens Selbständiger Kap. A Rz. 87 ff.; zum Auskunftsanspruch Kap. I Rz. 21 f. c) Bereinigung des Einkommens um berufsbedingte Aufwendungen 64 Von dem Einkommen aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit können berufs-
bedingte Aufwendungen abgezogen werden und zwar entweder als Pauschale oder in Höhe der tatsächlich entstehenden Aufwendungen, die jedoch konkret anzugeben und zu belegen sind. Die OLG gehen sehr unterschiedlich vor. Angaben zur ortsüblichen Handhabung finden sich jeweils unter Ziff. 10.2 der LL.
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BGH, FamRZ 1988, 1030 (1034). BGH, FamRZ 1989, 170 ff.; 1988, 1030 (1034); OLG Karlsruhe, FamRZ 2002, 750. BGH, FamRZ 2013, 935 Tz. 22. BGH, FamRZ 2007, 1532 (1534).
296 Ehinger
III. Die Berechnung des Unterhalts
Werden berufsbedingte Aufwendungen als Pauschale berücksichtigt, ist ein Abzug von 5 % von dem um Steuern und Sozialabgaben (nicht aber um sonstige Verbindlichkeiten) bereinigten Einkommen üblich, wobei der Mindestbetrag bei 50 Euro und der Höchstbetrag bei 150 Euro liegt. Bei geringfügiger Teilzeitarbeit kann auch weniger abgezogen werden. In einigen Leitlinien wird der Abzug von 25 Euro bei einem Einkommen von bis zu 500 Euro empfohlen,1 s. Nr. 10.2.1 der LL. In den Leitlinien der OLG der neuen Bundesländer ist meist wegen der knapperen Geldmittel ein pauschaler Abzug der berufsbedingten Aufwendungen nicht vorgesehen. Berufsbedingte Aufwendungen werden nicht abgezogen von Arbeitslosengeld, Krankengeld, Renteneinkünften, Einkünften aus Kapital und Vermietung und Verpachtung. Ausgenommen sind davon beim Arbeitslosengeld Bewerbungskosten. Liegen die berufsbedingten Aufwendungen tatsächlich höher oder sehen die 65 Leitlinien einen pauschalen Abzug nicht vor, sind die berufsbedingten Aufwendungen konkret von demjenigen, der den Abzug geltend macht, darzulegen und ggf. zu beweisen. Die berufsbedingten Aufwendungen sind nur dann abzugsfähig, wenn sie sich eindeutig von den privaten Lebenshaltungskosten abgrenzen lassen. Beispiele – M ist Lehrer und kauft einen PC, der ihm die Schreibmaschine ersetzt und den er auch für die Unterrichtsvorbereitung nutzen kann. Die Kosten sind nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen, weil der PC heute zur privaten Lebensführung gehört. Dem steht nicht entgegen, dass M die steuerrechtliche Absetzbarkeit gegenüber dem Finanzamt geltend macht. – F verdient 600 Euro. Ihre berufsbedingten Aufwendungen (Fahrtkosten und Kindesbetreuung) betragen monatlich 100 Euro, also mehr als 5 %. Will sie die Aufwendungen einkommensmindernd abziehen, muss sie die Ausgaben belegen können.
Der Abzug einer Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen kommt bei Selb- 66 ständigen nicht in Betracht, denn der berufliche Aufwand wird bereits als Betriebsausgabe bei der Gewinn- und Verlustrechnung bzw. Einnahmen-Überschussrechnung berücksichtigt und kann deshalb nicht erneut in Ansatz gebracht werden.2 Insoweit ist für die Einkommensermittlung jedoch zu beachten, dass im Unterhaltsrecht anzuerkennende berufsbedingte Ausgaben nicht identisch sind mit steuerrechtlich anerkannten Betriebsausgaben und sich bei Selbständigen häufig bei den Betriebsausgaben private Nutzungsvorteile ergeben, die unterhaltsrechtlich einkommenserhöhend berücksichtigt werden können (s. Kap. A Rz. 92 f.). Betreuungskosten sind konkrete berufsbedingte Aufwendungen, die in den Leit- 67 linien jeweils unter Ziff. 10.3 gesondert aufgeführt sind. Sie können i.d.R. neben der Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen berücksichtigt werden, um Kinder betreuende Eltern nicht zu benachteiligen. Nicht zu den Betreuungskosten gehören die Kindergartenkosten. Sie werden nach geänderter Rechtsprechung des BGH rechtlich dem Bedarf des Kindes zugeordnet (Kap. A Rz. 296 ff.).
1 So z.B. in Nr. 10.2.1 der LL des OLG Braunschweig. 2 BGH, FamRZ 1980, 770.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
d) Arbeitsschema zur Klärung der aktuellen Einkommensverhältnisse 68 Checkliste 1: Klärung der aktuellen Einkommensverhältnisse beider Ehegatten
aus unselbständiger Erwerbstätigkeit Ehefrau
Ehemann
1.
Bruttoeinkommen des letzten Kalenderjahres oder der letzten 12 Monate inkl. Urlaubs- und Weihnachtsgeld und sonstiger Zuschläge sowie sonstiger Einkünfte, z.B. aus Vermögen, Renten.
…
…
2.
Abzüge (Steuern, Vorsorgeaufwendungen für Krankheit, Alter, Arbeitslosigkeit, Solidaritätsbeitrag etc.).
…
…
3.
= Summe: 12 Monate
…
…
4.
= monatliches Durchschnittsnettoeinkommen.
…
…
5.
Vom Erwerbseinkommen Abzug berufsbedingter Aufwendungen als Pauschale (i.H.v. 5 %; möglich sind nach den Leitlinien auch Höchst- und Mindestbeträge von 150 Euro und 50 Euro) oder konkret aufgelistet und beziffert (Gewerkschaftsbeitrag, Fahrgeld, PKW-Kosten etc.).
…
…
6.
Auflistung von Unterhaltsverbindlichkeiten für minderjährige, volljährige Kinder (nach Abzug des Kindergeldes) und geschiedene Ehegatten (wegen welcher gesetzlich geregelten Bedürfnislage?)
7.
Auflistung der Verbindlichkeiten, die schon vor der Trennung bestanden, z.B.:
…
…
8.
Kredite, Höhe der monatlichen Rate, Regelmäßigkeit der Tilgung, voraussichtliches Ende der Ratenzahlung,
…
…
9.
Kindesbetreuungskosten (Kitagebühren = Mehrbedarf des Kindes abzüglich Essensanteil)
…
…
10. Kredite für Eigenheim, Zinsen und Tilgung, Betriebskosten, die ein Mieter nicht zu tragen hätte; Verrechnung mit ersparter fiktiver Miete (Wohnvorteil)
…
…
11. sonstige Schulden, z.B. Mietrückstände, Miete Ehewohnung.
…
…
12. Auflistung der Verbindlichkeiten, die nach der Trennung entstanden sind, z.B.: Kredite, Verwendungszweck, Höhe der monatlichen Rate, voraussichtliches Ende der Ratenzahlung.
…
…
2. Feststellung des bedarfsbestimmenden Einkommens nach den prägenden ehelichen Lebensverhältnissen a) Bedarfsbestimmendes Einkommen 69 Die aktuellen Einkommensverhältnisse der Ehegatten können nicht schema-
tisch gleichgesetzt werden mit dem bedarfsbestimmenden Einkommen, das den ehelichen Lebensstandard geprägt hat. Deshalb ist für die Klärung des bedarfsbestimmenden eheprägenden Einkommens immer auch eine bewertende Beurteilung darüber erforderlich, in welcher Höhe das Einkommen nach Abzug wel298 Ehinger
III. Die Berechnung des Unterhalts
cher Verbindlichkeiten nach den ehelichen Lebensverhältnissen für den Unterhalt der Ehegatten zur Verfügung stehen muss. Das ist in den Fällen, in denen nach der Trennung keine Veränderungen oder nur dem Normalverlauf entsprechende Erhöhungen und Verminderungen des Einkommens eintreten und keine neuen Verbindlichkeiten eingegangen wurden, unproblematisch. Denn dann entsprechen die aktuellen Verhältnisse i.d.R. den maßgeblichen prägenden ehelichen Einkommensverhältnissen, und an diesen haben die Eheleute grundsätzlich bis zur Scheidung in gleicher Weise teil.1 Einkommen, das ein haushaltsführender Ehegatte erst nach der Trennung er- 70 zielt, weil er seitdem erwerbstätig ist oder eine Erwerbstätigkeit ausgeweitet hat und nun ein eigenes (höheres) Einkommen erzielt, ist uneingeschränkt dem eheprägenden und damit bedarfsbestimmenden Einkommen zuzurechnen, obwohl dieses Geld während des Zusammenlebens nicht zur Verfügung stand. Dies war allerdings lange Zeit in Rechtsprechung und Literatur umstritten, insbesondere wenn die Aufnahme der Tätigkeit nicht der Lebensplanung der Ehegatten entsprach. Der BGH hatte diese Einkünfte in jahrzehntelanger Rechtsprechung nicht auf der Bedarfs-, sondern nur auf der Bedürftigkeitsebene im Wege der Anrechnungsmethode berücksichtigt und seine Rechtsprechung erst mit Urteil vom 13.6.20012 aufgegeben. Sie war zunehmend kritisiert worden, weil sie letztlich den Ehegatten, der sich während des Zusammenlebens der Familienarbeit und Betreuung der Kinder unter Verzicht auf eine eigene Erwerbstätigkeit widmete, unterhaltsrechtlich benachteiligte und verfassungswidrig war.3 Seitdem wird Familienarbeit im Ehegattenunterhaltsrecht im Verhältnis zur Erwerbstätigkeit als ein gleichwertiger Beitrag zum Familienunterhalt verstanden, was dogmatisch zur Konsequenz hat, dass Einkommen aus Erwerbstätigkeit, das nach der Trennung an die Stelle der Hausarbeit tritt, als wirtschaftliches Surrogat für die bisher geleistete Hausarbeit dem bedarfsbestimmenden Einkommen hinzuzurechnen ist und in die Berechnung des Quotenunterhalts einbezogen wird. Denn kommen den Ehegatten gleiches Recht und gleiche Verantwortung bei der Ausgestaltung ihres Ehe- und Familienlebens zu, so sind auch die Leistungen, die sie jeweils im Rahmen der von ihnen in gemeinsamer Entscheidung getroffenen Arbeits- und Aufgabenzuweisung erbringen, als gleichwertig anzusehen. Dabei ist die Gleichgewichtigkeit unabhängig von ihrer ökonomischen Bewertung. Auch der zeitweilige Verzicht eines Ehegatten auf Erwerbstätigkeit, um die Haushaltsführung oder die Kindererziehung zu übernehmen, prägt demnach die ehelichen Verhältnisse, genauso wie die vorher ausgeübte Berufstätigkeit und die danach wieder aufgenommene oder angestrebte Erwerbstätigkeit. Die vom BGH nunmehr angewendete sog. Surrogattheorie bietet den Vorteil, 71 dass nicht zu prüfen ist, ob im Einzelfall tatsächlich Erwerbstätigkeit und Haushaltstätigkeit objektiv wirtschaftlich gleichwertig sind.4 Außerdem sind mit der geänderten Rechtsprechung typische Streitpunkte, die bis zum Wandel der
1 2 3 4
BGH, FamRZ 1984, 561 (562); 1982, 244 (245). BGH, FamRZ 2001, 986 ff. Zur früheren Rechtsprechung BGH, FamRZ 1983, 146 (148). So BVerfG, FamRZ 2002, 527 ff. zur früheren Rspr. des BGH. Zur Surrogattheorie Graba, FPR 2002, 48 ff.; Übersicht zum Theorienstreit und Bewertung der Änderung der Rechtsprechung des BGH bei Bäumel, FPR 2002, 31 ff.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
Rechtsprechung des BGH in 2001 im Unterhaltsprozess eine Rolle spielten, weggefallen, wie z.B. die Frage, warum der haushaltsführende Ehegatte während des Zusammenlebens nicht erwerbstätig war und ob die Aufnahme oder Erweiterung der Erwerbstätigkeit der gemeinsamen Lebensplanung entsprach. Schließlich ist auch unerheblich, ob der Ehegatte mit der zuvor ausgeübten Hausarbeit einverstanden war.1 72
Û
Praxishinweis: Ist der Trennungsunterhalt in einem Vergleich geregelt und ändert sich die Rechtsprechung des BGH zur Berechnung des Unterhalts grundlegend, wie dies z.B. bei der Abkehr des BGH von der Anrechnungsmethode mit Urteil vom 13.6.2001 geschehen ist, kommt auch eine rückwirkende Änderung der Vereinbarung ab dem Zeitpunkt der Änderung der Rechtsprechung des BGH, wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht.2 Der BGH hat in einer Grundsatzentscheidung für Dauerschuldverhältnisse entschieden, dass die Änderung einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Störungen vertraglicher Vereinbarungen führen kann, die nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage im Wege der Anpassung zu bereinigen sind. Dabei ist dann im Abänderungsverfahren nach § 239 FamFG i.V.m. 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO darzulegen, dass der Vertrag bei Kenntnis der Änderung so nicht geschlossen worden wäre und eine Änderung des Vertrags beiden Parteien zumutbar ist. Auch Unterhaltsurteile konnten schon nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH nach § 323 ZPO bei einer grundlegenden Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgeändert werden.3 Dies ergibt sich seit 1.9.2009 nun unmittelbar aus dem Gesetz: Denn nach § 238 Abs. 1 Satz 2 FamFG kann eine gerichtliche Endentscheidung, nach der laufende Unterhaltsleistungen zu erbringen sind, nicht nur wegen einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen sondern auch rechtlichen Verhältnisse abgeändert werden, worunter nicht nur Gesetzesänderungen sondern auch die Änderung einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung gehört.4 Dazu und zu den rückwirkenden Abänderungsmöglichkeiten s. Kap. K Rz. 344 ff.).
73 Nicht zu berücksichtigen als bedarfsbestimmendes Einkommen sind hingegen
Einkommensveränderungen, die auf eine ungewöhnliche, vom Normalverlauf abweichende Entwicklung zurückzuführen sind. Beispiele – M wechselt nach der Trennung überraschend den Beruf und erzielt, nachdem er an berufsqualifizierenden Maßnahmen teilgenommen hat, ein doppelt so hohes Einkommen wie zuvor. Hier ist für die Unterhaltsberechnung das früher erzielte Einkommen unter Berücksichtigung zwischenzeitlicher branchenüblicher Lohnerhöhungen maßgeblich. – M beendet in der Trennungszeit das während des Zusammenlebens begonnene Studium und verdient jetzt 3 000 Euro als angestellter Arzt. Für die Bemessung des Unterhalts ist das Einkommen als Arzt maßgeblich, da dies der nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu erwartenden beruflichen Entwicklung des M entspricht.5
1 2 3 4 5
Büttner, NJW 2001, 3244 (3245). BGH, FamRZ 2001, 1687 (1690) = FPR 2001, 426 ff. BGH, FamRZ 2003, 848 f., m. Anm. Hoppenz, S. 854 ff. Prütting/Helms/Bömelburg, § 238 FamFG Rz. 70 f. BGH, FamRZ 1986, 148.
300 Ehinger
III. Die Berechnung des Unterhalts – M und F haben während des Zusammenlebens mit getrennten Kassen gewirtschaftet und demzufolge bei unterschiedlich hohen Einkommen keinen gemeinsamen Lebensstandard gehabt. Gleichwohl ist Berechnungsgrundlage das aktuelle erzielte Einkommen beider Ehegatten.1
b) Behandlung von Verbindlichkeiten Die Bewertung, welches Einkommen für Unterhaltszwecke nach den prägenden 74 ehelichen Lebensverhältnissen zur Verfügung zu stehen hat, erfordert meist auch eine Entscheidung darüber, welche Schulden einkommensmindernd bei den Ehegatten berücksichtigt werden können. Ein solcher Vorabzug ist für die Höhe des Anspruchs von entscheidender Bedeutung, weil er beide Ehegatten an der Schuldentilgung beteiligt, und zwar auch den Unterhaltsberechtigten durch Kürzung seines Anspruchs. Abzugsfähig sind ehebedingte Schulden, die sich schon während des Zusammenlebens auf den Lebensstandard der Familie ausgewirkt haben (zu den Einzelheiten s. Rz. 149 ff.). Dabei kommt es bei Kreditverbindlichkeiten nicht darauf an, ob der Gegenwert z.B. nur einem Ehegatten zugutegekommen ist. Bei der Behandlung trennungsbedingter Schulden hatte sich in der Rechtspre- 75 chung des BGH seit dem Urteil vom 15.3.20062 ein Wandel vollzogen, der zu einer großzügigeren Anerkennung trennungsbedingter Verbindlichkeiten geführt hat.3 Während nach früherer Rechtsprechung des BGH trennungsbedingte Schulden bei der Klärung des bedarfsbestimmenden Einkommens i.d.R. überhaupt nicht zu berücksichtigen waren,4 können nunmehr auch nach der Trennung aufgenommene Verbindlichkeiten, soweit sie unumgänglich, bzw. nicht leichtfertig eingegangen wurden, das bedarfsbestimmende Einkommens mindern. Denn ebenso wie beim Nacheheunterhalt gilt auch für den Trennungsunterhalt nach § 1361 BGB, dass es für den Bedürftigen keine Lebensstandardgarantie gibt und er – wie der andere Ehegatte auch – an normalen und unabwendbaren Veränderungen der ehelichen Lebensverhältnisse teilhat, also auch das Risiko einer negativen Entwicklung der Einkünfte nach der Trennung mitträgt.5 Bei der Prüfung der Berücksichtigungswürdigkeit der eingegangenen Verbindlichkeiten ist jedoch ein strenger Maßstab anzulegen, denn der Unterhaltsbedürftige muss nicht hinnehmen, dass sein Anspruch dadurch geschmälert wird, dass der andere zu seinen Lasten Konsumwünsche befriedigt, die seinen Lebenszuschnitt übersteigen, oder gar Vermögen bildet. Außerdem sind die Anforderungen an die Einstandspflicht für den Ehegattenunterhalt in der noch bestehenden Ehe streng. Berücksichtigungswürdig sind deshalb nur solche nach der Trennung entstandenen Schulden, die notwendig infolge der Trennung entstanden sind, wie z.B. für Umzugskosten, notwendige Einrichtungsgegenstände, die nicht durch Hausratsaufteilung abgedeckt werden können, Mietkautionen,
1 2 3 4 5
Vgl. dazu die Kritik in FamRZ 1989, 839. BGH, FamRZ 2006, 683, siehe auch BGH, FamRZ 2010, 538; 2010, 111. So z.B. Heiß/Born, Kap. 10, Rz. 68; Wendl/Dose/Gerhardt, § 1 Rz. 1084 f. BGH, FamRZ 2004, 1357 (1359). BGH, FamRZ 2006, 683 ff.; Wendl/Dose/Gerhardt, § 1 Rz. 1084f ff. Gerhardt, FamRZ 2007, 945 (948); zur Kritik an der geänderten Rechtsprechung des BGH, insbesondere zur Aufgabe des Stichtagsprinzips bei § 1578 BGB vgl. u.a. OLG Celle, OLGR Celle 2007, 511; OLG Düsseldorf, FamRB 2007, 199; Born, NJW 2007, 27 ff.; Griesche, FPR 2008, 63 ff.; Maurer, FamRZ 2008, 1985 ff.; Graba, FamRZ 2010, 1131 ff.
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301
E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
eventuell kostengünstigen PKW, der für die Arbeit benötigt wird etc.1, aber auch z.B. krankheitsbedingte Aufwendungen. 76 Ebenfalls abzugsfähig sind Unterhaltsverbindlichkeiten, die schon vor der
Trennung bestanden, d.h. auch für außerhalb der Ehe geborene nichteheliche Kinder, da es sich insoweit um nicht mehr abwendbare Verpflichtungen handelt, die zudem in der Unterhaltsrangfolge in § 1609 BGB an erster Stelle stehen (Rz. 164 ff.).2 77 Die geänderte Rechtsprechung zur großzügigeren Berücksichtigung von nach
der Trennung entstandenen Verbindlichkeiten ist insofern stimmig, als die Ehe noch besteht und es durchaus sachgerecht ist, der weiteren geänderten wirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere den damit verbundenen Kosten der Trennung, auf der Bedarfsebene Rechnung zu tragen. Allerdings ist dabei darauf zu achten, dass sich die Anerkennung von Verbindlichkeiten, die einseitig nach der Trennung aufgenommen werden, konsequent auf erforderliche und unabwendbare Aufwendungen beschränkt. Denn anderenfalls bestünde – auch im Hinblick auf den sich nach der Scheidung anschließenden nachehelichen Unterhalt – die Gefahr, dass der sowohl für den Trennungs- als auch Nacheheunterhalt in § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB und § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB festgeschriebene Maßstab des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu einem Programmsatz ohne Substanz verkümmert. Diese Gefahr hat das BVerfG für den nachehelichen Unterhalt gesehen und mit Beschluss vom 25.1.2011 die Rechtsprechung des BGH zur Auslegung von § 1578 Abs. 1 BGB, die sich unter dem Schlagwort der Wandelbarkeit der ehelichen Lebensverhältnisse entwickelt hatte, für verfassungswidrig erklärt.3 S. dazu im Einzelnen Kap. F Rz. 18 ff. 78 Sind die Schulden nicht auf der Ebene des bedarfsbestimmenden Einkommens
berücksichtigungswürdig, ist noch auf der Ebene der Leistungsfähigkeit zu prüfen, inwieweit sie die Leistungsfähigkeit einschränken.4 Insoweit wird auf die Darstellung zur Leistungsfähigkeit unter Rz. 220 ff. verwiesen. 79 Die Darlegungs- und Beweislast für die Berücksichtigungswürdigkeit von Ver-
bindlichkeiten liegt bei dem Schuldner, soweit er diese einkommensmindernd geltend macht.5 Schuldverpflichtungen aufseiten des Berechtigten für trennungsbedingten oder krankheitsbedingten Mehraufwand einschließlich sonstiger Verbindlichkeiten werden auf der Bedarfsebene ebenfalls nur unter den engen und gleichen Voraussetzungen wie beim Verpflichteten berücksichtigt, insoweit obliegt ihm die Darlegungs- und Beweislast. 80 Beispiel M verdient 2 000 Euro netto und hat berufsbedingte Aufwendungen i.H.v. 100 Euro. F betreut die Kinder und verdient 500 Euro netto mit ihrer Halbtagstätigkeit; ihre berufsbedingten Aufwendungen betragen 50 Euro. Vor der Trennung wurde gemeinsam ein Kredit aufgenommen. Die monatliche Rate beträgt 100 Euro. M nimmt nach der Trennung einen weiteren Kredit für einen PKW auf, mit dessen Kauf F schon während des Zusam1 Eschenbruch/Schürmann/Menne, Unterhaltsprozess, Kap. 1 Rz. 1025 f. 2 So schon BGH, FamRZ 1994, 87 ff.; zur generellen Berücksichtigung von vor- und gleichrangigen Unterhaltsverbindlichkeiten auf der Bedarfsebene auch beim Nacheheunterhalt BGH, FamRZ 2006, 683 (686). 3 BVerfG, FamRZ 2011, 437 ff. 4 BGH, FamRZ 1998, 1501. 5 BGH, FamRZ 1990, 283 (287).
302 Ehinger
III. Die Berechnung des Unterhalts menlebens nicht einverstanden war. Die monatliche Rate beträgt 150 Euro. Das bedarfsbestimmende Einkommen, das den Ehegatten zusammen für den Unterhalt zur Verfügung steht, beträgt 1 538 Euro und errechnet sich wie folgt: Nettoeinkommen M: 5 % berufsbedingte Aufwendungen ehebedingter Kredit Kindesunterhalt Zwischensumme 1/ 7 Erwerbstätigenbonus (von 1 344 Euro). Der Erwerbstätigenbonus wird immer von dem um Verbindlichkeiten bereinigten Einkommen berechnet.
2 000 Euro – 100 Euro – 100 Euro – 456 Euro = 1 344 Euro – 192 Euro 1 152 Euro
Nettoeinkommen F: berufsbedingte Aufwendungen Mindestbetrag Zwischensumme 1/ 7 Erwerbstätigenbonus (von 450 Euro)
500 Euro – 50 Euro = 450 Euro – 64 Euro 386 Euro
Summe der Einkommen: geteilt durch 2 = Bedarf abzüglich eigene Einkünfte F ungedeckter Bedarf und Anspruch F =
1 538 Euro 769 Euro – 386 Euro 383 Euro
M verbleiben nach Abzug der Belastungen einschließlich des Unterhalts für F (jedoch ohne Abzug des Erwerbstätigenbonus bei der Selbstbehaltskontrolle) 1 344 Euro – 383 Euro = 961 Euro, so dass sein angemessener Eigenbedarf, der nach Nr. 21.4 der Leitlinien, Stand 1.1.2014, 1 100 Euro beträgt, nicht gewahrt ist. Bei Wahrung des Selbstbehalts von M stehen 244 Euro für F zur Verfügung, so dass der Anspruch von F um 139 Euro gekürzt wird (383 – 139 = 244 Euro). Da F wegen der Kinderbetreuung ihre Erwerbstätigkeit nicht ausweiten kann, könnte aus Billigkeitsgründen die Kürzung auch geringer ausfallen (zu den Abwägungskriterien Rz. 216).1 Die Raten für den PKW bleiben beim bedarfsbestimmenden Einkommen von M unberücksichtigt, weil sie nicht ehebedingt sind und der Kauf des PKW im Hinblick auf die Unterhaltsverpflichtungen nicht vertretbar war.
Checkliste 2: Berechnung des bedarfsbestimmenden Einkommens Durchschnittsnettoeinkommen (vgl. Checkliste Rz. 68) Abzüge: – berufsbedingte Aufwendungen (pauschal oder konkret), – ehebedingte Schuldverpflichtungen (z.B. Mietschulden, Kredite etc.), – sonstige berücksichtigungswürdige Schuldverpflichtungen (voreheliche Schulden, nach der Trennung berechtigt aufgenommene Kredite, Schadensersatzforderungen etc.), – Unterhalt für gemeinsame Kinder, – Unterhalt für nicht gemeinsame Kinder, soweit die Zahlungen schon das Zusammenleben prägten, – sonstige vorrangige Unterhaltsschulden, – Miete für Ehewohnung, soweit mehr als der eigene Anteil gezahlt wird. Summe des bedarfsbestimmenden Einkommens
81
Ehefrau
Ehemann
… …
… …
…
…
… …
… …
… …
… …
…
…
1 So OLG Köln, FamRZ 2006, 1760.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
3. Zur Vertiefung: Typische Probleme bei der Feststellung der bedarfsbestimmenden Einkünfte 82 Obwohl nach dem Gesetz die ehelichen Lebensverhältnisse grundsätzlich bis
zur Scheidung fortdauern und beide Eheleute an der Entwicklung gleichberechtigt teilhaben, werden nicht alle nach der Trennung von den Ehegatten erzielten Einkünfte beim bedarfsbestimmenden Einkommen berücksichtigt. a) Arbeitsrechtliche Abfindungen 83 Abfindungen sind eheprägende Einkünfte und werden in der Praxis meist als Er-
satz für zukünftigen Lohnausfall gezahlt, z.B. wegen Betriebsstilllegung, Einsparungen oder Frühpensionierung.1 Unterhaltsrechtlich werden Abfindungen, i.d.R. unabhängig von ihrer konkreten arbeitsrechtlichen Zweckbestimmung, als bedarfsbestimmendes Einkommen mit Lohnersatzfunktion behandelt.2 Dabei ist zu berücksichtigen, dass sie zwar steuerpflichtig, nicht hingegen sozialversicherungspflichtig sind. Die Besteuerung erfolgt jeweils in dem Jahr, in dem sie gezahlt werden, was auch für abgeschichtete Zahlungen gilt (§§ 2 Abs. 7, 11 Abs. 1 EStG). Liegen noch keine Steuerbescheide vor, ist eine fiktive Steuerberechnung vorzunehmen. Ein Erwerbstätigenbonus wird von den umgelegten Beträgen nicht abgezogen.3 Das meist als Einmalbetrag gezahlte, um Steuern bereinigte Geld ist dann so aufzuteilen, dass trotz des Verlustes des Arbeitsplatzes die bisherigen wirtschaftlichen Verhältnisse eine gewisse Zeit aufrechterhalten werden können und der bisherige Bedarf sichergestellt wird. Dies gilt sowohl für den Fall, dass der Ehegatte mit einer neuen Arbeit deutlich weniger verdient, als auch bei Arbeitslosigkeit, wenn das Arbeitslosengeld I oder II aufgestockt werden muss.4 Der BGH hat seine bisherige Rechtsprechung, nach der eine Aufstockung durch Umlegung der Abfindung nicht mehr in Betracht kommen sollte, wenn der Verpflichtete mit einer neuen Arbeit deutlich weniger verdient, das Absinken des Lebensstandards jedoch nicht zu vertreten hat und seiner Erwerbsobliegenheit nachkommt, mit Urteil vom 18.4.2012 ausdrücklich aufgegeben und insoweit die Gleichbehandlung zum Kindesunterhalt betont.5 Diese Obliegenheit, die Abfindung für Unterhaltszwecke einzusetzen, unterliegt aber nun nicht einer starren Regelung, das bisherige Unterhaltsniveau müsse in jedem Fall durch die Umlage abgedeckt werden, obwohl wegen einer längerfristigen Arbeitslosigkeit oder einem dauerhaft niedrigeren Einkommen eine zeitliche Streckung der Umlage auf niedrigerem Niveau interessengerechter wäre. Deshalb gilt insoweit, dass sich die Höhe und Dauer der Aufstockung nach den Besonderheiten des Einzelfalls richten muss, deren Zweckmäßigkeit der Tatrichter zu beurteilen hat.6 84
Û
Praxishinweis: Ist die Abfindung aufgrund ihrer Zweckbestimmung unterhaltsrechtliches Einkommen und wird sie bei der Berechnung von Ehegat-
1 BGH, FamRZ 2001, 278 (282) (Betriebsstilllegung); BGH, FamRZ 2004, 1352 (Vorruhestand) mit Anm. Kogel, FamRZ 2004, 1614. Keine Prägung der ehelichen Lebensverhältnisse durch Abfindung, die neben dem laufenden Einkommen gezahlt wird, OLG Frankfurt, FamRZ 2005, 36. 2 BGH, FamRZ 2012, 1048. 3 BGH, FamRZ 2007, 983 (987). 4 BGH, FamRZ 2012, 1048 m. Anm. Maurer; FamRZ 2007, 983; 1987, 359. 5 BGH, FamRZ 2012, 1048 Tz. 11 unter Aufgabe der Rspr. in FamRZ 2003, 590. 6 BGH, FamRZ 2012, 1048 Tz. 12.
304 Ehinger
III. Die Berechnung des Unterhalts
tenunterhalt berücksichtigt, besteht i.d.R. das Verbot der „Doppelverwertung“, so dass die Abfindung nicht noch einmal im Rahmen des Zugewinnausgleichs in das Vermögen eingestellt werden darf.1 Unabhängig von der dogmatischen Streitfrage, ob Abfindungen je nach ihrer Zweckbestimmung zwingend entweder unterhaltsrechtliches Einkommen oder als Vermögen dem Güterrecht zuzuordnen sind und inwieweit den Parteien insoweit ein vertragliches Dispositionsrecht zusteht, kann einer Doppelverwertung aber mit § 242 BGB begegnet werden.2 Für den Anwalt können sich jedoch Haftungsrisiken ergeben, z.B. wenn die Abfindung beim Unterhalt nur teilweise berücksichtigt wurde und versäumt wird, den Restbetrag in den Zugewinnausgleich einzustellen.3 Hier ergeben sich für den Anwalt schwierige Fragen und Haftungsrisiken.4 b) Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, die auf einer vom Normalverlauf abweichenden Entwicklung beruhen (Karrieresprung) Da die aus der Ehe resultierende unterhaltsrechtliche Verantwortung der Ehegat- 85 ten füreinander nach der Trennung fortbesteht, sind Einkommensveränderungen während der Trennungszeit i.d.R. noch prägend für die ehelichen Lebensverhältnisse. Dies gilt jedoch nicht für Einkommen, das die ehelichen Lebensverhältnisse zu keinem Zeitpunkt geprägt hat, weil es auf einer unerwarteten, vom Normalverlauf erheblich abweichenden Entwicklung beruht. Dieses Einkommen bleibt unberücksichtigt.5 Liegt eine solche vom Normalverlauf abweichende Entwicklung vor, ist für die Bedarfsbemessung eine fiktive Einkommensfortschreibung des früheren Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen vorzunehmen. Maßgebend für die Beurteilung der Entwicklung ist, ob im Zeitpunkt der Trennung ein beruflicher Wechsel zu erwarten war oder außerhalb jeglicher Vorstellungen in der Ehe lag. So hat der BGH6 die Einkünfte eines Arztes aus freiberuflicher Tätigkeit als die ehelichen Lebensverhältnisse prägend angesehen, weil der Entschluss dazu noch während des Zusammenlebens getroffen wurde, während die Trennung der Ehegatten und die Aufnahme dieser Tätigkeit (Gründung einer Praxis) zeitlich zusammenfielen. Vom Normalverlauf abweichende Gehaltserhöhungen sind solche, die auf ei- 86 nem Karrieresprung beruhen. Indiz für einen Karrieresprung ist, wenn das erzielte Einkommen im Vergleich zum früheren Einkommen von der allgemeinen Einkommensentwicklung und den gestiegenen Lebensverhältnissen in auffälliger Weise abweicht und angewachsen ist.7
1 BGH, FamRZ 2004, 1352; BGH, FamRZ 2003, 432 (433) m. Anm. Kogel und Schröder, FamRZ 2003, 1645. 2 BGH, FamRZ 2004, 1352; 2001, 278 (282); zum neueren Diskussionsstand vgl. die Beiträge von Maurer, FamRZ 2005, 758 und 1526; Kogel, FamRZ 2005, 1524. 3 BGH, FamRZ 1998, 362 ff. 4 Kogel, FamRZ 2005, 1524 ff. mit Rspr.-Nachweisen. 5 BGH, FamRZ 1982, 576 (578) (Pelzhändlerfall); 1984, 561; 1986, 783 (785); 1991, 307 (308). S. dazu auch die Übersicht zu möglichen Veränderungen und den Folgen bei Niepmann/Schwamb, Rz. 59 ff. 6 BGH, FamRZ 1988, 927. 7 BGH, FamRZ 1987, 257 (259). Zur Entwicklung der Rechtsprechung s. Heiß, FPR 2008, 69 ff.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
87 Beispiele – Die Ehegatten heirateten 1980 und trennten sich, nachdem die Tochter volljährig wurde, im Jahr 2000. M verdiente bis zur Trennung als angestellter Dipl.-Ing. in einem Universitätsinstitut 3 000 Euro. Nach der Trennung geht er in die Wirtschaft, sammelt Auslandserfahrung und übernimmt Mitte 2002 eine Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH mit einem Gehalt von 5 000 Euro. F war während der Ehe als freiberufliche Dolmetscherin tätig und verdiente 1 000 Euro. Das bedarfsbestimmende Einkommen des M beträgt nach wie vor 3 000 Euro; denn erst nach der Trennung erwarb M durch Tätigkeiten im Ausland die notwendigen Qualifikationen für seine jetzige Tätigkeit. – M war früher Angehöriger der Nationalen Volksarmee/DDR, dann als Gebrauchtwagenverkäufer und kurz vor der Trennung als Verkaufsleiter einer Filiale mit einem Einkommen von 1 500 Euro tätig. Der Unterhalt wird nach einem Einkommen von 1 500 Euro berechnet. Zwei Jahre nach der Trennung wird er Gesamtverkaufsleiter mehrerer Filialen und Mitglied der Geschäftsleitung mit einem Einkommen von 3 000 Euro. Berechnungsgrundlage bleibt das Einkommen von 1 500 Euro.
88 In beiden Beispielen liegt eine Einkommenssteigerung um mehr als die Hälfte
des früheren Einkommens vor, so dass eine deutliche Abweichung vom Normalverlauf gegeben ist. Davon wird man auch schon ausgehen können, wenn ein Ehegatte eine Einkommenssteigerung von mindestens 20 % vorzuweisen hat und diese mit einer Änderung des zuvor ausgeübten Tätigkeitsbereichs einhergeht.1 Allerdings gilt – unabhängig von der Höhe der Einkommenssteigerung –, dass diese noch den ehelichen Lebensverhältnissen zugerechnet werden muss, wenn der berufliche Aufstieg schon vor der Trennung angelegt und absehbar gewesen ist.2 Leistungsbeförderungen im Öffentlichen Dienst sind nicht dem Normalverlauf zuzuordnen. Gleiches gilt in der Wirtschaft z.B. bei einem Aufstieg vom Vertriebsingenieur zum Geschäftsführer einer GmbH,3 vom Angestellten in gehobener Position in die Geschäftsführung.4 Bei langer Trennung muss in solchen Fällen das frühere erzielte Einkommen der allgemeinen Einkommensentwicklung durch eine fiktive Berechnung angeglichen werden.5 89 Der Unterhaltsbedürftige ist für die Tatsachen, die für die Unterhaltsbemessung
maßgeblich sind, darlegungs- und beweispflichtig. Für den vom Normalverlauf abweichenden Verlauf ist der Pflichtige darlegungs- und beweispflichtig. Lässt der Verpflichtete den Unterhaltsberechtigten während der Trennungszeit an dem höheren Verdienst teilhaben, kann er sich bei der Bemessung des Nacheheunterhalts nicht mehr auf nichtprägendes Einkommen berufen. c) Einkünfte aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit 90 Wann eine Erwerbstätigkeit als überobligatorisch zu qualifizieren ist, hängt zu-
nächst davon ab, ob eine unterhaltsrechtliche Obliegenheit besteht, diese Tätigkeit auszuüben. Besteht keine Obliegenheit, kann die Tätigkeit jederzeit von dem Ehegatten aufgegeben werden, ohne dass dies unterhaltsrechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Allerdings folgt aus der Überobligationsmäßigkeit
1 OLG Köln, FamRZ 2004, 1114. Das OLG Schleswig, SchlHA 2003, 226, geht bei der Beförderung vom Gruppenleiter zum Abteilungsleiter einer Bank 2 Jahre nach der Trennung mit einer Gehaltssteigerung um ein Drittel von einem Karrieresprung aus. 2 BGH, FamRZ 1988, 259 (z.B. zum Sparkassendirektor). 3 BGH, FamRZ 1990, 1085. 4 OLG Düsseldorf, FamRZ 1992, 1439. 5 BGH, FamRZ 1982, 576.
306 Ehinger
III. Die Berechnung des Unterhalts
der Erwerbstätigkeit nicht, dass daraus resultierende Einkünfte für die Bedarfsberechnung völlig außer Betracht bleiben. Vielmehr sind diese Einkünfte, grundsätzlich dem eheprägenden bedarfsbestimmenden Einkommen zuzuordnen, soweit sie nicht aus Billigkeitsgründen dem überobligatorisch erwerbstätigen Ehegatten verbleiben müssen.1 In welchem Umfang das Einkommen dem Ehegatten allein verbleibt und in welchem Umfang es seinem bedarfsbestimmenden Einkommen hinzuzurechnen ist, ist jeweils in einer umfassenden Billigkeitsentscheidung zu klären. Die Zurechnung zum eheprägenden, bedarfsbestimmenden Einkommen beruht auf einer grundlegenden Änderung der Rechtsprechung des BGH, der früher überobligatorisch erzielte Einkünfte nicht dem eheprägenden Einkommen zugeordnet hat, weil die Tätigkeit jederzeit wieder aufgegeben werden konnte, und sie nur auf der Ebene der Bedürftigkeit in Höhe eines nach Billigkeit zu bestimmenden Betrags berücksichtigt hat.2 Der Maßstab dieser Billigkeitsentscheidung richtet sich bei dem Unterhalts- 91 pflichtigen und Unterhaltsberechtigten nach unterschiedlichen Normen: Beim Unterhaltspflichtigen richtet sich der Prüfungsmaßstab, ob und in welchem Umfang ihm Einkünfte aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit allein verbleiben oder seinem bedarfsbestimmenden Einkommen zuzuordnen sind, nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB. Prüfungskriterien sind z.B. das Alter, die finanziellen Verhältnisse der Ehegatten, die körperliche und geistige zusätzliche Belastung und Planungen der Ehegatten in Bezug auf diese Tätigkeiten.3 Bei Einkünften aus Nebentätigkeiten oder Überstunden ist häufig nicht eindeu- 92 tig, ob es sich um überobligatorische oder berufstypische Tätigkeiten handelt. Eine Klärung ist insoweit immer erforderlich, denn sind sie berufstypisch, gehören die Einkünfte mit zum bedarfsbestimmenden Einkommen. Sind sie nicht berufstypisch und übt ein Ehegatte eine Erwerbstätigkeit aus, obwohl ihn insoweit keine unterhaltsrechtliche Obliegenheit trifft, handelt es sich um eine überobligatorische oder unzumutbare Erwerbstätigkeit. Eine nach Erreichen der Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeübte Erwerbstätigkeit ist immer überobligatorisch.4 Dies gilt auch für selbständig Erwerbstätige, unabhängig davon, wie sie rentenversichert sind. 93
Beispiele – M ist Musiker beim staatlichen Rundfunk in B und verdient dort 2 500 Euro. Er erzielt außerdem Nebeneinkünfte aus Tantiemen für Kompositionen sowie Schallplattenaufnahmen i.H.v. 500 Euro und erhält für eine Lehrtätigkeit 200 Euro. Die Nebeneinkünfte aus Tantiemen i.H.v. 500 Euro sind zu berücksichtigen, da sie berufstypisch sind. Ob die Einkünfte aus der Lehrtätigkeit zum bedarfsbestimmenden Einkommen gehören, bedarf der Prüfung nach § 242 BGB. – M arbeitet bei einer Versicherung und kann mit seinem Einkommen den vollen Unterhaltsbedarf seiner Ehefrau abdecken. Darüber hinaus ist er in seiner Freizeit als Trainer in einem Segelverein tätig. Mit den Einnahmen aus dieser Tätigkeit finanziert er seine jährlichen Segeltörns auf großen Yachten. M muss sich, da der angemessene Bedarf der Ehefrau gedeckt ist, die Nebeneinnahmen nicht als bedarfsbestimmendes Einkommen anrechnen lassen (§ 242 BGB).
1 BGH, FamRZ 2003, 848. 2 BGH, FamRZ 2003, 848; zur früheren Rechtsprechung BGH, FamRZ 1983, 146 (149); 1985, 360. 3 BGH, FamRZ 2013, 191 Tz. 16; 2011, 454 Tz. 17 ff. 4 BGH, FamRZ 2011, 454 Tz. 21 f.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten – V ist pensioniert und hat aus seinem Einkommen neben Hausverbindlichkeiten Unterhalt an seine erwerbsunfähige Frau und seine Kinder zu zahlen. Er verdient aus einer Nebentätigkeit monatlich 400 Euro. Wegen der engen wirtschaftlichen Verhältnisse und der Erwerbsunfähigkeit der Ehefrau ist das Einkommen aus überobligatorischer Nebentätigkeit beim bedarfsbestimmenden Einkommen zu berücksichtigen (§ 242 BGB, vgl. den ähnlichen Fall in BGH, FamRZ 2013, 191).
94 Das vom Unterhaltsberechtigten erzielte Einkommen aus überobligatorischer
Erwerbstätigkeit wird entsprechend gehandhabt, wobei sich die Billigkeitsabwägung allerdings nach § 1577 Abs. 2 BGB richtet. § 1577 Abs. 2 BGB regelt für den nachehelichen Unterhalt die Anrechnung von Einkünften aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit nach Billigkeit unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse und ist auf den Trennungsunterhalt entsprechend anwendbar.1 Danach ist – wie beim Verpflichteten – jeweils über den Umfang der Zuordnung des Einkommens zum bedarfsbestimmenden Einkommen und die Bemessung eines anrechnungsfreien Betrags nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden.2 Soweit das Einkommen nicht aus Billigkeitsgründen dem Berechtigten allein verbleibt, wird es immer wie eheprägendes Einkommen behandelt.3 Die (teilweise) Zurechnung zum bedarfsbestimmenden Einkommen ändert nichts daran, dass die Tätigkeit jederzeit ohne Rechtsnachteil aufgegeben werden kann. Der anrechnungsfreie Betrag bleibt ansonsten unterhaltsrechtlich völlig unberücksichtigt, d.h. auch bei der Bedürftigkeitsprüfung.4 d) Einkünfte aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit wegen Kindesbetreuung – Abzug eines Betreuungsbonus 95 Die dogmatische Behandlung von Einkünften aus einer überobligatorischen Er-
werbstätigkeit, die neben der Kindesbetreuung ausgeübt wird, unterscheidet sich nicht von der Handhabung überobligatorisch erzielter Einkünfte aus sonstigen Gründen, seitdem der BGH seine Rechtsprechung zur Behandlung und Bewertung von Familienarbeit5 und in der Folge auch die dogmatische Behandlung von Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit grundlegend geändert hat.6 Danach sind Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit, die wegen der Kindesbetreuung unzumutbar ist, ebenfalls dem bedarfsbestimmenden Einkommen hinzuzurechnen, soweit sie auf Seiten des Unterhaltsberechtigten nach § 1577 Abs. 2 BGB und auf Seiten des Verpflichteten nach § 242 BGB aus Billigkeitsgründen überhaupt anrechenbar sind. Der individuell bestimmte anrechnungsfreie Betrag bleibt im Weiteren unterhaltsrechtlich unberücksichtigt.7 96 Betreut der Unterhaltspflichtige neben seiner Erwerbstätigkeit ein gemeinsames
Kind, wird sein Einkommen, wenn die Ausübung einer Erwerbstätigkeit mindestens teilweise überobligatorisch ist, zunächst um berücksichtigungswürdige Verbindlichkeiten, eventuell entstehende Kinderbetreuungskosten bereinigt. Bei 1 2 3 4
BGH, FamRZ 1983, 146 (149). BGH, FamRZ 1990. BGH, FamRZ 2005, 1154. BGH, FamRZ 1983, 146 ff. und 1995, 475 zu den Bemessungskriterien gemäß § 1577 Abs. 2 BGB. 5 BGH, FamRZ 2001, 986 ff. 6 FamRZ 2005, 1154 (1156 f.); 2009, 770 Tz. 20 f.; 2011, 454 Tz. 17 ff. 7 BGH, FamRZ 2001, 350 ff.; 1982, 778 (780); 2013, 191 Tz. 16; 2011, 454 Tz. 18 ff.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
Kindergartenkosten oder Kosten für vergleichbare Einrichtungen ohne Verpflegungskosten handelt es sich um Mehrbedarf des Kindes,1 für den die Eltern i.d.R. anteilig haften, s. Kap. A Rz. 296 f. Darüber hinaus wird ein nach Billigkeit gem. § 242 BGB zu schätzender Betrag zur Kompensation der Doppelbelastung abgezogen. Dabei sind Kriterien für die Schätzung die besonderen Erschwernisse, die mit der Betreuung neben der Erwerbstätigkeit einhergehen. Aufschluss über die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Kindesbetreuung, insbesondere die damit einhergehende Belastung, können z.B. die Arbeits- und Fahrzeiten geben; ferner ist zu klären, ob und in welchem Umfang ein Kindergarten oder andere Hilfen für die Betreuung in der Arbeitszeit zur Verfügung stehen.2 Auch die persönlichen Verhältnisse, wie das Alter und der Gesundheitszustand, können Aufschluss geben über Art und Ausmaß der Anstrengung der unzumutbaren Erwerbstätigkeit. Weitere Billigkeitskriterien sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse beider Ehegatten sowie weitere Unterhaltsverpflichtungen. Muss der Verpflichtete, der die Kinder betreut, noch für den Barunterhalt der Kinder aufkommen, weil der unterhaltsbedürftige Ehegatte nicht leistungsfähig ist, können diese Kosten einkommensmindernd abgezogen werden.3 Nicht gestattet ist der Abzug eines pauschalierten Betrags zur Abgeltung der besonderen Erschwernisse.4 Der anrechnungsfreie Betrag wird auch als Betreuungsbonus bezeichnet. Die 97 Verwendung des Begriffs Betreuungsbonus ist in Literatur und Rechtsprechung jedoch nicht eindeutig. Er wird unterschiedlich definiert und in verschiedenen Kontexten angewendet. So verwendet die Rechtsprechung ihn teilweise z.B. für den Abzug von Kindesbarunterhalt, wenn der Unterhaltspflichtige das Kind betreut und der andere Elternteil zur Zahlung von Kindesunterhalt leistungsunfähig ist.5 In anderen Fällen wurde der vom unterhaltspflichtigen Ehegatten für das Kind erbrachte Betreuungsunterhalt monetarisiert und von seinem Einkommen als „Betreuungsbonus“ abgezogen.6 Dose verwendet ihn als Abzugsposten vom Einkommen des Vaters aus nicht überobligatorischer Arbeit für Betreuungsleistungen, die seine Lebensgefährtin für das bei ihm lebende Kind erbringt, wodurch Hortkosten eingespart werden.7 Nach früherer Rechtsprechung des BGH war der Betreuungsbonus sowohl ein Abzugsposten bei Einkommen aus überobligatorischer als auch normaler Erwerbstätigkeit, wenn die Betreuung gemeinsamer Kinder durch einen Elternteil neben einer Erwerbstätigkeit unter besonderen Erschwernissen erfolgte.8 Fraglich ist jedoch, inwieweit nach der weiter entwickelten und geänderten Rechtsprechung des BGH zur Behandlung von Einkommen aus überobligatorischer Arbeit, insbesondere der maßgeblichen Kriterien für den nach Billigkeit zu bestimmenden anrechnungsfreien Betrag, noch Raum ist für seine Anwendung bei normalen, also nicht überobligatorischen Tätigkeiten. In der Literatur wird dazu von Gerhardt vertreten, dass der Betreu1 Zur Behandlung von Kindergartenkosten als Mehrbedarf BGH, FamRZ 2009, 962 ff.; 2008, 1152 (1153 f.) mit Anm. Born S. 1155. 2 BGH, FamRZ 2001, 350 (353); 2005, 442 ff. 3 Wendl/Dose/Gerhardt, § 1 Rz. 839. 4 BGH, FamRZ 2010, 1050 Tz. 37; 2005, 442 (444) (zu § 1615l BGB). 5 KG, FamRZ 1998, 1112 ff. 6 Das OLG Hamburg, FamRZ 1997, 357 ff. hat für jedes vom Pflichtigen betreute Kind 200 Euro (400 DM) von seinem Einkommen als „Betreuungsbonus“ für die Betreuung abgesetzt. 7 Wendl/Dose, § 1 Rz. 840. 8 BGH, FamRZ 1982, 779 (780); 1983, 569 (570); 1986, 790 (791); 2001, 350 ff.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
ungsbonus generell bei einer Doppelbelastung mit Beruf und Kinderbetreuung Abzugsposten sein soll, sowohl bei Einkünften aus überobligatorischen als auch normalen Erwerbstätigkeiten.1 Es gibt bisher noch keine abschließende Entscheidung des BGH dazu, ob und wann neben konkreten Betreuungskosten auch der Abzug eines Betreuungsbonus bei normalen Tätigkeiten möglich ist.2 Er hat lediglich klargestellt, dass der Betreuungsbonus nicht gleichzusetzen ist mit einem monetarisierten Betreuungsunterhalt, den der Unterhaltspflichtige als betreuender Elternteil für das Kind erbringt. Diesen lässt er als Abzugsposten im Rahmen des Ehegattenunterhalts nicht zu.3 Ob er tatsächlich auch den Abzug des Betreuungsbonus bei einer normalen Erwerbstätigkeit zulassen wird, ist fraglich, nachdem er problematisiert hat, ob bei besonderen Erschwernissen der dogmatische Anknüpfungspunkt für den Betreuungsbonus nicht eher eine reduzierte Erwerbsobliegenheit sein müsste.4 Diese Zweifel sind berechtigt, denn der Begriff des Betreuungsbonus enthält Anforderungen, die im Wesentlichen deckungsgleich sind mit den Gründen, die eine Erwerbstätigkeit unzumutbar machen, so dass es eher der Rechtsklarheit dient, gänzlich auf den Begriff zu verzichten oder ihn nur anzuwenden auf den bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit nicht anrechenbaren Teil der Einkünfte wegen besonderer Erschwernisse aufgrund der Kindesbetreuung (§§ 242, 1577 Abs. 2 BGB).5 98 Einkünfte des Unterhaltsberechtigten aus Erwerbstätigkeit, die er nach der
Trennung – trotz der Kindesbetreuung – aufgenommen oder erweitert hat, obwohl ihm dies nicht zumutbar ist, sind überobligatorisch. Sie werden nach Bereinigung – ebenfalls um konkrete Betreuungskosten – nur hinsichtlich ihres unterhaltsrelevanten Anteils dem bedarfsprägenden Einkommen zugerechnet und insoweit als Einkommen in die Unterhaltsbedarfsberechnung mit einbezogen.6 Unterhaltsrelevant ist der Anteil des Einkommens, der dem Berechtigten aus Billigkeitsgründen nach §§ 1577 Abs. 2, 242 BGB als Einkommen zuzurechnen ist. Im Übrigen bleibt das Einkommen sowohl für die Bedarfsbemessung als auch Bedürftigkeitsprüfung vollständig unberücksichtigt (vgl. Rz. 94 zur Anwendung von § 1577 Abs. 2 BGB). Der nach Billigkeit zu bemessende unterhaltsrelevante Anteil des Einkommens tritt als Surrogat an die Stelle der früheren Hausarbeit und Kindererziehung und wird deshalb sowohl auf der Bedarfs- als auch Bedürftigkeitsebene bei der Unterhaltsberechnung mitberücksichtigt. 99 Beispiel M und F leben getrennt. M verdient bereinigt, auch um den Kindesunterhalt, 1 600 Euro. F arbeitet seit der Trennung vollschichtig und verdient bereinigt 900 Euro. Sie betreut die 5-jährige Tochter und den 7-jährigen Sohn allein. Für die nachfolgenden Berechnungen ist der Abzug des Erwerbstätigenbonus vernachlässigt worden.
1 Wendl/Dose/Gerhardt, § 1 Rz. 1059 f., der generell bei Doppelbelastungen einen individuell bestimmbaren Betreuungsbonus favorisiert. 2 BGH, FamRZ 2013, 109, Tz. 28; 1991, 182 (184) zum Kindesunterhalt; 2006, 1597 (1599) und 2005, 1154 (1156) zum Ehegattenunterhalt. 3 Anders im Verhältnis eines Elternteils zu betreuenden Großeltern nach dem Tod des anderen Elternteils, BGH FamRZ 2006, 1597. 4 BGH, FamRZ 2013, 109 Tz. 25, 29. 5 Niepmann/Schwamb, Rz. 968. 6 BGH, FamRZ 2010, 1050 Tz. 37; 2005, 442 (444) (zu § 1615l BGB); FamRZ 2005, 1154 ff.; 2005, 967.
310 Ehinger
III. Die Berechnung des Unterhalts Einkommen M bereinigt Einkommen F abzüglich Betreuungskosten Einkommen F bereinigt
1 600 Euro 900 Euro –200 Euro = 700 Euro
Von dem bereinigten Einkommen der F sind aus Billigkeitsgründen nur 500 Euro unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen, 200 Euro sollen ausschließlich ihr verbleiben, denn ihr ist nur eine Teilzeitbeschäftigung zumutbar. Bedarf der Ehegatten 1 600 Euro + 500 Euro Bedarf F (1/2)
= 2 100 Euro 1 050 Euro
F sind auf ihren Bedarf 500 Euro anzurechnen, so dass ein ungedeckter Bedarf von 550 Euro besteht. Da M nach Zahlung von 550 Euro an F1 050 Euro verbleiben würden, ist der Anspruch um 50 Euro zu kürzen, damit M ein Eigenbedarf von 1 100 Euro verbleibt. F hat unter Einbeziehung des nicht zu berücksichtigenden Anteils des Einkommens insgesamt 1 200 Euro (500 + 500 Euro + 200 Euro).
In welchem Umfang das Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit 100 aus Billigkeitsgründen in entsprechender Anwendung von § 1577 Abs. 2, § 242 BGB, unterhaltsrechtlich relevant und in welchem Umfang es nicht relevant sein soll, ist immer abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalles und den mit der Kinderbetreuung verbundenen Erschwernissen bei der Erwerbstätigkeit zu bestimmen und entzieht sich jeder Pauschalisierung.1 101
Beispiele 1. V ist F sowie den gemeinsamen 9 und 12 Jahre alten Kindern unterhaltspflichtig. Nach Abzug des Kindesunterhalts verbleiben ihm 2 000 Euro. F hat bis zur Trennung nicht gearbeitet und die Kinder betreut. Nach der Trennung können die Kinder den Hort nur bis 15 Uhr besuchen. Nur durch die Hilfe ihrer Eltern, die sie bei der Betreuung der Kinder unterstützen, kann sie eine Vollbeschäftigung ausüben und verdient 1 500 Euro. F würde bei Ausübung einer zumutbaren Teilzeitbeschäftigung nur 1 000 Euro erzielen. Von dem aus überobligatorischer Vollzeitbeschäftigung erzielten Mehreinkommen von 500 Euro beträgt der gemäß §§ 1577 Abs. 2, 242 BGB zu bestimmende, nicht unterhaltsrelevante, ihr allein verbleibende Anteil 300 Euro und der unterhaltsrelevante Anteil 200 Euro. Damit beträgt das bedarfsbestimmende Einkommen vom V und F zusammen 3 200 Euro (2 000 Euro + 1 200 Euro). Zur Berechnung des Anspruchs vgl. Rz. 188.2 2. F pflegt das schwerbehinderte 7-jährige Kind, das bis 15 Uhr werktags einen Kindergarten besucht, und übt zu Hause eine Teilzeittätigkeit am Computer aus. Sie bezieht ein Pflegegeld i.H.v. 685 Euro nach dem SGB XI und Einkommen aus Erwerbstätigkeit i.H.v. 400 Euro monatlich. Das Pflegegeld verbleibt ihr ungeschmälert (§§ 37 Abs. 1, 13 Abs. 6 SGB XI, s. dazu Kap. A Rz. 71 Stichwort: Pflegegeld). Die Erwerbstätigkeit ist überobligatorisch, weil das Kind die Entwicklungsstufe eines Kleinkindes hat und häufig aus Gesundheitsgründen den Kindergarten nicht besuchen kann. Von dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist nur ein nach Billigkeit zu bestimmender Teil unterhaltsrelevantes Einkommen.3
Die vom BGH gewählte Lösung,4 den aus Billigkeitsgründen unterhaltsrechtlich 102 zu berücksichtigen Teil des Einkommens des Unterhaltsberechtigten zum prägenden Einkommen hinzurechnen, führt trotz unterschiedlicher rechtlicher 1 BGH, FamRZ 2010, 1050 Tz. 36, 37; 2005, 442 (445); 2005, 1154; 2006, 846 (Erwerbsobliegenheit bei einem behinderten Kind). 2 BGH, FamRZ 1983, 146 ff. 3 BGH, FamRZ 2006, 846 ff. 4 BGH, 2005, 1154 (1156), Fortführung von FamRZ 2001, 986 ff. (Grundsatzentscheidung zur Bewertung von Familienarbeit); FamRZ 2003, 518 Grundsatzentscheidung, in welchem Umfang überobligatorische Erwerbstätigkeit nach § 1577 Abs. 2 BGB bedarfsdeckend sein kann.
Ehinger
311
E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
Konstruktionen im praktischen Ergebnis zu einer Gleichbehandlung überobligatorischer Einkünfte bei Berechtigten und Verpflichteten. Denn in beiden Fällen ist, sowohl bei der im Rahmen von § 242 BGB für den Verpflichteten als auch bei der nach § 1577 Abs. 2 BGB für den Berechtigten anzustellenden Billigkeitsabwägung, der überobligatorische Arbeitseinsatz individuell zu bemessen und der Einkommensanteil zu bestimmen, der auf der Bedarfsebene unberücksichtigt bleibt.1 Insoweit sind gleiche Maßstäbe anzuwenden, worauf der BGH schon mehrfach hingewiesen hat.2 103
Bedient sich der betreuende Elternteil bei der Betreuung des Kindes der Hilfe von Verwandten oder eines neuen Lebensgefährten, ändert diese faktische Entlastung nichts an der unterhaltsrechtlichen Beurteilung der Erwerbstätigkeit als überobligatorisch, weil diese Hilfe Dritter nicht bestimmt ist, den Unterhaltspflichtigen zu entlasten.3
104
Die Grundsätze zur überobligatorischen Erwerbstätigkeit wegen Kindesbetreuung kommen vor allem zur Anwendung, wenn der Trennungsunterhalt wegen Betreuung des Kindes bis zur Vollendung des dritten Lebensjahrs geltend gemacht wird, denn dann besteht weder beim geschiedenen noch unverheirateten – und erst recht nicht beim noch verheirateten betreuenden Elternteil – eine Erwerbsobliegenheit.4 Ab dem dritten Lebensjahr des zu betreuenden Kindes und mit zunehmender Verfestigung der Trennung verlieren die Grundsätze zur überobligatorischen Erwerbstätigkeit jedoch an Bedeutung, denn mit Inkrafttreten des UÄndG sind die Anforderungen an die Erwerbstätigkeit kinderbetreuender Eltern verschärft und vom BGH das bis dahin praktizierte Altersphasenmodell verworfen worden, so dass sich die Frage stellt, inwieweit sich diese Änderungen auch auf die Zumutbarkeit der Erwerbstätigkeit beim Trennungsunterhalt auswirken, zumal § 1361 BGB nicht geändert wurde. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass beim Trennungsunterhalt deutlich weniger strenge Maßstäbe anzulegen sind als beim Nacheheunterhalt. Denn das Unterhaltsrecht darf im Hinblick auf die besondere Schutzfunktion des Staates für die Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) nicht dazu beitragen, den Erosionsprozess einer Ehe zu beschleunigen. Das gilt insbesondere während des ersten Trennungsjahres, in dem eine Erweiterung der Erwerbspflicht nicht zu erwarten ist, es sei denn, es ergeben sich besondere Gründe dafür.
105
Je deutlicher sich dann allerdings im Verlauf der Trennungszeit abzeichnet, dass die Trennung endgültig ist, desto mehr nähern sich die Anforderungen denen des Nacheheunterhalts an (s. dazu Rz. 25 ff.).5 Ein konkreter Anhaltspunkt für ein endgültiges Scheitern der Ehe ist i.d.R. die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags.6 Gleiches gilt für eine lang andauernde Trennungszeit.7 Bei der Anwendung der Maßstäbe der §§ 1570, 1574 BGB im Rahmen von § 1361 Abs. 2 BGB wird gleichwohl immer auch zu beachten sein, dass bis zur Rechtskraft der Scheidung eine deutlich stärkere Verantwortlichkeit der Ehegatten füreinander,
1 2 3 4 5 6 7
Vgl. dazu Soyka, FuR 2003, 193 ff. So z.B. in FamRZ 2001, 350 (353). BGH, FamRZ 2009, 1391 (1396); 2005, 1154 (1156). BGH, FamRZ 2009, 1391 f.; 2009, 1124 f.; 2005, 1154. MünchKomm.BGB/Weber-Monecke, § 1361 BGB Rz. 54; Borth, FamRZ 2008, 2 (10). So OLG Hamm, FamRZ 2013, 959 Tz. 72 ff. BGH, FamRZ 2008, 963 Tz. 26; 2001, 350 (351).
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III. Die Berechnung des Unterhalts
d.h. auch Einstandspflicht für den Unterhalt besteht und das gewachsene Vertrauen in die ursprüngliche Lebensplanung der Ehegatten zu schützen ist.1 Hat der kinderbetreuende Ehegatte bis zur Trennung eine Erwerbstätigkeit aus- 106 geübt, kann eine Einschränkung oder zeitweise Aussetzung der Tätigkeit notwendig werden, wenn die alleinige Betreuung nicht zu managen ist oder zu einer Überforderung führt. Führt der Ehegatte eine Erwerbstätigkeit fort oder beginnt nach der Trennung zu arbeiten, zeigt er damit jedoch im Regelfall, dass diese Tätigkeit mit der Pflege und Erziehung der Kinder konkret vereinbar ist und deshalb der Billigkeit entspricht, so dass insoweit eine Indizwirkung gegen eine überobligatorische Tätigkeit spricht.2 Eine Erwerbstätigkeit neben der Betreuung von Kleinkindern bis zum dritten Lebensjahr ist immer überobligatorisch (Rz. 30 ff.). Der Elternteil, der sich darauf beruft, überobligatorisch erwerbstätig zu sein, 107 trägt die Darlegungs- und Beweislast für die (teilweise) Unzumutbarkeit seiner Tätigkeit.3 e) Fiktives Einkommen Auch nach der Trennung muss jeder Ehegatte seine Arbeitskraft entsprechend 108 der bisher üblichen Handhabung bzw. den sich aufgrund der Trennung ergebenden neuen Anforderungen einsetzen. Tut er das in vorwerfbarer Weise nicht, indem er seine Arbeit aufgibt, reduziert oder sich nach einer Kündigung nicht ausreichend um eine neue Arbeit bemüht, muss der Unterhaltsberechtigte dies nicht gegen sich gelten lassen (§ 242 BGB). In die Bedarfsbestimmung wird deshalb bei mutwilliger Aufgabe der Tätigkeit das bisher erzielte Einkommen oder bei unzulänglichen Bemühungen um eine neue Stelle das nach seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten erzielbare Einkommen fiktiv mit eingestellt. Denn ein Verhalten des Unterhaltspflichtigen, das gegen seine Obliegenheit verstößt, seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen, kann die ehelichen Lebensverhältnisse nicht zum Nachteil des Unterhaltsberechtigten verändern.4 Zu den dogmatischen Grundlagen des fiktiven Einkommens s. Kap. A Rz. 155 ff. 109
Beispiel M ist verärgert über die Trennung und sieht sich jahrelangen Unterhaltszahlungen ausgesetzt. Er kündigt sein sicheres Arbeitsverhältnis. F klagt auf Unterhalt. M wird in einem Urteil/Beschluss für die Unterhaltsberechnung sein früher erzieltes Einkommen von 1 500 Euro fiktiv als Einkommen angerechnet. Hier erfolgt die Zurechnung, weil er in vorwerfbarer Weise mit der Kündigung absichtlich seine Leistungsunfähigkeit herbeiführen wollte. Dies stellt eine grob schuldhafte Verletzung seiner unterhaltsrechtlichen Obliegenheit dar, seine Leistungsfähigkeit zu erhalten.5
Ist der Unterhalt für F – wie im Beispielsfall – in einem Urteil oder Beschluss 110 auf der Basis des bisher vom Verpflichteten erzielten Einkommens berechnet und tituliert worden, ist eine Herabsetzung für M im Abänderungsverfahren nach § 238 FamFG bei mutwilliger Aufgabe des Arbeitsplatzes nach der Recht1 2 3 4 5
OLG Düsseldorf, FamRB 2010, 35; Reinken, FPR 2010, 125 (128). BGH, FamRZ 2009, 1391 zu § 1570 BGB; OLG Düsseldorf, FamFR 2010, 82. BGH, FamRZ 2009, 1391 zu § 1570 BGB. BGH, FamRZ 1992, 1045 ff. BGH, FamRZ 2000, 815 (816).
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
sprechung des BGH nur schwer zu erreichen, und zwar i.d.R. nur dann, wenn M darlegen und beweisen kann, dass er auch bei pflichtgemäßem Verhalten in der Vergangenheit seinen früheren Arbeitsplatz verloren, bzw. auch dort jetzt weniger verdienen würde.1 Diese Auffassung ist abzulehnen, denn sie trägt dem Charakter der Erstentscheidung als Prognoseentscheidung, die auf der Prämisse beruht, dass bei pflichtgemäßem Verhalten das frühere Einkommen erzielbar ist, nicht ausreichend Rechnung. Zur Kritik an dieser Rechtsprechung s. Kap. A Rz. 165. Stellt man hingegen bei der Erstentscheidung maßgeblich auf ihren Prognosecharakter ab, wäre ein Abänderungsantrag mit der Begründung zulässig, dass trotz ausreichender Bemühungen nur noch ein niedrigeres Einkommen von z.B. 1 200 Euro zu erzielen sei.2 Damit wäre wieder eine Anpassung an das tatsächlich erzielbare Einkommen – nicht zuletzt im Interesse eines effektiven Schuldnerschutzes – möglich (§ 242 BGB). 111
Ist der Arbeitsplatzverlust zwar selbst verschuldet (Kündigung wegen Alkohol, Diebstahl etc.), aber nicht mutwillig herbeigeführt durch ein unterhaltsbezogenes leichtfertiges Verhalten, kann sich die Zurechnung eines fiktiven Einkommens daraus ergeben, dass sich der Pflichtige nicht oder nicht ausreichend um eine neue Arbeit bemüht.
112
Beispiel M arbeitet seit 20 Jahren in einer Firma und verdient monatlich 2 000 Euro. Er bekommt aufgrund der Trennung Alkoholprobleme, rechnet mit Verständnis in der Firma, wird aber gekündigt. M bemüht sich nicht um einen neuen Arbeitsplatz. Hier ist nicht der alkoholbedingte Verlust des Arbeitsplatzes Anknüpfungspunkt für die Zurechnung eines fiktiven Einkommens, sondern das fehlende Bemühen um einen neuen Arbeitsplatz. M hat zwar den Arbeitsplatzverlust selbst verschuldet, es fehlt aber an der unterhaltsbezogenen Mutwilligkeit.3 Ihm ist nur ein fiktives Einkommen von 1 500 Euro zuzurechnen, wenn er bei einem neuen Arbeitgeber aufgrund seiner subjektiven Voraussetzungen nur ein Einkommen in dieser Höhe erzielen könnte.
113
Zweifel an der Ernsthaftigkeit von Bemühungen ergeben sich häufig entweder, weil sich der Betreffende auf zu wenig Stellen bewirbt oder aber schriftliche Bewerbungen in fehlerhaftem Deutsch verfasst sind, so dass von vornherein erkennbar ist, dass kein ernsthaftes Interesse besteht. Mangelndes Interesse wird auch dadurch deutlich, dass ein immer gleicher Bewerbungstext verwendet wird, ohne dass auf Besonderheiten der ausgeschriebenen Stelle eingegangen wird.4 Zu den Anforderungen an ernsthafte Bemühungen s. Kap. A Rz. 336.
114
Fehlende oder unzureichende Bemühungen um eine neue Arbeit rechtfertigen immer nur die Bemessung des Einkommens nach dem für den Arbeitsuchenden erzielbaren Einkommen. Maßgebende Faktoren sind dabei das Alter, die berufliche Vorbildung, die Gesundheit etc.5 Die Zurechnung eines fiktiven Einkommens kommt nicht in Betracht, wenn davon auszugehen ist, dass auch bei aus1 BGH, FamRZ 2008, 872 (874) m. Anm. Hoppenz S. 875. 2 OLG Hamm, FamRZ 1999, 1013 zu den Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Schuldners (Leitsatz); OLG Hamm, FamRZ 1995, 1217 für eine zügige Anpassung; strenger OLG Zweibrücken, FamRZ 1999, 881 (882). Niepmann/Schwamb, Rz. 730, schlagen eine 2- bis 3-Jahres-Frist vor, um ein Unterlaufen der Fiktion zu verhindern. 3 BGH, FamRZ 1993, 1055 (1056); 1994, 240 (241); KG, FamRZ 2000, 1617. 4 OLG Hamm, FamRZ 2012, 1734 (LS) = FamFR 2012, 204 m. Anm. Ruetten. 5 BGH, FamRZ 2000, 1358; 1994, 372 (373).
314 Ehinger
III. Die Berechnung des Unterhalts
reichenden Bemühungen auf dem Arbeitsmarkt keine reale Beschäftigungschance besteht. Derjenige, der sich auf eine fehlende Beschäftigungsmöglichkeit beruft, trägt die Darlegungs- und Beweislast;1 s. Kap. A Rz. 168 m.w.N. Zu Einzelheiten der Berechnung der Höhe des fiktiven Einkommens s. Kap. A 115 Rz. 170, Kap. A Rz. 338. f) Fiktive Einkünfte beim Zusammenleben mit einem neuen Partner Lebt der bedürftige Ehegatte nach der Trennung mit einem neuen Partner zu- 116 sammen, ohne dass er damit seinen Unterhaltsanspruch verwirkt hat (zu den Verwirkungsgründen vgl. Rz. 260 f., Kap. F Rz. 285 ff.), und führt er dem Partner den Haushalt, dann ist der Wert der Versorgungsleistungen zu schätzen und nach der Rechtsprechung des BGH, fiktiv als bedarfsbestimmendes Einkommen in Ansatz zu bringen.2 Denn diese Tätigkeit ist als Surrogat an die Stelle der in der Ehezeit ausgeübten Hausarbeit getreten.3 In Nr. 6 der LL geben die OLG teilweise Hinweise auf pauschalierte Schätzbeträge i.H.v. 250–600 Euro.4 Die Versorgungsleistungen werden auch dann als fiktives Einkommen zu berücksichtigen sein, wenn der Unterhaltsberechtigte daneben eine Teilzeitbeschäftigung ausübt,5 nicht aber, wenn der neue Partner nicht leistungsfähig ist, weil er z.B. studiert.6 Die Darlegungs- und Beweislast für die wirtschaftlichen Verhältnisse in der neuen Beziehung obliegt dem unterhaltsbedürftigen Ehegatten. Arbeitet der getrennt lebende Ehegatte ganztags und teilt sich mit seinem neuen 117 Lebenspartner die Haushaltsführung, kommt die Zurechnung eines fiktiven Einkommens für Haushaltsarbeiten nicht in Betracht, wenn den Leistungen des Ehegatten vergleichbare Leistungen des Partners gegenüberstehen.7 Ohne dass der BGH dies bisher explizit entschieden hat, dürfte jedoch generell die Zurechnung eines fiktiven Einkommens für Haushaltsarbeiten dann nicht greifen, wenn der Ehegatte ganztags erwerbstätig ist, denn auf die Frage, ob sich der neue Partner an den Hausarbeiten beteiligt, kommt es letztlich nicht an.8 Erfüllt ein Ehegatte – sei es der Berechtigte oder Verpflichtete – seine ihm obliegende Erwerbsobliegenheit im Verhältnis zum anderen Ehegatten, fehlt es an den Voraussetzungen für die Zurechnung eines fiktiven Einkommens wegen Verletzung einer Erwerbsobliegenheit. Gleichwohl wird aber das Zusammenleben in der Regel eine Ersparnis wegen des gemeinsamen Wirtschaftens mit sich bringen, die als wirtschaftlicher Vorteil i.H.v. 10 % des angemessenen Eigenbedarfs dem Einkommen des Ehegatten zugerechnet werden kann (s. zum Synergie1 BGH, FamRZ 1986, 244; 1993, 789; 1996, 345. 2 BGH, FamRZ 2004, 1170 (1173); 2001, 1693 zur Bewertung von Versorgungsleistungen für den neuen Lebenspartner beim Nacheheunterhalt; Anm. dazu von Borth, FamRB 2002, 5. Anders OLG Oldenburg FamRZ 2002, 1488, das ersparte Aufwendungen nur bedarfsmindernd abziehen will; ebenso OLG München, FamRZ 2005, 713, wenn der Ehegatte voll berufstätig ist. 3 Vgl. dazu die grundlegende Entscheidung des BGH, FamRZ 2001, 986. 4 Z.B. OLG Nürnberg: 500 Euro; OLG Hamm: 250–500 Euro; OLG Oldenburg: 500 Euro (Stand 1.1.2014). 5 BGH, FamRZ 1995, 343. 6 BGH, FamRZ 1987, 1011 (1014); 1989, 487; OLG Hamm, FamRZ 1997, 1080 ff. 7 BGH, FamRZ 2005, 967 ff. 8 OLG München, FamRZ 2005, 713 f. Ebenso für den Fall des Zusammenlebens des Verpflichteten mit einem neuen Partner OLG Brandenburg, FamFR 2012, 441 m. Anm. Tomfort.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
effekt Kap. A Rz. 328).1 Der Synergieeffekt wirkt sich auf Seiten des Verpflichteten auf der Leistungsebene durch Kürzung seines angemessenen Eigenbedarfs um 10 % aus und bei dem Berechtigten durch Erhöhung seines Einkommens um 10 % des Eigenbedarfs. Diese Ersparnis kann auch relevant werden beim Zusammenleben mit volljährigen Kindern, die über eigene Einkünfte verfügen und leistungsfähig sind, sofern eine echte Haushaltsgemeinschaft besteht.2 118
Beispiel F zieht nach der Trennung mit einem anderen Partner zusammen, nachdem M sie wegen einer anderen Frau verlassen hat. F betreut das gemeinsame eheliche Kind und führt dem neuen Partner den Haushalt. Ihr Anspruch ist nicht verwirkt, aber sie muss sich Einkünfte wegen der Haushaltsführung für den neuen Partner i.H.v. ca. 500 Euro als Einkommen bei der Bedarfsberechnung zurechnen lassen nach der Rechtsprechung des für sie zuständigen OLG Oldenburg.3
g) Überdurchschnittlich hohes Einkommen und Begrenzung bei Bagatellunterhalt 119
Ist das Einkommen des Verpflichteten überdurchschnittlich hoch, so bleibt der Teil des Einkommens, der bei vernünftiger Lebensführung unter Berücksichtigung des individuellen Lebenszuschnitts nicht für Unterhaltszwecke verwendet worden ist, außer Ansatz.4 Da es keine allgemein verbindliche Sättigungsgrenze für Unterhaltsansprüche gibt,5 erfahrungsgemäß bei hohen Einkommen aber ein Teil regelmäßig in die Vermögensbildung fließt, kann der Bedürftige seinen Bedarf nach dem bisher üblichen Lebensstandard unter Ausschluss der bisher üblichen Aufwendungen für die Vermögensbildung als Quotenunterhalt geltend machen oder aber auch den Bedarf konkret darlegen.6 Wird der Quotenunterhalt geltend gemacht, ist vom Einkommen des Verpflichteten ein Anteil für Vermögensbildung, entsprechend der bisher üblichen individuellen Handhabung, abzuziehen. Möglich ist insoweit auch eine Schätzung, allerdings nicht auf der Grundlage einer pauschalen Vermögensbildungsrate anhand statistischer Erhebungen, denn der Bezug zu den konkreten ehelichen Lebensverhältnissen muss erhalten bleiben.7 Bei der Schätzung sind jedoch geänderte Verhältnisse mit zu berücksichtigen. Dazu gehört z.B., dass dem Berechtigten ein Festhalten an einer sparsamen Lebenshaltung zugunsten einer hohen Sparquote nach dem Scheitern der Ehe nicht mehr zumutbar ist. Insoweit kann mithilfe eines objektiven Maßstabes das Ergebnis korrigiert werden.8 Der BGH hat auch die konkrete Bedarfsberechnung gebilligt, lehnt für diese Berechnung jedoch den Abzug eines Erwerbstätigenbonus beim Berechtigten ab.9 Von welchen Unterhaltsbeträgen an der Bedarf konkret zu berechnen ist, wird von den meisten OLG in den Leitlinien nicht betragsmäßig festgelegt, häufig werden aber Angaben dazu gemacht, ob bei günstigen Einkom1 BGH, FamRZ 2008, 594 (598); 2009, 1410 Tz. 39 (zum herabgesetzten Selbstbehalt beim Kindesunterhalt); FamRZ 2010, 1535 Tz. 44 f. zur Kürzung des Eigenbedarfssatzes beim Elternunterhalt. Ebenso OLG Brandenburg, FamFR 2012, 441 m. Anm. Tomfort. 2 OLG Hamm, FamRB 2011, 330 m. Anm. Bißmaier. 3 Nr. 6 der LL des OLG Oldenburg. 4 BGH, FamRZ 1982, 151. 5 BGH, FamRZ 1982, 680; OLG Köln, FamRZ 2002, 326 m.w.N. 6 BGH, FamRZ 1989, 1160 (1161); FamRZ 1987, 36 (39); OLG Zweibrücken, FamRZ 2008, 1655 (1656), OLG Brandenburg, FamFR 2012, 320. 7 BGH, FamRZ 1987, 36, Tz. 25 f.; 1980, 665 (669); 1980, 771. 8 BGH, FamRZ 1987, 36, Tz. 27. 9 BGH, FamRZ 2010, 1637 Tz. 27 (zum Nacheheunterhalt); 1987, 36 ff.; 1990, 280.
316 Ehinger
III. Die Berechnung des Unterhalts
mensverhältnissen konkret zu berechnen ist oder mit einer Quote.1 Das OLG Dresden allerdings empfiehlt eine konkrete Berechnung bei Unterhaltsforderungen über 5 000 Euro, das OLG Oldenburg bei einem die höchste Einkommensgruppe der DT übersteigenden Einkommen des Verpflichteten.2 Wird der Bedarf konkret anhand der individuellen Lebensverhältnisse geltend 120 gemacht, sind die einzelnen Bedarfspositionen nach dem bisher üblichen Lebenszuschnitt darzulegen.3 Aufzulisten sind z.B. Kosten für Kleidung, Körperpflege, kulturelle und sportliche Aktivitäten, Krankheit, Wohnen, PKW, Urlaub.4 121
Beispiel für eine konkrete Bedarfsberechnung Allgemeiner Lebensbedarf (Lebensmittel, Haushaltsbedarf, Gästebewirtung, incl. Rücklage für Ersatzgeräte)
700 Euro
Wohnbedarf ca. 80 qm incl. Betriebskosten Kaltmiete + Gasheizungskosten
940 Euro
Strom
50 Euro
Gebühren GEZ
18 Euro
Kabelfernsehen
30 Euro
Telefon und Handy
80 Euro
Haftpflichtversicherung Hausratsversicherung Zusatzversicherung, Unfallversicherung Allianz Krankenversicherung Vereinsbeiträge Konzert, Kino, Restaurant Zeitung, Bücher
9 Euro 20 Euro 124 Euro 67 Euro 150 Euro 80 Euro
BVG, Taxi
100 Euro
Friseur, Kosmetik/Fußpflege, Körperpflege
150 Euro
Geschenke
50 Euro
Kleidung
100 Euro
Urlaub
400 Euro
Zuzahlung Arzneimittel Rücklage für außergewöhnliche Ausgaben (Brille, Zahnersatz, Hörgerät, Hausrat) Gesamtbedarf
50 Euro 200 Euro 3 318 Euro
1 Zur Sättigungsgrenze und unterschiedlichen Handhabung der Bedarfsberechnung durch die OLG s. die Übersicht im Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 1 Rz. 1045 ff., 1053. 2 Nr. 15.3 der LL der OLG. 3 OLG Frankfurt, FamRZ 1997, 353. 4 Vgl. dazu die Auflistungen bei OLG Hamm, FamRZ 2006, 1603 ff.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
122
Krankenversicherungskosten können ebenfalls geltend gemacht werden, soweit sie nicht durch eigenes Erwerbseinkommen oder die Versicherung des Verpflichteten abgedeckt werden; ebenso Altersvorsorgeaufwendungen, nachdem der Scheidungsantrag rechtshängig geworden ist (§ 1361Abs. 1 Satz 2 BGB). Bei den Wohnkosten ist ein auf die Kinder entfallender Anteil herauszurechnen (ca. 20 % des Kindesunterhalts), wenn der Berechtigte Kindesunterhalt für die gemeinsamen Kinder erhält, s. auch Kap. A Rz. 29.1
123
Da der Unterhalt nicht der Vermögensbildung, sondern der Deckung des angemessenen Lebensbedarfs dient, kann das Gericht die Bedarfsbeträge – ebenso wie beim Quotenunterhalt – anhand eines objektiven Maßstabes ggf. im Wege der Schätzung korrigieren, sofern sie überhöht sind und einer verdeckten Vermögensbildung dienen sollen. Haben die Ehegatten trotz überdurchschnittlicher Einkünfte sehr sparsam gelebt, kann die Fortsetzung einer sehr sparsamen Lebensführung zugunsten der Vermögensbildung nach dem Scheitern des gemeinsamen Lebensplans nicht mehr zumutbar sein,2 so dass das Gericht auch insoweit bei strittiger Höhe der Bedarfsbeträge diese anhand eines objektiven Maßstabs schätzen kann.3 Maßstab ist dann der Lebenszuschnitt, den entsprechend situierte Ehegatten im Regelfall wählen würden.
124
Ist der Bedarf einmal konkret festgelegt, kann in einem späteren Abänderungsverfahren die Abänderung nicht damit begründet werden, dass sich die Einkommensverhältnisse des Verpflichteten verbessert haben,4 umgekehrt berechtigt nicht zur Abänderung, wenn der Berechtigte Unterhalt zur Vermögensbildung verwendet. Er muss sich allerdings Erträge aus dem gebildeten Vermögen anrechnen lassen.5
125
Û
Praxishinweis: Die Darlegungs- und Beweislast für den konkret berechneten Bedarf liegt beim Unterhaltsberechtigten. D.h. aber nicht, dass im Unterhaltsverfahren über jede einzelne Position, die bestritten wird, Beweis zu erheben ist: Zunächst muss der Bedarf zwar konkret und in Anknüpfung an den in der Ehe gepflegten Lebensstil dargelegt werden, gleichzeitig sollten aber auch die überdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse schlüssig vorgetragen werden. Denn diese sind für die Gerichte zum einen Voraussetzung für die konkrete Bedarfsberechnung gegenüber der üblichen Bedarfsberechnung nach Quoten, zum anderen ergibt sich aus ihnen die schlüssige Begründung eines gehobenen Lebensstandards. Da nach der Lebenserfahrung die Lebensführung üblicherweise an die zur Verfügung stehenden Mittel angepasst wird,6 müssen die Gerichte dann nicht im Einzelnen zu jeder Position Beweis erheben, sondern können in Kenntnis der überdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse eine Schätzung vornehmen (§ 287 ZPO). Diese knüpft an die konkreten Aufwendungen, mit denen die Parteien während ihres Zusammenlebens ihren allgemeinen Lebensstandard bestritten haben,
1 BGH, FamRZ 2004, 601, Tz. 67; zum prozentualen Anteil von Wohnkosten beim Kindesunterhalt s. z.B. Nr. 21.5.2 der SüdL. 2 OLG Hamm, FamRZ 1993, 1089; OLG Saarbrücken, FamRZ 2008,1655. 3 BGH, FamRZ 2007, 1532 ff.; 1989, 1160 (1161); 1987, 36, Tz. 27. 4 BGH, FamRZ 1990, 280 ff. 5 BGH, FamRZ 1985, 582. Tz. 12. 6 BGH, FamRZ 2002, 1698 (1700 ff.) (zum Eigenbedarf beim Elternbedarf).
318 Ehinger
III. Die Berechnung des Unterhalts
an, letztlich stellt sie aber auch – objektiviert – auf den Lebenszuschnitt ab, den entsprechend situierte Ehegatten im Regelfall wählen.1 Sind die Einkommensverhältnisse der Ehegatten nahezu gleich hoch oder eher be- 126 scheiden und fällt deshalb der Anspruch entsprechend gering aus, lehnt ein Teil der Rechtsprechung eine Ausgleichspflicht des Unterhaltspflichtigen ab. Das Gesetz sieht eine Begrenzung der Unterhaltspflicht wegen Geringfügigkeit des ausgleichspflichtigen Betrags nicht vor. Das OLG Brandenburg bemisst die sog. Bagatellgrenze mit 100 DM = 51,13 Euro, jedenfalls wenn es sich im Rahmen von § 1361 BGB um Aufstockungsunterhalt i.S.v. § 1573 Abs. 2 BGB handelt.2 Das OLG Köln hingegen lehnt – mit überzeugender Begründung – eine feste Grenze beim Trennungsunterhalt ab und hat eine Ausgleichspflicht bei einem Anspruch i.H.v. 45 Euro monatlich bestätigt. Dabei hat es in dem entschiedenen Fall berücksichtigt, dass das Einkommen des Anspruchsberechtigten auf der Zurechnung eines fiktiven Einkommens beruhte.3 Da sich aus § 1361 Abs. 1 BGB eine untere Grenze des Bedarfs nicht ableiten lässt, ist die Entscheidung über den Ausgleich im Rahmen einer abschließenden Angemessenheitskontrolle unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse beider Parteien zu treffen.4 Maßstab der Entscheidung ist, dass je enger die wirtschaftlichen Verhältnisse sind, desto niedriger wird der Betrag sein, der noch ausgleichspflichtig ist. h) Veränderungen der Steuerklasse und begrenztes Realsplitting Ändern sich durch die Trennung die Steuerklassen für die Eheleute, ist für die 127 Prognoseentscheidung über das zukünftig zur Verfügung stehende Nettoeinkommen von den tatsächlich zu erwartenden Einkünften auszugehen. Vgl. dazu die Grundsätze zur Einkommensbestimmung in Kap. A Rz. 79 ff., Kap. A Rz. 87 ff. Bei Einkommen aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit ist für den Unterhaltspflichtigen, der das höhere Einkommen erzielt, mit dem Wechsel von der Steuerklasse III in die Steuerklasse I oder II i.d.R. eine höhere Besteuerung und damit eine Verringerung der Nettoeinkünfte verbunden. Bei dem Unterhaltsbedürftigen ist eine Erhöhung des Einkommens z.B. durch den Wechsel von der Steuerklasse V in die Steuerklasse I oder II zu berücksichtigen. Diese Änderungen sind Folgen der Trennung und von den Ehegatten hinzunehmen.5 Steuererstattungen und Steuernachzahlungen werden bei der Berechnung rück- 128 ständigen Unterhalts einkommenserhöhend oder einkommensmindernd in der Regel in dem Jahr berücksichtigt, in dem sie geflossen sind. Es gilt insoweit das sog. In-Prinzip, das auf die reale Steuerlast im maßgeblichen Zeitraum abstellt. Da insoweit nicht immer das tatsächliche Einkommen realistisch ermittelt werden kann und sich Verzerrungen ergeben können, wenn z.B. Steuernachzahlungen hinausgezögert werden, lässt der BGH auch das Für-Prinzip gelten, nach dem die Steuernachzahlungen dem Jahr zugeordnet werden, für das sie bestimmt sind. Der BGH stellt es explizit in die Verantwortung der Tatsacheninstanzen, unter den gegebenen Umständen des Einzelfalls eine geeignete Me1 2 3 4
BGH, FamRZ 1994, 1169, Tz. 16; 1982, 1187 (1188); 1985, 582 (583); 1990, 280 (281). OLG Brandenburg, FamRZ 2005, 210; 2006, 341. OLG Köln, FamRZ 2007, 1463 f. Ebenso OLG Karlsruhe, FamRZ 2010, 1082 Tz. 40. Zur Angemessenheitskontrolle bei § 1361 BGB s. BGH, FamRZ 1998, 899 ff.; zum Nacheheunterhalt BGH, FamRZ 1983, 678 ff. 5 BGH, FamRZ 1988, 817, III.1.b.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
thode zur möglichst realitätsgerechten Ermittlung des Nettoeinkommens als Grundlage der Unterhaltsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu finden.1 S. dazu Kap. A Rz. 89 f. 129
Für die Berechnung zukünftigen Unterhalts können Zu- bzw. Abschläge bei den Steuern in Betracht kommen, wenn wie in der Vergangenheit auch in Zukunft mit Steuererstattungen und Steuernachzahlungen zu rechnen ist.2 Bei starken Schwankungen der Steuererstattungen kann für die Prognose – bei Selbständigen wie bei Nichtselbständigen – der Durchschnitt aus mehreren zurückliegenden Jahren berechnet werden.
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Das Gericht darf auch eine Schätzung an Hand früherer Steuererstattungen vornehmen, wenn ein Ehegatte entgegen einer gerichtlichen Auflage Steuerbescheide oder Steuerklärungen neueren Datums nicht vorlegt.3 Möglich ist außerdem nach §§ 236 Abs. 1 Nr. 5, 235 Abs. 1 FamFG, dass das FamG selbst die Bescheide vom Finanzamt anfordert, wenn ein Beteiligter im Unterhaltsverfahren einer entsprechenden gerichtlichen Anordnung nicht nachkommt, s. zu den Voraussetzungen Kap. K Rz. 193 ff.
131
Ausnahmen vom sog. In-Prinzip kommen in Betracht,4 z.B. – wenn Steuerersparnisse auf Abschreibungen beruhen, die unterhaltsrechtlich nicht anzuerkennen sind, oder Steuerersparnisse erzielt werden für Aufwendungen, die dem Unterhaltsgläubiger nicht entgegengehalten werden können;5 – wenn bei der Besteuerung Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit mitberücksichtigt wurden, die nicht eheprägend waren (z.B. wegen eines Karrieresprungs);6 – wenn steuerrechtlich erreichbare Vorteile entgegen einer insoweit bestehenden unterhaltsrechtlichen Obliegenheit nicht in Anspruch genommen werden.7
132
Liegt einer der genannten Ausnahmefälle vor, wird eine neue fiktive Steuerberechnung vorgenommen, indem z.B. die nicht anzuerkennenden Beträge für Abschreibungen dem im Steuerbescheid errechneten zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet werden und für dieses Einkommen die zu zahlende Steuer ermittelt und dann abgezogen wird. Zur fiktiven Steuerberechnung vgl. Kap. A Rz. 90.
133
Die Darlegungs- und Beweislast für die unterhaltsrechtliche Berücksichtigungswürdigkeit von Abschreibungen obliegt demjenigen, der sich darauf beruft.8
134
Nach der Trennung kann noch eine Zusammenveranlagung der Ehegatten für das Jahr, in dem die Trennung erfolgte, beantragt werden (§ 26 Abs. 1 EStG). In1 2 3 4 5
BGH, FamRZ 2011, 1851 Tz. 19; 2008, 2104; 2004, 1177. BGH, FamRZ 1999, 372 (375). BGH, FamRZ 2003, 860 (863). BGH, FamRZ 1990, 503. BGH, FamRZ 1987, 36 (37) zum Bauherrenmodell und FamRZ 1987, 46 (48) zu Bewirtungskosten und Aufwendungen für PKW. 6 BGH, FamRZ 1987, 46 (48). 7 BGH, FamRZ 2007, 2628; 1984, 1211 (1212). 8 BGH, FamRZ 1987, 46 (48) zur unterhaltsrechtlichen Abzugsfähigkeit von Aufwendungen und Abschreibungen (Bewirtungskosten und PKW).
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III. Die Berechnung des Unterhalts
soweit besteht eine wechselseitige Verpflichtung eines jeden Ehegatten, in eine von dem anderen gewünschte Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer einzuwilligen, wenn dadurch die Steuerschuld des anderen verringert und der auf Zustimmung in Anspruch genommene Ehegatte keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt wird. Dies gilt selbst dann, wenn nicht gewiss ist, ob noch die Voraussetzungen einer gemeinsamen Veranlagung gegeben sind.1 Die Zusammenveranlagung ist i.d.R. dann günstig, wenn ein Ehegatte der Hauptverdiener oder Alleinverdiener ist.2 Ergeht eine Zusammenveranlagung, haften die Ehegatten für die Steuerschuld als Gesamtschuldner. Jeder Ehegatte kann beantragen, die auf ihn entfallende Steuerschuld in einem Aufteilungsbescheid festzustellen (§§ 268 ff. AO).3 Zahlt ein Ehegatte an den anderen Trennungsunterhalt und erfolgt eine getrenn- 135 te Veranlagung, kann der Unterhaltspflichtige gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG4 im Wege des sog. begrenzten Realsplittings jährlich bis zu 13 805 Euro (entspricht einer monatlichen Unterhaltsbelastung von 1 150 Euro) als Sonderausgaben vom steuerpflichtigen Einkommen für den gezahlten Unterhalt in Abzug bringen mit der Folge, dass insoweit keine Steuern gezahlt werden müssen und zu viel gezahlte Steuern zurückerstattet werden.5 Der Unterhaltsberechtigte ist zur Mitwirkung an der Geltendmachung dieser Vergünstigung durch den Unterhaltsschuldner in der Weise verpflichtet, dass er der Durchführung des begrenzten Realsplittings zustimmen muss (§ 242 BGB).6 Die gegenüber dem Finanzamt erklärte Zustimmung ist bis auf Widerruf wirk- 136 sam. Der Widerruf ist vor Beginn des Kalenderjahres, für das die Zustimmung erstmals nicht gelten soll, dem Finanzamt gegenüber zu erklären (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Wird die Zustimmung eingeklagt, kann sie immer nur für den Veranlagungszeitraum, also ein Jahr erteilt werden. Einklagbar ist nur die Zustimmung zum begrenzten Realsplitting, die mit der rechtskräftigen Verurteilung gemäß § 894 ZPO als abgegeben gilt,7 nicht aber die Unterzeichnung der Anlage U. Denn eine spezielle Pflicht, die Zustimmung durch Unterzeichnen des Vordrucks der Anlage U zu erklären, besteht nicht.8 Die Zustimmung kann von dem Unterhaltsberechtigten regelmäßig nur Zug um Zug gegen die Erklärung des Unterhaltspflichtigen verlangt werden, nach der sich dieser gegenüber dem Unterhaltsberechtigten verpflichtet, ihn von der Steuerschuld freizustellen, die diesem als Folge der Besteuerung der erhaltenen Unterhaltszahlungen erwächst, bzw. ihm diese zu erstatten.9 Erteilt er diese Erklärung nicht, darf der Berechtigte seine Zustimmung verwei- 137 gern.10 Grund für diese synallagmatische Verknüpfung der Pflichten ist, dass 1 BGH, FamRZ 2010, 1879 Tz. 11, 18, 19; 2005, 182–184 m.w.N. 2 Zu den steuerrechtlichen Voraussetzungen und zur Ausgleichspflicht bei zusammenveranlagten Ehegatten vgl. Elden, FamFR 2011, 171 ff. 3 Zu Einzelheiten der Aufteilung der Steuerlast und Steuererstattungen s. Pasche, FPR 2012, 312. 4 Stand 1.1.2014. 5 Böhmel, FamRZ 1995, 270. 6 BGH, FamRZ 1983, 576 (577); 1984, 1211. 7 BFH, FamRZ 1989, 738. 8 BGH, FamRZ 1998, 953 (954). 9 BGH, FamRZ 1984, 1211. 10 BGH, FamRZ 1988, 820.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
Folge des begrenzten Realsplittings auf Seiten des Unterhaltspflichtigen immer eine Einkommenserhöhung in Höhe der Steuerersparnis ist, auf Seiten des Berechtigten hingegen eine Einkommensschmälerung eintreten kann, weil der gezahlte Unterhalt bei ihm nunmehr als zu versteuerndes Einkommen behandelt wird. Soweit deshalb bei dem Unterhaltsberechtigten wegen der Einkünfte aus Unterhalt höhere Steuern anfallen (§ 22 Nr. 1a EStG), hat er gegenüber dem Unterhaltspflichtigen einen Erstattungsanspruch (§ 242 BGB).1 Der Nachteilsausgleich erstreckt sich auf die Einkommensteuern, den Solidaritätszuschlag, den Pflegeversicherungsbeitrag und die Kirchensteuern, soweit sie auf der steuerrechtlichen Berücksichtigung des Unterhalts beruhen. Er kann sich auch auf Steuerberaterkosten erstrecken, wenn eine fachliche Beratung erforderlich ist.2 Der Unterhaltsberechtigte darf seine Zustimmung nicht davon abhängig machen, dass der andere ihn an den Steuervorteilen beteiligt.3 Nicht immer ist das begrenzte Realsplitting für den Verpflichteten mit Rücksicht auf die Ausgleichspflicht der steuerlichen Nachteile des anderen unterm Strich lohnend, insbesondere wenn der Berechtigte noch über eigene Einkünfte verfügt, so dass vor Einleitung eines Streitverfahrens eine sorgfältige Prüfung erfolgen sollte.4 138
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Praxishinweis: Wenn sich der unterhaltbeziehende Ehegatte weigert, dem begrenzten Realsplitting zuzustimmen, liegt dies oft daran, dass er finanzielle Nachteile befürchtet. Dem kann durch folgende Antragstellung Rechnung getragen werden: „Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller ihre Zustimmung zur Durchführung des begrenzten Realsplittings für das Jahr 2013 zu erteilen, Zug um Zug gegen 1) Freistellung von den der Antragsgegnerin aus der Veranlagung im Jahr 2013 erwachsenden steuerlichen Nachteilen durch den Antragsteller und 2) Hinterlegung einer Sicherheitsleistung durch den Antragsteller i.H.v. … für die der Antragsgegnerin entstehenden steuerlichen Nachteile aus der steuerlichen Veranlagung für das Jahr 2013.“ Zuständig ist das FamG, § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG.
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Gegenüber dem Anspruch auf Erstattung entstandener steuerlicher Nachteile infolge des begrenzten Realsplittings kann der Unterhaltspflichtige grundsätzlich nicht mit einer Gegenforderung aufrechnen.5
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Beim Trennungsunterhalt können sich Ungerechtigkeiten dadurch ergeben, dass zwar schon die durch die neuen Steuerklassen veränderten Einkünfte bei der Berechnung des Unterhalts zugrunde gelegt werden, aber Steuervergünstigungen, die sich aus der steuerrechtlichen Anerkennung von Unterhaltsleistungen als besondere Belastungen ergeben, noch nicht mitberücksichtigt werden können, weil ein Steuerbescheid für diese Zeit nicht vorliegt. In diesen Fällen besteht eine Obliegenheit für den Unterhaltsschuldner, im Interesse des Berechtigten einen Freibetrag für den zu zahlenden Unterhalt auf seiner Steuerkarte eintragen zu lassen (§ 39a EStG); denn mit der Eintragung des Freibetrags verringert sich die zu zahlende monatliche Lohnsteuer und das laufende Einkommen erhöht sich, so dass eine zeitnahe Berechnung des tatsächlich geschuldeten Unterhalts1 2 3 4 5
BGH, FamRZ 2005, 1162 ff.; 84, 1211 ff. BGH, FamRZ 1988, 820 (821). BGH, FamRZ 1983, 576. Caspary, FPR 2003, 410 ff. mit Beispielen. BGH, FamRZ 1997, 544.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
anspruchs des Berechtigten möglich wird (§ 242 BGB). Der BGH geht von einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit zur Eintragung eines Freibetrags im zumutbaren Rahmen aus, um Steuervorteile wahrzunehmen.1 Zumutbar ist die Eintragung jedenfalls dann, wenn die Höhe des zu zahlenden Unterhalts feststeht2 oder ein bestimmter Betrag unstreitig ist.3 Verstößt der Pflichtige gegen seine Obliegenheit zur Voreintragung, kommt die Errechnung einer fiktiven Besteuerung unter Berücksichtigung der steuerrechtlich relevanten Abzüge in Betracht. Bei den Instanzgerichten stößt die fiktive Berechnung jedoch auch auf Ablehnung, dies wohl vor allem wegen der Gefahr von Folgeprozessen, wenn sich die fiktive Berechnung später als unzutreffend erweist.4 141
Beispiel F trennt sich und verlangt Unterhalt von M. Den Unterhalt berechnet sie nach dem vor der Trennung erzielten Einkommen des M, der nach der Steuerklasse III / 2 (für 2 Kinder) besteuert wurde. M hat aber jetzt Steuerklasse I. Er hat ein deutlich niedrigeres Einkommen als vor der Trennung und ist nur bereit, 400 Euro Trennungsunterhalt anstelle der geforderten 500 Euro zu zahlen. Die Voreintragung des monatlichen Trennungsunterhalts als Steuerfreibetrag lehnt er ab, obwohl F die Anlage U für das begrenzte Realsplitting ausfüllen würde. F klagt auf Zahlung von Unterhalt. Da M absichtlich höhere Steuern zahlt, um sein Einkommen und damit die Unterhaltsschuld zu senken, der neue Steuerbescheid noch nicht vorliegt, kann das Gericht den Steuervorteil, bereinigt um den an den anderen zu erstattenden Steuernachteil, schätzen und das Einkommen von M um diesen Betrag für die Unterhaltsberechnung erhöhen.
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Praxishinweis: Die fiktive Berechnung birgt das Risiko, dass die abschlie- 142 ßende Berechnung des Finanzamts ein anderes Ergebnis bringt. Der Unterhaltsgläubiger kann seine Rechte auch dadurch sichern, dass er den Unterhalt zunächst nur als Teilforderung geltend macht und später, wenn die Steuerbescheide vorliegen, seine Restforderung errechnet und den Restbetrag verlangt. Dass nicht der volle Unterhalt, sondern nur ein Teilbetrag begehrt wird, muss jedoch ausdrücklich gegenüber dem Schuldner klargestellt werden.5 Dies gilt auch im Unterhaltsverfahren; denn fehlt der ausdrückliche Vorbehalt der Nachforderung, käme eine Abänderung des Titels nur im Wege des Abänderungsverfahrens gemäß § 238 FamFG in Betracht, nach der eine nachträgliche Abänderung des Titels aus diesem Grund nicht zulässig wäre (vgl. dazu die Ausführungen unter Kap. K Rz. 294 ff.). Wurde der Vorbehalt gemacht, kann die Nachforderung mit dem allgemeinen Leistungsantrag in einem weiteren Unterhaltsverfahren geltend gemacht werden.
i) Wohnvorteil beim Wohnen im eigenen Heim Wohnt einer der Ehegatten während der Trennungszeit allein oder mit den Kin- 143 dern in dem Eigenheim der Familie, so muss er sich das freie Wohnen als geldwerten Vorteil und damit als Einkommen anrechnen lassen. Maßgeblich ist der Wert, den der Eigentümer einer Immobilie gegenüber dem Mieter einer Woh1 BGH, FamRZ 1999, 372 (375); 1984, 1211 (1212). 2 So BGH, FamRZ 1999, 372 (375); 1984, 1211 (1212). 3 A.A. OLG Naumburg, ZFE 2002, 198, das eine Pflicht zur Eintragung und damit zur fiktiven Berechnung ablehnt. 4 Das OLG Hamburg (FamRZ 1991, 196 f.) befürwortet eine Eintragungspflicht, anders das OLG Bamberg, FamRZ 1988, 727. 5 BGH, FamRZ 1984, 374 (376).
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
nung erspart. Dabei ist unterhaltsrechtlich hinsichtlich der ersparten Miete zu unterscheiden zwischen dem angemessenen und dem vollen Mietwert. Der volle Mietwert orientiert sich an der ortsüblichen Marktmiete, die im Falle der Vermietung für das Objekt erzielbar wäre. Der angemessene Mietwert ist unter Berücksichtigung des geänderten Wohnbedarfs nach den individuellen Verhältnissen zu bestimmen. Danach ist maßgeblich der Mietzins, den der das Eigenheim bewohnende Ehegatte aufzuwenden hätte, wenn er auf dem örtlichen Wohnungsmarkt eine kleinere, seinen jetzigen Bedürfnissen angepasste, jedoch dem ehelichen Lebensstandard entsprechende Wohnung mieten müsste. Beim Trennungsunterhalt bemisst sich der Wohnwert nach der angemessenen Miete und nur, wenn mit einer Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft nicht mehr zu rechnen ist, nach dem objektiven Mietwert. Mit einer Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft wird meist ab Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags oder einer abschließenden Regelung der vermögensrechtlichen Folgen der Ehe nicht mehr zu rechnen sein.1 144
Von dem Wohnwertvorteil sind nur solche Aufwendungen des Eigentümers von der ihm zurechenbaren Miete abzugsfähig, die nicht auf den Mieter umgelegt werden können. Dies sind nach § 1 Abs. 2 BetrKV die Kosten für die Hausverwaltung und des Geldverkehrs sowie die Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten. Alle übrigen Betriebskosten wie z.B. die Kosten für Heizung, Wasser, Kosten für Schornsteinfeger, Stadtreinigung, Aufzug, Hausreinigung, Gartenpflege, Beleuchtung, Antennenanlage, Hauswart etc. einschließlich Grundsteuer und Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung können auf Mieter umgelegt werden und sind deshalb – unabhängig davon, ob sie verbrauchsabhängig entstehen – nicht absetzbar vom Wohnvorteil. Damit kommt es seit der mit Urteil vom 27.5.20092 geänderten Rechtsprechung des BGH nicht mehr – wie früher von ihm vertreten – auf die Unterscheidung nach der Verbrauchsabhängigkeit der Kosten an, die in Rechtsprechung und Literatur immer wieder auf Kritik gestoßen ist.
145
Bewohnt der unterhaltsbedürftige Ehegatte das Eigenheim zusammen mit gemeinsamen Kindern, für die der andere Ehegatte den Barunterhalt zahlt, kann der in dem Kindesunterhalt enthaltende Anteil für Wohnkosten entweder auf den Wohnvorteil aufgeschlagen werden oder ihm als Nutzungsentschädigung einkommenserhöhend zugerechnet werden.3 Zur Höhe der im Kindesunterhalt enthaltenen Wohnkosten vgl. Kap. A Rz. 29. Bewohnt der unterhaltspflichtige Ehegatte das Eigenheim mit einem gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kind, für dessen Unterhalt er allein aufkommt, kann entweder der ihm zuzurechnende Wohnvorteil um die auf das Kind entfallende Mietersparnis erhöht werden oder alternativ der für das Kind einkommensmindernd in Ansatz gebrachte Unterhalt noch um den darin enthaltenen Wohnanteil gekürzt werden.4
146
Abzugsfähig sind bei gemeinsamem Eigentum der Ehegatten außerdem die anfallenden Zins- und Tilgungsleistungen von Kreditraten für Kredite und Finan-
1 BGH, FamRZ 2013, 191 Tz. 24; 2008, 963 Tz. 15. 2 BGH, FamRZ 2009, 1300 (1303); dazu Anm. Ehinger, FPR 2009, 413 (418); zu den Grundsätzen der früheren Rspr. vgl. BGH, FamRZ 1986, 48 (49); 1998, 87 (88). 3 BGH, FamRZ 1992, 423; Eschenbruch/Schürmann/Menne/Henjes, Kap. 4 Rz. 298; Wendl/Dose/Gerhardt, § 1 Rz. 574. 4 BGH, FamRZ 2013, 191 Tz. 26.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
zierungskosten.1 Sind die Kreditraten gestundet, können die geschuldeten Beträge – auch wenn sie nicht gezahlt werden – gleichwohl abgezogen werden. Erfolgt eine Umschuldung, sind die geänderten Ratenbeträge abzugsfähig.2 Instandhaltungsrücklagen können nur vom Wohnvorteil abgezogen werden, wenn sie für unaufschiebbare Instandhaltungsmaßnahmen erforderlich sind, was konkret darzulegen und ggf. zu beweisen ist.3 Verbleibt dann noch eine Differenz zwischen dem Nutzungswert des Eigentums und dem Aufwand, ist dies der zurechenbare Wohnwertvorteil. Dem Ehegatten wird i.d.R. während des Getrenntlebens nicht zugemutet, die Ehewohnung, die er allein bewohnt, zur Steigerung seiner Einkünfte z.B. durch Vermietung zu verwerten und in eine kleinere Wohnung zu ziehen.4 Gehört das als Ehewohnung genutzte Eigenheim nur einem der Ehegatten, so 147 gelten i.d.R. die gleichen Grundsätze. Dies gilt auch für die einkommensmindernde Berücksichtigung des Tilgungsanteils von Kreditraten, selbst wenn dieser den von der Rechtsprechung zugestandenen Betrag einer Vermögensbildung zum Zwecke der zusätzlichen Altersvorsorge i.H.v. 4 % des Bruttoeinkommens übersteigt, denn maßgeblich ist beim Trennungsunterhalt die volle Höhe der Belastung, wie sie die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat. Zum einen soll kein Zwang für den verschuldeten Ehegatten zur Verwertung des Eigentums entstehen, um eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu erschweren; zum anderen profitiert der andere Ehegatte während der Trennungszeit auch noch von der Tilgung, denn die Verringerung der Schulden des Alleineigentümers erhöhen dessen Zugewinn.5 Beispiel M ist Alleinverdiener der Familie, hat ein bereinigtes Einkommen von 2 000 Euro und bleibt nach der Trennung im Eigenheim wohnen. Die ortsübliche Miete würde 1 000 Euro betragen. M hätte für eine seinen Bedürfnissen entsprechende kleinere Wohnung 600 Euro zu zahlen. M muss sich einen Wohnvorteil von 600 Euro zurechnen lassen. Sein bedarfsbestimmendes Einkommen beträgt 2 600 Euro. Müsste M für das Haus monatlich für Instandhaltungskosten, Zinsen und Darlehenstilgung i.H.v. insgesamt 300 Euro zahlen, würde sein anrechenbares Einkommen nur 2 300 Euro betragen.
Die Tilgungsleistungen sind jedoch nach der geänderten Rechtsprechung des 148 BGH dann nicht mehr abzugsfähig,6 wenn der Scheidungsantrag bereits rechtshängig geworden ist oder sich die Ehegatten hinsichtlich des Eigentums bereits auseinandergesetzt haben, indem z.B. ein Ehegatte den Miteigentumsanteil des anderen erworben hat und Gütertrennung vereinbart worden ist. Denn bei einer solchen Sachlage würde die einkommensmindernde Berücksichtigung des Tilgungsanteils der Kreditraten zu einer Kürzung des Unterhaltsanspruchs und damit einseitigen Belastung des Unterhaltsberechtigten führen, der an diesem Vermögenszuwachs nicht mehr beteiligt wäre, entweder wegen des Endstichtags
1 BGH, FamRZ 2007, 879 (881); Grundsatzentscheidungen BGH, FamRZ 1995, 870; 1998, 899 (901) (für den Trennungsunterhalt). 2 BGH, FamRZ 2007, 779 (880 f.). 3 BGH, FamRZ 2 000, 351 (353). 4 BGH, FamRZ 2007, 879 (881); 2003, 351 (353); 1998, 899 (901); 1989, 1160 (1162 f.). 5 BGH, FamRZ 2013, 191 Tz. 29; 2008, 963 Tz. 17 ff.; 2007, 879 (881 f.). 6 BGH, Urt. v. 5.3.2008 – XII ZR 22/06, FamRZ 2008, 963 (965 f.) m. krit. Anm. Büttner, S. 967, in Abgrenzung zu BGH, FamRZ 2007, 879.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
der Zugewinngemeinschaft nach §§ 1376 Abs. 2, 1384 BGB oder weil Gütertrennung vereinbart wurde.1 j) Abzug von Kreditraten und sonstigen Verbindlichkeiten vom Einkommen 149
Für den Unterhaltsbedarf steht i.d.R. nur das um Verbindlichkeiten bereinigte Einkommen zur Verfügung. Streit entsteht in der Praxis häufig wegen der Frage, ob und welche Verbindlichkeiten einkommens- und damit bedarfsmindernd vom Einkommen abgezogen werden dürfen; denn der Unterhaltspflichtige darf sich nach der Trennung nicht zu Lasten des Berechtigten verschulden und zur Zahlung von Unterhalt leistungsunfähig machen. Gleiches gilt für den Berechtigten: Er darf nicht seinen Unterhaltsbedarf durch Verschuldung erhöhen.
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Verbindlichkeiten, die während des Zusammenlebens im Einvernehmen mit dem anderen aufgenommen wurden, werden genau wie voreheliche Schulden i.d.R. einkommensmindernd berücksichtigt; denn dieses Geld hat den Eheleuten auch während des Zusammenlebens nicht zum Verbrauch zur Verfügung gestanden.2 Dies gilt für vermögensbildende Kreditverbindlichkeiten (Zinsen und Tilgung), Raten aus Konsumkrediten, für umgeschuldete Kredite und ebenso für Darlehen, die zur Tilgung von Überziehungskrediten aufgenommen wurden, in Höhe der zur Zeit der Trennung bestehenden Schuldhöhe.3 Bei Verpflichtungen aus Ratenkäufen spielt es keine Rolle, welcher Ehegatte die Sachen nach der Trennung nutzt.4 Nicht berücksichtigt werden Verbindlichkeiten, die von einem Ehegatten leichtfertig zu luxuriösen Zwecken ohne verständigen Grund eingegangen wurden.5 Besonderheiten gelten bei Krediten für das Familieneigenheim nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags bzw. bei Gütertrennung, s. Rz. 146 f.
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Beispiel Die Eheleute haben gemeinsam einen Videorecorder auf Ratenzahlung (monatlich 100 Euro) gekauft, den M nach der Trennung allein nutzt. Die Raten werden für die Unterhaltsberechnung von seinem Einkommen abgezogen. F muss zwar die sich daraus ergebende Verringerung ihres Unterhaltsanspruchs hinnehmen, kann aber verlangen, dass diese Einbuße z.B. bei der Aufteilung des Hausrats wieder ausgeglichen wird.
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Verbindlichkeiten, die nach der Trennung aufgenommen wurden, werden bei der Klärung des bedarfsbestimmenden Einkommens nur berücksichtigt, wenn sie aus unabweisbaren, nicht leichtfertigen Gründen aufgenommen werden. Während der BGH nach früherer Rechtsprechung6 davon ausging, dass es sich bei trennungsbedingten Schulden, die auf trennungsbedingtem Mehrbedarf beruhen, nicht um eheprägende Verbindlichkeiten handelt, die das für die Bedarfsberechnung maßgebende Einkommen mindern können, und diese – von Ausnahmefällen abgesehen – nur bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit berücksichtigt hat, hat sich insoweit eine Änderung und Lockerung der Rechtsprechung ergeben. Danach 1 2 3 4 5
BGH, FamRZ 2008, 963. BGH, FamRZ 1986, 437 (438); 1982, 23 (24); 1984, 657. BGH, NJW 1998, 2821 (2822). OLG München, FamRZ 1995, 233. BGH, FamRZ 1982, 157 (158) für den Kindesunterhalt; BGH, FamRZ 1984, 358 (360) ausdrücklich auch für Ehegattenunterhalt. 6 BGH, FamRZ 1986, 437; 1990, 499 (503); 1982, 255 (257). Siehe dazu auch die Darstellung bei Wendl/Dose/Gerhardt, § 1 Rz. 1082 ff., 1084 ff.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
sollen auch neue einseitige Verbindlichkeiten, soweit sie unumgänglich sind, bzw. nicht leichtfertig eingegangen wurden, auf der Ebene des bedarfsbestimmenden Einkommens berücksichtigt werden. Denn auch im Rahmen von § 1361 BGB, der noch eine strengere Einstandspflicht für den Ehegattenunterhalt beinhaltet, gibt es – ebenso wie beim Nacheheunterhalt – für den Bedürftigen keine Lebensstandardgarantie losgelöst von wirtschaftlichen Entwicklungen, die auch bei Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft eingetreten wären oder durch die Trennung bedingt eingetreten sind. Demzufolge trägt der Unterhaltsberechtigte auch das Risiko einer negativen Entwicklung der Einkünfte nach der Trennung.1 Zu dieser Rechtsprechung bezogen auf den Trennungsunterhalt steht die Entscheidung des BVerfG vom 25.1.20112 nicht in Widerspruch, mit der das BVerfG die Auslegung des BGH zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen für verfassungswidrig erklärt hat. Denn diese Entscheidung bezieht sich nur auf die Rechtsprechung des BGH zur Bedarfsbemessung des nachehelichen Unterhalts ab Rechtskraft der Scheidung, die dieser mit der Begründung der Wandelbarkeit der Lebensverhältnisse so weit ausgelegt hat, dass der Bezug zu den in § 1578 Abs. 1 BGB angegebenen ehelichen Lebensverhältnissen, die erst mit der Scheidung enden, nicht mehr erkennbar war. Zu den Einzelheiten s. die Ausführungen in Kap. F Rz. 18. Bei der Prüfung der Berücksichtigungswürdigkeit der eingegangenen Verbind- 153 lichkeiten ist jedoch ein strenger Maßstab anzulegen, denn der Unterhaltsbedürftige muss nicht hinnehmen, dass sein Anspruch dadurch geschmälert wird, dass der andere zu seinen Lasten Konsumwünsche befriedigt, die seinen Lebenszuschnitt übersteigen, oder gar Vermögen bildet. Umgekehrt muss auch der Verpflichtete nicht, soweit der Unterhaltsbedürftige über Einkommen verfügt und die Schmälerung des Einkommens durch trennungsbedingte Verbindlichkeiten geltend macht, diese gegen sich gelten lassen, es sei denn, es war notwendig, sie einzugehen. Berücksichtigungswürdig sind deshalb nur solche Schulden, die notwendig infolge der Trennung entstehen, wie z.B. für Umzugskosten, notwendige Einrichtungsgegenstände, die nicht durch Hausratsaufteilung abgedeckt werden können, Mietkautionen, eventuell kostengünstigen PKW, der für die Arbeit benötigt wird etc.3, aber auch krankheitsbedingte Aufwendungen. Nicht einheitlich ist die Behandlung von Verfahrenskosten in Literatur und 154 Rechtsprechung. Teilweise wird vertreten, dass Verfahrenskostenhilferaten für Scheidungs- und Folgesachen abzugsfähig sind.4 Verfahrenskosten für Unterhaltsstreitverfahren sollen hingegen nicht absetzbar sein, weil sonst der Unter1 BGH, FamRZ 2006, 683 ff.; Wendl/Dose/Gerhardt, § 1 Rz. 1084 ff. Gerhardt, FamRZ 2007, 945 (948). Zur Kritik an der Entwicklung der Rechtsprechung des BGH (vor der Entscheidung des BVerfG) und extensiven Auslegung der „wandelbaren ehelichen Lebensverhältnisse“ und der damit einhergehenden Aufgabe des Stichtagsprinzips der Scheidung § 1578 BGB vgl. u.a. OLGR Celle, 2007, 511 ff.; OLG Düsseldorf, FamRB 2007, 199; Born, NJW 2007, 27 ff.; Griesche, FPR 2008, 63 ff.; Maurer, FamRZ 2008, 1985 ff.; Graba, FamRZ 2010, 1131 ff. Zur Entwicklung der Rechtsprechung des BGH zum Begriff der ehelichen Lebensverhältnisse Dose, FF 2012, 227 ff. 2 FamRZ 2011, 437, Tz. 60 ff. 3 Wendl/Dose/Gerhardt, § 1 Rz. 1084. 4 OLG Hamm, FamRZ 1966, 166; Eschenbruch/Schürmann/Menne/Henje, Kap. 4 Rz. 586. Für Maurer scheidet die Berücksichtigung auf der Bedarfsebene schon deshalb aus, weil sowohl Schulden, die nach der Trennung als auch Scheidung entstanden sind, nicht die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben, MünchKomm.BGB, § 1578 Rz. 214, 217.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
haltsbedürftige mittelbar mit seinem Unterhalt das gegen ihn gerichtete Verfahren mitfinanzieren müsste.1 Vorzugswürdig ist die Auffassung von Dose, nach der die Verfahrenskosten für Scheidungs- und Folgeverfahren von jeder Partei in der Höhe zu tragen sind, in der sie ihr auferlegt werden und aus den allgemeinen Lebenshaltungskosten zu bestreiten sind.2 Dies gilt auch für Verfahrenskostenhilferaten, denn deren Bemessungskriterien richten sich nach sozialrechtlichen Maßstäben, so dass diese aus den ihnen danach zustehenden Freibeträgen für den allgemeinen Lebensbedarf finanziert werden können. Für diese Auffassung spricht, dass sie eindeutig ist, die Verantwortlichkeit für das Führen von Prozessen bei den Parteien selbst belässt und deren Klärung nicht in das Unterhaltsrecht verlagert wird. Hinzu kommt, dass die Herabsetzung oder Entbindung von Verfahrenskostenhilferaten im Hinblick auf bestehende Unterhaltsverpflichtungen beantragt werden kann.3 155
Die Darlegungs- und Beweislast für die Berücksichtigungswürdigkeit von Schulden liegt beim Unterhaltsschuldner oder beim Unterhaltsgläubiger, je nachdem, wer sich auf eine schuldenbedingte Minderung seiner eigenen Einkünfte beruft.4 Werden die Verbindlichkeiten nicht auf der Bedarfsebene berücksichtigt, können sie beim Unterhaltsberechtigten, sofern weiteres, nicht bedarfsbestimmendes Einkommen vorhanden ist, noch berücksichtigt werden; beim Unterhaltsschuldner ist im Rahmen der Leistungsfähigkeit und Angemessenheit des Ergebnisses gesondert zu prüfen, inwieweit sie seine Leistungsfähigkeit einschränken können (vgl. Rz. 220 ff.).
156
Beiträge für eine zusätzliche Altersversorgung sind in der Regel anzuerkennen, da eine angemessene Altersversorgung durch die gesetzliche Rentenversicherung nach h.M. für die Zukunft nicht mehr gesichert ist. Der BGH hat deshalb zusätzliche Aufwendungen für eine angemessene Altersversorgung im Grundsatz anerkannt. Dabei hängt die Höhe der Aufwendungen ab vom Maß der Einstandspflicht für den Unterhalt. Im Rahmen des Ehegattenunterhalts sind 4 % des letzten Jahresbruttoeinkommens in Anlehnung an den Höchstförderungssatz der Riester-Rente anzuerkennen.5 Die Altersvorsorge kann durch Aufwendungen für eine Direktversicherung, Lebensversicherung aber auch für Immobilien oder Sparkonten erfolgen. Eine Festlegung ist nicht vorgegeben. Allerdings muss es sich um eine sichere Anlage ohne Spekulationscharakter handeln.
157
Für anzuerkennende Schulden gelten nachfolgende Besonderheiten: Da das für den Unterhalt zur Verfügung stehende Geld durch höhere Steuern und trennungsbedingte Mehrkosten knapper wird, kann bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen verlangt werden, dass ein neuer Schuldentilgungsplan erstellt wird oder der Verpflichtete sich auch um eine Rückgängigmachung der getroffenen Dispositionen – z.B. durch Verwertung nicht dringend benötigter und mit hohen Schulden belasteter Gegenstände – bemüht, um seine Leistungsfähigkeit weitestgehend wieder herzustellen.6 Hier ist im Einzelfall eine Interessenabwägung vorzunehmen. Hat ein Unterhaltsschuldner während des Zusammenlebens in
1 2 3 4 5 6
Eschenbruch/Schürmann/Menne/Henje, Kap. 4 Rz. 586. Wendl/Dose/Gerhardt, § 1 Rz. 1098. Koch/Margraf, Rz. 1304. BGH, FamRZ 1990, 283 (287). BGH, FamRZ 2005, 1817 (1822). BGH, FamRZ 1982, 678 (679); 1984, 657 (659).
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III. Die Berechnung des Unterhalts
objektiv unvertretbarer Weise die Schuldentilgung vernachlässigt, muss er gleichwohl nach der Trennung Gelegenheit erhalten, ein weiteres Anwachsen der Schulden zu vermeiden, um seine Leistungsfähigkeit in zumutbarer Weise wieder herzustellen.1 Die Anerkennung setzt immer die Bedienung der – ggfs. herabgesetzten – Raten voraus. 158
Beispiele – Die Eheleute haben viel Geld in ihre luxuriöse Wohnungseinrichtung gesteckt und monatlich Kreditraten i.H.v. 400 Euro vereinbart. Nach der Trennung entstehen für den unterhaltspflichtigen M Kosten für eine zweite Wohnung i.H.v. monatlich 300 Euro. Die Mietkosten sind auf der Bedarfsebene nicht abzugsfähig, denn sie sind Teil des ihm zustehenden Eigenbedarfs. Zahlt M auch die Miete für die Ehewohnung, kann er den auf F und die Kinder entfallenden Anteil vom zu zahlenden Unterhalt absetzen. Da für die Familie nur 2 000 Euro zur Verfügung stehen, wird sich M wegen der Raten für die Wohnungseinrichtung um eine Herabsetzung beim Kreditgeber zu bemühen haben; denn F ist eine Vollbeschäftigung wegen der Kinderbetreuung nicht zumutbar. Die Raten sind aber voll absetzbar, wenn M beweisen kann, dass die Bank die Herabsetzung ablehnt. – Die Eheleute (2 Kinder, 2 und 5 Jahre alt, F teilzeitbeschäftigt, Gesamteinkommen 2 000 Euro) haben einen Mercedes gekauft, für den sie monatliche Raten i.H.v. 300 Euro zahlen müssen. Nach der Trennung behält M, der nun eine eigene Wohnung bewohnt, den Wagen, den er aber nicht für berufliche Zwecke benötigt. M kann die Raten wegen der engen wirtschaftlichen Verhältnisse unterhaltsrechtlich nicht von seinem Einkommen absetzen. Er muss jedenfalls nach Ablauf des Trennungsjahres den Wagen verkaufen oder sehen, wie er sie aus dem ihm verbleibenden Teil des Familieneinkommens finanziert.
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Praxishinweis: Die Anerkennung von Verbindlichkeiten spielt in der Praxis 159 eine wichtige Rolle. In Unterhaltsstreitverfahren fehlt es häufig an einem stichhaltigen und übersichtlichen Sachvortrag zum Zeitpunkt der Entstehung der Schulden, zur Verwendung des Geldes, zu der tatsächlichen Tilgung und zum Tilgungsplan. Sämtliche Belege über die Schuldverpflichtungen und Zahlungen sollten von den Parteien gesammelt und dem Anwalt zur Verfügung gestellt werden. Der Verpflichtete muss sich bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen bei seinen Gläubigern um einen den geänderten Verhältnissen angepassten, angemessenen Schuldentilgungsplan bemühen. Er trägt insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Versäumt er das, kann das Gericht die Höhe angemessener Raten selbst schätzen. Für die Anerkennung von Verbindlichkeiten bei Unterhalt für die Vergangenheit ist deren regelmäßige Tilgung Voraussetzung, so dass der Verpflichtete auch die tatsächliche, regelmäßige Bezahlung darzulegen und unter Beweis zu stellen hat. Die Bedienung herabgesetzter Raten kann für die Zukunft durch Vorlage eines Dauerauftrags plausibel gemacht werden.
k) Kosten für die Mietwohnung Grundsätzlich werden Mietkosten nicht vom bedarfsbestimmenden Einkom- 160 men abgezogen; denn es sind Kosten der allgemeinen Lebensführung, die jeder Ehegatte von dem ihm zur Verfügung stehenden Einkommen selbst zu bestreiten hat.
1 BGH, FamRZ 1984, 657 (658).
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
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Leben die Ehegatten zunächst in der Ehewohnung getrennt, hat jeder den auf ihn entfallenden Anteil an der Miete zu zahlen. Grundsätzlich entfällt auf jeden die Hälfte, es sei denn, es ergibt sich wegen der Kinder eine andere Quote. Im Kindesunterhalt ist in den Tabellenbeträgen ein Mietanteil von etwa 20 % – 25 % enthalten.1 Vgl. dazu auch Kap. A Rz. 29. Lebt nur noch der Unterhaltsberechtigte in der Ehewohnung und zahlt der Unterhaltspflichtige die Miete allein, kann sie als ehebedingte Verbindlichkeit von seinem bedarfsbestimmenden Einkommen abgezogen werden. Möglich ist aber auch – und dies wäre für den Unterhaltspflichtigen günstiger – den an den Unterhaltsberechtigten zu zahlenden Unterhalt um den auf diesen entfallenden Mietanteil zu kürzen.2 Denn Kosten für die Wohnung gehören zum allgemeinen Lebensbedarf und sind von beiden Ehegatten von dem ihnen zustehenden Einkommen bzw. Unterhalt zu bestreiten.
162
Bleibt der unterhaltspflichtige Ehepartner in der für ihn zu großen Mietwohnung, kann er den auf den anderen Ehegatten entfallenden Teil der Miete, soweit die Gesamtmiete über dem ihm zustehenden angemessenen Einkommensanteil für Mietkosten liegt, als ehebedingte Verpflichtung von seinem bedarfsbestimmenden Einkommen abziehen. Einem für ihn günstigeren Abzug der anteiligen Kosten vom ermittelten Bedarf des Berechtigten steht entgegen, dass diese Mietkosten nicht mehr zu den Kosten des allgemeinen Lebensbedarfs des anderen gehören, der nunmehr in einer anderen Wohnung wohnt, für die ebenfalls Mietkosten entstehen. Soweit beide Ehegatten Mietvertragsparteien sind, käme alternativ zugunsten des Unterhaltspflichtigen zwar ein Ausgleich nach § 426 Abs. 2 BGB in Betracht, mit der Folge, dass der Unterhaltsberechtigte seinen Mietanteil von seinem Unterhalt zahlen müsste. Meist wird ein vom Unterhalt getrennter Ausgleich der Mietforderungen wirtschaftlich jedoch nicht sinnvoll sein, zumal die Durchsetzbarkeit der Forderung i.d.R. im Hinblick auf die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten zweifelhaft sein dürfte. Nach Ablauf des Trennungsjahres muss der die Ehewohnung bewohnende Ehegatte i.d.R. die Mietkosten allein tragen. Beispiele – F hat gegen M einen Unterhaltsanspruch i.H.v. 500 Euro. Da M die Miete für die Ehewohnung i.H.v. 500 Euro allein zahlt und beide noch in der Wohnung leben, darf er den (ohne Abzug der anteiligen Miete) errechneten Unterhalt um 250 Euro kürzen. F kann aber für die Zukunft auch den ungekürzten Unterhalt verlangen, wenn sie ihren Mietanteil an den Vermieter selbst überweisen will. Nur wenn M begründete Bedenken hat, dass F das Geld zuverlässig an den Vermieter weiterleitet, kann er selbst weiter an den Vermieter zahlen, muss F aber zumindest von Mietansprüchen des Vermieters im Innenverhältnis freistellen.3 – F bleibt nach dem Auszug von M mit den 2 Kindern in der 5-Zimmer-Wohnung wohnen. Sie zahlt die Miete i.H.v. 500 Euro von ihrem Einkommen aus Erwerbstätigkeit. F kann von M zusätzlich zu dem Unterhalt für sich und die Kinder die Erstattung des auf M entfallenden Mietanteils nach § 426 Abs. 2 BGB verlangen.
1 Nr. 21.5.2 LL der Süddeutschen Familiensenate. 2 OLG Hamburg, FamRZ 1998, 553; OLG Köln, FamRZ 2002, 98. 3 OLG Frankfurt, FamRZ 1990, 49.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
l) Trennungsbedingter Mehrbedarf Der Bedarf der getrennt lebenden Ehegatten erhöht sich meist durch trennungs- 163 bedingte Mehrkosten, die sich aus der doppelten Haushaltsführung der Ehegatten ergeben, z.B. durch zusätzliche Miet- und Mietnebenkosten, Telefon, Versicherungen etc. Die insoweit entstandenen Verbindlichkeiten finden aufgrund der geänderten Rechtsprechung des BGH jetzt bei der Einkommensbereinigung auf der Bedarfsebene Berücksichtigung, soweit sie unumgänglich und nicht leichtfertig eingegangen wurden (s. Rz. 152 ff.), hingegen spielt der trennungsbedingte Mehrbedarf als selbständiges rechtliches Kriterium in der Praxis für die Klärung des angemessenen Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen i.S.v. § 1361 Abs. 1 i.V.m. § 1578 Abs. 1 BGB praktisch keine Rolle mehr. Dies deshalb nicht, weil zur Befriedigung des Mehrbedarfs seit der Aufgabe der Anrechnungsmethode auf Einkommen, das nach der Trennung an die Stelle von Familienarbeit getreten ist, meist keine Mittel zur Verteilung für einen Mehrbedarf zur Verfügung stehen (s. Rz. 208 ff.).1 Denn üblicherweise bestimmt sich der eheliche Bedarf im Wesentlichen aus Einkünften aus Erwerbstätigkeit, die nach dem Halbteilungsgrundsatz unter den Ehegatten aufgeteilt werden. Hinzu kommt, dass der BGH in geänderter Rechtsprechung den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen nunmehr so interpretiert, dass auch nach der Trennung eingegangene Verbindlichkeiten für trennungsbedingten Mehrbedarf – soweit sie unumgänglich entstanden sind – einkommensmindernd berücksichtigt werden können. Soweit deshalb Verbindlichkeiten für trennungsbedingten Mehrbedarf nicht im Rahmen des eheprägenden Bedarfs berücksichtigt werden, spielen sie nur noch eine Rolle bei der Prüfung der Bedürftigkeit, soweit noch nichtprägendes Einkommen beim Bedürftigen vorhanden ist bzw. beim Unterhaltspflichtigen bei der Prüfung seiner Leistungsfähigkeit und der Angemessenheit der Unterhaltsbelastung. m) Unterhaltsleistungen für gemeinschaftliche, nicht gemeinschaftliche Kinder und Umgangskosten Unterhaltszahlungen für gemeinsame minderjährige Kinder werden in der Pra- 164 xis einkommensmindernd vom bedarfsbestimmenden Einkommen abgezogen, allerdings nur, soweit Barunterhalt geleistet wird. Dies gilt ebenso für Unterhaltszahlungen, die entweder vom Verpflichteten oder vom Berechtigten schon während des Zusammenlebens für ein nicht gemeinschaftliches Kind gezahlt wurden.2 Aber auch der Unterhalt für ein nicht gemeinsames, nach der Trennung geborenes Kind wird vom bedarfsbestimmenden Einkommen vorweg abgezogen.3 Für bis zum 31.12.2007 fällige Unterhaltsansprüche galt nach bis dahin gelten- 165 dem Recht, dass ein Vorabzug des Kindesunterhalts unterblieb, wenn dadurch ein Missverhältnis beim Lebensbedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten ent-
1 BGH, FamRZ 2004, 1357 (1359); 1984, 149 ff.; 1982, 892 ff.; OLG Hamm, FamRZ 1997, 944. Ausführlich zur früheren Bedeutung des trennungsbedingten Mehrbedarfs Wendl/ Dose/Gerhardt, § 4 Rz. 406. 2 BGH, FamRZ 1991, 1163 (1164) für Unterhaltsleistungen durch den Berechtigten; BGH, FamRZ 1990, 979; 1987, 456 (458 f.) für Leistungen des Verpflichteten. 3 BGH, FamRZ 1994, 87 ff.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
stünde, denn bis zu diesem Zeitpunkt waren die Ansprüche von Kindern und Ehegatten gleichrangig (§ 1609 Abs. 2 BGB a.F.).1 Ein Missverhältnis lag vor, wenn nach Abzug des Kindesunterhalts nicht genügend Geld übrig blieb für den notwendigen Eigenbedarf des Ehegatten. Dann war eine Mangelfallberechnung durchzuführen.2 Außerdem wurde der Tabellenunterhalt ohne Berücksichtigung des Kindergeldanteils in die Berechnung einbezogen, denn das Kindergeld sollte zwar zur Existenzsicherung des Kindes beitragen, hatte aber gleichzeitig die Aufgabe, Eltern ihre Kindesunterhaltspflicht zu erleichtern, so dass nach der Rechtsprechung des BGH der Kindergeldausgleich bei der Einkommensbereinigung beim Ehegattenunterhalt außer Betracht blieb.3 166
Seit 1.1.2008 sind die Unterhaltsansprüche der minderjährigen und ihnen gleichgestellten privilegierten volljährigen Kinder (§ 1603 Abs. 2 BGB) vorrangig gegenüber den Ansprüchen von Ehegatten (§ 1609 Nr. 1, 2, 3 BGB), so dass grundsätzlich zunächst der Unterhaltsbedarf der Kinder zu befriedigen und der geschuldete Unterhalt vor der Berechnung des Bedarfs des Ehegatten abzuziehen ist. Dabei wird seit 1.1.2008 das (anteilige) Kindergeld entsprechend der seitdem geltenden Fassung des § 1612b Abs. 1 BGB vom Bedarf des Kindes abgezogen (vgl. Kap. A Rz. 285 ff.), so dass nur der Zahlbetrag vom Einkommen des zahlungspflichtigen Elternteils abzuziehen ist.4
167
Voraussetzung für den Abzug des Kindesunterhalts ist die tatsächliche Zahlung des Kindesunterhalts. Bei titulierten Unterhaltsansprüchen ist ein Nachweis der Zahlung nicht geboten. Liegt der titulierte Betrag höher als der tatsächlich nach der Tabelle geschuldete Unterhalt, kann für die Zukunft nur der materiellrechtlich geschuldete Unterhalt abgezogen werden; denn der Verpflichtete hat die Möglichkeit, auf eine Abänderung des Titels hinzuwirken.
168
Betreut ein Ehegatte ein gemeinsames Kind, wird diese Unterhaltsleistung – trotz der in § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB gesetzlich geregelten Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt – nicht wie der vom anderen Elternteil gezahlte Barunterhalt von seinem Einkommen abgezogen.5 Der Betreuungsleistung wird im Rahmen des Ehegattenunterhaltsrechtsverhältnisses in anderer Weise Rechnung getragen: So kann der betreuende erwerbstätige Ehegatte regelmäßige Kosten, die für die Betreuung des Kindes anfallen, einkommensmindernd geltend machen.6 Ist der betreuende Ehegatte überobligatorisch erwerbstätig, wird ihm ein Teil des Einkommens anrechnungsfrei belassen.7 Dies geschieht aufseiten des Unterhaltspflichtigen gem. § 242 BGB durch Abzug eines anrechnungsfreien Betrags (Betreuungsbonus), dessen Höhe unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse und Erschwernisse, die eine Erwerbstätigkeit 1 2 3 4
BGH, FamRZ 1981, 241 (242); 1987, 456 (459); 1999, 367 (368 f.). S. dazu die Rz. 413, 148 der 6. Aufl. dieses Buches. BGH, FamRZ 1997, 806 ff.; zur Verfassungsgemäßheit BVerfGE 108, 52 ff. (80). BGH, FamRZ 2009, 1300 (1304 f.), m. Anm. Schürmann S. 1306 f.; Dose, FamRZ 2007, 1289 (1292); Gerhardt/Gutdeutsch, FamRZ 2007, 778 (779). Zur Verfassungsgemäßheit von § 1612b BGB BVerfG FamRZ 2011, 1140 Tz. 47 ff. 5 BGH, FamRZ 2013, 109 Tz. 25; 2006, 1597, 1599. 6 Kindergartenkosten sind nach geänderter Rechtsprechung des BGH rechtlich grundsätzlich dem Bedarf des Kindes zuzuordnen, FamRZ 2008, 1152 (1153 f.) m. Anm. Born, S. 1155. 7 Grundlegend dazu BGH, FamRZ 1982, 778 (780); aus jüngster Zeit BGH, FamRZ 2001, 350 (352) m.w.N.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
neben der Kinderbetreuung mit sich bringt, zu schätzen ist. S. dazu Rz. 96 f. Betreut der Unterhaltsberechtigte das Kind, bleibt ebenfalls ein Teil des Einkommens aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit außer Ansatz (Rz. 98 f.), wobei für die Schätzung des Betrags die gleichen Grundsätze gelten, wie für den betreuenden Unterhaltspflichtigen, allerdings in entsprechender Anwendung von § 1577 Abs. 2 BGB. Vgl. zu den Schätzkriterien Rz. 96. Zahlt der barunterhaltspflichtige Elternteil keinen Kindesunterhalt, kann der 169 betreuende Elternteil den von ihm erbrachten Barunterhalt in Höhe des nach seinem eigenen Einkommen geschuldeten Tabellenbarunterhalts, abzüglich des anteiligen Kindergelds, einkommensmindernd abziehen.1 Unterhaltszahlungen für volljährige Kinder werden ebenfalls abgezogen, da auch 170 dieses Geld bei intakter Ehe nicht für den Bedarf der Ehegatten zur Verfügung gestanden und den Lebenszuschnitt bestimmt hat.2 Dies gilt sowohl hinsichtlich der Unterhaltsansprüche volljähriger Schüler, die noch im Haushalt eines Elternteils leben und den minderjährigen Kindern gleichgestellt sind, als auch bei volljährigen Kindern mit eigenem Haushalt. Beispiel V hat ein Einkommen von 2 000 Euro, seine Ehefrau F von 1 000 Euro. Der volljährige gemeinsame Sohn S hat einen Unterhaltsbedarf von 400 Euro. Bei einem angemessenen Eigenbedarf (Selbstbehalt) von Eltern gegenüber volljährigen Kindern i.H.v. von 1 200 Euro ist nur V zur Zahlung des 400 Euro Kindesunterhalt leistungsfähig. Für die Berechnung des Trennungsunterhaltsanspruchs ist bei V der Kindesunterhalt einkommensmindernd abzuziehen, obwohl der Anspruch des Kindes gegenüber der Ehefrau nachrangig ist, denn bei dem Kindesunterhalt handelt es sich um eine eheprägende Verbindlichkeit.
Führt der Vorwegabzug des Unterhalts eines volljährigen Kindes vom Einkommen des Verpflichteten dazu, dass der Anspruch des Ehegatten so geschmälert wird, dass ein Missverhältnis entsteht und dessen eigener angemessener Unterhaltsbedarf nicht ausreichend gewahrt ist, ergeben sich unterschiedliche Rechtsfolgen, die von dem Rangverhältnis der zu befriedigenden Unterhaltsansprüche abhängen und auf der Ebene der Leistungsfähigkeit im Rahmen der Angemessenheitsprüfung des Unterhalts zu berücksichtigen sind. Handelt es sich um Unterhalt für ein nach § 1603 Abs. 2 BGB privilegiertes Kind, dessen Anspruch vorrangig ist gegenüber dem Anspruch eines Ehegatten (§ 1609 Nr. 1 und 2 BGB), bleibt es im Grundsatz bei dem durch Vorabzug errechneten Ergebnis. Zu prüfen ist jedoch, ob sich für den Trennungsunterhalt ein angemesseneres Ergebnis erzielen lässt, wenn der Kindesunterhalt nur nach der Einkommensgruppe 1 der DT bestimmt wird. Bei einem nicht privilegierten Volljährigen ist der Trennungsunterhalt so zu korrigieren, dass der notwendige bzw. angemessene Eigenbedarf des unterhaltsbedürftigen Ehegatten gewahrt ist. In dem Fall geht das Kind ggfs. leer aus bzw. muss sich mit dem begnügen, was nach Befriedigung des Bedarfs des Ehegatten übrig bleibt, denn der Ehegatte ist vorrangig unterhaltsberechtigt (§ 1609 Nr. 2, 3, 4 BGB).3 Kosten, die bei der Ausübung des Umgangsrechts entstehen, z.B. für Lebensmit- 171 tel, Kinokarten etc. gehören in der Regel zu den allgemeinen Lebenshaltungs1 BGH, FamRZ 1991, 182. 2 BGH, FamRZ 2013, 191 Tz. 31; 1990, 979 (980). 3 BGH, FamRZ 2003, 860; FamRZ 1991, 1163; FamRZ 1986, 553 (555).
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
kosten und sind nicht abzugsfähig. Entstehen hingegen besondere Kosten aufgrund des Umgangs, wie z.B. hohe Fahrtkosten kommt ein Abzug dann in Betracht, wenn dem umgangsberechtigten Elternteil nach Abzug des Unterhalts keine über den Selbstbehalt liegende Mittel verbleiben würden, um die Umgangskosten zu finanzieren und die Durchführung des Umgangs deshalb scheitern müsste.1 172
Nach bis zum 31.12.2007 geltendem Recht war noch zunächst jeweils zu prüfen, ob der Umgangsberechtigte die Kosten nicht aus dem auf ihn entfallenden Kindergeldanteil bestreiten konnte, der bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts unberücksichtigt blieb, weil der Kindesunterhalt ohne Kindergeldabzug einkommensmindernd berücksichtigt wurde. Nur wenn das Kindergeld für die Umgangskosten nicht reichte oder ein Mangelfall vorlag und dem Kind gem. § 1612b Abs. 5 BGB a.F. das Kindergeld allein zufloss, kam ein Abzug der Kosten vom Einkommen in Betracht, wenn anderenfalls der Selbstbehalt nicht gewahrt worden wäre oder der Eigenbedarf entsprechend erhöht wurde (Kap. A Rz. 224).2
173
Für die Berechnung des Unterhalts für die Zeit ab 1.1.2008 gilt: Nach der gesetzlichen Neuregelung in § 1612b BGB wird das anteilige Kindergeld dem Kind bedarfsdeckend angerechnet und der Verpflichtete hat nur den insoweit gekürzten Kindesunterhalt zu zahlen. Auch ihm kommt das hälftige Kindergeld dadurch als finanzielle Entlastung zugute, so dass er bei vorhandenen Mitteln daraus die Umgangskosten bestreiten kann. Da bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts der Kindesunterhalt in der tatsächlich gezahlten Höhe, d.h. nach Abzug des anteiligen Kindergelds, berücksichtigt wird (Rz. 166),3 entfällt jedoch der finanzielle Vorteil des anteiligen Kindergelds teilweise durch einen höheren Unterhalt des Ehegatten. Deshalb wird für die Berechnung absetzbarer Umgangskosten der Anteil des Kindergeldvorteils, der dem Unterhaltspflichtigen noch verbleiben würde, von den Umgangskosten abgezogen und die danach verbleibenden Kosten können entweder einkommensmindernd abgezogen oder den Selbstbehalt erhöhend aufgeschlagen werden. Ist der Halbteilungsgrundsatz durch einen Erwerbstätigenbonus von 10 % zugunsten des Unterhaltspflichtigen modifiziert und beträgt das Kindergeld 184 Euro, verbleiben beim Unterhaltspflichtigen 50,60 Euro (184 / 2 × 55 % = 50,60 Euro). Nur die deutlich diesen Betrag übersteigenden Umgangskosten können als besondere Aufwendungen einkommensmindernd abgezogen oder den angemessenen Eigenbedarf erhöhend berücksichtigt werden.4
174
Beispiel Nach Abzug des Kindesunterhalts i.H.v. 257 Euro (349 – 92 anteiliges Kindesgeld = 257 Euro) verbleiben V 1 600 Euro. Für den Umgang entstehen ihm monatlich Übernachtungskosten von 100 Euro. Für die Berechnung des Ehegattenunterhalts, der nach den LL mit einem Erwerbstätigenbonus von 1/ 7 , also einer Quote 3/ 7 zu 4/7 berechnet wird, sind Umgangskosten i.H.v. 39 Euro abzugsfähig aufgrund folgender Berechnung: Da der Kindesunterhalt, gemindert um das halbe Kindergeld, von seinem Einkommen abgezogen wurde, würde ihm wegen des Vorabzugs des gekürzten Kindesunterhalts noch eine finanzielle
1 BGH, FamRZ 2007, 193 ff.; 2005, 706 (708); BVerfG, FamRZ 2002, 809. Zur früheren Rspr. vgl. BGH, FamRZ 1995, 215 m. krit. Anm. Weychardt, S. 539 f. 2 BGH, FamRZ 2005, 706; 2007, 193 (194). 3 FamRZ 2009, 1300 (1306); m. Anm. Schürmann, S. 1306. 4 BGH, FamRZ 2009, 1391 (1396), Tz. 41. Wendl/Dose § 1 Rz. 1085; OLG Brandenburg, FamFR 2011, 154; MünchKomm.BGB/Maurer, § 1578 BGB Rz. 75.
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III. Die Berechnung des Unterhalts Entlastung durch das anteilige Kindergeld i.H.v. 53 Euro verbleiben, den er für Umgangskosten verwenden kann. In Höhe von 39 Euro fließt der Vorteil in den Ehegattenunterhalt mit ein, für den er mit 3/ 7 haftet: 184 / 2 * 4/7 = 53 Euro. 92 – 53 = 39 Euro.
Das OLG Stuttgart macht den Abzug noch von der wirtschaftlichen Gesamt- 175 situation des Verpflichteten abhängig und sieht z.B. von einem Abzug ab, wenn dieser Übernachtungskosten i.H.v. monatlich 170 Euro auch nach Abzug des Kindes- und Ehegattenunterhalts noch ohne Weiteres aus dem ihm verbleibenden Einkommen von 3 100 Euro bestreiten kann.1 Dieser Auffassung ist zuzustimmen, denn verbleibt dem Unterhaltspflichtigen bei Erfüllung seiner Verbindlichkeiten – einschließlich des zu zahlenden Unterhalts – ein deutlich über dem angemessenen Selbstbehalt liegender Betrag, ist es zumutbar, dass anfallende Umgangskosten aus den allgemeinen Lebenshaltungskosten bestritten werden.2 Vgl. dazu auch die Ausführungen zum Abzug von Umgangskosten beim Ein- 176 kommen des kindesunterhaltspflichtigen Elternteils unter Kap. A Rz. 224. 4. Berechnung des Bedarfs des Unterhaltsberechtigten (Quotenunterhalt) mit Beispielen Von dem ermittelten bedarfsbestimmenden Einkommen steht jedem Ehegatten 177 die Hälfte zu. Da nach der Rechtsprechung des BGH von dem Halbteilungsgrundsatz maßvoll abgewichen werden kann (Rz. 17 f.), ist zu beachten, dass das Einkommen aus Erwerbstätigkeit – soweit vorhanden bei beiden Ehegatten – noch jeweils um einen Erwerbstätigenbonus zu bereinigen ist. Üblich ist der Abzug von 1/ 7 , zunehmend auch von 1/10, so dass nur jeweils 6/ 7 bzw. 9/10 des Einkommens aus Erwerbstätigkeit in die Berechnung des Quotenunterhalts mit einfließen. Dem Erwerbstätigen soll ein maßvoll die Hälfte übersteigender Betrag seines Arbeitseinkommens als Anreiz für die Erwerbstätigkeit zustehen.3 Dieser sog. Erwerbstätigenbonus wird immer aus dem bereits um Verbindlichkeiten bereinigten Einkommen berechnet und davon abgezogen.4 Rechtlich unbedenklich ist auch eine abweichende, z.B. geringere Bemessung des Bonus oder ihn gar nicht abzuziehen, wenn berufsbedingte Aufwendungen bereits konkret berechnet berücksichtigt wurden und die wirtschaftlichen Verhältnisse eng sind.5 Im Einzelfall bleibt die Bemessung des Bonus eine Ermessensentscheidung des Tatrichters unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse.6 Der Nr. 15.2 der Leitlinien des zuständigen OLG kann die örtlich übliche Höhe des Erwerbstätigenbonus, Nr. 10.2 die Handhabung des Abzugs berufsbedingter Aufwendungen entnommen werden. Bei allen anderen Einkünften, z.B. aus Kapital, aber auch Pensionen und Renten 178 gilt der Grundsatz der Halbteilung uneingeschränkt. Ein Erwerbstätigenbonus wird nicht abgezogen. Dies soll auch für die konkrete Bedarfsberechnung des Be-
1 2 3 4 5 6
OLG Saarbrücken, Urt. v. 11.11.2010 – 6 UF 63/10, juris. BGH, FamRZ 2014, 917 Tz. 36; 2006, 1015, 1018. BGH, FamRZ 1989, 842 ff. BGH, FamRZ 1997, 806 (807). BGH, FamRZ 1990, 1090 (1091). BGH, FamRZ 1997, 806 (807).
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335
E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
rechtigten gelten, die bei überdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen in Betracht kommt (Rz. 119 ff.).1 179
Der Erwerbstätigenbonus wird nur bei der Bedarfsberechnung vom Erwerbseinkommen abgezogen, nicht hingegen bei der nachfolgenden Prüfung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten, bei der zu klären ist, ob dem Verpflichteten bei Erfüllung seiner Leistungspflicht der ihm zustehende Eigenbedarf gewahrt ist. Denn bei dem Bonus handelt sich nicht um eine abzugsfähige Verbindlichkeit, sondern er stellt lediglich eine Modifizierung des Halbteilungsgrundsatzes für die Ermittlung des Bedarfs dar. Deshalb ist bei der Eigenbedarfskontrolle der errechnete Unterhalt immer nur von dem um berufsbedingte Aufwendungen und Verbindlichkeiten bereinigten Einkommen des Verpflichteten – ohne Abzug des Erwerbstätigenbonus – abziehen. a) Berechnung mit der Additions- und Differenzmethode
180
Die Berechnung des Bedarfs durch Teilung des addierten prägenden Einkommens und Anrechnung der Eigeneinkünfte des Bedürftigen aus prägenden und nichtprägenden Einkünften auf diesen Bedarf wird als Additionsmethode bezeichnet.
181
Die Berechnung erfolgt bei Halbteilung in 2 Schritten: 1. Bedarf = Summe des eheprägenden bereinigten Einkommens aus Erwerbseinkommen (nach Abzug des Erwerbstätigenbonus) und sonstigen eheprägenden Einkünften beider Ehegatten geteilt durch 2. 2. Bedürftigkeit (ungedeckter Bedarf) des Anspruchstellers = Bedarf abzüglich sämtlicher Einkünfte des Bedürftigen (des eheprägenden und nichtprägenden bereinigten Einkommens aus Erwerbseinkommen nach Abzug des Erwerbstätigenbonus und sonstigen prägenden und nichtprägenden bereinigten Einkünften).
182
Die Additionsmethode, die sich mit zunehmender Differenzierung des Unterhaltsrechts in der Rechtsprechung durchgesetzt hat und vom BGH gebilligt worden ist,2 bietet gegenüber der früher vorherrschenden sog. Differenzmethode den Vorteil, dass sich vor allem bei Mischeinkünften aus Erwerbstätigkeit und sonstigen Einkünften sowie prägenden und nichtprägenden Einkünften durch den Aufbau der Berechnung Fehler leichter vermeiden lassen (s. dazu das Beispiel Rz. 189).
183
Die Differenzmethode kommt jedoch in Kombination mit der Anrechnungsmethode zu gleichen Ergebnissen. Der Bedarf wird danach in folgenden zwei Arbeitsschritten berechnet: 1. Bedarf = Summe von 3/ 7 der Differenz zwischen dem prägenden Erwerbseinkommen und 1/2 der sonstigen eheprägenden Einkünfte (Differenzmethode). 2. Bedürftigkeit (ungedeckter Bedarf) = Bedarf abzüglich nichtprägende Einkünfte des Anspruchstellers (Anrechnungsmethode).
1 BGH, FamRZ 2011, 192. 2 BGH, FamRZ 1997, 806. Grundlegend zur Additionsmethode und Abgrenzung anderer Berechnungsmethoden Mayer, FamRZ 1992, 138.
336 Ehinger
III. Die Berechnung des Unterhalts
b) Beispiele zur Berechnung des Bedarfs In den nachfolgenden Beispielen wird der Bedarf mit dem die ehelichen Lebens- 184 verhältnisse prägendem Einkommen anhand der Additions- und Differenzmethode errechnet. Von dem auf den Anspruchsteller entfallenden hälftigen Anteil am Bedarf wird dann – soweit vorhanden – sein eheprägendes Einkommen abgezogen. Mit diesem Rechenschritt wird die Bedürftigkeit des Anspruchstellers geklärt, d.h. inwieweit ein noch ungedeckter Unterhaltsbedarf für ihn besteht. Verfügt er noch über weitere nichtprägende Einkünfte, werden auch diese abgezogen. Besonderheiten gelten bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit. Zu den Einzelheiten der Bedürftigkeitsprüfung s. Rz. 197 ff. Immer ist abschließend die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zu prüfen und 185 eine Eigenbedarfs- und Angemessenheitskontrolle durchzuführen, denn der Unterhalt ist in der Höhe durch die Leistungsfähigkeit des Schuldners begrenzt. Die Leistungsfähigkeit findet ihre untere Grenze an dem angemessenen Eigenbedarf des Verpflichteten, der ihm mindestens zustehen soll. Er ist geregelt in Anm. B IV der DT und Nr. 21.4 der LL der OLG. In den nachstehenden Beispielen wird der gesamte Prüfungsvorgang einschließ- 186 lich der Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit dargestellt, wobei als untere Grenze von einem angemessenen Eigenbedarf des Verpflichteten von 1 100 Euro ausgegangen wurde (Stand der LL zum 1.1.2014). Einzelheiten zu den Prüfungsabschnitten Bedürftigkeit sind unter den Rz. 197 ff. und zur Leistungsfähigkeit unter den Rz. 211 ff. behandelt. aa) Beispiel Alleinverdienerehe M erzielt ein Nettoeinkommen von 2 200 Euro, F hat kein Einkommen und betreut ein gemeinsames Kind. Einkommen M aus Erwerbstätigkeit abzüglich 5 % berufsbedingte Aufwendungen
2 200 Euro 110 Euro 2 090 Euro 257 Euro
abzüglich Kindesunterhalt (3. Einkommensgruppe 1. Altersstufe, abzüglich halbes Kindergeld) bereinigtes Einkommen abzüglich 1/ 7 Erwerbstätigenbonus ergibt ein bedarfsbestimmendes Einkommen von Der Bedarf der F beträgt die Hälfte.
1 833 Euro 262 Euro 1 571 Euro 786 Euro
Bedürftigkeit: F ist in dieser Höhe auch bedürftig, da sie keine eigenen anrechenbaren Einkünfte hat Leistungsfähigkeit: Die Leistungsfähigkeit des M ist eingeschränkt, denn ihm verbleibt nach Abzug des ungedeckten Bedarfs der F nicht sein Eigenbedarf von 1 100 Euro: 1 833 Euro – 786 Euro = 1 047 Euro. Der Bedarf ist deshalb um 53 Euro zu kürzen, so dass geschuldet sind: 733 Euro.
733 Euro
Angemessenheitskontrolle: Bei Kürzung des Kindesunterhalts auf den Mindestunterhalt kann der Ehegattenunterhalt noch um 32 Euro erhöht werden (Rz. 227). Berechnung nach der Differenzmethode: Bereinigtes Einkommen des M 1 833 Euro × 3/ 7 = aufgerundet 786 Euro. Da der Eigenbedarf nicht gewahrt ist, ist der Bedarf auf 733 Euro zu kürzen.
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337
187
E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
bb) Beispiel Doppelverdienerehe mit Einkünften aus Erwerbstätigkeit 188
M erzielt ein Nettoeinkommen von 2 500 Euro, F übt eine Teilzeitbeschäftigung aus und verdient 800 Euro. Sie betreut ein gemeinsames Kind. Einkommen M aus Erwerbstätigkeit abzüglich 5 % berufsbedingte Aufwendungen abzüglich Kreditrate abzüglich Kindesunterhalt 3. Einkommensgruppe, 1. Altersstufe abzüglich halbes Kindergeld bereinigtes Einkommen abzüglich 1/ 7 Erwerbstätigenbonus (vereinfacht 1968 * 6/ 7 = 1 687 Euro) bedarfsbestimmendes Einkommen des M Einkommen F aus Erwerbstätigkeit abzüglich Fahrkosten konkret berechnet abzüglich Kreditrate abzüglich Betreuungskosten bereinigtes Einkommen F abzüglich 1/ 7 Erwerbstätigenbonus bedarfsbestimmendes Einkommen der F
2 500 Euro 125 Euro 2 375 Euro 150 Euro 2 225 Euro 257 Euro 1 968 Euro 281 Euro 1 687 Euro 800 Euro 50 Euro 750 Euro 180 Euro 50 Euro 520 Euro 74 Euro 446 Euro
Bedarfsberechnung bedarfsbestimmendes Einkommen M bedarfsbestimmendes Einkommen F bedarfsbestimmendes Gesamteinkommen der Ehegatten
1 687 Euro 446 Euro 2 133 Euro
Bedarf der F i.H. der Hälfte
1 066 Euro
Bedürftigkeit: Abzuziehen sind die eigenen Einkünfte von F der ungedeckte Bedarf der F beträgt
446 Euro 620 Euro
Leistungsfähigkeit: Die Leistungsfähigkeit des M ist nicht eingeschränkt, denn ihm verbleibt nach Abzug des ungedeckten Bedarfs der F sein Eigenbedarf von 1 100 Euro : 1 968 Euro – 620 Euro = 1 348 Euro. Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit bleibt beim Einkommen des M der Erwerbstätigenbonus unberücksichtigt. Berechnung nach der Differenzmethode: Anrechenbares Einkommen M 1 968 Euro – anrechenbares Einkommen F 520 Euro = 1 148 Euro × 3/ 7 = 520 Euro (Differenzmethode).
cc) Beispiel Doppelverdienerehe mit Einkünften aus Erwerbstätigkeit und sonstigen Einkünften 189
M erzielt nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen ein Nettoeinkommen von 2 500 Euro, F von 600 Euro. M hat außerdem Einkünfte aus Vermögen i.H.v. 200 Euro. In die nachfolgende Berechnung wird das Einkommen aus Erwerbstätigkeit um den Erwerbstätigenbonus i. H. eines 1/ 7 gekürzt in die Rechnung eingestellt; die Einkünfte aus Vermögen dagegen in voller Höhe: Einkommen des M aus Erwerbstätigkeit nach Abzug von berufsbedingten Aufwendungen abzüglich Erwerbstätigenbonus i.H.v. 1/ 7 (kürzer: 2 500 * 6/ 9 =) zuzüglich Einkünfte aus Vermögen bedarfsbestimmendes Gesamteinkommen M
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2 500 Euro 357 Euro 2 143 Euro 200 Euro 2 343 Euro
III. Die Berechnung des Unterhalts Einkommen der F aus Erwerbstätigkeit nach Abzug von berufsbedingten Aufwendungen abzüglich Erwerbstätigenbonus i.H.v. 1/ 7 bedarfsbestimmendes Einkommen F bedarfsbestimmendes Gesamteinkommen der Ehegatten Bedarf der F i.H. der Hälfte Bedürftigkeit: abzuziehen sind die eigenen Einkünfte von F Ungedeckter Bedarf der F
600 Euro 86 Euro 514 Euro 2 857 Euro 1 429 Euro 514 Euro 915 Euro
Leistungsfähigkeit: M ist leistungsfähig, denn ihm verbleibt nach Abzug des ungedeckten Bedarfs von F sein eheangemessener Eigenbedarf: 2 700 Euro – 915 Euro = 1 785 Euro. Berechnung nach der Differenzmethode: Anrechenbares Einkommen M aus Erwerbstätigkeit 2 500 Euro – 600 Euro (Einkommen aus Erwerbstätigkeit) = 1 900 Euro × 3/ 7 = aufgerundet 815 Euro. Einkommen M aus Vermögen 200 Euro : 2 = 100 Euro. Gesamtanspruch F aufgerundet 815 Euro + 100 Euro = 915 Euro (Differenzmethode).
5. Berechnung des Bedarfs bei konkurrierenden Unterhaltsansprüchen von getrennt lebenden und geschiedenen Ehegatten Ist der Unterhaltspflichtige neben seinem getrennt lebenden Ehegatten noch ei- 190 nem geschiedenen Ehegatten unterhaltspflichtig, so ist der Bedarf jedes Berechtigten nach der korrigierten Rechtsprechung des BGH nicht mehr im Wege der Dreiteilung des Gesamteinkommens des Verpflichteten und beider Unterhaltsberechtigten zu berechnen, sondern jeweils am Maßstab der individuellen ehelichen Lebensverhältnisse der geschiedenen und der bestehenden Ehe (§§ 1578 Abs. 1 und 1361 Abs. 1 BGB).1 Aus den unterschiedlichen Anknüpfungspunkten für die Bedarfsbestimmung 191 des geschiedenen Ehegatten in § 1578 Abs. 1 BGB und des getrennt lebenden nach § 1361 Abs. 1 BGB ergeben sich auch unterschiedliche Konsequenzen für das in die Bedarfsberechnung einzustellende Einkommen: Für den Bedarf der geschiedenen Ehefrau ist auf die zum Zeitpunkt der Schei- 192 dung der früheren Ehe bestehenden eheprägenden Verhältnisse abzustellen. Zwar sind zwischenzeitlich eingetretene Erhöhungen des Einkommens zu berücksichtigen, nicht aber, soweit sie auf einem ungewöhnlichen und während des Zusammenlebens nicht absehbaren Verlauf beruhen, wie das z.B. bei Karrieresprüngen der Fall ist. Unterhaltsansprüche von nach der Scheidung geborenen Kindern des Verpflichteten werden nicht auf der Ebene des bedarfsbestimmenden Einkommens berücksichtigt. Soweit der unterhaltsberechtigte Ehegatte Einkommen erzielt, das als Surrogat an die Stelle von früher geleisteter Familienarbeit getreten ist, wird es berücksichtigt (Rz. 95), ebenso Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit, soweit es gem. § 1577 Abs. 2 BGB anrechenbar ist. Nicht einzubeziehen sind steuerliche Vorteile, die der Verpflichtete aufgrund der noch bestehenden Ehe erhält.2 Für den Bedarf der getrennt lebenden Ehefrau ist auf das bereinigte Einkommen 193 einschließlich der steuerlichen Vergünstigungen für die bestehende Ehe abzustellen, abzüglich des eheprägenden Unterhaltsanspruchs der früheren Ehefrau.3 1 BGH, FamRZ 2008, 1911 (1914 f.). 2 BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 26. 3 BGH, FamRZ 2008, 1911 (1914 f.); 2009, 579 ff. (Karrieresprung, Splittingvorteil).
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339
E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
Im Übrigen kann auf die Ausführungen zum bedarfsbestimmenden Einkommen unter Rz. 69 ff. Bezug genommen werden. 194
Diese Differenzierungen beim bedarfsbestimmenden Einkommen gelten nicht mehr im Rahmen der Überprüfung der Leistungsfähigkeit, denn insoweit hat eine Überprüfung der Angemessenheit der Unterhaltsverteilung zu erfolgen, bei der auch nicht prägende Verbindlichkeiten und nicht prägendes Einkommen im Rahmen einer umfassenden Billigkeitsabwägung zu berücksichtigen sind.1 Des Weiteren ist das Rangverhältnis zwischen den Ansprüchen der Berechtigten von Bedeutung, insbesondere wenn die Mittel nicht zur Befriedigung aller Ansprüche ausreichen. Ausführlich zur Leistungsfähigkeit im Mangelfall s. Rz. 239 ff. a) Beispiel: Der Verpflichtete ist Alleinverdiener
195
Einkommen des Ehemannes – im Verhältnis zur früheren Ehefrau F1: Besteuerung nach Steuerklasse 1(fiktiv): 2 500 Euro – im Verhältnis zur getrennt lebenden Ehefrau F2: Besteuerung nach Steuerklasse 3 (fiktiv): 3 000 Euro Beide Ehefrauen haben kein Einkommen und sind gleichrangig unterhaltsberechtigt. Zur Vereinfachung wird ohne Erwerbstätigenbonus gerechnet. Bedarf F1 Einkommen M Ehefrau F1 Bedarf i.H. der Hälfte
2 500 Euro 0 Euro 1 250 Euro
Bedarf F2 Einkommen M abzügl. Unterhalt F1 i.H.v. 1 250 Euro bereinigtes Einkommen Bedarf i.H. der Hälfte
3 000 Euro 1 250 Euro 1 750 Euro 875 Euro
Gesamtbedarf für F1 und F2 Leistungskontrolle 3 000 – 2 125 = Der angemessene Eigenbedarf von M i.H.v. 1 100 Euro ist nicht gewahrt
2 125 Euro 875 Euro
Reichen die Mittel des Verpflichteten nicht aus, um die Bedarfsbeträge zu befriedigen, ist im Rahmen der Leistungsfähigkeit eine umfassenden Angemessenheits- und Billigkeitsprüfung anzustellen und zu entscheiden, wie die zur Verfügung stehenden Mittel angemessen unter den Beteiligten zu verteilen sind (§ 1581 BGB in entsprechender Anwendung). S. dazu die Beispiele im Mangelfall bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit Rz. 244 ff., Rz. 247 ff.
b) Beispiel: Doppelverdienerehe und ein früherer Ehegatte 196
Einkommen des Ehemannes: – im Verhältnis zur früheren Ehefrau F1: Besteuerung nach Steuerklasse 1(fiktiv): 2 500 Euro – im Verhältnis zur getrennt lebenden Ehefrau F2: Besteuerung nach Steuerklasse 3(fiktiv): 3 000 Euro Einkommen F1: 0 Euro Einkommen F2: 1 000 Euro 1 BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 47 f.
340 Ehinger
III. Die Berechnung des Unterhalts Bedarf der geschiedenen F1: Einkommen des M, um berufsbedingte Aufwendungen bereinigt Einkommen der geschiedenen Ehefrau F1 bedarfsbestimmendes Einkommen Bedarf der F1 i.H. von 3/ 7 der Eigenbedarf von M ist gewahrt
2 500 Euro 0 Euro 2 500 Euro 1 071 Euro
Bedarf der getrennt lebenden F2: Einkommen des M, um berufsbedingte Aufwendungen bereinigt abzüglich Unterhalt für F1 bedarfsbestimmendes Einkommen des M Einkommen der F2, um berufsbedingte Aufwendungen bereinigt
3 000 Euro 1 071 Euro 1 929 Euro 1 000 Euro
Differenz der Einkommen 1 929 – 1000 = Bedarf der F2 i.H. von 3/ 7
929 Euro 398 Euro
Eigenbedarfs- und Angemessenheitskontrolle Summe der Ansprüche F1 und F2 1 071 + 398 =
1 469 Euro
Zieht man den Gesamtbedarf von 1 469 Euro von dem Einkommen von 2 500 Euro ab, ist der Eigenbedarf von M nicht gewahrt, denn ihm verbleiben nur 1 031 Euro, also 69 Euro weniger als ihm mindestens zustünden. Nach der Rechtsprechung des BGH sind jedoch für die Eigenbedarfs- und Angemessenheitsprüfung auf der Leistungsebene sämtliche Einkünfte, also auch nicht bedarfsprägendes Einkommen mitzuberücksichtigen einschließlich des durch Steuervorteile höheren Einkommens aufgrund der bestehenden Ehe.1 Deshalb ist für die Angemessenheitsprüfung von einem Einkommen i.H.v. 3 000 Euro auszugehen. Danach verbleiben V bei Erfüllung der gesamten Unterhaltsansprüche 1 531 Euro, also deutlich mehr als der angemessene Eigenbedarf, so dass das Ergebnis für M angemessen ist. Im Rahmen der Leistungsfähigkeit ist noch über die Angemessenheit der konkurrierenden Unterhaltsansprüche zu entscheiden.
6. Bedürftigkeit des Anspruchstellers Der Anspruchsteller ist bedürftig, wenn er seinen eheangemessenen Bedarf nicht 197 mit eigenen Einkünften aus Erwerbstätigkeit und Vermögen decken kann. Anders als beim Verwandten- und Nacheheunterhalt fehlt zur Bedürftigkeit eine spezielle gesetzliche Regelung für den Trennungsunterhalt. Insoweit kann jedoch auf den allgemeingültigen Grundsatz im Unterhaltsrecht zurückgegriffen werden, wie er in den §§ 1602 und 1577 Abs. 1 BGB konkretisiert ist, nämlich dass unterhaltsbedürftig nur ist, wer außerstande ist, sich selbst aus eigenen Einkünften und Vermögen zu unterhalten.2 Von dem Unterhaltsberechtigten wird grundsätzlich erwartet, dass er seine sämtlichen Einkünfte, ob sie nun die ehelichen Verhältnisse geprägt haben oder nicht, zur Deckung seines Unterhaltsbedarfs verwendet. Deshalb sind seine gesamten Einkünfte von dem errechneten eheangemessenen Bedarf abzuziehen, soweit sie nicht auf einer unzumutbaren Erwerbstätigkeit beruhen. Insoweit gelten Besonderheiten, die nachfolgend unter Rz. 207 behandelt werden. Maßgeblich sind für die Klärung der Bedürftigkeit immer die in dem Unterhalts- 198 zeitraum erzielten Einkünfte (Zuflussprinzip).3 Erhöhen sich später die Einkünfte des Berechtigten, ändert dies nichts an der zuvor bestehenden Bedürftigkeit,
1 BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 47 f. 2 Koch, Rz. 2039. 3 Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 1 Rz. 1388.
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341
E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
denn die erst später zufließenden Mittel standen im Unterhaltszeitraum dem Berechtigten nicht zum Verbrauch zur Verfügung.1 Anderes gilt nur, wenn nachträglich für den maßgeblichen Zeitraum eine Rente bewilligt wird, denn insoweit handelt es sich um ein Erfüllungssurrogat für die gezahlte Unterhaltsrente. Zu dieser speziellen Problematik s. Kap. H Rz. 91 ff. 199
Bei der konkreten Berechnung des ungedeckten Unterhaltsbedarfs ist beim Abzug der Einkünfte darauf zu achten, nach welcher Berechnungsmethode der Bedarf errechnet wurde: Wurde der Bedarf nach der Additionsmethode ermittelt, sind bei der Bedürftigkeitsprüfung sowohl die eheprägenden als auch nichtprägenden Einkünfte abzuziehen (Rz. 181). Bei der Differenzmethode ist Folge der gewählten Berechnungsmethode, dass nur die eheprägenden Einkünfte im Ergebnis berücksichtigt sind, so dass noch die nichtprägenden Einkünfte abzuziehen sind (s. Rz. 183). Mit beiden Methoden kommt man zu denselben Ergebnissen. a) Übersicht zu den bedürftigkeitsmindernden Einkünften
200
Zu den anrechenbaren Einkünften des Berechtigten, die seine Bedürftigkeit in Bezug auf den errechneten eheprägenden Bedarf mindern, gehören alle prägenden und nichtprägenden Einkünfte sowie zumutbar erzielbaren fiktiven Einkünfte. Dies sind: – Einkünfte aus selbstständiger oder nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit, Lohnersatzleistungen wie Krankengeld, Arbeitslosengeld, zum Arbeitslosengeld hinzuverdiente Nebeneinkünfte, Renten und Pensionen. – Einkünfte aus vor oder nach der Trennung erworbenem Vermögen, auch aus Erbschaft. Dazu gehören z.B. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Kapitalerträge wie Zinsen sowie geldwerte Gebrauchsvorteile von Vermögen wie Wohnvorteile für das Bewohnen eines Eigenheims. – Einkünfte aus sozialstaatlichen Leistungen wie zum Beispiel Wohngeld (s. Kap. C Rz. 15), BAföG-Leistungen, Pflegegeld (Kap. A Rz. 71), soweit sie wie Einkommen zu behandeln sind. – Fiktive Einkünfte bei unterhaltsrechtlich vorwerfbarer Nichtausübung zumutbarer Erwerbstätigkeit, unterlassener Nutzung von Vermögen (Rz. 108 ff.). – Einkünfte bei Versorgungsleistungen für einen neuen Partner, soweit diese anstelle einer Erwerbstätigkeit erbracht werden (Rz. 117) bzw. geldwerte Vorteile aufgrund gemeinsamen Wirtschaftens (Synergieeffekt). – Einkünfte aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit, die neben Kindesbetreuung ausgeübt wird, soweit sie nach Billigkeit unterhaltsrelevant ist, s. Rz. 95 ff. – Einkünfte aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit nach Billigkeit (§ 1577 Abs. 2 BGB in entsprechender Anwendung) s. Rz. 90 ff. b) Eheprägende Einkünfte aus Erwerbseinkommen und Vermögen
201
Zu den eheprägenden Einkünften kann auf die Ausführungen zur Klärung des bedarfsbestimmenden Einkommens Bezug genommen, s. Rz. 69 ff. Zur Berücksichtigung von Vermögen gilt Folgendes: 1 BGH v. 6.5.1998 – XII ZR 297/96 (juris).
342 Ehinger
III. Die Berechnung des Unterhalts
Der Bedürftige muss auch sein Vermögen für seine Bedarfsdeckung verwenden. 202 Dies gilt uneingeschränkt für die Einkünfte aus Vermögen. Das Vermögen ist zinsbringend anzulegen. Wird dies versäumt, werden dem bedürftigen Ehegatten erzielbare Zinssätze als fiktive Einkünfte unterstellt. Dabei sind Bankkosten mindernd zu berücksichtigen. Gleiches gilt, wenn das Kapital für Investitionen oder sonstige Ausgaben verwendet wird, die unterhaltsrechtlich nicht anzuerkennen sind. Besteht das Vermögen in einem Miteigentum am Eigenheim, gelten Besonderheiten für die wirtschaftliche Nutzung während der Trennungszeit, s. Rz. 146 ff. Den Stamm des Vermögens braucht der Berechtigte während des Getrennt- 203 lebens jedenfalls nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Interessen unbillig wäre. Diese in § 1577 Abs. 3 BGB für den Nacheheunterhalt maßgebliche Regelung hat im Rahmen des Trennungsunterhalts nur Bedeutung als äußerste Grenze, wann dem getrennt lebenden Ehegatten eine Verwertung seines Vermögens zumutbar ist. Denn da die Ehe noch besteht, darf ein getrennt lebender Ehegatte nicht schlechter stehen als ein geschiedener Ehegatte.1 Ansonsten gilt, da eine explizite Regelung fehlt, dass die Anforderungen an die Verwertung noch wesentlich geringer sind und nicht so weit gehen wie bei geschiedenen Ehegatten, weil während der Trennungszeit noch eine stärkere Einstandspflicht der Ehegatten füreinander besteht und so weitreichende Anforderungen nicht ein Scheitern der Ehe befördern sollen.2 Beispiel Die seit 21 Jahren verheirateten Eheleute sind Miteigentümer eines schuldenfreien Grundstücks. Nach der Trennung lebt die nicht erwerbstätige F mit der Tochter im Haus. F hat ein Sparguthaben von 15 000 Euro als Notgroschen für die Familie angespart. M verdient monatlich 2 000 Euro und hat keine eigenen Ersparnisse. F braucht ihren Unterhaltsbedarf nicht aus den Ersparnissen zu befriedigen und kann Trennungsunterhalt verlangen. Eine Verwertung würde der Familie wirtschaftliche Sicherheit nehmen. Bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen wachsen die Anforderungen an die Pflicht zur Verwertung des Vermögens.3
c) Nichtprägende Einkünfte Auch Einkünfte, die die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt haben, wer- 204 den bedarfsmindernd abgezogen, sind zuvor jedoch – wie die prägenden Einkünfte – zu bereinigen. Bei diesem Prüfungsschritt können auch Verbindlichkeiten berücksichtigt werden, die auf der Bedarfsebene wegen des Maßstabs der ehelichen Lebensverhältnisse nicht abgezogen werden durften. Das können z.B. nach der Trennung aufgenommene Kredite sein, die nicht zwingend erforderlich waren. Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist abschließend um einen Erwerbstätigenbonus zu kürzen. Soweit dem Unterhaltsberechtigten geldwerte Vorteile aufgrund des Zusammenlebens mit einem neuen Partner zufließen, kann es der Billigkeit entsprechen, diese bedarfsmindernd zu berücksichtigen (Synergieeffekte, Rz. 117).
1 So BGH, FamRZ 1985, 360. 2 BGH, FamRZ 1985, 360; ebenso OLG Hamm, FamFR 2012, 345 m. Anm. Ebert. 3 Fall nach BGH, FamRZ 1985, 360.
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343
E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
Einkommen des Anspruchstellers, das beim bedarfsbestimmenden Einkommen nicht berücksichtigt wurde und nun auf den Bedarf angerechnet wird, kann den Unterhaltsanspruch drastisch verringern. aa) Einkünfte aus zumutbarer Erwerbstätigkeit, die nicht dem Normalverlauf entspricht 205
Wechselt der unterhaltsberechtigte Ehegatte nach der Trennung in eine Tätigkeit, die nicht seiner normalen beruflichen Entwicklung entspricht, bleibt eine damit verbundene Einkommenserhöhung für das bedarfsbestimmende Einkommen außer Betracht. In die Bedarfsberechnung wird zunächst als bedarfsbestimmendes Einkommen der frühere Verdienst (zzgl. üblicher Gehaltserhöhungen) eingesetzt, auf den errechneten Bedarf hingegen wird das nunmehr erzielte höhere Einkommen nach Abzug eines Erwerbstätigenbonus angerechnet. Beispiel F arbeitete während des Zusammenlebens als Verkäuferin und erzielte ein Einkommen von 1 000 Euro. Nach der Trennung hatte sie zunächst einen Unterhaltsanspruch gegen M i.H.v. 500 Euro. Ein Jahr nach der Trennung macht sie eine Umschulung und verdient nun monatlich 1 700 Euro als Geschäftsführerin eines Fitnessstudios. F hat keinen Unterhaltsanspruch mehr, weil ihre Bedürftigkeit entfallen ist. Ihr jetziges Einkommen übersteigt ihren eheprägenden Bedarf um 200 Euro.
bb) Sonstige geldwerte Zuwendungen 206
Geldwerte Zuwendungen, mit denen bei normalem Verlauf der Ehe nicht konkret gerechnet werden konnte, muss sich der Bedürftige anrechnen lassen. Beispiel F hat einen Unterhaltsbedarf i.H.v. 600 Euro. Sie erbt von ihren Eltern nach der Trennung 50 000 Euro und erzielt jährliche Zinsen i.H.v. ca. 2 400 Euro. Sie muss sich ein monatliches Einkommen i.H.v. 200 Euro anrechnen lassen, so dass nur noch ein ungedeckter Bedarf i.H.v. 400 Euro besteht.
cc) Besonderheiten bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit 207
Einkünfte aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit, die hinsichtlich ihres unterhaltsrechtlich relevanten Teils dem bedarfsbestimmenden Einkommen zugeordnet wurden und in die Bedarfsberechnung eingeflossen sind, werden vom errechneten Bedarf auf der Bedürftigkeitsebene abgezogen. Keine Anrechnung findet der Teil, der aus Billigkeitsgründen allein dem überobligatorisch tätigen Ehegatten zustehen soll, denn dieser Teil ist unterhaltsrechtlich nicht relevant und bleibt deshalb anrechnungsfrei (s. Rz. 94).
208
Diese Handhabung beruht auf einem Wechsel der Rechtsprechung des BGH zur Behandlung von Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit, die neben der Kindesbetreuung ausgeübt wird, und unterscheidet sich wesentlich von der früheren Praxis, nach der das gesamte Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit nicht dem bedarfsbestimmenden Einkommen zugeordnet wurde und nur auf der Bedürftigkeitsebene nach Billigkeit der Betrag bestimmt wurde, der auf den Bedarf angerechnet wurde. Der BGH hat in den Urteilen vom 22.1.20031 1 BGH, Urt. v. 22.1.2003 – XII ZR 186/01, FamRZ 2003, 518 ff.
344 Ehinger
III. Die Berechnung des Unterhalts
und 13.4.20051, in denen der Wandel vollzogen wurde, zwar ausdrücklich klargestellt, dass das Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit nicht dem eheprägenden Einkommen hinzuzurechnen ist. Davon auszunehmen sei jedoch der Teil, der unterhaltsrechtlich relevant und nach § 1577 Abs. 2, § 242 BGB dem Berechtigten als Einkommen zuzurechnen ist2. Die Änderung der Rechtsprechung ist im Zusammenhang zu sehen mit dem grundlegenden Wechsel der Rechtsprechung des BGH bei der Behandlung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit, wenn dieses an die Stelle von Familienarbeit tritt (s. Rz. 70).3 Für Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit neben der Kindesbetreuung gilt, dass der Teil des Einkommens, der unterhaltsrechtlich relevant ist, als Surrogat an die Stelle früher geleisteter Hausarbeit und Kinderziehung tritt, somit Teil des bedarfsprägenden ehelichen Einkommens ist und deshalb auch auf der Bedürftigkeitsebene abzuziehen ist. Der unterhaltsrechtlich nicht relevante Teil des Einkommens bleibt vollkommen unberücksichtigt. Die gleichen Grundsätze gelten für Einkünfte aus Erwerbstätigkeiten, die aus 209 anderem Grund als dem der Kinderbetreuung, unzumutbar sind, z.B., wenn ein Ehegatte die Rentenaltersgrenze erreicht hat und gleichwohl noch erwerbstätig ist, obwohl insoweit keine Obliegenheit mehr besteht.4 7. Leistungsfähigkeit des Anspruchsgegners Wieviel Unterhalt letztlich zu zahlen ist, hängt davon ab, ob und in welcher Hö- 210 he der Verpflichtete zur Leistung des ungedeckten Bedarfs überhaupt leistungsfähig ist. Verbleibt dem Verpflichteten von seinem Einkommen nach Abzug aller Verbindlichkeiten – auch solcher, die nicht bei der Bedarfsberechnung berücksichtigt wurden – und des ungedeckten Bedarfs des Anspruchstellers nicht mehr der eigene eheangemessene Unterhalt, braucht er nur so viel Unterhalt zu zahlen, wie es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Erwerbs- und Vermögensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten der Billigkeit entspricht. Dieser für den nachehelichen Unterhalt geltende Grundsatz des § 1581 BGB findet entsprechende Anwendung.5 Bei Gefährdung des eheangemessenen Eigenbedarfs ist der Einstieg in eine Billigkeitsprüfung begründet.6 Das bedeutet, dass alle für die Anspruchsbegründung und Bemessung der Höhe des Bedarfs maßgeblichen Faktoren daraufhin zu überprüfen sind, ob und in welche Höhe der Bedarf des Berechtigten und/oder der Eigenbedarf des Verpflichteten zu kürzen ist. Ist der angemessene Eigenbedarf als Untergrenze gefährdet, ist nur der Bedarf des Berechtigten zu kürzen.7 a) Der eheangemessene und der angemessene Eigenbedarf (Untergrenze) Die Leistungsfähigkeit ist eingeschränkt, wenn dem Verpflichteten nicht der 211 ihm ebenfalls zustehende eheangemessene Unterhalt verbleibt (§ 1581 BGB in 1 BGH, FamRZ 2005, 1154 ff. = NJW 2005, 2145 (2148). 2 BGH, FamRZ 1983, 146 ff. und 1995, 475 zu den Bemessungskriterien gemäß § 1577 Abs. 2 BGB. 3 BGH, FamRZ 2001, 986 ff. 4 BGH, FamRZ 2013, 191 Tz. 16; 2011, 454 Tz. 18 f. 5 BGH, FamRZ 1985, 782 ff.; BVerfG, FamRZ 2002, 1397. 6 BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 33 in Anknüpfung an FamRZ 1990, 260 ff. (Grundsatzentscheidung zum eheangemessenen Bedarf in § 1581 BGB). 7 BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 33 ff.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
entsprechender Anwendung). Dabei entspricht der individuelle eheangemessene Eigenbedarf in der Höhe dem eheangemessenen Bedarf des Berechtigten nach § 1361 Abs. 1 BGB, denn er ist immer auch die Kehrseite des angemessenen Bedarfs des Berechtigten.1 Dies folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der bei der Unterhaltsbelastung im Unterhaltsrecht zu beachten ist (Art. 2 Abs. 1 GG).2 Danach steht dem Verpflichteten – wie auch dem Berechtigten – ein angemessener Unterhalt zu, so dass der Unterhalt für den Verpflichteten nicht geringer sein kann als der an den Berechtigten zu leistende Betrag.3 Konkret bedeutet dies für den Quotenunterhalt, bezogen auf Einkommen aus Erwerbstätigkeit, dass für die Ehegatten folgende Anteile am Einkommen nach Abzug des Erwerbstätigenbonus zur Verfügung stehen müssen: Eheangemessener Bedarf der Ehegatten der 3/ 7 Quote: Bedarf des Berechtigten 3/ 7 = Bedarf des Verpflichteten 4/7 Eheangemessener Bedarf der Ehegatten bei der 45 % Quote: Bedarf des Berechtigten 45 % = Bedarf Verpflichteten 55 % 212
Übersteigt der ehangemessene Bedarf des Berechtigten den Betrag, der dem Unterhaltspflichtigen unter Berücksichtigung seines gesamten, auch nichtprägenden Einkommens und aller, auch nichtprägender Verbindlichkeiten für den eigenen Bedarf verbleibt, liegt ein sog. relativer Mangelfall vor, so dass der Unterhalt in einen Billigkeitsunterhalt umschlägt, dessen Umfang das Gericht unter Abwägung der beiden Eheleuten zur Verfügung stehenden Mittel sowie der beiderseits zu befriedigenden Bedürfnisse nach individuellen Gesichtspunkten zu bestimmen hat.4 Beispiel: M hat ein Einkommen von 2 500 Euro F hat kein Einkommen Bedarf der F: 2 500 * 3/ 7 = 1 071 Euro Leistungsfähigkeit des M: Eheangemessener Eigenbedarf des M: 2 500 * 4/7 = 1 429 Euro.
M ist uneingeschränkt leistungsfähig, wenn er nur den Bedarf von F zu erbringen hat. Hat er jedoch noch nichtprägende weitere Verbindlichkeiten, die er nicht leichtfertig herbeigeführt hat, ist über den Unterhalt nach Billigkeit zu entscheiden. D.h., es ist nach Billigkeit zu entscheiden, ob M die weiteren Belastungen bis zum Erreichen seines angemessenen Eigenbedarfs allein zu tragen hat oder auch eine Kürzung des Bedarfs der F in Betracht kommt. Die unterste Belastungsgrenze ist für M der angemessene Eigenbedarf. Der für die Bedarfsbestimmung maßgebliche, i.d.R. modifizierte Halbteilungsgrundsatz setzt sich auf der Ebene der Leistungsfähigkeit nicht fort.5
1 BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 33; s. auch die Grundsatzentscheidung des BGH zu § 1581 BGB, FamRZ 1990, 260, 264. 2 BVerfG, FamRZ 2001, 1685 ff. 3 BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 33. 4 BGH, FamRZ 1990, 260 (264). 5 Eschenbruch/Schürmann/Menne, Unterhaltsprozess, Kap. 1 Rz. 1586.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
Die Untergrenze des Unterhaltsbedarfs, der dem Verpflichteten von seinem Ein- 213 kommen mindestens verbleiben soll, ist der angemessene Eigenbedarf, der in den Leitlinien der OLG pauschal festgelegt wird. Kann der Verpflichtete den eheangemessenen oder auch sog. vollen Bedarf des Unterhaltsberechtigten nicht bedienen, ohne seinen eigenen angemessenen Eigenbedarf zu gefährden, liegt ein absoluter Mangelfall vor. In dem Fall wirkt sich dies allein auf den Anspruch des Berechtigten aus, denn nur dieser wird gekürzt.1 Beispiel: M hat ein Einkommen von 1 700 Euro. F hat kein Einkommen. Bedarf der F: 1 700 * 3/ 7 = 729 Euro Leistungsfähigkeit des M: Der eheangemessene Eigenbedarf des M (1 700 * 4/7 = 971 Euro) liegt unterhalb seines angemessenen Bedarfs von 1 100 Euro, so dass der angemessene Eigenbedarf als Untergrenze der Inanspruchnahme maßgeblich ist. Der Anspruch der F ist deshalb auf 600 Euro zu kürzen.
Im Gesetz ist die Grenze der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nicht kon- 214 kret beziffert, deshalb hat die Rechtsprechung Richtwerte für den angemessenen Eigenbedarf als Untergrenze der Inanspruchnahme entwickelt, die in den Leitlinien der OLG veröffentlicht sind; denn in der Praxis besteht ein starkes Bedürfnis nach klaren Vorgaben für die Unterhaltsberechnung, nicht zuletzt um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.2 Danach liegt der angemessene Eigenbedarf für Ehegatten als mittlerer Wert zwi- 215 schen dem notwendigen Selbstbehalt und dem angemessenen Selbstbehalt beim Kindesunterhalt (vgl. zu den aktuellen Werten jeweils Anm. A. 5, B. IV. der DT und Nr. 21.2, 21.3.1 und 21.4. der LL). Angemessener Eigenbedarf gegenüber getrennt lebenden/geschiedenen Ehegatten
Angemessener Eigenbedarf gegenüber volljährigen Kindern (§ 1603 Abs. 1 BGB)
Stand 800/1 000 Euro 1.1.2013/1.1.2014
1 100 Euro
1 200 Euro
Stand 1.1.2011/2012
770/950 Euro
1 050 Euro
1 150 Euro
Stand 1.1.2010/2011
770/900 Euro
1 000 Euro
1 100 Euro
Notwendiger Eigenbedarf gegenüber minderjährigen Kindern bei Nichterwerbs- und Erwerbstätigkeit (§ 1603 Abs. 2 BGB)
1 So die Differenzierung in BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 34 ff. in Anknüpfung an seine frühere Rechtsprechung in FamRZ 1990, 260 (264) und Aufgabe der Rechtsprechung in FamRZ 2006, 683 (685), nach der ein Einstieg in die Billigkeitsprüfung nach § 1581 Abs. 2 BGB erst möglich sein sollte, wenn der angemessene Eigenbedarf nicht mehr gewahrt ist. 2 FamRZ 1990, 260 (263 ff.).
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347
E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
216
Der angemessene Selbstbehalt in den Leitlinien ist ein Richtwert für den Mindestbedarf beim Trennungsunterhalt, dies heißt jedoch nicht, dass nicht Abweichungen möglich sind. Sie bedürfen aber immer einer Begründung. Möglich sind Erhöhungen z.B. wegen regelmäßig anfallender Umgangskosten (Rz. 171 ff.) oder gesundheitsbedingten Mehrbedarfs. Ebenso sind Abweichungen bis zum notwendigen Selbstbehalt ausnahmsweise möglich. Dabei können z.B. Ersparnisse, die der Verpflichtete aufgrund des gemeinsamen Wohnens und Wirtschaftens mit einem neuen Partner hat, zu einer Kürzung des Eigenbedarfs i.H.v. 10 % führen.1
217
Eine Kürzung bis zum notwendigen Eigenbedarf kann ferner noch in Betracht kommen, wenn der Berechtigte ähnlich hilflos und bedürftig ist wie ein minderjähriges Kind.2 Ob eine abweichende Handhabung gerechtfertigt ist, hängt maßgeblich von den individuellen Verhältnissen im Einzelfall ab und bedarf in jedem Fall der besonderen Begründung, da die Rechtsprechung Ausnahmen sehr restriktiv handhabt und der BGH sehr hohe Anforderungen an die Voraussetzungen für eine Herabsetzung des Eigenbedarfs stellt.3 So hat der BGH zwar mit Urteil vom 17.12.20084 bestätigt, dass dem Verpflichteten beim Trennungsunterhalt für den Regelfall aus Gründen der Verhältnismäßigkeit in entsprechender Anwendung von § 1581 BGB ein gleich hoher angemessener Eigenbedarf zuzubilligen sei wie einem geschiedenen Ehegatten. Gleichwohl können sich gerade beim Trennungsunterhalt häufiger besondere Gründe für eine Abweichung ergeben. Denn in der Anfangsphase der Trennung sind die wirtschaftlichen Verhältnisse meist besonders eng, weil z.B. Neuanschaffungen für einen weiteren Haushalt anfallen oder weil die Anforderungen an die Erwerbstätigkeit des haushaltsführenden Ehegatten während des Trennungsjahres noch nicht so streng sind. Insbesondere wird eine Beschränkung auf den notwendigen Selbstbehalt dann geboten sein, wenn der unterhaltsbedürftige Ehegatte wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder nicht erwerbstätig sein kann und die Mittel besonders knapp sind.5 Bei der Prüfung, ob ausnahmsweise beim Trennungsunterhalt eine Herabsetzung des angemessenen Eigenbedarfs in Betracht kommt, ist – soweit der Mindestunterhalt von Kindern nicht in Frage steht – dem Grundsatz der ehelichen Solidarität ein besonderes Gewicht beizumessen, der auch eine stärker differenzierende Handhabung im Verhältnis zum Nacheheunterhalt nahelegt.
218
Beispiel Das um Kindesunterhalt bereinigte Einkommen des M beträgt 1 300 Euro. F versorgt die Kinder im Alter von 1 und 3 Jahren, hat keine Fremdbetreuungsmöglichkeiten und kein eigenes Einkommen. Der Bedarf der F beträgt (bei einem Erwerbstätigenbonus des M von 1/10) 585 Euro (1 300 Euro × 9/10 / 2). Da M nach Abzug von 585 Euro nur 715 Euro verbeiben
1 Der BGH bemisst die Ersparnis i.d.R. mit 10 % BGH, FamRZ 2010, 1535 Tz. 44 f. Zum Synergieeffekt im Rahmen des Leistungsfähigkeit beim Minderjährigenunterhalt BGH, FamRZ 2008, 594 ff. 2 So Nr. 24.1 der LL der OLG Rostock, Süddeutschen Familiensenate, OLG Köln, FamRZ 2006, 1760 (1762). 3 BGH, FamRZ 2009, 307 (310) m. Anm. Günther, S. 310 f.; FamRZ 2009, 404 (405). 4 BGH, FamRZ 2009, 404 (405). 5 So u.a. OLG Köln, FamRZ 2006, 1760 (1762) zu § 1361 BGB; ebenso Nr. 21.4 der LL des OLG Rostock; Büttner, FPR 2008, 83 (85); Maurer, FamRZ 2008, 1985 ff. Der BGH legt auch im Falle der Kinderbetreuung durch den Unterhaltsberechtigten einen strengen Maßstab an jede Abweichung an, vgl. BGH FamRZ 2009, 307 (310) m. Anm. Günther, S. 310 f.
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III. Die Berechnung des Unterhalts (1 300 Euro – 585 Euro = 715 Euro), käme für F bei Anwendung des kleinen, notwendigen Selbstbehalts von 1 000 Euro ein Anspruch auf 300 Euro, bei Anwendung des angemessenen Selbstbehalts von 1 100 Euro ein Anspruch von 200 Euro in Betracht. Hier ist F ähnlich hilfebedürftig wie ihre minderjährigen Kinder, so dass ein Anspruch von F i.H.v. 300 Euro begründet ist. Für die Prozessführung ist zu bedenken, dass ein entsprechender Sachvortrag erforderlich ist, warum F hier ähnlich hilfebedürftig ist wie ihre Kinder, wenn eine Ausnahme vom Regelfall des angemessenen Eigenbedarfs des Verpflichteten geltend gemacht werden soll.
Eine Unterschreitung des notwendigen Eigenbedarfs ist aber keinesfalls gerecht- 219 fertigt, denn schon aus verfassungsrechtlichen Gründen darf der Unterhaltspflichtige nicht wegen der Erfüllung seiner Unterhaltspflicht selbst sozialhilfebedürftig werden.1 b) Die Kontrollrechnung und Angemessenheitsprüfung In die Kontrollrechnung sind aufseiten des Verpflichteten sämtliche Einkünfte 220 aus Erwerbstätigkeit und Vermögen, ob prägend oder nichtprägend, fiktive Einkünfte und sämtliche Verbindlichkeiten, ob ehebedingt oder nicht, mit einzubeziehen. Dabei ist bei dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit das gesamte bereinigte Einkommen maßgeblich, das er tatsächlich erzielt, unabhängig davon, ob es eheprägend ist oder nicht. Dies gilt auch für ein aufgrund eines Karrieresprungs erzieltes Einkommen, das höher ist als das eheprägende Einkommen vor der Trennung. Nicht abzuziehen ist vom Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein Erwerbstätigenbonus, denn er spielt nur bei der Berechnung des eheangemessenen Bedarfs eine Rolle als Abzugsposten vom Erwerbseinkommen zur Umsetzung eines modifizierten Halbteilungsgrundsatzes, mit dem die quotalen Anteile der Ehegatten am Einkommen bestimmt werden (Rz. 17 ff.). Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit gelten im Grundsatz für die Berücksichtigung von Einkünften und Verbindlichkeiten die gleichen Anforderungen aufseiten des Verpflichteten wie für den Berechtigten bei der Bedürftigkeitsprüfung. Insoweit ist auf eine Gleichbehandlung zu achten. Verbleibt dem Verpflichteten bei der Gegenüberstellung seiner Einkünfte und 221 Verbindlichkeiten nicht sein eheangemessener Selbstbehalt, schlägt der Anspruch des Anspruchstellers in einen Billigkeitsanspruch um,2 und die zur Verfügung stehenden Mittel sind unter Berücksichtigung und Abwägung der beiderseits zu befriedigenden Bedürfnisse nach Billigkeitsgesichtspunkten zu verteilen (§ 1581 BGB in entsprechender Anwendung). Die unterste Grenze der Inanspruchnahme des Verpflichteten ist der angemesse- 222 ne Eigenbedarf. Ist sie erreicht, ist nur noch der Bedarf des Berechtigten oder – bei mehreren gleichrangigen Unterhaltsansprüchen der Berechtigten – entsprechend zu kürzen (Rz. 247 ff.). Zu den Möglichkeiten der Kürzung oder Erhöhung des angemessenen Bedarfs s. 223 Rz. 216 f.
1 BVerfG, FamRZ 2002, 1397; 2001, 1685 ff.; BGH, FamRZ 2006, 683 (684); 1990, 849 (850); 1996, 1272 (1273). 2 BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 34 f.; 1990, 260 ff.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
224
Im Einzelnen gilt für die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten Folgendes: Von dem um die notwendigen Ausgaben für Steuern, Solidarzuschlag Krankenund Altersvorsorge sowie berufsbedingte Aufwendungen bereinigten Einkommen sind des Weiteren abzugsfähig: – angemessene ergänzende Beiträge zur Altersvorsorge, – Unterhaltsverbindlichkeiten; bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit ist die Rangfolge zu beachten, – Unterhalt für gemeinsame volljährige Kinder, soweit er die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat, – Verbindlichkeiten, die die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben, – Verbindlichkeiten, die nach der Trennung unabwendbar entstanden sind.
225
Aufwendungen für eine ergänzende Altersvorsorge sind in angemessenem Umfang von 4 % des Bruttoeinkommens abzugsfähig (Rz. 156).
226
Soweit Unterhaltsverbindlichkeiten anfallen, kommt diesen kein allgemeiner Vorrang vor anderen Verbindlichkeiten des Unterhaltspflichtigen zu.1 Bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit spielen bei konkurrierenden Unterhaltsansprüchen die Rangverhältnisse eine Rolle: So sind vorrangige und gleichrangige Unterhaltspflichten immer bevorzugt vor den nachrangigen zu berücksichtigen.2
227
Besonderheiten gelten, wenn vorrangiger Kindesunterhalt mit nachrangigem Ehegattenunterhalt, sei es Trennungsunterhalt oder Nacheheunterhalt, konkurriert: Auch in dem Fall ist trotz des Vorrangs auf eine ausgewogene Verteilung der Mittel zu achten.3 Dies geschieht i.d.R. schon bei der Bestimmung des Kindesunterhalts nach der Tabelle bei Anwendung der Bedarfskontrollbeträge mit Hilfe der Herabstufung in die unterste Tabellengruppe bei mehreren konkurrierenden Unterhaltsansprüchen (s. dazu auch die Anm. A.1 der DT). Werden die Bedarfskontrollbeträge nicht für die Einstufung angewendet, ist der Kindesunterhalt dann im Rahmen der Angemessenheitsüberprüfung, wenn der nachrangige Trennungsunterhalt nicht in voller Höhe befriedigt werden kann, auf das Existenzminimum (Mindestunterhalt nach § 1612a BGB) zu kürzen, um eine angemessene Verteilung zu gewährleisten.4 Der Kindesunterhalt ist dabei immer bereinigt um das hälftige Kindergeld abzuziehen.5 Bei vor- und nachrangigem Ehegattenunterhalt kann aufgrund besonderer Umstände im Mangelfall aus Billigkeitsgründen eine Kürzung des vollen Unterhaltsbedarfs des vorrangig Berechtigten in Betracht kommen, um auch für den
1 BGH, FamRZ 1984, 657 (658). 2 So BGH v. 7.5.2014 – XII ZB 258/13 – Tz. 21 und die h.M.: Bamberger/Roth/Reinken, § 1609 BGB Rz. 4; Eschenbruch/Schürmann/Menne, Unterhaltsprozess, Kap. 1 Rz. 1604; Schürmann, FamRZ 2008, 313 (321); Palandt/Brudermüller, § 1609 BGB Rz. 3; MünchKomm.BGB/Maurer, § 1581 BGB Rz. 14, 18; Erman/Graba, § 1581 BGB Rz. 11; BGH, FamRZ 1986, 790 zu § 1582 a.F. BGB. 3 So der Gesetzgeber: BT-Drucks.16/1830 S. 24. Ebenso BGH, FamRZ 2008, 2189 Tz. 17 ff., 22. 4 BGH, FamRZ 2008, 2189 Tz. 17 f., 22. 5 BGH, FamRZ 2010, 1318 Tz. 28 f.; 2009, 1300 Tz. 48 ff. Zur Verfassungsmäßigkeit des Kindergeldabzugs BVerfG FamRz 2011, 1490 Tz. 32 ff.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
nachrangig Berechtigten den Mindestbedarf zu sichern.1 S. dazu das Beispiel zur Mangelfallberechnung Rz. 245. Ansonsten gilt für nachrangig Unterhaltsberechtigte, dass sie sich mit den Mit- 228 teln begnügen müssen, die nach der Befriedigung der vorrangig Berechtigten übrig bleiben.2 Zur Berechnung des Bedarfs bei gleichrangigen konkurrierenden Unterhaltsansprüchen s. die Beispiele unter Rz. 249; zur Rangfolgenregelung s. Rz. 241, Rz. 256 ff. Schulden aus der Zeit vor der Trennung sind i.d.R. abzugsfähig (Rz. 150). Für 229 Schulden aus der Zeit nach der Trennung gelten für die Billigkeitsabwägung folgende Grundsätze: Soweit die Verbindlichkeiten nicht leichtfertig eingegangen wurden, sondern für die Finanzierung einer getrennten Lebensführung unbedingt erforderlich waren, sind sie sowohl auf der Bedarfsebene als auch bei der Leistungsfähigkeit einkommensmindernd zu berücksichtigen. So sind z.B. Schulden, die wegen der Möblierung einer neuen Wohnung entstanden sind, anzuerkennen, wenn sie nicht den üblichen Lebensstandard der Ehegatten übersteigen und der Bedarf nicht aus dem vorhandenen Hausrat gedeckt werden kann (§ 1361a BGB). Dienen die nach der Trennung dem Verpflichteten entstandenen Schulden einer eher luxuriösen Lebensführung, bleiben sie gegenüber den wichtigeren Bedürfnissen des Berechtigten auch im Rahmen der Leistungsfähigkeit unberücksichtigt. Denn leichtfertige, trotz Kenntnis der Unterhaltsschuld aufgenommene Kredite muss der Berechtigte nicht hinnehmen. Letztlich hat dieser Prüfungsschritt im Rahmen der Leistungsfähigkeit an Be- 230 deutung dadurch verloren, dass nach der geänderten Rechtsprechung des BGH auch schon auf der Bedarfsebene während der Trennung entstandene Schulden einkommensmindernd berücksichtigt werden, soweit sie nicht leichtfertig eingegangen wurden, so dass der Abzug auf der Leistungsebene damit bereits vorgegeben ist (Rz. 152 f.). Soweit nichtprägendes Einkommen vorhanden ist, ist eine großzügigere Hand- 231 habung angezeigt. Für alle Schulden gilt, dass ihre Berücksichtigung voraussetzt, dass der Schuldner sie tatsächlich bedient und ihre Tilgung in einem angemessenen Rahmen erfolgt (Rz. 159). Prozesskosten, die den ehelichen Lebensbedarf nicht geprägt haben, aber nach der 232 Trennung unabwendbar und ohne Leichtfertigkeit entstanden sind, sind abzugsfähig.3 Verfahrenskosten in Familienverfahren, die die Ehegatten betreffen, sind von jeder Partei in der Höhe zu tragen sind, in der sie ihr auferlegt werden und aus den allgemeinen Lebenshaltungskosten zu bestreiten sind.4 Dies gilt auch für Verfahrenskostenhilferaten, denn deren Bemessungskriterien richten sich nach sozialrechtlichen Maßstäben, so dass diese aus den ihnen danach zustehenden Freibeträgen für den allgemeinen Lebensbedarf finanziert werden können. Für diese Auffassung spricht, dass sie eindeutig ist, die Verantwortlichkeit für das Führen von Prozessen bei den Parteien selbst belässt und deren Klärung nicht in das Unterhaltsrecht verlagert wird. Hinzu kommt, dass die Herabsetzung oder Entbin1 BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 50. 2 BGH, FamRZ 2008, 1911 Tz. 155, aber stärker differenzierend BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 50. 3 A.A. Niepmann/Schwamb, Rz. 1020; BGH, FamRZ 1990, 280 (282); 1985, 902. 4 Wendl/Dose, § 1 Rz. 1098.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
dung von VKH Raten im Hinblick auf bestehende Unterhaltsverpflichtungen – auch auf Trennungsunterhalt – beantragt werden kann.1 233
Angemessene Umgangskosten können, soweit sie nicht bereits durch die Vorteile der anteiligen Berücksichtigung des Kindergeldes beim Abzug des Kindesunterhalts kompensiert sind, abgesetzt werden. Zu den Einzelheiten s. Rz. 171 ff. Möglich ist, anstelle des Abzugs der Kosten, den Eigenbedarf entsprechend zu erhöhen.2
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Verfügt der Verpflichtete über Vermögen, sind nur die Erträge daraus einzusetzen; den Stamm des Vermögens braucht er nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre (§ 1581 Satz 2 BGB). Insoweit gelten die gleichen Maßstäbe wie für den Unterhaltsberechtigten (§ 1577 Abs. 3 BGB in entsprechender Anwendung Rz. 233).
235
Ob die teilweise oder völlige Leistungsunfähigkeit des Verpflichteten verschuldet ist, findet ebenfalls im Rahmen der Billigkeitsabwägung Berücksichtigung.
236
Beispiel F hat nach den eheprägenden Lebensverhältnissen einen Anspruch gegen M i.H.v. 410 Euro. Die auf der Bedarfsebene beim Einkommen des M nicht berücksichtigte monatliche Rate von 75 Euro für eine nach der Trennung gekaufte Stereoanlage schmälert auch nicht seine Leistungsfähigkeit. Denn hier ergibt die Billigkeitsprüfung, dass eine Herabsetzung des an F zu zahlenden Unterhalts nicht gerechtfertigt wäre, da M seine Unterhaltspflicht kannte, als er die Anlage kaufte. Er muss den errechneten Unterhalt zahlen und kann sich nicht auf eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit berufen.
237
Bei drohender Überschuldung besteht keine Obliegenheit zur Einleitung eines Insolvenzverfahrens.3
238
Bewegt sich der ermittelte Anspruch im Bereich des Bagatellunterhalts, ist unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse beider Parteien abzuwägen, ob noch eine Ausgleichspflicht besteht (zur Höhe der Grenze vgl. Rz. 126). 8. Die Mangelfallberechnung
239
Ist der Unterhaltspflichtige unter Berücksichtigung des ihm zustehenden Selbstbehalts außer Stande, allen Unterhaltsberechtigten Unterhalt zu gewähren, gilt für die Befriedigung der Ansprüche die seit 1.1.2008 geänderte Rangfolge in § 1609 BGB. Danach stehen die Unterhaltsansprüche von minderjährigen Kindern und privilegierten volljährigen Kindern im 1. Rang, so dass sie immer zuerst zu befriedigen sind. Von dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen ist deshalb zunächst immer der Kindesunterhalt in Höhe des tatsächlichen Zahlbetrags abzuziehen, d.h. der Tabellenunterhalt abzüglich des (anteiligen) Kindergelds.4 Der Kindes1 2 3 4
Koch/Margraf, Rz. 1304. BGH, FamRZ 2005, 706; Liceni-Kierstein, FamRB 2012, 347. BGH, FamRZ 2008, 497. BGH, FamRZ 2009, 1300; 1304 f.; 2009, 1477 ff.; vgl. Nr. 23.1 der LL, ebenso u.a. Scholz, FamRZ 2007, 2021 (2027); Borth, FamRZ 2006, 813 (820); Dose, FamRZ 2007, 1289 (1292 f.); Ehinger, FamRB 2006, 338 (342 f.); Seit 1.1.2008 gilt das Kindergeld nach § 1612b BGB als bedarfsdeckende Leistung für das Kind, vgl. BT-Drucks. 16/1830, S. 30; Rz. 103, 109a.
352 Ehinger
III. Die Berechnung des Unterhalts
unterhalt ist bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur in Höhe des Existenzminimums, d.h. in Höhe des Bedarfs nach der 1. Einkommensgruppe der DT einzustellen. Dies erfolgt meist schon aufgrund der Bedarfsbestimmung beim Tabellenunterhalt, wenn der Bedarf bei mehr als zwei Unterhaltsberechtigten – unabhängig von ihrem Rang – anhand der Bedarfskontrollbeträge herunterreguliert wird.1 Verbleibt nach Abzug des Kindesunterhalts noch Verteilungsmasse für den Be- 240 darf der weiteren Berechtigten und reicht diese nicht zur Befriedigung des gesamten Bedarfs, ist zunächst zu klären, ob der Trennungsunterhaltsanspruch gleichrangig mit weiteren Ansprüchen konkurriert, er vorrangig ist oder ihm andere im Rang vorgehen. Denn eine Mangelfallberechnung kommt nur in Betracht bei gleichrangigen Unterhaltsansprüchen, vorrangige Ansprüche hingegen sind immer vorab zu befriedigen, der im Rang nachfolgende Unterhaltsberechtigte hat sich mit dem verbleibenden Rest zu begnügen. Nach Auffassung des BGH ist der nachrangige Anspruch im Rahmen der Leistungsfähigkeit gegenüber dem bevorrechtigten Anspruch nicht als sonstige Verpflichtung i.S.v. § 1581 BGB (analog) zu berücksichtigen.2 Da der Trennungsunterhalt sowohl mit nachehelichen Unterhaltsansprüchen 241 als auch mit Ansprüchen wegen Betreuung eines nichtehelichen Kindes im 2. Rang als auch mit nachehelichem Unterhaltsanspruch im 3. Rang konkurrieren kann, je nachdem, worauf er beruht, ist deshalb zunächst – bevor eine Mangelfallberechnung durchgeführt werden kann – sein Rangverhältnis zu den weiteren Unterhaltsansprüchen zu klären. Die Rangfolgenregelung in § 1609 Nr. 2 und 3 BGB sieht wie folgt aus: Im 2. Rang stehen folgende Ansprüche:
242
Der Anspruch auf Trennungsunterhalt, der auf Kindesbetreuung oder dauerhafter (auch teilweiser) Haushaltsführung bei langer Ehedauer beruht, Ansprüche wegen Kindesbetreuung nach § 1615l BGB und § 1570 BGB oder Ansprüche nach §§ 1571 ff. BGB bei Ehen von langer Dauer. Bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer sind auch Nachteile i.S.v. § 1578b Abs. 1 Satz 2 BGB zu berücksichtigen (§ 1609 Nr. 2 BGB). Im 3. Rang sind folgende Ansprüche gleichrangig zu berücksichtigen:
243
Der Anspruch auf Trennungsunterhalt und alle nachehelichen Unterhaltsansprüche, die nicht unter § 1609 Nr. 2 BGB fallen (§ 1609 Nr. 3 BGB). a) Berechnung im einfachen Mangelfall Ergibt die Prüfung eine Vorrangigkeit des Anspruchs des getrennt lebenden oder 244 des geschiedenen Ehegatten, ist immer zunächst der vorrangig Berechtigte zu befriedigen, der nachrangig Berechtigte ist aus dem verbleibenden Überschuss zu befriedigen (einfacher Mangelfall). Fraglich ist dabei jedoch, ob der vorrangig Berechtigte in Höhe seines vollen Unterhaltsbedarfs zu befriedigen ist oder im Rahmen von § 1581 BGB auch Korrekturen aus Billigkeitsgründen zugunsten des nachrangig Berechtigten möglich sind.
1 BGH, FamRZ 2008, 2189 Tz. 17 ff., 22; m. zust. Anm. Graba, S. 2192. 2 BGH v. 7.5.2014 – XII ZB 258/13 Tz. 21, 29; FamRZ 2012, 281, 285.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
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Beispiel M ist seiner geschiedenen Ehefrau F1 wegen Kindesbetreuung und seiner getrennt lebenden erkrankten Ehefrau unterhaltspflichtig. Beide Ehefrauen haben kein Einkommen. F1 ist vorrangig unterhaltsberechtigt. Das Einkommen von M beträgt, nach Abzug des Kindesunterhalts (s. Kap. A Rz. 199), im Verhältnis zu F1 ohne Splittingvorteil 2 400 Euro, im Verhältnis zu F2 mit Splittingvorteil aufgrund der neuen Ehe (fiktiv) 2 800 Euro. bereinigtes Einkommen M im Verhältnis zu F1 angemessener Mindestselbstbehalt Bedarf des vorrangigen geschiedenen Ehegatten F1 2 400 * 3/ 7 = Bedarf des nachrangigen getrennt lebenden Ehegatten F2 (2 800 Euro – 1 029 Euro = 1 771 * 3/ 7 = 759 Euro Summe des Bedarfs von F1 und F2
2 400 Euro 1 100 Euro 1 029 Euro 759 Euro 1 788 Euro
Leistungsfähigkeit: Der eheangemessene Bedarf des M beträgt im Verhältnis zu F1 1 143 Euro (4/7 von 2 400 Euro) und wäre bei Erfüllung des Bedarfs von F2 unterschritten. Im Verhältnis zu F2 wäre sein angemessener Mindesteigenbedarf von 1 100 Euro nach Abzug der Ansprüche von F1 und F2 nicht gewahrt (2 800 – 1 029 – 759 = 1 012 Euro). Wegen der Vorrangigkeit des Anspruchs der F1 ist ihr Anspruch in voller Höhe zu befriedigen. F2 stehen nur 671 Euro zu (2 800 – 1 029 – 1 100 = 671 Euro), da der angemessene Eigenbedarf von M gewahrt sein muss. Aufgrund besonderer Umstände – wie z.B. einer gravierenden Erkrankung von F2 – ist auch folgende Lösung vertretbar: Da F2 nur 671 Euro, also weniger als den Mindestbedarf erhielte, ist es möglich, ihren Bedarf bis zum notwendigen Mindestbedarf auf 800 Euro aufzustocken durch Abzug der fehlenden Differenz von 129 Euro bei F1. Im Ergebnis würden dann erhalten: M = 1 100 Euro F1 = 900 Euro F2 = 800 Euro
246
Im Rahmen des einfachen Mangelfalls wird diskutiert, ob es nicht trotz des unterschiedlichen Rangs von Ehegattenunterhaltsansprüchen geboten ist, auf der Leistungsebene nach § 1581 BGB (analog) Korrekturen vorzunehmen, wenn durch den Vorabzug des vorrangigen Anspruchs in Höhe des vollen Bedarfs z.B. der Mindestbedarf des nachrangigen Ehegatten nicht gewahrt ist.1 Nach wohl herrschender Meinung ist grundsätzlich zunächst der volle Unterhaltsbedarf des vorrangig Berechtigten zu befriedigen, erst danach kommt der nachrangig Unterhaltsberechtigte zum Zuge.2 Dieser Auslegung von § 1609 BGB ist im Grundsatz zuzustimmen, zumal sie dem Vereinfachungsgrundsatz Rechnung trägt. Allerdings besteht im Rahmen der Angemessenheitsprüfung bei Vorliegen besonderer Umstände eine Korrekturmöglichkeit, die insbesondere nicht im Widerspruch zu § 1609 BGB steht: Denn der Gesetzgeber hat bei der Festlegung der Rangfolge 1–3 in § 1609 BGB, die an die Stelle des früheren § 1582 Abs. 1 a.F. BGB getreten ist, nicht nur auf das besondere Schutzbedürfnis von Kindern, kinderbetreuenden Eltern und den Vertrauensschutz langjährig Verheirateter abgestellt mit dem Ziel einer Abkehr vom Gießkannenprinzip, nach dem viele so wenig erhalten, dass sie nicht davon leben können, sondern darüber hinaus noch ausdrücklich auf die Korrekturmög-
1 So z.B. Koch, Kap. 2 Rz. 2023, auch unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 GG soweit z.B. der Familienunterhalt durch die Rangordnung ausgehebelt wird. 2 BGH v. 7.5.2014 – XII ZB 258/13 – Tz. 19 f.; FamRZ 2012, 281 Tz. 49; Bamberger/Roth/ Reinken, § 1609 BGB Rz. 4; Eschenbruch/Schürmann/Menne, Unterhaltsprozess, Kap. 1 Rz. 1604; Schürmann, FamRZ 2008, 313 (321); Palandt/Brudermüller, § 1609 BGB Rz. 3; MünchKomm.BGB/Maurer, § 1581 BGB Rz. 14, 18; Erman/Graba, § 1581 BGB Rz. 11; BGH, FamRZ 1986, 790 zu § 1582 a.F. BGB.
354 Ehinger
III. Die Berechnung des Unterhalts
lichkeiten einer Billigkeits- und Angemessenheitsprüfung auch bei vor- und nachrangigen Ansprüchen Bezug genommen.1 Deshalb verdrängt die Rangfolgenregelung nicht den in § 1581 BGB eingeräumten Entscheidungsspielraum, engt ihn jedoch unter Berücksichtigung ihres Sinns und Zwecks ein. Danach ist eine Beschränkung des vollen Bedarfs auf den Mindestbedarf aus gewichtigen Billigkeitsgründen möglich, dieser darf jedoch nicht unterschritten werden, da anderenfalls die Rangfolge ihre Bedeutung verlöre. Ein solch gewichtiges Billigkeitskriterium kann z.B. eine schwere Erkrankung eines Berechtigten sein, so dass möglichst dessen Mindestbedarf gedeckt wird.2 Eine pauschale Dreiteilung ist jedoch abzulehnen, denn sie würde dem Sinn und Zweck der Rangvorschriften zuwiderlaufen, die kinderbetreuenden Elternteilen und langjährig verheirateten Ehegatten einen besonderen Schutz einräumen sollen. b) Berechnungsmodelle für den absoluten oder echten Mangelfall Wie das nach Abzug des Kindesunterhalts verbleibende Einkommen des Unter- 247 haltspflichtigen unter den gleichrangig Berechtigten aufzuteilen ist, hat der BGH, nachdem das BVerfG seine Rechtsprechung zur Dreiteilung des Bedarfs gekippt hat, bereits entschieden und für die Bedarfsbestimmung angeknüpft an seine frühere Rechtsprechung (s. Kap. F Rz. 18.) Danach ist der Bedarf zunächst jeweils am Maßstab der individuellen ehelichen Lebensverhältnisse der geschiedenen und der bestehenden Ehe zu ermitteln (§§ 1361 Abs. 1, 1578 Abs. 1 BGB).3 Zu den Einzelheiten mit Beispielen für die Bedarfsberechnung s. Rz. 190 ff. Auf der Ebene der Leistungsfähigkeit korrigiert der BGH dann die als Bedarf er- 248 mittelten Werte der gleichrangigen Unterhaltsansprüche, indem er wieder auf das Prinzip der Dreiteilung zurückgreift und die für den Unterhalt des Verpflichteten und der Berechtigten vorhandenen Mittel unter Berücksichtigung des angemessenen Eigenbedarfs des Verpflichteten gleichmäßig aufteilt. Als zwingend soll dieses Verteilungsprinzip nicht verstanden werden, denn im Einzelfall können im Rahmen von § 1581 BGB neben dem Rang noch andere individuelle Umstände zu abweichenden Ergebnissen der Billigkeitsabwägung führen, insbesondere soll dem Mindestbedarf eines Unterhaltsberechtigten als weiteres Billigkeitskriterium Bedeutung zukommen.4 Gegen eine pauschale Anwendung der Drittelmethode bestehen allerdings auch erhebliche Bedenken, weil sie zu einer Nivellierung der Ansprüche führt, was im Widerspruch steht zu den gesetzlichen Regelungen über die Bedarfsbestimmung in §§ 1361 Abs. 1 und 1578 1 BT-Drucks. 16/1830 S. 24: „Auch auf der Basis der neuen Rangordnung gilt es, in besonderem Maße auf den Rechenweg Bedacht zu nehmen, um in Mangelfällen und hier insbesondere im Verhältnis vorrangiger Kinder zu nachrangigen Unterhaltsberechtigten, etwa dem betreuenden Elternteil, oder im Verhältnis von Erst- und Zweitfamilien zu gerechten Ergebnissen zu gelangen. Die unter der Geltung des alten Rechts entwickelten Methoden können hierbei, unter Berücksichtigung der Maßgaben und Ziele der Neuregelung, entsprechend genutzt und fortentwickelt werden.“ 2 So BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 49, 50, der in der Literatur teilweise als nur auf den absoluten Mangelfall bezogen verstanden wird, MünchKomm.BGB/Maurer, § 1581 BGB Rz. 18. 3 BGH, FamRZ 2008, 1911 (1914 f.). 4 BGH v. 7.5.2014 – XII ZB 258/13 – Tz. 29 f.; ebenso FamRZ 2012, 281 Tz. 50. Zur Kritik an der pauschalen Dreiteilung s. Eschenbruch/Schürmann/Menne, Unterhaltsprozess, Kap. 1 Rz. 1638 ff.; Graba, FPR 2013, 138 (141 f.); FamFR 2012, 49; FF 2012, 341; MünchKomm.BGB/Maurer, § 1581 BGB Rz. 19.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
Abs. 1 BGB, die aufgrund unterschiedlicher zeitlicher Anknüpfungspunkte für die Bestimmung des eheangemessenen Bedarfs beim Trennungs- und Nacheheunterhalt regelmäßig zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Deshalb ist zu hinterfragen, ob damit nicht die gesetzlich geregelte Bedarfsbestimmung unterlaufen wird und im Übrigen auch bisher übliche Grundsätze bei der Mangelfallberechnung außer Acht gelassen werden, wie z.B. die anteilige Kürzung der individuellen Ansprüche oder die anteilige Kürzung durch Verwendung von Selbstbehaltssätzen.1 In der Literatur werden unterschiedliche Lösungsansätze vertreten, von denen nachfolgend – neben der BGH-Lösung – eine weitere Berechnungsvariante vorgestellt wird, bei der die Verteilungsmasse anteilig, entsprechend dem Verhältnis der errechneten Bedarfsbeträge aufgeteilt wird. 249
Beispiel M hat ein um berufsbedingte Aufwendungen und Kindesunterhalt bereinigtes Einkommen aus Erwerbstätigkeit ohne Splittingvorteil von 2 000 Euro, mit Splittingvorteil (fiktiv) 2 400 Euro. Seine geschiedene Ehefrau F1 erzielt aus Teilzeitarbeit bereinigt 400 Euro und betreut das gemeinsame 9-jährige Kind K1; seine von ihm getrennt lebende Ehefrau F2 hat keine Einkünfte und betreut das gemeinsame 2-jährige Kind K2. Sie ist aufgrund des Alters des Kindes auch nicht zur Erwerbstätigkeit verpflichtet. Der Kindesunterhalt ist im Verhältnis zu beiden Frauen bei M einkommensmindernd abgezogen worden, da K2 noch vor der Scheidung der Ehe von M und F1 geboren wurde (Rz. 164), überdies sind die Kinder vorrangig berechtigt (§ 1609 Nr. 1 BGB). F1 und F2 sind wegen der Kindesbetreuung (§ 1609 Nr. 2 BGB) gleichrangig zu befriedigen. Bedarf der Ehefrauen: Einkommen M – ohne Splittingvorteil im Verhältnis zu F1 F1 hat eigenes Einkommen i.H.v. Differenz Bedarf F1: 3/ 7 von 1 600 Euro F1 stünden 1 086 Euro (400 + 686) zur Verfügung, der eheangemessene Bedarf des M beträgt gegenüber F1: 1 314 Euro.
2 000 Euro 400 Euro 1 600 Euro 686 Euro
Einkommen M – mit Splittingvorteil im Verhältnis zu F2 F2 hat kein Einkommen Bedarfsbestimmendes Einkommen des M 2 400 – 686 Euro Bedarf F2: 3/ 7 von 1 714 Euro F2 stünden 735 Euro zur Verfügung, der eheangemessene Bedarf des M liegt mit 979 Euro unter dem angemessenen Mindestbedarf, ihm stehen aber mindestens 1 100 Euro zu.
2 400 Euro 0 Euro 1 714 Euro 735 Euro
Gesamtbedarf von F1 und F2: 686 + 735 =
1 421 Euro
Da M unter Berücksichtigung des eheangemessenen Bedarfs von F1 und F2 nicht der eigene eheangemessene Bedarf verbleibt (2 400 – 686 – 735 = 979 Euro), ist der Billigkeitsunterhalt zu berechnen. Damit M 1 100 Euro als angemessener Eigenbedarf verbleibt, stehen 1 300 Euro zur Verteilung an F1 und F2 zur Verfügung (2 400 – 1 100 = 1 300 Euro). Lösungsvariante 1: Die Einsatzbeträge entsprechen den errechneten individuellen Bedarfsbeträgen, die anteilig entsprechend dem Verhältnis der Verteilungssumme zum Gesamtbedarf gekürzt werden können nach der Formel: Individueller Bedarf × Verteilungsmasse/Summe des Bedarfs von F1 und F2 F1 686 × 1 300 / 1 421 = F2 735 × 1 300 / 1 421 = Summe 1 Graba, FamFR 2012, 49 (52 f.).
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628 Euro 672 Euro 1 300 Euro
III. Die Berechnung des Unterhalts M hat 1 300 Euro zu zahlen, an F1 628 Euro und an F2 672 Euro. F1 verfügt dann über 1 028 Euro, F2 über 672 Euro und M über 1 100 Euro. Der Mindestbedarf von F2 ist um 128 Euro verfehlt, so dass hier, in Abhängigkeit von besonderen Umständen des Einzelfalls, auch eine Korrektur erfolgen kann zu Lasten von F1, deren Bedarf denn auf 900 Euro gekürzt wird. Es kann z.B. für F1 zumutbar sein, den Umfang ihrer Erwerbstätigkeit zu erhöhen. Lösungsvariante 2: Zur Klärung der angemessenen Verteilung hat der BGH eine Dreiteilung der vorhandenen Mittel von M, F1 und F2 gebilligt unter Wahrung eines angemessenen Eigenbedarfs des M. Beträgt der Eigenbedarf 1 100 Euro, ergibt sich folgende Verteilung: 2 800 Euro / 3 = 933 Euro. Da M mindestens 1 100 Euro zustehen sollen, verbleiben 2 800 – 1 100 Euro = 1 700 Euro für F1 und F2, die ihnen je zur Hälfte also i.H.v. 850 Euro zustehen. Da F1 400 Euro einbringt, stehen ihr noch 450 Euro zu, F2 erhält 850 Euro. M hat insgesamt 1 300 Euro aufzuwenden.
Ein Vergleich der Ergebnisse zeigt, dass sich die Berechnung mit den individuel- 250 len Einsatzbeträgen der Variante 1 für den geschiedenen Unterhaltsberechtigten als günstiger erweist, weil sein Bedarf nach § 1578 Abs. 1 BGB ohne Vorabzug des Unterhaltsanspruchs des neuen Ehegatten berechnet wird. Diese gesetzlich geregelte Bevorteilung gegenüber dem neuen Ehegatten, bei dem der Bedarf des alten Ehegatten immer vorab abgezogen wird, wird auf der Leistungsebene perpetuiert, da die quotale Aufteilung der Verfügungsmasse sich an dem errechneten Bedarf orientiert. Da in dem Beispiel ein Splittingvorteil zugunsten der bestehenden Ehe bei der Bedarfsberechnung von F2 berücksichtigt ist, fällt ihr Bedarf deutlich höher aus, als wenn man von einem gleich hohen Einkommen des Verpflichteten bei F1 und F2 ausginge, was auch zu angemesseneren Ergebnissen führt. Ob und in welchem Umfang noch eine Korrektur erforderlich ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Anders ist es bei der Variante 2: Durch die Verlagerung der Dreiteilungsmethode auf die Ebene der Leistungsfähigkeit werden die unterschiedlichen Ergebnisse der Bedarfsermittlung pauschal korrigiert mit der Folge, dass beide Ehegatten gleich hohe Beträge erhalten, sie also wirtschaftlich gleich gestellt werden. Dies benachteiligt den früheren Ehegatten, indem sein Eigenverdienst zu einer höheren Quote des neuen Ehegatten beiträgt und sein Anspruch sich durch volle Anrechnung seines Einkommens deutlich verringert. Das Ergebnis dürfte dem gesetzgeberischen Willen, kinderbetreuende Ehegatten und langjährig Verheiratete in ihrem Vertrauen auf den Bestand ihrer wirtschaftlichen Stellung besser zu schützen und gleichrangig zu behandeln, entgegenkommen.1 Allerdings ist der gegen die pauschale Dreiteilung eingewandten Kritik, nämlich, dass sie nicht den Anforderungen von § 1581 BGB an eine individuelle Billigkeitsprüfung entspreche, zuzustimmen. Denn letztlich werden die sich aus den gesetzlichen Regelungen ergebenden Unterschiede in der Bedarfsbestimmung für den Trennungs- und Nacheheunterhalt bei einer pauschalen Handhabung aufgehoben, ohne dass sich dies als Rechtsfolge aus den Rangvorschriften ergibt, denn aus gleichem Rang folgt nicht zwingend ein gleich hoher Unterhalt.2 Deshalb muss 1 Im Ergebnis zustimmend: Schwamb, FamRB 2011, 120 (122); Wohlgemuth, FuR 2011, 311 (312); Borth, FamRZ 2011, 445 (449); Gerhardt/Gutdeutsch, FamRZ 2011, 597 (598). 2 Gegen die Nivellierung der Ansprüche des getrennt lebenden und geschiedenen Ehegatten durch die Drittelmethode Graba, FPR 2013, 139 (142); ebenso Maurer, FamRZ 2011, 849 (857); Eschenbruch/Schürmann/Menne, Unterhaltsprozess, Kap. 1 Rz. 1633; Brudermüller/Götz, NJW 2011, 2609 f.
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357
E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
das Berechnungsergebnis – auch soweit es durch Dreiteilung ermittelt wird – immer einer abschließenden Angemessenheitsüberprüfung anhand des konkreten Sachverhalts unterzogen werden, die das Ergebnis auch eigenständig trägt. 251
In der Literatur werden noch weitere Berechnungsmodelle diskutiert. So kann bei der quotalen Teilung der Verfügungsmasse auch mit pauschalen Einsatzbeträgen i.H. der Eigenbedarfssätze der LL gerechnet werden, was bei Anwendung gleich hoher Sätze – d.h. ohne Erhöhung bei Erwerbstätigkeit – zu gleichen Ergebnissen führen würde wie bei der Dreiteilung. Nach anderer Auffassung sollte der Bedarf des geschiedenen und des neuen Ehegatten unabhängig voneinander, also ohne Vorabzug des Unterhalts für den früheren Ehegatten, berechnet werden. Für die Bedarfsdeckung ist dann das über dem angemessenen Eigenbedarf des Verpflichteten liegende Einkommen im Verhältnis der Ansprüche aufzuteilen und eine abschließende Überprüfung des Ergebnisses nach Billigkeitsgesichtspunkten anhand des konkreten Sachverhalts vorzunehmen.1
252
Unabhängig davon, für welche Berechnungsmethode man sich entscheidet, ist jedenfalls das Ergebnis noch einer abschließenden Billigkeits- und Angemessenheitsprüfung unter Berücksichtigung des konkreten Sachverhalts zu unterziehen. c) Beispiel zur Berechnung des Unterhalts bei Hinzutreten eines Anspruchs nach § 1615l BGB
253
Eine Beschränkung des Trennungsunterhaltsanspruchs ergibt sich auch dann, wenn der Ehegatte noch einem nichtehelichen Kind und dessen Mutter nach § 1615l Abs. 2 BGB zum Unterhalt verpflichtet ist, weil das Kind noch während der Trennungszeit geboren wurde und betreut wird. Denn nach der Rechtsprechung des BGH sind sowohl die Ansprüche auf Kindesunterhalt als auch nach § 1615l BGB als eheprägend zu behandeln, wenn Geburt und Betreuung in die Trennungszeit fallen.2 Reichen die Einkünfte des Unterhaltspflichtigen nicht zur gleichmäßigen Befriedigung des Bedarfs der Berechtigten aus, ist zu entscheiden, wie im Mangelfall zu rechnen ist. Dabei erweist sich als problematisch, dass der Bedarf der nichtehelichen Mutter nach § 1615l Abs. 2 BGB nach anderen Grundsätzen berechnet wird als der der getrenntlebenden Ehefrau, nämlich nach den Grundsätzen des Verwandtenunterhalts.3 Der Bedarf der nichtehelichen Mutter richtet sich nur nach ihrer eigenen Lebensstellung, die sie vor der Geburt des Kindes hatte und nicht, selbst wenn sie mit dem getrennt lebenden Ehemann in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit gemeinsamer Lebens- und Wirtschaftsplanung lebt, nach dem Lebensstandard dieser nichtehelichen Lebensgemeinschaft (s. Kap. D Rz. 61 ff.). Für den Trennungsunterhalt folgt aus dem Vorabzug des Unterhalts nach § 1615l BGB als eheprägende Verbindlichkeit, dass der Bedarf des unterhaltsbedürftigen Ehegatten deutlich geschmälert wird, was bei gleichrangigen Ansprüchen zu einem Missverhältnis
1 Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 1 Rz. 1642, 1643 f.; Hauß, fünf Mal anders – Unterhalt für die F2, FamRB 2011, 183; Brudermüller/Götz, Der Bedarf nach den „ehelichen Lebensverhältnissen“ oder: Wer prägt künftig wen?, NJW 2011, 2609 ff. 2 BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 20; OLG Hamm v. 8.8.2013 – II-6 UF 25/13, juris. Die Frage der Prägung der eheliche Lebensverhältnisse durch den Anspruch nach § 1615l BGB beim Trennungsunterhalt ist str.: A.A. als der BGH u.a. Maurer, FamRZ 2011, 849 (856); Götz/Brudermüller, NJW 2011, 2609 (2610). 3 BGH, FamRZ 2010, 357 (359), Bestätigung von BGH, FamRZ 2008, 1739 Tz. 24, 32.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
zwischen den Ansprüchen führt. Nachfolgend werden zwei Berechnungsvarianten zur Lösung dieses Problems vorgestellt: Variante 1: Die Berechnung des eheangemessenen Bedarfs mit Vorabzug des Anspruchs nach § 1615l BGB und Anwendung der Dreiteilungsmethode auf der Leistungsebene (BGH-Lösung) und Variante 2: Die Berechnung des eheangemessenen Bedarfs ohne Vorabzug des Anspruchs nach § 1615l BGB und die anteilige Quotelung der Verteilungsmasse entsprechend dem Verhältnis der errechneten Bedarfsbeträge der Berechtigten. 254
Beispiel M hat ein bereinigtes Einkommen von 3 000 Euro, seine getrennt lebende Ehefrau F1 hat kein Einkommen. Die nichteheliche Mutter F2 hat nach ihrer Lebensstellung vor der Geburt einen Bedarf von 1 100 Euro und kein Einkommen. Die Ansprüche von F1 und F2 sind gleichrangig. Variante 1: Einkommen M – um berufsbed. Aufwendungen bereinigt Abzug Kindesunterhalt (365 – 92 =) Zwischensumme Abzug Unterhaltsbedarf der Mutter des nichtehelichen Kindes F2 bedarfsbestimmendes Einkommen M
3 000 Euro 273 Euro 2 727 Euro 1 100 Euro 1 627 Euro
Einkommen F1 – Differenz Bedarf F1 i.H.v. 3/ 7 von 1 627 Euro
0 Euro 1 627 Euro 697 Euro
Gesamtunterhaltsbedarf F1 und F2: 1 100 + 697 =
1 797 Euro
Eigenbedarfskontrolle und Berechnung des Billigkeitsunterhalts: Die Voraussetzungen für die Bestimmung des Billigkeitsunterhalts sind gegeben, da bei einem Gesamtbedarf von 1 797 Euro der angemessene Eigenbedarf von M nicht gewahrt ist, denn ihm würden nur 930 Euro verbleiben (2 727 – 1 797 = 930 Euro). Eine Möglichkeit des gerechten Ausgleichs sieht der BGH in der Dreiteilung des Gesamteinkommens: Gesamteinkommen: 2 727 / 3 = 909 Euro. Da M mindestens 1 100 Euro als angemessener Eigenbedarf zustehen, stehen zur gleichmäßigen Verteilung für F1 und F2 zur Verfügung 1 627 Euro: 2 727 – 1 100 = 1 627 / 2 = 813 Euro Ergebnis: F1 und F2 erhalten je 813 Euro, der Mindestbedarf beider Unterhaltsberechtigter ist gewahrt.
255
Variante 2: Der Bedarf der F1 nach § 1361 BGB wird ohne Vorabzug des Anspruchs der nichtehelichen Mutter ermittelt, anschließend wird das zur Verfügung stehende Einkommen anteilig entsprechend dem Verhältnis der errechneten Bedarfsbeträge zum Gesamtbedarf aufgeteilt: M: bedarfsbestimmendes Einkommen F1: bedarfsbestimmendes Einkommen Bedarf F1: 3/ 7 der Differenz, gerundet
2 727 Euro 0 Euro 1 169 Euro
Bedarf F2: Summe der Bedarfsbeträge von F1 und F2: Eigenbedarfskontrolle und Berechnung des Billigkeitsunterhalts: 2 727 – 1 169 – 1 100 =
1 100 Euro 2 269 Euro 458 Euro
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten Der angemessene Eigenbedarf ist nicht gedeckt. Das zu verteilende Einkommen beträgt bei einem Mindesteigenbedarf des M von 1 100 Euro Auf F1 und F2 entfallen entsprechend dem Verhältnis ihrer Bedarfsbeträge zum Gesamtbedarf folgende Anteile: Anteil der F1 am Gesamtbedarf 1 169 / 2 269 = Anteil der F2 am Gesamtbedarf 1 100 / 2 269 = Anspruch F1: 1 627 × 51,52 % = Anspruch F2: 1 627 × 48,48 % =
1 627 Euro
51,52 % 48,48 % 838 Euro 789 Euro
Korrektur und Ergebnis: Um den notwendigen Eigenbedarf von F2 zu sichern, ist ihr Anspruch auf 800 Euro aufzustocken zu Lasten des Anspruchs von F1, der auf 827 Euro zu kürzen ist.
IV. Rangverhältnisse 256
Für alle ab 1.1.2008 fälligen Ansprüche gilt in Mangelfällen, wenn das Einkommen des barunterhaltspflichtigen Ehegatten nicht zur Befriedigung der Ansprüche aller Unterhaltsberechtigten reicht, die mit dem UÄndG eingeführte, in § 1609 BGB geregelte Rangfolge: Danach sind minderjährige unverheiratete Kinder und ihnen gleichgestellte unverheiratete volljährige Schüler bis zum 21. Lebensjahr, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB), allen anderen Berechtigten gegenüber vorrangig unterhaltsberechtigt und aus den vorhandenen Mitteln zuerst zu befriedigen (§ 1609 Nr. 1 BGB). Bleibt noch Geld übrig, folgen im zweiten Rang Elternteile, die wegen Kindesbetreuung unterhaltsberechtigt sind, egal, ob sie mit dem Verpflichteten verheiratet sind oder waren, sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer (§ 1609 Nr. 2 BGB). Für die Klärung, ob eine Ehe von langer Dauer ist oder war, ist nach dem Willen des Gesetzgebers nicht nur auf die Anzahl der Ehejahre abzustellen, vielmehr soll bei der Bewertung mitberücksichtigt werden, ob die Unterhaltsbedürftigkeit auf ehebedingten Nachteilen beruht. Denn ein besonderer Vertrauensschutz soll nach neuem Recht dem Ehegatten zukommen, der sich unter Verzicht auf die eigene berufliche Entwicklung in der Ehe überwiegend der Pflege und Erziehung der gemeinsamen Kinder und der Führung des Haushalts dauerhaft gewidmet hat und deshalb nicht oder nur eingeschränkt selbst für seinen Unterhalt sorgen kann.1
257
Beispiele M war mit F1 12 Jahre verheiratet und hat aus dieser Ehe 2 Kinder im Alter von 10 und 12 Jahren, die von F1 betreut werden. F1 ist teilzeitbeschäftigt und unterhaltsbedürftig. M ist in zweiter Ehe mit F2 verheiratet, die das noch vor der Scheidung der Ehe von M und F1 geborene zweijährige Kind betreut, nicht erwerbstätig ist und von M getrennt lebt. Zunächst ist vom Einkommen des M der Unterhalt für die drei Kinder abzuziehen. Der verbleibende Betrag, von dem noch der M zustehende Selbstbehalt abzuziehen ist, steht F1 und F2 anteilig zu, denn beide sind wegen der Kindesbetreuung im 2. Rang. Zu den Berechnungsvarianten s. Rz. 249. M ist mit F1 seit 20 Jahren verheiratet und lebt von ihr getrennt. Die Ehe ist kinderlos geblieben. F1, die den Haushalt versorgt und immer nur eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt hat, findet keine Vollzeitstelle und verlangt Trennungsunterhalt. F2, die Freundin von M, betreut ein gemeinsames Kind und macht Kindes- und Betreuungsunterhalt geltend. Das nach
1 BT-Drucks. 16/6980, S. 21. Zur Diskussion im Gesetzgebungsverfahren und mit Beispielen zur „Ehe von langer Dauer“ s. Menne/Grundmann, S. 82 ff.; BGH, FamRZ 2008, 1911 Tz. 65 ff.; 2013, 1291 Tz. 18 ff.
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Abzug des vorrangigen Kindesunterhalts verbleibende Geld ist nach Abzug des M zustehenden Eigenbedarfs zwischen F1 und F2 aufzuteilen, da sie beide im zweiten Rang unterhaltsberechtigt sind: F1, weil ihre Ehe von langer Dauer ist und F2, weil sie ein gemeinsames minderjähriges Kind betreut (s. Rz. 249 zur Bedarfsberechnung bei mehreren gleichrangig Berechtigten).
Erfüllt ein getrennt lebender Ehegatte nicht die in § 1609 Nr. 2 BGB genannten 258 Voraussetzungen, stehen seine Ansprüche mit denen geschiedener Ehegatten, die ebenfalls nicht unter Nr. 2 fallen, im dritten Rang der Ansprüche (§ 1609 Nr. 3 BGB). Volljährige Kinder, Enkel, Eltern und weitere Verwandte gehen den Ehegatten immer im Rang nach (§ 1609 Nr. 4 bis 7 BGB). Nach der neuen Rangfolge geht der wegen Krankheit unterhaltsberechtigte Ehegatte, dessen Ehe nicht von langer Dauer ist, aber noch besteht, im Mangelfall leer aus, wenn der Unterhaltspflichtige Kind und neue Lebenspartnerin wegen begrenzter Mittel vorrangig zu unterhalten hat. Bis zum 31.12.2007 galt die in § 1609 a.F. BGB geregelte Rangfolge: Danach wa- 259 ren Ehegatten – gleichgültig, ob die Ehe noch bestand oder nicht – gleichrangig neben den minderjährigen unverheirateten Kindern und ihnen gleichgestellten privilegierten volljährigen Kindern (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB) unterhaltsberechtigt. Ihre Ansprüche waren neben denen der vorgenannten Kinder vor den Ansprüchen aller anderen Unterhaltsgläubiger zu berücksichtigen (§ 1609 Abs. 2 a.F. BGB). Die Gleichrangigkeit zwischen verheiratetem und geschiedenem Ehegatten im Verhältnis zu den minderjährigen Kindern sowie privilegierten volljährigen Kindern galt jedoch nicht uneingeschränkt. So ging der geschiedene Ehegatte dem neuen Ehegatten im Mangelfall gem. § 1582 a.F. BGB vor, es sei denn, der neue Ehegatte wäre bei entsprechender Anwendung der §§ 1569–1574, § 1576 und § 1577 Abs. 1 BGB unterhaltsberechtigt gewesen. Aber selbst wenn der neue Ehegatte einen solchen Anspruch gehabt hätte, war der geschiedene Ehegatte gleichwohl vorrangig berechtigt, wenn er selbst nach § 1570 BGB oder § 1576 BGB unterhaltsberechtigt oder seine Ehe mit dem geschiedenen Ehegatten von langer Dauer war. Der langen Ehedauer stand die Zeit gleich, in der ein Ehegatte wegen der Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes unterhaltsberechtigt war. Dabei musste der Anspruch bestehen. Nicht erforderlich ist, dass er von dem geschiedenen Ehegatten auch geltend gemacht wird.1
V. Ausschluss, Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen grober Unbilligkeit nach § 1579 Nr. 2 bis 8 BGB Der Trennungsunterhalt kann in Ausnahmefällen unter Wahrung der Belange ge- 260 meinsamer Kinder versagt, herabgesetzt oder zeitlich begrenzt werden, wenn die Unterhaltsbelastung insbesondere wegen eines Fehlverhaltens des Berechtigten grob unbillig wäre. Die sog. Härteklausel (§ 1579 Nr. 2–8 BGB) findet auch auf den Trennungsunterhalt entsprechende Anwendung (§ 1361 Abs. 3 BGB). Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf die Ausführungen unter Kap. F Rz. 458 ff. verwiesen. Kommt eine Beschränkung des Anspruchs wegen grober Unbilligkeit in Be- 261 tracht, gelten Besonderheiten, wenn der Unterhaltsberechtigte Elterngeld bezieht. Denn das Elterngeld ist in voller Höhe als Einkommen in die Unterhalts1 BGH, NJW 2005, 2145 ff.
Ehinger
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
berechnung einzustellen, wenn aus Billigkeitsgründen eine Beschränkung, Versagung oder Begrenzung des Unterhaltsanspruchs des Bezugsberechtigten wegen eines Fehlverhaltens in den Fällen der §§ 1361 Abs. 3, 1579, BGB in Betracht kommt (§ 11 Satz 4 BEEG). 262
Beispiel F begehrt von ihrem Ehemann M, einem Berufssoldaten, der in Abständen in Afghanistan stationiert ist, Trennungsunterhalt. Sie betreut zwei gemeinsame Kinder und lebt seit der Trennung mit einem neuen Partner zusammen, von dem sie auch ein Kind bekommen hat. Zu ihren Gunsten kommt ein herabgesetzter Unterhaltsanspruch gem. §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 2 BGB in Betracht, bei dem das von ihr bezogenen Elterngeld in voller Höhe als Einkommen zu berücksichtigen ist wegen der teilweisen Verwirkung des Anspruchs.1
263
Keine Anwendung auf den Trennungsunterhalt findet der Härtegrund Nr. 1 der Klausel, wonach der Ausschluss wegen der kurzen Dauer der Ehe erfolgen kann. Ebenfalls keine Anwendung findet § 1578b BGB, der die Herabsetzung und Befristung nur beim Nacheheunterhalt aus Billigkeitsgründen regelt.2
VI. Kranken- und Vorsorgeunterhalt 264
Kosten für die Kranken- und Altersversicherung gehören mit zum Unterhaltsanspruch, müssen als Bedarf aber immer ausdrücklich geltend gemacht werden. In der Praxis spielt der Krankenvorsorgeunterhalt praktisch keine Rolle, weil der nicht erwerbstätige Ehegatte i.d.R. bis zur Scheidung bei dem anderen mitversichert oder im Falle der Erwerbstätigkeit üblicherweise selbst pflichtversichert ist.
265
Beim Altersvorsorgeunterhalt ist zu beachten, dass ein Anspruch erst entstehen kann, wenn der Scheidungsantrag zugestellt worden ist (§ 1361 Abs. 1 Satz 2 BGB). Denn im Fall der Scheidung der Ehe werden nur die bis zum Ende des der Zustellung des Scheidungsantrags vorangehenden Monats erworbenen Rentenanwartschaften der Ehegatten aufgeteilt (Versorgungsausgleich). Ein Ausgleich danach erworbener Rentenanwartschaften findet nicht mehr statt. Deshalb gehören auch die Vorsorgeaufwendungen für das Alter sowie die Berufs- und Erwerbsunfähigkeit erst ab Zustellung des Scheidungsantrags zum Unterhaltsbedarf des anspruchsstellenden Ehegatten. Wie der Vorsorgeunterhalt berechnet wird, ist unter Kap. F Rz. 368 ff. erläutert.
266
Soweit Altersvorsorgeunterhalt für die Vergangenheit für die Zeit ab Zustellung des Scheidungsantrags geltend gemacht werden soll, ist dies möglich von dem Zeitpunkt an, zu welchem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen (§§ 1361 Abs. 4, 1360a Abs. 3, 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dabei bedarf es keines gesonderten Hinweises in dem Auskunftsverlangen, es werde auch Altersvorsorgeunterhalt verlangt, denn der Vorsorgeunterhalt ist Teil des allgemeinen Lebensbedarfs (§ 1578 Abs. 3 BGB).3 Ist die Auskunft er1 Ähnliche Fallkonstellation: BGH FamRZ 2012, 1201 Tz. 30. 2 OLG Bremen, FamRZ 2009, 1415; OLG Brandenburg, OLGR Brandenburg 2009, 417; OLG Düsseldorf, FamRZ 2008, 1539. 3 BGH, FamRZ 2007, 193 (196) mit Anm. Borth, S. 196–197, zur Geltendmachung von Altersvorsorgeunterhalt im Rahmen des Trennungsunterhalts.
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VIII. Unterhalt für die Vergangenheit
teilt, muss der Unterhaltsberechtigte den Vorsorgeunterhalt gesondert beziffern und, soweit die prozessuale Durchsetzung erforderlich ist, auch im Unterhaltsstreitverfahren einen bezifferten Antrag zum Vorsorgeunterhalt stellen.1 Unabhängig davon, ob der Unterhaltsbedarf als Quotenunterhalt oder konkret berechnet wird, ist der errechnete Elementarunterhalt der Ausgangswert für die Berechnung des Vorsorgeunterhalts.2 S. Kap. F Rz. 372.
VII. Unterhaltsverträge Die Ehegatten können sich über die Zahlung von Trennungsunterhalt außerge- 267 richtlich oder auch im Unterhaltsstreitverfahren einigen, dies mit vollstreckungsfähigem Inhalt oder auch nicht – je nach Interessenlage (vgl. dazu Kap. J Rz. 25 ff.). Dies gilt sowohl für den rückständigen als auch laufenden Unterhalt. Unterhaltsvereinbarungen bieten den Vorteil, dass den individuellen Bedürfnissen differenzierter und umfassender Rechnung getragen werden kann, denn in die Vereinbarungen können z.B. Regelungen über zukünftige Verpflichtungen betreffend den Krankenversicherungsschutz, zur ergänzenden Altersvorsorge und zu steuerrechtlichen Folgen wie das begrenzte Realsplitting und den Nachteilsausgleich miteinbezogen werden.3 Anders als beim nachehelichen Unterhalt ist ein Unterhaltsverzicht – auch ein teilweiser – für die Zukunft beim Trennungsunterhalt nicht möglich (§ 1361 Abs. 4 i.V.m. § 1360a Abs. 3, § 1614 BGB). Einigen sich die Parteien auf einen geringeren Unterhalt als geschuldet, ist die Vereinbarung noch wirksam, wenn der vereinbarte Unterhalt sich im Rahmen des angemessenen Unterhalts bewegt (§ 1361 Abs. 1 BGB). Eine Unterschreitung um ein Drittel dürfte i.d.R. nicht mehr mit § 1614 Abs. 1 BGB vereinbar sein. Maßgeblich für die Beurteilung sind jedoch letztlich die individuellen Verhältnisse.4 Eine Vereinbarung mit einer zeitlichen Begrenzung des Anspruchs und Verzicht für die nachfolgende Zeit ist unwirksam. Wird der Unterhalt während der Trennungszeit zunächst nicht geltend gemacht, beinhaltet dies keinen Verzicht.5 Das Versprechen des unterhaltsberechtigten Ehegatten keinen Trennungsunterhalt geltend zu machen (pactum de non petendo), führt zur Unwirksamkeit, u.U. des gesamten Vertrags (§ 139 BGB).6
VIII. Unterhalt für die Vergangenheit Für die Vergangenheit kann Unterhalt nur ab Inverzugsetzung, ab Eintritt der 268 Rechtshängigkeit und ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verpflichtete zur Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen (§ 1613 Abs. 1 i.V.m. § 1361 Abs. 4 und § 1360a Abs. 3 BGB), verlangt werden. Der gemäß § 1613 Abs. 1 BGB geltend gemachte Unterhalt für die Vergangenheit wird geschuldet ab dem Ersten des Mo-
1 2 3 4
Borth, FamRZ 2007, 196 (197). BGH, FamRZ 2012, 945. Vgl. dazu ausführlich Schwackenberg, FPR 2001, 107 ff. So BGH, FamRZ 1984, 999 (bezogen auf Kindesunterhalt); Schwackenberg, FPR 2001, 107. Das OLG Düsseldorf, FamRZ 2001, 1148 (LS) = MDR 2000, 1252, sieht die Angemessenheitsgrenze bei einer Unterschreitung von 20 % noch gewahrt. 5 BGH, FamRZ 1986, 244 (246). 6 BGH, FamRZ 2014, 629 Tz. 48 f.; Anm. Bergschneider S. 727 f.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
nats (Fälligkeit), in den eines der drei bezeichneten Ereignisse fällt (§ 1613 Abs. 1 Satz 2 BGB). 269
Û
Praxishinweis: Der bedürftige Ehegatte sollte – sofern ihm das Einkommen des Verpflichteten bekannt ist – unverzüglich den anderen schriftlich zur Zahlung des konkret bezifferten monatlichen Unterhaltsbetrags auffordern; denn Unterhalt dient immer nur der Befriedigung des laufenden Unterhaltsbedarfs und kann für die Vergangenheit nur ab Zugang der Mahnung oder ab Eintritt der Rechtshängigkeit der Unterhaltsklage verlangt werden (vgl. die Ausführungen und das Musterschreiben unter Kap. J Rz. 5 ff.). Ist das Einkommen des Verpflichteten nicht bekannt und liegen keine Belege vor, sollte von dem anderen Auskunft über seine Einkünfte zum Zwecke der Unterhaltsberechnung verlangt werden. Denn muss der Unterhalt eingeklagt werden, weil der andere nicht zahlt, ist der klagende Ehegatte darlegungsund beweispflichtig für alle anspruchsbegründenden Tatsachen, also sowohl für die eigene Bedürftigkeit als auch die Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen, die den Bedarf mitbestimmen. Eine vorläufige Bezifferung zur Sicherung der Ansprüche ist gemäß § 1613 Abs. 1 BGB entbehrlich; denn Unterhalt kann ab dem 1. des Monats verlangt werden, in dem das Auskunftsverlangen zugegangen ist. Dies gilt gleichermaßen beim Nacheheunterhalt, vgl. Kap. F Rz. 524. Allerdings ist Folgendes zu beachten: Ist der Unterhalt nach der Auskunftserteilung einmal beziffert, kommt eine nachträgliche Erhöhung nicht in Betracht, es sei denn, der Unterhaltsberechtigte behält sich im Hinblick auf eine unvollständige oder unklare Auskunft ausdrücklich eine spätere höhere Bezifferung vor.1 Zur prozessualen Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs vgl. Kap. K. Wichtig ist, nach Mahnung oder Auskunftsersuchen den Anspruch alsbald durchzusetzen, anderenfalls droht dessen Verwirkung, vgl. dazu Rz. 275 f.
270
Verzugszinsen für Unterhalt können nur verlangt werden, wenn sich der Schuldner mit der Zahlung in Verzug befindet. Gemäß § 286 Abs. 1 BGB kommt der Schuldner, wenn er auf eine Mahnung des Gläubigers, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, nicht leistet, durch die Mahnung ab Zugang in Verzug. Die Zahlungsaufforderung entspricht der Mahnung.2 Klageerhebung und Zustellung des Mahnbescheids stehen der Mahnung gleich (§ 286 Abs. 1 Satz 2 BGB). Das Auskunftsverlangen ist ebenfalls einer Mahnung gleichzustellen, wenn es mit einer unbezifferten Zahlungsaufforderung (zur Stufenmahnung vgl. Kap. J Rz. 17 f.) verbunden wird.3 Steht die Leistungszeit z.B. aufgrund eines Vertrags fest, ist eine Mahnung entbehrlich. Der in § 286 Abs. 3 BGB geregelte automatische Verzugseintritt – 30-Tage-Regel – bezieht sich nur auf Entgeltforderungen, nicht auf Unterhaltsforderungen. Ab Verzugseintritt können Verzugszinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszins der Europäischen Zentralbank verlangt werden (§ 288 Abs. 1 i.V.m. § 247 BGB); zur Zinshöhe vgl. Kap. A Rz. 375.
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Bleibt der Ehegatte, nachdem er den anderen zur Zahlung von Unterhalt oder zur Auskunftserteilung zum Zweck der Berechnung des Unterhalts aufgefordert 1 BGH, FamRZ 2013, 109 Tz. 41 f. 2 Palandt/Grüneberg, § 286 Rz. 17. 3 BGH, FamRZ 1990, 283 (285).
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X. Verwirkung rückständigen Unterhalts nach § 242 BGB
hat, hinsichtlich der Durchsetzung seiner Ansprüche längere Zeit untätig, kann die rückwirkende Geltendmachung von Unterhalt nach § 242 BGB verwirkt sein (vgl. Rz. 275).
IX. Verjährung Die Verjährungsfrist für Trennungsunterhaltsansprüche beträgt 3 Jahre (§ 197 272 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 195 BGB). Sie beginnt grundsätzlich bei Unterhaltsansprüchen erst mit dem Schluss des Kalenderjahres zu laufen, in dem der Anspruch entsteht (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Zur Verjährungsfrist titulierten Unterhalts s. Kap. A Rz. 384 ff. Für Trennungsunterhaltsansprüche gilt die Besonderheit, dass die Verjährung ge- 273 hemmt ist, solange die Ehe besteht (§ 207 Abs. 1 BGB). Sie ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Verjährung wird ebenfalls gehemmt z.B. während – schwebender Verhandlungen über den Anspruch (§ 203 BGB), – des Unterhaltsverfahrens (auch bei Stufenanträgen), – des Verfahrenskostenhilfeverfahrens (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 und 14 BGB) – und der Zustellung eines Antrags auf einstweilige Anordnung (§ 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB). Die Hemmung gilt nicht im Falle der Abtretung des Anspruchs auf einen Drit- 274 ten oder bei gesetzlichem Forderungsübergang.1
X. Verwirkung rückständigen Unterhalts nach § 242 BGB Eine Verwirkung des Rechts auf Geltendmachung rückständigen Unterhalts 275 kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre (sog. Zeitmoment), und der Verpflichtete sich aufgrund des gesamten Verhaltens des Berechtigten darauf einrichten durfte und darauf eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (sog. Umstandsmoment).2 Zeit- und Umstandsmoment können bereits erfüllt sein, wenn der Berechtigte länger als ein Jahr nicht die Durchsetzung seiner Ansprüche in Angriff nimmt. Vgl. zu weiteren Einzelheiten Kap. A Rz. 378 ff. Ebenso kann titulierter Unterhalt schon vor Ablauf der allgemeinen Verjäh- 276 rungsfrist von 3 Jahren (§ 197 Abs. 2, § 201 BGB) verwirkt sein, wenn Zeit- und Umstandsmoment erfüllt sind. Auch hier kommt nach der Rechtsprechung des BGH schon eine Verwirkung der Forderungen in Betracht, wenn der Berechtigte länger als ein Jahr keine Anstalten gemacht hat, von seinem Recht auf Vollstreckung Gebrauch zu machen. Denn die zeitnahe Verwirklichung der Ansprüche dient dem Schuldnerschutz, um ein Anwachsen der Schulden zu vermeiden, so dass es egal ist, ob die Ansprüche tituliert sind oder nicht.3 Ausführlich dazu Kap. A Rz. 384 ff. 1 Palandt/Ellenberger, § 207 BGB Rz. 1; BGH, NJW 2006, 3561, Tz. 14. 2 BGH, FamRZ 2002, 1698 f. 3 BGH, Urt. v. 10.12.2003 – XII ZR 155/01, FamRZ 2004, 531 (532); OLG München, OLGR München 2002, 68.
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
XI. Verfahrenskostenvorschuss 277
Ist ein Ehegatte nicht in der Lage, die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, der eine persönliche Angelegenheit betrifft, so ist der andere Ehegatte verpflichtet, ihm diese Kosten vorzuschießen, soweit dies der Billigkeit entspricht (§ 1361 Abs. 4, § 1360a Abs. 4 BGB). Verlangt werden kann i.d.R. für den beauftragten Anwalt der anwaltliche Gebührenvorschuss (§ 9 RVG) einschließlich Nebenkosten (2,5-Anwaltsgebühren gemäß Vergütungsverzeichnis VV 3100, 3104 zzgl. Auslagenpauschale von 20 % der Gebühren, max. 20 Euro, und Umsatzsteuer). S. zu den entstehende Kosten im Unterhaltsstreitverfahren Kap. K Rz. 65 ff.
278
Solange die Ehe noch besteht, hat der wirtschaftlich schwächere Ehegatte gegen den anderen einen Anspruch auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses für Rechtsstreitigkeiten, die eine persönliche Angelegenheit betreffen. Darunter fallen z.B. die Verfahrenskosten für das Scheidungsverfahren, Sorgerechtsverfahren und die Unterhaltsstreitigkeiten. Der Anspruch besteht nur, wenn die Einkommensverhältnisse so stark differieren, dass von dem anderen die Vorschusszahlung billigerweise auch erwartet werden kann. Beispiel F verdient monatlich 1 000 Euro und hat ca. 2 500 Euro gespart. M verdient monatlich 2 500 Euro und hat Ersparnisse i.H.v. 10 000 Euro. F hat einen Anspruch auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses.
Ein Anspruch scheidet aus, wenn der Unterhaltspflichtige auf Quotenunterhalt in Anspruch genommen wird, das Gesamteinkommen der Ehegatten also annähernd hälftig verteilt wird, und er nicht neben dem eheprägenden Einkommen über weiteres Einkommen oder über Vermögen verfügt.1 279
Besteht ein Anspruch und bietet der Unterhaltspflichtige dem Antragsteller ein Darlehen zur Beseitigung der Bedürftigkeit an, muss dieser das Angebot nicht annehmen, denn er würde damit seine Rechtsposition verschlechtern.2 Während das Darlehen immer zurückzuzahlen ist, gilt dies nicht gleichermaßen für den Vorschuss nach § 1360a Abs. 4 BGB, denn insoweit handelt es sich um Unterhalt, der i.d.R. nicht zurückgefordert werden kann. Zu den Ausnahmen s. Kap. H Rz. 76 ff. Der BGH hat allerdings aus der Formulierung im Gesetz, dass die Kosten „vorzuschießen“ sind, einschränkend gefolgert, dass die vorgeschossenen Mittel, dann zurückzuzahlen sind, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Vorschussempfängers wesentlich gebessert haben oder die Rückzahlung aus anderen Gründen der Billigkeit entspricht.3
280
Hat der Verpflichtete selbst Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung nach § 114 ff. ZPO, entfällt ein Anspruch. Er kann jedoch zur Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses verpflichtet sein, wenn er Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe mit Ratenzahlung hätte und er den Verfahrenskostenvorschuss in Raten zahlen könnte. Der BGH hat entschieden, dass auch der Unterhaltspflichtige zur Zahlung eines Prozesskostenvorschusses leistungsfähig 1 OLG Hamm, FamFR 2012, 392 m. Anm. Pfeil; OLG Karlsruhe, FamRZ 2011, 1235. OLG Frankfurt v. 15.10.2013 – 2 UFH 8/13, juris. 2 OLG Frankfurt v. 15.10.2013 – 2 UFH 8/13, juris. 3 BGH, NJW 1971, 1262 (Grundsatzentscheidung); FamRZ 1985, 803; 2004, 1633 (1634 f.).
366 Ehinger
XI. Verfahrenskostenvorschuss
ist, der selbst Anspruch auf Prozesskostenhilfe mit Ratenzahlung hätte, sofern ihm mindestens der nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen zustehende angemessene Selbstbehalt verbleibt.1 Im Unterhaltsrechtsverhältnis zwischen getrennt lebenden Ehegatten beträgt der angemessene Eigenbedarf nach dem Stand 1.1.2014 i.d.R. 1 100 Euro.2 Ob die Vorschussgewährung der Billigkeit entspricht, hängt nicht nur von den 281 wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien, sondern auch davon ab, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg haben wird. Prüfungsmaßstab für die Erfolgsaussicht ist § 114 ZPO, wobei die dazu von der Rechtsprechung für die Prozesskostenhilfegewährung entwickelten Grundsätze herangezogen werden können. In diesem Sinne hat der BGH3 die lange streitige Frage nach dem Prüfungsmaßstab für die beabsichtigte Rechtsverfolgung bei der Billigkeitsprüfung entschieden; denn dem Unterhaltspflichtigen soll genauso wenig wie dem Staat bei der Prozesskostenhilfegewährung zugemutet werden, finanzielle Mittel für einen Prozess zur Verfügung zu stellen, wenn nicht wenigstens eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht. Damit obliegt dem Anspruchsteller, die Erfolgsaussicht gegenüber dem Verpflichteten darzulegen und glaubhaft zu machen.4
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Praxishinweis: Der unterhaltsberechtigte Ehegatte kann den Anspruch auf 282 Verfahrenskostenvorschuss, wenn der Verpflichtete nicht freiwillig zahlt, im Wege der einstweiligen Anordnung in einem selbständigen Verfahren geltend machen (§ 246 Abs. 1 FamFG, s. Kap. K Rz. 182) und für dieses einstweilige Anordnungsverfahren auch Verfahrenskostenhilfe beantragen. Die Entscheidung des Familiengerichts über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses ist unanfechtbar (§ 57 Abs. 1 FamFG). Befindet sich das Unterhaltsstreitverfahren in der Rechtsmittelinstanz, ist das OLG für die Entscheidung über den Antrag auf Zahlung eines Kostenvorschusses zuständig (§ 50 Abs. 1 FamFG. Vgl. zu den verfahrensrechtlichen Einzelheiten der Geltendmachung eines Verfahrenskostenvorschusses Kap. K Rz. 178 ff.
Hat der Verpflichtete den Vorschuss zu zahlen, kann er ihn bei der Berechnung 283 des Unterhalts als einkommensmindernde Belastung geltend machen. Auch kann er den Vorschuss später zurückverlangen, wenn sich die finanziellen Verhältnisse des Anspruchstellers wesentlich gebessert haben, ferner, wenn die Rückzahlung aus anderen Gründen der Billigkeit entspricht.5 Will der Anspruchsteller Verfahrenskostenhilfe beantragen, weil seine Mittel 284 nicht ausreichen, um den Gerichtskosten- und Anwaltskostenvorschuss selbst zu zahlen, muss er immer zunächst prüfen, ob er einen Anspruch auf Vorschusszahlung gegen seinen Ehegatten hat, denn bei dem Anspruch auf Vorschusszahlung handelt es sich um einen vermögenswerten Anspruch,6 den das Gericht bei 1 BGH, FamRZ 2004, 1633 (1634 f.) zum Kostenvorschussanspruch des volljährigen Kindes gegenüber den Eltern. 2 DT, Anm. B IV. 3 BGH, NJW 2001, 1646 (1647). 4 FamGB/Griesche, § 1361 BGB Rz. 46. 5 BGH, FamRZ 1990, 491 in Anwendung des den §§ 1360 ff. BGB zugrunde liegenden Rechtsgedankens; BGH, FamRZ 1985, 802. 6 BGH, FamRZ 2004, 1633 (1635).
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E. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
der Überprüfung seiner Bedürftigkeit zu berücksichtigen hat.1 Das Familiengericht wird Verfahrenskostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit versagen, wenn der Ehegatte von seinem leistungsfähigen Ehepartner einen Kostenvorschuss beanspruchen kann und der Vorschussanspruch auch zeitnah durchgesetzt werden kann. Die Versagung ist jedoch dann nicht gerechtfertigt, wenn der Verpflichtete nicht zur Zahlung – auch von Trennungsunterhalt – bereit ist oder der Unterhaltsberechtigte den Vorschuss für seine Rechtsverteidigung benötigt, denn dann bestehen erhebliche Zweifel an der zeitnahen Durchsetzung des Vorschussanspruchs, was nicht zu Lasten des Rechtsschutzes des Bedürftigen gehen darf.2 285
Der Vorschussanspruch kann aufgrund seiner unterhaltsrechtlichen Natur und die Verweisung auf die Verwirkungsvorschriften beim Nacheheunterhalt wegen grober Unbilligkeit in § 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB auf § 1361 Abs. 3 i.V.m. § 1579 Nr. 2–8 BGB auch beschränkt oder versagt werden. Zu den Verwirkungsgründen s. Kap. F Rz. 436 ff.
1 Herrschende Meinung: vgl. u.a. Zöller/Geimer, § 115 ZPO Rz. 67; Prütting/Helms/Stößer, § 76 Rz. 33. 2 OLG Nürnberg, FamRZ 2013, 1325; OLG Brandenburg, FamRZ 2014, 784.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten Inhaltsübersicht Rz. I. Einleitung 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . 2. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anspruchsvoraussetzungen. . . . . . 1. Grundsatz der Einheitlichkeit des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedarfsbemessung und Halbteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Darlegungs- und Beweislast . . 5. Die Erwerbsobliegenheit zur Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse und Bedürftigkeit . . . 6. Herabsetzung, Befristung und Ausschluss nach § 1578b BGB und § 1579 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . 7. Beginn und Ende des Anspruchs . . 8. Herabsetzung und Befristungsmöglichkeiten bis zum 31.12.2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 4 7 8 15 25 26 27 38 43 49
III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB . . . . . . . . . . . . . 53 1. Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes (§ 1570 BGB) . . . . . . . . . . . . 53 a) Verfassungsrechtliche Vorgaben der Reform des § 1570 BGB durch das UÄndG . . . . . . . 55 b) Anspruchsvoraussetzungen und Konkurrenzen . . . . . . . . . . . 56 c) Verlängerung aus kindbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 aa) Möglichkeiten der Fremdbetreuung . . . . . . . . . . . . . . . 73 bb) Belange des Kindes . . . . . . . 78 d) Verlängerung aus ehe- und elternbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . 80 aa) Ehe- und elternbezogene Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 bb) Beispiele aus der Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 e) Darlegungs- und Beweislast . . . 93 f) Befristung, Herabsetzung und Beendigung des Betreuungsunterhaltsanspruchs . . . . . . . . . 100 g) Unterhalt wegen Kindesbetreuung nach altem Recht (§ 1570 a.F. BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
Rz. 2. Unterhalt wegen Alters (§ 1571 BGB). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Anspruchsvoraussetzungen . . . . 110 b) Einsatzzeitpunkte und Anschlussunterhalt . . . . . . . . . . . . . 124 c) Herabsetzung und Befristung. . . 129 3. Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen (§ 1572 BGB) . . . . . . . . . 135 a) Anspruchsvoraussetzungen . . . . 136 b) Einsatzzeitpunkt und Anschlussunterhalt . . . . . . . . . . . . . 143 c) Darlegungs- und Beweislast . . . . 147 d) Herabsetzung und Befristung. . . 149 4. Unterhalt wegen Arbeitslosigkeit nach § 1573 Abs. 1 BGB sowie Ausbildung nach § 1573 Abs. 1 i.V.m. § 1574 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 a) Anspruchsvoraussetzungen . . . . 162 b) Pflicht zur Aus-, Fortbildung und Umschulung. . . . . . . . . . . . . 172 c) Einsatzzeitpunkte . . . . . . . . . . . . 178 d) Nachhaltige Sicherung der Erwerbstätigkeit . . . . . . . . . . . . . 181 e) Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . 185 f) Darlegungs- und Beweislast . . . . 186 g) Befristung und Herabsetzung. . . 187 5. Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 a) Anspruchsvoraussetzungen und Konkurrenzen . . . . . . . . . . . 189 b) Einsatzzeitpunkte . . . . . . . . . . . . 193 c) Befristung und Herabsetzung. . . 194 6. Unterhalt wegen Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung (§ 1575 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 a) Unterhalt wegen Aufnahme oder Fortsetzung einer Ausbildung (§ 1575 Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 b) Unterhalt wegen Fortbildung oder Umschulung (§ 1575 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 7. Unterhalt aus Billigkeitsgründen (§ 1576 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 IV. Die Berechnung des Unterhalts . . . 231 1. Klärung der aktuellen Einkommensverhältnisse . . . . . . . . 235 2. Klärung der prägenden Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Scheidung. . . . . . . . . 244
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten Rz. 3. Feststellung des bedarfsbestimmenden Einkommens nach dem Maßstab der prägenden ehelichen Lebensverhältnisse . . . . . . . . . . . . . 4. Zur Vertiefung: Typische Probleme bei der Feststellung des prägenden bedarfsbestimmenden Einkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einkommenserhöhungen und Einkommensminderungen nach der Scheidung (§ 1578 Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit, die neben der Kindesbetreuung ausgeübt wird . . . . . . . . . . . . . . . c) Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit. . . . . d) Fiktives Einkommen bei Verletzung der Erwerbsobliegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Fiktives Einkommen bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung nicht gemeinsamer Kinder (sog. Hausmannsrechtsprechung) . . . f) Fiktive Einkünfte beim Zusammenleben mit einem neuen Partner und Synergieeffekt . . . . g) Überdurchschnittlich hohes Einkommen – konkrete Bedarfsberechnung . . . . . . . . . . . . . h) Vermögenserträge. . . . . . . . . . . . i) Wohnvorteil beim Wohnen im eigenen Heim . . . . . . . . . . . . . . . j) Abzug von Kreditraten und sonstigen Verbindlichkeiten . . . k) Berücksichtigung von Steuervorteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l) Miete für die Ehewohnung . . . . m)Unterhalt für Kinder, Mütter nichtehelicher Kinder und Eltern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . n) Unterhalt für neuen Ehepartner des Verpflichteten . . . . . . . . . . . 5. Berechnung des Anteils des Anspruchstellers am bedarfsbestimmenden Einkommen (Quotierung) mit Rechenbeispielen . . . . . . 6. Bedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beispiele für abzugspflichtiges Einkommen, das nicht die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anforderungen an die Verwertung von Vermögen . . . . . . . . . .
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340 346
347 349
Rz. c) Besonderheiten bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 7. Leistungsfähigkeit des Anspruchsgegners . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 a) Eigenbedarf (Selbstbehalt) als Kontrollbetrag der Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 b) Mangelfallberechnung bei vorund gleichrangigen Unterhaltsansprüchen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 V. Vorsorgeunterhalt für den Fall des Alters, der Erwerbs- und Berufsunfähigkeit (§ 1578 Abs. 3 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 VI. Vorsorgeunterhalt wegen Krankheit (§ 1578 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . 382 VII. Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit (§ 1578b BGB). . . . . . . 391 1. Rechtspolitisches Ziel des seit 1.1.2008 geltenden § 1578b BGB . . 396 2. Grundsätze der Billigkeitsprüfung . 401 a) Kriterien für das Vorliegen ehebedingter Nachteile. . . . . . . . . . . 404 b) Nachteilsunabhängige Billigkeitskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . 408 c) Weitere Gesichtspunkte der Billigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . 410 3. Ehebedingte Nachteile wegen Zeiten der Kindesbetreuung, der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit . . . . . . . . . . . . 414 4. Die Dauer der Ehe und das Maß nachehelicher Solidarität . . . . . . . . 424 5. Herabsetzung und/oder Befristung des Unterhalts als Rechtsfolgen . . . 426 a) Herabsetzung des Unterhalts auf den angemessenen Lebensbedarf nach § 1578b Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 b) Zeitliche Begrenzung des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 6. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . 432 VIII. Beschränkung und Versagung von Unterhalt wegen grober Unbilligkeit (§ 1579 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . 436 1. Kurze Ehedauer (Nr. 1) . . . . . . . . . . 448 2. Verfestigte Lebensgemeinschaft (Nr. 2). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 3. Verbrechen oder schweres vorsätzliches Vergehen (Nr. 3) . . . . 467 4. Mutwilliges Herbeiführen der Bedürftigkeit (Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . 477
I. Einleitung Rz. 5. Verletzung schwerwiegender Vermögensinteressen (Nr. 5) . . . . . . . . 6. Unterhaltspflichtverletzung (Nr. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Offensichtlich schwerwiegendes einseitiges Fehlverhalten (Nr. 7) . . 8. Anderer ebenso schwerwiegender Grund (Nr. 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Anwendung von § 1579 BGB a.F. auf Unterhaltszeiträume bis zum 31.12.2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz. X. Unterhalt für die Vergangenheit . . 522
482 486
XI. Verwirkung rückständigen Unterhalts nach § 242 BGB . . . . . . . . . . . 532 XII. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534
487 492 502
IX. Unterhaltsverträge . . . . . . . . . . . . . 503
XIII. Rangverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . 535 1. Die Regelung der Rangverhältnisse seit 1.1.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 2. Die Regelung der Rangverhältnisse bis 31.12.2007 . . . . . . . . . . . . . . . 539 XIV. Verfahrenskostenvorschuss . . . . . . 540
I. Einleitung 1. Anwendungsbereich Ob und wie viel Unterhalt zu zahlen ist, richtet sich nach der Scheidung bei 1 Ehen, die seit dem 1.7.1977 in den alten Bundesländern und seit dem 3.10.1990 in den neuen Bundesländern geschieden werden, nach den §§ 1569 ff. BGB. Für Ehen, die bis zum 30.6.1977 in den alten Bundesländern geschieden wurden, gilt noch heute das bis zum 30.6.1977 in Kraft gewesene Unterhaltsrecht der §§ 58 ff. Ehegesetz. Wurde die Ehe in den neuen Bundesländern bis zum 2.10.1990 nach DDR-Recht 2 geschieden, richtet sich der Unterhaltsanspruch gemäß Art. 234 § 5 EGBGB nach „bisherigem Recht“. Als bisheriges Recht finden nach innerdeutschem Kollisionsrecht die §§ 29 ff. FGB i.d.F. des 1. Familienrechtsänderungsgesetzes der DDR vom 20.7.1990 Anwendung, wenn beide Ehegatten bis zum Beitritt in der DDR lebten. Die §§ 1569 ff. BGB finden demgegenüber dann Anwendung, wenn mindestens der Unterhaltspflichtige schon vor dem Beitritt seinen Wohnsitz in die Bundesrepublik verlegt hatte. Die nachfolgende Darstellung befasst sich nur mit den Unterhaltsansprüchen ge- 3 schiedener Ehegatten nach den §§ 1569 ff. BGB und berücksichtigt die aktuelle Rechtslage nach Inkrafttreten des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes (UÄndG) vom 21.12.2007 mit Wirkung ab 1.1.2008 einschließlich des mit Wirkung ab 1.3.2013 neu gefassten § 1578b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB.1 Die durch das UÄndG teilweise neugefassten und hinzugekommenen unterhaltsrechtlichen Bestimmungen (§§ 1569, 1570 Abs. 1 und 2, 1574 Abs. 1 und 2, 1577 Abs. 2 Satz 1, 1578, 1578b, 1579 Nr. 1 und 2, 1582, 1585b Abs. 2, 1585c, 1586a, 1609 BGB), finden auf alle Unterhaltsansprüche Anwendung, die seit dem 1.1.2008 entstanden sind. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Ehe zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Unterhaltsabänderungsgesetzes bereits bestanden hat oder nicht.2 Da das seit 1.1.2008 geltende Unterhaltsrecht jedoch keine Anwendung findet auf Unter-
1 BGBl. I 2007, S. 3189 ff. 2 Zur Kritik an der Übergangsregelung im RegE vgl. Schwab, FamRZ 2005, 1417 (1424); Stellungnahme vor dem Rechtsausschuss, www.bundestag.de/ausschuesse/a0/anhoe rungen/index.html, S. 3 und 18 f.; Weber, FPR 2005, 511; Borth, FamRZ 2006, 813 (820); Ehinger/Rasch, FamRB 2007, 78 f.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
haltsleistungen, die bereits vor dem Inkrafttreten des Unterhaltsänderungsgesetzes fällig geworden sind (§ 36 Nr. 7 EGZPO), ist jeweils im Anschluss an die Ausführungen zur aktuellen Rechtslage noch der bis zum 31.12.2007 maßgebliche Rechtszustand dargestellt. Die bis dahin geltenden Normen sind mit der Abkürzung a.F. gekennzeichnet. Soweit zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des UÄndG bereits titulierte Unterhaltsverpflichtungen und Unterhaltsvereinbarungen bestanden haben, sind für deren Abänderbarkeit in § 36 Nr. 1 und Nr. 2 EGZPO eigene Übergangsbestimmungen vorgesehen, die in Kap. O behandelt werden. 2. Grundsätze 4
Das geltende Unterhaltsrecht des BGB regelt die Unterhaltspflichten unter geschiedenen Ehepartnern unabhängig von deren Verschulden an der Trennung und dem Scheitern der Ehe. Mit der Scheidung endet die Teilhabe an der wirtschaftlichen Fortentwicklung des ehelichen Lebensstandards. Es gilt der Grundsatz der Eigenverantwortung, d.h., jeder Ehegatte sorgt wieder für sich und seinen eigenen Unterhalt selbst (§ 1569 BGB). Ist er dazu außerstande, hat er einen Unterhaltsanspruch nur, wenn eine der in den §§ 1570–1576 BGB geregelten Bedürfnislagen vorliegt. Der Grundsatz der Eigenverantwortung ist in diesen im Gesetz abschließend geregelten Fällen durchbrochen. Es wird – insbesondere auch wegen des notwendigen Ausgleichs ehebedingter Nachteile – erwartet, dass trotz Scheidung der Ehe noch eine wirtschaftliche Verantwortlichkeit zwischen den Ehegatten bestehen bleiben soll und Unterhalt zu zahlen ist, wenn – wegen der Betreuung eines Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht oder nur eingeschränkt erwartet werden kann (§ 1570 BGB); – wegen Alters in den im Gesetz bezeichneten Einsatzzeitpunkten eine Erwerbstätigkeit nicht verlangt werden kann (§ 1571 BGB); – wegen Krankheit oder Gebrechens zu bestimmten im Gesetz bezeichneten Einsatzzeitpunkten eine Erwerbstätigkeit nicht verlangt werden kann (§ 1572 BGB); – Arbeitslosigkeit besteht und kein Anspruch gemäß §§ 1570–1572 BGB gegeben ist (§ 1573 Abs. 1 BGB); – Einkünfte aus Erwerbstätigkeit nicht zum vollen Unterhalt ausreichen und kein Anspruch gemäß §§ 1570–1572 BGB gegeben ist – sog. Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB); – wegen einer Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung, die wegen der Ehe nicht aufgenommen oder abgebrochen wurde, eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann (§ 1575 BGB); – aus schwerwiegenden Gründen eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann und die Versagung von Unterhalt unter Berücksichtigung der Belange beider Ehegatten grob unbillig wäre und ein Anspruch gemäß §§ 1570–1575 BGB nicht gegeben ist (Unterhalt aus Billigkeitsgründen – § 1576 BGB).
5
Der nacheheliche Unterhaltsanspruch sichert dem Bedürftigen nach der Scheidung die weitere Teilhabe an dem zum Zeitpunkt der Scheidung erreichten ehelichen Lebensstandard (§ 1578 Abs. 1 BGB, s. Rz. 15 ff.). Das Maß des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen schließt danach eintretende normale Lohn- und Gehaltsentwicklungen ein, nicht hingegen darüber hinausgehende,
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I. Einleitung
vom Normalverlauf abweichenden Einkommensentwicklungen. Verschlechtert sich das Einkommen der geschiedenen Ehegatten, ist auch dies hinzunehmen, es sei denn, die Verschlechterung beruht auf einem vorwerfbaren Verhalten des geschiedenen Ehegatten.1 Zu weiteren Einzelheiten der Bedarfsbestimmung (Rz. 15 ff.) und der Entwicklung der Rechtsprechung zur Auslegung des § 1578 Abs. 1 BGB s. Rz. 19 ff.
Û
Praxishinweis: Das Gericht entscheidet bei der Scheidung nicht von Amts 6 wegen über den nachehelichen Unterhalt, sondern nur, wenn ein entsprechender Antrag gestellt wird. Existiert ein Beschluss, Urteil oder sonstiger Unterhaltstitel über den Trennungsunterhalt, sichert dieser nicht den nachehelichen Unterhalt, denn materiell-rechtlich endet die Pflicht zur Zahlung von Trennungsunterhalt gem. § 1361 BGB mit der Rechtskraft der Scheidung, weil der Geschiedenenunterhalt sich nach anderen Rechtsvorschriften richtet und nicht identisch ist mit dem Trennungsunterhalt.2 Vollstreckt der Unterhaltsgläubiger wegen Unterhalts für die Zeit nach der Scheidung aus dem Titel über Trennungsunterhalt, kann der Verpflichtete dagegen mit dem Antrag nach § 767 ZPO (Vollstreckungsabwehrverfahren, s. Kap. K Rz. 387 ff.) vorgehen. Lediglich die einstweilige Anordnung nach § 246 FamFG, die den Trennungsunterhalt regelt, verliert ihre Wirkung i.d.R. nicht mit der Rechtskraft der Scheidung, es sei denn, sie ist von vornherein bis zur Rechtskraft der Scheidung befristet. Da dieser Titel aber nicht in Rechtskraft erwächst, bildet er keine dauerhaft sichere Grundlage für eine Unterhaltsregelung, denn er kann jederzeit mit der negativen Feststellungsklage – auch rückwirkend – beseitigt werden, vgl. dazu Kap. K Rz. 447, zur Rückforderung überzahlten Unterhalts s. Kap. H Rz. 76 ff. Zur Sicherung der Ansprüche auf Nacheheunterhalt gilt deshalb: Der nacheheliche Unterhalt sollte im Verbundverfahren mit der Scheidung geltend gemacht werden, dann knüpft der Nacheheunterhalt nahtlos an den Trennungsunterhalt an und es entsteht keine Versorgungslücke (vgl. zu den Besonderheiten der Geltendmachung von Unterhalt im Verbundverfahren, die i.Ü. auch Kostenvorteile bietet Kap. K Rz. 213 ff.). Wird der Nacheheunterhalt nicht als Scheidungsfolgesache, sondern im isolierten Unterhaltsverfahren beantragt, empfiehlt sich zur Vermeidung einer Versorgungslücke rechtzeitig eine aktuelle Auskunft über das Einkommen des Verpflichteten zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts zu verlangen (§ 1613 Abs. 1 BGB), denn mit Zugang des Auskunftsverlangens wird der Verpflichtete in Verzug gesetzt, so dass der Unterhalt später auch rückwirkend ab dem Ersten des Monats, in dem das Auskunftsersuchen zugegangen ist, verlangt werden kann. Vgl. Rz. 522 ff. zur Fassung von § 1585b Abs. 2 BGB seit 1.1.2008. Der Verpflichtete ist selbst dann zur Auskunftserteilung verpflichtet, wenn er zur Berechnung des Trennungsunterhalts bereits Auskunft erteilt hat und die Sperrfrist von zwei Jahren für eine erneute Auskunftserteilung noch nicht verstrichen ist, vgl. Kap. I Rz. 49.
1 BGH, FamRZ 2006, 683 ff.; 2003, 590 (592); 2006, 387 ff. 2 BGH, FamRZ 1981, 242; 1999, 1497.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
II. Anspruchsvoraussetzungen 7
Ob und in welcher Höhe der Unterhaltspflichtige tatsächlich Unterhalt zu zahlen hat, hängt zunächst einmal davon ab, ob der geschiedene Ehegatte wegen einer der 7 in §§ 1570–1573, 1575, 1576 BGB geregelten Gründe unterhaltsbedürftig ist. Ein Anspruch besteht nur, wenn der Bedürftige aus den in den Ausnahmetatbeständen genannten Gründen nicht oder nicht ausreichend durch eigene Erwerbstätigkeit selbst für seinen Unterhaltsbedarf sorgen kann und der Verpflichtete leistungsfähig ist. Ist der Verpflichtete nur eingeschränkt leistungsfähig, ist nur Unterhalt nach Billigkeit geschuldet (§ 1581 BGB).1 1. Grundsatz der Einheitlichkeit des Anspruchs
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Als Anspruchsgrundlagen können einzelne, aber auch mehrere Unterhaltstatbestände nebeneinander (Einheitlichkeit des Anspruchs) in Betracht kommen; denn die Bedürftigkeit kann mehrere Ursachen haben, z.B. Krankheit und Alter, Kindesbetreuung, Arbeitslosigkeit etc. Die Einheitlichkeit des Anspruchs hat verfahrensrechtlich zur Folge, dass ein Beschluss über den nachehelichen Unterhalt immer den nachehelichen Unterhalt insgesamt erfasst, unabhängig davon, welcher der Tatbestände der §§ 1570 ff. BGB konkret erfüllt ist.2 Die sorgfältige Klärung der Anspruchsgrundlagen empfiehlt sich trotz der Einheitlichkeit des Anspruchs gleichwohl, denn die Rechtsfolgen der einzelnen Vorschriften sind nicht immer gleich.3 So wirken sich die unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen auf die Höhe und Dauer des Anspruchs aus, was für spätere Abänderungen des Unterhaltstitels von Bedeutung ist. Auch für die Frage der Herabsetzung des Lebensbedarfs und Befristung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578b BGB spielt die genaue Bestimmung der Anspruchsgrundlage eine erhebliche Rolle (vgl. dazu Rz. 410).
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Die Unterhaltsansprüche können zeitlich aneinander anknüpfen, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen zu verschiedenen, im Gesetz näher bezeichneten Zeitpunkten (Einsatzzeitpunkten) vorliegen. Auf den Stammunterhalt folgt dann der Anschlussunterhalt.
10 Beispiel F betreut nach der Scheidung die 3 gemeinsamen Kinder, ist nicht erwerbstätig und erhält Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB, mit dem sie den vollen ehelichen Unterhaltsbedarf beanspruchen kann (Stammunterhalt). Nach Beendigung der Betreuung ist sie 57 Jahre alt und findet keine Arbeit. Ihr steht als Anschlussunterhalt ein Anspruch wegen Arbeitslosigkeit gemäß § 1573 Abs. 1 BGB sowie ein Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB zu; denn ihr ehebedingter Bedarf liegt höher als der durch den Arbeitslosenunterhalt abgedeckte Bedarf, der nur den Bedarf in Höhe eines erzielbaren Einkommens ersetzen soll. Hat F keine Chancen mehr, eine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden, kommt als Anschlussunterhalt ein Anspruch wegen Alters gemäß § 1571 Nr. 2 BGB in Betracht, der hier wiederum auf den vollen ehelichen Bedarf gerichtet wäre.
11 Folgt der Anschlussunterhalt auf einen weggefallenen Stammunterhalt, der nur
einen Teil des Bedarfs abgedeckt hat, so entsteht auch der Anspruch auf An1 BGH, FamRZ 1984, 353; FamRZ 1981, 242. 2 BGH, FamRZ 1984, 353 (354). 3 BGH, FamRZ 1988, 265 (266); 1990, 492 (493); 2001, 1687 (1691); Griesche, Familiengerichtsbarkeit, § 1569 Rz. 6 ff.; zum neuen Recht BGH, FamRZ 2010, 869 ff. m. Anm. Maier.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
schlussunterhalt nur als solcher auf Teilunterhalt.1 Denn der Verpflichtete soll möglichst bald nach der Scheidung für seine eigene Lebensplanung wissen, auf welche Unterhaltslasten er sich längerfristig einzustellen hat.2 12
Beispiel F betreut nach der Scheidung gemeinsame Kinder und übt eine Teilzeitbeschäftigung aus. Sie erhält insgesamt 500 Euro als Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB, der nur ihren Bedarf bis zur Höhe eines bei Ausübung einer Vollbeschäftigung erzielbaren Einkommens abdeckt,3 und Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB (Stammunterhalt). Nach Beendigung der Betreuung ist F 47 Jahre alt, wird arbeitslos und findet keine Arbeit. Ihr steht als Anschlussunterhalt zum Betreuungsunterhalt neben dem fortbestehenden Aufstockungsunterhalt ein Anspruch wegen Arbeitslosigkeit gemäß § 1573 Abs. 1 und 3 BGB zu. Es bleibt allerdings bei einem Bedarf von 500 Euro, wenn die Teilzeitarbeit vor Eintritt der Arbeitslosigkeit schon nachhaltig gesichert war (s. Rz. 180 ff.). Für das Risiko dieses Arbeitsplatzverlustes hat der Verpflichtete nicht mehr einzustehen.
Für den Anschlussunterhalt reicht aus, dass zuvor die tatsächlichen Vorausset- 13 zungen für den Stammunterhalt vorgelegen haben; nicht erforderlich ist, dass auch tatsächlich Unterhalt verlangt und gezahlt worden ist.
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Praxishinweis: Trotz der Anforderung des BGH, die Unterhaltstatbestände 14 möglichst genau zu bestimmen, ist die Ermittlung sämtlicher Anspruchsgrundlagen nicht immer prozessökonomisch. So wird das Gericht z.B. von einer Beweisaufnahme absehen, wenn der Unterhaltsberechtigte Unterhalt wegen Kindesbetreuung und Krankheit geltend macht und der Unterhaltsanspruch schon in voller Höhe aufgrund der Kindesbetreuung begründet ist. Denn Unterhalt wegen Krankheit kann auch als Anschlussunterhalt bei Wegfall des Betreuungsunterhalts nach § 1572 Nr. 2 BGB verlangt werden. Hat der Unterhaltsberechtigte einen Titel über den Betreuungsunterhalt erstritten und beantragt der Unterhaltsverpflichtete nach Auslaufen des Betreuungsunterhalts die Abänderung mit dem Ziel des Wegfalls der Unterhaltspflicht, kann sich der Unterhaltsberechtigte wegen der Einheitlichkeit des nachehelichen Unterhaltsanspruchs auf den Fortbestand des Titels berufen, wenn zu seinen Gunsten ein Anschlussunterhalt in Betracht kommt. Dem Unterhaltsberechtigten obliegt dann die Darlegungs- und Beweislast für seine nunmehr aus anderen Gründen fortdauernde Unterhaltsbedürftigkeit.4 Zur Vermeidung eines erneuten Streitverfahrens und damit verbundenen Kostenrisikos, sollte der Verpflichtete den Unterhaltsberechtigten rechtzeitig unter Fristsetzung zum Verzicht auf seine Rechte aus dem Titel und für den Fall fortdauernder Unterhaltsbedürftigkeit zur Angabe der Gründe und Vorlage entsprechender Belege (ärztliches Attest, Bewerbungsschreiben etc.) auffordern.
1 BGH, FamRZ 2001, 1291 (1294); 2010, 869 (870 f.); Wendl/Dose/Bömelburg, § 4 Rz. 114. 2 OLG Stuttgart, FamRZ 1983, 501. 3 Der BGH hat bei Ausübung einer Teilzeitbeschäftigung für den Betreuungsunterhalt diese Differenzierung ausdrücklich mit Rücksicht auf die durch das Unterhaltsänderungsgesetz vom 20.2.1986, BGBl. I, S. 301 geschaffene Möglichkeit der Begrenzung des ergänzenden Aufstockungsunterhalts eingeführt (vgl. FamRZ 1990, 492 [494]). 4 BGH, FamRZ 1990, 496 (497).
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
2. Bedarfsbemessung und Halbteilung 15 Nach der Klärung der Anspruchsgrundlagen für den Unterhaltsanspruch wird
der Unterhaltsbedarf nach dem Maßstab der prägenden ehelichen Lebensverhältnisse zum Zeitpunkt der Scheidung unter Berücksichtigung danach eingetretener normaler Lohn- und Gehaltsentwicklungen ermittelt (§ 1578 Abs. 1 BGB; s. Rz. 231 ff., Rz. 233).1 Der Anspruch umfasst den gesamten Lebensbedarf. Dazu gehören auch Aufwendungen für die Kranken- und Altersversorgung (§ 1578 Abs. 3 BGB) sowie die Kosten einer Umschulung, Schul- oder Berufsausbildung (§ 1578 Abs. 2 BGB). 16 Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen
(§ 1578 Abs. 1 S. 1 BGB). Zu den ehelichen Lebensverhältnissen gehören die wirtschaftlichen Verhältnisse, die den Lebenszuschnitt der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung nachhaltig bestimmt und nicht nur vorübergehend für die Bedarfsdeckung zur Verfügung gestanden haben. Dies sind i.d.R. Einkünfte beider Ehegatten aus Erwerbstätigkeit und Vermögen.2 Dabei sind normale Entwicklungen in der Trennungszeit bis zur Rechtskraft der Scheidung mit zu berücksichtigen.3 Zu den zu beachtenden Entwicklungen in der Trennungszeit vgl. Kap. E Rz. 69 ff. Der Stichtag Rechtskraft der Scheidung bedeutet nicht, dass der Bedarf ab dem Zeitpunkt im Sinne einer statischen Größe fortdauernd festgeschrieben ist. Tatsächlich sind auch nacheheliche Einkommensentwicklungen, die bei Fortbestand der Ehe vom Berechtigten hätten hingenommen werden müssen, einzubeziehen. 17 Die Lebensverhältnisse zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung bieten
den Beurteilungsmaßstab dafür, welches nachehelich erzielte Einkommen des Verpflichteten nach den prägenden ehelichen Lebensverhältnissen berücksichtigungswürdig ist oder nicht, inwieweit also Entwicklungen der Einkommenssituation sowohl auf der Einnahmen- als auch Ausgabenseite entweder die Ehe schon geprägt haben oder in ihr angelegt und schon während der Ehe mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartbar waren.4 18 Nicht zu berücksichtigen sind hingegen nach der Scheidung hinzugetretene Ver-
bindlichkeiten ohne jeden Ehebezug, wie z.B. nachehelich entstandene Unterhaltspflichten für Kinder oder neue Ehegatten.5 Denn insoweit fehlt jeglicher Bezug der Verbindlichkeiten zu den ehelichen Lebensverhältnissen. Das BVerfG hat zum Sinn und Zweck der Bedarfsbestimmung nach § 1578 Abs. 1 BGB ausgeführt: „Mit der Ausrichtung des Unterhaltsmaßes an den „ehelichen Lebensverhältnissen“ hat der Gesetzgeber auf die individuellen Einkommensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten Bezug genommen, die er zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung bestimmt wissen will (BR-Drucks. 266/71, S. 79). Da1 BGH, FamRZ 1999, 372. 2 BGH, FamRZ 1980, 876; 1984, 356 (357). 3 BVerfG, FamRZ 2011, 437 (441) Tz. 57. So jetzt auch wieder BGH, FamRZ 2012, 281 (283), Tz. 16 ff., in Anknüpfung an seine frühere Rechtsprechung in FamRZ 2001, 986 (989); 2000, 1492 (1493); 1999, 372 ff.; 1982, 360 (361) und in Abkehr von der vom BVerfG für verfassungswidrig befundenen Rechtsprechung zur „Wandelbarkeit“ der ehelichen Lebensverhältnisse unter Aufgabe des Stichtagsprinzips in BGH, FamRZ 2008, 968 Tz. 42 ff. und 2008, 1911, Tz. 30 ff. 4 BVerfG, FamRZ 2011, 437 (442) Tz. 64 unter Bezugnahme auf BGH, FamRZ 1986, 148 (149). 5 BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 27 f.; BVerfG, FamRZ 2011, 437 Tz. 64.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
mit hat der Gesetzgeber den Fällen gerecht werden wollen, in denen die Eheleute in der Ehe durch gemeinsame Leistung einen höheren sozialen Status erreicht haben, an dem der unterhaltsberechtigte Ehegatte auch nach der Scheidung einen gleichwertigen Anteil erhalten sollte (BR-Drucks. 266/71, S. 79). Dem Unterhaltsberechtigten sollte also nach der Scheidung der erreichte Lebensstandard gesichert und insbesondere sein sozialer Abstieg vermieden werden.“ Mit dieser Entscheidung vom 25.1.2011 hat das BVerfG zugleich eine Rechtspre- 19 chung des BGH für verfassungswidrig erklärt, die in der Literatur seit 2006 unter dem Schlagwort der „wandelbaren ehelichen Lebensverhältnisse“ sehr kontrovers diskutiert worden war. Sie war eingeleitet worden mit Urteil des BGH vom 15.3.2006, in dem erstmalig explizit für die Auslegung von § 1578 Abs. 1 BGB die Möglichkeit eröffnet wurde, auch nacheheliche Entwicklungen – einschließlich vor- und gleichrangiger Unterhaltsansprüche – bereits bei der Bedarfsermittlung zu berücksichtigen.1 In der Folgezeit bezog der BGH vor- und gleichrangige Unterhaltansprüche nachehelich geborener Kinder und neuer Ehegatten als bedarfsprägende Verbindlichkeiten in die Berechnung ein und wendete für die Bedarfsberechnung gleichrangiger Ansprüche die sog. Dreiteilungsmethode an, nach der das gesamte Einkommen der Beteiligten addiert und dann durch drei geteilt wurde, mit Korrekturmöglichkeiten zur Sicherung des angemessenen Eigenbedarfs des Verpflichteten. Einer der Gründe für die Änderung seiner Rechtsprechung war für den BGH, 20 dass die bevorstehende Unterhaltsrechtsreform eine geänderte Rangordnung der Unterhaltsansprüche vorsah, wodurch sich die neue Anforderung ergab, eine dogmatisch stimmige Lösung für eine angemessene Verteilung der vor- und gleichrangigen Ansprüche zu finden.2 Diese Änderung der Rechtsprechung, mit der der Stichtag Scheidung für die 21 Bestimmung des ehelichen Lebensbedarfs seine zentrale Bedeutung verloren hatte, stieß in Literatur und Rechtsprechung aus mehreren Gründen auf Kritik. Vor allem wurde kritisiert, dass durch die Aufgabe des Stichtagsprinzips die Gesetzessystematik in ihrem Zusammenspiel von Bedarfsbestimmung nach dem Maßstab der ehelichen Lebensverhältnisse in § 1578 Abs. 1 BGB und der Anspruchsbegrenzung aus Billigkeitsgründen nach § 1581 BGB aufgegeben worden sei zugunsten eines Billigkeitsunterhalts schon auf der Bedarfsebene.3 Ferner wurde beanstandet, dass die Berücksichtigung neu hinzugetretener Unterhaltspflichten schon auf der Ebene der Bedarfsbestimmung zu einer deutlichen Ent1 BGH, Urt. v. 15.3.2006, FamR 2006, 683 (685 f.); danach z.B. konkretisiert u.a. in FamRZ 2009, 23, Tz. 22 ff. in Bezug auf ein nach der Scheidung adoptiertes Kind und einen neuen Ehegatten, kritisch dazu die Anm. Maurer, FamRZ 2009, 204–205. Weitere Beispiele BGH FamRZ 2009, 411 Anm. Borth; BGH, FamRZ 2009, 579 m. Anm. Schürmann; FamRZ 2010, 111 m. Anm. Herrler. Zur Korrektur dieser Rspr. vgl. BVerfG FamRZ 2011, 437 ff. 2 BGH, FamRZ 2009, 411, Tz. 16 ff., m. Anm. Borth; 2009, 1207 ff. m. Anm. Hoppenz. Zu den Gründen für die Änderung der Rechtsprechung Dose, Das Maß des nachehelichen Unterhalts, in FS Hahne, 2012, S. 216 ff. 3 Kritisch zur Aufgabe des Stichtagsprinzips u.a. Born, FF 2007, 267, NJW 2007, 26 (27), NJW 2010, 641 ff.; Borth, FamRZ 2006, 852 (853) Anm. zu BGH, FamRZ 2006, 683; Ehinger/Griesche/Rasch, Handbuch des Unterhaltsrechts, 6. Aufl. Rz. 483a; Griesche, FPR 2008, 63 ff.; BGH, FamRZ 2008, 1911 mit krit. Anm. Maurer S. 1919. Schürmann, FamRZ 2010, 111; Maurer hat diese Auslegung von § 1578 Abs. 1 BGB in einer Anm. zu BGH, FamRZ 2008, 968 als „Wandelbarkeitsmystik“ kritisiert, s. FamRZ 2008, 975.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
wertung des nachehelichen Unterhalts führe und die mit dem UÄndG eingeführten Beschränkungen des nachehelichen Unterhalts (Änderung der Rangordnung, verstärkte Erwerbsobliegenheit, Herabsetzung und Befristung aller nachehelichen Ansprüche) noch verstärkt würden.1 Diese Diskussion fand ihr Ende durch den Beschluss des BVerfG vom 25.11.2012. Denn das BVerfG beanstandete diesen vom BGH entwickelten Lösungsweg mit der Begründung, dass die Auslegung von § 1578 Abs. 1 BGB im Sinne „wandelbarer“ ehelicher Lebensverhältnisse unter Anwendung der Dreiteilungsmethode zur Berechnung des Bedarfs die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreite, weil sie das gesetzlich vorgegebene System der Unterhaltsbestimmung durch Bedarf, Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit durch ein neues System ersetze (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Da der Gesetzgeber § 1578 Abs. 1 BGB keiner Änderung unterzogen und mit § 1578b BGB die Möglichkeit einer Herabsetzung des eheangemessenen Bedarfs geschaffen habe, wenn wegen weiterer vorrangiger oder gleichrangiger Unterhaltsansprüche die Bedarfsbemessung an den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig erscheine, bestehe keine Legitimation die gesetzlich vorgegebene Systematik durch eine neue, im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte, zu ersetzen.2 Für die Berücksichtigungswürdigkeit von nachehelichen Veränderungen komme es wesentlich darauf an, dass noch mindestens ein gewisser Bezug zu den ehelichen Lebensverhältnissen erkennbar sei, damit die Auslegung noch vom Wortlaut der Norm her gedeckt sei. 22 Jeder Ehegatte hat Anspruch auf die Hälfte des nach dem Maßstab der prägenden
ehelichen Lebensverhältnisse für die Unterhaltsbedarfsdeckung zur Verfügung stehenden Einkommens (Grundsatz der Halbteilung – sog. Quotenunterhalt, zur Berechnung vgl. Rz. 340 ff.).3 Der Grundsatz der Halbteilung folgt nach der Rechtsprechung des BGH aus dem Gedanken der Gleichbehandlung beider Ehegatten, was auch beinhaltet, dass dem Unterhaltspflichtigen wie dem Unterhaltsberechtigten von seinem eigenen, anrechenbaren Erwerbseinkommen ein maßvoll die Hälfte übersteigender Betrag zu belassen ist.4 Dabei hat sich weitgehend durchgesetzt, dass für die Bedarfsberechnung bei Einkünften aus Erwerbstätigkeit nach Abzug der berücksichtigungswürdigen Belastungen noch ein Erwerbstätigenbonus vom bereinigten Nettoeinkommen5 abgezogen wird, um dem Erwerbstätigen einen höheren Anteil von seinem Arbeitseinkommen als Anreiz für die Erwerbstätigkeit zu belassen. In der Praxis ist ein Abzug i.H.v. 1/10 bis zu 1/ 7 üblich. Problematisch kann bei engen wirtschaftlichen Verhältnis1 Born, NJW 2010, 641 f.; Griesche, FamRB 2008, 63 (67); Maurer, FamRZ 2008, 1985 (1990); Graba, FF 2008, 427 (445); Graba, FamRZ 2010, 1131 (1135) m.w.N. 2 BVerfG, FamRZ 2011, 437 Tz. 60 f. 3 Das BVerfG hat die unterhaltsrechtliche Rechtsprechung des BGH zur gleichen Teilhabe beider Ehegatten am Einkommen (Grundsatz der Halbteilung), die nicht explizit gesetzlich geregelt ist, gebilligt, BVerfG, FamRZ 2002, 527 (529) (zur Gleichwertigkeit von Erwerbs- und Familienarbeit und Verwerfung der Anrechungsmethode); zum Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten nicht nur während der Ehe, sondern auch nach Trennung und Scheidung hinsichtlich Unterhalt, Versorgung und Aufteilung des gemeinsamen Vermögens vgl. BVerfG, FamRZ 1983, 342 (zum Versorgungsausgleich). 4 BGH, FamRZ 2006, 683 (686), 1991, 304 (305); zur eingeschränkten Anwendung beim Anspruch der nicht verheirateten Mutter nach § 1615l BGB vgl. BGH, FamRZ 2005, 442 (443). 5 BGH, FamRZ 1997, 806 ff.; 1991, 304 (305); 1988, 265 (267); der 3. Senat des OLG Brandenburg zieht einen 1/10-Bonus vom Einkommen ab vor Bereinigung um den Kindesunterhalt und anderen Verbindlichkeiten (Ziff. 15.2 der LL).
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II. Anspruchsvoraussetzungen
sen eine zu starke Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz sein, wenn neben dem Bonus noch pauschal berufsbedingte Aufwendungen in Ansatz gebracht werden. Legen besondere Umstände des Einzelfalls es nahe, kann der Tatrichter auch eine andere Quote für den Erwerbstätigenbonus festlegen oder vom Abzug insgesamt absehen (zum Diskussionsstand s. Kap. E Rz. 17 f.).1 Bei überdurchschnittlich günstigen Verhältnissen kann der Bedarf auch konkret, 23 also nicht nach einer Quote berechnet werden (vgl. Rz. 295 f.). Unabhängig von der Berechnung nach dem Grundsatz der Halbteilung sieht das 24 Gesetz vor, dass der Anspruch unter bestimmten Voraussetzungen aus Billigkeitsgründen herabgesetzt oder befristet und bei grober Unbilligkeit darüberhinausgehend sogar ausgeschlossen werden kann nach den §§ 1578b, 1579 BGB, s. dazu Rz. 38 ff. 3. Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit Nach der Klärung des Bedarfs muss geprüft werden, ob und in welcher Höhe der 25 Anspruchsteller diesen Bedarf aus eigenen Einkünften decken kann, also in welchem Umfang er tatsächlich unterhaltsbedürftig ist (§ 1577 BGB, vgl. Rz. 346 ff.). Dabei sind auch Einkünfte bedarfsmindernd zu berücksichtigen, die nicht den ehelichen Lebensbedarf geprägt haben. Eine abschließende Kontrollrechnung ergibt, ob und in welchem Umfang der Anspruchsgegner zur Zahlung des ungedeckten Bedarfs in der Lage, d.h. leistungsfähig ist (Rz. 356 ff.). Denn verbleibt dem Verpflichteten nunmehr – auch unter Berücksichtigung nichtprägender Einkünfte und auf der Bedarfsebene nicht berücksichtigter Verbindlichkeiten – nach Abzug des ungedeckten Bedarfs nicht mehr der eigene eheangemessene Unterhalt,2 braucht er nur insoweit Unterhalt zu zahlen, als es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Erwerbs- und Vermögensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten nach einer umfassenden Abwägung der Interessen beider Ehegatten der Billigkeit entspricht (§ 1581 BGB). Die unterste Grenze der Belastbarkeit des Verpflichteten ist der ihm zustehende angemessene Mindesteigenbedarf, dessen Höhe die OLG in den Leitlinien zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung als Richtwert vorgeben (Nr. 21.4 der LL und Anm. B IV. der DT). Zur Unterscheidung des eheangemessenen und angemessenen Eigenbedarfs vgl. Rz. 357. Bei teilweiser Leistungsunfähigkeit verringert sich der zu zahlende Unterhalt, bei völliger Leistungsunfähigkeit entfällt er ganz. 4. Die Darlegungs- und Beweislast Der Unterhaltsberechtigte trägt die Darlegungs- und Beweislast für seine Be- 26 dürftigkeit, d.h. für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen einer der in Betracht kommenden Unterhaltstatbestände sowie für die den Bedarf bestimmenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse beider Ehegatten zum Zeitpunkt der Scheidung.3 Damit obliegt ihm auch die Darlegungs- und Beweislast für das Einkommen des Verpflichteten. Bei den Einkommensverhältnissen des Verpflichteten handelt es sich um sog. doppelrelevante Tatsachen, die eine Rolle spielen für die Bedarfsbestimmung, für die der Unterhaltsberechtigte darle1 BGH, FamRZ 1997, 806 (807). 2 BGH, FamRZ 2006, 683 ff. 3 BGH, FamRZ 1984, 149.
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gungs- und beweispflichtig ist, und für die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten, für die dieser darlegungs- und beweispflichtig ist. Dem Unterhaltsberechtigten steht zur Erleichterung seiner Darlegungslast ein Auskunftsanspruch gegenüber dem geschiedenen Ehegatten über seine Einkommensverhältnisse zu (Kap. I Rz. 6). Will sich der Verpflichtete auf eine eingeschränkte oder fehlende Leistungsfähigkeit berufen, obliegt ihm insoweit die Darlegungs- und Beweislast.1 Dies gilt auch für die Umstände, die die Unterhaltsbedürftigkeit eines neuen Ehegatten des Verpflichteten begründen, weil es sich insoweit um eine sein Einkommen mindernde Verbindlichkeit handelt.2 Ebenso ist der Verpflichtete für alle den Anspruch aus Billigkeitsgründen einschränkende oder ausschließende Umstände darlegungs- und beweispflichtig. S. zu den Einzelheiten Rz. 391 ff. zu § 1578b BGB und Rz. 436 ff. zu § 1579 BGB. 5. Die Erwerbsobliegenheit zur Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse und Bedürftigkeit 27 Die Erwerbsobliegenheit geschiedener Ehegatten spielt bei der Prüfung eines
Unterhaltsanspruchs eine zentrale Rolle: Denn für alle Unterhaltstatbestände nach §§ 1570–1576 BGB ist Voraussetzung, dass der Anspruchsteller unterhaltsbedürftig ist, er also nicht in der Lage ist, selbst durch eigenes Einkommen aus Erwerbstätigkeit oder Vermögen für seinen Unterhalt zu sorgen. Liegt eine der gesetzlich geregelten Bedürfnislagen vor, ist deshalb jeweils zu klären, ob und in welchem Umfang der Unterhaltsberechtigte unterhaltsbedürftig ist, d.h. ob und wie viel Einkünfte er aus einer Erwerbstätigkeit erzielt, bzw. erzielen könnte. Damit hängt unmittelbar die Klärung der Frage zusammen, ob ihm fiktive Einkünfte zuzurechnen sind, wenn er gegen seine Erwerbsobliegenheit verstößt. Zu den Voraussetzungen der Zurechnung fiktiver Einkünfte s. Rz. 275 ff. 28 Welche Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit des geschiedenen Ehegatten
zu stellen sind, ist in § 1574 BGB geregelt. Nach § 1574 Abs. 1 BGB braucht der bedürftige geschiedene Ehegatte nur eine ihm angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben. 29 Was angemessen ist, ist seit 1.1.2008 mit einer stärkeren Gewichtung der Eigen-
verantwortung (§ 1569 BGB), in § 1574 Abs. 2 BGB definiert. Danach ist eine Erwerbstätigkeit angemessen, wenn sie der Ausbildung, den Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten entspricht und eine solche Tätigkeit nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig wäre. Bei den ehelichen Lebensverhältnissen sind insbesondere die Dauer der Ehe sowie die Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes zu berücksichtigen. 30 Als Messlatte für die Angemessenheit ist in der seit 1.1.2008 geltenden Gesetzes-
fassung das Tatbestandsmerkmal der früheren Erwerbstätigkeit des bedürftigen Ehegatten an die Stelle des Tatbestandsmerkmals der „ehelichen Lebensverhältnisse“ getreten. Diese Änderung beruht auf der Überzeugung des Gesetzgebers, dass die Erwerbstätigkeit in einem früher ausgeübten Beruf in der Regel immer
1 BGH, FamRZ 2008, 1739 Tz. 57; 1988, 930. 2 BGH, FamRZ 2010, 869 (872).
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II. Anspruchsvoraussetzungen
angemessen ist.1 Bei diesem Tatbestandsmerkmal handelt es sich jedoch nur um eines von mehreren, beispielhaft aufgezählten Tatbestandsmerkmalen, das bei der anzustellenden Prüfung der Angemessenheit unter Berücksichtigung der anderen Tatbestandsmerkmale auch bedeutungslos werden kann. Denn nach Auflösung der Ehe kann von dem unterhaltsbedürftigen Ehegatten immer nur die Aufnahme einer Tätigkeit erwartet werden, die im Zeitpunkt der Scheidung oder zu den anderen Einsatzzeitpunkten der Ausbildung, den Fähigkeiten, dem Lebensalter und Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten entspricht. Insoweit ist jeweils eine umfassende Würdigung des konkreten Sachverhalts erforderlich. So kann eine Tätigkeit, die nicht der beruflichen Qualifikation entspricht, aber über Jahre während der Ehe oder vor der Ehe ausgeübt wurde, angemessen sein.2 Von dieser Bewertung kann abgewichen werden, wenn die aufgrund früherer Tä- 31 tigkeit in Betracht kommende Erwerbstätigkeit im Hinblick auf die gemeinsame Ehegestaltung unbillig geworden ist, weil sie z.B. mit einem unzumutbaren sozialen Abstieg verbunden wäre. In dem Fall muss sich der geschiedene Ehegatte nicht auf die nach seinem beruflichen Werdegang in Betracht kommende Tätigkeit verweisen lassen, sondern kann sich auf die Unbilligkeit dieser Tätigkeit berufen. Bei dem Einwand der Unbilligkeit handelt es sich um eine Einwendung, für die der Bedürftige darlegungs- und beweispflichtig ist. Bei der Prüfung der Unbilligkeit ist zu beachten, dass der Begriff der ehelichen Lebensverhältnisse seine zentrale Bedeutung für die Angemessenheitsprüfung, die er nach der Rechtslage bis zum 31.12.2007 hatte, verloren hat. Er spielt jetzt nur noch eine Rolle im Rahmen einer zweiten Stufe der Tatbestandsprüfung, wenn sich der Bedürftige auf die Unbilligkeit der in Betracht kommenden Erwerbstätigkeit im Hinblick auf die ehelichen Lebensverhältnisse beruft.3 So geht das OLG Celle davon aus, dass für eine 44-jährige geschiedene Ehefrau, die nach der Eheschließung wegen der Kinderbetreuung ihr Studium aufgegeben und in der 17-jährigen Ehe nicht oder nur zeitweise in der Arztpraxis ihres Mannes als Empfangsdame gearbeitet hat, fünf Jahre nach der Scheidung die Ausübung einer ungelernten Erwerbstätigkeit wie z.B. als Verkaufshilfe oder einfache kaufmännische Tätigkeiten in Büros und Praxen zumutbar ist und dies eine angemessene Tätigkeit darstelle. Auch sei sie nicht mit einem sozialen Abstieg verbunden, denn der Gesichtspunkt der Bewahrung einer durch die ehelichen Verhältnisse vermittelten sozialen Stellung verliere mit Rücksicht auf das Gebot wirtschaftlicher Eigenverantwortung (§ 1569 BGB) mit zunehmender Zeitdauer nach der Rechtskraft der Scheidung seine Bedeutung.4 Kann der Bedürftige eine angemessene Erwerbstätigkeit nicht ausüben, weil er 32 nicht genügend ausgebildet oder durch die Familienarbeit fachlich in seinem Beruf nicht mehr auf dem Laufenden ist, besteht eine Pflicht sich ausbilden, fortbilden oder umschulen zu lassen, wenn ein erfolgreicher Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist (§ 1574 Abs. 3 BGB). Die Ausbildungsobliegenheit entsteht 1 BT-Drucks. 16/1830, S. 17 = RegE, S. 27; so auch die frühere Rechtsprechung allerdings im Kontext der anderen Gewichtung des § 1574 Abs. 2 a.F. BGB, BGH, FamRZ 2005, 23 (24); 1991, 170 (171). 2 BGH, FamRZ 2005, 23 Tz. 12 f.; 1984, 561; OLG Celle, FamRZ 2010, 1673 Tz. 20 f.; OLG Karlsruhe, FamRZ 2009, 120. 3 BT-Drucks. 16/1830, S. 17 = RegE, S. 27; Reinken, FPR 2005, 502 (504), Dose, FamRZ 2007, 1289 (1297). 4 OLG Celle, FamRZ 2010, 1673 Tz. 20 f.
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spätestens mit der Scheidung, kann aber auch schon während der Trennungszeit entstehen, wenn mit einer Versöhnung der Ehegatten nicht mehr zu rechnen ist.1 Die Ausbildung muss zur Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit auch erforderlich sein. Das ist sie nur, wenn ohne sie die Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit nicht möglich ist. Erforderlich ist deshalb eine Ausbildung nicht, wenn z.B. eine 46-jährige Ehefrau ihr Studium der Vorgeschichte und Archäologie während der Trennungszeit ein Jahr vor der Scheidung aufnimmt, die voraussichtliche Dauer des Studiums von acht Jahren in einem unangemessenen Verhältnis zu ihrem Alter steht und sie auch mit dem früher erlernten und ausgeübten Beruf einer kaufmännischen Angestellten eine angemessene Tätigkeit ausüben kann.2 Ebenso ist ein Hochschulstudium ohne konkretes Berufsziel, das erst nach der Trennung aufgenommen wurde, nicht erforderlich.3 33 Welche Tätigkeit nach Art und Umfang angemessen ist und aus welchen Grün-
den sie nicht oder nur teilweise von dem Unterhaltsbedürftigen ausgeübt werden kann bzw. warum die Tätigkeit unbillig ist, kann in einer zweistufigen Prüfung anhand folgender Kriterien geklärt werden: 34 Angemessenheit der Erwerbstätigkeit (1. Stufe)
– Beruflicher Werdegang (Ausbildung, Tätigkeiten vor und während der Ehe einschließlich der Trennungszeit) – Aktuelle Arbeitsfähigkeit unter Berücksichtigung des Alters, der Gesundheit und sonstiger Fähigkeiten – Arbeitsmarktlage – Verdienstmöglichkeiten – Bemühungen um eine Arbeitsstelle – Ggf. Umschulungs-, Fortbildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten unter Angabe eines Zeitplanes, bestehender Förderungsmöglichkeiten nach dem Arbeitsförderungsgesetz (SGB III) und späterer Erwerbsmöglichkeiten. 35 Unbilligkeit einer angemessenen Erwerbstätigkeit nach den ehelichen Lebens-
verhältnissen (2. Stufe) – Lebensstandard nach den ehelichen Lebensverhältnissen – Ehebedingte Nachteile in der beruflichen Entwicklung (Dauer der Ehe, Dauer der Kinderbetreuung, Erwerbstätigkeiten während der Ehe, Dauer der Nichterwerbstätigkeit) – Erzielbare Einkünfte im Vergleich zum bisherigen Lebensstandard – Fehlen von Aus- oder Fortbildungsmöglichkeiten nach § 1574 Abs. 3 BGB um ehebedingte berufliche Nachteile abzuwenden – Sonstige Gründe der Unzumutbarkeit der Ausübung einer nach den Fähigkeiten des Bedürftigen angemessenen Tätigkeit im Hinblick auf die ehelichen Lebensverhältnisse können z.B. sein, der Verzicht auf eigene Karriere und die Förderung der Karriere des anderen. 1 BGH, FamRZ 1985, 782. 2 BGH, FamRZ 1984, 561. 3 OLG Karlsruhe, FamRZ 2009, 120.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
Die in § 1574 Abs. 2 BGB definierten Maßstäbe für die Angemessenheit der Er- 36 werbstätigkeit eines geschiedenen Ehegatten beziehen sich nach der Gesetzessystematik auf den unterhaltsberechtigten Ehegatten, gelten aber entsprechend für den Verpflichteten. Verstößt ein Ehegatte vorwerfbar gegen seine Erwerbsobliegenheit, kann dies 37 zur Zurechnung eines fiktiven Einkommens führen. Zu den Voraussetzungen der Zurechnung fiktiver Einkünfte s. Rz. 275 ff. und den dogmatischen Grundlagen Kap. A Rz. 155 ff. Bei einem vorwerfbaren Verstoß gegen die Obliegenheit, sich ausbilden zu lassen, kann der Unterhaltsanspruch auch gekürzt werden oder ganz entfallen (§ 1579 Nr. 4 BGB, s. Rz. 477 f.).1 6. Herabsetzung, Befristung und Ausschluss nach § 1578b BGB und § 1579 BGB Nacheheliche Unterhaltsansprüche können nach § 1578b BGB in der Höhe vom 38 eheangemessenen auf den angemessenen Bedarf des Bedürftigen herabgesetzt und/oder zeitlich befristet werden, wenn ein unbeschränkter oder nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessener Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Ausgenommen von der Befristung nach § 1578b ist § 1570 BGB, s. Rz. 101. Bei der vorzunehmenden Billigkeitsabwägung sind die Belange eines vom Berechtigten betreuten gemeinschaftlichen Kindes zu wahren (sog. Kinderschutzklausel). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, inwieweit für den Unterhaltsbedürftigen fortdauernde ehebedingte Nachteile entstanden sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen, und inwieweit eine Herabsetzung und/oder Befristung des Unterhaltsanspruchs unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe unbillig wäre. Solche zu beachtenden Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes sowie aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben (§ 1578b Abs. 1 BGB). Für die Prüfung einer Herabsetzung/Befristung ist die Dauer der Ehe als selbständig zu prüfenden Billigkeitsgrund mit Wirkung ab 1.3.2013 vom Gesetzgeber neben die ehebedingten Nachteile in § 1578b Abs. 1 Satz 2 BGB eingefügt und Satz 3 redaktionell entsprechend angepasst worden.2 Kemper interpretiert dies dahingehend, dass damit die Dauer der Ehe auf die gleiche Rangstufe gestellt sei wie die ehelichen Nachteile mit der Folge, dass eine Begrenzung des Unterhalts unabhängig vom Vorliegen ehebedingter Nachteile bereits allein aufgrund der Dauer der Ehe möglich sei.3 Diese Auslegung erscheint zu kurz gegriffen, denn nach der insoweit überzeugenden Rechtsprechung des BGH kommt es, wenn ehebedingte Nachteile nicht vorliegen, für die Entscheidung über eine Begrenzung entscheidend auf das dem Unterhaltspflichtigen abzuverlangende Maß an nachehelicher Solidarität an. Für die Bestimmung des Maßes der ehelichen Solidarität stellt die Dauer der Ehe ein Kriterium dar, das in seiner Wechselbeziehung zu der Rollenverteilung der Parteien in der Ehe und der Verflechtung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse zu würdigen ist.4 Vgl. dazu die Beispiele unter Rz. 424 f. 1 BGH, FamRZ 1986, 553; Erman/Graba, § 1574 BGB Rz. 18. 2 Zur Bedeutung der Gesetzes“korrektur“ und unterschiedlichen Bewertung in der Literatur vgl. Schlünder/Arpay, FPR 2013, 251 m.w.N. Die bessere Strukturierung befürwortet Borth, FamRZ 2013, 165. 3 Kemper, FamRB 2013, 20. 4 BGH, FamRZ 2013, 853 Tz. 35 unter Bezugnahme auf die bisherige Rspr. zu § 1578b Abs. 1 a.F. BGB in FamRZ 2010, 629 Tz. 23, 25 und 2010, 1971.
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39 Die Herabsetzung und Befristung können miteinander verbunden werden, so
dass der Anspruch zum Beispiel zunächst nach einer befristeten Zahlung des vollen, eheangemessenen Unterhalts auf den angemessenen Bedarf des Berechtigten herabgesetzt und dann befristet, aber auch nur befristet oder nur herabgesetzt werden kann (§ 1578b Abs. 3 BGB). 40 Sowohl über die Herabsetzung als auch die Befristung ist bereits bei der erst-
maligen Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs, also ab Scheidung der Ehe im Unterhaltsverfahren von Amts wegen zu entscheiden, wenn ausreichende Gründe dafür vorliegen.1 Dabei steht dem Berechtigten zunächst jedoch der volle Unterhalt zu, denn beide Beschränkungsmöglichkeiten stellen Ausnahmeregelungen dar, die nur dann greifen, wenn dem Berechtigten nach Einräumung einer Übergangsfrist eine Absenkung des Lebensstandards aus Billigkeitsgründen zumutbar ist.2 41 Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer Herabsetzung
und/oder Befristung nach § 1578b BGB liegt beim Unterhaltsverpflichteten. Dieser hat die tatsächlichen Voraussetzungen, die zu seinen Gunsten für eine Herabsetzung oder Befristung des Unterhalts sprechen, darzulegen und ggf. zu beweisen. Will der Unterhaltsberechtigte eine Herabsetzung oder Befristung abwehren, hat er substantiiert die Gründe darzulegen, die dagegen sprechen (sog. subjektive Darlegungslast).3 Will er z.B. eine längere Schonfrist zur Anpassung seines Lebensstandards an seinen eigenen angemessenen Bedarf haben, obliegt ihm ebenfalls die Darlegungslast für die Gründe.4 Zu den Einzelheiten vgl. Rz. 432 ff., zu den Anforderungen an den anwaltlichen Vortrag zu § 1578b BGB und Haftungsrisiken den Praxishinweis Rz. 434. 42 Der Unterhaltsanspruch kann des Weiteren bei Vorliegen besonderer Härtegrün-
de wegen grober Unbilligkeit nach der Härteklausel gemäß § 1579 BGB ausgeschlossen, herabgesetzt oder zeitlich befristet werden. Vgl. zu den Voraussetzungen der einzelnen Härtegründe Rz. 436 ff. Nur in diesen Fällen ist ausnahmsweise sogar ein Ausschluss des Unterhalts ab Scheidung der Ehe möglich. Für die Voraussetzungen der Härteklausel ist der Verpflichtete darlegungsund beweispflichtig. 7. Beginn und Ende des Anspruchs 43 Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt beginnt mit dem Tag der Rechts-
kraft der Scheidung5 und endet, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs entfallen oder bei Befristung des Anspruchs nach § 1578b Abs. 2 BGB mit Ablauf der Frist. 44 Die Rechtskraft tritt ein, wenn der Scheidungsausspruch nicht mehr angefoch-
ten werden kann, weil die Rechtsmittel- und Anschlussrechtmittelfristen abge1 BGH, FamRZ 1986, 886 (888). Zur Reduzierung des Ermessens des Tatrichters Dose, FamRZ 2007, 1289 (1295). 2 A.A. z.B. Borth, UÄndG, S. 119; Dose, FamRZ 2007, 1289 (1295). Kritisch zur Tendenz des BGH, die Ausnahmeregelung zum Regelfall zu machen, Graba, FamRZ 2010, 1131 (1136 f.). 3 BGH, FamRZ 2010, 875, Tz. 20 ff. m. Anm. Finke S. 878 f. 4 BT-Drucks. 16/1830, S. 20 = RegE, S. 32. 5 BGH, FamRZ 1981, 242.
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laufen sind oder die Ehegatten auf Rechtsmittel und Anschlussrechtsmittel rechtswirksam verzichtet haben (§ 120 Abs. 1 FamFG, § 705 ZPO, s. auch Kap. L Rz. 122 ff. zum Verzicht).1 Endet die Rechtsmittelfrist beispielsweise am 3.6.2014, wird das Urteil am 45 4.6.2014 rechtskräftig und der nacheheliche Unterhaltsanspruch kann ab 4.6.2014 geltend gemacht werden. Der Unterhaltsanspruch endet, wenn die Voraussetzungen für einen Anschluss- 46 unterhalt zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben sind oder wenn der Berechtigte wieder heiratet, auf Unterhalt verzichtet, den Anspruch verwirkt hat oder mit einer Abfindung für den Unterhalt einverstanden ist. Entfällt die Bedürftigkeit nur zeitweilig, kann der Anspruch wieder aufleben. So 47 erneuert sich z.B. ein durch Wiederverheiratung erloschener Unterhaltsanspruch wieder, wenn die neue Ehe aufgelöst wird und ein Kind aus der alten Ehe noch betreuungsbedürftig ist (§ 1586a BGB). Seit 1.1.2008 kann jedoch nur noch der Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB wieder aufleben, daran anknüpfende Anschlussunterhaltsansprüche gegen den geschiedenen Ehegatten sind durch Aufhebung von § 1586a Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. ersatzlos gestrichen worden.2 Mit dem Tod des Verpflichteten geht die Unterhaltspflicht auf den Erben als 48 Nachlassverbindlichkeit über (§ 1586b BGB). Der Erbe haftet jedoch nicht über den Betrag hinaus, der dem Pflichtteil entspricht, der dem Berechtigten zugestanden hätte, wenn die Ehe nicht geschieden worden wäre. In die Haftungsgrenze sind fiktive Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Erben einzubeziehen.3 8. Herabsetzung und Befristungsmöglichkeiten bis zum 31.12.2007 Bis zum 31.12.2007 bestand nach § 1578 Abs. 1 Satz 2 und 3 a.F. BGB bereits die 49 Möglichkeit, alle Unterhaltsansprüche in der Höhe vom eheangemessenen auf den angemessenen Bedarf des Unterhaltsbedürftigen herabzusetzen, wenn die zeitlich unbegrenzte Bemessung nach dem eheangemessenen Bedarf unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe sowie der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit unbillig gewesen wäre. Dies galt in der Regel nicht, wenn der Unterhaltsberechtigte nicht nur vorübergehend ein gemeinschaftliches Kind allein oder überwiegend betreute. Die Möglichkeit der zeitlichen Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nach 50 § 1573 Abs. 5 BGB a.F. bestand daneben nur für Ansprüche auf Aufstockungsunterhalt und Unterhalt bei Arbeitslosigkeit (§ 1573 Abs. 1, 2 und 5 a.F. BGB). Sie war möglich, soweit insbesondere unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe sowie der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig gewesen wäre (§ 1573 Abs. 5 a.F. BGB).4 Während der BGH zunächst eine Befristung des Anspruchs ausgeschlos1 2 3 4
S. dazu Prütting/Helms, § 116 FamFG Rz. 19 f. BT-Drucks. 16/1830, S. 22. BGH, FamRZ 2001, 282 ff. § 1573 Abs. 5 BGB wurde durch das Unterhaltsänderungsgesetz vom 20.2.1986 eingeführt und war vom 1.4.1986–31.12.2007 in Kraft.
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sen hatte, wenn die Ehe von langer Dauer – etwa 15 Jahre – war, ohne dass es auf das Vorliegen von ehebedingten Nachteilen ankam,1 änderte er noch vor der Unterhaltsrechtsreform seine Rechtsprechung mit Urteil vom 12.4.20062 grundlegend. Danach galt – wie dies auch der aktuellen Rechtslage entspricht –, dass der Nacheheunterhalt keine Lebensstandardgarantie biete und allein die Tatsache, dass die Ehe von langer Dauer war, nicht genüge, den Anspruch unbefristet zuzusprechen.3 51 Möglich war für den Arbeitslosen- und Aufstockungsunterhalt auch eine Kom-
bination der Herabsetzung nach § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. und Befristung nach § 1573 Abs. 5 BGB a.F.4 Weder eine Begrenzung noch eine Befristung kamen in Betracht, wenn der Berechtigte nicht nur vorübergehend ein gemeinschaftliches Kind allein oder überwiegend betreute und insoweit Nachteile in seinen Erwerbsmöglichkeiten erlitten hatte oder eingeschränkt wurde. Insoweit galten für die Befristung die gleichen Maßstäbe wie bei der Herabsetzung gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Zeit der Kindesbetreuung stand der Ehedauer gleich. Erlitt der Ehegatte keine beruflichen Nachteile durch die Kindesbetreuung, war auch in diesen Fällen eine Begrenzung möglich, wobei für die Bemessung der Übergangsfrist die in Kauf genommene Doppelbelastung berücksichtigt werden konnte.5
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Praxishinweis: Da Unterhaltstitel häufig langlebig sind und oft wegen veränderter tatsächlicher oder rechtlicher Verhältnisse eine Anpassung notwendig wird, ist für die verfahrensrechtliche Durchsetzung der Abänderung eines solchen Alttitels mit dem Ziel einer Befristung zu beachten, dass der BGH teilweise im Rahmen des Aufstockungsunterhaltsanspruchs die Reform bereits durch eine geänderte Rechtsprechung vorweggenommen hatte. Deshalb ist für die Zulässigkeit eines Abänderungsantrags nach § 238 FamFG i.V.m. § 36 Nr. 1 EGZPO jeweils zu prüfen, ob der Antragsteller mit seinem Antrag auf Befristung präkludiert sein könnte, weil die Befristung auch schon nach früherem Recht aufgrund der geänderten Rechtsprechung des BGH möglich war. Beantragt ein Unterhaltspflichtiger, der noch vor dem Urteil vom 12.4.20066 wegen der langen Ehedauer unbefristet zur Zahlung von Aufstockungsunterhalt verurteilt worden ist, die Befristung wegen fehlender ehebedingter Nachteile, ist der Antrag zulässig und die Zumutbarkeit einer Befristung des Unterhalts zu prüfen.7 Handelt es sich dagegen um einen erst später errichteten Titel, ist der Unterhaltspflichtige mit dem Einwand der Unterhaltsbefristung präkludiert.8
52 Das Übergangsrecht und die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen der Abän-
derung von Alttiteln werden in Kap. O behandelt. 1 BGH, FamRZ 1986, 886 (888). 2 FamRZ 2006, 1106 ff. 3 Ständige Rechtsprechung des BGH, s. auch FamRZ 2007, 200 (203) m.w.N. und Anm. Büttner, S. 204; BGH, FamRZ 2007, 1006 ff.; 2007, 2049 ff.; 2007, 2052 ff. (Befristung, 7 Jahre, bei kinderloser 20-jähriger Ehe); 1990, 857 (859). 4 BT-Drucks. 10/2888, S. 19. 5 BGH, FamRZ 1990, 492 (494); BGH, FamRZ 2007, 1006 ff. m. Anm. Born, S. 1008. 6 BGH, FamRZ 2006, 1106 ff. 7 OLG Frankfurt, FamRZ 2009, 1162; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2010, 721. 8 BGH, FamRZ 2010, 111 ff.; OLG München, FamRZ 2009, 1154 (1155); OLG Stuttgart, FamRZ 2009, 788; OLG Saarbrücken, FamRZ 2009, 783; OLG Bremen, NJW 2008, 3074.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB 1. Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes (§ 1570 BGB) Nach § 1570 BGB kann ein geschiedener Ehegatte von dem anderen wegen der 53 Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen (§ 1570 Abs. 1 BGB). Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht (§ 1570 Abs. 2 BGB). Sinn und Zweck des nachehelichen Betreuungsunterhalts ist, dass nach der 54 Scheidung die Betreuung des Kindes durch wenigstens einen Elternteil gesichert werden soll, indem der Elternteil, der wegen der Betreuung nicht oder nur teilweise erwerbstätig sein kann und deshalb unterhaltsbedürftig ist, einen Unterhaltsanspruch erhält. a) Verfassungsrechtliche Vorgaben der Reform des § 1570 BGB durch das UÄndG Der Gesetzgeber hat mit Wirkung ab 1.1.2008 den nachehelichen Betreuungs- 55 unterhaltsanspruch neu gefasst und ihn – entsprechend den Vorgaben des BVerfG1 – dem Unterhaltsanspruch zwischen Eltern eines nichtehelichen Kindes in § 1615l Abs. 2 Satz 2–5 BGB angeglichen: Seitdem hat der ein eheliches Kind betreuende, geschiedene Elternteil gemäß § 1570 Abs. 1 BGB – genau wie der ein nichteheliches Kind betreuende Elternteil – einen Unterhaltsanspruch von mindestens drei Jahren einschließlich einer Verlängerungsmöglichkeit aus Billigkeitsgründen. Die Angleichung der Unterhaltsansprüche war erforderlich geworden, nachdem das BVerfG mit Beschluss vom 28.2.20072 den Betreuungsunterhaltsanspruch der Mutter eines nichtehelichen Kindes nach § 1615l Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. wegen der ungleichen Dauer des Anspruchs im Verhältnis zum Betreuungsunterhaltsanspruch der geschiedenen Mutter für unvereinbar mit Art. 6 Abs. 5 GG erklärt hatte. Zur Begründung gab das Gericht an, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes, der Entstehungsgeschichte und der Gerichtspraxis ausschließlich das Alter des Kindes Maßstab für die Gewährung des jeweiligen Betreuungsunterhaltsanspruchs bilde, womit dem nichtehelichen Kind die Möglichkeit genommen werde, „ebenso lange wie ein eheliches Kind im Mittelpunkt elterliche Sorge zu stehen“. Das Bundesverfassungsgericht hat in derselben Entscheidung deutlich gemacht, dass es dem Gesetzgeber unbenommen bleibe, einen geschiedenen Elternteil wegen des Schutzes, den die eheliche Verbindung durch Art. 6 Abs. 1 GG erfährt, (…) unterhaltsrechtlich besser zu stellen als einen unverheirateten Elternteil, was sich mittelbar auch auf die Lebenssituation der mit diesen Elternteilen zusammenlebenden Kindern auswirken“3 1 BVerfG, FamRZ 2007, 965 ff. 2 BVerfG, FamRZ 2007, 965 m. Anm. Borth. Zur Lage der Unterhaltsrechtsreform nach der Entscheidung des BVerfG Schwab, FamRZ 2007, 1053 ff. 3 BVerfG, FamRZ 2007, 965 (971).
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könne. Dem hat der Gesetzgeber beim ehelichen Betreuungsunterhalt in § 1570 Abs. 2 BGB Rechnung getragen und eine besondere Verlängerungsmöglichkeit geschaffen hat, die auf dem Gedanken der nachehelichen Solidarität beruht. Im Rahmen der Verlängerungsmöglichkeit nach Abs. 2 können deshalb Gründe Berücksichtigung finden, die sich aus der praktizierten Rollenverteilung und Gestaltung der Kinderbetreuung in der Ehe ergeben.1 b) Anspruchsvoraussetzungen und Konkurrenzen 56 Unterhaltsberechtigt nach § 1570 BGB können Vater oder Mutter sein, je nach-
dem, wer das Kind betreut. Nicht wichtig ist, dass der betreuende Elternteil auch das alleinige Sorgerecht hat; denn für den Anspruch nach § 1570 BGB ist nicht die rechtliche Zuordnung des Kindes maßgeblich, sondern es kommt nur auf die tatsächliche und berechtigte Betreuung an. Das heißt, auch in den Fällen des gemeinsamen Sorgerechts kann derjenige Elternteil Unterhalt verlangen, der das Kind tatsächlich betreut. 57
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Praxishinweis: Im Falle des gemeinsamen Sorgerechts nach der Scheidung sollten klare Vereinbarungen darüber getroffen werden, bei welchem Elternteil das Kind seinen Lebensmittelpunkt haben soll und in welcher Höhe Kindes- und Betreuungsunterhalt von dem nicht betreuenden Elternteil zu zahlen ist. Weiterhin sollte geklärt werden, welcher Elternteil bei der Familienkasse als Bezugsberechtigter des Kindergeldes benannt werden soll, s. dazu Kap. A Rz. 279. Für den Bezug von Unterhaltsvorschuss empfiehlt sich dies ebenfalls, denn die Benennung eines Elternteils als Bezugsberechtigten begründet i.d.R. die Vermutung, dass dieser Elternteil auch überwiegend das Kind betreut, was eine der Anspruchsvoraussetzungen für die Bewilligung von Unterhaltsvorschuss ist, s. dazu Kap. H Rz. 5.
58 Der Unterhaltsanspruch setzt voraus, dass ein gemeinschaftliches Kind betreut
wird. Als gemeinschaftliches Kind gilt – das während der Ehe bis zu dessen rechtskräftiger Scheidung geborene Kind (§ 1593 i.V.m. § 1592 Nr. 1 BGB; Ausnahme bei Anerkennung durch Dritten nach Anhängigkeit des Scheidungsantrags mit Zustimmung des Ehemannes, § 1599 Abs. 2 i.V.m. § 1592 Nr. 2 BGB); – das adoptierte Kind (§ 1754 Abs. 1 BGB); – das Kind, dessen Vaterschaft anerkannt worden ist (§ 1592 Nr. 2 BGB); – das Kind, dessen Vaterschaft festgestellt worden ist (§ 1592 Nr. 3 BGB); – das Kind, das während einer früheren durch Tod des Ehemannes aufgelösten Ehe gezeugt wurde und in der neu geschlossenen und später geschiedenen Ehe geboren wurde (§ 1593 Satz 3 BGB). 59 Der Unterhaltsanspruch bezieht sich nur auf Kinder, die den Status der Ehelich-
keit haben.2 Kein Betreuungsunterhalt kann deshalb für die Pflege und Erziehung von Pflegekindern und Stiefkindern sowie vor- und außerehelichen Kindern nur eines Ehegatten verlangt werden. Insoweit kann lediglich ein Anspruch gemäß § 1576 BGB aus Billigkeitsgründen zum Zuge kommen. Be1 BT-Drucks. 16/6980, S. 17 der Beschlussempfehlung zur BT-Drucks. 16/1830. 2 BGH, FamRZ 1998, 426.
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treut die Mutter ein gemeinsames nichteheliches Kind, dessen Vater ihr geschiedener Ehemann ist, richtet sich ihr Unterhaltsanspruch weder nach § 1570 BGB noch nach § 1576 BGB, sondern nur nach § 1615l BGB, der eine abschließende Regelung enthält.1 Minderjährige Kinder sind betreuungsbedürftig, wobei die Betreuungsbedürftig- 60 keit mit zunehmendem Alter abnimmt. Die Betreuung eines Kindes beinhaltet die Pflege, d.h. die körperliche und gesundheitliche Versorgung des Kindes sowie seine Erziehung, d.h. die Förderung der geistigen und seelischen Entwicklung des Kindes zu einem selbständigen und verantwortungsbewussten Handeln. Nach § 1570 Abs. 1 BGB besteht ein Unterhaltsanspruch mindestens für die ers- 61 ten drei Lebensjahre des Kindes, wenn der bedürftige Ehegatte das gemeinsame Kind pflegt und erzieht. Während der ersten drei Lebensjahre des Kindes ist der betreuende Elternteil nicht verpflichtet, erwerbstätig zu sein, denn in dem Lebensalter entwickelt das Kind seine Bindungsfähigkeit und ist besonders betreuungsbedürftig. Für diesen begrenzten Zeitraum hat sich der Gesetzgeber für einen Vorrang der elterlichen Betreuung entschieden.2 Die Dreijahresfrist entspricht im Regelfall dem Kindeswohl und ist deshalb Maßstab des Gesetzgebers, der auch für andere sozialstaatliche Leistungen eine Rolle spielt. So besteht während der ersten drei Lebensjahre des Kindes ein Anspruch auf Elternzeit (§ 15 Abs. 2 BEEG) und Gewährung von Kindererziehungszeiten als Pflichtbeitragszeiten in der Rentenversicherung (§§ 3, 55, 56 SGB VI), dem betreuenden Elternteil, der ALG II bezieht, wird nicht zugemutet, erwerbstätig zu sein (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II) und ein Anspruch auf einen Kindergartenplatz besteht ab dem dritten Lebensjahr (§ 24 Abs. 3 SGB VIII).3 Der betreuende Elternteil kann sich während der ersten drei Jahre des Kindes 62 frei entscheiden, ob er einer Erwerbstätigkeit nachgeht oder sich ausschließlich der Betreuung seines Kindes widmet. Dies gilt selbst dann, wenn er vor der Trennung/Scheidung neben der Kindesbetreuung noch (teilweise) erwerbstätig war. Er kann die Tätigkeit jederzeit ohne unterhaltsrechtliche Nachteile aufgeben, denn während dieses Zeitraums besteht keine Erwerbsobliegenheit. Setzt der Ehegatte eine ausgeübte Erwerbstätigkeit fort oder beginnt bzw. erweitert er sie innerhalb der Dreijahresfrist, so handelt es sich um eine überobligatorische Erwerbstätigkeit. Rechtsfolge einer überobligatorischen Erwerbstätigkeit ist, dass Einkünfte aus 63 dieser Erwerbstätigkeit nur hinsichtlich eines nach Billigkeit zu bestimmenden unterhaltsrelevanten Teils als bedarfsprägende Einkünfte berücksichtigt werden (§ 1577 Abs. 2 BGB, vgl. Rz. 265).4 Ist der Unterhaltsverpflichtete der Auffassung, dass der kinderbetreuende El- 64 ternteil gleichwohl zur Erwerbstätigkeit verpflichtet ist, müssen besondere 1 BGH, FamRZ 1997, 671 (673); OLG Koblenz, Urt. v. 16.3.2010 – 11 UF 532/09 = MDR 2010, 698. 2 BT-Drucks. 16/1830, S. 17; BT-Drucks. 16/6980, Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, S. 17; BGH, FamRZ 2009, 770, Tz. 19 ff. 3 Ein Anspruch auf einen Krippenplatz besteht darüber hinaus seit 1.8.2013 für ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat (§ 24 Abs. 2 KiFöG). 4 BGH, FamRZ 2009, 770, Tz. 21; 2009, 1391 (1395), Tz. 33; 2009, 1124 (1126), Tz. 25; Dose, FPR 2012, 129 (133).
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Gründe dafür vorliegen, dass ihn eine Erwerbsobliegenheit trifft. Ein solcher Grund kann z.B. sein eine besonders hohe Verschuldung der Eltern, die eingegangen wurde unter der Voraussetzung einer Doppelverdienerehe, so dass die Belange des Verpflichteten von besonderem Gewicht sind. Die Darlegungs- und Beweislast liegt insoweit bei dem Verpflichteten. 65 Für die Zeit ab Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes1 entfällt der Vorrang
elterlicher Betreuung gegenüber anderweitigen kindgerechten Betreuungsmöglichkeiten und der Anspruch verlängert sich nur, soweit dies der Billigkeit entspricht. Billigkeitsgründe sind: – Kindbezogene Gründe, die sich aus Belangen des Kindes ergeben und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung berücksichtigen (§ 1570 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB). – Ehe- und elternbezogene Gründe, die sich unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe ergeben (§ 1570 Abs. 2 BGB). 66 Sowohl kind- als auch ehe- und elternbezogene Billigkeitsgründe sind Tat-
bestandsmerkmale eines einheitlichen Betreuungsunterhaltsanspruchs. Liegen kindbezogene Billigkeitsgründe vor, die immer an erster Stelle zu prüfen sind,2 verlängert sich der Anspruch, gleichermaßen können ehebezogene Billigkeitsgründe vorliegen, die ebenfalls ohne Weiteres den Anspruch verlängern (sog. Annexanspruch).3 67 Anders als die übrigen nachehelichen Unterhaltsansprüche muss der Anspruch
nicht zu einem bestimmten Einsatzzeitpunkt bestehen. Denn während der Zeit der Minderjährigkeit kann – auch wenn über längere Zeit keine Unterhaltsbedürftigkeit bestand – jederzeit wieder ein Betreuungsbedarf z.B. durch Erkrankung des Kindes entstehen, der dann abzudecken ist. 68 Rechtsfolge der Zumutbarkeit einer (teilweisen) Erwerbstätigkeit ab Vollendung
des 3. Lebensjahres ist, dass Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit in voller Höhe in die Unterhaltsberechnung eingestellt werden und keine Kürzung mehr wegen Unzumutbarkeit der Erwerbstätigkeit gemäß § 1577 Abs. 2 BGB erfolgt. Dem Umfang der tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit kommt eine Indizwirkung für deren Zumutbarkeit zu.4 Soweit eine (teilweise) Erwerbstätigkeit unzumutbar ist, aber dadurch ermöglicht wird, dass Verwandte, z.B. die Eltern des betreuenden Elternteils, sich an der Betreuung des Kindes beteiligen, handelt es sich um freiwillige Leistungen, die nicht erbracht werden, um den Unterhaltspflichtigen zu entlasten.5 Die durch diese freiwillige Leistungen ermöglichten Einkünfte aus einer insgesamt oder nur teilweise nicht zumutbaren Erwerbstätigkeit werden als Einkünfte aus überobligatorischer Tätigkeit behandelt und sind deshalb nur in Höhe eines nach Billigkeit zu bestimmenden Anteils anrechenbar, s. Rz. 265 f.6 Bietet der andere Elternteil die Unterstützung bei der Kindes1 2 3 4 5 6
BGH, FamRZ 1997, 671 (673). BGH, FamRZ 2009, 1391 (1393). BT-Drucks. 16/6980, S. 19. BGH, FamRZ 2009, 770 Tz. 32; 2008, 1739 Tz. 100. BGH, FamRZ 2009, 1391; OLG Düsseldorf, FamFR 2010, 82. BGH, FamRZ 2009, 1391 (1395). BGH, FamRZ 2010, 1050 Tz. 36 f. (der barunterhaltspflichtige Elternteil ist im Vorruhestand): Ablehnung eines Betreuungsbonus unter Hinweis auf § 1577 Abs. 2 BGB.
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betreuung an, hat der Unterhaltsberechtigte das Angebot anzunehmen, sofern dadurch eine verlässliche Betreuung gesichert ist, die Eltern zu einem sachlichen Umgang in der Lage sind und nicht Kindeswohlgründe gegen diese Regelung bestehen.1 Die dadurch ermöglichte Erwerbstätigkeit ist i.d.R. zumutbar. Ist jedoch bereits eine am Kindeswohl orientierte abschließende Umgangsregelung vorhanden, ist diese grundsätzlich vorgreiflich, denn sie ist bindend.2 Eine Abänderung dieser Umgangsregelung nur aus wirtschaftlichen Gründen im Interesse des unterhaltspflichtigen Elternteils wären keine triftigen, die Abänderung der Umgangsregelung rechtfertigenden Gründe (§ 1696 Abs. 1 BGB).3 Der Anspruch besteht, wenn keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, in Höhe des 69 vollen Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 BGB, Rz. 15 ff.). Daneben besteht dann kein Aufstockungsunterhaltsanspruch nach § 1573 Abs. 2 BGB. Anderes gilt, wenn der Berechtigte eine Teilzeitbeschäftigung ausübt. Dann ist der Anspruch nach § 1570 BGB in der Höhe begrenzt durch die Höhe des Arbeitsentgelts, das der Berechtigte bei Ausübung einer vollen Erwerbstätigkeit erzielen würde, abzüglich der erzielten Einkünfte, und erhöht sich auf den eheangemessenen Bedarf nach § 1573 Abs. 2 BGB, sofern dieser darüber liegt.4 Entfällt der Betreuungsanspruch wegen Wegfalls der Betreuungsbedürftigkeit des Kindes, verbleibt als Anschlussunterhalt der Aufstockungsunterhalt in der bisherigen Höhe, soweit nicht eine Beschränkung nach § 1578b BGB greift. Kann der Berechtigte nach Ausübung einer Teilerwerbstätigkeit wegen Erkrankung nicht mehr arbeiten, ergibt sich ein Anschlussunterhalt wegen Krankheit und Aufstockung nach §§ 1572 Nr. 2, 1573 Abs. 2 BGB, der in der Höhe jedoch begrenzt ist unter Berücksichtigung des bisher erzielten Einkommens aus Teilzeitbeschäftigung, wenn diese bereits nachhaltig gesichert war (Rz. 8 ff. mit Beispielen). c) Verlängerung aus kindbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 1 BGB Maßstab für die Fortdauer des Unterhaltsanspruchs nach § 1570 Abs. 1 BGB aus 70 Billigkeitsgründen sind in erster Linie kindbezogene Gründe, die das stärkste Gewicht haben und vorrangig zu prüfen sind.5 Kinder sind auch nach Vollendung des 3. Lebensjahres bis zum Beginn des Schulbesuchs noch vollumfänglich betreuungsbedürftig, mit zunehmendem Alter und Verselbständigung reduziert sich der Betreuungsbedarf. Der Gesetzgeber geht jedoch davon aus, dass schon nach Ablauf der Dreijahresfrist eine ganztägige Betreuung durch einen Elternteil unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls nicht mehr zwingend geboten ist und die Belange des Kindes i.d.R. auch gewahrt sind, wenn seine Pflege und Erziehung in anderer Weise als durch elterliche Betreuung sichergestellt werden kann, da sich eine Fremdbetreuung ab dem Alter nicht nachteilig auswirke.6 Aufgrund der Aufgabe des Vorrangs der elterlichen Betreuung ab dem 3. Lebensjahr sind für die Verlängerung des Anspruchs und zur Klärung der Zu1 2 3 4
BGH, FamRZ 2011, 1209 Tz. 24; 2010, 1880 Tz. 28. BGH, FamRZ 2011, 1209 Tz. 24. BGH, FamRZ 2011, 1209 m. Anm. Viefhues S. 1212 f. BGH, FamRZ 2010, 869 Tz. 15, im Anschluss an FamRZ 2009, 406 (407) (zur Geltung von § 1573 Abs. 2 BGB neben dem reformierten § 1570 BGB. 5 BGH, FamRZ 2009, 1124 (1126), Tz. 28; 2009, 770 (772), Tz. 24; 2009, 1191 (1193), Tz. 21. 6 BT-Drucks. 16/1830, S. 31 zur Begründung der Befristung von § 1615l Abs. 2 Satz 3 BGB.
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mutbarkeit der Erwerbstätigkeit vorhandene Fremdbetreuungsmöglichkeiten vom betreuenden Elternteil zu klären und ggf. in dem Umfang wahrzunehmen, in dem sie mit den Belangen des Kindes und den Anforderungen der in Betracht kommenden beruflichen Tätigkeit vereinbar sind. 71 § 1570 Abs. 1 BGB verlangt jedoch keinen abrupten, übergangslosen Wechsel
von der elterlichen Betreuung zur Vollzeiterwerbstätigkeit, vielmehr ist ein gestufter Übergang möglich.1 Dieser soll sich jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers nicht – wie nach dem bis zum 31.12.2007 angewandten Altersphasenmodell (s. Rz. 108) – allein an dem Alter des Kindes, sondern an den Kriterien des § 1570 Abs. 1 BGB orientieren,2 d.h. er soll individuell nach Billigkeit bestimmt werden unter Berücksichtigung der individuell vorhandenen Möglichkeiten der Fremdbetreuung sowie sonstiger kindbezogener Gründe, die die Zumutbarkeit einer ganztägigen Erwerbstätigkeit einschränken und für eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs sprechen können.3 72 In der Regel wird ein dreijähriges Kind den halb- oder ganztätigen Besuch des
Kindergartens nach einer Eingewöhnungsphase akzeptieren, so dass – je nach Vereinbarkeit der örtlichen und zeitlichen Bedingungen der Fremdbetreuung mit denen der Arbeitssituation des betreuenden Elternteils – eine Erwerbstätigkeit in Betracht kommen wird. Die Bestimmung des Maßes der Erwerbstätigkeit hängt dann von den weiteren individuellen Gegebenheiten ab. aa) Möglichkeiten der Fremdbetreuung 73 Der betreuende Elternteil hat die Möglichkeiten der Fremdbetreuungsmöglich-
keiten zu klären, wobei auf folgende Kriterien abzustellen ist: – Welche konkreten Fremdbetreuungsmöglichkeiten bestehen zu welchen Bedingungen? – Entsprechen sie den Bedürfnissen und Belangen des Kindes? – Sind sie zumutbar, verlässlich und mit der in Betracht kommenden Erwerbstätigkeit vereinbar? 74 Die Fremdbetreuungsmöglichkeit muss zumutbar sein, d.h. von ihrem Leis-
tungsangebot her geeignet und in der Lage sein, das Kind nicht nur zu verwahren, sondern als Äquivalent elterlicher Betreuung auch zu fördern und zu erziehen. So sollte eine nachschulische Betreuung schulische Kompetenzen fördern durch Hilfestellung bei der Verarbeitung des Lernstoffes und Bearbeitung der Hausaufgaben und sich nicht nur auf eine Beaufsichtigung der Kinder im Sinne einer Verwahrung beschränken.4 In der Regel ist bei öffentlichen Betreuungsreinrichtungen davon auszugehen, dass sie eine kindgerechte Betreuung anbieten.5 Genügen die vorhandenen Betreuungsmöglichkeiten diesen Anforderun-
1 BT-Drucks. 16/6980 (Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zur BT-Drucks. 16/1830), S. 18, 19; BGH, FamRZ 2009, 1391 (1393 f.), Tz. 19, FamRZ 2009, 1124 (1126 f.). 2 BGH, FamRZ 2009, 770 (773); 2009, 1124 (1127). 3 BGH, FamRZ 2009, 1124 ff.; 2008, 1739 (1748). 4 BGH, FamRZ 2009, 1391 (1394) Tz. 23; OLG Hamm, FamRZ 2009, 2092 (2093) m. Anm. Borth; KG, KGR Berlin 2009, 248 ff. = FPR 2009, 254. 5 BGH, FamRZ 2009, 1391 (1394), Tz. 22.
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gen nicht, besteht auch keine Obliegenheit, das Kind fremdbetreuen zu lassen.1 Macht der betreuende Elternteil die unzureichende Qualität geltend, ist ein substantiierter Sachvortrag erforderlich, nicht ausreichend sind pauschale Einschätzungen. Die Zumutbarkeit bezieht sich auch auf wirtschaftliche Gesichtspunkte sowie die örtliche und zeitliche Vereinbarkeit von Betreuungseinrichtung und -zeit mit der Arbeitsstelle und Arbeitszeit. Die Betreuungseinrichtung, sei es Kindergarten oder Hort, muss vor allem im Hinblick auf die in Betracht kommende Erwerbstätigkeit verlässlich sein. Zur Verlässlichkeit gehört, dass die Betreuung durchgängig gewährleistet sein muss, also auch in den Schulferienzeiten. Es müssen auch Betreuungsmöglichkeiten für den Fall der Erkrankung des Kindes bestehen, insbesondere im Kindergartenalter besteht eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit. Fehlt eine Möglichkeit der Kinderbetreuung durch Dritte oder sind die örtlichen 75 und/oder zeitlichen Bedingungen der Fremdbetreuung für die in Betracht kommende Erwerbstätigkeit so ungünstig sind, dass keine Erwerbstätigkeit zumutbar ist, hat der betreuende Elternteil auch nach Vollendung des 3. Lebensjahres einen ungeschmälerten Unterhaltsanspruch.2 Besteht die Möglichkeit einer halbtägigen verlässlichen Betreuung und lässt sich die für den betreuenden Elternteil in Betracht kommende Erwerbstätigkeit zeitlich und räumlich mit den Betreuungszeiten vereinbaren, verlängert sich der Anspruch ebenfalls, der dann in der Höhe geringer ausfällt, weil der betreuende Elternteil einen Teil seines Bedarfs durch eigene Einkünfte decken kann. 76
Beispiel F betreut ihre 2-jährige Tochter und verlangt von M unbefristeten Betreuungsunterhalt. Sie will ihre Tochter ab dem 3. Geburtstag drei Mal in der Woche von 9–13 Uhr zur Betreuung in einen nahe gelegenen Miniclub geben, da die Entfernung zum Kindergarten, der nur eine Halbtagsbetreuung anbietet, für sie zu aufwendig wäre. Sie würde für die Fahrt zum Kindergarten eine Dreiviertelstunde und eine weitere Dreiviertelstunde zu ihrem Arbeitsplatz benötigen. Da die Tochter ab dem 5. Lebensjahr eine nahe gelegene Ganztagsschule mit Vorschule und Ganztagsbetreuung besuchen kann, will sie erst von dem Zeitpunkt an wieder erwerbstätig sein. F hat Anspruch auf Unterhalt über das 3. Lebensjahr hinaus.
Der Anspruch besteht ebenfalls fort, wenn das Kind ab Beginn der Schulpflicht 77 nicht ganztägig bzw. halbtags mit ergänzender Betreuung im Hort betreut werden kann. Denn mindestens bis zum 15./16. Lebensjahr bedarf ein Kind, wenn es nicht ganztags die Schule besucht, noch in der schulfreien Zeit der Fürsorge durch Pflege und Erziehung. Der Umfang der Erwerbsobliegenheit des betreuenden Ehegatten hängt deshalb auch für diesen Lebensabschnitt des Kindes jeweils von den konkreten Fremdbetreuungsmöglichkeiten ab. So ist einer Flugbegleiterin, die zwei 11- und 14-jährige Kinder betreut, nur eine halbschichtige Erwerbstätigkeit zumutbar, da wegen anfallender Nachtschichten keine umfänglichere Fremdbetreuung möglich wäre.3
1 BGH, FamRZ 2009, 1391 (1394), Tz. 22. 2 BGH, FamRZ 2009, 1049 f., zu den Anforderungen an die Aufsichtspflicht von Eltern bei § 832 BGB. 3 OLG Hamm, FamRZ 2009, 2093 ff.
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bb) Belange des Kindes 78 Die Belange des Kindes können Anlass für eine Verlängerung geben, wenn es in
besonderem Maße betreuungsbedürftig ist und dem – im Rahmen einer Fremdbetreuung – nicht oder jedenfalls nicht durch eine ganztägige Betreuung Rechnung getragen werden kann. Eine besondere Betreuungsbedürftigkeit kann sich ergeben z.B. aufgrund von Entwicklungsschwierigkeiten, die eine Betreuung im Kindergarten nicht oder nur beschränkt zulassen, wegen Erkrankungen (Häufung von Arztterminen), Lernproblemen, Verhaltensauffälligkeiten aufgrund einer konflikthaften Trennung der Eltern oder fortdauernder Streitigkeiten wegen des Umgangs. Besondere Begabungen können ebenfalls einen besonderen organisatorischen Betreuungsaufwand erfordern, der nicht im Rahmen einer ganztägigen Betreuung in einer Einrichtung geleistet werden kann, wie z.B. das Holen und Bringen zum Musik-, Sport- oder Ballettunterricht. 79 Bei der Auslegung der Verlängerungsmöglichkeiten nach § 1570 Abs. 1 BGB ist
auf das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 6 Abs. 5 GG im Verhältnis zu § 16151 Abs. 2 Satz 3 BGB zu achten. d) Verlängerung aus ehe- und elternbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 2 BGB 80 Nach § 1570 Abs. 2 BGB verlängert sich der Unterhaltsanspruch, wenn dies un-
ter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht. Mit dieser Verlängerungsmöglichkeit hat der Gesetzgeber berücksichtigt, dass sich eine gesetzlich verordnete Fremdbetreuung von Kindern ab dem vierten Lebensjahr dann nicht mit dem Grundgesetz vereinbaren lässt, wenn eine Verlängerung der Betreuung durch einen Elternteil allein aus der Ehe gerechtfertigt sein kann.1 Maßgeblich ist dabei das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Kinderbetreuung. Der BGH bezeichnet diese Gründe als eltern- und nicht als ehebezogene Gründe, was zwar einen Gleichklang zur Auslegung von § 1615l Abs. 2 BGB betont, aber nicht die besondere Bedeutung der in § 1570 Abs. 2 BGB genannten Gründe, für die sich der Gesetzgeber ausdrücklich auf die nacheheliche Solidarität bezogen hat, hervorhebt. Da die ehebezogenen Gründe in § 1570 Abs. 2 BGB gegenüber den im Rahmen von § 1615l BGB beachtenswerten elternbezogenen Gründen eine eigenständige Bedeutung haben, werden hier beide Begriffe verwendet. aa) Ehe- und elternbezogene Gründe 81 Da Ehegatten meist Kinder als besondere Erfüllung ihres Ehelebens verstehen,
kann die gemeinsame und im Vertrauen auf den Bestand der Ehe getroffene Entscheidung, dass sich ein Elternteil überwiegend der Kindesbetreuung widmen soll, im Falle der Scheidung nicht folgenlos bleiben. Im Rahmen von § 1570 Abs. 2 BGB können vor allem die Belange des betreuenden Ehegatten berücksichtigt werden, soweit im Vertrauen auf den Bestand der Ehe der Kinderwunsch verwirklicht wurde und er seine eigene berufliche Entwicklung auf die familiäre Situation eingestellt hat. So ist immer dann nacheheliche Solidarität gefordert, wenn ein Ehegatte im Interesse der Kindererziehung seine Erwerbstätigkeit dau1 BT-Drucks. 16/6980, S. 19.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
erhaft ganz oder teilweise aufgegeben oder zurückgestellt hat, was meist bei mehreren Kindern der Fall ist.1 Für die Billigkeitsabwägung im Rahmen von § 1570 Abs. 2 BGB ist deshalb von Bedeutung, wie die Betreuung nach der bisherigen Lebensplanung organisiert wurde und gegebenenfalls mit welchen längerfristigen Folgen für die Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils dieser Plan bereits umgesetzt wurde oder umgesetzt werden sollte. Zwar wird der Unterhaltspflichtige aufgrund des Scheiterns der Ehe nicht auf Dauer daran festgehalten werden können, wenn z.B. bei nur einem gemeinsamen Kind geplant war, dass die Ehefrau neben der Kindesbetreuung keine Erwerbstätigkeit ausübt. Bei mehreren Kindern hingegen und bei einer längeren Dauer der Ehe wird dies eher der Fall sein. Insoweit kann ein stufenweiser Übergang die Möglichkeit zu einem angemessenen Interessenausgleich bieten, der das Interesse des betreuenden Elternteils an einer fairen Chance der Wiedereingliederung in den Beruf, unter Berücksichtigung der Belastung durch die Kindesbetreuung, und dem Interesse des Verpflichteten an einer finanziellen Entlastung Rechnung trägt. Die Frage der Zumutbarkeit stellt sich auch unter dem Gesichtspunkt, welche 82 gemeinsamen Vorstellungen für die Erziehung des Kindes maßgeblich waren und welcher Stellenwert ihnen nach der Scheidung der Ehe noch zukommt. Denn was Eltern einmal gemeinsam für die Entwicklung ihres Kindes für richtig befunden haben, verliert nicht ohne Weiteres seine Gültigkeit mit der Scheidung der Ehe.2 Haben Eltern eine private Grundschule für ihre Kinder gewählt, die eine aktive Mitarbeit der Eltern verlangt und hat sich z.B. die Mutter für einen bestimmten Zeitraum dafür beurlauben lassen, würde es nicht der Billigkeit entsprechen, die Mutter auf eine Erwerbstätigkeit zu verweisen, es sei denn, die finanziellen Verhältnisse verlangen es. Auch die Planung, ein Kind mit hohem elterlichen Einsatz zu fördern, kann einer teilweisen oder vollen Erwerbstätigkeit entgegenstehen, wenn die Mutter z.B. Pianistin ist und das Kind unterrichtet, wobei in den beiden letztgenannten Fällen auch Belange des Kindes für eine Verlängerung sprechen würden. Bei der Billigkeitsabwägung ist die Dauer der Ehe ebenfalls von Bedeutung. Je 83 länger die Ehe gedauert hat, desto stärker wird das schützenswerte Vertrauen in den Bestand und die Erhaltung der gewählten Betreuungssituation sein. So ist einem Ehegatten, der im Interesse der Kinderbetreuung auf eine eigene berufliche Entwicklung verzichtet oder diese zurückgestellt hat, ein längerer Anspruch einzuräumen als einem Ehegatten, der alsbald wieder in den Beruf zurückkehren wollte.3 Ebenso spielen die wirtschaftlichen Verhältnisse eine Rolle. Bei großzügigen 84 Verhältnissen lässt sich das Vertrauen in die Fortsetzung der bisher gehandhabten Kinderbetreuung eher schützen, als bei finanziell engen Verhältnissen, wenn hohe, gemeinsam eingegangene Verbindlichkeiten bestehen. Schließlich ist für die Verlängerung des Anspruchs von Bedeutung, welche An- 85 forderung an die Erwerbsobliegenheit zu stellen ist, damit die Betreuung und Erziehung des Kindes in Verbindung mit einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit
1 BGH, FamRZ 2009, 770 Tz. 32. 2 A.A. Borth, UÄndG, S. 58. 3 BT-Drucks. 16/6980, S. 19 (Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu BT-Drucks. 16/1830).
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
nicht zu einer unzumutbaren Belastung für den betreuenden Elternteil führt.1 Dabei ist bei der Bewertung mitzuberücksichtigen, dass nach dem Scheitern der Ehe die Lasten einer gemeinsam begründeten Verantwortung für ein Kind angemessen und fair zwischen den geschiedenen Ehegatten zu verteilen sind. Dazu gehört, dass der die Pflichten der Betreuung des Kindes übernehmende Ehegatte neben der Erwerbstätigkeit, der Bewältigung entsprechender Fahrtwege zum Abholen und Bringen des Kindes in die Einrichtung und zum Arbeitsplatz, der Haushaltsführung noch Kraft und Zeit haben muss, den Bedürfnissen des Kindes und eigenen Bedürfnissen gerecht zu werden.2 Der nach der Arbeit zu erbringende Betreuungsaufwand hängt im Einzelfall noch maßgeblich von der Anzahl der Kinder sowie von deren Entwicklungs- und Gesundheitszustand, ebenso von ihren Begabungen und Neigungen ab.3 86 Beispiel M und F haben zwei Kinder im Alter von drei und fünf Jahren. Beide Kinder besuchen in der Zeit von 9–13 Uhr den Kindergarten. M ist ganztags berufstätig, F halbtags. Bis zur Trennung hat M die Kinder morgens in den Kindergarten gebracht und F sie am Mittag abgeholt. Nach der Trennung hört F auf zu arbeiten und verlangt nach der Scheidung unbefristeten, vollen Unterhalt. M verlangt die Fortsetzung der Erwerbstätigkeit. F muss nachvollziehbar darlegen, warum sie aufgehört hat zu arbeiten. Verlängerungsgründe können hier sein, dass die Kinder wegen der Trennung einer stärkeren Fürsorge bedürfen; dass die Ausübung der Tätigkeit nur möglich wäre durch unzumutbare, nicht den Erziehungsvorstellungen der Ehegatten entsprechende Ausweitung der Betreuung im Kindergarten, weil F die Kinder jetzt selbst morgens in den Kindergarten bringen muss; dass F gesundheitlich überfordert wäre, weil die Anforderungen an die Haushaltsführung bei zwei Kindern für einen alleinerziehenden Elternteil zeitaufwendiger sind.
87 Im Grundsatz gilt für die anzustellenden Billigkeitsabwägung in allen Fällen,
dass neben den Belangen des Kindes, seiner Abhängigkeit von elterlicher Betreuung und der Gestaltung der Betreuung während der Ehe, auch jeweils mit zu bedenken ist, in welchem Maße und auf welche Weise Fremdbetreuung möglich und zumutbar ist, damit das Kindeswohl gewahrt, die Lasten einer gemeinsam begründeten Verantwortung nicht einseitig dem Betreuenden auferlegt werden und beide Ehegatten langfristig wirtschaftlich voneinander unabhängig werden können. bb) Beispiele aus der Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit 88 Die Instanzgerichte halten – wohl überwiegend – eine Ganztagstätigkeit etwa
bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres nicht für zumutbar, selbst wenn das Kind ganztägig betreut werden kann, weil dies meist für den betreuenden Elternteil mit einer nicht zumutbaren Belastung verbunden wäre.4 Denn er müsste nach einer ganztägigen Arbeit sowohl den Belangen des Kindes gerecht werden als auch Einkäufe erledigen, den Haushalt besorgen und Mahlzeiten bereiten, ohne dass ihm darüber hinaus noch Zeit zur Verfügung stünde, eigenen Bedürf1 BGH, FamRZ 2009, 1391 Tz. 32; 2008, 1739 (1748 f.) (zu § 1615l BGB); 2009, 1124 (1127); 2009, 770 (773); Borth ordnet diesen Grund den kindbezogenenen Belangen nach § 1570 Abs. 1 S. 3 BGB zu, FamRZ 2009, 960 (961) (Anm. zu BGH FamRZ 2009, 770 ff.) und FamRZ 2009, 1129, Anm. zu BGH, 2009, 1124 ff. 2 OLG Düsseldorf, FamRZ 2009, 522 (523). 3 Dose, FPR 2012, 129 (133). 4 Ebenso die Einschätzung von Reinken, FPR 2010, 125 ff.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
nissen nachzugehen.1 Ausgehend vom Grundsatz der Obliegenheit zur Ganztagsbeschäftigung ab Vollendung des 3. Lebensjahres befassen sich die Entscheidungsgründe ausführlich mit den individuellen Gründen, die für und gegen eine Verlängerung sprechen. Dabei wird i.d.R. auf die konkreten Besonderheiten des Falles eingegangen, die Begründungen beruhen aber gleichermaßen auf Erfahrungswerten über die typischen Bedürfnisse von Kindern in bestimmten Altersphasen und setzen sich damit auseinander, inwieweit es dem Unterhaltsberechtigten zumutbar ist, nach Ausübung einer Ganztagsbeschäftigung die nach der Fremdbetreuung noch anfallende Pflege und Erziehung des Kindes neben der ebenfalls anfallenden Hausarbeit, den Einkäufen und der Zubereitung von Mahlzeiten zu bewältigen. Dabei ergibt sich die Ablehnung einer Ganztagsbeschäftigung aus der Einschätzung, dass der betreuende Elternteil – will er die kindlichen Bedürfnisse angemessen befriedigen – überfordert wäre und die Lasten einer gemeinsam eingegangenen Verantwortung fair zu verteilen sind. Betreuung von Kindern im Alter von 3–6 Jahren (Kindergartenalter)
89
– OLG Zweibrücken, FamRZ 2011, 81: Ist nur ein Kind (5 Jahre) im Kindergartenalter zu betreuen, ist eine Ganztagsbeschäftigung nicht zumutbar auch bei Ganztagsbetreuung des Kindes im Kindergarten. Eine Teilzeitarbeit hingegen kann erwartet werden.2 – OLG Köln, FamRZ 2009, 2011: 1 Kind 6 Jahre, zwar Ganztagskindergartenbetreuung möglich, aber nur Teilzeitarbeit zumutbar wegen der Fahrwege, anfallenden Hausarbeiten und dem Betreuungsbedarf nach der Fremdbetreuung des Kindes. – OLG Brandenburg, FPR 2009, 247: Zumutbare Teilzeitbeschäftigung von 30 Stunden pro Woche bei dreijährigem Kind, (zu § 1361 BGB). Betreuung von schulpflichtigen Kindern
90
– KG, FPR 2009, 254: keine Obliegenheit ein Kind, 8 Jahre, ganztags fremdbetreuen zu lassen zwecks vollschichtiger Erwerbstätigkeit im Hinblick auf eheliche Handhabung und notwendige elterliche Betreuung nach der Schule wegen fehlender qualitätsvoller nachschulischer Betreuung. – OLG Köln, FamRZ 2009, 2011, 2012: keine Ganztagsbeschäftigung zumutbar trotz Fremdbetreuung des 6-jährigen Kindes bis 16.00 Uhr, da die Arbeit früher beendet werden muss, um das Kind abholen zu können, im Übrigen aus elternbezogenen Gründen. – KG, FamRZ 2009, 336: 2 Kinder 7 und 11 Jahre alt, mehr als eine Teilzeitbeschäftigung ist auch bei Ganztagsbetreuung der Kinder nicht zumutbar. – OLG Düsseldorf, FamRZ 2009, 522: keine Obliegenheit zur Ganztagsarbeit trotz Ganztagsbetreuung des 11-jährigen Kindes, das gerade auf das Gymnasium gewechselt hat.3 Anders das OLG Hamm, FamFR 2013, 560. – OLG Brandenburg, FamFR 2011, 415: Zumutbare Erwerbstätigkeit zu 2/3 bei zwei Kindern von 8 und 10 Jahren, die ganztags fremdbetreut werden.
1 OLG Düsseldorf, FamRZ 2009, 522 (523). 2 OLG Zweibrücken, FamRZ 2011, 81 = FamFR 2011, 81 m. Anm. Strohal. 3 Die Entscheidung setzt sich mit dem Bedürfnis nach Pauschalierung auseinander unter Bezugnahme auf BGH, FamRZ 2008, 1739.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
– OLG Düsseldorf, FPR 2009, 594:1 Neben der Betreuung von zwei 11 Jahre und 14 Jahre alten Schulkindern ist der Betreuungselternteil aus elternbezogenen Gründen auch dann noch nicht zur Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit verpflichtet, wenn die Kinder nach der Schule ganztägig in einer geeigneten Tagespflegestelle betreut werden könnten. – OLG Braunschweig, FamRZ 2009, 977 (979): Nur Halbtagstätigkeit zumutbar bei Betreuung eines 13- und 15-jährigen Kindes, das an ADS leidet und aus ehebezogenen Gründen. – OLG Hamm, FamRZ 2009, 976: Keine Obliegenheit zur Ganztagsbeschäftigung bei Betreuung eines 17-jährigen Jungen, der massive Verhaltensauffälligkeiten zeigt. 91 Es gab nach Inkrafttreten des reformierten Unterhaltsrechts Ansätze in den Leit-
linien, das zuvor praktizierte Altersphasenmodell aufgrund von Erfahrungswerten zu modifizieren und für bestimmte Altersgruppen trotz vorhandener Ganztagsbetreuungsangebote nur von einer Obliegenheit zur Ausübung einer Teilzeitbeschäftigung des betreuenden Elternteils auszugehen.2 Der BGH hat jedoch jegliche Wiederbelebung von modifizierten Altershasenmodellen und auch pauschale Wertungen zur Begründung eines verlängerten Unterhaltsanspruchs strikt abgelehnt, so dass die Leitlinien jetzt überwiegend nur noch auf die Einzelfallwürdigung unter Nr. 17.1 verweisen. 92 Die Rechtsprechung des BGH stößt bei den Instanzgerichten insbesondere des-
halb auf wenig Akzeptanz, weil die Lebenswirklichkeit in Deutschland eben nicht durchgängig durch eine volle Erwerbstätigkeit kinderbetreuender Eltern geprägt ist, sondern die Ausübung einer Teilzeitarbeit typisch ist (in 2010 70 % der Mütter) und sogar von den alleinerziehenden Müttern mit einem Kind nur ca. 25 % einer vollen Erwerbstätigkeit nachgehen.3 e) Darlegungs- und Beweislast 93 Die Darlegungs- und Beweislast für die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1570
BGB trägt der betreuende Elternteil.4 94 Während der ersten drei Lebensjahre besteht wegen des Vorrangs der Eltern-
betreuung innerhalb dieser Zeitspanne keine Erwerbspflicht und damit auch keine Notwendigkeit auf vorhandene Betreuungsmöglichkeiten einzugehen. 95 Bei einem zu betreuenden Kind im Alter vom 3. bis 15./16. Lebensjahr sind
hingegen die Gründe, die für eine Verlängerung aus Billigkeitsgründen sprechen, näher darzulegen, denn der Vorrang elterlicher Betreuung ist zugunsten der Fremdbetreuung aufgegeben und es besteht für den betreuenden Elternteil eine 1 Kritisch dazu Griesche, FamFR 2010, 46, der im Hinblick auf die Rspr. des BGH Auseinandersetzung mit konkretem Sachverhalt vermisst. 2 So z.B. OLG Hamm, Nr. 17.1 Stand 1.1.2010. Hinweise enthalten auch die LL der OLG Köln, Braunschweig, Schleswig, s. dazu die Übersicht von Riegner zu den LL in FPR 2010, 129 ff. 3 Krone/Stöbe-Blossey, FPR 2010, 137 ff.; Familienreport 2012, S. 71 ff.; im Internet: http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/Familienreport2012. 4 BGH, FamRZ 2008, 1739 (1748), Tz. 97; 2009, 1391 (1393); 2010, 444, Tz. 27; 2010, 357, Tz. 49.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
Obliegenheit ganztags erwerbstätig zu sein. Die Verlängerung des Anspruchs über das 3. Lebensjahr hinaus bedarf deshalb nach der ständigen Rechtsprechung des BGH der Begründung.1 Bestreitet der Unterhaltspflichtige die Erforderlichkeit einer Verlängerung des Anspruchs über das 3. Lebensjahr des Kindes hinaus, muss der Anspruchsteller beweisen, aus welchen Gründen es der Billigkeit entspricht, dass er nicht oder nur teilweise wegen der Betreuung des Kindes erwerbstätig ist. Soweit gesundheitliche Gründe bezogen auf das Kind zur Begründung vorgetragen werden, genügt ein einfaches Bestreiten des Unterhaltspflichtigen, der die elterliche Sorge mit ausübt, nicht aus.2 Der Sachvortrag des Unterhaltsberechtigten sollte sich sowohl zu den kind- als 96 auch ehe- und elternbezogenen Gründen äußern, weshalb wegen der Pflege und Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht und nur in einem beschränkten Umfang erwartet werden kann: Dazu gehören folgende Gesichtspunkte: – Alter und Anzahl de(s)r gemeinsamen Kinde(s)r – bisherige Betreuungssituation (Beteiligung der Ehegatten an der Betreuung des Kindes und Erwerbstätigkeit) – bestehende Betreuungsmöglichkeiten (Kindergarten, Schule, Hort jeweils mit konkreten Angaben zum Standort und zu den Öffnungs- und Schließzeiten usw.) – Anforderungen an adäquate Betreuung für das Kind (Behinderung, Begabung, Gesundheitszustand) – Erwerbsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der konkreten Betreuungsangebote – Zumutbarkeit/Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit im Hinblick auf eine frühere Lebensplanung der Eltern, das Kindeswohl (Entwicklungsstand des Kindes, Notwendigkeit von Förderungsmaßnahmen, Reaktionen des Kindes auf Trennung und Scheidung usw.), die Gesundheit des Anspruchstellers, die Anforderung der Erwerbstätigkeit bezogen auf Zeitaufwand für Anfahrtswege, Anforderung an Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit Die Rechtsprechung des BGH, die von einem Vorrang der Fremdbetreuung ge- 97 genüber der persönlichen Betreuung ab Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes im Interesse einer vollen Erwerbstätigkeit des Unterhaltsberechtigten ausgeht, ist auf Kritik gestoßen. Dabei wird der Vorrang der Fremdbetreuung sowohl im Hinblick auf das grundgesetzlich garantierte Recht und die Pflicht von Eltern auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) in Frage gestellt3 als auch kritisiert, dass die Rechtsprechung den tatsächlichen Anforderungen, die mit der Kindesbetreuung typischerweise verbunden sind, nicht ausreichend Rechnung trage4 und der Praxis bei kindbezogenen Gründen einen Begründungsaufwand zumute, der angesichts der offenkundigen tatsächlichen Verhältnisse überzogen sei.5 Soweit der BGH – auch wegen der Kritik – darauf 1 BGH, FamRZ 2009, 1391, 1393; 2010, 444 Tz. 27; 2010, 357, Tz. 49. 2 BGH, FamRZ 2009, 1391, Tz. 29. 3 Hütter, Der Anspruch des Kindes auf persönliche Betreuung durch eine Elternteil – nur bis zu dritten Lebensjahr? FPR 2012, 134 ff. 4 Heiderhoff, Verlängerung des Betreuungsunterhalts, FamRZ 2012, 1604 ff. 5 Erbarth, Hohe Anforderungen an die Behauptungslast kindbezogener Verlängerungsgründe in § 1570 BGB, FamRZ 2012, 340 ff.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
hingewiesen hat, dass an den Sachvortrag zu den kindbezogenen Gründen keine überzogenen Anforderungen an den individuellen Sachvortrag zu stellen seien,1 darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass nach wie vor immer ein besonderer Betreuungsaufwand anhand der individuellen Verhältnisse erwartet wird und allgemeinen Erfahrungswerten keine Bedeutung zugemessen wird. So reicht der Hinweis auf eine Erkrankung wie Asthma2 oder ein Aufenthalt in einer Pflegefamilie3 nicht, um einen besonderen Betreuungsaufwand zu begründen. 98 Nicht mehr anwendbar sind nach der Rechtsprechung des BGH die zu § 1570
a.F. BGB entwickelten Grundsätze zur Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit in Abhängigkeit von Alter und Anzahl der Kinder (sog. Altersphasenmodell, vgl. Rz. 108) und damit auch nicht mehr die Regeln des Anscheinsbeweises für den auf Erfahrungswerten beruhenden Betreuungsbedarf, orientiert am Alter des Kindes.4 Der BGH lehnt darüber hinausgehend auch die Anwendung eines Altersphasenmodells in modifizierter Form ab, nach dem z.B. eine Teilzeitarbeit ab dem Kindergartenalter bei einem Kind zumutbar ist, und begründet dies mit einem entsprechenden Willen des Gesetzgebers.5 Tatsächlich lässt sich jedoch der Gesetzesbegründung die zwingende Ablehnung eines Altersphasenmodells nicht entnehmen, denn darin heißt es: „Bei der Auslegung von § 1570 BGB … wird dies etwa dazu führen, dass das bisherige von der Rechtsprechung entwickelte ‚Altersphasenmodell‘, ab welchem Alter des Kindes dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit zumutbar ist, neu zu überdenken und zu korrigieren ist. Künftig wird verstärkt darauf abgestellt werden müssen, inwieweit aufgrund des konkreten Einzelfalls und der Betreuungssituation vor Ort von dem betreuenden Elternteil eine (Teil-)Erwerbstätigkeit neben der Kindesbetreuung erwartet werden kann.“6 Die in der Begründung angesprochene Korrektur des Altersphasenmodells bedeutet schon vom Wortlaut her nicht, dass die Anwendung eines Altersphasenmodells ausgeschlossen sein soll.7 99 Nach den bisherigen Erfahrungen mit dem reformierten Unterhaltsrecht spricht
viel für die Bildung pauschalierender Fallgruppen zur Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit kinderbetreuender Eltern, zumal die Statistiken belegen, dass sich die Mehrzahl kinderbetreuender Eltern – dies gilt auch für Alleinerziehende – für eine Teilzeitbeschäftigung entscheidet (in 2010 70 % der Mütter),8 solange die Kinder den Kindergarten und die Grundschule besuchen. Auch liegt auf der Hand, dass bei einer Vollzeitbeschäftigung neben der Betreuung von Kindern, die noch auf Nähe und Beaufsichtigung bzw. werteorientierte Erziehung angewiesen sind, 1 BGH, FamRZ 2012, 1040 Tz. 21 f.; 2011, 1375; kritisch zur BGH Rechtsprechung Löhnig/Preisner, FamRZ 2011, 1537. 2 BGH, FamRZ 2009, 770 Tz. 34 f. 3 BGH, FamRZ 2011, 1375 ff. Zur Kitik daran Löhnig/Preisner, FamRZ 2011, 1537 ff. 4 BGH, FamRZ 2012, 1040 unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung, s. u.a. in FamRZ 2011, 1375 Tz. 17; 2011, 791 m. Anm. Norpoth; 2011, 1209; 2009, 1124 (1127), Tz. 33; 2009, 770 (773), Tz. 28; 2010, 1050, Tz. 25. Zur früheren Rechtsprechung des BGH zur Darlegungs- und Beweislast beim Altersphasenmodell BGH, FamRZ 1983, 456 m.w.N. 5 BGH, FamRZ 2011, 1375 Tz. 17; 2009, 770 (773) m. Anm. Borth, S. 961; BGH, FamRZ 2009, 1124 (1127), Tz. 37 m. krit. Anm. Borth, S. 1129. 6 BT-Drucks. 16/1830, S. 16. 7 Ebenso Schlünder, FF 2013, 92 ff. 8 Familienreport 2012, S. 71 ff.; im Internet: http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/ Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/Familienreport-2012; s. auch Krone/Stöbe-Blossey, FPR 2010, 137 ff.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
der betreuende Elternteil gegenüber dem nichtbetreuenden Elternteil unzumutbar belastet wird. Denn er soll nach Beendigung seiner Vollzeitbeschäftigung, dem Abholen und Bringen des Kindes in eine Einrichtung oder zu sportlichen/musischen Aktivitäten noch den Haushalt und Einkäufe erledigen, gleichzeitig aber auch dem Bedürfnis des Kindes nach elterlichem Kontakt nach der Fremdbetreuung gerecht werden.1 f) Befristung, Herabsetzung und Beendigung des Betreuungsunterhaltsanspruchs Der Betreuungsunterhaltsanspruch nach § 1570 BGB ist im Regelfall nicht zu 100 befristen.2 Eine Pflicht zur zeitlichen Begrenzung des Anspruchs ergibt sich nicht aus dem Gesetz selbst. Zwar legt die Aufspaltung des Anspruchs in einen Basisunterhalt von 3 Jahren und verlängerten Unterhalt aus kind- und ehebezogenen Billigkeitsgründen nahe, jeweils in Anknüpfung an den Verlängerungsgrund eine Befristung auszusprechen, soweit absehbar ist, dass der Verlängerungsgrund wegfallen wird. Diese Rechtsfolge ergibt sich jedoch nicht explizit aus dem Gesetz und sie ist auch weder durch das Interesse des Unterhaltspflichtigen an einer Klarheit seiner unterhaltsrechtlichen Verantwortlichkeit, noch aus sonstigen Gründen geboten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich bei dem Betreuungsunterhalt während der ersten drei Jahre und einem sich daran anschließenden weiteren Unterhalt um einen einheitlichen Anspruch handelt, der nur zu begrenzen ist, wenn schon im Zeitpunkt der Entscheidung eindeutig erkennbar ist, dass weder kind- noch eltern- und ehebezogene Gründe für eine Verlängerung vorliegen.3 Es entspräche im Übrigen auch nicht dem Grundsatz der nachehelichen Solidarität, auf den die Verlängerung nach § 1570 Abs. 2 BGB maßgeblich abstellt, den Unterhaltsanspruch zu befristen4 und damit dem betreuenden Elternteil einseitig das Risiko einer prozessualen Durchsetzung aufzubürden für den Fall, dass er – anders als prognostiziert – z.B. nicht erwerbstätig sein könnte, weil das Kind keinen Platz in einer Ganztagsschule bekommt oder Entwicklungsverzögerungen einen besonderen Betreuungsbedarf begründen. Denn zur nachehelichen Solidarität einer gemeinsam begründeten Verantwortung für das Kind gehört auch, dass die wirtschaftlichen Grundlagen der Betreuungssituation so zu sichern sind, dass der betreuende Elternteil seine eigene Elternverantwortung zuverlässig wahrnehmen und dem Kind für seine Entwicklung eine stabile Betreuungs- und Lebenssituation bieten kann.5 Ebenso wenig kommt eine zeitliche Begrenzung des Anspruchs aus § 1578b 101 BGB in Betracht. Da § 1570 BGB eine Sonderregelung für die Billigkeitsabwägung enthält und schon im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 1570 BGB über die Verlängerung des Unterhalts alle kind-, eltern- und ehebezogenen
1 Lenze kritisiert zutreffend, dass damit die überobligatorische Leistung – volle Erwerbsarbeit und Kindererziehung – nach neuem Recht zur Pflicht wird, FamRZ 2009, 1724 (1729). 2 BGH, FamRZ 2009, 770 (774); Borth, FamRZ 2008, 2 (10); Borth, UÄndG, Rz. 81 ff.; Menne/Grundmann, Das neue Unterhaltsrecht, S. 54; Menne, FamRB, 2008, 210; Peschel-Gutzeit, Unterhaltsrecht aktuell, Rz. 57 (zu § 1570 Abs. 2 BGB); z.B. Schramm, NJW-Spezial 2007, 596 (597); Hauß, FamRB 2007, 367 (370). 3 BGH, FamRZ 2008, 770 (774), Tz. 41. 4 Ebenso Borth, FamRZ 2008, 2 (10); a.A. Hauß, FamRB 2007, 367 ff. 5 BVerfG, FamRZ 2007, 965 (970) m.w.N.; BVerfGE 66, 84 (94).
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401
F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
Gründe geprüft werden, ist für eine erneute Billigkeitsprüfung nach § 1578b BGB kein Raum, denn sie kann nicht zu einem anderen Ergebnis als nach § 1570 BGB führen.1 102
Dagegen ist die Herabsetzung vom eheangemessenen Bedarf auf den angemessenen Bedarf des Unterhaltsberechtigten grundsätzlich aus Billigkeitsgründen nach § 1578b Abs. 1 BGB möglich. Dies setzt einerseits voraus, dass die notwendige Erziehung gemeinsamer Kinder trotz des abgesenkten Bedarfs weiter sichergestellt und das Kindeswohl dadurch nicht beeinträchtigt ist, andererseits eine fortdauernde Teilhabe des betreuenden Elternteils an dem eheangemessenen Bedarf unbillig ist.2
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Der Anspruch auf Betreuungsunterhalt erlischt mit der Beendigung der Pflege und Erziehung des Kindes. Dies ist spätestens mit dem Ende der Minderjährigkeit der Fall. In der Regel geht die Rechtsprechung davon aus, dass ein Kind ab dem 15. bzw. 16. Lebensjahr so selbständig ist, dass der betreuende Elternteil einer vollen Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Entfällt dann der Betreuungsunterhaltsanspruch, kann bei fortdauernder Bedürftigkeit Anschlussunterhalt in Betracht kommen, s. Rz. 9 f.
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Û
Praxishinweis: Wird Unterhalt vor dem 3. Lebensjahr des Kindes geltend gemacht und ist absehbar, dass über das 3. Lebensjahr hinaus fortdauernder Unterhaltsbedarf besteht, sollten sämtliche kind- und ehebezogenen Gründe für eine Verlängerung (Rz. 95) rechtzeitig mitgeteilt, ggf. im Prozess substantiiert unter Beweisantritt vorgetragen werden. Denn ob die Gerichte den Unterhaltsanspruch von vornherein unbefristet zusprechen werden, ist ungewiss. Wird der Unterhalt unbefristet tituliert, und klagt der Unterhaltsverpflichtete gegen das Weiterbestehen der Zahlungsverpflichtung, ist der Unterhaltsberechtigte darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass nach wie vor die Voraussetzungen eines verlängerten Anspruchs wegen Kindesbetreuung oder die Voraussetzungen eines Anschlussunterhalts bestehen. Sollte ihm dies nicht möglich sein, ist es zur Vermeidung eines Rechtsstreits ratsam, gegenüber dem Verpflichteten auf seine Rechte aus dem Titel zu verzichten und diesen herauszugeben.
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Es muss kein Unterhalt mehr gezahlt werden, wenn der unterhaltsbedürftige geschiedene Ehegatte, der ein gemeinsames Kind betreut, eine neue Ehe eingeht. Wird die neue Ehe geschieden, lebt der Anspruch wieder auf, sofern das Kind aus der früheren Ehe noch betreuungsbedürftig ist (§ 1586a Abs. 1 BGB). Endet die Pflege und Erziehung des Kindes, kommt ein Anschlussunterhalt gemäß §§ 1571 bis 1573 und 1575 BGB seit 1.1.2008 nicht mehr in Betracht. § 1586a Abs. 1 Satz 2 a.F. BGB ist ersatzlos gestrichen worden.
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Ist aus der neuen Ehe ebenfalls ein Kind hervorgegangen, das der Unterhaltsberechtigte betreut, haftet der Ehegatte aus der später aufgelösten Ehe vor dem Ehegatten aus der früheren Ehe (§ 1586a Abs. 2 BGB).
1 BGH, FamRZ 2009, 770 (774), seitdem in ständiger Rspr. 2 BGH, FamRZ 2009, 1391 (1397), Tz. 50; 2009, 770 (774), Tz. 44; OLG Düsseldorf, FamRZ 2010, 301.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
g) Unterhalt wegen Kindesbetreuung nach altem Recht (§ 1570 a.F. BGB) Wegen Unterhalts für die Zeit bis zum 31.12.2007 bestand nach § 1570 a.F. BGB 107 ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt, solange und soweit vom Anspruchsteller wegen der Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden konnte. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Erwerbstätigkeit bediente sich die Praxis als Orientierungshilfe mit Billigung des BGH eines von den OLG entwickelten sog. Altersphasenmodells, das auf Erfahrungswerten beruhte, ab welchem Alter das Betreuungsbedürfnis des Kindes mit einer Erwerbstätigkeit zu vereinbaren war. Der Vorteil des Altersphasenmodells bestand darin, dass sich das Regel-Ausnahme-Verhältnis bei der Beweisführungslast für die Phasen, in denen das Modell das Maß der Betreuungsbedürftigkeit des Kindes festlegt, umkehrte. So musste der Unterhaltsberechtigte, der ein sechsjähriges Kind betreute, nicht darlegen, aus welchen Gründen er nicht erwerbstätig war, da ein Anscheinbeweis dafür sprach, dass er bei einem sechsjährigen Kind wegen dessen Betreuungsbedürftigkeit nicht erwerbstätig sein konnte. Berief sich der Verpflichtete auf eine Erwerbsobliegenheit des anderen Elternteils, war es an ihm, substanziiert darzulegen und zu beweisen, aus welchen Gründen ausnahmsweise eine Erwerbsobliegenheit trotz der Betreuung eines sechsjährigen Kindes bestand.1 Nachfolgend wird das von den OLG praktizierte Altersphasenmodell nach dem Stand 1.7.2007 vorgestellt: Grundsätze zur Erwerbsobliegenheit hinsichtlich des Alters und der Anzahl der Kinder nach dem Altersphasenmodell2 Umfang der Erwerbsobliegenheit bei einem Kind
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– Mindestens bis zum Abschluss des 2. Grundschuljahres, d.h. i.d.R. bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres des Kindes, besteht eine völlige Freistellung von der Erwerbsobliegenheit.3 – Ob eine Erwerbsobliegenheit bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres (bis zur Vollendung des 4. Schuljahres) besteht, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt; maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls.4 – Zwischen dem 11. und 15. Lebensjahr ist i.d.R. eine Teilzeitarbeit, die nicht den Umfang einer Halbtagsbeschäftigung haben muss, zumutbar.5 – Ab dem 16. Lebensjahr ist i.d.R. eine volle Erwerbstätigkeit zumutbar.6 Umfang der Erwerbsobliegenheit bei 2 schulpflichtigen Kindern Eine Teilzeitbeschäftigung kommt nicht vor Vollendung des 14. oder 15. Lebensjahres eines der beiden Kinder in Betracht.7
1 Zur früheren Rechtsprechung des BGH zur Darlegungs- und Beweislast beim Altersphasenmodell BGH, FamRZ 1983, 456 m.w.N. 2 Vgl. dazu die Leitlinien der OLG Nr. 17, Stand 1.7.2007. 3 So BGH, FamRZ 1983, 456 (458); 1987, 787 (788); 1992, 1403; 1995, 291 und überwiegend die Richtlinien der OLG. 4 BGH, FamRZ 1989, 487. 5 BGH, FamRZ 1982, 148; 1984, 769. 6 Vgl. BGH, FamRZ 1984, 149 f.; 1985, 50 (51) sowie einige Richtlinien der OLG. 7 BGH, FamRZ 1997, 875; 1996, 1067.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
Umfang der Erwerbsobliegenheit bei 3 und mehr Kindern Je nach dem Alter der betreuungsbedürftigen Kinder, insbesondere des jüngsten Kindes, kann eine Erwerbstätigkeit völlig ausgeschlossen sein. Umfang der Erwerbsobliegenheit bei volljährigen Kindern Bei volljährigen Kindern bestand kein Anspruch mehr auf Betreuungsunterhalt, es sei denn, das Kind war wegen einer körperlichen oder geistigen Behinderung besonders pflegebedürftig. 2. Unterhalt wegen Alters (§ 1571 BGB) 109
Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, soweit von ihm zum Zeitpunkt 1. der Scheidung, 2. der Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes oder 3. des Wegfalls der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1572 und 1573 wegen seines Alters eine Erwerbstätigkeit nicht mehr erwartet werden kann (§ 1571 BGB). a) Anspruchsvoraussetzungen
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Der Anspruch setzt eine altersbedingte Unterhaltsbedürftigkeit voraus, d.h. dass wegen des Alters eine Erwerbstätigkeit nicht mehr erwartet werden kann, und die Unterhaltsbedürftigkeit zu einem der genannten Einsatzzeitpunkte vorliegt.
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Im Gesetz ist keine feste Altersgrenze angegeben, von der an eine Erwerbstätigkeit nicht mehr erwartet werden kann. Die Rechtsprechung geht regelmäßig davon aus, dass ab der in der gesetzlichen Rentenversicherung und Beamtenversorgung maßgeblichen Regelaltersgrenze von 65 Jahren eine Erwerbsobliegenheit nicht mehr besteht.1 Die Erhöhung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre ist maßgeblich für die nach dem 31.12.1946 geborenen Versorgungsberechtigten und ist geregelt in einer schrittweisen Anhebung der Altersgrenze beginnend ab dem 1.1.2012 (§ 235 Abs. 2 SGB VI).
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Für selbständig Erwerbstätige, für die keine gesetzliche Rentenversicherungspflicht besteht, gelten die gleichen Grundsätze wie bei unselbständiger Erwerbstätigkeit, d.h. es gilt die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung. Auch wenn es bei Freiberuflern und Unternehmern meist üblich ist, über die Altersgrenze hinaus zu arbeiten, geht der BGH davon aus, dass jede über die Altersgrenze hinausgehende Erwerbstätigkeit unzumutbar ist, so dass es letztlich im Einzelfall nicht auf besondere Gründe, warum jemand weiter erwerbstätig ist, ankommt.2 Ebenso wenig spielt es für die Frage der Zumutbarkeit der Erwerbstätigkeit eine Rolle, ob die Erwerbstätigkeit im Rentenalter während des Zusammenlebens geplant war oder nicht. 1 BGH, FamRZ 2011, 454 Tz. 19 f.; 1993, 43. 2 BGH, FamRZ 2011, 454 Tz. 22; ebenso OLG Brandenburg, FamFR 2013, 80; OLG Hamm, NZFam 2014, 30.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
Die gleichen Grundsätze gelten für den Unterhaltspflichtigen, seine Erwerbs- 113 obliegenheit endet ab der gesetzlichen Regelaltersgrenze. Ist eine Erwerbstätigkeit nicht mehr zumutbar und wird sie gleichwohl aus- 114 geübt, richtet sich die Berücksichtigung der Einkünfte für die Bedarfsberechnung nach den allgemeinen Grundsätzen über Einkünfte aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit, s. Rz. 271 ff. Ruhestandsregelungen, bei denen die Versorgungsträger aus sozialpolitischen 115 Gründen die Altersgrenzen bei bestimmten Sachlagen vorgezogen haben (z.B. 60 Jahre für Frauen gemäß § 237a SGB VI oder gemäß § 237 SGB VI für Männer und Frauen wegen Arbeitslosigkeit), sind nicht verbindlich für die Anwendung von § 1571 BGB.1 Sie können jedoch eine Rolle für die Frage spielen, ob in der Berufssparte, in der der Unterhaltsberechtigte seine angemessene Tätigkeit ausgeübt hat, typischerweise von einem bestimmten Alter an eine angemessene Arbeit nicht mehr angeboten wird. Unterhaltsrechtlich ebenfalls nicht zwingend sind vorgezogene Altersgrenzen, 116 wie sie im öffentlichen Dienst für bestimmte Aufgabenbereiche geregelt sind, wie z.B. für Feuerwehrleute und Polizisten. Maßgeblich ist unterhaltsrechtlich, ob im Einzelfall vor Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nach Gesundheitszustand und Arbeitsmarktlage noch eine zumutbare Erwerbsmöglichkeit besteht. Ist die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung von 65 bzw. 117 67 Jahren noch nicht erreicht und macht der Unterhaltsbedürftige Unterhalt wegen Alters geltend, stellt sich deshalb immer die Frage nach der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit. Zumutbar ist nur die Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit, denn gemäß § 1574 Abs. 1 BGB braucht der geschiedene Ehegatte nur eine ihm angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben. Angemessen ist eine Erwerbstätigkeit, die der Ausbildung, den Fähigkeiten, ei- 118 ner früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten entspricht, soweit eine solche Tätigkeit nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig wäre. Bei den ehelichen Lebensverhältnissen sind insbesondere die Dauer der Ehe sowie die Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes zu berücksichtigen (§ 1574 Abs. 2 BGB, s. Rz. 29 ff.). Der Unterhaltsberechtigte muss gegenüber dem Verpflichteten im Einzelnen darlegen, aus welchen Gründen er eine in Betracht kommende Erwerbstätigkeit wegen seines Alters nicht mehr ausüben kann oder welche Gründe einer Arbeitsaufnahme an sich entgegenstehen. Soweit die Ausübung einer früheren Tätigkeit im Hinblick auf sein Alter zwar objektiv möglich, aber nach den ehelichen Lebensverhältnisse unbillig wäre, ist es Sache des Berechtigten, dies anhand der Entwicklung der ehelichen Lebensverhältnisse unter den verschiedensten Aspekten, wie Dauer der Ehe, Anzahl der Kinder, berufliche Entwicklung der Ehegatten, wirtschaftliche Verhältnisse, Lebensplanung etc. nachvollziehbar darzustellen.2
1 BGH, FamRZ 1999, 708 (710). 2 BGH, FamRZ 1983, 144 (145).
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
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Nur wenn der geschiedene und noch nicht 65- bzw. 67-jährige Ehegatte keine angemessene Arbeit mehr findet oder die Ausübung einer solchen im Hinblick auf die ehelichen Lebensverhältnisse unbillig wäre und es wegen seines Alters auch nicht mehr sinnvoll ist, ihn zunächst auf seine Verpflichtung zu verweisen, sich ausbilden, fortbilden oder umschulen zu lassen (§ 1574 Abs. 3 BGB), kann Unterhalt wegen Alters nach § 1571 BGB in Betracht kommen. Ein Anspruch nach § 1571 BGB besteht auch, wenn der Ehegatte altersbedingt nur noch eine Teilzeitarbeit ausüben kann.
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Keinen Anspruch nach § 1571 BGB hat, wer seine Arbeit reduziert und z.B. Altersteilzeit in Anspruch nimmt ohne anerkennenswerten Grund. Nicht hinzunehmen ist eine mutwillige oder leichtfertige Aufgabe der Erwerbstätigkeit.1 Anerkennenswerte Gründe können sein z.B. gesundheitliche Beeinträchtigungen, die wirtschaftlichen Verhältnisse2 und die frühere Lebensplanung der Ehegatten. Das Alter von z.B. 63 Jahren reicht für sich genommen für die Reduzierung einer angemessenen Arbeit nicht aus.3 Ist die Unterhaltsberechtigte jedoch zu 50 % schwerbeschädigt, kann eine Tätigkeit z.B. als Sportlehrerin nicht mehr erwartet werden.4 Notwendig ist jeweils eine Gesamtwürdigung der Umstände.
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Beispiele – Die 50-jährige F, eine gelernte Schneiderin, war während der 20-jährigen Ehe nicht berufstätig. Da M als Tierarzt über ein mtl. Nettoeinkommen von über 10 000 DM verfügte, hat das OLG München (nach § 1574 Abs. 2 BGB a.F.) F einen Anspruch gemäß § 1571 Nr. 1 BGB zugestanden, weil eine Tätigkeit als Schneiderin nicht den ehelichen Lebensverhältnissen entspräche und ansonsten keine Erwerbschancen bestünden.5 Nach dem seit 1.1.2008 geltenden Recht käme ein Anspruch nach § 1571 Nr. 1 BGB im Hinblick auf die strengeren Anforderungen nach § 1574 Abs. 2 BGB (vgl. Rz. 30) nicht mehr in Betracht, denn F könnte wieder als Schneiderin arbeiten, es sei denn, der Arbeitsmarkt böte ihr keine reelle Erwerbschance mehr, wofür sie darlegungs- und beweispflichtig wäre. Dass die Tätigkeit als Schneiderin im Hinblick auf die ehelichen Lebensverhältnisse unbillig wäre, wird man unter Berücksichtigung einer geänderten gesellschaftlichen Wertschätzung von Arbeit6 nicht annehmen können, maßgeblich sind insoweit jedoch die individuellen Verhältnisse des Einzelfalles. In Betracht kämen jedoch Ansprüche nach § 1573 Abs. 1 und 2 BGB. – Die 60-jährige F findet nach 5-jähriger Ehe, in der sie nicht gearbeitet hat, in ihrem erlernten Beruf als Erzieherin nur noch eine Teilzeitarbeit mit einem Nettoeinkommen von 600 Euro. Bei einer Vollbeschäftigung wären 1 200 Euro erzielbar. Nach den ehelichen Lebensverhältnissen hat sie einen Bedarf i.H.v. 1 500 Euro. Sie hat wegen ihres eigenen Einkommens Anspruch auf ergänzenden Unterhalt i.H.v. 900 Euro, der sich zusammensetzt aus einem Altersunterhalt (§ 1571 BGB) i.H.v. 600 Euro und Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) i.H.v. 300 Euro. Beide Ansprüche können nach § 1578b BGB herabgesetzt und zeitlich befristet werden, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bedarfsbemessung oder ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre, vgl. Rz. 401 ff. zu § 1578b BGB.
1 Zum Maßstab der unterhaltsbezogenen Mutwilligkeit und Leichtfertigkeit bei Altersteilzeit BGH, FamRZ 2012, 1483 Tz. 30. 2 OLG Koblenz, FamRZ 2000, 610 f. 3 Dies hat der BGH nach der bis 30.6.2007 geltenden Rechtslage für die „eheangemessene“ Erwerbstätigkeit bestimmt (BGH, FamRZ 2006, 683 ff.; FamRZ 1999, 708 [709]). Dieser Grundsatz kann in gleicher Weise für die angemessene Erwerbstätigkeit im Sinne von § 1574 Abs. 2 BGB n.F. angewendet werden. 4 BGH, FamRZ 2012, 951, Tz. 18. 5 OLG München, FamRZ 1983, 925. 6 Vgl. Ehinger/Rasch, FamRB 2007, 46 (47).
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB – Die 63-jährige F hat während der Ehe immer ca. 30 Stunden in der Woche gearbeitet und reduziert diese Tätigkeit auf 20 Stunden, obwohl sie mehr arbeiten könnte. Ein Anspruch auf Altersunterhalt besteht nicht.1
Der Unterhaltsanspruch ist nicht davon abhängig, dass der Berechtigte während 122 der Ehe alt geworden sein muss. Auch der Ehegatte, der schon zum Zeitpunkt der Eheschließung aus Altersgründen an einer Erwerbstätigkeit gehindert war, hat einen Anspruch (sog. Altersehe). Die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen liegen beim 123 Unterhaltsberechtigten. b) Einsatzzeitpunkte und Anschlussunterhalt Die Unterhaltsbedürftigkeit wegen Alters muss zu den in § 1571 Nr. 1–3 BGB 124 benannten Einsatzzeitpunkten vorliegen, nämlich entweder zum Zeitpunkt der Scheidung (Nr. 1), bei der Beendigung der Pflege und Erziehung gemeinschaftlicher Kinder (Nr. 2) oder wenn die Voraussetzungen für Unterhalt nach § 1572 BGB (wegen Krankheit/Gebrechens) oder § 1573 BGB (bis zur Erlangung einer angemessenen Arbeit) entfallen (Nr. 3). 125
Beispiel F betreute zzt. der Scheidung noch das jüngste von drei Kindern und erhielt Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 Abs. 2 BGB. Nach der Beendigung der Betreuung ist sie im Alter von 55 Jahre in ihrem erlernten Beruf als Schriftsetzerin nicht mehr vermittelbar. Sie war seit über 25 Jahren nicht erwerbstätig. Ihr geschiedener Mann M ist Betriebsleiter mit einem überdurchschnittlich hohen Einkommen. Sie hat zunächst einen Anspruch nach § 1573 Abs. 1 BGB, an den sich ein Unterhaltsanspruch gemäß § 1571 Nr. 2 BGB anschließt.
Der Anschlussunterhalt zu den Einsatzzeitpunkten 2. und 3. knüpft zeitlich un- 126 mittelbar an den vorangegangenen Unterhalt an. Dabei ist allerdings nicht erforderlich, dass auch tatsächlich Unterhalt aus dem vorangegangenen Rechtsgrund verlangt oder gezahlt wurde. Kann der Unterhaltsberechtigte altersbedingt nur noch eine Teilzeitarbeit aus- 127 üben, ist sein Anspruch nach § 1571 BGB – so wie bei einer durch Krankheit oder Kindesbetreuung bedingten Teilerwerbstätigkeit – in der Höhe begrenzt durch das fiktive Einkommen, das er bei einer Vollerwerbstätigkeit erzielen könnte. Erreicht sein Eigenverdienst aus Teilzeitbeschäftigung zusammen mit dem Teilanspruch nach § 1571 BGB nicht den vollen Unterhaltsbedarf nach den prägenden ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 BGB), kann er ergänzend Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB verlangen.2 Ein ergänzender Anspruch auf Aufstockungsunterhalt besteht nicht, wenn der 128 Unterhaltsberechtigte altersbedingt nicht mehr erwerbstätig ist. Dann richtet sich sein Unterhaltsanspruch nur nach § 1571 BGB, der den vollen Unterhaltsbedarf abdeckt, und nicht auch nach § 1573 Abs. 2 BGB. Ein Aufstockungsunter-
1 BGH, FamRZ 2006, 683 ff.; BGH, FamRZ 1999, 708 (709). 2 BGH, FamRZ 2010, 869 Tz. 15 m. Anm. Maier S. 875; BGH, FamRZ 1999, 708 unter Bezugnahme auf die zu § 1570 BGB entwickelten Grundsätze in FamRZ 1990, 492 (494); 1993, 189, 791.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
halt würde voraussetzen, dass der Unterhaltsberechtigte – zumindest zeitweise – eine Erwerbstätigkeit ausübt.1 c) Herabsetzung und Befristung 129
Ein Anspruch auf Altersunterhalt ist auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen und/oder zeitlich zu befristen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs unbillig wäre (§ 1578b BGB, s. Rz. 401 ff.). Bei der Billigkeitsabwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.2 Das Alter stellt für sich genommen als Grund für die Bedürfnislage keinen ehebedingten Nachteil dar. Es können aber ehebedingte Nachteile noch fortwirken, wenn der Unterhaltsberechtigte aufgrund der in der Ehe gewählten Rollenverteilung nicht ausreichend für den Fall des Alters Vorsorge treffen konnte und die Einkünfte aus seiner Versorgung einschließlich der Versorgungsausgleichsbeträge geringer sind, als sie ohne Ehe gewesen wären (Rz. 417).3 So kann ein Karriereverzicht aus familiärer Rücksichtnahme Konsequenzen für die Altersversorgung haben und als ehebedingter Nachteil gegen eine Beschränkung des Anspruchs sprechen.4 Obwohl aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleichs die Interessen des Berechtigten, der in der Ehe geringere Anwartschaften erworben hat, durch gleichmäßige Verteilung der von beiden Ehegatten in der Ehe erworbenen Anwartschaften in der Regel gewahrt sind, können sich wegen der in der Ehe gewählten Rollenverteilung gleichwohl Nachteile ergeben und noch bis zum Alter fortwirken.5 Dies wird dann der Fall sein, wenn nach der Zustellung des Scheidungsantrags ehebedingt keine ausreichenden Chancen mehr bestanden haben, Versorgungsanwartschaften in dem Umfang zu erwerben, wie dies ohne die Ehe möglich gewesen wäre.6 Umstände aus der Zeit vor der Ehe, die zu einer geringen Versorgung geführt haben, bleiben unberücksichtigt.7
130
Gegen eine Beschränkung des Anspruchs nach § 1571 BGB kann auch eine fortwirkende nachehelicher Solidarität sprechen, unabhängig von einer Rollenverteilung in der Ehe und sich daraus ergebender Nachteile. Ein besonders wichtiges Kriterium für die Bestimmung des Maßes der nachehelichen Solidarität ist die Dauer der Ehe. Eine lange Dauer der Ehe kann gegen eine Beschränkung des Anspruchs sprechen, zwingend ist dies jedoch nicht. Erst im Zusammenspiel mit anderen Umständen können sich zwingende Gründe ergeben, die einer Beschränkung entgegenstehen. So wird es meist bei langen Ehen zu einer so starken Verflechtung der wirtschaftlichen Verhältnisse gekommen sein, dass das in deren Bestand gesetzte Vertrauen zu schützen ist.8 Bezieht der Unterhalts1 BGH, FamRZ 2012, 951 Tz. 19. 2 OLG Zweibrücken, FuR 2009, 60 = BeckRS 2009, 03306. 3 BGH, FamRZ 2012, 197 Tz. 25; 2012, 951 Tz. 28, 31; 2009, 406, Tz. 34; 2009, 1207, Tz. 36. 4 BGH, FamRZ 2012, 951 Tz. 39. 5 BGH, FamRZ 2010, 1633 Tz. 23, 25. 6 BGH, FamRZ 2012, 951 Tz. 28, 31 m. Anm. Finke S. 956. 7 OLG Schleswig, NJW 2012, 3655. 8 Ebenso Peschel-Gutzeit, Aktuelles Unterhaltsrecht, Rz. 115.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
berechtigte bereits Altersrente, ist im Übrigen nicht mehr zu erwarten, dass er in der Lage sein wird, sein Einkommen aus eigener Kraft zu erhöhen.1 Einer langen Ehedauer kommt i.d.R. eine Indizwirkung für die zunehmende Verflechtung der beiderseitigen Verhältnisse zu.2 In die Billigkeitsbeurteilung fließt ebenfalls mit ein, dass es nach der Scheidung zu einer Entflechtung der Verhältnisse kommt und mit zunehmendem Abstand zur Scheidung die Anforderungen an die nacheheliche Solidarität sinken.3 Dabei ist mit zu berücksichtigen, in welchem Maße der Unterhaltsberechtigte in der Lage ist, aus eigener Kraft seinen Lebensstandard zu halten. War die Ehe nicht von langer Dauer und ist es noch nicht zu einem schützens- 131 werten Vertrauen in den Bestand der wirtschaftlichen Verhältnisse gekommen, dann wird es dem Unterhaltsberechtigten regelmäßig zumutbar sein, sich wieder auf einen niedrigeren Lebensstandard einzustellen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der eheliche Lebensstandard nicht das Ergebnis einer gemeinsamen Lebensleistung ist. 132
Beispiel Eine 63-jährige Rentnerin heiratet einen 70-jährigen Rentner. 8 Jahre später, nach der Scheidung, steht ihr ein Anspruch auf Altersunterhalt zu, wenn die Rente des Mannes höher ist. Hier wird eine Beschränkung des Anspruchs wegen Unbilligkeit in Betracht kommen (§ 1578b BGB), da ehebedingte Nachteile nicht vorliegen, weil beide Ehegatten ihre Rentenanwartschaften bereits vor der Ehe erwirtschaftet haben. Möglich ist – je nach Umständen des Einzelfalls – die Herabsetzung auf den eigenen angemessenen Lebensbedarf der Frau nach einer Übergangszeit, der dann, wenn ihre Rente unter dem Existenzminimum liegt, mindestens 800 Euro beträgt.4 Möglich ist aber auch eine zeitliche Begrenzung des Anspruchs nach § 1578b Abs. 2 BGB, denn der eheliche Lebensstandard ist nicht das Ergebnis einer gemeinsamen Lebensleistung.
Unabhängig von der Dauer der Ehe können ehebedingte Nachteile, die gegen ei- 133 ne Beschränkung sprechen, nicht auf eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit und einen dadurch bedingten geringeren Erwerb von Rentenanwartschaften während der Ehe gestützt werden, wenn dieser Nachteil bereits durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen wurde.5 Wurden die während der Ehe entstandenen Versorgungsnachteile aber nur unzureichend durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen, z.B. wegen früher Verrentung des unterhaltspflichtigen Ehegatten, bemisst sich der Bedarf nach dem hypothetischen Renteneinkommen des Unterhaltsberechtigten ohne den ehebedingten und vom Versorgungsausgleich nicht erfassten Versorgungsnachteil.6 Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächliche Voraussetzungen der Be- 134 schränkungen nach § 1578b BGB liegen beim Verpflichteten (Zu den Einzelheiten und Modifikationen Rz. 432 ff.). 1 OLG Naumburg, FamRZ 2008, 2120 L = BeckRS 2008, 08358. 2 BGH, FamRZ 2013, 853 Tz. 35 unter Bezugnahme auf die bisherige Rspr. zu § 1578b Abs. 1 a.F. BGB in FamRZ 2010, 629 Tz. 23, 25 und 2010, 1971. 3 BGH, FamRZ 2012, 951 Tz. 44; 2011, 1721 Tz. 23; 2011, 1381 Tz. 36. 4 So BGH, Urt. v. 17.2.2010 – XII ZR 140/08, FamRZ 2010, 629 ff. Tz. 36, der als untere Grenze des angemessenen Bedarfs des Unterhaltsberechtigten das Existenzminimum ansetzt und eine Gleichsetzung mit dem angemessenen Eigenbedarf des Unterhaltspflichtigen ablehnt (anders OLG Frankfurt, FamRZ 2009, 526). 5 BGH, FPR 2008, 379 m. Anm. Schwolow = NJW 2008, 2581 m. Anm. Born = FamRZ 2008, 1325 (1328 f.) m. Anm. Borth. 6 BGH, FamRZ 2010, 1633 Tz. 33; Mauerer, FÜR 2013, 146 (151).
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
3. Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen (§ 1572 BGB) 135
Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm vom Zeitpunkt 1. der Scheidung, 2. der Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, 3. der Beendigung der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung oder 4. des Wegfalls der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach § 1573 BGB an wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann (§ 1572 BGB). a) Anspruchsvoraussetzungen
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Unterhalt kann verlangen, wer durch körperliche oder seelische Erkrankung erwerbsunfähig ist. Da der Begriff der Krankheit im Gesetz nicht näher definiert ist, ist die im Sozialversicherungsrecht von der Rechtsprechung entwickelte Begriffsbestimmung anwendbar, nach der Krankheit ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand ist, der ärztlicher Behandlung bedarf und/oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.1 Bezieht der Berechtigte eine Erwerbsminderungsrente (§ 43 SGB VI), ist dies mindestens ein Indiz dafür, dass auch eine unterhaltsrechtlich anzuerkennende, (teilweise) Erwerbsminderung vorliegt; denn die Beurteilungskriterien sind gleich. Nach dem Sozialversicherungsrecht liegt eine volle Erwerbsminderung vor, wenn der Versicherte außerstande ist, täglich mindestens drei Stunden zu arbeiten und eine teilweise Erwerbsminderung, wenn er nicht mindestens sechs Stunden täglich arbeiten kann. Da bei beiden Varianten die Möglichkeit besteht, im Umfang einer geringfügigen Beschäftigung hinzuzuverdienen (§ 313 SGB VI),2 kann je nach Zumutbarkeit und Krankheitsbild unterhaltsrechtlich noch eine eingeschränkte Erwerbspflicht in Betracht kommen.3
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Für den Anspruch wegen Krankheit ist nicht Voraussetzung, dass die Krankheit ehebedingt ist, d.h., es muss kein Zusammenhang zwischen Ehe und Krankheit in dem Sinne bestehen, dass die Krankheit erst in der Ehe entstanden sein darf. Auch wenn die Krankheit schon vor der Eheschließung bestand, egal ob erkannt oder nicht, steht dies der Anwendung von § 1572 BGB nicht entgegen.4 Einen Anspruch begründen können nach dem Wortlaut des Gesetzes auch vorübergehende Erkrankungen eines erwerbstätigen geschiedenen Ehegatten.5 War der Ehegatte aber bis zur Erkrankung erwerbstätig, wird es i.d.R. wegen der Lohnfortzahlung und dem anschließenden Bezug von Krankengeld an der Bedürftigkeit fehlen.6
1 BSG, NJW 1972, 1157 (1158) m.w.N. 2 Bei Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente können 450 Euro hinzuverdient werden (Stand 2014); Wiechmann, FPR 1999, 72 (75). 3 OLG Düsseldorf, FamRZ 2001, 1477 zur Erwerbspflicht bei Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente beim Minderjährigenunterhalt. 4 BGH, FamRZ 1994, 566 m.w.N. 5 Griesche, FPR 1999, 64 (65). 6 Zu sozialrechtlichen Ansprüchen bei Krankheit vgl. Körber, FPR 1999, 76 ff.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
Psychische Erkrankungen berechtigen ebenso wie körperliche Krankheiten zum 138 Unterhalt. Sie spielen als Reaktion auf die gescheiterte Ehe in der Praxis häufig eine Rolle. Schwierigkeiten bereiten die Fälle, in denen der Berechtigte auch nach Jahren den Verlust des Partners noch nicht verkraftet hat und von der Angst beherrscht wird, in der Arbeitswelt zu versagen. In diesen Fällen besteht die Gefahr, dass sich die Sicherung des Unterhalts durch regelmäßige Zahlungen als Hemmschuh für die Gesundung erweist, indem ein Antrieb für die Selbstbehauptung genommen wird. Laufende Zahlungen sollen aber nicht zur Verfestigung eines Zustands beitragen, der letztlich der körperlichen und seelischen Gesundung hinderlich ist. Ob in diesen Fällen eine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann, lässt sich – wenn überhaupt – nur durch ein Sachverständigengutachten klären. Der Unterhaltsberechtigte trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass seine seelische Störung so übermächtig ist, dass sie auch im Fall der Aberkennung des Unterhaltsanspruchs nicht überwunden werden kann und er arbeitsunfähig bleiben wird.1 Ergebnis einer angeordneten Begutachtung kann durchaus sein, dass die Berufsunfähigkeit aus neurotischen Gründen bejaht, aber die Erwerbsunfähigkeit verneint wird und Umschulungsmaßnahmen in Betracht kommen.2 In jedem Fall obliegen dem Anspruchsteller Mitwirkungshandlungen für eine er- 139 folgversprechende Handlung, um seine Erwerbsfähigkeit wieder herzustellen. Bleibt er bei der Behandlung passiv und kümmert sich nicht um eine Therapie oder nimmt nicht regelmäßig an einer Therapie oder anderen Heilmaßnahmen teil, kommt die Zurechnung eines fiktiven Einkommens aus Vollbeschäftigung oder eine Verwirkung des Anspruchs nach § 1579 Nr. 4 BGB (Rz. 478) in Betracht.3 Alkoholabhängigkeit wird als Krankheit beurteilt,4 ohne dass es für die Feststel- 140 lung des Tatbestands auf ein Verschulden an der Erkrankung ankommt. Das Verschulden spielt jedoch insoweit eine Rolle, als eine unterhaltsrechtliche Pflicht besteht, alles Erforderliche zu tun, um wieder gesund zu werden und seine Erwerbsfähigkeit wieder herzustellen, z.B. sich einer Entziehungskur zu unterziehen.5 Verfügt der Erkrankte über die erforderliche Einsichtsfähigkeit und verstößt er gegen diese Pflicht, kann der Ausschluss, die Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des Anspruchs nach der Härteklausel wegen mutwilliger Herbeiführung seiner Bedürftigkeit in Betracht kommen6 (§ 1579 Nr. 4 BGB). Insoweit wird auf die Ausführungen unter Rz. 478 verwiesen. Auch wenn ein Unterhaltsanspruch wegen Krankheit verwirkt ist, weil die Alkoholerkrankung vorwerfbar unzureichend von dem Berechtigten bekämpft wird, kann noch ein Anspruch wegen zeitweiser Kindesbetreuung in Betracht kommen, wenn die Betreuung noch mit Hilfe von Verwandten möglich ist.7 Die eingeschränkte Erwerbsfähigkeit berechtigt ebenfalls zum Unterhalts- 141 anspruch. Dabei erfasst der Anspruch nach § 1572 BGB dann nur die Differenz 1 2 3 4 5 6
BGH, FamRZ 1984, 660 (661). Köpp/Studt, Die sog. Rentenneurose, FPR 1999, 81 (84). OLG Hamm, FamRZ 2012, 1732; OLG Hamm, NJW-RR 2003, 510. BAG, NJW 1987, 2956. BGH, FamRZ 1987, 359 (361); 1981, 1042; OLG Düsseldorf, FamRZ 1987, 1262. BGH, FamRZ 1981, 1042 (1044 ff.); 1987, 359 (361); 1989, 1054; Finke, FPR 1998, 9 ff.; Rechtsprechungsübersicht, FPR 1998, 36 ff. 7 OLG Düsseldorf, FamRZ 1987, 1262.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
zu dem Einkommen, das aus der Vollbeschäftigung zu erzielen wäre. Daneben kann ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt in Betracht kommen, wenn das Einkommen aus der Teilzeitbeschäftigung und dem Teilunterhalt nicht den vollen eheangemessenen Bedarf nach § 1578 Abs. 1 BGB abdeckt.1 Ist die Erwerbsfähigkeit eingeschränkt, muss ferner immer geprüft werden, ob wegen der vorliegenden Erkrankung nur noch die Ausübung einer Teilzeitarbeit oder aber eine Vollbeschäftigung in einem anderen Beruf, eventuell nach einer Umschulung oder Fortbildung, zumutbar ist. Ist eine Umschulung oder Fortbildung sinnvoll, besteht eine unterhaltsrechtliche Verpflichtung, diese ohne schuldhaftes Zögern durchzuführen. Für die Zeit der Ausbildung besteht dann ein Anspruch auf Unterhalt nach § 1573 Abs. 1 i.V.m. 1574 Abs. 3 BGB (vgl. Rz. 172 ff.) oder nach § 1575 BGB, wenn der geschiedene Ehegatte ehebedingte berufliche Ausbildungsnachteile erlitten hat (vgl. Rz. 204 ff.). 142
Beispiel Die 48-jährige F ist Verkäuferin und leidet an Krampfadern. Ihre Erkrankung hindert sie zwar an der Ausübung ihres erlernten Berufs als Verkäuferin, nicht aber an der Ausübung einer anderen Berufstätigkeit, in der sie nicht mehr stehend arbeiten muss, z.B. als Kassiererin. Für die Zeit bis zur Erlangung einer angemessenen Tätigkeit, die z.B. durch Teilnahme an einer Umschulung erreicht werden kann, können Unterhaltsansprüche nach §§ 1573 Abs. 1, 1574 Abs. 3 BGB in Betracht kommen.
b) Einsatzzeitpunkt und Anschlussunterhalt 143
Der Anspruch auf Unterhalt ist nur begründet, wenn die Erwerbsunfähigkeit wegen Krankheit zu bestimmten Einsatzzeitpunkten, und zwar entweder – im Zeitpunkt der Scheidung, – bei Beendigung der Pflege und Erziehung eines Kindes, – bei Beendigung der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung oder – beim Wegfall der Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 1573 BGB besteht.
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Diese Einschränkung der Unterhaltspflicht dient dem Schutz des Unterhaltsverpflichteten, der möglichst bald nach der Scheidung überblicken können soll, auf welche Unterhaltszahlungen er sich wirtschaftlich einzustellen hat. Die Krankheit muss deshalb wenigstens zu den Einsatzzeitpunkten bereits bestehen, ohne dass sie schon zur vollen Erwerbsunfähigkeit geführt haben muss. Liegt zum Einsatzzeitpunkt eine volle Erwerbsunfähigkeit vor, besteht ein Anspruch auf den vollen eheangemessenen Bedarf nach § 1578 Abs. 1 BGB. Liegt zunächst eine eingeschränkte Erwerbsfähigkeit vor mit der Folge, dass nur Teilunterhalt zu zahlen ist, muss auch dann der volle Unterhalt gezahlt werden, wenn die völlige Erwerbsunfähigkeit erst einige Zeit später, aber noch in nahem zeitlichen Zusammenhang mit dem Einsatzzeitpunkt eintritt; denn bei schon bestehender Erkrankung muss i.d.R. mit Verschlechterung gerechnet werden. Anderes gilt, wenn das Risiko der Inanspruchnahme für den vollen Unterhaltsbedarf für den Pflichtigen nicht voraussehbar war: War der Berechtigte zum Einsatzzeitpunkt krankheitsbedingt nur teilweise erwerbstätig, ohne dass mit einer Verschlechterung gerechnet werden konnte, besteht der Anspruch nach § 1572 Nr. 1 BGB 1 BGH, FamRZ 2010, 869; 2009, 406 ff.; 1993, 789.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
nur als Teilunterhalt bis zur Höhe eines Einkommens aus einer vollen Erwerbstätigkeit, soweit der Bedarf nicht durch eigene Einkünfte gedeckt ist. Daneben kann noch ein Anspruch auf Aufstockung nach § 1573 Abs. 2 BGB bis zur Höhe des eheangemessenen Bedarfs nach § 1578 Abs. 1 BGB in Betracht kommen. Wird der Unterhaltsberechtigte später z.B. aufgrund einer anderen Krankheit voll erwerbsunfähig, bleibt der Anspruch wegen Krankheit in der Höhe begrenzt als Teilunterhalt, der sich zuvor nach §§ 1572 Nr. 1, 1573 Abs. 2 BGB ergeben hat und umfasst nicht den vollen Bedarf. 145
Beispiele – F litt schon zum Zeitpunkt der Scheidung im Sommer 2012 an Abnutzungserscheinungen der Hüftgelenke, der Wirbelsäule, des Kniegelenks und hatte allergische Bronchitis, Kreislauf- und Herzrhythmusstörungen, so dass sie nur zur Ausübung einer Halbtagstätigkeit verpflichtet war und gemäß § 1572 Nr. 1 BGB einen Anspruch auf ergänzenden Teilunterhalt hatte. Die ab dem Sommer 2014 festgestellte völlige Erwerbsunfähigkeit wegen der Verschlimmerung der bestehenden Leiden ist noch dem Einsatzzeitpunkt Scheidung zuzurechnen mit der Folge, dass nicht nur ein Anspruch auf ergänzenden Teilunterhalt, sondern auf den vollen eheangemessenen Unterhalt bestand.1 – F stand zum Zeitpunkt der Scheidung im November 2012 ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt i.H.v. 200 Euro zu, da ihre Einkünfte aus einer Vollbeschäftigung nicht den eheangemessenen vollen Bedarf abdeckten. Ihr Unterhalt war durch die Erwerbstätigkeit nachhaltig gesichert (§ 1573 Abs. 4 BGB). 2013 wird sie erwerbsunfähig. Da F vom Zeitpunkt der Scheidung bis zur Erkrankung voll erwerbstätig war, kommt nur ein Anspruch auf Teilunterhalt i.H.v. 200 Euro ggf. zuzüglich entsprechender Einkommenssteigerungen in Betracht.2
Das Nebeneinander verschiedener Anspruchsgrundlagen macht regelmäßig de- 146 ren genaue Differenzierung erforderlich, was insbesondere im Hinblick auf spätere Abänderungsverfahren von Bedeutung ist (vgl. Rz. 8 ff.). c) Darlegungs- und Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast für die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1572 147 BGB trägt der erkrankte Ehegatte, denn er ist verpflichtet, eigenverantwortlich für seinen Unterhalt zu sorgen, es sei denn, er ist wegen seiner Erkrankung daran gehindert.3 Zur schlüssigen Darlegung der Erkrankung genügt i.d.R. nicht die bloße Angabe der Diagnose. Vielmehr müssen konkrete Ausführungen zum Krankheitsverlauf, zu den bisher angewendeten Therapien und deren Ergebnissen, den zumutbaren zukünftigen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gesundheit und dem zu erwartenden Zeitrahmen für die Behandlung gemacht werden. Des Weiteren muss die Kausalität zwischen Erkrankung und Erwerbsunfähigkeit schlüssig dargelegt werden; denn nicht jede Krankheit geht mit einer Einschränkung oder einem Ausschluss der Erwerbsfähigkeit in allen zumutbaren Arbeitsbereichen einher. Ein Bandscheibenleiden wird den Berechtigten zwar an der Ausübung seiner Tätigkeit als Maurer hindern, nicht zwangsläufig aber an der Arbeit als Pförtner. Deshalb ist der häufig zum Beweis der Minderung oder des Ausschlusses eingereichte Bescheid über die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) kein geeignetes Beweismittel für die Erwerbsunfähigkeit; denn er trifft nur eine Aussage über die Auswirkung einer Behinderung in allen 1 Vgl. BGH, FamRZ 1987, 684 (685). 2 Vgl. BGH, FamRZ 2001, 1291 (1294). 3 BGH, FamRZ 2005, 1450 ff.; 1993, 789 (791).
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
Lebensbereichen und erlaubt i.d.R. keinen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit im allgemeinen Erwerbsleben. 148
Û
Praxishinweis: In Unterhaltsprozessen wird der Sachverhalt von Anwälten oft unzureichend vorgetragen. So kommt es immer wieder vor, dass zur Begründung der Erkrankung und Erwerbsunfähigkeit nur auf ärztliche Atteste oder Krankschreibungen verwiesen wird. Dies reicht nicht aus, es sei denn, es handelt sich um eine evident die Erwerbsfähigkeit einschränkende oder ausschließende Erkrankung, z.B. eine akute Krebserkrankung. Da die Erkrankung meist bestritten wird, muss das Gericht entscheiden, ob Anlass für eine Beweisaufnahme besteht. Das ist nur der Fall, wenn hinreichend substantiiert dargelegt worden ist, aufgrund welcher Fakten davon auszugehen ist, dass die behauptete Erkrankung den Berechtigten an der Ausübung einer zumutbaren Erwerbstätigkeit hindert, welche konkreten Therapien empfohlen worden sind und dass diese zuverlässig von dem Erkrankten wahrgenommen werden.
d) Herabsetzung und Befristung 149
Der Unterhaltsanspruch wegen Krankheit kann nach § 1578b BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabgesetzt und/oder zeitlich zu befristet werden, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs unbillig wäre (§ 1578b BGB, s. Rz. 401 ff.). Bei der Billigkeitsabwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich aus einer ehebedingten Erkrankung, vor allem aber aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (Rz. 414 ff.).
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Hat eine Erkrankung ehebedingte Gründe stellt sich dies als ehebedingter Nachteil dar, so dass eine Beschränkung des Unterhalts i.d.R. nicht in Betracht kommen wird. So hat das OLG Braunschweig1 sowohl eine Befristung als auch Herabsetzung des Unterhalts abgelehnt, weil die Erkrankung anlässlich der Geburt gemeinsamer Kinder erstmals aufgetreten ist. Weitere Gründe können sein, Erkrankungen aufgrund von körperlichen oder seelischen Misshandlungen, Anhalten zum Drogenmissbrauch.2 Allerdings sind Erkrankungen meist nicht ehebedingt. Dies gilt insbesondere auch für psychisch bedingte Erkrankungen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH können psychische Erkrankungen selbst dann, wenn sie durch eine Ehekrise ausgelöst worden sind, für sich genommen keinen ehebedingten Nachteil im Sinne von § 1578b Abs. 1 Satz 2 BGB begründen, weil darunter – schon nach dem Wortlaut des Gesetzes wegen des Bezugs auf die Rollenverteilung in der Ehe, Haushaltsführung und Kinderziehung – nur solche Einbußen zu verstehen seien, die sich aus der ehelichen Rollenverteilung (§ 1356 BGB) ergeben, nicht aber aus sonstigen persönlichen Umständen, die insbesondere mit dem Scheitern der Ehe zusammenhängen.3
1 FamRZ 2008, 999. 2 Maurer, FPR 2013, 146 (148). 3 BGH, FamRZ 2013, 1291 Tz. 20 bei Multipler Sklerose; 2010, 1414 Tz. 18; 2011, 188 Tz. 20.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
Liegt keine ehebedingte Erkrankung vor, was die Regel ist, spielt für die Befristung 151 wegen Unbilligkeit eine vorrangige Rolle, ob das Einkommensgefälle auf ehebedingte Nachteile zurückzuführen ist. Das ist z.B. der Fall, wenn der Unterhaltsberechtigte aufgrund der in der Ehe gewählten Rollenverteilung nicht ausreichend für den Fall der krankheitsbedingten Erwerbsminderung Vorsorge treffen konnte und die Einkünfte aus seiner Versorgung einschließlich der Versorgungsausgleichsbeträge geringer sind, als sie ohne Ehe gewesen wären.1 Zwar sind aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleichs die Interessen des Berechtigten in der Regel gewahrt, soweit er ehebedingt geringere Rentenanwartschaften erwirtschaftet hat. Denn im Rahmen des Versorgungsausgleichs haben beide Ehegatten insoweit entstandene Nachteile in gleichem Umfang zu tragen. Die ehebedingten Nachteile können jedoch trotz eines durchgeführten Versorgungsausgleichs noch fortwirken, wenn nach der Scheidung aufgrund der früheren Rollenverteilung z.B. keine ausreichenden Anwartschaften für eine Erwerbsminderungsrente erworben wurden (§ 43 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI) oder wegen beruflich fortwirkender Nachteile keine ausreichenden Chancen mehr bestanden haben, Versorgungsanwartschaften in dem Umfang zu erwerben, wie dies ohne die Ehe möglich gewesen wäre.2 Letzteres wird meist der Fall sein, wenn sich Krankheitsunterhalt an Ansprüche gem. § 1570, 1573 BGB anschließt. Ehebedingte Nachteile in der Versorgung setzen sich auch dann fort, wenn der Verpflichtete als Selbständiger privat Vorsorge getroffen hat, und ehebedingte Nachteile in der Versorgung nicht durch einen Ausgleich von Anrechten, sei es durch den Versorgungsausgleich oder im Güterrecht, kompensiert worden sind.3 § 1572 BGB beschränkt sich aber nicht nur auf den Ausgleich ehebedingter 152 Nachteile, sondern ist auch Ausdruck der nachwirkenden ehelichen Solidarität. Die nacheheliche Solidarität steht in einer Wechselbeziehung zur Ehedauer, denn erfahrungsgemäß wächst mit der Dauer der Ehe das Vertrauen in ihren Bestand und in die damit verbundenen wirtschaftlichen Verhältnisse.4 Deshalb kommt einer langen Ehedauer – wie der Gesetzgeber mit der seit 1.3.2013 in Kraft getretenen Änderung von § 1578b Abs. S. 2 und 3 BGB deutlich gemacht hat – für die Billigkeitsprüfung eine gleichwertige Bedeutung zu wie den ehebedingten Nachteilen.5 Einer langen Ehedauer kommt vor allem eine Indizwirkung für die zunehmende Verflechtung der beiderseitigen Verhältnisse zu.6 Aber nicht nur die wirtschaftliche Verflechtung kann Anlass zu einer stärkeren Anforderung an die nacheheliche Solidarität sein. Ebenso kann von Bedeutung sein, dass ein erfolgreicher Ehegatte seinen beruflichen Aufstieg in besonderem Maße dem geschiedenen Ehegatten zu verdanken hat, wenn z.B. eine Übersiedlung aus der CSSR nach Deutschland erst aufgrund der Heirat mit der umsiedlungsberechtigten Ehefrau möglich war und diese mit der Übersiedlung bis zum Abschluss des Studiums des Ehemannes noch gewartet hat.7 1 OLG Hamm, FamRZ 2012, 951 Tz. 28, 31 zu ehebedingten Nachteilen beim Altersunterhalt. 2 BGH, FamRZ 2009, 406, Tz. 34; 2009, 1207, Tz. 36. 3 OLG Hamm v. 11.5.2010 – 2 UF 64/08, II-2 UF 64/08, juris Tz. 202; Maurer, Die Begrenzung des nachehelichen Alters- und Krankheitsunterhalts, FPR 2013, 146 (149). 4 BGH, FamRZ 2009, 1207 (1210), Tz. 37 ff.; FamRZ 2009, 406 (409), Tz. 37. 5 BT-Drucks. 17/11885, S. 6; so schon zu § 1578b a.F. BGB Peschel-Gutzeit, Aktuelles Unterhaltsrecht, Rz. 115. 6 BGH, Urt. v. 17.2.2010 – XII ZR 140/08, FamRZ 2010, 629 ff., Tz. 36; 2009, 406 (408), Tz. 35; 2013, 853 Tz. 33. 7 BGH, FamRZ 2013, 1291 Tz. 28 m. Anm. Born.
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Der BGH hat die zeitliche Begrenzung eines Anspruchs der Ehefrau wegen schwerer Krebserkrankung im Hinblick auf eine über 20-jährige Ehedauer abgelehnt, aber eine Herabsetzung des Bedarfs gebilligt (zur Bemessung des angemessenen Bedarfs nach § 1578b Abs. 1 BGB s. Rz. 427).1 Der Unterhaltsanspruch kann dann z.B. nach einer Übergangszeit auf das Einkommen herabgesetzt werden, das der kranke Unterhaltsberechtigte ohne die Ehe und Kindererziehung zur Verfügung hätte.
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Bei vollständiger Erwerbsunfähigkeit ergibt sich der angemessene Unterhalt aus der Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente, die er nach Durchführung des Versorgungsausgleichs erzielen kann, wobei der existenzsichernde Mindestbedarf die Untergrenze darstellt.
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Erzielt der Unterhaltsberechtigte nach einer ehebedingten Einschränkung seiner Erwerbstätigkeit nur Einkünfte, die den eigenen angemessenen Unterhaltsbedarf nach § 1578b Abs. 1 Satz 1 BGB nicht erreichen, kommt zwar keine Befristung in Betracht, aber der Unterhaltsanspruch kann nach einer Übergangszeit bis auf die Differenz zwischen dem angemessenen Unterhaltsbedarf und dem erzielten oder erzielbaren eigenen Einkommen herabgesetzt werden.2 Bei kürzerer Ehedauer macht die Rechtsprechung hingegen von der Befristung des Anspruchs Gebrauch, auch dann, wenn der Anspruch an einen Betreuungsunterhaltsanspruch anschließt. So hat der BGH wegen Fehlens ehebedingter Nachteile eine Herabsetzung und Befristung bei 11-jähriger Ehe gebilligt, zumal es in der Ehe nicht zu einer wirtschaftlichen Verflechtung gekommen war und die Ehegatten nur 5 Jahre zusammengelebt hatten.3
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Einzelfälle aus der Rechtsprechung:
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Keine Befristung bei langer Ehedauer und ehebedingten Nachteilen: – BGH, FamRZ 2010, 629 bei 20-jähriger Ehe; OLG Zweibrücken, OLGR 2008, 884 (34 Jahre); OLG Nürnberg, FamRZ 2008, 1256; OLG Köln, FamRZ 2009, 429; OLG Frankfurt, FamRZ 2009, 526 (23 Jahre) OLG Hamm, FamFR 2010, 151: (26 Jahre). Herabsetzung ist möglich.
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Bei kürzerer Dauer der Ehe: – Das OLG Celle4 hat der erwerbsunfähigen Ehefrau, deren Ehe 1996 geschieden wurde und die noch den 17-jährige Sohn betreut, einen auf drei Jahre befristeten Anschlussunterhalt zugesprochen wegen einer fünf Jahre nach der Scheidung der Ehe aufgetretenen Bandscheibenerkrankung, die eine Vollbeschäftigung ausschließt. Sie hatte ihren erlernten Beruf als Möbelverkäuferin wegen der Kinderbetreuung zugunsten von wenig qualifizierten Teilzeittätigkeiten nicht mehr ausgeübt. – Das OLG Bremen5 hat bei einer Ehedauer von acht Jahren und neun Monaten, der erwerbsunfähigen Ehefrau, die noch ein gemeinsames 12-jähriges Kind betreut, den Betreuungsunterhalt wegen fehlenden Vortrags zu den Ver1 BGH, Urt. v. 17.2.2010 – XII ZR 140/08, FamRZ 2010, 629 ff., Tz. 36; ebenso nach 26 Jahren Ehedauer bei einer Hausfrauenehe BGH, FamRZ 2009, 1207 (1210). 2 BGH, FamRZ 2009, 1990 Tz. 16; 2010, 629, Tz. 30. 3 BGH, FamRZ 2009, 406 ff. 4 OLG Celle, FamRZ 2008, 1449 ff.; NJW 2008, 3575 m. Anm. Triebs. 5 OLG Bremen, FamRZ 2009, 343 ff.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
längerungsgründen versagt und den Krankheitsunterhalt auf drei Jahre befristet. – Das OLG Frankfurt1 hat bei einer Ehedauer von acht Jahren der erwerbsunfähigen Frau, die ein 15-jähriges Kind betreut, einen auf drei Jahre befristeten Anspruch nach § 1572 Nr. 2 BGB zugesprochen. – Das OLG Koblenz2 hat in einem Abänderungsverfahren den Krankheitsanspruch der 19 Jahre älteren, erwerbsunfähigen Frau, nach einer kinderlosen 6-jährigen Ehe, auf insgesamt fünf Jahre nach der Scheidung befristet. – Das OLG München3 hat den Krankenunterhalt nach achtjähriger kinderloser Ehe, in der die Ehegatten aber nur drei Jahre zusammengelebt haben, auf drei Jahre befristet. Der Unterhaltspflichtige ist bereits wiederverheiratet und hat ein Kind aus dieser Ehe. Für die Herabsetzung auf den angemessenen Bedarf gilt nach ständiger Recht- 159 sprechung des BGH als Mindestmaß das Existenzminimum eines nichterwerbstätigen Unterhaltsschuldners (s. zu den Einzelheiten Rz. 428).4 Da es sich bei der Beschränkung des Anspruchs nach § 1578b BGB um eine Ein- 160 wendung des Unterhaltsschuldners handelt, obliegt ihm die Darlegungs- und Beweislast.5 Zur sekundären Darlegungslast des Unterhaltsberechtigten s. Rz. 432 ff. 4. Unterhalt wegen Arbeitslosigkeit nach § 1573 Abs. 1 BGB sowie Ausbildung nach § 1573 Abs. 1 i.V.m. § 1574 Abs. 3 BGB Soweit ein Ehegatte keinen Unterhaltsanspruch nach §§ 1570–1572 BGB (wegen 161 Kindesbetreuung, Alters oder Krankheit) hat, kann er gleichwohl Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag (§ 1573 Abs. 1 BGB). Der Anspruch besteht auch, wenn Ansprüche nach §§ 1570–1572 und § 1575 BGB wegfallen. a) Anspruchsvoraussetzungen Der Anspruch setzt voraus, dass der Unterhaltsbegehrende zur Zeit der Schei- 162 dung nicht oder nicht voll erwerbstätig ist, für ihn kein Unterhaltsanspruch wegen Kindesbetreuung, Alters oder Krankheit besteht, so dass eine Erwerbsobliegenheit besteht, und er trotz ernsthafter Bemühungen keine angemessene Arbeit zu finden vermag. Da nach der Scheidung wieder jeder Ehegatte selbst für seinen Unterhalt aufkommen soll, wird von dem Anspruchsteller erwartet, dass er sich unter Einsatz aller ihm zumutbaren und möglichen Mittel um eine ihm angemessene Erwerbstätigkeit bemüht. Keine Rolle spielt, wie lange er schon arbeitslos ist und aus welchen Gründen. Er darf sich allerdings nicht absichtlich unterhaltsbedürftig machen, indem er z.B. aus Enttäuschung und Ärger über das Scheitern der Beziehung sein Arbeitsverhältnis kündigt, um von dem anderen Unterhalt verlangen zu können. Der Ehegatte, der während der Ehe nicht er1 2 3 4 5
OLG Frankfurt a.M., NJW 2008, 3440. OLG Koblenz, FamRZ 2009, 427 ff. OLG München, FamRZ 2008, 1959 (1960). BGH, FamRZ 2010, 1633 Tz. 33 f.; 2010, 629 Tz. 28 f. BGH, FamRZ 2010, 875.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
werbstätig war und nach der Scheidung vergeblich eine Arbeit sucht, hat genauso einen Anspruch wie derjenige, der immer erwerbstätig war und kurz vor oder nach der Scheidung die Kündigung erhält und sich nun erfolglos um eine Stelle bemüht. Der Unterhaltsberechtigte braucht gem. § 1574 Abs. 2 BGB nur eine angemessene Erwerbstätigkeit aufzunehmen (s. Rz. 30 ff.). Danach ist eine Erwerbstätigkeit angemessen, wenn sie der Ausbildung, den Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten entspricht und eine solche Tätigkeit nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig wäre. Bei den ehelichen Lebensverhältnissen sind insbesondere die Dauer der Ehe sowie die Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes zu berücksichtigen. Eine angemessene Erwerbstätigkeit kann auch in der Ausübung von zwei Teilzeitbeschäftigungen bestehen.1 163
Beispiele – Von einer Lehrerin, die wegen der Kinderbetreuung 20 Jahre nicht im Beruf tätig war und jetzt keine Anstellung findet, kann bei guten wirtschaftlichen Verhältnissen nicht die Ausübung einer Tätigkeit als Verkäuferin erwartet werden, da diese Tätigkeit nicht ihrem Ausbildungsstand und ihren Fähigkeiten entspricht. – Für die 50-jährige F, die in ihrem gelernten Beruf als Erzieherin über 20 Jahre nicht tätig war, ist nach 23-jähriger Ehe, die durch die berufliche Stellung des M als Dipl.-Ing. mit einem Einkommen von zuletzt 10 000 DM geprägt war, die Ausübung einer Tätigkeit als Verkäuferin in einem gehobenen Einrichtungshaus zumutbar.2
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Den Berechtigten trifft eine unterhaltsrechtliche Pflicht, sich ernsthaft, intensiv und regelmäßig um eine angemessene Tätigkeit zu bemühen. Deshalb wird von ihm erwartet, dass er sich bei seinem Jobcenter meldet, dort aktiv Angebote zur Beratung, Vermittlung und sonstige Arbeitsförderungsmaßnahmen wahrnimmt, eigene Stellenanzeigen aufgibt und sich auf Anzeigen bewirbt.3 Nicht ausreichend ist die bloße Meldung als arbeitslos bei dem Jobcenter, bzw. der Agentur für Arbeit.4 Dies gilt sowohl im Verhältnis zum Unterhaltspflichtigen als auch zum Jobcenter bzw. der Agentur für Arbeit, denn diese hat nicht nur den gesetzlichen Auftrag des Förderns durch Beratung und Vermittlung erwerbsfähiger Arbeitsloser, sondern es gilt ebenso der Grundsatz des Forderns, so dass Leistungen nach dem SGB II gemindert oder ganz gestrichen werden können bei einem mangelnden Einsatz des Arbeitslosen (§§ 31, 31a, 31b, 32 SGB II).
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Die Anzahl der Bewerbungen ist i.d.R. ein Indiz für ernsthafte Bemühungen, aber kein ausschließlich maßgebliches Kriterium. Für ausreichende Erwerbsbemühungen kommt es letztlich immer auf die individuellen Verhältnisse und die Erwerbsbiografie des Anspruchstellers an, die vom Familiengericht umfassend zu würdigen sind.5
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Wie intensiv die Bemühungen sein müssen, hängt auch von der Lage auf dem Arbeitsmarkt ab. Aufschluss über die subjektive Arbeitsbereitschaft des Berechtigten und die Ernsthaftigkeit seiner Bemühungen um eine Arbeit kann die Dar1 2 3 4
BGH, FamRZ 2012, 1483. BGH, FamRZ 1991, 416 ff. BGH, FamRZ 1994, 372 (374). BGH, FamRZ 1993, 789 (791). Gem. §§ 44b, 6d SGB II nimmt i.d.R. das Jobcenter als gemeinsame Einrichtung die Aufgaben der Leistungsträger nach dem SGB II wahr. 5 BGH, FamRZ 2011, 1851 in Fortführung von FamRZ 2008, 2104 und 1993, 789.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
stellung der bisherigen Arbeitsbiographie geben.1 Darüber hinaus sollten die Ergebnisse der Beratung beim Jobcenter und dessen konkrete Unterstützungsmaßnahmen mitgeteilt sowie ggf. die Eingliederungsvereinbarung gemäß § 37 SGB III eingereicht werden.2 Bewerbungsschreiben müssen sorgfältig verfasst sein, auf die Eignung des Be- 167 werbers für die ausgeschriebene Stelle eingehen und das ernsthafte Interesse an der Stelle erkennen lassen.3
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Praxishinweis: Im Unterhaltsverfahren wird sowohl zu den subjektiven Vo- 168 raussetzungen zur Bestimmung der Angemessenheit einer Erwerbstätigkeit als auch zu den Bemühungen oft sehr unzureichend vorgetragen. Der Unterhaltsberechtigte muss immer konkrete Angaben zu den Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt und seinen persönlichen Eigenschaften (Alter, Ausbildung, Berufserfahrung, Gesundheitszustand) machen4 sowie seine Bemühungen um eine Arbeit genau beschreiben und unter Beweis stellen. Deshalb sollte nachprüfbar und präzise angegeben werden, welche Schritte im Einzelnen unternommen worden sind, um eine zumutbare Arbeit zu finden. Dazu gehören Angaben, wann sich der Berechtigte bei welchem Arbeitgeber mit welchem Ergebnis beworben hat und welche Zeitungen für die Suche von Stellenangeboten regelmäßig genutzt werden. Beizufügen sind Bewerbungs- und Antwortschreiben, eigene Inserate, Bestätigungen der Arbeitsagentur über Meldung und Besuche. Es kann auch das Einverständnis zur Einsichtnahme in die Akte der Agentur für Arbeit unter Angabe des Geschäftszeichens erteilt werden. Das Gericht kann dann die Akte beiziehen. Schwierig wird die Beweisführung, wenn telefonische Bewerbungen branchenüblich sind. Auch hier ist die exakte Auflistung unter Angabe des Datums, der Telefonnummer, des Namens der Firma und möglichst des Gesprächspartners wichtig. Bei mündlichen Bewerbungsgesprächen sollte der Arbeitgeber um eine Bescheinigung über die Bewerbung gebeten werden. Ist die Arbeitslosenquote für die Branche des Anspruchstellers besonders hoch, sollte diese Tatsache in das Verfahren eingeführt werden. Ferner empfiehlt es sich, die Einholung einer Auskunft der zuständigen Agentur für Arbeit/ des Jobcenters, die Arbeitsmarktchancen in der Branche des bedürftigen geschiedenen Ehegatten zu beantragen.
Besteht auf dem Arbeitsmarkt keine reale Beschäftigungschance für den bedürf- 169 tigen Ehegatten, ist es an ihm, dies vorzutragen und zu beweisen.5 Dies gilt nicht nur für die fehlende reale Chance auf eine Vollzeitstelle, sondern auch in Bezug auf eine geringfügige Beschäftigung (sog. Mini-Job bis zu 450 Euro monatlich) und auf eine Erwerbstätigkeit in der Gleitzone (sog. Midi-Job (Bruttoeinkommen von 450,01 Euro – 850,00 Euro, § 20 Abs. 2 SGB IV).6 Selbst in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit sind intensive Bemühungen um einen Arbeitsplatz erfor1 BGH, FamRZ 1986, 246. 2 Vgl. den Überblick über die Angebote der Agenturen für Arbeit für Arbeitslose, Sammer, FPR 2004, 543 ff. 3 OLG Hamm, FamRZ 1992, 63. 4 BGH, FamRZ 1986, 244 (246); 1987, 144; vgl. auch FPR 2000, 1 ff. mit mehreren Beiträgen zum Schwerpunktthema „Der Verlust des Arbeitsplatzes im Unterhaltsrecht“. 5 BGH, FamRZ 2012, 517; 1986, 885 ff.; 1987, 144; BGH, NJW-RR 1993, 898 = FamRZ 1993, 789 ff. 6 BGH, FamRZ 2012, 517 Tz. 30, 34.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
derlich und vom Berechtigten nachprüfbar vorzutragen, dies folgt aus dem Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung nach der Scheidung.1 Besteht für den Fall nicht sachgerechter Bemühungen eine nicht ganz von der Hand zu weisende Beschäftigungschance, geht dieser Zweifel zu Lasten des Unterhaltsgläubigers, und ihm ist ein fiktives Einkommen aus einer zumutbaren Arbeit wegen nicht ausreichender Bemühungen für die Unterhaltsberechnung zuzurechnen. Zur Bemessung fiktiver Einkünfte, s. Rz. 279 f. Anderes gilt nur, wenn feststeht, dass er wegen der Lage auf dem Arbeitsmarkt und wegen seiner persönlichen Verhältnisse keine realistische Beschäftigungschance hat. 170
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Erhält der Unterhaltsberechtigte den Unterhalt zugesprochen, bleibt der Grundsatz der Eigenverantwortung dennoch bestehen, mit der Folge, dass er sich auch weiterhin um eine Arbeit bemühen muss.
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Praxishinweis: Gibt der Unterhaltsberechtigte seine Bemühungen auf, wenn er den Unterhalt erhält, obwohl sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt für ihn verbessert, hat der Unterhaltspflichtige die Möglichkeit, im Wege des Abänderungsverfahrens den Wegfall der Unterhaltszahlung zu beantragen. In diesem Unterhaltsstreitverfahren obliegt dann allerdings dem Unterhaltspflichtigen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sich die Arbeitsmarktlage zugunsten des geschiedenen Ehegatten verändert hat. Kann der Berechtigte nicht darlegen und beweisen, dass er sich erneut vergeblich beworben hat, wird der Abänderungsantrag Erfolg haben.
b) Pflicht zur Aus-, Fortbildung und Umschulung 172
Soweit es zur Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit erforderlich ist, obliegt es dem geschiedenen Ehegatten, sich ausbilden, fortbilden oder umschulen zu lassen, (§ 1574 Abs. 3 BGB).2
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Dem geschiedenen Ehegatten steht dann für die Dauer einer Aus- und Fortbildung sowie Umschulung ein Unterhaltsanspruch nach § 1573 Abs. 1 i.V.m. § 1574 Abs. 3 BGB zu. Welche Erwerbstätigkeit angemessen ist, regelt § 1574 Abs. 2 BGB, vgl. dazu Rz. 30 f. Denn nach Auflösung der Ehe kann von dem unterhaltsbedürftigen Ehegatten immer nur die Aufnahme einer Tätigkeit erwartet werden, die im Zeitpunkt der Scheidung oder zu den anderen im Gesetz genannten Einsatzzeitpunkten angemessen ist.
174
Ob eine Obliegenheit zur Ausbildung besteht, hängt davon ab, ob aufgrund des Alters, des Gesundheitszustandes und der Arbeitsmarktlage mit einem erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung zu rechnen und die Chance auf einen Arbeitsplatz gegeben sein wird.3 Kann von dem Berechtigten die Aufnahme einer Ausbildung erwartet werden, muss er mit der Qualifizierungsmaßnahme in angemessenem zeitlichen Abstand zur Scheidung beginnen. Zwar steht ihm ein Zeitraum zum Überlegen zu, dessen Dauer muss aber auch das Interesse des Unterhaltspflichtigen an einer baldigen Klärung seiner finanziellen Belastungen nach der Scheidung berücksichtigen. Sinnvoll ist die Befristung des Anspruchs, wenn
1 BGH, FamRZ 1986, 885 (886); 1986, 244; 1987, 912; BGH, NJW-RR 1993, 898 = FamRZ 1993, 789 ff.; OLG Köln, FamRZ 1997, 1104 f.; Pauling, FPR 2000, 11–14 m.w.N. 2 BGH, FamRZ 1986, 1085 ff.; 1984, 561 (562). 3 BGH, FamRZ 1986, 553.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
nach Abschluss der Ausbildung gute Erwerbschancen auf dem Arbeitsmarkt bestehen.1 175
Beispiele – F heiratete ohne Berufsausbildung einen Dipl.-Mathematiker und erlangte während der Ehe ihre Fachschulreife mit dem Ziel, einen qualifizierten Beruf zu erlernen. Ihr steht nach der Scheidung ein Anspruch auf Finanzierung des Studiums der Sozialpädagogik zu. Denn sie hat mit der Fachschulreife die Voraussetzungen für eine qualifizierte Berufsausbildung geschaffen, die ihr später die Ausübung einer dem in der Ehe gepflegten Bildungsstreben und Niveau entsprechenden angemessenen Erwerbstätigkeit ermöglicht (§ 1574 Abs. 3 BGB i.V.m. § 1573 Abs. 1 BGB).2 – Die 40-jährige gelernte Stenokontoristin war während der 16-jährigen Ehe wegen der Kindesbetreuung auf Wunsch des M, der als Dipl.-Ingenieur ein gutes Einkommen hat, nicht berufstätig. Nach der Scheidung ist sie berechtigt und verpflichtet, sich für eine qualifizierte Bürotätigkeit schulen zu lassen; denn auf bloße Hilfstätigkeiten muss sie sich nicht verweisen lassen.
Kommt der geschiedene Ehegatte seiner Fortbildungsobliegenheit nicht nach, 176 kann er auf die Aufnahme einer nicht angemessenen Erwerbstätigkeit verwiesen werden, aus der ihm ggf. fiktive Einkünfte zugerechnet werden können.3 Hat der Unterhaltsberechtigte in der Vergangenheit versäumt, eine erforderliche Ausbildung zu absolvieren, kann auch eine Kürzung des Unterhalts gemäß § 1579 Nr. 4 BGB wegen mutwilliger Herbeiführung der Bedürftigkeit in Betracht kommen (Rz. 477 ff.).4 177
Beispiel Die 53-jährige F ist ohne Berufsausbildung und hat nach 20-jähriger Ehe gegen den gut verdienenden geschiedenen M einen Anspruch wegen Arbeitslosigkeit. M will den Anspruch kürzen, weil er F schon nach der Trennung, als sie 45 Jahre alt war, vergeblich aufgefordert hatte, sich noch ausbilden zu lassen. Hier kommt eine Kürzung gemäß § 1579 Nr. 4 BGB in Betracht, weil sich F in der Vergangenheit einer als notwendig erkannten, Erfolg versprechenden Ausbildungsmaßnahme i.S.v. § 1574 Abs. 3 BGB mutwillig verschlossen hat.5
Kommt der Berechtigte seiner Ausbildungspflicht nach und findet er nach Beendigung der Ausbildung keine Arbeit, schließt sich der Anspruch wegen Arbeitslosigkeit an und beruht nur auf § 1573 Abs. 1 BGB. c) Einsatzzeitpunkte Die Bemühungen um eine angemessene Tätigkeit müssen mit der Scheidung 178 einsetzen, mindestens aber noch in einem zeitlichen Zusammenhang zur Scheidung stehen.6 Bei lang andauernder Trennung kann erwartet werden, dass die Bemühungen schon vor der Scheidung einsetzen. Klagt der Unterhaltsberechtigte allerdings nach der Scheidung zunächst auf Unterhalt wegen Krankheit und ergibt sich erst im Verlauf des Unterhaltsverfahrens, dass er wieder arbeitsfähig ist, reicht es aus, wenn er dann mit der Arbeitssuche beginnt.
1 2 3 4 5 6
BGH, FamRZ 1986, 553. OLG Hamm, FamRZ 1993, 970 ff. OLG Hamburg, FamRZ 1991, 445; 1985, 1260; BGH, FamRZ 1986, 553 (554). BGH, FamRZ 1986, 553. BGH, FamRZ 1991, 445. Zum Einsatzzeitpunkt vgl. BGH, FamRZ 1987, 684 (687).
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421
F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
179
Neben der Scheidung sind weitere Einsatzzeitpunkte für den Unterhalt wegen Arbeitslosigkeit gegeben, wenn Unterhaltsansprüche nach §§ 1570–1572 und § 1575 BGB wegen Kindesbetreuung, Alters, Krankheit sowie Ausbildung wegfallen (§ 1573 Abs. 3 BGB).
180
Beispiel F betreut zur Zeit der Scheidung die 9-jährige T und arbeitet 5 Stunden täglich. Als T 15 Jahre alt wird, verliert F die Teilzeitbeschäftigung. Sie hat einen Anspruch auf Teilanschlussunterhalt nach § 1573 Abs. 1 BGB i.V.m. einem Aufstockungsanspruch (§ 1573 Abs. 2 BGB). Findet F eine Vollbeschäftigung, kann sie noch einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB haben.
d) Nachhaltige Sicherung der Erwerbstätigkeit 181
Ist der Ehegatte zu einem der Einsatzzeitpunkte erwerbstätig und verliert er seine Arbeit zeitnah zum Einsatzzeitpunkt, bevor diese Arbeit seinen Unterhalt dauerhaft gesichert hat (§ 1573 Abs. 4 Satz 1 BGB),1 leben die Ansprüche wieder auf.2
182
Beispiel Nach 8 Jahren wird die kinderlose Ehe im Juli 2007 geschieden. Am 14.8.2007 wird F als Realschullehrerin zur Anstellung eingestellt, erkrankt 2 Tage später ernsthaft und wird zum 31.12.2007 wegen Dienstunfähigkeit entlassen. Da die Erkrankung bereits 2 Tage nach der Einstellung bekannt wurde, konnte der Unterhaltspflichtige nicht von einer dauerhaften Sicherung des Unterhalts der F durch diese Arbeit ausgehen, so dass er weiter Unterhalt nach § 1573 Abs. 1 und Abs. 4 BGB zahlen muss.3
183
Gelingt nur die teilweise Sicherung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit, hat der Berechtigte einen Anspruch auf den Unterschiedsbetrag zwischen dem gesicherten und dem vollen Unterhalt (§ 1573 Abs. 4 Satz 2 BGB).
184
Für die Beurteilung, ob ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit nachhaltig gesichert erscheint, ist maßgebend, ob die Erwerbstätigkeit im Zeitpunkt ihrer Aufnahme nach objektiven Maßstäben und allgemeiner Lebenserfahrung mit einer gewissen Sicherheit als dauerhaft angesehen werden kann oder ob befürchtet werden muss, dass der Bedürftige sie durch außerhalb seiner Entschließungsfreiheit liegende Umstände in absehbarer Zeit wieder verliert. Dabei sind vom Standpunkt eines optimalen Betrachters solche Umstände in die Beurteilung einzubeziehen, die zwar schon zu diesem Zeitpunkt bestehen, aber erst später zutage treten.4 Auch zugerechnete fiktive Einkünfte aus einer zumutbaren Erwerbstätigkeit können zu einer nachhaltigen Sicherung des Einkommens führen, denn anderenfalls wäre der Unterhaltsberechtigte, der seine Erwerbsobliegenheit verletzt, bessergestellt.5 e) Konkurrenzen
185
Findet der geschiedene Ehegatte keine angemessene Arbeit, erstreckt sich der Anspruch nach § 1573 Abs. 1 BGB auf den vollen eheangemessenen Bedarf nach 1 2 3 4 5
OLG Bamberg, FamRZ 1997, 819 ff. m.w.N. BGH, FamRZ 1985, 791 (792). Nachgebildet BGH, FamRZ 1985, 791 ff.; vgl. auch BGH, FamRZ 1985, 1234. BGH, FamRZ 1985, 791 (1234); 1988, 701. BGH, FamRZ 2003, 1734 (1736).
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
§ 1578 Abs. 1 BGB.1 Findet er eine angemessene Arbeit, die seinen Unterhaltsbedarf vollständig deckt, erlöschen die Ansprüche nach § 1573 BGB. Decken die Einkünfte nicht den eheangemessenen vollen Bedarf nach § 1578 Abs. 1 BGB, kann der Differenzbetrag zwischen eigenem Einkommen und dem Unterhaltsbedarf als Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB verlangt werden. Findet der Unterhaltsberechtigte nur eine Teilzeitbeschäftigung, besteht ein ergänzender Anspruch nach § 1573 Abs. 1 BGB auf den Differenzbetrag zum Einkommen aus einer Vollbeschäftigung und ggf. ein Aufstockungsunterhaltsanspruch in Höhe des vollen eheangemessenen Bedarfs nach § 1578 Abs. 1 BGB, soweit ein Einkommen aus Ganztagsbeschäftigung diesen nicht abdeckt.2 f) Darlegungs- und Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast für alle Anspruchsvoraussetzungen obliegt dem 186 Unterhaltsgläubiger. Dies gilt auch dafür, dass sein eigenes Auskommen noch nicht nachhaltig gesichert werden konnte. Soweit die Zurechnung fiktiver Einkünfte in Betracht kommt, muss er darlegen und beweisen, warum auch bei ausreichenden Bemühungen um eine Arbeit eine nachhaltige Sicherung nicht erreichbar gewesen wäre.3 Der Nachhaltigkeit können insbesondere das Alter oder eine bisherige Aushilfstätigkeit entgegenstehen.4 g) Befristung und Herabsetzung Der Unterhalt wegen Arbeitslosigkeit ist – wie alle anderen Unterhaltsansprü- 187 che auch – beschränkbar, d.h. er kann gem. § 1578b BGB in der Höhe herabgesetzt und/oder zeitlich befristet werden, vgl. insoweit Rz. 401 ff. 5. Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) Ist ein geschiedener Ehegatte nach der Scheidung erwerbstätig und reichen seine 188 Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt nicht aus, kann er, soweit er nicht bereits einen Unterhaltsanspruch nach §§ 1570–1572 BGB (wegen Kindesbetreuung, Alters oder Krankheit) hat, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkünften und dem vollen Unterhalt verlangen (§ 1573 Abs. 2 BGB). Der Anspruch besteht auch, wenn Ansprüche nach §§ 1570–1572 und § 1575 BGB wegfallen. a) Anspruchsvoraussetzungen und Konkurrenzen Auch nach der Scheidung soll der geschiedene Ehegatte noch an dem früheren 189 gemeinsamen Lebensstandard teilhaben, der als gemeinsame Leistung gesehen wird. Der Anspruch beinhaltet jedoch keine Lebensstandardgarantie, denn es gilt beim Nacheheunterhalt der Grundsatz der Eigenverantwortung (§ 1569 BGB). Danach obliegt dem geschiedenen Ehegatten, nach der Scheidung eine ihm angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben (§ 1574 BGB, s. Rz. 30 f.) und selbst für seinen Unterhalt aufzukommen. Mit dem Aufstockungsunterhalt soll ein zwischen den Einkommen der Ehegatten bestehendes Gefälle ausgeglichen 1 2 3 4
BGH, FamRZ 1985, 791 f. BGH, FamRZ 2011, 192 Tz. 16, 17. BGH, FamRZ 2003, 1734 (1736). Büttner, Anmerkung zu BGH, FamRZ 2003, 1734 ff. in FamRZ 2003, 1831.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
werden, bis der unterhaltsbedürftige Ehegatte in der Lage ist, selbst für seinen angemessenen Unterhalt aufzukommen. Voraussetzung des Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt ist, dass der Bedürftige bereits eine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt, die Einkünfte aus dieser Tätigkeit nicht den eheangemessenen Bedarf nach § 1578 Abs. 1 BGB abdecken und die Unterhaltsbedürftigkeit zu den maßgeblichen Einsatzzeitpunkten vorliegt. Kann der unterhaltsbedürftige Ehegatte überhaupt nicht erwerbstätig sein wegen Kindesbetreuung, Alters, Krankheit, Ausbildung oder Arbeitslosigkeit, besteht kein Anspruch auf Aufstockung, denn dann richtet sich sein Anspruch je nach Bedürfnislage nur nach den §§ 1570–1572, 1575, 1573 Abs. 1 BGB, über die der volle eheangemessene Bedarf nach § 1578 Abs. 1 BGB verlangt werden kann. 190
Übt der unterhaltsbedürftige Ehegatte nur eine Teilzeiterwerbstätigkeit aus und liegen ansonsten die Anspruchsvoraussetzungen auf Unterhalt wegen Kindesbetreuung, Alters, Krankheit, Ausbildung oder Arbeitslosigkeit vor, kann mit den Ansprüchen gemäß §§ 1570–1572, 1575, 1573 Abs. 1 BGB nur die Differenz zwischen dem tatsächlichen und dem möglichen Einkommen aus einer Vollerwerbstätigkeit verlangt werden.1 Reicht dieser Betrag nicht zur Deckung des eheangemessenen Bedarfs (§ 1578 Abs. 1 BGB), besteht insoweit ein ergänzender Anspruch auf Aufstockung nach § 1573 Abs. 2 BGB (s. Beispiel Rz. 197). Der Anspruch besteht auch, wenn der geschiedene Ehegatte nicht erwerbstätig ist, obwohl er dazu verpflichtet wäre und ihm für die Berechnung des Aufstockungsunterhalts fiktiv Einkünfte aus der zumutbaren Arbeit unterstellt werden. Zur Berechnung der Höhe des fiktiven Einkommens s. Rz. 279.
191
Beispiel Für die arbeitslose, nach 15-jähriger Ehe geschiedene F wäre bei ernsthaftem Bemühen ein Einkommen aus zumutbarer Arbeit i.H.v. 1 000 Euro erzielbar. Sie kann von M, der 2 000 Euro verdient, nur Aufstockungsunterhalt i.H.v. 429 Euro verlangen, denn ihr werden für die Unterhaltsberechnung fiktive Einkünfte i.H.v. 1 000 Euro unterstellt, die sie bei Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit verdienen könnte (2 000 Euro – 1 000 Euro = 1 000 Euro * 3/ 7 = 429 Euro). Zur Berechnung des Unterhalts vgl. Rz. 340 ff. und zu den Voraussetzungen der Zurechnung eines fiktiven Einkommens Rz. 275 ff.
192
Im Gesetz ist nicht geregelt, ob Einkommensdifferenzen eine Mindesthöhe haben müssen, damit eine Ausgleichspflicht besteht. Einige OLG lehnen generell eine Ausgleichspflicht bei einem Anspruch bis zu ca. 50 Euro ab, da eine Ausgleichspflicht so geringer Einkommensunterschiede durch Sinn und Zweck von § 1573 Abs. 2 BGB, durch den der eheliche Lebensstandard gesichert werden soll, nicht mehr gedeckt sei.2 Dem ist beizupflichten, allerdings sollten bei niedrigen Einkommen der geschiedenen Eheleute auch geringe Einkommensunterschiede ausgleichspflichtig sein, insbesondere wenn die Voraussetzungen nach § 1578b BGB nicht vorliegen.3 Die Entscheidung über die Ausgleichspflicht erfolgt nach Prüfung der Leistungsfähigkeit im Rahmen einer abschließenden Angemessenheitskontrolle des zu zahlenden Unterhalts, vgl. Rz. 231 ff. Berechnungsschema.
1 BGH, FamRZ 1990, 492; für den Altersunterhalt bei teilweiser Erwerbstätigkeit vgl. BGH, FamRZ 1999, 708. 2 So z.B. OLG Brandenburg, FamRZ 2006, 341; OLG München, FamRZ 1997, 425; OLG Düsseldorf, FamRZ 1996, 947. 3 So OLG Köln zu § 1361 BGB, FamRZ 2007, 1463 (1464).
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
b) Einsatzzeitpunkte Die Voraussetzungen des Aufstockungsunterhalts müssen zum Zeitpunkt der 193 Scheidung vorliegen (Einsatzpunkt). Der Aufstockungsunterhalt kann aber auch als Anschlussunterhalt geltend gemacht werden, wenn zunächst Unterhaltsansprüche nach §§ 1570–1572 und § 1575 BGB wegen Kindesbetreuung, Alters, Krankheit oder Ausbildung bestanden und die Voraussetzungen dieser Vorschriften später weggefallen sind. Einsatzzeitpunkt ist dann jeweils der Wegfall der Voraussetzungen des anderen Unterhaltsanspruchs, § 1573 Abs. 3 BGB. c) Befristung und Herabsetzung Der Aufstockungsunterhalt ist – wie alle anderen Unterhaltsansprüche auch – 194 beschränkbar, d.h. er kann gem. § 1578b BGB in der Höhe herabgesetzt und/oder zeitlich befristet werden, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs für den Verpflichteten unbillig wäre (§ 1578b BGB, s. Rz. 401 ff.). Bei der Billigkeitsabwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit für 195 den Unterhaltsberechtigten durch die Ehe Nachteile eingetreten sind, die ihn daran hindern, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche ehebedingten Nachteile können sich aus einer ehebedingten Erkrankung, vor allem aber aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (Rz. 404 ff.). Bestehen fortwirkende ehebedingte Nachteile, kommt eine Befristung i.d.R. 196 nicht in Betracht (Rz. 406).1 Dies gilt jedoch dann nicht, wenn absehbar ist, dass der Berechtigte die Möglichkeit hat, die Nachteile innerhalb eines einschätzbaren Zeitraums zu überwinden (Rz. 407). Möglich ist auch, den Anspruch in der Höhe auf den angemessenen Bedarf des Berechtigten herabzusetzen, wenn eine fortdauernde, an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung unbillig wäre (§ 1578b Abs. 1 BGB, s. Rz. 427). Allerdings muss abschätzbar sein, wann der Berechtigte die Nachteile überwunden haben wird. Häufig werden die Gerichte hier, wenn eine Prognose nicht möglich ist, von einer Herabsetzung absehen. 197
Beispiel Der Facharzt E hat ein bereinigtes mtl. Einkommen von 5 000 Euro. In der 16-jährigen Ehe hat F (45 Jahre), eine Physiotherapeutin, die Kinder betreut und daneben in der Privatpraxis ihres Mannes gearbeitet. Nach der Scheidung macht sie sich als Physiotherapeutin selbständig, da sie nur befristete Teilzeitbeschäftigungen angeboten bekam. Sie erzielt ein Einkommen von 1 000 Euro. Ihr steht ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt zu. Unter Berücksichtigung ihres Alters mit einer noch möglichen Berufstätigkeit von 20 Jahren kommt trotz der langen Dauer der Ehe nach einer Übergangszeit von ca. 6 Jahren die Herabsetzung des Bedarfs auf ihren eigenen angemessenen Lebensbedarf in Betracht (§ 1578b Abs. 1 BGB), denn sie übt eine zumutbare angemessene Tätigkeit i.S.v. § 1574 Abs. 2 BGB aus und hätte auch ohne Heirat in ihrem Beruf gearbeitet. Eine zeitliche Befristung des herabgesetzten Anspruchs nach § 1578b Abs. 2 BGB scheidet jedoch aus Billigkeitsgründen aus. Denn F hat in der Ausübung ihres erlernten Berufs aufgrund langjähriger Unterbrechung der Tätigkeit wegen der Kinderbetreuung und des Aufbaus der Arztpraxis ihres Mannes ehebedingte Nachteile erlitten. Für sie wäre bei einer ohne Rücksicht auf familiä1 BGH, FamRZ 2009, 1990 Tz. 13, 23.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten re Belange fortdauernd ausgeübten Tätigkeit als selbständige Physiotherapeutin ein Einkommen von ca. 2 300 Euro erzielbar gewesen (§ 287 ZPO). Ihr steht deshalb für 6 Jahre ein ungeschmälerter Anspruch nach § 1573 Abs. 2 BGB in Höhe des vollen Unterhaltsbedarfs von 1 715 Euro ([5 000 Euro – 1 000] × 3/ 7 = 1 714,29 Euro) zu und für die Zeit danach ein unbefristeter Anspruch auf Nachteilsausgleich bezogen auf das Einkommensniveau in ihrem Beruf i.H.v. 1 300 Euro (2 300 Euro – 1 000 Euro = 1 300 Euro). Verbessern sich ihre Einkünfte, kann E mit der Abänderungsklage die Herabsetzung verlangen. Weitere Beispiele zur Befristung und Herabsetzung des Anspruchs nach § 1578b BGB s. Rz. 426 ff.
198
Für die Prüfung einer Beschränkung des Anspruchs ist die Dauer der Ehe seit 1.3.2013 ein selbständig zu prüfendes Billigkeitskriterium im Rahmen der Billigkeitsprüfung, denn nach § 1578b BGB sollen nicht nur die Belange des Ehegatten, der ehebedingte Nachteile erlitten hat, besonders berücksichtigt werden, gleichermaßen wichtig ist der Schutz des Vertrauens in eine nacheheliche Solidarität (s. dazu Rz. 424).1 Auch wenn ehebedingte Nachteile nicht vorliegen, kommt eine Beschränkung nicht in Betracht, wenn die nacheheliche Solidarität dies erfordert. Insbesondere bei einer langen Ehedauer steigen die Anforderungen an das Maß der nachehelichen Solidarität. Dabei spielen Alter, Gesundheit und die oft fehlende Möglichkeit, die wirtschaftliche Situation noch aus eigener Kraft zu verbessern eine maßgebliche Rolle. Nach der Rechtsprechung des BGH stellt die Dauer der Ehe ein Kriterium dar, das in seiner Wechselbeziehung zu der Rollenverteilung der Parteien in der Ehe und der Verflechtung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse zu würdigen ist.2 Vgl. dazu auch die Beispiele unter Rz. 425.
199
Ist die Ehe von langer Dauer, kann selbst bei Fehlen ehebedingter Nachteile eine Beschränkung des Anspruchs – insbesondere bei enger wirtschaftlicher Verflechtung der Verhältnisse – gänzlich ausgeschlossen sein.3
200
Beispiele aus der Rechtsprechung zur Bemessung der Fristen: Fehlen ehebedingte Nachteile, fallen die Übergangsfristen trotz langer Ehedauer relativ kurz aus. So hat das OLG Celle4 der Ehefrau nach 15-jähriger Ehe bei einer Einkommensdifferenz von 357 Euro eine Übergangsfrist von fünf Jahren zugestanden; das OLG Hamm5 nach 21-jähriger Ehedauer eine Frist von vier Jahren, wobei die Zahlung von Trennungsunterhalt über acht Jahre mitberücksichtigt wurde; das OLG Stuttgart6 einer Ehefrau nach 21 Jahren Ehe eine Übergangsfrist von 6 1/2 Jahre, da der wiederverheiratete Unterhaltspflichtige über einen längeren Zeitraum gemeinsame Schulden zu tilgen hatte.
1 Zur Bedeutung der Gesetzes„korrektur“ und unterschiedlichen Bewertung in der Literatur vgl. Schlünder/Arpay, FPR 2013, 251 m.w.N. Die bessere Srukturierung befürwortend Borth, FamRZ 2013, 165. 2 BGH, FamRZ 2013, 853 Tz. 35 unter Bezugnahme auf die bisherige Rspr. zu § 1578b Abs. 1 BGB a.F. in FamRZ 2010, 629 Tz. 23, 25 und 2010, 1971. 3 OLG Hamm, FamRZ 2011, 1656 (LS) = FamRB 2011, 366: Keine Beschränkung nach über 36-jähriger Ehe mit teilweiser Tätigkeit als Geringverdienerin während der Ehe; BGH, FamRZ 2010, 1971 zu den Anforderungen an die Billigkeitsprüfung bei Ehedauer von 23 Jahren mit wirtschaftlicher Verflechtung; BGH, FamRZ 2010, 1637. 4 OLG Celle, FamRZ 2008, 1448. 5 OLG Hamm, FamRZ 2013, 43. 6 OLG-Report 2008, 742 (745) = BeckRS 2008, 19457.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
Sind die Ehen nicht von langer Dauer und liegen keine ehebedingten Nachteile 201 vor, ergeben sich noch kürzere Übergangsfristen. Dabei wird mitberücksichtigt, wie lange schon Unterhalt von der Trennung bis zur Scheidung gezahlt wurde. Der BGH1 hat den Anspruch einer Ehefrau nach einer kinderlosen Ehe von 13 Jahren, in der die Ehefrau in der gesamten Ehezeit vollschichtig als Küchenhilfe erwerbstätig war, auf vier Jahre ab Rechtskraft der Scheidung befristet. Das OLG München2 hat den Anspruch der 53-jährigen Ehefrau nach einer kinderlos gebliebenen 9-jährigen Ehe befristet auf drei Jahre ab Zustellung des Scheidungsantrags. Das OLG Bremen3 hat den Anspruch nach kinderloser 8-jähriger Ehe auf ein Jahr ab Rechtskraft der Scheidung befristet, weil bereits zweieinhalb Jahre Trennungsunterhalt gezahlt worden war. Die Ehefrau, eine gelernte Friseuse, hatte während des ehelichen Zusammenlebens als geringfügig Beschäftigte gearbeitet. Das Einkommen des Ehemanns betrug 2 100 Euro, das der Ehefrau 1 100 Euro. Das OLG Celle4 hat den Anspruch nach 91/2-jähriger Ehedauer auf 21/2 Jahre befristet, weil trotz Kinderbetreuung keine ehebedingten Nachteile vorlagen. Die Befristung kann nicht allein deshalb abgelehnt werden, weil anderenfalls 202 z.B. der Einsatzzeitpunkt für einen späteren Anspruch auf Altersunterhalt nach § 1573 Nr. 3 BGB entfallen würde.5 Wegen Unterhalts bis zum 31.12.2007 sind die §§ 1578 Abs. 1, 1573 Abs. 5 a.F. 203 BGB anwendbar, vgl. dazu Rz. 49 f., Rz. 51 Praxishinweis). 6. Unterhalt wegen Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung (§ 1575 BGB) Ein geschiedener Ehegatte, der in Erwartung oder während der Ehe eine Schul- 204 oder Berufsausbildung nicht aufgenommen oder abgebrochen hat, kann von dem anderen Ehegatten Unterhalt verlangen, wenn er diese oder eine entsprechende Ausbildung sobald wie möglich aufnimmt, um eine angemessene Erwerbstätigkeit, die den Unterhalt nachhaltig sichert, zu erlangen und der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist (§ 1575 Abs. 1 BGB). Entsprechendes gilt, wenn sich der geschiedene Ehegatte fortbilden oder umschulen lässt, um Nachteile auszugleichen, die durch die Ehe eingetreten sind (§ 1575 Abs. 2 BGB). Hat der geschiedene Ehegatte ehebedingte berufliche Ausbildungsnachteile erlit- 205 ten, kann er Unterhalt geltend machen, wenn er unterhaltsbedürftig wird, weil er eine Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung nachholt. Der Anspruch besteht für die Dauer der Bildungsmaßnahme. Beispiel Nach 10-jähriger Ehe will die geschiedene F ihre nach der Heirat abgebrochene Lehre als technische Zeichnerin wieder aufnehmen. Sie muss nicht die während der Ehe ausgeübte Tätigkeit als ungelernte Verkäuferin fortsetzen.
1 2 3 4 5
BGH, FPR 2008, 449 m. Anm. Weil = NJW 2008, 2644 = FamRZ 2008, 1508. OLG München, NJW 2008, 2447 (2448) = FamRZ 2009, 52. OLG Bremen, NJW 2009, 373 = OLGR 2008, 942. OLG Celle, FamRZ 2008, 1949. BGH, FamRZ 2008, 1508.
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427
F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
a) Unterhalt wegen Aufnahme oder Fortsetzung einer Ausbildung (§ 1575 Abs. 1 BGB) 206
Unterhaltsberechtigt ist, wer die Ausbildung in Erwartung oder während der Ehe abgebrochen hat. Erfolgt der Abbruch vor der Ehe, muss der Ehegatte darlegen und beweisen, dass er die Berufsausbildung „in Erwartung“, also wegen der Ehe abgebrochen hat. Dabei können daneben allerdings noch andere Gründe eine Rolle spielen. Voraussetzung ist nicht, dass die Ausbildung zur Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit erforderlich ist. Beispiel Brach die geschiedene F ihre Ausbildung vor der Eheschließung ab wegen Ärgers mit dem Ausbilder, aber gleichfalls, um schneller Geld für die Einrichtung der gemeinsamen Ehewohnung verdienen zu können, weil sie ein gemeinsames Kind erwartete, so darf sie die Ausbildung nach der Scheidung fortsetzen.
207
Wird die Ausbildung während der Ehe abgebrochen, kommt es auf die Gründe für den Abbruch nicht an. Hier reicht der bloße zeitliche Bezug zur Ehe aus. Ein Unterhaltsanspruch besteht ebenfalls, wenn eine Ausbildung wegen der Ehe nicht begonnen wurde. Dabei ist es egal, ob der Ehegatte die Ausbildung in Erwartung oder während der Ehe nicht begonnen hat. Hier obliegt es ihm allerdings darzulegen und zu beweisen, dass er schon konkrete Pläne für eine bestimmte Ausbildung hatte und diese wegen der Ehe nicht begonnen hat. Zwar ist nicht erforderlich, dass schon bestimmte vorbereitende Maßnahmen, wie die Anmeldung oder Ähnliches, getroffen wurden. Gab es aber schon solche, erleichtert dies die Beweisführung im Unterhaltsstreitverfahren.
208
Liegen die oben genannten Voraussetzungen vor, wird von dem Unterhaltsberechtigten erwartet, dass er so bald wie möglich die berufliche Qualifizierung beginnt bzw. fortsetzt. Dem Unterhaltsberechtigten steht zwar ein angemessener Zeitraum zum Überlegen und Entscheiden zu. Dabei ist aber das Interesse des Unterhaltsverpflichteten zu beachten, möglichst bald zu wissen, mit welchen finanziellen Belastungen er nach der Scheidung zu rechnen hat. Ist der Unterhaltsberechtigte wegen Krankheit (§ 1572 BGB) oder der Betreuung der gemeinsamen Kinder (§ 1570 BGB) an der Aufnahme der Ausbildung gehindert, behält er den Unterhaltsanspruch nach § 1575 BGB, wenn er nach Wegfall dieser Hinderungsgründe ohne schuldhaftes Zögern mit der Ausbildung beginnt. Der Anspruch bleibt bestehen, wenn sich der Ausbildungsbeginn aus besonderen Gründen verzögert, z.B. wegen der Pflege der erkrankten Mutter oder weil die Ausbildung immer nur zu ganz bestimmten Zeiten beginnt. Ist dem Unterhaltsberechtigten während der Verzögerung die Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit möglich, so ist er zur finanziellen Entlastung des Unterhaltspflichtigen dazu auch verpflichtet. Die insoweit erzielbaren Einkünfte werden auf den Ausbildungsunterhalt angerechnet. Gibt es für die Verzögerung keinen vernünftigen Grund, erlischt der Anspruch und lebt auch nicht mehr auf.
209
Von dem Unterhaltsberechtigten wird erwartet, dass er die abgebrochene bzw. nicht begonnene Ausbildung fortsetzt, bzw. eine diesen entsprechende Ausbildung aufnimmt. Wählt er eine neue Ausbildung, muss diese zwar nicht in einem fachlichen Zusammenhang zum vorherigen Ausbildungsgang stehen, aber Umfang und Leistungsanforderungen müssen sich entsprechen. Es besteht kein Anspruch auf eine teurere oder längere Ausbildung. Wählt der Unterhaltsberechtigte demgegenüber eine weniger qualifizierte Ausbildung, die zu einer 428 Ehinger
III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
Verkürzung der Unterhaltsleistungszeit führt, bleibt es bei dem Anspruch nach § 1575 BGB. 210
Beispiele – F, die vor der Ehe ihr 3-semestriges Biologiestudium abgebrochen hat, darf nach der Scheidung ein Informatikstudium beginnen. – M, der während der Ehe seine Lehre als Maschinenschlosser abgebrochen hat, erhält über § 1575 Abs. 1 BGB nach der Scheidung eine Lehre als Elektroinstallateur finanziert, nicht aber ein Studium der Elektrotechnik. – F, mit abgebrochenem Medizinstudium, hat nach der Scheidung eine Ausbildung als Medizinisch Technische Assistentin begonnen und einen Unterhaltsanspruch nach § 1575 BGB.
Hat der unterhaltsbegehrende Ehepartner schon eine Ausbildung, die ihm die 211 Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit ermöglicht, hat er keinen Anspruch auf Finanzierung einer Zweitausbildung. Die Verpflichtung zur Finanzierung einer Zweitausbildung ginge über das zumutbare Maß ehelicher Solidarität hinaus. Beispiel F qualifizierte sich während der Ehe zur Operationsschwester und plante noch vor der Trennung, das Abitur nachzuholen und ein Medizinstudium zu beginnen. Die Trennung erfolgte, nachdem sie bereits ihren Arbeitsplatz gekündigt und sich für den Abiturlehrgang angemeldet hatte. Ihr steht kein Anspruch nach § 1575 BGB zu.1
Für die nach der Scheidung begonnene Ausbildung muss ein erfolgreicher Ab- 212 schluss erwartet werden und die Aussicht auf Arbeitsaufnahme bestehen, die den Unterhalt nachhaltig sichert. Zweck der Finanzierung der weiteren Ausbildung des geschiedenen Ehegatten ist es, diesem eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung zu ermöglichen und ihn von weiteren Unterhaltszahlungen unabhängig zu machen. Aus dieser Zweckbestimmung folgt, dass der Unterhaltsverpflichtete nicht z.B. das nur zum Vergnügen betriebene Studium oder eine ohne den notwendigen Leistungswillen betriebene Ausbildung bezahlen muss.2 Es ist Sache des Unterhaltsberechtigten darzulegen, dass er Aussicht auf einen erfolgreichen Abschluss und eine nachfolgende Berufstätigkeit hat. Dabei hängt die Prognose von einer ganzen Reihe von Faktoren ab, die er beachten muss, z.B. von seinem Gesundheitszustand, der Dauer der Ausbildung, der Arbeitsmarktlage, seinem Alter, seiner schulische Vorbildung, seiner Leistungen während der Ausbildung etc. Der Berechtigte muss zwar während der Ausbildung von sich aus keine Leistungsnachweise vorlegen; erbringt er aber bestimmte übliche Leistungen nicht und kommt es zu Verzögerungen, so erlischt sein Anspruch. 213
Beispiele – F hatte wegen der Kinder ihr Studium aufgegeben und beginnt nach der Scheidung der Ehe mit 46 Jahren ein Studium der Wirtschaftswissenschaft. Ihr steht Ausbildungsunterhalt zu, wenn eine andere angemessene Erwerbstätigkeit nicht in Betracht kommt.3 Schafft F allerdings im 9. Semester nicht das Vordiplom, das üblicherweise nach 4 Semestern erreicht wird, erlischt ihr Ausbildungsunterhaltsanspruch und ihr steht nur noch Aufstockungsunterhalt zu.4 1 2 3 4
BGH, FamRZ 1985, 784 ff. BGH, FamRZ 1987, 795. OLG Hamm, FamRZ 1983, 181 ff. OLG Hamm, FamRZ 1988, 1280 f.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten – Beginnt M im Alter von 48 Jahren ein Pädagogikstudium, steht ihm für dieses Studium kein Anspruch nach § 1575 BGB zu, wenn er nach Abschluss des Studiums keine Chance hat, als Lehrer im Öffentlichen Dienst tätig zu sein, und auch auf dem übrigen Arbeitsmarkt keine Chancen bestehen. – Die Promotion ist für eine Soziologin mit Masterabschluss ohne nennenswerte Berufspraxis keine, eine angemessene Berufstätigkeit ermöglichende Ausbildung, wenn sie bei Abschluss der Arbeit 56 Jahre alt sein wird.1
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Ausbildungsunterhalt muss nur für die übliche Ausbildungszeit und bei einem Studium für die statistische Durchschnittsdauer gezahlt werden. Der Anspruch erlischt bei Verzögerungen, die z.B. durch einen Fachwechsel oder persönliches Versagen des Berechtigten verursacht worden sind. Bei ehebedingten Verzögerungen, z.B. Betreuungsbedürftigkeit des gemeinsamen Kindes durch Krankheit oder eine Erkrankung des Berechtigten, die schon zu den Einsatzzeitpunkten des § 1572 BGB vorhanden waren, bleibt der Unterhaltsanspruch wegen der Einheitlichkeit des Anspruchs erhalten. Erkrankt der Ehegatte während der Ausbildung und verzögert sich diese dadurch, ist der Pflichtige nach überwiegender Meinung zur Finanzierung der Verzögerung über § 1575 BGB verpflichtet. Ob der Anspruch sich dann auch auf § 1572 BGB – Unterhalt wegen Krankheit – stützen lässt, hängt davon ab, ob die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage ebenfalls vorliegen.
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Praxishinweis: Der Unterhaltstitel wird i.d.R. entsprechend der Dauer der Ausbildung zeitlich begrenzt. Fehlt die zeitliche Begrenzung, muss der Unterhaltsberechtigte den Verpflichteten über das Ende der Ausbildung informieren. Ist er aus anderen Gründen fortdauernd unterhaltsbedürftig, behält er die Rechte aus dem Titel, ihm obliegt jedoch die Darlegungs- und Beweislast für seine fortdauernde Unterhaltsbedürftigkeit. Vgl. zur Einheitlichkeit des Unterhaltsanspruchs und den prozessualen Folgen Rz. 8 ff.2
Bezieht der geschiedene Ehegatte während der Ausbildung öffentliche Fördermittel z.B. nach dem BAföG oder dem Arbeitsförderungsrecht, so werden diese Gelder bedarfsmindernd in Abzug gebracht. Die Altersgrenzen der öffentlichen Ausbildungsförderung gelten nicht im Unterhaltsrecht. Beispiel Die 28-jährige geschiedene F setzt nach der Scheidung ihre Ausbildung als Sozialarbeiterin fort. Sie erhält 600 Euro Unterhalt. Nach der Bewilligung von BAföG verringert sich ihr Unterhaltsanspruch um den BAföG-Betrag. Nach Wegfall der BAföG-Zahlung wegen Erreichens der Altersgrenze, die i.d.R. bei 30 Jahren liegt (§ 10 Abs. 1 BAföG), stehen ihr wieder 600 Euro Unterhalt zu.3
b) Unterhalt wegen Fortbildung oder Umschulung (§ 1575 Abs. 2 BGB) 217
Unterhaltsberechtigt ist der Ehegatte, der sich zum Ausgleich ehebedingter beruflicher Nachteile fortbilden oder umschulen lässt (§ 1575 Abs. 2 BGB).
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Hat ein Ehegatte mit Rücksicht auf die Familie – in der Praxis überwiegend wegen der Kindesbetreuung – seine Fähigkeiten im Beruf nicht entfalten können, 1 OLG Karlsruhe, FamRZ 2012, 789. 2 OLG Koblenz, FamRZ 1987, 481. 3 Die Altersgrenze gilt z.B. nicht bei Verhinderung (bis zu 10 Jahren) wegen Kinderbetreuung (§ 10 Abs. 3 Nr. 3 BAföG).
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
soll er nicht auf eine ihm mögliche angemessene Erwerbstätigkeit verwiesen werden, sondern zunächst Gelegenheit haben, zwischenzeitlich eingetretene Entwicklungen im Beruf nachzuholen, um sich noch im Beruf angemessen entfalten zu können. Ob ein ehebedingter Nachteil vorliegt, lässt sich z.B. anhand eines Vergleichs zur möglichen beruflichen Entwicklung ohne Eheschließung feststellen. 219
Beispiel F, eine russische Dozentin für Sprachen, erhält wegen fehlender Promotion in Deutschland keine unbefristete Anstellung an der Universität. Sie hat keinen Anspruch gemäß § 1575 Abs. 2 BGB auf Aufnahme eines Studiums und einer Promotion, weil ihr auch ohne weitere Fortbildung angemessene berufliche Tätigkeiten, z.B. als Dolmetscherin, offen stehen, die ihr eine ausreichende berufliche Entfaltung bieten. Damit steht sie beruflich nicht schlechter als ohne Eheschließung in ihrer Heimat.1
Es wird erwartet, dass der Ehegatte die qualifizierenden Maßnahmen so bald wie 220 möglich aufnimmt, ein erfolgreicher Abschluss möglich ist und dass die Maßnahmen geeignet sind, eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen, die den Unterhalt nachhaltig sichert. Insoweit gelten die Ausführungen unter Rz. 208 entsprechend. Das Gesetz gibt keinen besonderen Einsatzzeitpunkt an, so dass die Anspruchsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der Scheidung vorliegen müssen. Ist der Unterhaltsberechtigte wegen Krankheit oder der Betreuung der gemeinsamen Kinder an der Aufnahme der Ausbildung gehindert, so behält er den Unterhaltsanspruch nach § 1575 BGB, wenn er nach Wegfall dieser Hinderungsgründe ohne schuldhaftes Zögern mit der Ausbildung beginnt. 7. Unterhalt aus Billigkeitsgründen (§ 1576 BGB) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, soweit 221 und solange von ihm aus sonstigen schwerwiegenden Gründen eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann und die Versagung von Unterhalt unter Berücksichtigung der Belange beider Ehegatten grob unbillig wäre (§ 1576 BGB). Mit dieser Vorschrift sollen die Fälle aufgefangen werden, in denen ein Unter- 222 haltsanspruch nach den Vorschriften der §§ 1570–1575 BGB nicht vorliegt, aber gleichwohl aufgrund besonderer Umstände die Versagung von Unterhalt dem Gerechtigkeitsgefühl in unerträglicher Weise widersprechen würde. Es handelt sich hier um eine Ausnahmebestimmung, die immer erst dann zum Zuge kommt, wenn ein anderer Unterhaltsanspruch sicher nicht gegeben ist, der geschiedene Ehegatte aus schwerwiegenden Gründen nicht arbeiten kann, auf Unterhalt angewiesen ist und dem anderen Ehegatten die Unterhaltsgewährung zugemutet werden kann.2 Ein schwerwiegender Grund, der den geschiedenen Partner an der Erwerbstätig- 223 keit hindern kann, ist z.B. die Pflege und Erziehung eines gemeinsam aufgenommenen Pflegekindes. Da ein Anspruch wegen Kindesbetreuung nach § 1570 BGB daran scheitert, dass kein gemeinsames Kind zu betreuen ist, kommt § 1576 BGB zum Zuge.3 1 BGH, FamRZ 1984, 988 ff. 2 Der BGH hat die h.M. zur Subsidiarität des Anspruchs gegenüber anderen Unterhaltstatbeständen bestätigt in FamRZ 2003, 1734 (1735), mit Anm. Büttner, S. 1830. 3 Maier, FPR 2004, 440 ff.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten Beispiel Die Eheleute nehmen ein 2-jähriges Kind mit dem Ziel der Adoption in Pflege. F, die immer ein gleich hohes Einkommen wie M hatte, hört auf zu arbeiten. Noch vor Abschluss des Adoptionsverfahrens trennen sich die Eheleute. F steht nach der Scheidung ein Anspruch gemäß § 1576 BGB zu.
224
Beruht die Inpflegenahme des Kindes nicht auf einem gemeinsamen Plan der Eheleute, sondern vor allem auf der Entscheidung nur eines Ehegatten, der eine sinnvolle Beschäftigung sucht, kann die Inanspruchnahme des anderen unbillig sein. Beispiel F, eine gelernte Kinderschwester, nimmt im August ein behindertes Pflegekind zunächst zur vorübergehenden Betreuung auf, erhält im Oktober die Pflegeerlaubnis für eine dauerhafte Betreuung und stellt im Dezember desselben Jahres den Scheidungsantrag. Obwohl M zugestimmt hatte, kommt hier ein Unterhaltsanspruch gemäß § 1576 BGB nicht zum Zuge, da F die Pflege eher als ihre eigene „berufliche“ Aufgabe verstanden hat und für M wegen der zeitlichen Nähe zwischen Pflegeerlaubnis und Scheidungsantrag die langfristige Unterhaltsverpflichtung unbillig wäre.1
225
Auch die Betreuung eigener Kinder des geschiedenen Ehegatten aus einer vorangegangenen Beziehung kann ausnahmsweise den Unterhaltsanspruch nach § 1576 BGB auslösen. Da das Gesetz grundsätzlich nur den Betreuungsunterhalt für gemeinsame Kinder vorsieht, kommt in diesen Fällen ein Anspruch nach § 1576 BGB nur in Betracht, wenn ganz besondere Umstände für einen Billigkeitsunterhalt sprechen, z.B. aufgrund einer schweren Erkrankung des Kindes ein besonderer Betreuungsbedarf entsteht, Unterhalt vom leiblichen Elternteil nicht verlangt werden kann und der Unterhaltsberechtigte seinerseits während der Ehe besondere Opfer erbracht hat durch die Pflege eines nahen Angehörigen des Pflichtigen.2 Weitere schwerwiegende Gründe können z.B. sein: eine schwere Erkrankung des geschiedenen Ehegatten, dem ein Anspruch nach § 1572 BGB nicht zusteht, weil die Krankheit nicht zum Einsatzzeitpunkt aufgetreten ist und die Ehe von langer Dauer war. Wegen des Ausnahmecharakters der Vorschrift ist generell davon auszugehen, dass dem bedürftigen Ehegatten eine gesteigerte Erwerbspflicht – wie wir sie aus dem Unterhaltsrechtsverhältnis minderjähriges Kind/Eltern kennen – obliegt und der Unterhalt nur für eine Übergangszeit gewährt wird.
226
Kein schwerwiegender Grund liegt vor, wenn zugunsten der Mutter eines gemeinsamen nichtehelichen Kindes, das nach Rechtskraft der Scheidung zur Welt gekommen ist, kein Anspruch auf Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB besteht; denn zu ihren Gunsten kommt § 1615l BGB in Betracht, der eine abschließende Regelung darstellt.3 Auch das Verpassen der Einsatzzeitpunkte in den Unterhaltstatbeständen der §§ 1570 ff. BGB rechtfertigt für sich nicht die Anwendbarkeit von § 1576 BGB.4 1 BGH, FamRZ 1984, 769; so auch OLG Hamm, FamRZ 1996, 1417, 1418. 2 BGH, FamRZ 1983, 800, Tz. 16. Ebenso OLG Koblenz, FamRZ 2010, 1252. 3 BGH, FamRZ 1998, 426 (427). Das OLG Düsseldorf (FamRZ 1999, 1274) hat einem Anspruch gemäß § 1576 BGB stattgegeben in einem Fall, in dem das gemeinsame Kind als eheliches Kind des 1. Ehemannes galt, die Mutter den leiblichen Vater in 2. Ehe heiratete, mit ihm das Kind betreute und nach Scheidung der 2. Ehe Betreuungsunterhalt verlangte. 4 OLG Hamm, FamRZ 1999, 230 (232).
432 Ehinger
IV. Die Berechnung des Unterhalts
Ob die Versagung von Unterhalt grob unbillig ist, d.h. dem Gerechtigkeitsgefühl 227 in unerträglicher Weise widerspricht, ergibt eine Abwägung der Belange beider Ehegatten. In die Abwägung mit einzubeziehen sind Alter, Dauer der Ehe, Gesundheitszustand, Entwicklungen in der Ehe, aufopferungsvolle Pflege naher Verwandter, Belange betroffener Kinder sowie eheliches Fehlverhalten. Allerdings reicht eheliches Fehlverhalten allein nicht zur Versagung eines Unterhaltsanspruchs aus; denn das Unterhaltsrecht beruht nicht mehr auf dem Verschuldensgedanken. Ob dem geschiedenen Ehegatten noch die Zahlung von Unterhalt zugemutet werden kann, hängt u.a. davon ab, ob er noch mit einer Inanspruchnahme rechnen musste und welche neuen Verpflichtungen bestehen, wenn die Scheidung schon länger zurückliegt. Je länger er nicht mit Unterhaltsansprüchen belastet wurde, desto weniger muss er mit einer Inanspruchnahme rechnen.1 Darlegungs- und beweispflichtig für den Unterhaltsanspruch ist der Ehegatte, der 228 Unterhalt verlangt. Der Anspruch nach § 1576 BGB ist subsidiär, d.h. er fungiert als „Lückenfüller“ und kommt immer erst zum Zuge kommt, wenn ein anderer Anspruch nach den §§ 1570–1573 und § 1575 BGB nicht besteht. Deshalb muss sich aus dem Vortrag des Anspruchstellers schlüssig ergeben, dass ein anderer nachehelicher Anspruch nicht gegeben ist. Etwas anderes gilt, wenn – wie im nachfolgenden Beispiel – die Ansprüche ausnahmsweise wegen der Betreuung gemeinsamer und nicht gemeinsamer Kinder auf § 1570 BGB und auf § 1576 BGB beruhen. Die Teilansprüche müssen genau beziffert werden. 229
Beispiel F braucht wegen der Betreuung der gemeinsamen Kinder nur eine Teilzeitbeschäftigung und wegen des Pflegekindes gar keine Erwerbstätigkeit auszuüben. Ihr Unterhaltsanspruch beruht auf §§ 1570 und 1576 BGB mit der Folge, dass die Teilansprüche für jede Anspruchsnorm exakt beziffert werden sollten. Der Anspruch kann insgesamt mit 1 000 Euro beziffert werden, wobei sie klarstellen muss, dass z.B. 600 Euro wegen § 1570 BGB und 400 Euro wegen § 1576 BGB verlangt werden.2
Da bei § 1576 BGB eine umfassende Billigkeitsprüfung zum Tatbestand gehört, 230 finden die leistungsbeschränkenden Billigkeitsklauseln der §§ 1578b und 1579 BGB keine Anwendung.
IV. Die Berechnung des Unterhalts Prüfungsschema für Nacheheunterhalt
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1. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen einer der Anspruchsgrundlagen der §§ 1570–1573, 1575, 1576 BGB vor? 2. Berechnung des eheangemessenen Unterhalts des Anspruchstellers (§ 1578 Abs. 1 BGB). a) Bestimmung des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 BGB). – Klärung sämtlicher eheprägender Einkünfte aus Erwerbstätigkeit und Vermögen beider geschiedener Ehegatten unter Berücksichtigung normaler Einkommensentwicklungen seit der Scheidung. Dazu gehö1 BGH, FamRZ 2003, 1743 (1737). 2 BGH, FamRZ 1984, 361 (Zahlen geändert).
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
ren auch fiktive Einkünfte, wenn ein Ehegatte vorwerfbar nicht seiner Erwerbsobliegenheit nachkommt, ebenso der unterhaltsrelevante Teil von Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit (§§ 242, 1577 Abs. 2 BGB). – Bereinigung der Einkommen durch Abzug berufsbedingter Aufwendungen und ehebedingter Verbindlichkeiten, abschließend Abzug eines Erwerbstätigenbonus vom Einkommen aus Erwerbstätigkeit. – Ergebnis: Summe der bereinigten Einkommen ergibt den Bedarf beider Ehegatten. Davon entfällt auf den Unterhaltsberechtigten die Hälfte. b) Ist der Berechtigte in Höhe des errechneten Bedarfs bedürftig? – Vom Bedarf des Berechtigten sind abzuziehen seine sämtlichen bereinigten Einkünfte, egal ob eheprägend oder nicht. – Bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit nur Abzug des unterhaltsrelevanten Teils des Einkommens, der auch als bedarfsprägendes Einkommen berücksichtigt wurde, und kein Abzug des nicht unterhaltsrelevanten Teils. – Ergebnis: ungedeckter Bedarf des Berechtigten. c) Ist der Verpflichtete zur Zahlung des ungedeckten Bedarfs leistungsfähig? – Von dem bereinigten Einkommen des Verpflichteten, das nicht um den Erwerbstätigenbonus gemindert ist, sind abzuziehen – der ungedeckte Bedarf des Berechtigten, – ggf. weitere nicht ehebedingte Verbindlichkeiten wie z.B. nachehelich entstandene Unterhaltsverbindlichkeiten. – Angemessenheitskontrolle unter Berücksichtigung des eheangemessenen Selbstbehalts des Verpflichteten: – Dem Verpflichteten soll der eheangemessene Selbstbehalt verbleiben. Ist dies nicht der Fall, liegt ein relativer Mangelfall vor, der zu einer Kürzung des Unterhalts des Berechtigten und des Verpflichteten führt (Billigkeitsunterhalt gem. § 1581 BGB). – Der angemessene Eigenbedarf des Verpflichteten stellt die Untergrenze für die Kürzung dar. Er ist in der DT, Anm. B IV, und Nr. 21.4 der LL der OLG geregelt und beträgt nach dem Stand 1.1.2014: 1 100 Euro (Rz. 357). Bei mehreren Unterhaltsberechtigten richtet sich die Befriedigung nach der Rangfolge. Bei Gleichrang kann eine anteilige Kürzung der Billigkeit entsprechen.1 3. Ergebnis: zu zahlender Unterhalt, ggf. Billigkeitsunterhalt gemäß § 1581 BGB. 232
Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Unterhaltsanspruch ist auf eine monatlich im Voraus zu zahlende Geldrente gerichtet und umfasst den gesamten Lebensbedarf als Summe der individuellen Einzelbedürfnisse. Die individuellen ehelichen Le1 BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 34 f.
434 Ehinger
IV. Die Berechnung des Unterhalts
bensverhältnisse bestimmen die obere Grenze des Bedarfs. Neben dem sich aus § 1578 Abs. 1 BGB ergebenden Anspruch auf Elementarunterhalt für die Kosten der allgemeinen Lebensführung gehören zum Unterhaltsbedarf auch die Kosten für die Krankenversicherung, für Schul- oder Berufsausbildung, Fortbildung oder Umschulung (§ 1578 Abs. 2 BGB) sowie eine angemessene Versicherung für das Alter und den Fall der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit (§ 1578 Abs. 3 BGB). Der über den Elementarunterhalt hinausgehende Bedarf muss ausdrücklich geltend gemacht werden. Es gibt beim Ehegattenunterhalt für den eheangemessenen Bedarf keine pau- 233 schalierten Bedarfssätze, also auch keine Bedarfsbestimmung nach Tabellen, vielmehr bestimmt sich der Bedarf nach den individuellen prägenden ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 BGB). Er ist nach dem Gesetz keine absolute Größe, sondern abhängig von dem individuellen Lebensstandard der Ehegatten zum Zeitpunkt der Scheidung, so dass er durchaus auch unter dem Sozialhilfesatz liegen kann. Soweit Rechtsprechung und Literatur einen Mindestbedarf für den unterhaltsberechtigten Ehegatten anerkennen, spielt dieser nur eine Rolle als unterste Grenze des Unterhaltsbetrags, auf den z.B. ein höherer eheangemessener Bedarf nach § 1578b Abs. 1 BGB maximal gekürzt werden soll, oder bei der Bemessung des Billigkeitsunterhalts nach § 1581 BGB (s. dazu Rz. 361).1 Der eheangemessene Bedarf wird i.d.R. durch die Einkommen der geschiedenen 234 Ehegatten abzüglich der bestehenden Verbindlichkeiten bestimmt. Da der Anspruch nur noch die weitere Teilhabe an dem zum Zeitpunkt der Scheidung erreichten ehelichen Lebensstandard einschließlich der üblichen und normalen Einkommensentwicklungen sichert, sollten für die Bedarfsbestimmung die aktuellen Einkommensverhältnisse und, wenn die Unterhaltsberechnung nicht zeitgleich mit der Scheidung erfolgt, auch die Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Scheidung bekannt sein. Denn das bedarfsbestimmende Einkommen ist immer das Ergebnis einer Bewertung, welche Teile des aktuellen Einkommens der geschiedenen Ehegatten unter Berücksichtigung welcher Verbindlichkeiten, gemessen an den prägenden ehelichen Lebensverhältnissen zum Zeitpunkt der Scheidung und zwischenzeitlich eingetretener Änderungen, für ihren Unterhaltsbedarf zur Verfügung stehen. Hier ergeben sich nach Trennung und Scheidung meist wirtschaftliche Veränderungen, die für die Betroffenen immer wieder die Frage aufwerfen, welche nach der Scheidung neu hinzugetretenen Verbindlichkeiten sind einkommensmindernd zu berücksichtigen und welche nicht (s. Rz. 309 ff.). 1. Klärung der aktuellen Einkommensverhältnisse Für die Ermittlung des Einkommens der geschiedenen Ehegatten gelten die 235 nachfolgend dargestellten Grundsätze, ergänzend wird auf die Ausführungen unter Kap. A III.2 zur Einkommensklärung und Bereinigung des bedarfsbestimmenden Einkommens (Kap. A Rz. 68 ff.) Bezug genommen. Typische Probleme bei der Klärung des bedarfsbestimmenden Einkommens beim Nacheheunterhalt sind nachfolgend unter Rz. 251 ff. behandelt. 1 Nach BGH, FamRZ 2010, 629 Tz. 32, darf die Herabsetzung nach § 1578b Abs. 1 BGB die untere Grenze des Existenzminimums nicht unterschreiten und kann entsprechend den Leitlinien der OLG in der Höhe pauschal bemessen werden in Höhe des notwendigen Eigenbedarfssatzes eines nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
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Die Einkommensermittlung sollte sich auf folgende Zeiträume beziehen:
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Da für die Berechnung des zukünftigen (laufenden) Unterhalts eine Prognoseentscheidung darüber erforderlich ist, welche Einkünfte die Ehegatten voraussichtlich erzielen werden, ist Grundlage für die Prognoseentscheidung bei nichtselbständigen Erwerbstätigen i.d.R. das letzte Kalenderjahreseinkommen, bzw. in den letzten 12 Monaten erzielte Einkommen (Kap. A Rz. 79 ff.), bei Selbständigen i.d.R. das in den letzten drei Jahren erzielte Einkommen (Kap. A Rz. 87 ff.). Sind Unterhaltsrückstände zu berechnen, ist Berechnungsgrundlage das in den maßgeblichen Zeiträumen tatsächlich erzielte Einkommen, wobei jeweils auf den Jahresdurchschnitt abgestellt werden kann.1
238
Zu erfassen sind zunächst sämtliche Einkünfte der geschiedenen Ehegatten aus selbständiger oder nichtselbständiger Erwerbstätigkeit, Lohnersatzzahlungen wie Krankengeld, Arbeitslosengeld und Unfallrenten,2 Renten, der auf den Pflegenden entfallende Teil des Pflegegeldes, Leistungen nach dem BAföG, auch wenn sie als Darlehen gewährt werden, sonstige geldwerte Zuwendungen und Einkünfte aus Vermögen. Nicht berücksichtigt werden sozialstaatliche Leistungen wie ALG II nach dem SGB II (ausgenommen sind davon solche Leistungen zur Eingliederung, die nicht als subsidiäre Sozialleistungen erbracht werden.3 Sozialhilfe und Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII. Diese Leistungen sind in der Regel subsidiär, so dass der Unterhaltsbedürftige zunächst seinen Unterhaltsanspruch gegen den Ehegatten geltend machen muss. Zur Berechnung des ALG II, zu Nebenverdienstmöglichkeiten und zum gesetzlichen Forderungsübergang vgl. Kap. A Rz. 120 ff. und Kap. H Rz. 30 ff.
239
Auch bei den Leistungen der Grundsicherung nach § 41 ff. SGB XII, die für Ehegatten ab Vollendung des 65. Lebensjahres und bei dauerhafter Erwerbsminderung in Betracht kommen können, handelt es sich um eine besondere Form der Sozialhilfe, auf die nur ein Anspruch besteht, wenn und soweit der Unterhaltsanspruch gegen den Ehegatten den Grundsicherungsbedarf unterschreitet. Bleibt dann immer noch ein ungedeckter Bedarf, kann darüber hinaus Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 ff. SGB XII) und ggf. für besondere Bedarfslagen (5.–8. Kapitel des SGB XII) beantragt werden.
240
Für alle Sozialleistungen gilt, dass sie ausnahmsweise unterhaltsrechtlich als anrechenbares Einkommen zu behandeln sind, wenn die Nichtberücksichtigung durch den Unterhaltsberechtigten treuwidrig wäre, weil z.B. ein Rückgriff des Sozialträgers gegen den Verpflichteten aus übergeleitetem oder übergegangenem Recht nicht mehr in Betracht kommt (§ 242 BGB).4
241
Das Elterngeld wird bei Unterhaltsverpflichtungen nur berücksichtigt, soweit es 300 Euro übersteigt (§ 11 BEEG). Dies gilt selbst dann, wenn der Berechtigte zusammen mit dem Unterhalt ein höheres Einkommen als der Verpflichtete hat (Kap. A Rz. 152).5 Es wird jedoch ungeschmälert berücksichtigt, wenn die Voraussetzungen nach § 1579 BGB vorliegen, d.h., der Unterhaltsanspruch wegen
1 2 3 4 5
BGH, FamRZ 2007, 1532 (1534). OLG Koblenz, FamRZ 2003, 1106 (1107). Nr. 2.2 der Leitlinien des zuständigen OLG; BGH, FamRZ 2009, 307 Tz. 19 f. BGH, FamRZ 1999, 843; BGH, FamRZ 2001, 619. Röhl, NJW 2010, 1418.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
grober Unbilligkeit beschränkt werden kann (§ 11 Satz 4 BEEG i.V.m. § 1579 BGB, s. Kap. A Rz. 153). Zu erfassen sind hingegen Einkünfte aus Schmerzensgeld, denn sie können für 242 den Unterhalt bei der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten oder Bedürftigkeit des Berechtigten eine Rolle spielen, wobei jedoch die Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes – Ersatz immaterieller Schäden und Genugtuung – im Rahmen einer Billigkeitsprüfung zu beachten ist. Aufgrund der Zweckbestimmung darf der Geschädigte das Kapital selbst in seiner Substanz erhalten oder für andere Zwecke verwenden, ohne gegen seine unterhaltsrechtliche Obliegenheit zu verstoßen.1 Der Berechtigte muss es nicht zur Erleichterung der Unterhaltspflicht des anderen für seinen Bedarf verbrauchen.2 Ebenfalls zu erfassen sind sämtliche Abzüge wie Steuern, Solidaritätszuschlag, 243 Vorsorgeaufwendungen für die Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung, Altersvorsorge (Kap. A Rz. 73 f.), berufsbedingte Aufwendungen (Kap. A Rz. 215 ff.), Kinderbetreuungskosten (Rz. 269; Kap. A Rz. 221) und sonstige Verbindlichkeiten (Rz. 309 ff.). Vgl. zur Klärung der aktuellen Einkommensverhältnisse die Checklisten unter Kap. E Rz. 68 und Kap. E Rz. 81, die beim nachehelichen Unterhalt ebenfalls verwendet werden kann. 2. Klärung der prägenden Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Scheidung Wenn die Unterhaltsberechnung nicht zeitgleich mit der Scheidung, sondern erst 244 zu einem späteren Einsatzzeitpunkt erfolgt, empfiehlt es sich, neben den aktuellen Einkommensverhältnissen noch die prägenden ehelichen Lebensverhältnisse zum Zeitpunkt der Scheidung zu klären; denn der Bedarf bleibt in der Höhe beschränkt auf die weitere Teilhabe an dem zum Zeitpunkt der Scheidung erreichten Lebensstandard, unter Berücksichtigung nachfolgender normaler Einkommensentwicklungen. D.h., der Bedarf ist nicht dauerhaft in einer bestimmten Höhe festgeschrieben im Sinne einer fortdauernden Lebensstandardgarantie, denn nach der Scheidung eintretende normale Einkommenssteigerungen, aber auch Einkommenseinbußen bei beiden geschiedenen Ehegatten, wirken sich auf die Höhe des Bedarfs aus (Rz. 251 ff.). Um beurteilen zu können, ob Einkommenssteigerungen oder -verringerungen beim bedarfsbestimmenden Einkommen zu berücksichtigen sind, oder die Zurechnung eines fiktiven Einkommens wegen Verletzung der Erwerbsobliegenheit in Betracht kommt, ferner, ob Verbindlichkeiten vom bedarfsbestimmenden Einkommen abzuziehen sind, sollten folgende Fragen geklärt werden: Wie hoch war das Durchschnittseinkommen der Ehegatten zum Zeitpunkt der 245 Scheidung? Welche Einkommensentwicklungen waren mit hoher Wahrscheinlichkeit voraussehbar und konnten die Ehegatten ihren Lebenszuschnitt vernünftigerweise darauf einstellen? Welche Verbindlichkeiten bestanden? Wie sah die Lebensplanung im Hinblick auf die Betreuung der Kinder aus? Vor der Trennung eingetretene Einkommensänderungen sind stets prägend.3
246
1 BGH, FamRZ 1988, 1030 (1034). 2 BGH, FamRZ 1989, 170 ff.; 1988, 1030 (1034); OLG Karlsruhe, FamRZ 2002, 750. 3 BGH, FamRZ 1988, 259 (262).
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
3. Feststellung des bedarfsbestimmenden Einkommens nach dem Maßstab der prägenden ehelichen Lebensverhältnisse 247
Sind die aktuellen und die zum Zeitpunkt der Scheidung prägenden Einkommens- und Lebensverhältnisse bekannt, kann bestimmt werden, in welcher Höhe das Einkommen unter Berücksichtigung welcher Verbindlichkeiten nach den ehelichen Lebensverhältnissen für den Unterhalt der geschiedenen Ehegatten zur Verfügung stehen sollte. Sofern Veränderungen eingetreten sind, ist immer eine Bewertung notwendig, welchen Einfluss diese Veränderungen auf das bedarfsbestimmende Einkommen haben. Die Bewertung, welches Einkommen für Unterhaltszwecke nach den prägenden ehelichen Lebensverhältnissen zur Verfügung zu stehen hat, ist für die Höhe des Anspruchs von entscheidender Bedeutung.
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Beispiel Einkommensverhältnisse zur Zeit der Scheidung Unbereinigtes Gesamtdurchschnittsnettoeinkommen Davon entfallen auf die Ehefrau F: abzüglich berufsbedingte Aufwendungen1 abzüglich ehebedingte Schulden bereinigtes Einkommen den Ehemann M: abzüglich 5 % berufsbedingte Aufwendungen abzüglich ehebedingte Schulden bereinigtes Einkommen prägendes Gesamteinkommen Einkommensverhältnisse nach der Scheidung: Das Einkommen hat sich für beide Ehegatten erhöht auf 600 Euro bei F und 2 800 Euro bei M. M ist jetzt einem nachehelich geborenen Kind unterhaltspflichtig i.H.v. 282 Euro und hat Aufwendungen für eine nicht selbstgenutzte Eigentumswohnung i.H.v. 400 Euro. Das eheprägende Einkommen beträgt: Unbereinigtes Gesamtdurchschnittsnettoeinkommen Davon entfallen auf die Ehefrau F: abzüglich berufsbedingte Aufwendungen abzüglich ehebedingte Schulden bereinigtes Einkommen den Ehemann M: abzüglich 5 % berufsbedingte Aufwendungen abzüglich ehebedingte Schulden um ehebedingte Schulden bereinigtes Einkommen Das bedarfsbestimmende eheprägende Gesamteinkommen beträgt (545 + 2 535 = 3080 Euro) von dem noch jeweils der Erwerbstätigenbonus für jeden Ehegatten abzuziehen ist Nicht abzugsfähig sind folgende nachehelich entstandene Verbindlichkeiten auf der Bedarfsebene: Unterhalt für ein nach der Scheidung geborenes nicht gemeinsames Kind Aufwendungen für eine nicht selbst genutzte Eigentumswohnung
3 000 Euro 500 Euro 25 Euro 25 Euro 450 Euro 2 500 Euro 125 Euro 125 Euro 2 250 Euro 2 700 Euro
3 400 Euro 600 Euro 30 Euro 25 Euro 545 Euro 2 800 Euro 140 Euro 125 Euro 2 535 Euro 3 080 Euro
282 Euro 400 Euro
Das bedarfsbestimmende eheprägende Gesamteinkommen beträgt im vorstehenden Beispiel 3 080 Euro, denn die Erhöhung der Einkommen der geschiedenen Ehegatten entspricht der normalen Entwicklung. Die ehelichen Lebensverhältnisse waren geprägt durch den Abzug der Kreditraten i.H.v. insgesamt 150 Euro. Der Unterhalt für das nach der 1 Nr. 10.2.1 der LL.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts Scheidung geborene, nicht gemeinsame Kind ist nicht auf der Ebene des bedarfsbestimmenden Einkommens des Ehemannes abzugsfähig, denn es handelt sich um eine Verbindlichkeit, die nicht den ehelichen Bedarf zum Zeitpunkt der Scheidung geprägt hat und für die auch ein Bezug zu den bedarfsprägenden ehelichen Lebensverhältnissen der geschiedenen Ehegatten fehlt (Rz. 333). Ebenfalls nicht abzugsfähig sind die nach der Scheidung entstandenen Verbindlichkeiten für die Immobilie. Denn der Verpflichtete darf nicht zu Lasten des Unterhaltsberechtigten Vermögen bilden.
Nachdem das BVerfG die Rechtsprechung des BGH zu den „wandelbaren“ ehe- 249 lichen Lebensverhältnissen und die Abkehr vom Stichtag der Rechtskraft der Scheidung für die Bestimmung des ehelichen Bedarfs für verfassungswidrig erklärt hat,1 ist für die Klärung des bedarfsbestimmenden Einkommens und die Berechnung des zu zahlenden nachehelichen Unterhalts wieder die bis 2006 vom BGH praktizierte Systematik maßgeblich. Zur Entwicklung der Rechtsprechung des BGH s. Rz. 18 ff. Danach werden die ehelichen Lebensverhältnisse im Sinne von § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich durch die Umstände bestimmt, die bis zur Rechtskraft der Ehescheidung eingetreten sind. Nacheheliche Entwicklungen wirken sich auf die Bedarfsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen nur aus, wenn sie auch bei fortbestehender Ehe eingetreten wären oder in anderer Weise in der Ehe angelegt und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten waren.2 Ausgehend von diesen Auslegungsmaximen sind deshalb bei der Bedarfsklärung nur solche Entwicklungen zu berücksichtigen, die einen Anknüpfungspunkt in der Ehe finden, also gleichsam in ihr angelegt waren, oder die bei Fortbestand der Ehe auch deren Verhältnisse geprägt hätten.3 Dazu gehören alle bis zur Rechtskraft der Scheidung eingetretenen Umstände, wie z.B. Unterhaltsansprüche von gemeinsamen oder auch nicht gemeinsamen Kindern, der Unterhaltsanspruch der Mutter eines vor Rechtskraft der Scheidung geborenen Kindes. Nacheheliche Entwicklungen sind zu berücksichtigen, wenn sie in der Ehe angelegt waren, ihre Entstehung also absehbar war.4 Dies gilt für nicht vorwerfbare Einkommensrückgänge, wie z.B. durch Arbeitslosigkeit oder Eintritt ins Rentenalter,5 genauso wie für Einkommenserhöhungen, wenn mit ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit gerechnet werden konnte. Dazu zählt auch zusätzliches Einkommen bei Wiederaufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit bei Wegfall oder Verringerung von Familienarbeit eines Ehegatten. Nicht eheprägend sind danach nicht mehr nachehelich entstandene Unterhaltsverbindlichkeiten für nachehelich geborene Kinder, neue Ehegatten oder wegen Betreuung eines nachehelich geborenen Kindes nach § 1615l BGB.6 1 BVerfG, FamRZ 2011, 437 ff. insbesondere bezogen auf folgende Entscheidungen: BGH, FamRZ 2006, 683; 2007, 793; 2009, 411 (Berücksichtigung von Einkommensänderungen unabhängig von deren Beginn); FamRZ 2008, 1911 (Dreiteilung des Gesamteinkommens). 2 BGH, FamRZ 2012, 281, LS 1 und Tz. 23 f. unter Bezugnahme auf seine frühere Rechtsprechung in FamRZ 2001, 986 (989 ff.); 2000, 1492 (1493); 1999, 367 (368 f.); 1994, 87 (88 f.); 1992, 1045 (1056); 1988, 817 (818); 1987, 456 (458 f.). 3 BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 23 unter Bezugnahme auf FamRZ 2003, 590 (591 f.); FamRZ 1992, 1045 (1046 f.) und FamRZ 1988, 701 (703). Zum Ehegattenbedarf nach Verwerfung der Drittelmethode durch das BVerfG, Graba, FPR 2013, 138 (139 f.); Borth, FamRZ 2011, 445 (446). 4 BGH, FamRZ 1988, 701 (703). 5 BGH, FamRZ 2003, 590 (591 f.). 6 BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 27 f. Ebenso Maurer, FamRZ 2011, 849 (855); Borth, FamRZ 2011, 445 (446 f.); Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 1 Rz. 855 ff.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
250
Das Problem der Befriedigung von gleichrangigen Ansprüchen bei geringen Mitteln, löst der BGH nun über die Anwendung der Dreiteilung im Rahmen der Leistungsfähigkeit s. Rz. 365 und Kap. E Rz. 247 ff. 4. Zur Vertiefung: Typische Probleme bei der Feststellung des prägenden bedarfsbestimmenden Einkommens a) Einkommenserhöhungen und Einkommensminderungen nach der Scheidung (§ 1578 Abs. 1 BGB)
251
Vom Zeitpunkt der Scheidung an beschränkt sich die Teilhabe an der Einkommensentwicklung des anderen nur noch auf die normale Weiterentwicklung der in der Ehe angelegten beruflichen Entwicklung, d.h. an den üblichen Gehaltsund sonstigen Einkommenssteigerungen. Waren Einkommensverbesserungen zum Zeitpunkt der Scheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit vorauszusehen, ist der Bedarf für einen späteren, nach der Scheidung liegenden Zeitraum nach den dann maßgeblichen Einkommen zu berechnen.1 Weichen Einkommenserhöhungen wesentlich vom zu erwartenden Normalverlauf ab, werden sie nicht mehr beim bedarfsbestimmenden Einkommen berücksichtigt, es sei denn, ihnen liegt eine Entwicklung zugrunde, die schon in der Ehe angelegt war und deren Erwartung die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat.2 Indiz für eine unerwartete, vom Normalverlauf erheblich abweichende berufliche Entwicklung ist eine überdurchschnittliche Gehaltssteigerung, die allein auf dem Einsatz und den Leistungen des Mannes oder der Frau beruht (sog. Karrieresprung), also nicht auf einem normalen beruflichen Werdegang.3 Es ist dann für die Bedarfsbemessung das frühere Einkommen des Unterhaltspflichtigen maßgeblich, das ggfs. an zwischenzeitlich erfolgte, übliche Gehaltssteigerungen anzugleichen ist. Ist daneben der Unterhalt für gemeinsame Kinder zu berechnen, ist zu beachten, dass sich der Kindesunterhalt demgegenüber nach dem tatsächlich erzielten, höheren Einkommen des Verpflichteten richtet. Im Verhältnis zum Unterhaltsberechtigten kommt das Einkommen aus Karrieresprung nur noch zum Tragen im Rahmen der Überprüfung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten, jedenfalls dann, wenn für ihn noch nicht eheprägende, weitere Verbindlichkeiten anfallen, s. Rz. 358 und Kap. E Rz. 220 ff.4
252
Beispiele – Zum Zeitpunkt der Scheidung ist M noch Student und steht wenige Monate vor dem Abschluss seiner Ausbildung als Mediziner. Für die Berechnung des Betreuungsunterhalts der F wird aber sein Einkommen aus der 8 Monate später aufgenommenen Tätigkeit als Assistenzarzt zugrunde gelegt, da diese Entwicklung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war.5 – M hatte vor der Trennung seine erste Facharztausbildung begonnen, diese während der Trennung abgeschlossen, noch vor der Scheidung seine zweite Facharztausbildung im Krankenhaus begonnen und war zzt. der Scheidung Assistenzarzt. Der BGH hat die 1 BGH, FamRZ 1987, 459 m.w.N.; FamRZ 2006, 387 (390). 2 BGH, FamRZ 1987, 459. 3 BGH, FamRZ 2007, 793 (795); 2007, 1232 (1233); 1990, 1085; OLG Düsseldorf, FamRZ 1992, 1439; Born, Der Karrieresprung im Unterhaltsrecht, MDR 1999, 1101 ff.; Th. Heiß, Karrieresprung und eheliche Lebensverhältnisse, FPR 2008, 69. 4 BGH, FamRZ 2009, 579 (583); FamRZ 2008, 1911 (1914 ff.) m. Anm. Maurer. 5 BGH, FamRZ 1986, 148 ff. So auch OLG Celle, FamRZ 2006, 704, wenn die berufliche Tätigkeit auf einem in der Ehe absolvierten Fachhochschulstudium beruht, auch wenn das Einkommen dreimal so hoch ist als zum Zeitpunkt der Scheidung.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts Entscheidung des OLG gebilligt, hier keinen Karrieresprung anzunehmen, weil sich die Ernennung zum Oberarzt als Fortsetzung der in der Ehe angelegten beruflichen Entwicklung darstelle und es während der Ehezeit „nicht unwahrscheinlich“ gewesen sei, dass er eine entsprechende Stelle 2 Jahre nach der Scheidung erhalten würde.1 – Zum Zeitpunkt der Scheidung war M Dipl.-Mathematiker und wissenschaftlicher Angestellter an der Universität. Ungewiss war zu diesem Zeitpunkt, welche Laufbahn er einschlagen würde. 21/2 Jahre später bezieht er ein deutlich höheres Einkommen in einer Computerfirma. Bei der Neuberechnung des Unterhalts der F wird weiter das Einkommen als wissenschaftlicher Assistent unter Berücksichtigung zwischenzeitlich eingetretener üblicher Gehaltserhöhungen zugrunde gelegt.2 Das tatsächlich erzielte Einkommen wäre nach der neuen Rechtsprechung des BGH zu berücksichtigen, wenn für M nach der Scheidung weitere Unterhaltspflichten für Kinder und/oder einen neuen Ehegatten entstanden wären.3
Einkünfte aus einer Erbschaft, die erst nach der Trennung/Scheidung anfallen, 253 können nur dann das eheprägende Einkommen nachträglich erhöhen, wenn die Ehegatten mit dieser Einkommensentwicklung noch vor der Trennung rechnen und ihren Lebenszuschnitt vernünftigerweise schon darauf einstellen konnten. Dabei sind nachträglich anfallende Einkünfte nur in dem Umfang als eheprägend zu berücksichtigen, in dem die Ehegatten ihre Lebensführung bereits darauf zugeschnitten haben.4 254
Beispiel M ist selbständig erwerbstätig und weiß, dass er nach dem Tod seiner Mutter Alleinerbe ihres nicht unbeträchtlichen Vermögens sein wird. Im Hinblick darauf unterlässt er es, für eine eigene angemessene Altersversorgung zu sorgen. Die Erbschaft fällt nach der Scheidung seiner Ehe an. Dem eheprägenden Einkommen sind nicht die gesamten Einkünfte aus dem Vermögen (Zinsen, Dividenden etc.) hinzuzurechnen, sondern nur Einkünfte in Höhe der ersparten Aufwendungen für eine eigene angemessene Altersversorgung in Höhe von 24 % des Gesamtbruttoeinkommens des Vorjahres.5
So wie in der Ehe angelegte Einkommenssteigerungen den nachehelichen Bedarf 255 verändern und prägen können, sind auch Einkommensverschlechterungen zu berücksichtigen und von den geschiedenen Ehegatten hinzunehmen,6 wenn der Einkommensrückgang nicht auf einem vorwerfbaren Verhalten beruht und nicht abgewendet oder durch zumutbare Vorsorgemaßnahmen aufgefangen werden konnte. Hat ein Ehegatte seine Arbeit verloren und verdient er im Rahmen eines neuen Beschäftigungsverhältnisses deutlich weniger, ohne dass der Einkommensrückgang auf einem ihm vorwerfbaren Verhalten beruht, ist die Schmälerung des Lebensstandards von dem geschiedenen Ehegatten hinzunehmen. Denn auch bei Fortbestand der Ehe hätten sich die Ehegatten auf die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse einstellen müssen. Eine Korrektur des Bedarfs „nach unten hin“ ist bei negativen Einkommensentwicklungen im Rahmen von § 1578 Abs. 1 BGB immer dann geboten, wenn der Einkommensrückgang nicht abwendbar ist, denn der geschiedene Ehegatte kann nicht besser stehen, als wenn er noch verheiratet wäre.7 Einkommensverringerungen aufgrund 1 2 3 4 5 6
BGH, FamRZ 2009, 579 (584), Tz. 46. BGH, FamRZ 1985, 791 ff. BGH, FamRZ 2009, 579 (583); 2009, 411 Tz. 32 ff. m. Anm. Borth, S. 416 f. BGH, FamRZ 2006, 387 (390); FamRZ 1987, 459 (461). Vgl. dazu BGH, FamRZ 2006, 387 (390). BGH, FamRZ 2009, 411 (414 f.); 2008, 968 ff.; FamRZ 2006, 683 ff.; FamRZ 2003, 590 (592). 7 BGH, FamRZ 2003, 590.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
der Durchführung eines Versorgungsausgleichs zugunsten eines späteren Ehegatten sind nicht eheprägend und nur im Rahmen der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen.1 256
Abfindungen, die ein Ehegatte wegen des Verlusts seines Arbeitsplatzes erhält, sind in der Regel bis zur Erlangung einer neuen Arbeit umzulegen bis zur Höhe des zuvor erzielten monatlichen Nettoeinkommens. Ist mit einer längeren Arbeitslosigkeit zu rechnen, kann die Abfindung auch auf einem niedrigeren Niveau umgelegt werden, um eine längere Zeit überbrücken zu können. Welche Bemessung der Höhe und Dauer der Umlage sinnvoll ist, ist anhand des Einzelfalls zu entscheiden.2 Jedenfalls sind Abfindungen nicht zur Vermögensbildung einsetzbar, vielmehr besteht die Obliegenheit, sie für den Unterhalt zu verwenden, unabhängig von der arbeitsrechtlichen Zweckbestimmung.
257
Dies gilt auch dann, und insoweit hat sich die Rechtsprechung des BGH geändert,3 wenn der Ehegatte eine neue, schlechter bezahlte Arbeit findet. Auch wenn die Einkommenseinbuße nicht auf einem vorwerfbaren Verhalten des Ehegatten beruht, muss die Abfindung für Unterhaltszwecke verwendet werden und darf nicht der Vermögensbildung dienen.4
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Beispiel M verdiente mtl. 7 320 DM, wurde während der Trennungszeit arbeitslos und findet erst nach der Scheidung eine geringer bezahlte Tätigkeit mit mtl. 5 594 DM. Erhält er von seinem früheren Arbeitgeber erst nach der Scheidung eine Abfindung, war diese nach der früheren Rechtsprechung des BGH nicht als Einkommen zu berücksichtigen und umzulegen, weil unverschuldete Einkommensverringerungen vom anderen Ehegatten hinzunehmen waren.5 Anderes gilt seit der Änderung der Rechtsprechung:6 Die Abfindung ist bis zur Höchstgrenze des nach dem früheren Einkommen maßgeblichen Unterhalts zu verwenden, insoweit handelt es sich um eine Lohnersatzleistung, die zur Kompensation des noch vor der Scheidung erlittenen Arbeitsplatzverlustes gezahlt wurde. Damit ist sie dem eheprägenden Einkommen zuzuordnen.
259
Abfindungen sind als Einkommen zu versteuern, s. dazu Kap. E Rz. 83. Für den Nacheheunterhalt gilt bei der Besteuerung noch die Besonderheit, dass der dem wiederverheirateten Verpflichteten bei der Besteuerung zugutekommende Splittingvorteil außer Betracht bleiben muss, so dass die Besteuerung fiktiv zu berechnen ist.7 Berufsbedingte Aufwendungen und ein Erwerbstätigenbonus werden nicht abgezogen. Zu beachten ist ferner, dass sich bei größeren Summen das Problem der Doppelverwertung beim Unterhalt und Zugewinn ergeben kann, die grundsätzlich verboten ist.8 1 2 3 4 5
BGH v. 14.5.2014 – XII ZB 301/12 – Tz. 20. BGH, FamRZ 2012, 1040 Tz. 41; 2012, 1048 m. Anm. Maurer S. 1685. BGH, FamRZ 2012, 1048 Tz. 11 unter Aufhebung von BGH, FamRZ 2003, 590. BGH, FamRZ 2003, 590 f. BGH, FamRZ 2003, 590. Dieser Rechtsprechung entsprach das Beispiel in der 6. Auflage. 6 BGH, FamRZ 2012, 1040 Tz. 39 im Anschluss an BGH, FamRZ 2010, 1311 und unter Aufgabe von FamRZ 2003, 590. 7 Im Mangelfall sind bei gleichrangigen Unterhaltsansprüchen für die Bemessung des Billigkeitsunterhalts alle Einkünfte, einschließlich der steuerlichen Vorteile aus der bestehenden Ehe, aufseiten des Verpflichteten zu berücksichtigen, BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 47. 8 BGH, FamRZ 2012, 1040 Tz. 42 unter Bezugnahme auf BGH, FamRZ 2004, 1352. Zur Vertiefung mit Beispielen Gerhardt, FPR 2006, 485; Pichelmeier, NZFam 2014, 385 (387).
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
Zu einem ebenfalls hinzunehmenden Einkommensrückgang kommt es regel- 260 mäßig dann, wenn einer der Ehegatten oder beide in den Ruhestand treten. An die Stelle der Erwerbseinkünfte treten die Renten und bestimmen den Bedarf. Dabei prägen neben den in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften auch die vorehelich, nachehelich und durch den Versorgungsausgleich erworbenen Rentenanwartschaften den Bedarf.1 D.h., die Rente des früher haushaltsführenden Ehegatten prägt die ehelichen Lebensverhältnisse sowohl hinsichtlich des Teils, der auf einer vor und während der Ehe ausgeübten Erwerbstätigkeit beruht als auch des Teils, der ihm als Surrogat für die geleistete Hausarbeit durch den Versorgungsausgleich zugeflossen ist.2 Anderes soll nach der Rechtsprechung des BGH für den Teil der Altersversor- 261 gung gelten, der mit den Mitteln des Vorsorgeunterhalts erworben wurde. Dieser Versorgungsteil soll bei der Bedarfsbestimmung außer Betracht bleiben und nur bedarfsmindernd im Wege der Anrechnungsmethode auf den errechneten Bedarf anzurechnen sein, weil Sinn und Zweck der Unterhaltszahlung, der Ausgleich ehebedingter beruflicher Nachteile sein sollte, so dass bei einer den Bedarf erhöhenden Berücksichtigung der Versorgung der Unterhaltspflichtige wirtschaftlich doppelt belastet wäre.3 Nach anderer Auffassung, die mehr überzeugt, ist diese Differenzierung nicht gerechtfertigt, denn genau wie jede andere Altersversorgung, die der Berechtigte z.B. mit Mitteln des Zugewinns erlangt, gehört die aufgrund des Vorsorgeunterhalts erworbene Rente zum bedarfsprägenden Einkommen. Im Ergebnis kommt sie dadurch zwar nur i.H. der Hälfte dem Unterhaltspflichtigen zugute; für eine nur ihm allein zugutekommende Berücksichtigung besteht aber auch kein zwingender Grund.4 Denn der für den Erwerb der Versorgung gezahlte Vorsorgeunterhalt beruhte auf dem Gedanken des Nachteilsausgleichs, der geradezu konterkariert würde, wenn die durch Vorsorgeunterhalt erworbene Rente im Rentenalter nicht in gleicher Weise auf der Bedarfsebene berücksichtigt wird, wie eine durch eigene Erwerbstätigkeit erworbene Rente, die sie ja substituieren soll. 262
Beispiel E hat eine Rente von 2 000 Euro, F eine Rente von 1 000 Euro zuzüglich 500 Euro mtl. aus einer Leibrente, die sie aus Mitteln des Vorsorgeunterhalts erworben hat. Sie hat keinen Unterhaltsanspruch mehr, wenn man die Leibrente nur bedarfsmindernd anrechnet: 2 000 Euro + 1 000 Euro = 3 000 Euro : 2 = 1 500 Euro Bedarf. F kann diesen Bedarf mit ihren Renten i.H.v. insgesamt 1 500 Euro abdecken. Rechnet man hingegen die Leibrente zum Bedarf hinzu, ergibt sich zugunsten der F noch ein Anspruch von 250 Euro: 2 000 Euro + 1 500 Euro = 3 500 Euro : 2 = 1 750 Euro – 1 500 Euro = 250 Euro ungedeckter Bedarf.
Erzielt der in den Ruhestand getretene Ehegatte noch Einkünfte aus einer Ne- 263 bentätigkeit, also aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit, bleiben diese Einkünfte unterhaltsrechtlich gänzlich außer Betracht, es sei denn, besondere
1 2 3 4
BGH, FamRZ 2003, 848 (851). BGH, FamRZ 2002, 88 (91); BGH, FamRZ 2003, 848 (852). BGH, FamRZ 2003, 848 (852 f.). So Hoppenz, FamRZ 2003, 854 f.; Niepmann/Schwamb, Rz. 514; Empfehlungen des 15. DFGT FamRZ 2003, 1906.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
Gründe erfordern nach Treu und Glauben eine bedarfserhöhende teilweise Berücksichtigung der Einkünfte (s. dazu Rz. 271).1 264
Beruht die Einkommensverringerung auf der Entscheidung eines Ehegatten, aus Altersgründen weniger zu arbeiten und z.B. Altersteilzeit in Anspruch zu nehmen, ist der Einkommensrückgang nur hinzunehmen, wenn es anerkennenswerte Gründe für diese Entscheidung gibt und kein leichtfertiges, die Belange des Anderen missachtendes Verhalten vorliegt.2 Anerkennenswerte Gründe können sein z.B. gesundheitliche Beeinträchtigungen, gute wirtschaftliche Verhältnisse3 und die frühere Lebensplanung der Ehegatten. Das Alter von z.B. 63 Jahren reicht für sich genommen für eine Einschränkung einer eheprägenden Arbeit nach der Rechtsprechung des BGH nicht aus, denn es besteht regelmäßig eine Obliegenheit zur Erwerbstätigkeit bis zum gesetzlichen Rentenalter von 65 bzw. 67 Jahren, so dass – wenn auch im Übrigen anerkennenswerte Gründe für die Altersteilzeit wie z.B. gesundheitliche Beeinträchtigungen fehlen – das zuvor erzielte Einkommen fiktiv als eheprägendes Einkommen in die Unterhaltsberechnung einzustellen ist (s. dazu auch Rz. 120).4 b) Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit, die neben der Kindesbetreuung ausgeübt wird
265
Betreut ein Ehegatte neben seiner Erwerbstätigkeit ein gemeinsames Kind, kann diese Erwerbstätigkeit überobligatorisch sein, was für die Klärung des bedarfsbestimmenden Einkommens von Bedeutung ist. Ob eine Erwerbstätigkeit überobligatorisch ist, hängt von ihrer Zumutbarkeit neben der Kinderbetreuung ab. Dabei geht die Rechtsprechung in Auslegung von § 1570 BGB davon aus, dass jede Erwerbstätigkeit bis zum dritten Lebensjahr überobligatorisch ist und ab Vollendung des dritten Lebensjahrs im Grundsatz eine volle Erwerbspflicht besteht, so dass ab dem Zeitpunkt die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit neben der Kindesbetreuung jeweils von individuellen Faktoren abhängt. Zur Klärung, ob Einkünfte aus einer überobligatorischen Erwerbstätigkeit erzielt sind, sind deshalb zum einen die allgemein geltenden Anforderungen an eine Erwerbstätigkeit und zum anderen die individuellen Besonderheiten im Einzelfall zu klären (s. Rz. 61 ff. zu § 1570 BGB).
266
Diese Voraussetzungen gelten für den kinderbetreuenden Unterhaltspflichtigen genauso wie für den Unterhaltsberechtigten. Für beide gilt auch, dass ihre Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit, die wegen der Kindesbetreuung unzumutbar ist, jeweils dem bedarfsbestimmenden Einkommen hinzuzurechnen sind, dies allerdings nur, soweit sie auf Seiten des Unterhaltsberechtigten nach § 1577 Abs. 2 BGB und auf Seiten des Verpflichteten nach § 242 BGB anrechenbar sind.5 Zur Entwicklung der Rechtsprechung s. Kap. E Rz. 95 f. Der nicht anrechenbare Anteil des Einkommens verbleibt allein dem überobligatorisch tätigen Ehegatten. Er ist unterhaltsrechtlich gänzlich irrelevant, d.h., er bleibt sowohl für die Bedarfsbemessung als auch bei der Prüfung der Bedürftigkeit oder Leistungsfähigkeit unberücksichtigt. 1 BGH, FamRZ 2003, 848 (851); 2006, 683 f. 2 BGH, FamRZ 2012, 1483 Tz. 30; 2006, 683 ff.; 2008, 968; 1999, 708 (709); OLG Hamm, FamRZ 1999, 1079; OLG Hamm, FamRZ 2005, 1177. 3 OLG Koblenz, FamRZ 2000, 610 f. 4 BGH, FamRZ 2006, 683 ff.; BGH, FamRZ 1999, 708 (709). 5 BGH, FamRZ 2001, 350 (353); 2005, 442 ff.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
Für die Bestimmung dieses anzurechnenden und anrechnungsfreien Betrags ist 267 jeweils eine an den individuellen Verhältnissen orientierte Billigkeitsabwägung vorzunehmen, für die ein entscheidendes Kriterium ist, mit welchen besonderen Erschwernissen etwa die Ausübung der Erwerbstätigkeit verbunden ist. Dabei können Aufschluss über die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Kindesbetreuung die Arbeits- und Fahrzeiten geben; ferner ist zu klären, ob und in welchem Umfang ein Kindergarten oder andere Hilfen für die Betreuung in der Arbeitszeit zur Verfügung stehen. Auch die persönlichen Verhältnisse, wie das Alter und der Gesundheitszustand, können Aufschluss geben über Art und Ausmaß der Anstrengung der unzumutbaren Erwerbstätigkeit. Weitere Billigkeitskriterien sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse beider Ehegatten, die Sicherung eines Mindestbedarfs sowohl für den Unterhaltspflichtigen als auch Unterhaltsberechtigten sowie weitere Unterhaltsverpflichtungen.1 Muss der Verpflichtete, der die Kinder betreut, noch für den Barunterhalt der Kinder aufkommen, weil der Ehegatte nicht leistungsfähig ist, können diese Kosten einkommensmindernd abgezogen werden.2 Teilweise wird dieser anrechnungsfreie Betrag auch als Betreuungsbonus bezeichnet; vgl. Kap. E Rz. 97 zur Verwendung des Begriffs in unterschiedlichen Kontexten. Für die Unterhaltsberechnung hat die Unterscheidung in § 1577 Abs. 2 BGB, 268 dass Einkünfte anrechnungsfrei bleiben, soweit der Verpflichtete nicht den vollen Unterhalt nach § 1578 Abs. 1 BGB leistet, aufgrund der geänderten Rechtsprechung des BGH seine frühere Bedeutung weitgehend verloren, weil für die Bestimmung des anrechnungsfreien Betrags maßgeblich auf die vorstehend genannten Billigkeitskriterien abgestellt wird; ansonsten ist das Einkommen unterhaltsrechtlich vollständig schon auf der Bedarfsebene zu berücksichtigen.3 Zur Klärung des anrechnungsfreien Betrags, der den Mindestbedarf des Unterhaltsbedürftigen sichern sollte, kann – entsprechend einem Vorschlag von Gutdeutsch – wie im nachfolgenden Beispiel gerechnet werden.4 269
Beispiel M und F sind geschieden. M hat nach Abzug des Kindesunterhalts für die 2-jährige Tochter K ein bereinigtes Einkommen von 1 600 Euro. F arbeitet seit der Scheidung vollschichtig und verdient bereinigt 1 000 Euro. Sie betreut die 2-jährige Tochter allein, die ganztägig von einer Kinderfrau betreut wird, hat Betreuungskosten von 200 Euro und eine tägliche Fahrzeit von einer Stunde. Ihr Einkommen stammt in voller Höhe aus einer unzumutbaren Erwerbstätigkeit. Das bedarfsbestimmende Einkommen der geschiedenen Eheleute errechnet sich wie folgt: Das Einkommen des M bereinigt beträgt 1 600 Euro. Das Einkommen der F aus überobligatorischer Arbeit ist zunächst zu bereinigen um die Betreuungskosten, die keinen Mehrbedarf des Kindes darstellen. Zur Klärung des auf der Bedarfsebene anrechenbaren Anteils ihres Einkommens von 800 Euro kann gerechnet werden wie folgt: F hätte ohne ihre Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit folgenden Bedarf: 1 600 * 3/ 7 = 686 Euro.
1 BGH, FamRZ 2010, 1050 Tz. 36, 37; 2005, 442 (445); 2005, 1154; MünchKomm.BGB/ Maurer, § 1577 BGB Rz. 15; Wendl/Dose/Gutdeutsch, § 4 Rz. 956. 2 Wendl/Dose/Gerhardt, § 1 Rz. 839. 3 Palandt/Brudermüller, § 1577 Rz. 25. 4 Wendl/Dose/Gutdeutsch, § 4 Rz. 956.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten Da der volle Unterhalt nicht ihr Existenzminimum von 800 Euro sichert, bleiben vom Einkommen der F 114 Euro anrechnungsfrei. Damit verbleiben von ihrem Einkommen 686 Euro (800 – 114 = 686 Euro), die in einen anrechnungsfreien und anrechenbaren Teil aufzuteilen sind. Bei Annahme einer Halbierung fließen 343 Euro in die Bedarfsberechnung mit ein (686 / 2 = 343 Euro), so dass sich für F ein Anspruch in Höhe von 500 Euro ergibt (1 600 – 343 = 1 257 * 3/7 = 539 Euro). Da M 1 100 Euro als angemessener Eigenbedarf verbleiben sollten, kann F 500 Euro beanspruchen. Im Ergebnis hat M 1 100 Euro zur Verfügung, F 1 300 Euro. Variante: Ist der Mindestbedarf des Unterhaltsberechtigten bereits durch ein ausreichend hohes Einkommen des Verpflichteten oder eigene Einkünfte aus zumutbarer Erwerbstätigkeit gesichert, beschränkt sich die Berechnung auf einen nach Billigkeit zu schätzenden, anrechenbaren Betrag, mit dem erreicht wird, dass beide Ehegatten nach dem Grundsatz der Halbteilung über ein gleich hohes Einkommen verfügen können unter Berücksichtigung eines Mehrbetrags für den Ehegatten, für den sich besondere Erschwernisse mit der Kindesbetreuung ergeben.
270
Das gesamte Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit wird bereinigt um berufsbedingte Aufwendungen und Betreuungskosten, soweit dadurch die Erwerbstätigkeit möglich wird (Nr. 10.3 der LL).1 Kinderbetreuungskosten für den Kindergarten sind – ausgenommen den Essensanteil – Mehrbedarf des Kindes, der von beiden Eltern zu tragen ist (s. Kap. A Rz. 296).2 Sonstige Betreuungskosten werden, soweit sie die Erwerbstätigkeit ermöglichen und es sich nicht um Mehrbedarf des Kindes handelt, vom Einkommen abgezogen.3 Zu weiteren Einzelheiten und zum Diskussionsstand zur unterhaltsrechtlichen Behandlung von überobligatorischen Einkünften aus Erwerbstätigkeit neben der Kindesbetreuung s. die Ausführungen unter Kap. E Rz. 97. c) Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit
271
Zum bedarfsbestimmenden Einkommen gehören an sich nicht die Einkünfte, die ein Ehegatte deshalb erzielt, weil er freiwillig in bisher nicht üblicher Weise mehr arbeitet, um seine Einkünfte nach der Scheidung aufzubessern, z.B. durch Überstunden oder einen Nebenjob. Insoweit handelt es sich um Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit, die die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt haben. Sie können aber gleichwohl bei knappen Geldmitteln aus Billigkeitsgründen nach §§ 1577 Abs. 2, 242 BGB noch (teilweise) bei der Bedarfsberechnung Berücksichtigung finden.
272
Ob ein Einkommen aus zumutbarer oder unzumutbarer Erwerbstätigkeit stammt, hängt maßgeblich davon ab, welcher Einsatz bei der Erwerbstätigkeit unterhaltsrechtlich zu erwarten ist. Sind die Überstunden z.B. berufsüblich, gehören die gesamten Einkünfte dafür mit zum bedarfsbestimmenden Einkommen. Sind sie überobligatorisch, ist nach Billigkeit darüber zu entscheiden, in welcher Höhe das daraus erzielte Einkommen in die Unterhaltsberechnung einzustellen ist. S. auch Kap. E Rz. 90.
1 Zum Abzug der Betreuungskosten BGH, FamRZ 2005, 1154; Niepmann/Schwamb, Rz. 540; Bamberger/Roth/Reinken, § 1577 Rz. 23; ablehnend Wendl/Dose/Gerhardt, § 4 Rz. 1053 mit der Begründung des Verbots der Doppelverwertung, weil er die Betreuungskosten im anrechnungsfreien Betrag mit berücksichtigt. 2 BGH, FamRZ 2009, 962. 3 Nr. 10.3 der LL. S. dazu Niepmann/Schwamb, Rz. 540.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
Eine über die Rentenaltersgrenze hinaus ausgeübte selbständige Tätigkeit ist 273 immer überobligatorisch, so dass daraus bezogene Einkünfte nur nach Billigkeit beim bedarfsbestimmenden Einkommen zu berücksichtigen sind.1 274
Beispiel Der 68-jährige V erzielt neben seiner Rente von 1 100 Euro noch ein Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit i.H.v. 1 000 Euro. Seine nach 25-jähriger Ehe geschiedene Frau hat nur eine Rente von 600 Euro. V muss sich einen Teil seines überobligatorisch erzielten Einkommens als bedarfsprägendes Einkommen anrechnen lassen, denn F verfügt noch nicht einmal über den notwendigen Eigenbedarf.
d) Fiktives Einkommen bei Verletzung der Erwerbsobliegenheit Verstößt einer der Ehegatten gegen seine Erwerbsobliegenheit, kommt die Zu- 275 rechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht (§ 242 BGB), das dem bedarfsbestimmenden Einkommen zuzurechnen ist.2 Dies gilt im Grundsatz für vorwerfbares Verhalten des Unterhaltsberechtigten und des Unterhaltspflichtigen gleichermaßen, denn die ehelichen Lebensverhältnisse können nicht einseitig durch ein vorsätzliches oder unterhaltsbezogenes, leichtfertiges Verhalten eines Ehegatten zum Nachteil des anderen verändert werden.3 Zu den dogmatischen Grundlagen des fiktiven Einkommens s. Kap. A Rz. 155 ff. Besteht das vorwerfbare Verhalten darin, dass einer der Ehegatten seine bisherige 276 Arbeitsstelle leichtfertig aufgegeben hat, kann das bisher mit dieser Arbeit erzielte Einkommen fiktiv dem bedarfsbestimmenden Einkommen hinzugerechnet werden. Die Auffassungen darüber, wie lange dem Ehegatten bei leichtfertiger Aufgabe 277 der bisherigen Arbeitsstelle das zuvor erzielte Einkommen fiktiv zuzurechnen ist, wenn es nach der Arbeitsmarktlage nicht mehr erzielbar ist, sind nicht einheitlich. Kriterien für die Bemessung sind, dass der Schuldner durch die fortdauernden, einkommensinadäquaten Unterhaltsbelastungen nicht in eine Überschuldung getrieben werden sollte, er andererseits aber auch nicht zu einem missbräuchlichen Verhalten zu Lasten des anderen Ehegatten ermutigt werden darf (§ 242 BGB).4 Voraussetzung für die Neuberechnung des Unterhalts unter Berücksichtigung des tatsächlich erzielten Einkommens ist in jedem Fall, dass der Schuldner ernsthafte und ausreichende, vergebliche Bemühungen um eine adäquate Arbeit darzulegen und zu beweisen hat.5 Abzulehnen ist eine Auffassung, nach der in einem Abänderungsverfahren nur der Vortrag des Schuldners zulässig ist, er hätte die Arbeit ohnehin verloren, s. dazu Kap. A Rz. 165. Häufiger sind in der Praxis die Fälle, dass ein Ehegatte seine Arbeit ohne eigenes 278 vorwerfbares Zutun verliert und sich nicht mehr ausreichend bemüht, eine neue 1 BGH, FamRZ 2011, 454 Tz. 17 ff. 2 BGH, FamRZ 2006, 683 (684). 3 Für den Verpflichteten BGH, FamRZ 1993, 1304 (1306); für den Unterhaltsberechtigten (Hausfrauenehe) BGH, FamRZ 2003, 434. 4 Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 11. Aufl., Rz. 636, schlagen eine 2- bis 3-Jahres-Frist vor, um ein Unterlaufen der Fiktion zu verhindern. 5 OLG Hamm, FamRZ 1999, 1013 zu den Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Schuldners (Leitsatz); OLG Hamm, FamRZ 1995, 1217 für eine zügige Anpassung; strenger OLG Zweibrücken, FamRZ 1999, 881 (882).
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
Arbeit zu finden. Auch dann ist ihm ein fiktives Einkommen in Höhe des für ihn nach seinen Fähigkeiten und individuellen Möglichkeiten erzielbaren Einkommens für die Unterhaltsberechnung zu unterstellen (vgl. dazu ausführlich Kap. A Rz. 166). 279
Für die Bemessung der Höhe des fiktiven Einkommens1 ist eine Schätzung nach § 287 ZPO vorzunehmen. Grundlage der Schätzung wird in der Regel das früher erzielte Einkommen des Verpflichteten sein. Liegen derartige Erkenntnisse nicht vor oder haben sich Änderungen aufgrund einer veränderten Arbeitsmarktlage ergeben, kann die Schätzung unter Berücksichtigung der aktuellen Fähigkeiten des Betroffenen auf der Grundlage branchenüblicher Löhne, Tariflöhne durch Heranziehung von Tarifverträgen bzw. Mindestlöhne bei geringqualifizierten Tätigkeiten2 vorgenommen werden.3 Von dem so zu schätzenden fiktiven Einkommen sind berufsbedingte Aufwendungen abzuziehen. Dies gilt auch für die Zurechnung einer Teilzeit- oder geringfügigen Beschäftigung.
280
Das Gericht hat die Beteiligten über die Berechnungsgrundlagen für das fiktive Einkommen zu informieren und diese – auch soweit verfahrensabschließend darüber zu entscheiden ist – so aufgeschlüsselt darzustellen, dass nachprüfbar ist, von welchem Umfang und Stundensatz das Gericht bei der fiktiv unterstellten und für zumutbar befundenen Tätigkeit ausgegangen ist.4
281
Kommt es zu einer Verschlechterung der Einkommensverhältnisse im Rahmen eines neuen Beschäftigungsverhältnisses, ohne dass dies auf dem vorwerfbaren Verhalten eines Ehegatten beruht, ist die Schmälerung des Lebensstandards von den geschiedenen Ehegatten hinzunehmen und die Anrechnung eines fiktiven höheren Einkommens unterbleibt. Denn auch bei Fortbestand der Ehe hätten sich die Ehegatten auf die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse einstellen müssen. Eine Korrektur des Bedarfs „nach unten hin“ ist in dem Fall im Rahmen von § 1578 Abs. 1 BGB geboten, denn der geschiedene Ehegatte kann nicht besser stehen, als wenn er noch verheiratet wäre.5 e) Fiktives Einkommen bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung nicht gemeinsamer Kinder (sog. Hausmannsrechtsprechung)
282
Ein unterhaltspflichtiger Ehegatte bleibt seiner früheren Familie auch nach Eingehung einer neuen Ehe unterhaltspflichtig und hat, wenn er seine Berufstätigkeit zugunsten der Betreuung nicht gemeinsamer Kinder aus der neuen Ehe aufgibt, Rücksicht zu nehmen auf die Belange der von ihm abhängigen Unterhaltsberechtigten. Dies ergibt sich im Verhältnis zu unterhaltsberechtigten gemeinsamen Kindern schon aus dem Gleichrang der Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder und privilegiert volljähriger Kinder (§ 1609 Nr. 1 BGB).6 Insoweit gelten die Grundsätze zur Hausmannrechtsprechung uneingeschränkt. S. dazu die Darstellung unter Kap. A Rz. 181 ff.
1 Vgl. dazu auch Reinken, FPR 2006, 319 (321 f.). 2 BVerfG, FamRZ 2010, 183 (184). 3 Eine Übersicht zu den Tariflöhnen findet sich im Internet z.B. bei der Hans-Böckler-Stiftung unter der Internetadresse www.boeckler.de. 4 BGH, FamRZ 2009, 314 (317). 5 BGH, FamRZ 2003, 590; 2006, 683 (685). 6 BGH, FamRZ 1987, 252: gleichrangiger Unterhaltsanspruch § 1570 BGB.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
Im Verhältnis zum unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten haben die 283 Grundsätze zur Hausmannrechtsprechung – wie sie noch gegenüber den Kindern gelten – ihre Bedeutung verloren, denn insoweit besteht seit 1.1.2008 der geänderte Vorrang des Minderjährigenunterhalts und Unterhalts für privilegierte volljährige Kinder (§ 1609 Nr. 1 BGB). Entscheidet sich der Verpflichtete zur Betreuung nicht gemeinsamer Kinder und gibt er seine Erwerbstätigkeit auf, ohne dass dadurch die Unterhaltsansprüche gemeinsamer Kinder beeinträchtigt werden, wird der geschiedene Ehegatte diese Entscheidung wegen des Vorrangs des Kindesunterhalts hinzunehmen haben. Sind in der neuen Ehe keine Kinder zu versorgen, kann sich der geschiedene 284 Ehegatte allein wegen der Haushaltsführung nicht auf den Wegfall eigenen Einkommens berufen.1 Bei der Bemessung des fiktiven Einkommens ist immer auch zu prüfen, in welchem Umfang der Unterhaltspflichtige nach seinem Gesundheitszustand arbeiten kann und ob er auf dem Arbeitsmarkt eine Arbeit finden würde.2 f) Fiktive Einkünfte beim Zusammenleben mit einem neuen Partner und Synergieeffekt Lebt der bedürftige Ehegatte nach der Scheidung mit einem neuen Partner zu- 285 sammen und führt er dem Partner den Haushalt, dann ist nach der Rechtsprechung des BGH der Wert der Versorgungsleistungen zu schätzen (§ 287 Abs. 2 ZPO) und der Wert als Surrogat3 für die in der Ehe erbrachte Hausarbeit als bedarfsbestimmendes Einkommen in Ansatz zu bringen4. Diese Versorgungsleistungen werden auch berücksichtigt, wenn der Berechtigte krankheitshalber nur eingeschränkt erwerbsfähig ist; denn im Zweifel ist davon auszugehen, dass er diese häuslichen Tätigkeiten zusätzlich ausüben kann.5 Nimmt der Unterhaltsberechtigte den neuen Partner mit in seine Wohnung auf, kann eine fiktive Mietbeteiligung das Einkommen erhöhen. Die Zurechnung des Werts der Versorgungsleistungen kommt nicht in Betracht, 286 wenn der Berechtigte außerdem vollschichtig erwerbstätig ist.6 Der BGH hat in einem Fall, in dem die getrennt lebende Ehefrau zwar ganztags, aber wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder teilweise überobligatorisch, erwerbstätig war und mit einem neuen Partner zusammenlebte, haushälterische Leistungen nicht fiktiv zugerechnet, weil ihren Leistungen vergleichbare Leistungen ihres Partners entgegenstünden.7 Man wird unabhängig von der Frage, ob der neue Partner ebenfalls Haushaltsleistungen erbringt, nur dann zu einem auf der Bedarfsebene anrechenbaren Einkommen wegen Haushaltsführung kommen können, wenn diese Tätigkeit an die Stelle einer Erwerbstätigkeit tritt. Der Ansatz
1 BGH, FamRZ 2001, 1065 (1066). 2 Vgl. die Anmerkung Büttner zu BGH, FamRZ 2001, 1065 f. auf S. 1068. 3 BGH, FamRZ 2001, 986 und die Ausführungen zur Auswirkung der Rechtsprechung unter Rz. 355; BGH, FamRZ 2004, 1170 und 1173 mit Anm. Born, S. 1175; Anm. Gerhardt, S. 1545. 4 BGH, FamRZ 2001, 1693 zur Bewertung von Versorgungsleistungen für den neuen Lebenspartner beim Nacheheunterhalt; Anm. dazu von Borth, FamRB 2002, 5. 5 BGH, FamRZ 2001, 1693 (1694); 1987, 1011 (1013). 6 OLG Brandenburg, FamFR 2012, 441. 7 BGH, FamRZ 2005, 967.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
einer fiktiven Vergütung, die die Verletzung einer Obliegenheit voraussetzt, ist hingegen für den Fall der vollen Berufstätigkeit verfehlt.1 287
Gleichwohl ergeben sich unterhaltsrechtliche Konsequenzen aus der gemeinsamen Haushaltsführung. Denn insoweit ergeben sich Ersparnisse für die Lebensführung, die als sog. Synergieeffekt zu berücksichtigen sind. Der BGH bemisst den Einspareffekt in Anlehnung an die Kürzung der sozialhilferechtlichen Regelbeträge bei einer Bedarfsgemeinschaft mit 10 % pro Ehegatten (s. Kap. A Rz. 328).2 Lebt der Unterhaltspflichtige mit einem neuen Partner zusammen, kann sein angemessener Eigenbedarf auf der Leistungsebene um 10 % gekürzt werden, lebt der Unterhaltsberechtigte mit einem neuen Partner zusammen, ist sein anrechenbares Einkommen in Höhe von 10 % des Eigenbedarfssatzes zu erhöhen und mindert insoweit seine Bedürftigkeit.
288
Die Schätzwerte der Gerichte für die Versorgungsleistungen liegen bei ca. 250–600 Euro, s. dazu das Beispiel unter Kap. E Rz. 118.3 Eine mögliche Berechnung ist:
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tägliche Arbeitszeit 2 Stunden zu 5 Euro netto pro Stunde: 10 Euro × 30 Tage = 300 Euro.
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Da es sich nicht um fiktives Einkommen aus Erwerbstätigkeit handelt, ist es nicht um einen Erwerbstätigenbonus zu bereinigen.4 Die Darlegungs- und Beweislast für die wirtschaftlichen Verhältnisse in der neuen Beziehung obliegt dem unterhaltsbedürftigen Ehegatten.
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Beispiel F, die einen Unterhaltsanspruch wegen Krankheit gegen M hat, lebt nach der Scheidung seit 6 Monaten mit ihrem neuen Partner zusammen, der ein Einkommen von mtl. 1 000 Euro abzüglich 300 Euro Unterhaltszahlungen an Frau und Kind aus 1. Ehe hat. F muss sich keine geldwerten Zuwendungen unterstellen lassen, weil ihr Partner nicht leistungsfähig ist.5 Die Erwerbsunfähigkeit würde einer Zurechnung in angemessener Höhe nicht entgegenstehen.6
292
Voraussetzung für die Zurechnung eines fiktiven Einkommens für Versorgungsleistungen ist die Leistungsfähigkeit des Partners. Sie ist nicht möglich, wenn der neue Partner nicht leistungsfähig ist, weil er z.B. studiert.7 Bei der Klärung der Leistungsfähigkeit ist dem Partner als Eigenbedarf mindestens ein angemessener Selbstbehalt zuzugestehen.
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Zur Klärung, wie die Versorgungsleistungen zu bewerten sind und von welchem Eigenbedarf des Partners auszugehen ist, können die Leitlinien bzw. einschlägi-
1 OLG München, FamRZ 2005, 713 f. Ebenso OLG Brandenburg, FamFR 2012, 441 m. Anm. Tomfort. 2 BGH, FamRZ 2010, 1535 Tz. 44. Diese Ersparnis hat auch in den Eigenbedarfssätzen des mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten Niederschlag gefunden, die um 20 %, also den gesamten Wert der Ersparnis für beide Ehegatten, gekürzt sind, vgl. B.VI 2a der DT. 3 So z.B. Nr. 6 der Leitlinien der Familiensenate in Süddeutschland und des KG. 4 So OLG Hamm, FamRZ 2001, 228. 5 Vgl. dazu BGH, FamRZ 1989, 1279 in einem ähnlichen Fall. 6 BGH, FamRZ 2001, 1693 (1694). 7 BGH, FamRZ 1987, 1011 (1014); 1989, 487; OLG Hamm, FamRZ 1997, 1080 ff.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
ge Rechtsprechung des zuständigen OLG herangezogen werden (Nr. 6. und 21.5 der LL).
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Praxishinweis: Besteht unstreitig ein eheähnliches Verhältnis und lebt der 294 nicht oder nur teilweise erwerbstätige Berechtigte mit dem neuen Partner zusammen, spricht ein Anscheinsbeweis für das Bestehen einer neuen Versorgungsgemeinschaft, was die Zurechnung eines fiktiven Einkommens für die erbrachte Versorgung oder Wohnungsgewährung rechtfertigt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob zwischen den neuen Partnern ausdrückliche Vereinbarungen über Zuwendungen getroffen wurden. Die Zurechnung erfolgt selbst dann, wenn der Ehegatte tatsächlich keine Vergütungen erhält. In solchen Fällen wird unter Anwendung des Rechtsgedankens des § 850h Abs. 2 ZPO, nach dem für Dienstleistungen des Schuldners an den Gläubiger eine angemessene Vergütung als vereinbart gilt, grundsätzlich eine Vergütung angerechnet.1 Es ist deshalb Sache des Berechtigten, darzulegen und unter Beweis zu stellen, dass entweder keine Versorgungsleistungen erbracht werden oder der Partner nicht leistungsfähig ist. Bei verbleibenden Zweifeln gehen diese zu Lasten des Bedürftigen.2 Besteht die Lebensgemeinschaft etwa 2–3 Jahre, ist die Verwirkung des Anspruchs nach § 1579 Nr. 2 BGB zu prüfen (Rz. 458 ff.).
g) Überdurchschnittlich hohes Einkommen – konkrete Bedarfsberechnung Bei besonders hohen Einkommen fließen Teile des Einkommens während des 295 Zusammenlebens i.d.R. in die Vermögensbildung. Diese Teile des Einkommens bleiben auch nach der Scheidung für die Bedarfsbestimmung außer Betracht. War die Vermögensbildung jedoch nach der Lebensplanung der Ehegatten mit einem Konsumverzicht verbunden, braucht sich der Anspruchsteller nach dem Scheitern des gemeinsamen Lebensplans nicht auf eine sparsame Lebensführung verweisen zu lassen. Es wird dann der Teil dem bedarfsbestimmenden Einkommen zugerechnet, der bei vernünftiger Lebensführung für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehen sollte.3 Dieser Betrag und der für Vermögensbildung abzuziehende Betrag vom Einkommen können geschätzt werden. Möglich ist bei überdurchschnittlich hohen Einkünften des Verpflichteten oder unstreitig hohem Lebensstandard bei unübersichtlichen Einkommensverhältnissen auch eine konkrete Bedarfsberechnung.4 Der Unterhaltsberechtigte hat in dem Fall seinen Lebensbedarf konkret darzulegen und zu beweisen, der sich nach dem in der Ehe gepflegten Lebensstandard bemisst. Zum allgemeinen Lebensbedarf gehören die Lebenshaltungskosten für Haushaltsgeld (Nahrung, Putz- und Körperpflegemittel), Wohnen mit Nebenkosten, Kleidung, evtl. Putzhilfe, Reisen, kulturelle Bedürfnisse und sportliche Aktivitäten.5 Was eine konkrete Bedarfsberechnung beinhalten kann, wird anhand eines Beispiels unter Kap. E Rz. 121 erläutert mit Hinweisen zum Sachvortrag und zur Rechtsprechung. Folge einer konkreten Berechnung ist, dass eine spätere Einkommensverbes- 296 serung des Verpflichteten den Bedarf unberührt lässt und nicht zur Abänderung 1 2 3 4 5
BGH, FamRZ 1983, 150 ff. BGH, FamRZ 1991, 670 ff. BGH, FamRZ 1982, 151. Ständige Rechtsprechung des BGH, FamRZ 2012, 947 Tz. 32 m.w.N. BGH, FamRZ 1990, 280 (281).
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
eines Unterhaltstitels berechtigt,1 umgekehrt ist jedoch eine spätere Einkommensverschlechterung im Rahmen der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen.2 Die Anpassung an allgemein gestiegene Lebenshaltungskosten ist für den Berechtigten nicht ausgeschlossen. Die Gerichte geben den Parteien teilweise die konkrete Bedarfsberechnung auf, wenn die Unterhaltsforderung einen bestimmten Betrag übersteigt. Wie die örtlich zuständigen Gerichte verfahren werden, ergibt sich aus Nr. 15.3 der LL der OLG, die aber überwiegend keinen konkreten Höchstbetrag nennen, ab dem konkret zu berechnen ist. Der BGH hat nicht beanstandet, dass eine konkrete Berechnung in Betracht kommt, wenn das Einkommen des Verpflichteten das Einkommen der höchsten Einkommensgruppe der DT (Gruppe 10 bis zu 5 100 Euro) übersteigt.3 h) Vermögenserträge 297
Die ehelichen Lebensverhältnisse werden nicht nur durch Erwerbseinkünfte geprägt, sondern ebenso durch Kapital- und andere Vermögenserträge sowie sonstige wirtschaftliche Nutzungen, soweit diese den Eheleuten zur Verfügung standen.4 Dies gilt ebenso für Erträge aus einem durch Erbfall erworbenen Vermögen eines Ehegatten.5 Zu den prägenden Einkünften gehören auch die Erträge (Zinsen), die nach der Scheidung aus dem Verkaufserlös für ein Eigenheim oder der Anlage aus dem durch Zugewinnausgleich erhaltenen Vermögen erzielt werden.6 Wird das Familienheim veräußert, tritt an die Stelle des Wohnvorteils, der die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat, der Zinsertrag aus dem Verkaufserlös, nachdem dieser um Schulden und ggf. Zugewinnausgleichszahlungen bereinigt worden ist.
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Kauft sich einer der geschiedenen Ehegatten mit den aus Zugewinn oder Verkauf eines Eigenheims erlangten Mitteln ein neues Haus oder eine Eigentumswohnung zu eigenen Wohnzwecken, muss er sich ersparte Mietkosten als Wohnvorteil nach Abzug von Zinsen und verbrauchsunabhängigen Kosten nach den unter Rz. 300 ff. dargestellten Grundsätzen als Einkommen anrechnen lassen. Übersteigen die Belastungen die ersparten Mietaufwendungen, mindern sie nicht das Einkommen; denn weder der Berechtigte noch der Verpflichtete darf zu Lasten des anderen Vermögen bilden. Ein Wohnwertvorteil bleibt dann aber außer Ansatz.7 Die Neuverschuldung für ein neues Heim muss in einem hinnehmbaren Verhältnis zu den Erträgen stehen, die bei einer zinsbringenden Anlage des eingesetzten Kapitals aus dem Verkaufserlös erzielt werden könnten.8 Ist dies nicht der Fall, kommt die Zurechnung eines fiktiven Zinsertrags in Betracht, wenn eine Umschichtung des Vermögens zumutbar wäre, was unter Würdigung der wirtschaftlichen Belange beider Ehegatten beurteilt werden muss. Dabei muss sich die gewählte Anlage des Vermögens als eindeutig un-
1 2 3 4 5 6 7 8
BGH, FamRZ 1990, 280 (281). BGH, FamRZ 2003, 848 (850). BGH, FamRZ 2010, 1637. Vgl. etwa BGH, FamRZ 1995, 869 (870). BGH, FamRZ 1988, 1145 (1146); 1982, 996 (997) zu Einkünften aus einem Pflichtteil. BGH, FamRZ 2001, 986 (991). BGH, FamRZ 1998, 88. BGH, FamRZ 1998, 89.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
wirtschaftlich erweisen, ehe der Unterhaltsberechtigte auf eine andere Anlageform und daraus erzielbare Erträge verwiesen werden kann.1 Zinsen aus Vermögen aufgrund einer nach der Scheidung angefallenen Erbschaft 299 sind i.d.R. nicht prägend. i) Wohnvorteil beim Wohnen im eigenen Heim Bewohnt ein Ehegatte das frühere Familienheim nach Rechtskraft der Scheidung 300 allein, ist ihm der Mietwert des Wohnens in der eigenen Eigentumswohnung oder dem eigenen Haus fiktiv aufgrund des geldwerten Gebrauchsvorteils als unterhaltspflichtiges Einkommen zuzurechnen. Dabei kommt die Zurechnung nur in Betracht, soweit der Wohnvorteil die Belastungen übersteigt, der Ehegatte als Eigentümer also billiger wohnt, als wenn er Mieter wäre.2 Zum Abzug von Belastungen s. Kap. E Rz. 144 ff. Da nach der Scheidung – ggfs. auch schon früher, wenn mit einer Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr zu rechnen ist (Kap. E Rz. 148)3 – die unterhaltsrechtliche Obliegenheit besteht, vorhandenes Vermögen so ertragreich wie möglich anzulegen oder zu nutzen, um die Bedürftigkeit zu mindern bzw. die Leistungsfähigkeit zu erhöhen, ist Maßstab für die Bemessung der günstigsten Nutzung des Eigentums in der Regel der objektive Mietwert, nämlich die bei Vermietung der Immobilie erzielbare Marktmiete.4 Nur wenn ein besonderer Grund dafür spricht, dass der geschiedene Ehegatte 301 noch das Familienheim bewohnt, bemisst sich der Wohnvorteil weiter nach der unterhaltsrechtlich angemessenen Miete,5 die nicht der objektiven Marktmiete für das gesamte Objekt entsprechen muss. Bemessungskriterium ist dann, welchen Mietzins der Ehegatte aufzuwenden hätte, wenn er auf dem örtlichen Wohnungsmarkt eine kleinere, seinen jetzigen Bedürfnissen angepasste, jedoch dem ehelichen Lebensstandard entsprechende Wohnung mieten müsste. Im Einzelnen kann differenziert werden wie folgt: Entsprechen sich der objektive 302 Wohnwert des Familienheims und der unterhaltsrechtlich angemessene Wohnbedarf des Ehegatten, ist die objektiv erzielbare Miete anzusetzen. Liegt der angemessene Wohnbedarf niedriger als der objektive Wohnwert, z.B. weil das Haus für den Ehegatten zu groß ist, ist er unterhaltsrechtlich verpflichtet, das zu große Haus wirtschaftlich angemessen zu nutzen.6 Spätestens ab Rechtskraft der Scheidung ist vorhandenes Vermögen so ertragreich wie möglich zu nutzen. Zu früheren Einsatzpunkten beim Trennungsunterhalt s. Kap. E Rz. 148. Zu diesem Zweck kann er gehalten sein, einzelne Räume zu vermieten. Insoweit erzielte Einkünfte erhöhen sein Einkommen. Verstößt er gegen diese Obliegenheit, sind ihm fiktive Einkünfte in der erzielbaren Höhe zu unterstellen.7 Ist eine Teilvermietung nicht möglich, kann auch eine Vermietung des gesamten Objekts oder 1 BGH, FamRZ 2001, 1140 (1143); 2009, 23, Tz. 16 ff. m. Anm. Norpoth, S. 26 f.; s. Rz. 494. 2 BGH, FamRZ 1985, 354 (356). 3 BGH, FamRZ 2012, 514 Tz. 29; 2008, 963; 2007, 879. 4 BGH, FamRZ 2012, 517 Tz. 44 f.; 2008, 963 ff. 5 BGH, FamRZ 1998, 899 (901); FamRZ 2000, 950 mit Anm. Graba, S. 952. 6 BGH, FamRZ 2012, 517 Tz. 44 f., eine Person bewohnt ein für drei Personen geeignetes Haus; 2000, 950 ff. mit Anm. Graba, 952 (953). 7 BGH, FamRZ 2012, 517 Tz. 44 f., 50 f.; 1995, 869 (871); FamRZ 1990, 269 (271).
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eine Veräußerung in Betracht kommen, um die überschüssigen Einnahmen für Unterhaltszwecke einzusetzen. Bei Verletzung der Obliegenheit zur wirtschaftlichen Verwertung des Eigenheims und Zurechnung fiktiver Einkünfte ist immer nur der tatsächlich auf dem Markt erzielbare Preis für die Vermietung eines oder mehrerer Zimmer bzw. des gesamten Objekts anzusetzen. Bei einer Obliegenheit zur Veräußerung können auch fiktive Einkünfte aus Zinserträgen für den erzielbaren Kaufpreis als Einkommen in Ansatz gebracht werden.1 Ist eine Verwertung nicht möglich oder aus bestimmten, anzuerkennenden Gründen nicht zumutbar, z.B. weil der dort verbliebene Ehegatte auf eine behindertengerechte Wohnung angewiesen ist,2 bleibt es bei der Zurechnung des Wohnvorteils in Höhe einer angemessenen Miete, die für eine kleinere Wohnung zu zahlen wäre, bis das Hindernis entfällt. 303
Der Wohnvorteil ist nur in Ansatz zu bringen, wenn der Nutzungswert den zu tragenden Aufwand übersteigt. Von diesem Wohnwert sind nach der mit Urteil vom 27.5.20093 geänderten Rechtsprechung des BGH nur solche Aufwendungen des Eigentümers von der ihm zurechenbaren Miete abzugsfähig, die nicht auf den Mieter umgelegt werden können. Dies sind nach § 1 Abs. 2 BetrKV die Kosten für die Hausverwaltung und des Geldverkehrs sowie die Instandhaltungsund Instandsetzungskosten. Alle übrigen Betriebskosten wie z.B. die verbrauchsabhängigen Kosten für Heizung, Wasser sowie die Kosten für Schornsteinfeger, Stadtreinigung, Aufzug, Hausreinigung, Gartenpflege, Beleuchtung, Antennenanlage, Hauswart etc. einschließlich Grundsteuer und Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung sind umlagefähig und damit nicht mehr absetzbar, denn auch ein Mieter wird an ihnen beteiligt. Damit kommt es nicht mehr – wie bisher vom BGH vertreten – auf die Unterscheidung nach der Verbrauchsabhängigkeit der Kosten an, die in Rechtsprechung und Literatur immer wieder auf Kritik gestoßen ist. Ist als fiktives Einkommen die volle Marktmiete anzusetzen, können die umlagefähigen Kosten insgesamt, bei einem geringeren angemessenen Wohnvorteil nur die anteiligen, für den angemessenen Wohnvorteil anfallenden Betriebskosten gegengerechnet werden.4
304
Bei der Abzugsfähigkeit der Verbindlichkeiten für das Eigenheim ist zu differenzieren: Zinsbelastungen sind abzugsfähig, Tilgungsleistungen finden keine Berücksichtigung, wenn das Eigenheim im Alleineigentum desjenigen steht, der darin wohnt; denn es gehört nicht zu den Zwecken des Ehegattenunterhalts, dem Unterhaltsberechtigten oder -verpflichteten die Bildung von Vermögen zu Lasten des anderen zu ermöglichen.5 Allerdings kann aufgrund der neueren Rechtsprechung des BGH eine Anerkennung der Tilgungsraten unter dem Ge1 Graba, FamRZ 1990, 952 (953); Anm. zu BGH, FamRZ 2000, 950 ff. 2 Das OLG Hamm, NJW-FER 2000, 273, hat dem behinderten Ehegatten befristet nur einen angemessenen Wohnvorteil für eine kleinere Wohnung zugerechnet, um ihm Gelegenheit zu geben, eine neue, seinen finanziellen Verhältnissen angepasste Wohnung zu finden, und für die Zeit danach den objektiven Mietwert. 3 BGH, FamRZ 2009, 1300 (1303); dazu Anm. Ehinger, FPR 2009, 413 (418); zu den Grundsätzen der früheren Rspr. vgl. BGH, FamRZ 1986, 48 (49); 1998, 87 (88). 4 BGH, FamRZ 2012, 517 Tz. 52, eine Person bewohnt das für drei Personen geeignete Haus; FamRZ 2009, 1300 Tz. 29 ff. 5 BGH, FamRZ 2009, 23; FamRZ 2008, 963 (964 ff.); FamRZ 2007, 779, 881 m.w.N.; Grundsatzentscheidungen dazu: BGH, FamRZ 1998, 87 (88); FamRZ 2000, 950 (952). Kein Abzug von Tilgungsleistungen beim Wohnvorteil des Unterhaltsberechtigten, vgl. BGH, FamRZ 1992, 423 (424). Gleiches gilt für den Verpflichteten, vgl. BGH, FamRZ 2000, 950 (952).
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
sichtspunkt der ergänzenden Altersvorsorge i.H.v. bis zu 4 % des Bruttoeinkommens in Betracht kommen (Rz. 310).1 Zahlungen für Zinsen und Tilgung sind, wenn sie den Wohnwert übersteigen, nur dann anzuerkennen, wenn die geschiedenen Ehegatten noch Miteigentümer sind, der das Haus bewohnende Ehegatte mietfrei wohnt und die Verbindlichkeiten allein trägt. In dem Fall liegt die Fortzahlung der Zins- und Tilgungsverpflichtungen im Interesse beider Ehegatten.2 Zahlt der Pflichtige die Verbindlichkeiten und wohnt der Unterhaltsberechtigte mietfrei in der Wohnung, ist aufseiten des Berechtigten der Wohnwert ungekürzt durch Verbindlichkeiten als geldwerter Vorteil beim Einkommen in Ansatz zu bringen, beim Verpflichteten werden die Verbindlichkeiten vom Einkommen vor der Bedarfsberechnung abgezogen. Handelt es sich in beiden Fällen um gemeinsame Schuldverpflichtungen, hat deren unterhaltsrechtliche Berücksichtigung zur Folge, dass hinsichtlich dieser Gesamtschulden nicht noch ein Ausgleich gemäß § 426 BGB in Betracht kommt, da insoweit eine anderweitige Regelung vorliegt.3 Es steht den Ehegatten aber frei, ihre Ansprüche bezogen auf das Familienheim außerhalb des Unterhaltsrechts im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 Abs. 2 BGB zu verfolgen. Wird das im Miteigentum der Ehegatten stehende Haus an einen Dritten ver- 305 äußert, sind die Zinserträge aus dem Erlös ihrer Miteigentumsanteile dem Einkommen der Ehegatten hinzuzurechnen, denn diese stellen das Surrogat für den eheprägenden Wohnvorteil des mietfreien Wohnens dar.4 Grundsätzlich gilt: Entfallen die Nutzungsvorteile des früher gemeinsam genutzten Hauses im Zusammenhang mit der Scheidung, treten an deren Stelle die Vorteile, die die Ehegatten aus dem Erlös ihrer Miteigentumsteile ziehen oder ziehen könnten. Das können entweder Zinseinkünfte sein oder wiederum ein Wohnvorteil, wenn mit dem Erlös ein neues Eigenheim finanziert worden ist.5 Die Bemessung des Wohnvorteils orientiert sich an den ersparten Kosten der objektiven Marktmiete nach Abzug von Zinsen (ohne Tilgung) und den nicht auf Mieter umlegbaren Kosten6 nach den oben dargestellten Grundsätzen. Übersteigen die Belastungen die ersparten Mietaufwendungen, bleibt ein Wohnwertvorteil außer Ansatz.7 Der die ersparten Mietaufwendungen übersteigende Betrag der Verbindlichkeiten mindert nicht das Einkommen; denn weder der Berechtigte noch der Verpflichtete darf zu Lasten des anderen Vermögen bilden.8 Dies kann zu einer Ungleichbehandlung der geschiedenen Ehegatten führen, wenn einer das Geld verzinslich anlegt und sich dadurch sein anrechenbares Einkommen erhöht, der andere hingegen ein neues Eigenheim mit so hohen Belastungen erwirbt, dass ihm kein geldwerter Wohnvorteil mehr zugerechnet werden kann. Ob dies von dem Ehegatten hinzunehmen ist, dem Zinserträge zugerechnet werden, hängt nach der Rechtsprechung des BGH davon ab, ob dem anderen eine Obliegenheitsverletzung zur Vermögensumschichtung vorwerfbar ist. Nur bei vorwerfbarem Handeln kann der Ehegatte, der das Eigenheim erworben hat, auf eine andere Anlageform und daraus erzielbare Erträge verwiesen werden, die ihm dann 1 2 3 4 5
BGH, FamRZ 2007, 799 (881) zum Nacheheunterhalt. BGH, FamRZ 1995, 869 (871). BGH, FamRZ 1988, 264; 1986, 881; Wendl/Dose/Gerhardt, § 1 Rz. 507 ff. BGH, FamRZ 1998, 87 (88); BGH, FamRZ 2006, 387 (391). BGH, FamRZ 2014, 1098; 2001, 1140 (1143); BGH, FamRZ 2001, 986 (991); BGH, FamRZ 2006, 387 (391). 6 BGH, FamRZ 2009, 1300 (1303). 7 BGH, FamRZ 1998, 88. 8 BGH, FamRZ 2001, 1140 (1143).
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
fiktiv als Einkommen zuzurechnen sind.1 Für die Klärung der Obliegenheitsverletzung, ob also eine Vermögensumschichtung zumutbar war oder ist, stellt der BGH auf folgende Kriterien ab: Wie dringend braucht der Unterhaltsberechtigte den Unterhalt? Wie hart trifft den Unterhaltspflichtigen die Unterhaltslast? Ist die Vermögensanlage eindeutig unwirtschaftlich? Erwirbt ein Ehegatte den Miteigentumsanteil des anderen, tritt aufseiten des Veräußernden der Erlös als Surrogat an die Stelle der Nutzungsvorteile seines Miteigentumsanteils, bei dem anderen ist dagegen der volle Wohnvorteil anzusetzen, gemindert um die schon bestehenden Kosten und Lasten sowie um die Zinsbelastungen, die durch den Erwerb anfallen.2 Tilgungsleistungen, die der Rückführung des Darlehens dienen, das zum Erwerb des Miteigentumsanteils des anderen Ehegatten aufgenommen wurde, sind nicht abzugsfähig. Die Höhe der berücksichtigungsfähigen Zinsbelastungen ist nicht begrenzt durch die Zinsvorteile, die der andere Ehegatte durch Veräußerung seines Miteigentumsanteils erlangt.3 306
Beispiel F überträgt ihren Miteigentumsanteil an dem gemeinsamen Haus nach der Scheidung auf M, der gemeinsam mit seiner neuen Partnerin eher in der Lage ist, die mtl. Kreditbelastungen von 300 Euro zu finanzieren. F verlangt Unterhalt. M kann die Belastungen für das Haus nicht einkommensmindernd von seinem bedarfsbestimmenden Einkommen abziehen. Da er aber Mietkosten i.H.v. 300 Euro spart und für die Vermietung von 2 Zimmern 200 Euro erzielen könnte, die Kreditzinsen und verbrauchsunabhängigen Kosten zusammen 400 Euro betragen, ist seinem Einkommen ein Wohnwertvorteil von 100 Euro zuzurechnen.
307
Übersteigen die Verbindlichkeiten für ein im Miteigentum der Ehegatten stehendes Haus einen zu erwartenden Verkaufserlös und übernimmt ein Ehegatte das Alleineigentum, kann er Zinsverbindlichkeiten für das Haus, die den Wohnwert übersteigen, nur in dem Umfang einkommensmindernd geltend machen, in dem beide Ehegatten im Falle des Verkaufs an einen Dritten noch mit Schulden belastet geblieben wären.
308
Vgl. im Übrigen die Ausführungen und Rechtsprechungshinweise unter Kap. E Rz. 143 ff. zum Trennungsunterhalt und unter Kap. A Rz. 205 ff. zum Kindesunterhalt. j) Abzug von Kreditraten und sonstigen Verbindlichkeiten
309
Sämtliche vor der Ehe oder während des Zusammenlebens mit Billigung des anderen entstandene Schuldverpflichtungen sowie während der Trennung einvernehmlich eingegangene Verbindlichkeiten werden vom Einkommen abgezogen; denn diese Mittel haben den Eheleuten auch zum Zeitpunkt der Scheidung der Ehe nicht zum Verbrauch zur Verfügung gestanden. Sonstige durch die getrennte Haushaltsführung entstandene Kreditbelastungen werden nach der geänderten Rechtsprechung des BGH vom bedarfsbestimmenden Einkommen nur abgezogen, soweit sie unvermeidbar und nicht auf einem unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Verhalten entstanden sind.4 Gleiches gilt für Verbindlichkeiten, die
1 2 3 4
BGH, FamRZ 2009, 23 (24). BGH, FamRZ 2005, 1159 (1161). BGH, FamRZ 2005, 1159 (1161). BGH, FamRZ 2006, 683 (685 f.).
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
nach der Scheidung von den geschiedenen Ehegatten aufgenommen werden (Rz. 18 ff.). Aufwendungen für eine zusätzliche Altersversorgung sind in der Regel in Höhe 310 von 4 % des letzten Jahresbruttoeinkommens in Anlehnung an den Höchstförderungssatz der Riester-Rente anzuerkennen, da eine angemessene Altersversorgung durch die gesetzliche Rentenversicherung für die Zukunft nicht mehr gesichert erscheint.1 Vgl. dazu auch Kap. A Rz. 242 f. Ist eine ergänzende Altersvorsorge unter Berücksichtigung vorhandener Vermögenswerte angemessen, kann dies in unterschiedlicher Weise geschehen, da eine bestimmte Form nicht vorgegeben ist. Anzuerkennen sind Aufwendungen z.B. für Lebensversicherungen, Immobilien oder Sparbeiträge. Dabei kommt es nicht darauf an, ob schon während der Ehe entsprechende Beträge gezahlt wurden.2 Kosten für eine Altersversorgung sind ausnahmsweise dann nicht anzuerkennen, wenn der Ehegatte während der Ehe entsprechende Aufwendungen nicht getätigt hat im Hinblick auf ein bevorstehendes Erbe und nach Eintritt des Erbfalls eine ausreichende Altersvorsorge besteht.3 Nicht möglich ist die Berücksichtigung eines fiktiven Altersvorsorgeaufwands.4 Verfahrenskosten, die im Zusammenhang mit der Trennung und Scheidung ent- 311 standen sind, sind vom bedarfsbestimmenden Einkommen nicht abzuziehen; denn es handelt sich nicht um eheprägende Schulden. Derartige Kosten begründen auch keinen unterhaltsrechtlichen Sonderbedarf.5 Grundsätzlich gilt, dass die Unterhaltspflicht nicht die Verpflichtung umfasst, Schulden des anderen zu tilgen.6 Deshalb sind sie von jedem Ehegatten aus dem allgemeinen Lebensbedarf zu bestreiten.7 Für laufende Verfahren gilt nichts anderes, zumal zwischen geschiedenen Ehegatten kein Anspruch mehr auf einen Verfahrenskostenvorschuss besteht. Bei Bedürftigkeit kann Verfahrenskostenhilfe beantragt werden. Verfahrenskostenhilferaten sind aus denselben Gründen nicht absetzbar. Im Rahmen der Leistungsfähigkeit können diese Verpflichtungen jedoch, soweit sie nicht auf einer leichtfertigen Prozessführung beruhen, wenn nur Billigkeitsunterhalt gezahlt werden kann, nach Abwägung der Belange beider Ehegatten, Berücksichtigung finden. Kreditraten, die zur Finanzierung des Zugewinnausgleichs entstanden sind, wer- 312 den ebenfalls nicht berücksichtigt, weil sonst der Berechtigte seinen Ausgleichsanspruch über den dadurch verringerten Unterhalt mitfinanzieren würde.8 Der Ehegatte, der ein Kind betreut und erwerbstätig ist, kann Betreuungskosten, 313 die aufgrund seiner berufsbedingten Abwesenheit entstehen, nach der geänderten Rechtsprechung des BGH nur noch einkommensmindernd geltend machen, soweit es sich nicht um Mehrbedarf des Kindes handelt9 (s. Kap. A Rz. 296 f.). Der 1 BGH, FamRZ 2005, 1817 (1822); 2007, 779 (881) zur Anerkennung von Tilgungsraten für ein früheres Familienheim. 2 BGH, FamRZ 2009, 1207, Tz. 31; 2009, 411 (413 f.). 3 BGH, FamRZ 2006, 387 (390). 4 BGH, FamRZ 2007, 793 ff. 5 BGH, FamRZ 1985, 902; 1990, 280. 6 BGH, FamRZ 1985, 902. 7 Wendl/Dose, § 1 Rz. 1098; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1998, 578; OLG München, FamRZ 1994, 898. 8 BGH, FamRZ 1986, 437 (439); 2000, 950 (952); OLG Hamm, FamRZ 1985, 483. 9 BGH, FamRZ 2009, 962, m. Anm. Born.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
nicht betreuende Ehegatte kann Umgangskosten in der Regel nur bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen einkommensmindernd von seinem Einkommen abziehen, soweit sie die Ersparnis, die sich durch die bedarfsmindernde Berücksichtigung des anteiligen Kindergeldes bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts ergibt, übersteigt (Kap. A Rz. 224 ff.).1 314
315
Verbindlichkeiten, die der Vermögensbildung des Verpflichteten dienen, bleiben i.d.R. außer Betracht, denn der Unterhaltspflichtige darf nicht auf Kosten des Unterhaltsbedürftigen Vermögen bilden. So kann der Ehegatte, der nach der Scheidung Geld in Immobilien investiert, die Belastungen nicht in Abzug bringen. Allerdings sind dann auch Steuervorteile, die für die Investitionen gewährt werden, herauszurechnen (Rz. 325, Kap. A Rz. 96). Dient die Immobilie eigenen Wohnzwecken, gelten für die Abzugsfähigkeit der Verbindlichkeiten Besonderheiten wegen der Zurechnung eines Wohnvorteils (Rz. 300 ff.). Die Verbindlichkeiten sind hingegen trotz Vermögensbildung zugunsten nur eines Ehegatten ausnahmsweise anzuerkennen, wenn sie nach einem objektiven Maßstab wegen der Höhe des Einkommens angemessen sind (Rz. 295)2 oder wenn sie einer ergänzenden Altersvorsorge dient (Rz. 310).
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Praxishinweis: 1. Verbindlichkeiten, die zu Lasten des Unterhaltsberechtigten bereits bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigt worden sind, können nicht noch einmal beim Zugewinn in Ansatz gebracht werden. Vgl. dazu die Rechtsprechung des BGH zum Verbot der doppelten Teilhabe am aktiven Vermögen des Pflichtigen,3 aus der spiegelbildlich das Verbot der doppelten Benachteiligung des Berechtigten folgt durch Berücksichtigung von Verbindlichkeiten im Unterhalt und Zugewinn.4 2. Die Anerkennung von Verbindlichkeiten spielt in der Praxis eine wichtige Rolle. In Prozessen fehlt es häufig an einem stichhaltigen und übersichtlichen Sachvortrag zur Entstehung der Schulden, zur Verwendung des Geldes, zur tatsächlichen Tilgung und zum Tilgungsplan. Sämtliche Belege über die Schuldverpflichtungen und Zahlungen sollten von den Parteien gesammelt und dem Anwalt zur Verfügung gestellt werden. Der Verpflichtete muss sich bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen bei seinen Gläubigern um einen den geänderten Verhältnissen angepassten angemessenen Schuldentilgungsplan bemühen. Er trägt insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Versäumt er das, kann das Gericht die Höhe angemessener Raten selbst schätzen. Da Raten nicht abgezogen werden, wenn die fälligen Raten nicht bezahlt werden, sollte der Berechtigte immer auch den Nachweis der Tilgung durch Vorlage der Zahlungsbelege verlangen, d.h. im Unterhaltsstreitverfahren die Tilgung bestreiten und damit den Verpflichteten beweispflichtig machen.
1 BGH, FamRZ 2009, 1391 (1396), Tz. 41; Beschluss v. 12.3.2014 – XII ZB 234/13 Tz. 34 = FamRZ 2014, 917 Tz. 34 = FamRB 2014, 204. 2 BGH, FamRZ 2000, 950; FamRZ 1995 (869). 3 Zum Verbot der Doppelverwertung von Vermögenswerten im Zugewinn und Unterhalt BGH, FamRZ 2004, 1352 (1353) (Abfindung); BGH, FamRZ 2003, 1396 (Erträge aus Gesellschafterbeteiligung). 4 So Büttner/Niepmann, NJW 2005, 2359 (2352); Pichlmeier, NZFam 2014, 385 ff.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
k) Berücksichtigung von Steuervorteilen Der Unterhaltspflichtige hat die Möglichkeit, Steuervorteile in Anspruch zu 316 nehmen aufgrund der von ihm erbrachten Unterhaltsleistungen. Ihm stehen dazu alternativ das begrenzte Realsplitting nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG oder der Abzug des Unterhalts als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 EStG1 zur Verfügung. Die aus diesen steuerrechtlichen Entlastungen resultierenden Einkommensvorteile sind dem eheprägenden Einkommen hinzuzurechnen. Beim begrenzten Realsplitting kann der Unterhaltspflichtige Unterhaltsleistun- 317 gen i.H.v. bis zu 13 805 Euro jährlich (Stand 2014) steuerrechtlich einkommensmindernd in Ansatz bringen. Dabei ist er auf die Zustimmung des Unterhaltsberechtigten angewiesen, die durch Unterzeichnung der Anlage U möglich ist.2 Weitere Folge ist, dass der Unterhaltsberechtigte seine Unterhaltsleistungen versteuern muss. Insoweit steht ihm ein Erstattungsanspruch gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten zu. Dieser Nachteilsausgleich ist von der durch das begrenzte Realsplitting bewirkten Steuerersparnis abzuziehen. Weitere Einzelheiten der Voraussetzungen der Inanspruchnahme sind unter Kap. E Rz. 134 ff. erläutert. Alternativ zum begrenzten Realsplitting können Leistungen auch als außerge- 318 wöhnliche Belastung gemäß § 33a Abs. 1 EStG geltend gemacht werden i.H.v. bis zu 8 354 Euro pro Jahr ab 1.1.2014.3 Die Inanspruchnahme dieser steuerrechtlichen Entlastungsmöglichkeit setzt keine Zustimmung des Unterhaltsberechtigten voraus; der Unterhaltsberechtigte muss auch nicht die an ihn geflossenen Unterhaltsleistungen versteuern. Als Unterhaltsleistungen können in Ansatz gebracht werden laufende Unterhaltszahlungen, aber ebenso Sonderbedarf sowie untypische Aufwendungen für Krankheitskosten, Scheidungskosten usw. Nicht möglich ist, Unterhaltsleistungen, die beim begrenzten Realsplitting nicht berücksichtigt wurden, weil sie den Grenzbetrag von 13 805 Euro übersteigen, als außergewöhnliche Belastung nach § 33a EStG geltend zu machen. Der Unterhaltspflichtige muss sich für eine Entlastungsform entscheiden. Neben den Unterhaltszahlungen können sowohl im Rahmen des begrenzten Re- 319 alsplittings als auch bei den außergewöhnlichen Belastungen über die jeweilige Höchstgrenze hinaus für den Unterhaltsberechtigten bezahlte Krankenkassenbeiträge und Beiträge zur Pflegeversicherung mitberücksichtigt werden. Die steuerliche Absetzbarkeit dieser Vorsorgeaufwendungen ist begrenzt auf die Höhe von Beträgen, die notwendig sind für die Erlangung der Grundversorgung, zu der z.B. nicht gehört die Behandlung durch den Chefarzt oder ein Einzelzimmer im Krankenhaus (§§ 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, Nr. 3, 33a Abs. 1 Satz 2 EStG).4 Der Verpflichtete ist unterhaltsrechtlich gehalten, die für ihn aufgrund der Un- 320 terhaltszahlungen in Betracht kommenden Steuervorteile in Anspruch zu nehmen, wenn er den Unterhaltsanspruch anerkannt hat, dieser rechtskräftig feststeht oder er den Unterhaltsanspruch freiwillig erfüllt.5 Tut er dies vorwerfbar 1 2 3 4
Borth, FamRZ 2010, 416 ff.; Caspary, FPR 2003, 410. BGH, FamRZ 1998, 953. Borth, FamRZ 2010, 416 ff. Vgl. dazu Borth, FamRZ 2010, 416 (417) mit Beispielen zu den Höchstgrenzen bei der Berücksichtigung von Unterhalt und Vorsorgebeiträgen. 5 BGH, FamRZ 2007, 793.
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nicht, ist eine fiktive Steuerberechnung zu erstellen. Die fiktive Steuerberechnung zur Ermittlung des Steuervorteils beim begrenzten Realsplitting ist auf der Grundlage des festgestellten Jahresdurchschnittseinkommens aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit oder eines Dreijahresdurchschnittseinkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit zu berechnen. Von dem ermittelten Steuervorteil sind eventuelle Steuernachteile des Unterhaltsberechtigten abzuziehen (Kap. E Rz. 137), da dieser insoweit einen Ausgleichsanspruch gegenüber dem Unterhaltspflichtigen hat. Der sich daraus ergebende Betrag ist dem bedarfsbestimmenden Einkommen des Verpflichteten hinzuzurechnen. 321
Hat der Verpflichtete nach Wiederheirat Steuervorteile durch die gemeinsame Veranlagung mit dem neuen Ehegatten (Splittingvorteil nach § 32a EStG), gehört sein darauf beruhendes Mehreinkommen nicht zum bedarfsbestimmenden Einkommen,1 denn in verfassungskonformer Auslegung von Art. 6 Abs. 1 GG steht der Steuervorteil, der auf der neuen Eheschließung beruht, auch nur den zusammenlebenden Ehegatten zu. Folge ist, dass bei der Einkommensermittlung nicht die reale Steuer vom Einkommen des wiederverheirateten Ehegatten abzuziehen ist, sondern eine fiktive Steuerberechnung nach der Grundtabelle vorzunehmen und der so ermittelte Betrag von dem Bruttoeinkommen des Verpflichteten abzuziehen ist.2 Dies wird in der Praxis jedoch dann nicht notwendig sein, wenn die Ehegatten der neuen Ehe Doppelverdiener mit einem annähernd gleich hohen Einkommen sind, denn dann fällt der Ehegattensplittingvorteil kaum ins Gewicht. Bei stark auseinanderfallenden Einkommen oder wenn der neue Ehegatte keine Einkünfte hat, wird er jedoch unterhaltsrechtlich bedeutsam.3 Bei Unterhaltsansprüchen für die Zeit ab 1.1.2008 ist zu beachten, dass der Splittingvorteil zwar nicht beim bedarfsbestimmenden Einkommen des Verpflichteten, aber im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit mit zu berücksichtigen ist, wenn vorrangige oder gleichrangige Unterhaltspflichten bestehen,4 s. dazu Rz. 358, Kap. E Rz. 220.
322
Hat sich das Einkommen des Verpflichteten aufgrund eines Karrieresprungs nach der Scheidung deutlich erhöht, so dass es teilweise nicht mehr dem eheprägenden Einkommen zuzurechnen ist, ist zu beachten, dass die Steuern nur bezogen auf das eheprägende Einkommen neu zu berechnen sind. Dies setzt voraus, dass zunächst fiktiv das eheprägende Einkommen des Verpflichteten bestimmt wird ohne Berücksichtigung der Einkommenssteigerungen, die auf dem Karrieresprung beruhen.5 Ist dieses „Karussell der Fiktionen“6 erst einmal in Schwung gebracht, ergeben sich noch Folgewirkungen für den einkommensmindernden Abzug des Kindesunterhalts: Der Kindesunterhalt wird in dem Fall zwar nach dem tatsächlich erzielten Einkommen des Unterhaltspflichtigen be-
1 BGH, FamRZ 2005, 1817 (1819) in Abänderung der früheren Rechtsprechung in FamRZ 1985, 911 ff.; FamRZ 1988, 486 ff. 2 Wendl/Dose/Gerhardt, § 1 Rz. 1018–1022; Spieker, Ermittlung der fiktiven oder tatsächlichen Steuerlast bei unterhaltsrechtlichen Korrekturen, FPR 2012, 310 ff. 3 Vgl. dazu Schürmann, FamRZ 2003, 1825 f.; Tischler, Übersicht zu den Problemen bei einer fiktiven Einkommensberechnung in FPR 2007, 79, mit Berechnungsbeispielen. 4 BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 47 ff. zum Splittingvorteil; BGH, FamRZ 2009, 411 zum Einkommen aus Karrieresprung. 5 BGH, FamRZ 2007, 1232 ff. mit Anm. dazu von Maurer, FamRZ 2007, 1236 f.; Ehinger, NJW 2007, 2632 f.; Soyka, FuR 2007, 367; Schürmann, jurisPR-FamR 17/2007, Anm. 1. 6 So die Formulierung von Born, NJW 2010, 641 ff. in kritischer Auseinandersetzung mit BGH, FamRZ 2009, 579 ff.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
messen – auch unter Berücksichtigung des Splittingvorteils –, für die Berechnung des Ehegattenunterhalts hingegen wird der Kindesunterhalt nur in der Höhe vom Einkommen des Verpflichteten abgezogen, in der er nach dem fiktiv errechneten Einkommen des Verpflichteten geschuldet wäre. Anderenfalls würden sich karrierebedingte Einkommenssteigerungen zu Lasten des geschiedenen Ehegatten auswirken.1 Ist auch der neue Ehegatte unterhaltsbedürftig, ist für die Berechnung seines Bedarfs hingegen auf das tatsächlich erzielte Einkommen des Verpflichteten inklusive der auf die neue Ehe bezogenen Vergünstigungen abzustellen. Dabei wird der Bedarf der neuen Ehefrau des Verpflichteten so ermittelt, als stünde ihr ebenfalls ein nachehelicher Unterhaltsanspruch zu, so dass bestehende Unterhaltspflichten gegenüber geschiedenen Ehegatten als eheprägend zu berücksichtigen sind (Kap. E Rz. 195 ff. mit Berechnungsbeispielen). Dabei ist der Ehefrau, soweit eine Erwerbstätigkeit von ihr erwartet werden könnte, ein fiktives Einkommen aus Erwerbstätigkeit zu unterstellen und eine fiktive Steuerberechnung für das Einkommen des Verpflichteten und seiner Frau unter Berücksichtigung des Splittingvorteils zu berechnen.2 Wählt der wieder verheiratete Unterhaltspflichtige die Steuerklasse V, die zu ei- 323 ner hohen steuerlichen Belastung führt, kann ein zu schätzender Abschlag oder eine fiktive Besteuerung, bemessen nach der Grundtabelle oder – wenn nur Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit erzielt werden – vereinfachend nach der Steuerklasse I erfolgen.3 Ehegatten sind zwar steuerrechtlich frei, die Kombination der Steuerklassen III und V zu wählen mit der Folge, dass der nach Steuerklasse III besteuerte Ehegatte eine niedrige und der nach Steuerklasse V besteuerte Ehegatte eine sehr hohe vorläufige Besteuerung erhält. Unterhaltsrechtlich maßgeblich ist aber die tatsächliche Steuerschuld ohne Berücksichtigung des zugunsten der neuen Ehe bestehenden Splittingvorteils. Der Familienzuschlag des unverheirateten unterhaltspflichtigen Beamten nach 324 §§ 39, 40 BBesG bleibt eheprägendes Einkommen, denn er entspricht dem bei Bestehen der Ehe gewährten Zuschlag, hat nunmehr aber die Aufgabe, die Unterhaltslasten des Beamten aus einer geschiedenen Ehe abzumildern (§ 40 Abs. 1 Nr. 3 BBesG).4 Der Familienzuschlag des wiederverheirateten unterhaltspflichtigen Beamten ist ebenfalls noch eheprägendes Einkommen, er ist jedoch nur in Höhe der Hälfte zu berücksichtigen, denn der Familienzuschlag hat generell die Zweckbestimmung, unterschiedlichen Belastungen des Familienstandes Rechnung zu tragen, so dass auch zusätzliche Belastungen, die mit einer neuen Familiengründung entstehen, damit abgemildert werden sollen.5 Ist die neue Ehefrau ebenfalls unterhaltsbedürftig, findet der Familienzuschlag in voller Höhe Anwendung. Nicht alle Steuervorteile, die der Verpflichtete in Anspruch nehmen kann, flie- 325 ßen in die Einkommensberechnung mit ein. Hat der geschiedene Ehegatte Steuervorteile dadurch, dass er z.B. eine nicht selbst bewohnte Eigentumswohnung
1 BGH, FamRZ 2007, 1232 (1235). 2 So OLG Celle, Urt. v. 11.3.2010 – 17 UF 154/09, Tz. 32 ff. mit Berechnung; kritisch zu den Berechnungen auf der Basis mehrerer Fiktionen Born, NJW 2010, 641 ff. 3 Niepmann/Schwamb, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, Rz. 768. 4 OLG Celle, FamRZ 2005, 716 (717); BGH, FamRZ 2007, 793 (799). 5 BGH, FamRZ 2007, 793 (798).
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
erworben hat (Bauherrenmodell), dann sind die daraus resultierenden Verbindlichkeiten nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen; denn er darf nicht zu Lasten des Berechtigten Vermögen bilden. Die aufgrund dieses Eigentumserwerbs ihm zufließenden Steuervorteile stehen dann allerdings auch nur ihm zu, so dass ggf. insoweit eine fiktive Besteuerung zu berechnen ist.1 326
Anderes gilt für Abschreibungen für die Abnutzung von Gebäuden, Sonderabschreibungen und Ansparabschreibungen. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Kap. A Rz. 89 ff. verwiesen. l) Miete für die Ehewohnung
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Bleibt einer der Ehegatten nach der Scheidung in der gemieteten Ehewohnung, die für ihn zu groß und zu teuer ist, ist das ein Luxus, den er sich selbst finanzieren muss. Anders als beim Trennungsunterhalt kann der geschiedene Ehegatte jedenfalls keine Kosten mehr einkommensmindernd in Abzug bringen. Nur wenn noch beide Ehegatten aus dem Mietvertrag verpflichtet sind, ohne dass dies dem in der Wohnung verbliebenen Ehegatten anzulasten ist, kann – je nach Fallkonstellation – der Ehegatte, der den Anteil des anderen mitbezahlt, diesen Betrag einkommensmindernd abziehen. I.d.R. entsteht jedoch mit der Endgültigkeit der Trennung und spätestens mit der Scheidung für den Ehegatten, der in der Ehewohnung lebt, die Obliegenheit, entweder allein den Mietvertrag fortzusetzen oder ebenfalls aus der Wohnung auszuziehen. Die dann für ihn entstehenden Mietkosten sind immer Teil seines allgemeinen Lebensbedarfs und von ihm allein zu tragen. Liegen die Kosten für eine Mietwohnung bei dem Verpflichteten niedriger als im angemessenen Eigenbedarf angesetzt,2 kommt dies nicht dem Berechtigten zugute. Eine Erhöhung des Eigenbedarfs kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, wenn die höheren Mietkosten für ihn unvermeidbar sind. m) Unterhalt für Kinder, Mütter nichtehelicher Kinder und Eltern
328
Der von dem barunterhaltspflichtigen Ehegatten für gemeinsame Kinder zu zahlende Unterhalt ist einkommensmindernd zu berücksichtigen. Sind beide Eltern barunterhaltspflichtig, können beide den zu zahlenden Unterhalt abziehen. Ebenfalls einkommensmindernd zu berücksichtigen sind fortdauernde Unterhaltsleistungen für Kinder aus früheren Beziehungen, die schon während des Zusammenlebens der Eheleute die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben.3
329
Gleiches gilt für den Unterhalt für gemeinsame volljährige, nicht privilegierte Kinder, soweit diese Unterhaltsverbindlichkeiten den ehelichen Bedarf geprägt haben. Dies gilt allerdings nur, soweit der unterhaltspflichtige Ehegatte nach Vorabzug des Kindesunterhalts noch den angemessenen Bedarf für den Ehegatten leisten kann. Ist dies nicht der Fall, unterbleibt der Vorabzug im Hinblick auf den unterhaltsrechtlichen Vorrang des Ehegatten (§ 1609 Nr. 2, 4, 5 BGB, s. auch Kap. B Rz. 63 f.).
1 BGH, FamRZ 1987, 36 ff. 2 Das sind nach dem Stand 1.1.2014 monatlich 400 Euro, s. Anm. B. IV. der DT und Nr. 21.4 der LL. 3 BGH, FamRZ 1991, 1163 (1164); BGH, FamRZ 1999, 367 ff.
462 Ehinger
IV. Die Berechnung des Unterhalts
Bei dem Unterhalt für nichteheliche Kinder ist seit der Änderung der Rechtspre- 330 chung des BGH zu § 1578 Abs. 1 BGB mit Beschluss vom 7.11.20111 zu differenzieren: Unterhaltsverbindlichkeiten für nach der Trennung und vor der Rechtskraft der 331 Scheidung geborene, nicht gemeinsame Kinder sind berücksichtigungswürdige Verbindlichkeiten auf der Ebene des Bedarfs.2 Denn es handelt sich insoweit um Verbindlichkeiten, die noch während des Bestehens der Ehe entstanden sind und die wirtschaftlichen Verhältnisse, an denen die Ehegatten bis zur Scheidung teilhaben, beeinflussen. Dies gilt gleichermaßen für vor der Rechtskraft der Scheidung entstandene Un- 332 terhaltsansprüche der Mutter des nichtehelichen Kindes (str. s. Kap. E Rz. 253).3 Unterhaltsverbindlichkeiten für nach der Rechtskraft der Scheidung geborene 333 Kinder sind hingegen keine eheprägenden Verbindlichkeiten, denn insoweit fehlt es an der erforderlichen Anknüpfung an die ehelichen Lebensverhältnisse. Sie sind weder in der Ehe angelegt, noch waren sie bei fortbestehender Ehe zu erwarten.4 Gleiches gilt für die Unterhaltsansprüche der Mutter des nichtehelichen Kindes. Soweit ein Vorrang bzw. Gleichrang der Unterhaltsansprüche besteht, kann dem bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit im Rahmen der nach § 1581 BGB anzustellenden Billigkeitsabwägung bei der Verteilung der vorhandenen Mittel Rechnung getragen werden (Kap. E Rz. 254). Der Kindesunterhalt wird seit der Unterhaltsrechtsreform i.H. des tatsächlichen 334 Zahlbetrags und nicht i.H. des Tabellenunterhalts abgezogen, denn der betreuende Elternteil hat gemäß § 1612b Abs. 1 Satz 1 BGB das anteilige Kindergeld zur Deckung des Barbedarfs des Kindes zu verwenden5 (zum Kindergeldausgleich ab 1.1.2008 s. Kap. A Rz. 285 ff. und Rechtslage bis zum 31.12.2007 vgl. Kap. A Rz. 289). Betreut ein Ehegatte ein gemeinsames Kind, wird seine Betreuungsleistung trotz 335 der in § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB gesetzlich geregelten Gleichwertigkeit von Barund Betreuungsunterhalt nicht monetarisiert und in gleicher Höhe wie der vom anderen Elternteil gezahlte Barunterhalt von seinem Einkommen abgezogen. Er kann aber stattdessen konkrete Betreuungsaufwendungen auch z.B. als berufsbedingte Aufwendungen6 von seinem Einkommen abziehen, soweit sie nicht als Mehrbedarf des Kindes zu behandeln sind (Kap. A Rz. 296 f.). Soweit er neben der Betreuung überobligatorisch erwerbstätig ist, kann ein Teil des Einkommens anrechnungsfrei bleiben. Dies gilt sowohl für den Unterhaltsberechtigten als auch den Verpflichteten. Zur Behandlung von Einkünften aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit s. Rz. 265 ff.
1 2 3 4
BGH, FamRZ 2011, 281 im Anschluss an BVerfG, FamRZ 2011, 437. Gefestigte Rechtsprechung seit BGH, FamRZ 1999, 367 ff.; 1994, 87. BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 20; OLG Hamm, FamRZ 2013, 560. BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 27 unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung in FamRZ 2006, 683 (686); 2008, 1911; 2009, 579 ff.; a.A. Gerhardt/Gutdeutsch, FamRZ 2011, 597. 5 Dose, FamRZ 2007, 1289 (1282); Gerhardt/Gutdeutsch, FamRZ 2007, 778 (779); BTDrucks. 16/1830 v. 15.6.2006, S. 29; BGH, FamRZ 2009, 1300 Tz. 50. 6 BGH, FamRZ 1982, 779 ff.
Ehinger
463
F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
336
Zahlt der barunterhaltspflichtige Elternteil keinen Kindesunterhalt, kann der andere Elternteil, der das Kind versorgt, Kindesbarunterhalt in Höhe des nach seinem eigenen Einkommen geschuldeten Tabellenunterhalts einkommensmindernd abziehen.1
337
Fallen Unterhaltspflichten für gemeinsame Kinder nach der Scheidung weg, so erhöht sich das bedarfsbestimmende Einkommen um diesen Betrag, es sei denn, dass die freiwerdenden Mittel nach den jetzt maßgeblichen Verhältnissen der Vermögensbildung oder anderen nicht dem Lebensbedarf zuzurechnenden Zwecken dienen würden.2
338
Auch Unterhaltsleistungen für die Eltern eines Ehegatten, die an sich nachrangig berechtigt sind gegenüber dem Ehegatten, können die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben. Allerdings darf der Vorwegabzug nicht zu einem Missverhältnis des Bedarfs der Beteiligten führen.3 n) Unterhalt für neuen Ehepartner des Verpflichteten
339
Der Unterhalt für neue Ehepartner findet auf der Ebene des bedarfsbestimmenden Einkommens keine Berücksichtigung, da diese Verbindlichkeit keinen Bezug zu den ehelichen Lebensverhältnissen gem. § 1578 Abs. 1 BGB zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung hat. Nach der Rechtskraft der Scheidung entstandene Verbindlichkeiten finden erst Berücksichtigung im Rahmen der Leistungsfähigkeit, wobei es dann für die Verteilung der vorhandenen Mittel im Mangelfall auf die Rangfolge der Ansprüche ankommt. Nicht mehr maßgeblich ist die Rechtsprechung des BGH zum Maß des Unterhaltsbedarfs im Sinne „wandelbarer“ ehelicher Lebensverhältnisse, s dazu Rz. 18 ff. 5. Berechnung des Anteils des Anspruchstellers am bedarfsbestimmenden Einkommen (Quotierung) mit Rechenbeispielen
340
Dem Anspruchsteller steht nach Abzug der berufsbedingten Aufwendungen und Verbindlichkeiten sowie eines Erwerbstätigenbonus von dem bedarfsbestimmenden Einkommen die Hälfte zu (Grundsatz der Halbteilung). Der Erwerbstätigenbonus, der i.H.v. 1/10 bis 1/ 7 üblich ist,4 wird aufgrund seiner Zweckbestimmung immer nur vom Einkommen aus Erwerbstätigkeit abgezogen, und zwar erst nach Abzug der berücksichtigungswürdigen Verbindlichkeiten sowie der berufsbedingten Aufwendungen vom bereinigten Nettoeinkommen. Bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen kann der Bonus im Einzelfall auch geringer bemessen werden. Bei allen anderen Einkünften, z.B. aus Kapital, aber auch Pensionen und Renten, gilt der Grundsatz der Halbteilung uneingeschränkt. 1 BGH, FamRZ 1991, 182; Wendl/Dose/Gerhardt, § 1 Rz. 839. 2 BGH, FamRZ 1990, 1085 ff. Seine frühere Rechtsprechung, nach der der Wegfall des Kindesunterhalts im Fall einer Neubemessung des nachehelichen Unterhalts nur dann Bedeutung haben sollte, wenn diese Änderung der Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Scheidung schon konkret voraussehbar war und die Ehegatten diesem Umstand noch während des Bestehens der Ehe einen prägenden Einfluss auf ihre Lebensverhältnisse eingeräumt haben, hat der BGH in FamRZ 1988, 701 ff. aufgegeben. 3 BGH, FamRZ 2003, 860. 4 Vgl. zur Höhe des Bonus Nr. 15.2 der Leitlinien der zuständigen OLG.
464 Ehinger
IV. Die Berechnung des Unterhalts
Die in den nachfolgenden Beispielen dargestellte Berechnung des Bedarfs durch Halbteilung des addierten beiderseitigen prägenden Einkommens und die Anrechnung der Eigeneinkünfte des Bedürftigen aus prägenden und nichtprägenden Einkünften auf diesen Bedarf wird als Additionsmethode bezeichnet. Die Berechnung erfolgt in 2 Schritten:
341
– Bedarf = Summe des eheprägenden bereinigten Einkommens aus Erwerbseinkommen i.H.v. 6/ 7 bzw. 9/10 und sonstigen eheprägenden Einkünften beider Ehegatten geteilt durch 2. – Ungedeckter Bedarf = Bedarf abzüglich sämtlicher Einkünfte des Anspruchstellers (des eheprägenden und nichtprägenden bereinigten Einkommens aus Erwerbseinkommen i.H.v. 6/ 7 bzw. 9/10 und sonstige prägende und nichtprägende bereinigte Einkünfte). Insoweit ist der Anspruchsteller bedürftig. Zu den anderen üblichen Berechnungsmethoden, die alle zu gleichen Ergebnis- 342 sen führen, vgl. Kap. E Rz. 182. Rechenbeispiele für die Bedarfsermittlung nach der Additionsmethode
343
Bei den nachfolgenden Beispielen wird zunächst die Berechnung des Bedarfs nach dem Grundsatz der Halbteilung vorgestellt, die Bedürftigkeit durch Anrechnung eigenen Einkommens des Berechtigten berechnet und die Leistungsfähigkeit kontrolliert. 344
(1) Beispiel Alleinverdienerehe Bei einem Erwerbstätigenbonus von
1/10
ergibt sich folgende Berechnung
Einkommen M aus Erwerbstätigkeit 5 % berufsbedingte Aufwendungen abzüglich Kreditrate abzüglich Kindesunterhalt Zwischenbetrag abzüglich 1/10 Erwerbstätigenbonus (1 699 × 9/10) ergibt ein bereinigtes Einkommen von davon steht F die Hälfte zu
2 200 Euro 110 Euro 2 090 Euro 150 Euro 241 Euro 1 699 Euro 1 529 Euro 765 Euro
F hat keine Einkünfte Bedürftigkeit: F ist in Höhe von 765 Euro bedürftig Leistungsfähigkeit: Eigenbedarfskontrolle: Bereinigtes Einkommen M (ohne Abzug des Erwerbstätigenbonus) abzüglich ungedeckter Bedarf der F M verbleiben Da M 1 100 Euro verbleiben müssen,1 hat F nur einen Anspruch auf
1 699 Euro 765 Euro 934 Euro 599 Euro
Variante: Erzielt F noch nicht prägende Einkünfte, z.B. Zinsen aus einer Erbschaft nach der Scheidung i.H.v. 200 Euro, beträgt ihr ungedeckter Bedarf 565 Euro (765 Euro – 200 Euro), den M ohne Einschränkung zahlen kann, denn ihm verbleiben 1 134 Euro.
1 Der angemessene Eigenbedarf ist unter Nr. 21.4 der LL und Anm. B. IV. der DT. Er beträgt nach dem Stand 1.1.2014 1 100 Euro.
Ehinger
465
F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
345
(2) Beispiel Doppelverdienerehe Bei einem Erwerbstätigenbonus von 1/10 ergibt sich folgende Berechnung Einkommen M aus Erwerbstätigkeit 5 % berufsbedingte Aufwendungen abzüglich Kreditrate abzüglich Kindesunterhalt Zwischenbetrag abzüglich 1/10 Erwerbstätigenbonus (1699 * 9/10) ergibt ein bereinigtes Einkommen von Einkommen F aus Erwerbstätigkeit Fahrkosten konkret berechnet Ehestandsdarlehen Zwischenbetrag abzüglich 1/10 Erwerbstätigenbonus (670 * 9/10) ergibt ein bereinigtes Einkommen von Bedarfsberechnung bereinigtes Einkommen M bereinigtes Einkommen F Gesamtbedarf Bedarf F die Hälfte Bedürftigkeit: abzüglich eigenes Einkommen der F F ist bedürftig i.H.v. Leistungsfähigkeit: Eigenbedarfskontrolle: M ist leistungsfähig, da ihm mehr als 1 100 Euro1 für den Eigenbedarf verbleiben: 1 699 – 463 =
2 000 Euro 110 Euro 2 090 Euro 150 Euro 241 Euro 1 699 Euro 1 529 Euro 800 Euro 100 Euro 30 Euro 670 Euro 603 Euro 1 529 Euro 603 Euro 2 132 Euro 1 066 Euro 603 Euro 463 Euro 1 236 Euro
Variante: Hat F noch nicht prägende Einkünfte aus Vermögen i.H.v. 200 Euro, verringert sich ihr Bedarf auf 263 Euro.
6. Bedürftigkeit 346
Von dem Anspruchsteller wird erwartet, dass er seine sämtlichen Einkünfte, sowohl die eheprägenden als auch die nichtprägenden Einkünfte zur Deckung seines Unterhaltsbedarfs verwendet. Denn anspruchsberechtigt ist nur, wer außerstande ist, seinen Unterhalt aus eigenen Einkünften aus Erwerbstätigkeit, sonstigen geldwerten Zuwendungen oder aus dem Vermögen zu bestreiten (§ 1577 Abs. 1 BGB). Den Stamm des Vermögens braucht der Berechtigte nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre (§ 1577 Abs. 3 BGB). Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit sind nur hinsichtlich ihres unterhaltsrechtlich relevanten Teils anrechenbar und bleiben ansonsten unterhaltsrechtlich gänzlich außer Betracht, s. dazu. Rz. 265 ff. a) Beispiele für abzugspflichtiges Einkommen, das nicht die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat
347
Wenn Einkommen, das nicht zum bedarfsbestimmenden Einkommen gerechnet wird, weil es die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt hat, nunmehr be1 Der angemessene Eigenbedarf ist unter Nr. 21.4 der LL und Anm. B VI a) der DT. Er beträgt nach dem Stand 1.1.2014 1 100 Euro.
466 Ehinger
IV. Die Berechnung des Unterhalts
darfsmindernd abgezogen wird, kann sich der Unterhaltsanspruch drastisch verringern. Solche nichtprägenden Einkünfte können nach der obergerichtlichen Rechtsprechung sein: – Einkünfte aus zumutbarer Erwerbstätigkeit (Karrieresprung), die nicht der Lebensplanung der Ehegatten sowie der normalen Entwicklung entsprechen und mit denen zum Zeitpunkt der Trennung auch nicht zu rechnen war (s. dazu unter Rz. 250); – nicht eheprägende Erträge aus Vermögen, Gebrauchsvorteile und wirtschaftliche Nutzung des Vermögens. Vermögen ist zinsbringend anzulegen. Wird dies versäumt, werden dem bedürftigen Ehegatten erzielbare Zinssätze als Einkünfte unterstellt. Vermögen, das keine Erträge bringt, ist wirtschaftlich zu nutzen, sei es durch Vermietung eines Hauses oder leer stehender Zimmer, Verkauf von Goldbarren und zinsgünstige Anlage des Geldes. Allerdings muss die Zumutbarkeit der Nutzung beachtet werden (§ 1577 Abs. 1 BGB). – Einkünfte aus Renten, soweit diese aus Mitteln des vom Verpflichteten gezahlten Vorsorgeunterhalts erworben wurden (str. s. Rz. 261).1 Renten, die auf dem Versorgungsausgleich oder vor der Ehe geleistete Erwerbstätigkeit beruhen, sind sowohl auf der Bedarfs- als auch Bedürftigkeitsebene mitzuberücksichtigen.2 – Ein Synergieeffekt wegen des Zusammenlebens mit einem neuen Partner, der das anrechenbare Einkommen i.H.v. 10 % des angemessenen Eigenbedarfs erhöht (s. Rz. 287).3 348
Beispiele – F bewohnt mit ihren Kindern ein in ihrem Eigentum stehendes luxuriöses Eigenheim, das sie nach der Scheidung von ihren Eltern geschenkt bekommen hat. Abhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen der geschiedenen Ehepartner, kann für F entweder die Vermietung des Hauses und der Umzug in eine weniger kostspielige Wohnung oder eine Teilvermietung zumutbar sein. Jedenfalls muss sie sich mindestens, solange sie in dem Haus lebt, ersparte Mietkosten in angemessener Höhe bedarfsmindernd anrechnen lassen (§ 1577 Abs. 3 BGB). – F hat einen nachehelichen Unterhaltsanspruch i.H.v. 500 Euro. M hat eine gesicherte Stellung und außerdem Einkünfte aus einem nach der Scheidung geerbten Mietshaus. F bekommt von ihren Eltern im Alter von 55 Jahren nach der Scheidung 50 000 Euro geschenkt. Je nach erzielbarem Zinssatz muss sie sich entsprechende Einkünfte monatlich bedarfsmindernd anrechnen lassen. Ein Verbrauch des Barvermögens ist nicht zumutbar, da sie nur mit einer Rente in Höhe des kleinen Selbstbehalts rechnen kann (§ 1577 Abs. 3 BGB).
b) Anforderungen an die Verwertung von Vermögen Der unterhaltsberechtigte Ehegatte hat grundsätzlich sein Vermögen für seinen 349 Unterhalt zu verwenden (§ 1577 Abs. 1 BGB), den Stamm des Vermögens muss er nicht verwerten, soweit dies unwirtschaftlich wäre oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Billigkeit widersprechen würde (§ 1577 Abs. 3 BGB). Unwirtschaftlich kann der Verkauf eines Hauses sein, wenn eine erhebliche Wertsteigerung zu erwarten ist oder eine Mietwohnung auf 1 BGH, FamRZ 2003, 848 ff. 2 BGH, FamRZ 2002, 88 (91) und 2003, 848 (851). 3 BGH, FamRZ 2010, 1535, Tz. 44 f.; Gerhardt/Gutdeutsch, FamRZ 2011, 597 (599).
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467
F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
Dauer teurer wäre als die Nutzung des Hauses. Die Verwertung von Barvermögen muss nicht unwirtschaftlich, kann aber unbillig sein.1 So hat der Berechtigte einen Anspruch auf einen Notgroschen. Für dessen Bemessung ist nicht abzustellen auf den Maßstab des Sozialhilferechts, sondern auf die individuellen Verhältnisse und Bedürfnisse. Grundsätzlich gilt für die im Rahmen von § 1577 Abs. 3 BGB anzustellende Billigkeitsprüfung, dass eine umfassende Würdigung aller maßgeblichen Umstände vorzunehmen ist. Dazu können gehören z.B. die Belange naher Angehöriger (Eltern, Kinder), die Höhe der voraussichtlichen Altersversorgung, sonstige Vermögenswerte, Dauer des Unterhaltsanspruchs, Vermögenssituation des Verpflichteten, Situation beider Ehegatten nach Veräußerung des Familienheims, welche dauerhaften Ertragsmöglichkeiten ein Vermögenswert bietet.2 c) Besonderheiten bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit 350
Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit, wie z.B. aus nicht berufstypischen Nebentätigkeiten oder Überstunden, die neben einer Vollbeschäftigung ausgeübt werden, sind – soweit sie aus Billigkeitsgründen auf der Bedarfsebene berücksichtigt wurden – auch bedürftigkeitsminderndes Einkommen. Der nicht berücksichtigte Teil verbleibt dem Unterhaltsbedürftigen allein und bleibt unterhaltsrechtlich unberücksichtigt. Für die Entscheidung, in welchem Umfang aus Billigkeitsgründen ein Teil des Einkommens unterhaltsrechtlich relevant sein soll, ist der dem § 1577 Abs. 2 BGB zugrundeliegende Gedanke, nach dem die Einkünfte nicht auf den Bedarf anzurechnen sind, solange der Verpflichtete nicht den vollen Unterhalt (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) leistet, zu beachten. Danach hat dem Berechtigten in jedem Fall der Betrag zu verbleiben, der ihm wegen eingeschränkter Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zum vollen Unterhalt fehlt. Der volle Unterhalt ist der Quotenunterhalt bemessen nach § 1578 Abs. 1 BGB. S. dazu das Beispiel Rz. 269.
351
Muss der Verpflichtete nur einen Billigkeitsunterhalt leisten (§ 1581 BGB), der hinter dem vollen Unterhalt zurückbleibt, verbleiben dem Berechtigten seine Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit in Höhe der Differenz zum vollen Unterhalt ungeschmälert.3 Die diese Differenz übersteigenden Einkünfte des Berechtigten werden nur hinsichtlich des Teils, der nach Billigkeit unterhaltsrechtlich relevant und in das bedarfsbestimmende Einkommen eingestellt worden ist, angerechnet.
352
Je nach den individuellen Verhältnissen kann der aus Billigkeitsgründen zu berücksichtigende Teil in vollem Umfang erforderlich sein, aber auch ganz unterbleiben. In jedem Fall bedarf eine Berücksichtigung einer besonderen Begründung, z.B. eine übermäßige wirtschaftliche Belastung des Pflichtigen, ein mangelnder angemessener Selbstbehalt für ihn oder die Entstehung eines drastischen Ungleichgewichts zwischen den geschiedenen Eheleuten.
353
Einkünfte aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit, die neben der Kindesbetreuung ausgeübt wird, werden in gleicher Weise nur hinsichtlich ihres unterhalts1 BGH, FamRZ 1985, 360. 2 BGH, FamRZ 1985, 354 (356): Grundsätze zur Verwertungspflicht beim Nacheheunterhalt; Grundsätze zur Verwertungspflicht beim Trennungsunterhalt: BGH, FamRZ 1985, 360. 3 Grundlegend BGH, FamRZ 1983, 146.
468 Ehinger
IV. Die Berechnung des Unterhalts
relevanten Teils, der nach § 1577 Abs. 2 BGB zu bestimmen ist, sowohl auf der Bedarfsebene als bei der Bedürftigkeitsprüfung berücksichtigt. Der unterhaltsrechtlich relevante Teil ist als Surrogat an die Stelle der während der Ehe geleisteten Familienarbeit getreten und deshalb schon auf der Bedarfsebene zu berücksichtigen, s. dazu Rz. 264. Daraus folgt zwingend die Anrechnung auf der Bedürftigkeitsebene. 7. Leistungsfähigkeit des Anspruchsgegners Ist der Verpflichtete nach seinen Erwerbs- und Vermögensverhältnissen unter 354 Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande, ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts dem Berechtigten Unterhalt zu gewähren, braucht er nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Erwerbs- und Vermögensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten der Billigkeit entspricht (§ 1581 BGB). Unterhalt kann von dem geschiedenen Ehegatten nur verlangt werden, wenn 355 dieser leistungsfähig ist. Bei teilweiser Leistungsunfähigkeit verringert sich der zu zahlende Unterhalt, bei völliger Leistungsunfähigkeit entfällt er ganz. Verfügt der Verpflichtete über Vermögen, muss er nur die Erträge daraus einsetzen, den Stamm des Vermögens braucht er nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre (§ 1581 Satz 2 BGB). Insoweit gelten die gleichen Maßstäbe wie für den Unterhaltsberechtigten (§ 1577 Abs. 3 BGB, Rz. 349). a) Eigenbedarf (Selbstbehalt) als Kontrollbetrag der Leistungsfähigkeit Die Grenze für die Leistungsfähigkeit ist der Eigenbedarf, der dem Verpflichte- 356 ten zum Bestreiten seines eigenen angemessenen Unterhaltsbedarfs zur Verfügung stehen muss. Wird er bei Erfüllung aller Verbindlichkeiten unterschritten, ist der Unterhalt gem. § 1581 BGB nach Billigkeit zu bestimmen. Dabei unterscheidet die Rechtsprechung zwischen dem eheangemessenen und 357 dem angemessenen Eigenunterhaltsbedarf des Verpflichteten: Der eheangemessene Bedarf entspricht in der Höhe dem angemessenen Bedarf des Berechtigten.1 Konkret bedeutet dies beim Quotenunterhalt mit einem Erwerbstätigenbonus von 1/ 7 , dass der Verpflichtete leistungsfähig ist, wenn ihm bei Erfüllung seiner Unterhaltspflichten 4/7 seines Einkommens verbleiben, denn nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann der Unterhalt für den Verpflichteten nicht geringer sein als der an den Berechtigten zu leistende Betrag.2 Der angemessene Eigenbedarf ist die Untergrenze des Bedarfs, der dem Verpflichteten i.d.R. zu verbeiben hat. Er wird in der Nr. 21.4 der Leitlinien der OLG und Anm. B IV der DT pauschal festgelegt und liegt in der Höhe in der Mitte zwischen dem notwendigen Eigenbedarf gegenüber unterhaltsberechtigten minderjährigen Kindern und dem angemessenen Eigenbedarf gegenüber volljährigen Kindern (Kap. E Rz. 215).
1 BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 33. 2 BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 33.
Ehinger
469
F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
358
Da die Zahlungspflicht nur im Umfang der Leistungsfähigkeit besteht (§ 1581 BGB), ist immer eine Kontrollrechnung durchzuführen, ob dem Verpflichteten der eheangemessene Eigenbedarf verbleibt. In diese Kontrollrechnung sind nun sämtliche, auch die nicht prägenden Einkünfte des Verpflichteten z.B. aus Karrieresprung einzubeziehen, ebenso das um den Splittingvorteil erhöhte Einkommen eines wiederverheirateten Verpflichteten. Dabei ist von dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit nicht der Erwerbstätigenbonus abzuziehen; denn dieser spielt nur eine Rolle für die Bedarfsbestimmung als Modifizierung des Halbteilungsgrundsatzes. Den gesamten Einkünften sind alle Verbindlichkeiten, einschließlich des ungedeckten Bedarfs des Berechtigten, gegenüberzustellen. Verbleibt dem Verpflichteten bei der Gegenüberstellung seiner Einkünfte und Verbindlichkeiten nicht sein eheangemessener Selbstbehalt, schlägt der Anspruch des Anspruchstellers in einen Billigkeitsanspruch um (§ 1581 BGB).1
359
Ergibt die Kontrollrechnung, dass der eheangemessene Eigenbedarf des Verpflichteten nicht gewahrt ist, der Bedarf des Berechtigten also höher ist als der Betrag, der dem Verpflichteten verbleibt, liegt ein sog. relativer Mangelfall vor, der zugleich zu einer Kürzung des Unterhalts des Berechtigten und des Eigenbedarfs des Unterhaltspflichtigen führt.
360
Ergibt die Kontrollrechnung, dass der angemessene Eigenbedarf des Verpflichteten nicht gewahrt ist, liegt ein absoluter Mangelfall vor. In dem Fall wirkt sich dies allein auf den Anspruch des Berechtigten aus, der gekürzt wird, denn dem Verpflichteten soll der angemessene Eigenbedarf i.d.R. mindestens verbleiben.2
361
Ist der Unterhalt zu beschränken, ist dieser Billigkeitsunterhalt immer auf der Grundlage einer umfassenden Billigkeitsabwägung zu bemessen (§ 1581 BGB).3 Dabei sind die Bedürfnisse beider Eheleute nach individuellen Gesichtspunkten abzuwägen, wobei beim nachehelichen Unterhalt allerdings – anders als bei bestehender Ehe – dem Grundsatz der Eigenverantwortung eine größere Bedeutung zukommt.
362
Ist der Verpflichtete nicht leistungsfähig, weil er nach der Scheidung leichtfertig Schulden gemacht hat oder weil er nicht arbeitet, obwohl er könnte, wird dies bei der Billigkeitsprüfung berücksichtigt mit dem Ergebnis, dass er zur Zahlung des errechneten ungedeckten Bedarfs verpflichtet bleibt. Denn eine absichtlich herbeigeführte Leistungsunfähigkeit muss der Berechtigte nicht hinnehmen. In den Fällen, in denen der Verpflichtete unverschuldet teilweise oder völlig leistungsunfähig ist, verringert sich der zu zahlende Unterhalt entsprechend, ggf. auf 0 Euro. Zu weiteren Einzelheiten der Billigkeitsabwägung s. Kap. E Rz. 224 ff.
363
Liegt der auszugleichende Bedarf des Unterhaltsberechtigten unter der sog. Bagatellgrenze von ca. 50 Euro, ist unter Berücksichtigung des Anspruchsgrundes
1 BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 34 f.; 1990, 260 ff. 2 So die Differenzierung in BGH, FamRZ 2012, 281 Tz. 34 ff. in Anknüpfung an seine frühere Rechtsprechung in FamRZ 1990, 260 (264) und Aufgabe der Rechtsprechung in FamRZ 2006, 683 (685), nach der ein Einstieg in die Billigkeitsprüfung nach § 1581 Abs. 2 BGB erst möglich sein sollte, wenn der angemessene Eigenbedarf nicht mehr gewahrt ist. 3 BGH, FamRZ 1990, 260 ff.
470 Ehinger
IV. Die Berechnung des Unterhalts
und der wirtschaftlichen Verhältnisse beider Parteien zu prüfen, inwieweit eine Ausgleichspflicht noch angemessen ist.1 Vgl. dazu Kap. E Rz. 126. b) Mangelfallberechnung bei vor- und gleichrangigen Unterhaltsansprüchen Ergibt sich, dass der Verpflichtete mit seinem für den Unterhalt zur Verfügung 364 stehenden Geld nicht die Ansprüche aller Unterhaltsberechtigten erfüllen kann, liegt ein Mangelfall vor. Im Mangelfall sind die Rangverhältnisse unter den Unterhaltsverpflichtungen zu beachten (vgl. dazu Rz. 535); denn nur gleichrangige Ansprüche müssen gleichmäßig befriedigt werden (absoluter Mangelfall). Ist ein konkurrierender Anspruch vorrangig, ist er auch vorrangig zu befriedigen (einfacher Mangelfall, Kap. E Rz. 244 ff.).2 Besonderheiten ergeben sich für die Mangelfallberechnung, wenn der unter- 365 haltspflichtige geschiedene Ehegatte wieder verheiratet ist und der neue – entweder getrennt lebende oder mit ihm zusammen lebende – Ehegatte ebenfalls unterhaltsbedürftig ist. Nachdem der BGH seine Rechtsprechung korrigiert und die Dreiteilung auf der Bedarfsebene nicht mehr praktiziert (s. dazu Rz. 18 f.), wird zunächst der Bedarf des geschiedenen Ehegatten nach den zum Zeitpunkt der Scheidung maßgeblichen Lebensverhältnissen bemessen, also ohne Berücksichtigung der Unterhaltsverbindlichkeiten gegenüber dem nach der Scheidung hinzugekommenen neuen Ehegatten und des nach der Rechtskraft der Scheidung geborenen Kindes. Soweit die nach der Scheidung hinzugekommenen Ansprüche im Mangelfall vorrangig zu berücksichtigen sind, geschieht dies nicht schon auf der Bedarfsebene sondern auf der Ebene der Leistungsfähigkeit im Rahmen von § 1581 BGB. Im Mangelfall ist der Kindesunterhalt dann in Höhe des Mindestunterhalts ab- 366 züglich des anteiligen Kindergelds vom Einkommen des Verpflichteten wegen des Vorrangs abzuziehen3 und anschließend das weitere noch zur Verfügung stehende Einkommen nach Billigkeit unter Wahrung des angemessenen Selbstbehalts des Verpflichteten unter den Beteiligten zu verteilen. Ist der mit dem Verpflichteten zusammenlebende Ehegatte nicht erwerbstätig und erzielt keine Einkünfte, ist er für die Bedarfsberechnung aus Gründen der Gleichbehandlung der geschiedenen und der bestehenden Ehe jedoch so zu behandeln, als stünde ihm, genau wie dem geschiedenen Ehegatten, ein nachehelicher Unterhaltsanspruch zu. Dies hat zur Folge, dass ihm ein fiktives erzielbares Einkommen zuzurechnen ist, wenn von ihm gem. §§ 1570 ff. BGB eine Erwerbstätigkeit zu erwarten wäre.4 Bezieht er Elterngeld, bleibt der Sockelbetrag als Einkommen unberücksichtigt; Ersparnisse wegen der gemeinsamen Haushaltsführung sind hingegen i.H.v. 10 % des Gesamtbedarfs der Ehegatten in Ansatz zu bringen.5 Soweit der Unterhaltspflichtige mit seinem neuen Ehegatten ein gemeinsames Kind zu versorgen hat, bestimmt sich dessen Bedarf, der als Naturalunterhalt ge-
1 OLG Brandenburg, FamRZ 2006, 341 (100 DM = 51,13 Euro); OLG München, FamRZ 1997, 425; OLG Düsseldorf, FamRZ 1996, 947. 2 BGH v. 7.5.2014 – XII ZB 258/13, FamRZ 2014, 1183 Tz. 21, 29 f. 3 BGH, FamRZ 2008, 2189, Tz. 29; BGH, Urt. v. 2.6.2010 – XII ZR 160/08, Tz. 20 = FamRZ 2010, 1318 Tz. 20. 4 BGH, FamRZ 2010, 111 (115), m. Anm. Herrler, S. 117; kritisch dazu Born, NJW 2010, 641 ff.; Graba, FamFR 2010, 53 ff. 5 BGH v. 7.5.2014 – XII ZB 258/13, FamRZ 2014, 1183 Tz. 29 f.
Ehinger
471
F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
leistet wird, im Interesse einer Gleichbehandlung mit weiteren Kindern, wie im Falle der Trennung der Eltern nach dem Einkommen des Verpflichteten, einschließlich des steuerrechtlichen Splittingvorteils, und ist um das hälftige Kindergeld zu bereinigen.1 367
Die Berechnung wird anhand von Rechenbeispielen in Kap. E Rz. 239 ff. im Rahmen des Trennungsunterhalts erläutert. Dort ist behandelt, wie nach jüngster, geänderter Rechtsprechung des BGH zu rechnen ist, wenn der Anspruch eines geschiedenen Ehegatten mit dem eines getrennt lebenden Ehegatten gleichrangig ist und wenn er mit einem Anspruch nach § 1615l BGB konkurriert. Dabei werden auch Berechnungsvarianten vorgestellt.
V. Vorsorgeunterhalt für den Fall des Alters, der Erwerbs- und Berufsunfähigkeit (§ 1578 Abs. 3 BGB) 368
Liegt kein Mangelfall vor und hat der geschiedene Ehegatte einen Unterhaltsanspruch nach §§ 1570–1573 oder § 1576 BGB, so gehören zum Lebensbedarf auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters sowie der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit (§ 1578 Abs. 3 BGB). Der Ehegatte, der ehebedingt an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert ist, kann die ihm dadurch bei seiner Altersversorgung entstehenden Nachteile durch die freiwillige Einzahlung von Versicherungsbeiträgen bei privaten oder gesetzlichen Rentenversicherungsträgern ausgleichen und für diesen Zweck Unterhalt verlangen. Da die Gerichte im Unterhaltsprozess nicht von Amts wegen über den Vorsorgeunterhalt entscheiden, muss der Berechtigte selbst wissen, ob er Vorsorgeunterhalt beanspruchen will, und diesen immer ausdrücklich unter Angabe des Betrags beantragen.2
369
Der Vorsorgeunterhalt ist Teil des allgemeinen Lebensbedarfs und wird, wenn der Verpflichtete zur Zahlung des errechneten Elementarunterhalts leistungsfähig ist, zusätzlich geschuldet. Der Anspruch kann erstmals mit dem Trennungsunterhalt ab Beginn des Monats, in dem der Scheidungsantrag rechtshängig wird, bis zur Rechtskraft der Scheidung geltend gemacht werden. Beim nachehelichen Unterhalt ist der Vorsorgeunterhalt – ausgenommen beim Ausbildungsunterhalt gemäß § 1575 i.V.m. § 1578 Abs. 3 BGB – immer unselbständiger Teil eines einheitlichen Lebensbedarfs und kann für die Zeit nach der Scheidung bzw. den unterschiedlichen Einsatzzeitpunkten der Anspruchsnorm entsprechend bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs geltend gemacht werden. Dies gilt auch dann, wenn der Berechtigte über eigene Einkünfte verfügt und nur ergänzenden Unterhalt z.B. in der Form des Aufstockungsunterhalts geltend macht,3 denn sollten Einzahlungen in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht möglich sein, kann die Alterssicherung in anderer Form erfolgen.4 Genauso ist es möglich, Altersvorsorgeunterhalt isoliert geltend zu machen; dies gilt auch, wenn der laufende Lebensbedarf durch eigene Einkünfte gedeckt ist.5
1 2 3 4 5
BGH, FamRZ 2014, 1183 Tz. 35 f. BGH, FamRZ 1985, 690; 1983, 152 (154); 1983, 886 (887 ff.). BGH, FamRZ 1982, 255 ff. bei Einkünften aus Teilzeitbeschäftigung. BGH, FamRZ 1988, 145 (151). BGH, FamRZ 1982, 1187; OLG Oldenburg, FamRZ 2010, 567 zum Krankenvorsorgeunterhalt.
472 Ehinger
V. Vorsorgeunterhalt für den Fall des Alters, der Erwerbs- und Berufsunfähigkeit
Bezieht der Berechtigte vor der Altersgrenze eine Erwerbsunfähigkeitsrente, 370 kann er ebenfalls Altersvorsorgeunterhalt geltend machen.1 Einkünfte des Berechtigten, die nicht aus Erwerbstätigkeit stammen und ihrer Art nach selbst als Altersvorsorge geeignet sind (z.B. ein Wohnvorteil beim Wohnen im Eigenheim), sind bedarfsdeckend bei der Berechnung des Altersvorsorgeunterhalts zu berücksichtigen.2 Erzielt der Berechtigte nur Einkünfte aus einer sozialversicherungsfreien Tätigkeit, wird ihm auch für den Umfang dieser Einkünfte Vorsorgeunterhalt zugebilligt.3 Tritt der Rentenfall ein und hat der Berechtigte den Vorsorgeunterhalt nicht 371 oder nur teilweise zweckbestimmt angelegt, wird ihm nur bei vorwerfbarer pflichtwidriger Verwendung fiktiv eine Rente bedarfsmindernd anzurechnen sein.4 Die Anforderungen an die Pflichtwidrigkeit der Verwendung sind streng, denn der Berechtigte darf zum Einen über Art und Weise der Vorsorge selbst entscheiden und zum Anderen ist der Elementarunterhalt gegenüber dem Vorsorgeunterhalt vorrangig zu befriedigen. Aus der Vorrangigkeit des Elementarunterhalts folgt, dass dem Berechtigten bei sich verschlechternden Einkommensverhältnissen zuzugestehen ist, dass er aus den vorhandenen Mitteln, einschließlich des an sich zweckgebundenen Vorsorgeunterhalts, zunächst seinen Mindestbedarf bestreitet. Nach Auffassung des BGH ist bei verschuldeter Bedürftigkeit eine Kürzung des Unterhalts deshalb nur nach den strengeren Maßstäben des § 1579 Nr. 4 BGB möglich, weil sich ein Rückgriff auf allgemeine Grundsätze der Zurechnung fiktiver Einkünfte nach § 242 BGB dann verbietet, wenn das Gesetz – wie hier – eine spezielle Regelung vorsieht.5 Bei Anwendung dieses strengeren Maßstabs kommt eine Kürzung des Unterhaltsanspruchs nur bei unterhaltsbezogenem mutwilligem Verhalten in Betracht (§ 1579 Nr. 4 BGB s. auch Rz. 481).6 Die nachfolgende Darstellung der Berechnung des Vorsorgeunterhalts folgt der 372 BGH-Rechtsprechung7: Ausgangswert für die Berechnung des Vorsorgeunterhalts ist der Elementarunterhalt, der als Quotenunterhalt berechnet wird (s. Rz. 340 ff.). Der Elementarunterhalt wird für die Berechnung des Vorsorgeunterhalts wie ein Entgelt aus einer Erwerbstätigkeit behandelt und zu den Versicherungsbeiträgen in Beziehung gesetzt, die für ein derartiges Einkommen zu zahlen wären. Damit wird der Berechtigte in Bezug auf die Altervorsorge so behandelt, als erzielte er ein entsprechendes Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Ausgangspunkt für die Berechnung ist der Elementarunterhalt, der mithilfe der 373 Bremer Tabelle8 zu einem fiktiven Bruttoeinkommen hochgerechnet wird, für das dann der Beitrag für die Rentenversicherung errechnet werden kann. Die 1 BGH, FamRZ 2000, 351 (354). 2 BGH, FamRZ 2000, 351 (355) zur Berücksichtigung des Wohnvorteils beim Vorsorgeunterhalt. 3 BGH, FamRZ 1999, 372 (374). 4 Renten, die mit Mitteln des Vorsorgeunterhalts erworben wurden, werden vom BGH, FamRZ 2003, 848 (852), bei der Unterhaltsberechnung nur mit der Anrechnungsmethode auf der Bedürftigkeitsebene berücksichtigt. 5 BGH, FamRZ 1987, 684 (686) zu § 1579 Nr. 3 BGB a.F., der § 1579 Nr. 4 BGB entspricht. 6 BGH, FamRZ 1987, 684; a.A. Weychardt, FamRZ 1987, 1130 m.w.N.; Johannsen/Henrich/Graba, § 1578 Rz. 45. 7 BGH, FamRZ 1999, 372; 1981, 442 (444 f.); 1983, 888 ff.; 1985, 471 ff. 8 Stand 1.1.2014 in FamRZ 2014, 359 f., s. Kap. P Anhänge.
Ehinger
473
F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
Bremer Tabelle, die wegen häufiger Veränderungen der Steuersätze und Sozialabgaben ständig aktualisiert wird, gibt für Elementarunterhaltsbeträge, die zzt. bis 13 191 Euro gestaffelt sind, die prozentualen Zuschläge an, die zur Bestimmung des fiktiven Bruttoeinkommens erforderlich sind. Das so ermittelte fiktive Bruttoeinkommen ist dann Bemessungsgrundlage für den Rentenversicherungsbeitrag, der als Vorsorgeunterhalt geltend gemacht werden kann. 374
Der Beitragssatz für die Rentenversicherung betrug vom 1.1.2007–31.12.2011 19,9 %, in 2012 19,6 % und liegt seit 1.1.2013 bei 18,9 %. Da der Vorsorgeunterhalt für den Verpflichteten eine weitere finanzielle Belastung ist, die er dem Berechtigten einkommensmindernd entgegenhalten kann, wird der Elementarunterhalt nach Abzug des Vorsorgeunterhalts vom Nettoeinkommen des Verpflichteten noch einmal abschließend berechnet.
375
Bei besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen kann der Elementarbedarf konkret berechnet werden, denn insoweit besteht die Vermutung, dass nicht das gesamte Einkommen für den allgemeinen Lebensbedarf verwendet wird (Rz. 295 f.). Der Vorsorgebedarf kann – unabhängig davon, ob der Elementarunterhalt als Quotenunterhalt oder konkret berechnet wurde –, entweder konkret in Bezug auf eine bestimmte Anlageform geltend gemacht werden oder ausgehend vom errechneten Elementarbedarf fiktiv als Beitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung errechnet werden.1 Unabhängig von der Berechnungsmethode des Elementarbedarfs stellt dieser aber immer letztlich die Bemessungsgröße für den Altersvorsorgeunterhalt dar.2
376
Beispiel Berechnung des vorläufigen Elementarunterhalts Bereinigtes Nettoeinkommen des Verpflichteten V 2 500 Euro. Der Berechtigte hat kein Einkommen. 6/ 7 davon = 2 143 Euro : 2 (oder 3/ 7 von 2 500 Euro) = 1071 Euro vorläufiger Elementarbedarf des Berechtigten.
Hochgerechnetes Bruttoeinkommen 1071 Euro + 182 Euro (17 % von 1071 Euro) = 1254 Euro. Davon 18,9 % Beitragssatz für die Rentenversicherung Vorsorgeunterhalt = gerundet 237 Euro. Berechnung des endgültigen Elementarunterhalts Bereinigtes Nettoeinkommen des Verpflichteten 2 500 Euro – 237 Euro Vorsorgeunterhalt = 2 263 Euro. Davon 6/ 7 = 1 940 Euro : 2 = 970 Euro endgültiger Elementarunterhalt. Der Selbstbehalt des Verpflichteten, der mit 1 100 Euro angesetzt wird, ist gewahrt: 2 500 Euro – 237 Euro – 970 Euro = 1 293 Euro. Variante: Vorrang des Elementarunterhalts vor dem Vorsorgeunterhalt.3 Bereinigtes Einkommen des Verpflichteten 1 900 Euro. Zugunsten des Berechtigten besteht ein Elementarunterhaltsbedarf von 814 Euro (1 900 Euro × 3/ 7 ). Da V diesen nicht befriedigen kann, weil sonst sein Selbstbehalt nicht gewahrt wäre, besteht kein Anspruch auf Vorsorgeunterhalt. Der Verpflichtete muss nur einen gekürzten Elementarunterhalt i.H.v. 800 Euro zahlen (1 900 Euro – 1 100 Euro).
1 BGH, FamRZ 2012, 947. 2 Maurer, FamRZ 2012, 951. 3 BGH, FamRZ 1981, 442 (445); 1990, 1095 (1097).
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V. Vorsorgeunterhalt für den Fall des Alters, der Erwerbs- und Berufsunfähigkeit
Hilfreich und vereinfachend für diesen Rechenvorgang ist die tabellarische 377 Übersicht auf der Grundlage der Bremer Tabelle von Gutdeutsch,1 die dem Benutzer mehrere Rechenoperationen abnimmt: Ist der Differenzbetrag zwischen den Einkommen der Ehegatten bekannt, lässt sich aus der Tabelle der vorläufige Quotenunterhalt, der Vorsorgeunterhalt und der endgültige Quotenunterhalt ablesen.
Û
Praxishinweis: Da der Vorsorgeunterhalt Teil eines einheitlichen Unter- 378 haltsanspruchs ist, muss vor der Einleitung eines Unterhaltsstreitverfahrens immer mitgeprüft werden, ob auch Vorsorgeunterhalt verlangt werden soll. Denn wird im Verfahren der volle Unterhalt beantragt und vergessen, den Vorsorgeunterhalt ebenfalls geltend zu machen, kann er später nicht im Wege der Abänderungsklage ergänzend verlangt werden. Etwas anderes gilt nur, wenn die Voraussetzungen für eine Abänderung des Titels aus einem anderen Grund vorliegen.2
Soweit Altersvorsorgeunterhalt für die Vergangenheit ab Rechtskraft der Schei- 379 dung verlangt wird, ist dies möglich von dem Zeitpunkt an, zu dem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen (§ 1613 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1585b Abs. 2 BGB). Dabei bedarf es keines gesonderten Hinweises in dem Auskunftsverlangen, es werde auch Altersvorsorgeunterhalt verlangt, denn der Vorsorgeunterhalt ist Teil des allgemeinen Lebensbedarfs (so explizit geregelt in § 1578 Abs. 2 und 3 BGB).3 Die Voraussetzungen zur Geltendmachung rückständigen Unterhalts nach § 1613 Abs. 1 BGB finden seit Inkrafttreten des UÄndG seit 1.1.2008 gemäß § 1585b Abs. 2 BGB auch beim nachehelichen Unterhalt entsprechender Anwendung. Allerdings muss der Unterhaltsberechtigte, nachdem die Auskunft erteilt wurde, den Vorsorgeunterhalt gesondert beziffern und im Unterhaltsverfahren ausdrücklich geltend machen.4 Zu beachten ist bei der rückwirkenden Geltendmachung die Zeitschranke des § 1585b Abs. 3 BGB, d.h. für eine mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit kann Vorsorgeunterhalt nur verlangt werden, wenn anzunehmen ist, dass sich der Verpflichtete der Leistung absichtlich entzogen hat, vgl. Rz. 527. Die Wahl der Vorsorge trifft der Unterhaltsberechtigte. Verwendet er den Vorsor- 380 geunterhalt in vorwerfbarer Weise nicht bestimmungsgemäß, kann der Verpflichtete – soweit noch laufende Zahlungen erfolgen – verlangen, dass er die ihm obliegende Leistung direkt an den Versicherungsträger erbringen kann.5 Stellt sich der Verstoß gegen die unterhaltsrechtliche Obliegenheit des Unterhaltsberechtigten erst im Rentenfall heraus, kann bei der Berechnung z.B. eines Anschlussunterhalts bei treuwidrigem Verhalten eine Kürzung gem. § 1579 Nr. 4 BGB i.H. einer Versorgung in Betracht kommen, die bei bestimmungs-
1 Gutdeutsch, FamRZ 2014, 359 und in Kap. P Anhänge. 2 BGH, FamRZ 1985, 690. 3 BGH, FamRZ 2007, 193 (196) m. Anm. Borth, S. 196 f., zur Geltendmachung von Altersvorsorgeunterhalt im Rahmen des Trennungsunterhalts. 4 BGH, FamRZ 1983, 152 (154); FamRZ 1983, 886 (887 ff.) S. dazu auch Borth, FPR 2008, 86. 5 BGH, FamRZ 1983, 676; 1982, 1187; 1990, 1095.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
gemäßer Verwendung des Altersvorsorgeunterhalts hätte bezogen werden können.1 381
Die Darlegungs- und Beweislast für den Bedarf nach Altersunterhalt und die Höhe liegt beim Anspruchsteller; wird vom Unterhaltspflichtigen eine abweichende Bestimmung des Leistungsempfängers, also die Zahlung an den Versicherungsträger beantragt wegen pflichtwidriger Verwendung des Geldes, trägt er für die treuwidrige Verwendung bzw. Gefahr der treuwidrigen Verwendung des Geldes (§ 242 BGB) die Darlegungs- und Beweislast.2
VI. Vorsorgeunterhalt wegen Krankheit (§ 1578 Abs. 2 BGB) 382
Der Unterhaltsberechtigte hat Anspruch auf eine angemessene Krankenversorgung. Was angemessen ist, orientiert sich sowohl an dem Niveau der Absicherung, das während der Ehe bestanden hat, als auch an der Zumutbarkeit der finanziellen Belastung für den unterhaltspflichtigen Ehegatten.3
383
Mit Rechtskraft der Scheidung erlischt i.d.R. der Familienversicherungsschutz.4 Geht der Unterhaltsberechtigte keiner Erwerbstätigkeit nach, muss er sich selbst versichern.5 War er während der Ehe in der gesetzlichen Krankenkasse mitversichert, ist er nach der Scheidung zum Beitritt berechtigt. Der Beitritt ist innerhalb einer Ausschlussfrist von 3 Monaten ab Eintritt der Rechtskraft der Scheidung zu beantragen (§ 9 Abs. 2 SGB V). War der Berechtigte mit einem Beamten verheiratet, entfällt mit Rechtskraft der Scheidung die Beihilfeberechtigung. Bei einer bestehenden privaten Vollversicherung ändert die Scheidung i.d.R. nichts. Die Beiträge erhöhen sich jedoch für den geschiedenen Ehegatten, wenn er über den Ehegatten beihilfeberechtigt war. Der Wechsel in die günstigere gesetzliche Krankenkasse setzt eine versicherungspflichtige Tätigkeit voraus. Besteht kein Anspruch auf Beitritt in die gesetzliche Krankenkasse, muss die höhere private Versicherung in Kauf genommen werden. Besteht eine Wahlmöglichkeit muss immer die kostengünstigste Version gewählt werden, der Berechtigte hat aber Anspruch auf einen Versicherungsschutz, der dem zum Zeitpunkt der Ehe bestehenden gleichwertig ist.6
384
Der Krankenvorsorgeunterhalt wird ermittelt durch Anwendung des Beitragssatzes der jeweiligen Krankenkasse auf den Elementarunterhalt. Da die Beitragssätze schwanken, müssen sie bei den Krankenkassen abgefragt werden; die Beiträge in den gesetzlichen Krankenkassen sind vereinheitlicht und zudem vom Einkommen des Mitglieds abhängig.
1 BGH, FamRZ 1987, 684. 2 BGH, FamRZ 1982, 1187. Zu den Rechtsfolgen treuwidriger Verwendung des Vorsorgeunterhalts s. Finke, FamRZ 2013, 1 ff. 3 BGH, FamRZ 1989, 483; 1983, 676. 4 Zu den Folgen von Trennung und Scheidung für die Krankenversicherung Großmann, FamRB 2012, 222 (224) und Döring-Striening, NZFam 2014, 145 ff. jeweils mit Hinweisen für die anwaltliche Aufklärungspflicht. 5 Zur Beratungspflicht des Anwalts über die sozialrechtlichen Auswirkungen von Trennung und Scheidung Conradis, FPR 2009, 4355 ff.; Zu den Auswirkungen von Trennung und Scheidung auf den Kranken- und Pflegeversicherungsschutz Theurer, FPR 2009, 438 ff. 6 BGH, FamRZ 1989, 483 (484).
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VI. Vorsorgeunterhalt wegen Krankheit
Genau wie beim Altersvorsorgeunterhalt verringert sich der Elementarunter- 385 halt, wenn Krankenkassenbeiträge als Bedarf geltend gemacht werden; denn der Verpflichtete kann diese Beiträge, die er dem Berechtigten zahlen muss, vor der endgültigen Berechnung des Elementarunterhalts zunächst von seinem eigenen Einkommen abziehen.1 Bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen besteht jedoch – anders als beim Al- 386 tersvorsorgeunterhalt – kein Vorrang des laufenden Elementarbedarfs, weil die Versicherung gegen Krankheit ein wichtiger Teil des allgemeinen Lebensbedarfs und vorab zu leisten ist.2 Insoweit kann lediglich im Rahmen eines Billigkeitsunterhalts in Betracht kommen, den Berechtigten auf eine günstigere Versicherung zu verweisen, soweit eine solche Lösung greifbar ist.3 387
Beispiel Das bereinigte Einkommen des Verpflichteten beträgt 2 200 Euro. Der Berechtigte hat kein Einkommen. Elementarunterhalt 2 200 Euro × 6/ 7 : 2 (oder × 3/ 7 ) = 943 Euro. Beitragssatz Krankenversicherung 15,5 % = 146 Euro. Endgültiger Anspruch 2 200 Euro – 146 Euro = 2 054 Euro × 6/ 7 = 1 760 Euro : 2 = 880 Euro. Der Berechtigte erhält 880 Euro Elementarunterhalt und 146 Euro Krankenkassenbeitrag. V ist leistungsfähig, denn ihm verbleiben 1 174 Euro (2 200 – 1026 = 1 174 Euro). Anders als beim Altersvorsorgeunterhalt gibt es im Mangelfall keinen Vorrang für den Elementarunterhalt, weil die Krankenvorsorge mit der allgemeinen Bedarfsdeckung gleichwertig ist und immer vorab vom Einkommen des Verpflichteten abgezogen wird.
Krankenvorsorgeunterhalt kann für die Vergangenheit unter den gleichen Vo- 388 raussetzungen wie der Altersvorsorgeunterhalt geltend gemacht werden (§ 1613 Abs. 1 i.V.m. § 1585b Abs. 2 BGB, vergleiche dazu Rz. 522 ff. Auch hier gilt, dass die Zeitschranke des § 1585b Abs. 3 BGB zu beachten ist, d.h., für eine mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit kann Vorsorgeunterhalt nur verlangt werden, wenn anzunehmen ist, dass sich der Verpflichtete der Leistung absichtlich entzogen hat (Rz. 527). Der Krankenvorsorgeunterhalt muss immer ausdrücklich beantragt werden, 389 denn die Gerichte entscheiden nicht von vornherein mit dem Elementarunterhalt von Amts wegen darüber. Der Berechtigte kann den Krankenvorsorgeunterhalt auch isoliert geltend machen, wenn der laufende Lebensbedarf durch eigene Einkünfte gedeckt ist.4 Die Darlegungs- und Beweislast für den Bedarf und die Höhe liegen beim An- 390 tragsteller.
1 Vgl. dazu in FamRZ 1989, 483 (484) mit einem vom BGH gebilligten Rechenbeispiel für Altersvorsorgeunterhalt, in dem auch der Krankenvorsorgeunterhalt vorab abgezogen wird. 2 BGH, FamRZ 1989, 483 (485). 3 BGH, FamRZ 1989, 483 (485), KG, FamRZ 2013, 1047 Tz. 41. Der Berechtigte hat zwar Anspruch auf eine angemessene Versicherung, es muss aber auch den erhöhten Kosten der privaten Versicherungsbeiträge Rechnung getragen werden, die in einem angemessenen Verhältnis zum Einkommen des Verpflichteten stehen müssen. 4 OLG Oldenburg, FamRZ 2010, 567.
Ehinger
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
VII. Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit (§ 1578b BGB) 391
Der Unterhaltsanspruch ist vom eheangemessenen Lebensbedarf auf den angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten herabzusetzen und/oder zeitlich zu begrenzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs oder ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre (§ 1578b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BGB).
392
Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen, oder eine Herabsetzung und/oder Befristung des Unterhaltsanspruchs unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe unbillig wäre. Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes sowie aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben (§ 1578b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB).
393
Voraussetzung der Anwendbarkeit beider Rechtsfolgevarianten, die auch miteinander kombiniert werden können (§ 1578b Abs. 3 BGB) ist, dass eine lebenslange, unbeschränkte Unterhaltsgewährung den Verpflichteten unter Berücksichtigung der ihm verbleibenden Mittel in seiner Lebensführung so stark beeinträchtigen würde, dass dies unter Wahrung der Belange des Unterhaltsberechtigten unbillig wäre. Im Rahmen einer umfassenden Billigkeitsprüfung ist deshalb über das „ob und wie“ der Unterhaltsbeschränkung zu entscheiden.
394
Das Gesetz hebt als Prüfungskriterium besonders die Belange des Berechtigten hervor, „inwieweit (für ihn) durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen, und ausdrücklich noch als weiteren, selbständig zu prüfenden Billigkeitsgrund die Dauer der Ehe.
395
Ehebedingte Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes sowie aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben (§ 1578b Abs. 1 Satz 3 BGB). Den eigenständigen Billigkeitsgrund der Dauer der Ehe hat der Gesetzgeber erst mit Wirkung ab 1.3.2013 neben die ehebedingten Nachteile in § 1578b Abs. 1 Satz 2 BGB eingefügt und Satz 3 redaktionell entsprechend angepasst, um klarzustellen, dass bei der Billigkeitsprüfung auch noch weitere, nachteilsunabhängige Kriterien wie die Dauer der Ehe zu berücksichtigen sind.1 Nachteilsunabhängige Kriterien – wie die Dauer einer Ehe – sind von besonderer Bedeutung bei Unterhaltstatbeständen wie den Krankheits- und den Altersunterhalt, die vor allem Ausdruck der nachehelichen Verantwortung füreinander sind, ohne dass es auf einen ehebedingten Nachteil ankommt.2
1 Zur Bedeutung der Gesetzes„korrektur“ und der unterschiedlichen Bewertung in der Literatur vgl. Schlünder/Arpay, FPR 2013, 251 m.w.N. Die bessere Strukturierung befürwortend Borth, FamRZ 2013, 165. 2 Borth, FamRZ 2013, 165.
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VII. Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit
1. Rechtspolitisches Ziel des seit 1.1.2008 geltenden § 1578b BGB § 1578b BGB ist seit dem 1.1.2008 in Kraft und hat die schon vor der Reform 396 nach § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. bestehende Möglichkeit, nacheheliche Unterhaltsansprüche aus Billigkeitsgründen zu beschränken, erweitert. Bis zum 31.12.2007 konnten zwar alle nachehelichen Unterhaltsansprüche nach § 1578 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. vom eheangemessenen Bedarf auf den angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten herabgesetzt werden, eine zeitliche Begrenzung der Ansprüche selbst war jedoch nach § 1573 Abs. 5 BGB a.F. nur für die Ansprüche auf Aufstockung und bei Arbeitslosigkeit nach § 1573 Abs. 1–4 BGB möglich (s. Rz. 49 ff.). Dies ist durch § 1578b BGB geändert worden, seitdem besteht die Möglichkeit, alle nachehelichen Unterhaltsansprüche auch zeitlich zu befristen. § 1578b BGB ist neben den verschärften Anforderungen an die Erwerbstätigkeit 397 (§ 1574 Abs. 2 BGB) und der geänderten Rangfolge der Unterhaltsansprüche (§ 1609 BGB) nur einer der Bausteine in dem Gesamtkonzept des UÄndG vom 21.12.20071, das darauf abzielt, den Grundsatz der nachehelichen Solidarität stärker einzuschränken und die Anforderungen an den Unterhaltsberechtigten, eigenverantwortlich für seinen Unterhalt zu sorgen, zu verschärfen, um dem in der Gesellschaft zu beobachtenden Trend zur Ehe auf Zeit Rechnung zu tragen und die Rechte der Zweitfamilien gegenüber der Erstfamilie zu stärken.2 Die Ausweitung der zeitlichen Befristung auf alle nachehelichen Unterhalts- 398 ansprüche soll jedoch die fortwirkende nacheheliche Solidarität des Unterhaltspflichtigen für die Nachteile, die der geschiedene Ehegatte aufgrund der in der Ehe praktizierten Arbeitsteilung (Berufstätigkeit, Haushaltsarbeit, Kindererziehung) erlitten hat, im Grundsatz nicht in Frage stellen. Denn für die Prüfung der ehebedingten Nachteile gilt wie schon bisher: Je stärker die Nachteile sind, die der geschiedene Ehegatte in seiner Erwerbsfähigkeit durch die ehebedingte Aufgabenteilung erlitten hat, desto weniger ist die nachwirkende Verantwortung des Unterhaltspflichtigen einschränkbar. Je geringer diese Nachteile sind, desto höher werden die Anforderungen an den Unterhaltsberechtigten, eigenverantwortlich für seinen eigenen Unterhalt aufzukommen beziehungsweise alles ihm Mögliche zu tun, um in seiner Erwerbsfähigkeit von Unterhaltsleistungen unabhängig zu werden.3 Die seit 1.1.2008 geltenden Regelungen wirken sich besonders gravierend auf 399 Unterhaltsansprüche aus, bei denen der Grund für die Bedürftigkeit nicht ehebedingt ist, wie dies z.B. bei den Ansprüchen wegen Alters (§ 1571 BGB), Krankheit (§ 1572 BGB) oder Arbeitslosigkeit (§ 1573 Abs. 1 BGB). Denn diese Ansprüche sind nicht auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile beschränkt, sondern vor allem Ausdruck der nachwirkenden ehelichen Solidarität. So hat auch der
1 BGBl. I 2007, S. 3189 ff. 2 BT-Drucks. 16/1830, S. 12. Vgl. aus der rechtspolitischen Diskussion zum RegE des UÄndG u.a. Schwab, FamRZ 2005, 1417 ff.; Reinken, FPR 2005, 502 ff.; Borth, FamRZ 2006, 814; Viefhues/Mleczko, S. 57 ff.; Ehinger/Rasch, FamRB 2007, 46 ff.; 2007, 78 ff. Zur Verfassungsgemäßheit der Norm BGH, FamRZ 2010, 1414 m. Anm. Borth S. 1417. 3 BT-Drucks. 16/1830, S. 17 = RegE, S. 30. Vgl. die Grundsätze zur Einschränkbarkeit des § 1573 Abs. 5 BGB in BGH, FamRZ 1986, 886 (888) nach altem Recht, die nunmehr auf alle nachehelichen Unterhaltstatbestände anwendbar sind.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
geschiedene Ehegatte einen Unterhaltsanspruch, der die Ehe erst im Rentenalter geschlossen hat (§ 1571 BGB, vgl. das Beispiel Rz. 132), der schon vor der Eheschließung erkrankt war (§ 1572 BGB, vgl. Rz. 137) oder erst nach der Scheidung arbeitslos geworden ist (§ 1573 Abs. 1 BGB, vgl. Rz. 178 f.). Bei diesen Ansprüchen stellt sich die Frage der Unbilligkeit einer lebenslangen Unterhaltspflicht mit besonderem Nachdruck, denn der Unterhaltspflichtige soll nicht mit einer lebenslangen Unterhaltspflicht belastet werden, die ihre innere Rechtfertigung nicht mehr in dem Ausgleich ehebedingter Nachteile hat. Mit der zeitlichen Befristung kann verhindert werden, dass der Unterhaltspflichtige z.B. das allein konjunkturell bedingte Arbeitsplatzrisiko des geschiedenen Ehepartners mittragen oder dessen lebenslange Teilhabe am ehelichen Lebensstandard mitfinanzieren muss, wenn ihn für die Bedürftigkeit keine Mitverantwortung trifft. In diesen Fällen kommt der Dauer der Ehe ein besonderes Gewicht zu. 400
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Praxishinweis: Sind nacheheliche Unterhaltsansprüche im Streit, die sich auch auf die Zeit vor dem 1.1.2008 beziehen, sind die unterschiedlichen Beschränkungsmöglichkeiten nach der bis zum 31.12.2007 geltenden Rechtslage zu beachten (Rz. 49 ff.). Soll die zeitliche Befristung von tituliertem Aufstockungsunterhalt (Alttitel) wegen Fehlens ehebedingter Nachteile im Hinblick auf die seit 1.1.2008 geänderte Rechtslage in einem Abänderungsverfahren beantragt werden, ist im Hinblick auf die Übergangsregelung zur Abänderbarkeit von Alttiteln in § 36 Nr. 1 und 2 EGZPO darauf zu achten, wann genau der Titel geschaffen wurde. Denn die Befristung von Aufstockungsunterhalt wegen fehlender ehebedingter Nachteile war auch bei Ehen von langer Dauer schon seit der Entscheidung des BGH vom 12.4.20061 möglich. S. zu den Voraussetzungen der Abänderung von Alttiteln Kap. O Rz. 9 ff.).
2. Grundsätze der Billigkeitsprüfung 401
Ob ein Unterhaltsanspruch wegen Unbilligkeit vom eheangemessenen auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen und/oder zeitlich zu begrenzen ist, ist auf der Grundlage einer umfassenden Billigkeitsprüfung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, der Abwägung der Interessen beider Parteien und eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes (Kinderschutzklausel) zu entscheiden. Es stehen sich folgende Interessen gegenüber:
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Die unterhaltsrechtliche Belastung ist für den Verpflichteten unbillig, wenn die andauernden Unterhaltszahlungen ihn unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen und der ihm verbleibenden Mittel besonders belasten und in seiner Lebensführung so stark einschränken würden, dass diese Belastung auch unter Berücksichtigung des Anspruchsgrundes und der Belange des Berechtigten an der Aufrechterhaltung seines nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessenen Lebensstandards nicht mehr angemessen ist.2
403
Besonders zu berücksichtigende Belange des Berechtigten sind nach § 1578b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB, dass der Unterhaltsberechtigte nicht selbst für seinen 1 BGH, FamRZ 2006, 1106 ff.; BGH, Urt. v. 17.2.2010 – XII ZR 140/08, Tz. 38 = FamRZ 2010, 629, Tz. 38. 2 Vgl. zur Definition der Unbilligkeit auch Palandt/Brudermüller, § 1578b BGB Rz. 4.
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VII. Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit
Unterhalt aufkommen kann, weil er ehebedingt berufliche Nachteile erlitten hat wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder und der Haushaltsführung oder die Dauer der Ehe gegen eine Beschränkung des Unterhalts spricht. a) Kriterien für das Vorliegen ehebedingter Nachteile Ein besonderes Gewicht für die Billigkeitsabwägung hat der Gesichtspunkt, ob 404 der Unterhaltsberechtigte ehebedingte Nachteile erlitten hat, die ihn daran hindern, eigenverantwortlich für seinen Unterhalt selbst aufzukommen. Denn je mehr die Bedürftigkeit des Berechtigten auf ehebedingten Nachteilen beruht, desto weniger kommt eine Beschränkung in Betracht.1 Ebenso gilt im Umkehrschluss, je geringer die ehebedingten Nachteile sind, desto eher kommt eine Beschränkung des Anspruchs in Betracht2 und ist eine Begrenzung der fortwirkenden nachehelichen Solidarität des Verpflichteten geboten. Dabei ergeben sich ehebedingte Nachteile für die Erwerbsfähigkeit des Berechtigten nach § 1578b Abs. 1 Satz 3 BGB typischerweise – aufgrund der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, – aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit, – sowie aus der Dauer der Ehe. Es können aber auch andere Gründe ursächlich sein, denn die Aufzählung im 405 Gesetz ist nur beispielhaft. Sind ehebedingte Nachteile für den Berechtigten nicht kompensierbar, kommt 406 lediglich eine Herabsetzung des Unterhalts in Betracht, nicht hingegen eine Befristung.3 Sind ehebedingte Nachteile kompensierbar, sind für die Entscheidung über die 407 Herabsetzung oder Bemessung der Befristung insbesondere folgende Kriterien maßgeblich: – das Alter; – die Gesundheit (jeweils auch im Verhältnis zur Dauer der Ehe); – die individuelle Erwerbsfähigkeit; – Dauer der Berufsunterbrechung; – Klärung der Zeiträume, die der Berechtigte benötigt, um ehebedingten Nachteile auszugleichen (z.B. durch Aus- und Fortbildung; Arbeitsmarktchancen); – Möglichkeiten des Berechtigten, die Reduzierung oder den Verlust des Unterhalts auszugleichen; – die durch die Ehe erlangten Vorteile des Unterhaltspflichtigen; – die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Parteien. 1 BGH, FamRZ 2006, 1006 f. und § 1573 Abs. 5 BGB a.F. m. Anm. Born, S. 1008; BGH, FamRZ 1986, 886 (888) zu § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. 2 BGH, FamRZ 2007, 793; Brudermüller, FamRZ 1998, 649 (659); BT-Drucks. 16/1830, S. 18 f. = RegE, S. 18. 3 BGH, FamRZ 2013, 1366 Tz. 85; 2011, 628 Tz. 24; 2009, 1990 (1991), Tz. 13; Borth, UÄndG, S. 116; BGH, FamRZ 2006, 1006, 1007 zu § 1573 Abs. 5 BGB a.F. m. Anm. Born, S. 1008.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
b) Nachteilsunabhängige Billigkeitskriterien 408
Liegen ehebedingte Nachteile nicht vor, kommt es für die Entscheidung über eine Begrenzung entscheidend auf das dem Unterhaltspflichtigen abzuverlangende Maß an nachehelicher Solidarität an. Für die Bestimmung des Maßes der ehelichen Solidarität stellt die Dauer der Ehe ein wesentliches Kriterium dar, das in seiner Wechselbeziehung zu anderen maßgeblichen Kriterien zu würdigen ist.1
409
Solche maßgebliche Kriterien sind: – Dauer der Ehe – Alter der Ehegatten – Gesundheitszustand der Ehegatten – Rollenverteilung in der Ehe – Wirtschaftliche Verhältnisse der Ehegatten – Verflechtung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse – Chancen des Berechtigten, sich aus eigener Kraft zu unterhalten. c) Weitere Gesichtspunkte der Billigkeitsprüfung
410
Bei der Abwägung ist ferner zu beachten der Stellenwert der Anspruchsgrundlage im System der Unterhaltsansprüche.2 Dabei kommt den Ansprüchen wegen Kindesbetreuung, Krankheit und Alters (§§ 1570–1572 BGB) eine besonders wichtige Schutzfunktion für die Absicherung des Unterhaltsberechtigten zu.3
411
Bei jeder Entscheidung über eine Kürzung oder Befristung des Unterhalts sind im Rahmen der Billigkeitsprüfung grundsätzlich auch die Belange eines vom Unterhaltsberechtigten betreuten gemeinsamen Kindes zu berücksichtigen (sog. Kinderschutzklausel). Eine Herabsetzung des Nacheheunterhalts auf den angemessenen Lebensbedarf des Berechtigten oder eine Befristung darf nicht dazu führen, dass das Niveau des Unterhalts für den betreuenden Elternteil und des Kindes unverhältnismäßig auseinanderfällt.4
412
Keine Rolle spielen für die Billigkeitsprüfung i.d.R. Eheverfehlungen oder sonstige Gründe, die Anlass für die Scheidung der Ehe waren. Diese können zwar ebenfalls zu einer Befristung oder Herabsetzung des Unterhalts führen, jedoch nur unter den engen Voraussetzungen der spezielleren Regelung des § 1579 BGB, die nur bei grober Unbilligkeit unterhaltsrechtliche Sanktionen vorsieht (vgl. dazu Rz. 436 ff.).5
413
Bei der Bemessung der Dauer des Betreuungsunterhaltsanspruchs sind vorrangig die in § 1570 BGB geregelten Maßstäbe und dort vorgesehenen Verlängerungs-
1 BGH, FamRZ 2013, 853 Tz. 35 unter Bezugnahme auf die bisherige Rspr. zu § 1578b Abs. 1 a.F. BGB in FamRZ 2010, 629 Tz. 23, 25 und 2010, 1971. 2 BT-Drucks. 16/1830, S. 33. 3 BGH, FamRZ 2004, 601 ff. 4 BT-Drucks. 16/1830 S. 19 = RegE. S. 31; Peschel-Gutzeit, Unterhaltsrecht aktuell, Rz. 114. 5 BGH, FamRZ 1987, 572 (575); 1986, 886 (888); BT-Drucks. 16/1830, S. 19 f.
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VII. Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit
möglichkeiten zu beachten (Rz. 65 ff.).1 Einer gesonderten Entscheidung nach § 1578b Abs. 2 BGB bedarf es deshalb insoweit nicht (Rz. 101).2 3. Ehebedingte Nachteile wegen Zeiten der Kindesbetreuung, der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit Die Klärung der ehebedingten Nachteile spielt vor allem eine Rolle für den An- 414 schlussunterhalt nach Beendigung der Kindesbetreuung, also wenn Unterhalt wegen Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alters oder als Aufstockungsunterhalt verlangt wird. Zur Bedeutung des Stamm- und Anschlussunterhalts vgl. Rz. 8 ff. Ob die Zeiten der Kindesbetreuung und die Gestaltung der Erwerbstätigkeit während der Ehe ursächlich sind für das Einkommensgefälle der geschiedenen Ehegatten und dieser Nachteil fortdauert, lässt sich nur anhand der Erwerbsbiografie des Unterhaltsberechtigten, seiner Beschäftigungschancen auf dem Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung seines Alters, seiner beruflichen Vorbildung und Gesundheitszustandes im Wege des Vergleichs mit den Einkünften klären, die er ohne Ehe und Kindesbetreuung erzielen würde.3 Denn ein ehebedingter Nachteil äußert sich in der Regel darin, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte nachehelich nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne Ehe und Kinderbetreuung hätte.4 Ehebedingte Nachteile sind in aller Regel nicht erkrankungs- oder betriebsbedingte Einkommensnachteile, wohl aber Nachteile, die darauf beruhen, dass aus Gründen der Gestaltung der Ehe z.B. ein Arbeitsplatz aufgegeben, auf Qualifizierungsmaßnahmen oder auf die Ausübung einer der beruflichen Qualifikation entsprechenden Tätigkeit verzichtet wurde.5 Deshalb ist immer auch eine hypothetische Betrachtung erforderlich, die der Unterhaltsberechtigte im Einzelnen darzulegen hat.6 415
Beispiele – F hat während der Ehe als Lehrerin halbtags gearbeitet und das Kind betreut. Nach Scheidung der 5-jährigen Ehe steht ihr Unterhalt wegen Kindesbetreuung sowie Aufstockungsunterhalt zu. Entfällt später der Anspruch wegen Kindesbetreuung, kann der Aufstockungsunterhalt nach einer Übergangszeit entfallen, denn F kann problemlos ihre Arbeitszeit erweitern und hat auch sonst keine fortwirkenden beruflichen Nachteile wegen der Kindesbetreuung im Beruf erlitten.7 – F betreut nach der Scheidung 3 gemeinsame Kinder, ist in Teilzeit erwerbstätig und erhält Betreuungs- und Aufstockungsunterhalt gemäß §§ 1570, 1573 Abs. 2 BGB. Nach Beendigung der Betreuung ist sie 55 Jahre alt und findet keine Ganztagsbeschäftigung, die ihr zumutbar wäre. Ihr stehen als Anschlussunterhalt ein Anspruch wegen Arbeitslosigkeit gemäß § 1573 Abs. 1 BGB sowie ein Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB zu. Eine Befristung der Ansprüche entspräche nicht der Billigkeit im Hinblick auf die lange Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wegen der Kinderbetreuung und den eingeschränkten Möglichkeiten, in ihrem Alter wieder vollschichtig erwerbstätig zu sein. Eine Herabsetzung auf ihren angemessenen Lebensbedarf hängt davon ab, ob sie in ihrem erlernten Beruf tätig sein kann und in der beruflichen Entwicklung durch die eheliche Rollenverteilung keine Nachteile hat. Ohne Nachteile käme eine 1 2 3 4 5
Schwab, FamRZ 2005, 1415 (1419); Borth, UÄndG, S. 119. BGH, FamRZ 2009, 770 (774); Triebs, FPR 2008, 31 (34). BGH, FamRZ 2014, 823 Tz. 12; FamRZ 2013, 1291 Tz. 18. BGH, FamRZ 2014, 823 Tz. 12; FamRZ 2013, 1291 Tz. 18. BGH v. 26.3.2014 – XII ZB 214/13 – Tz. 21 f., FamRZ 2014, 1007; v. 14.5.2014 – XII ZB 301/12 – Tz. 28 MDR 2014, 781 m.w.N. 6 BGH, FamRZ 2013, 864 Tz. 27 ff.; 2013, 860 Tz. 22 ff. 7 BGH, FamRZ 1990, 492 ff.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten Herabsetzung auf den angemessenen Bedarf am Maßstab eines aus einer Vollzeitbeschäftigung erzielbaren Einkommens in Betracht. – F ist ausgebildete Gymnasiallehrerin, arbeitete bei der Heirat als Cheftexterin erfolgreich und folgte ihrem Mann nach Brüssel, wo er neben seiner beruflichen Tätigkeit noch studierte und Karriere machte. Sie betreute das gemeinsame Kind und übte in der Zeit eine untergeordnete Tätigkeit im Büro aus. Nach 11 Jahren erfolgte die Trennung, nach 14 Jahren die Scheidung. F erzielt in Deutschland als Lehrerin ein deutlich niedrigeres Einkommen als vor dem Wechsel nach Brüssel als Cheftexterin. Sie hat zunächst einen auf 4 Jahre befristeten Aufstockungsunterhaltsanspruch nach dem eheangemessenen Bedarf, der anschließend unbefristet auf den angemessenen Bedarf nach dem Einkommen einer Cheftexterin herabgesetzt wird.1 – F war als Facharbeiterin bei der Deutschen Bahn beschäftigt, lebte mit V in nichtehelicher Lebensgemeinschaft und gab nach der Geburt des gemeinsamen Kindes ihre Erwerbstätigkeit wegen der Kindesbetreuung auf. Dies hatte zur Folge, dass eine Rückkehr in den erlernten Beruf nicht mehr möglich war. Auch während der zwei Jahre später geschlossenen Ehe war sie für weitere zwei Jahre nicht erwerbstätig, absolvierte dann eine zweijährige Ausbildung zur Familienpflegerin und war in der Folgezeit erwerbstätig. Nach einer Ehedauer von 13 Jahren wurde die Ehe geschieden. Das OLG Karlsruhe2 schloss eine Herabsetzung und Befristung des zuerkannten Aufstockungsunterhalts wegen ehebedingter Nachteile aufgrund der Kindesbetreuung aus, auch wenn diese bereits vor der Eheschließung eingetreten waren. Nach der Rechtsprechung des BGH können Nachteile in der Erwerbsbiographie, die auf einer vorehelichen Kindesbetreuung beruhen, nicht als ehebedingter Nachteil berücksichtigt werden.3
416
Streitig ist in Rechtsprechung und Literatur die Frage, inwieweit eine bereits vor der Eheschließung im Interesse der Kindesbetreuung aufgegebene Erwerbstätigkeit und die Fortführung dieser Rollenverteilung nach der Heirat für die Klärung ehebedingter Nachteile von Bedeutung sein kann, insbesondere wenn die Nachteile in den Erwerbsmöglichkeiten bereits durch die voreheliche Berufsausübung eingetreten sind. Nach Auffassung des BGH können nur die nach der Eheschließung eingetretenen Nachteile in den Erwerbsmöglichkeiten „ehebedingt“ sein, die aufgrund von in der Ehe getroffenen Entscheidungen über die Rollenverteilung bei der Kinderbetreuung eingetreten sind.4 Diese Rechtsprechung wird in der Literatur als begriffsjuristisch kritisiert,5 weil sich die Auslegung ausschließlich auf den Wortsinn bezieht. Tatsächlich vernachlässigt diese Gesetzesinterpretation insbesondere den Bedeutungszusammenhang des Gesetzes im nachehelichen Unterhaltsrecht.6 Aus dem Bedeutungszusammenhang folgt, dass bei Billigkeitsabwägungen im Kontext anderer Normen immer auch außerhalb der Ehe liegende Umstände mitzuberücksichtigen sind, soweit sie ein durch die Norm geschütztes Vertrauen begründen. Als Beispiel sei genannt die voreheliche Täuschung über eine Vaterschaft, die während der Ehe fortdauert und zu einer Verwirkung des Anspruchs führen kann.7 Dabei geht es im Kern 1 BGH, FamRZ 2009, 1900 ff. m. Anm. Viefhues, S. 1993. 2 OLG Karlsruhe, FamRZ 2011, 818. 3 BGH, FamRZ 2013, 860 (m. Anm. Maurer, S. 863) in Fortführung seiner Rechtsprechung in FamRZ 2012, 776. 4 BGH, FamRZ 2013, 860 (m. Anm. Maurer, S. 863) in Fortführung des Urteils v. 7.3.2012, FamRZ 2012, 776; OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 818. Zustimmend Born, NJW 2012, 1507 (1508); ablehnend Maurer, FamRZ 2013, 863; 2012, 200; 2012, 778 f. 5 So die Kritik von Maurer, FamRZ 2012, 778 f., a.A. Born, NJW 2012, 1507 (1508); Kühner, FamRB 2012, 206. 6 Zum Bedeutungszusammenhang als Auslegungskriterium Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 145 ff. 7 OLG Bremen, MDR 1998, 416.
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VII. Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit
beim Nacheheunterhalt letztlich immer um Auslotung des Ausmaßes der nachehelichen Solidarität.1 Dazu können sowohl vorehelich, ehelich als auch nachehelich eingetretene Umstände von Bedeutung sein, die einen den Nachteil begründenden Lebenssachverhalt als prozesshaftes Geschehen erkennen lassen. Ein beruflicher Nachteil, der sich schon vor der Eheschließung wegen der Betreuung eines gemeinsamen Kindes gezeigt hat, bleibt deshalb für die Klärung eines ehelichen Nachteils erheblich, wenn diese Rollenverteilung weiter in der Ehe praktiziert und damit der Nachteil „mitgenommen“ und eben nicht abgewendet wird.2 Ehebedingte Nachteile ergeben sich i.d.R. nicht, wenn während der Ehe eine 417 Teilzeitarbeit ausgeübt wurde und dadurch geringere Rentenanwartschaften erworben wurden, da dieser Nachteil bei vollständiger Durchführung des Versorgungsausgleichs ausgeglichen ist.3 Gleiches gilt, wenn nach der Scheidung wegen der Kindesbetreuung eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt wird, dadurch nur geringere Rentenanwartschaften erworben werden, der Unterhaltsberechtigte aber Altersvorsorgeunterhalt erlangen kann.4 Besteht hingegen nicht mehr die Möglichkeit des Nachteilsausgleichs durch den Versorgungsausgleich bzw. Vorsorgeunterhalt, obwohl sich der Nachteil des geringeren Rentenanwartschaftserwerbs aufgrund des ehebedingt geringeren Einkommens fortsetzt, ist von einem ehebedingter Nachteil auszugehen.5 Ein ehebedingter Nachteil kann auch darin bestehen, wenn durch die Rollenverteilung in der Ehe keine ausreichende Versorgung für den Fall der Krankheit oder des Alters begründet wurde und die Erwerbsminderungs- bzw. Altersrente auch unter Einbeziehung der Versorgungausgleichsbeträge infolge der Ehe- und Kindererziehung geringer ist, als sie ohne Ehe gewesen wäre.6 Ehebedingte Nachteile können sich aus der Gestaltung von Haushaltsführung 418 und Erwerbstätigkeit während der Ehezeit ergeben, ohne dass der Unterhaltsberechtigte gemeinsame Kinder zu betreuen hatte. So steht der Ehefrau, die auf eine eigene Karriere verzichtet hat, um ihrem beruflich erfolgreichen Ehemann „den Rücken freizuhalten“ gleichermaßen ein Anspruch auf Nachteilsausgleich zu wie der Ehefrau, die auf eine Beförderung verzichtet hat, um ihre Schwiegereltern zu pflegen. Gleiches gilt, wenn eine Erwerbstätigkeit aufgrund eines berufsbedingten Auslandsaufenthaltes des Ehepartners oder wegen der Betreuung nicht gemeinsamer Kinder aufgegeben wird oder eigene berufliche Entwicklungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft wurden, um dem anderen eine qualifizierte Berufsausbildung zu finanzieren. Kann ein Ehegatte eine im Ausland erworbene berufliche Ausbildung nach der Heirat nicht in einer entsprechenden beruflichen Position verwerten, sieht der BGH darin keinen ehebedingten Nachteil, soweit sein Verdienst aufgrund der geringer qualifizierten Tätigkeit höher liegt als das mit der Ausbildung im Heimatland erzielbare Einkommen.7
1 Hoppenz, FamFR 2012, 199. 2 Maurer, FamRZ 2012, 778 f.: Auch voreheliche Abreden zur Rollenverteilung begründen schützenswertes Vertrauen, wenn das verabredete Verhalten in die Ehezeit hinein „verlängert“ wird. 3 BGH, FamRZ 2014, 823 Tz. 17 m.w.N. 4 BGH, FamRZ 2014, 823 Tz. 18. 5 BGH v. 14.5.2014 – XII ZB 301/12 – Tz. 36, 47 f. 6 BGH, FamRZ 2009, 1207 (1210), Tz. 36. 7 BGH, FamRZ 2013, 534 m. Anm. Born.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
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Kein ehebedingter Nachteil liegt vor, wenn das Einkommensgefälle zwischen den Einkommen der Ehegatten auf das unterschiedliche Qualifikationsniveau ihrer erlernten Berufe zurückzuführen ist und der Unterhaltsberechtigte in der Ehe nicht gehindert war, sich in seinem Beruf weiter zu qualifizieren.1 Dies gilt selbst dann, wenn die Ehe von langer Dauer war.2
420
Beispiel F war während der Ehe und ist nach der Scheidung der 10-jährigen Ehe in ihrem erlernten Beruf als Friseurin tätig. Ihr steht aufgrund des höheren Einkommens des M als Ingenieur ein Aufstockungsunterhaltsanspruch (§ 1573 Abs. 2 BGB) zu. Dieser ist befristbar, weil das niedrigere Einkommen der F nicht auf einen ehebedingten Nachteil, sondern auf ihren geringer qualifizierten Beruf zurückzuführen ist.
421
Die Anforderungen an die nacheheliche Solidarität wachsen mit zunehmender Dauer der Ehe und sind besonders hoch, wenn die Ehe von langer Dauer war.
422
Denn in der Regel ist davon auszugehen, dass sich mit zunehmender Ehedauer die wirtschaftliche Abhängigkeit des unterhaltsberechtigten Ehegatten verfestigt hat.3 Insoweit kommt der Ehedauer eine Indizwirkung zu.4 Je stärker die wirtschaftlichen Abhängigkeiten sind und je geringer die Chancen des Berechtigten sind, eigenverantwortlich für einen angemessenen Unterhalt zu sorgen, desto mehr fällt seine Interessenlage bei der Billigkeitsabwägung ins Gewicht, wobei immer auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verpflichteten zu beachten sind. Umgekehrt wird bei einer Ehe, die nicht lang war, der Anspruch regelmäßig zu befristen sein ggf. mit einer vorgezogenen Herabsetzung des Bedarfs, es sei denn fortwirkende ehebedingte Nachteile in den Erwerbsmöglichkeiten sprechen dagegen.5 In einem solchen Fall kommt noch nicht einmal bei einer Ehedauer von nur 2 Jahren eine Beschränkung nach der Härteklausel des § 1579 Nr. 1 BGB in Betracht (vgl. Rz. 448 ff., Rz. 452 mit Beispiel).
423
Für die Berechnung der Dauer der Ehe ist abzustellen auf die Zeit zwischen Eheschließung und Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags.6 S. dazu auch die Ausführungen zu § 1579 Nr. 1 BGB unter Rz. 449. Eine klare Bestimmung dafür, wann aufgrund der Dauer der Ehe eine Befristung/Herabsetzung ausgeschlossen ist, hat der Gesetzgeber nicht getroffen. Eine solche Regelung ist auch nicht erforderlich, denn selbst eine Ehe von langer Dauer, was bei ca. 15 Jahren der Fall ist, führt nicht zwingend zu einer Benachteiligung des Berechtigten, so dass dem Tatbestandsmerkmal „Dauer der Ehe“ lediglich eine Indizwirkung für eine Benachteiligung beizumessen ist.7
1 BGH, FamRZ 2006, 1006 f. m. Anm. Born, S. 1008 ff.; KG, FamRZ 1992, 948 zu § 1573 Abs. 5 BGB a.F. 2 So schon BGH, FamRZ 2006, 1006 ff. zu § 1573 Abs. 5 BGB a.F. m. Anm. Born, S. 1008; BGH, FamRZ 2007, 200 (203); 2007, 793 (799); 2007, 1232 (1236). 3 BGH, FamRZ 1990, 857 m.w.N.; 1986, 886 (888). 4 BGH, FamRZ 2009, 406 (408), Tz. 35; FamRZ 2008, 1325 (1328). 5 BGH, FamRZ 1982, 894 (895) zum Begriff der kurzen Dauer der Ehe. Borth, UÄndG, S. 116. 6 BGH, FamRZ 2010, 629 Tz. 36; 2009, 405 Tz. 35. 7 BGH, FamRZ 2007, 200 (203) m. Anm. Büttner, S. 204; BGH, FamRZ, 2007, 793 (800) m. Anm. Büttner, S. 800 f. (13 Jahre Ehe, 2 Kinder); FamRZ 2007, 1006 m. Anm. Born, S. 1008 f. (keine Kinder, 16 Jahre Ehe); FamRZ 2007, 1232 (1236) m. Anm. Maurer, S. 1236 f. (20 Jahre Ehe, 2 Kinder, Krankheit).
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VII. Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit
4. Die Dauer der Ehe und das Maß nachehelicher Solidarität Beruht die Unterhaltsbedürftigkeit darauf, dass der Ehegatte – ohne ehebedingte 424 Nachteile erlitten zu haben – aus Altersgründen (§ 1571 BGB), wegen Krankheit (§ 1572 BGB), Arbeitslosigkeit (§ 1573 Abs. 1 BGB) oder wegen eines geringeren Einkommens (§ 1573 Abs. 2 BGB), nicht oder nur eingeschränkt für seinen eheangemessenen Unterhaltsbedarf selbst aufkommen kann, kommt es für die Klärung der Beschränkbarkeit des Anspruchs entscheidend auf das Maß der nachehelichen Solidarität an, die dem Unterhaltspflichtigen abzuverlangen ist. Dazu ist im Rahmen einer Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu überprüfen, ob Maß und Dauer des Unterhalts der Billigkeit entsprechen. Kriterien der Billigkeitsprüfung sind dann insbesondere die Dauer der Ehe – im Gesetz in § 1578b Abs. 1 Satz 2 BGB ausdrücklich benannt –, das Alter, Berufschancen, Gesundheit und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten. Eine fortdauernde Verantwortung für den geschiedenen Ehegatten hängt in diesen Fällen in besonderem Maße von der Dauer der Ehe und dem daraus erwachsenen Vertrauen in den Bestand der wirtschaftlichen Situation ab.1 Auch spielt eine Rolle, ob der Berechtigte noch in absehbarer Zeit aus eigener Kraft für seinen Unterhalt wird sorgen können und ob es ihm aufgrund seiner Gesundheit und seines Alters noch zumutbar ist, sich auf einen niedrigeren Lebensstandard einzustellen. Obwohl der Gesetzgeber in der seit 1.3.2013 geltenden Neufassung des § 1578b Abs. 1 S. 2 und 3 BGB das Kriterium der Dauer der Ehe als eigenständiges Billigkeitskriterium hervorgehoben hat, führt eine lange Dauer Ehe nicht zwingend zu einem unbeschränkbaren Unterhaltsanspruch, denn immer ist das Kriterium in seiner Wechselwirkung mit der in der Ehe verabredeten Rollenverteilung, den darauf beruhenden wirtschaftlichen Verhältnissen, dem Alter und der Gesundheit der Ehegatten zu würdigen. Waren beide Ehegatten während der Ehe vollschichtig berufstätig und beruht die Einkommensdifferenz lediglich auf einem unterschiedlichen Qualifikationsniveau, das bereits zu Beginn der Ehe vorlag, würde allein eine lange Dauer der Ehe nicht gegen eine Beschränkung sprechen.2 425
Beispiele – F (25 Jahre) leidet an multipler Sklerose und heiratet M (30 Jahre) im Jahr 2000. Sie wird in 2003 erwerbsunfähig. Die Trennung erfolgt in 2005, der Scheidungsantrag wird in 2007 rechtshängig. Der Unterhaltsanspruch wegen Krankheit nach § 1572 Nr. 1 BGB könnte bei einer Ehedauer von knapp 7 Jahren je nach Umständen des Einzelfalls zunächst z.B. nach 3 Jahren auf den angemessenen Bedarf herabgesetzt (§ 1578b Abs. 1 BGB) und die Zahldauer insgesamt auf 5 Jahre befristet werden (§ 1578b Abs. 2 BGB). Letztlich sind für die Bemessung der Frist die individuellen Verhältnisse ausschlaggebend. – F (53 Jahre) heiratete mit 16 Jahren. Sie betreute in der Ehe 4 gemeinsame Kinder. Die Ehe wurde nach 26 Jahren geschieden. F ist krebskrank und hat ein bereinigtes Einkommen aus Erwerbsunfähigkeitsrente und geringen Hinzuverdient von 1 050 Euro, M verdient 2 600 Euro. F hat einen unbefristeten und auch nicht herabsetzbaren Anspruch wegen Krankheit, der im Hinblick auf die Dauer der Ehe, ihren Einsatz für die Betreuung und Erziehung der Kinder während der Ehe unter Verzicht auf eine Berufsausbildung nicht nach § 1578b BGB zu beschränken ist.3 1 BGH, FamRZ 2013, 853 Tz. 35 zum neugefassten § 1578b Abs. 1 S. 2 und 3 BGB unter Bezugnahme auf die bisherige Rspr. zu § 1578b Abs. 1 a.F. BGB in FamRZ 2010, 629 Tz. 23, 25; 2010, 1971; FamRZ 2009, 406 (409), Tz. 37. 2 BGH, FamRZ 2007, 2047. 3 BGH, FamRZ 2009, 1207 (1210), Tz. 39 ff.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
5. Herabsetzung und/oder Befristung des Unterhalts als Rechtsfolgen 426
Beide Maßnahmen setzen nach ihrem Sinn und Zweck voraus, dass zunächst der volle, eheangemessene Unterhalt gezahlt wird, denn sie stellen eine Ausnahmeregelung zum gesetzlich geschuldeten Unterhalt dar.1 Wird der Anspruch zeitlich befristet, erlischt er nach Ablauf der Frist. Anschlussunterhaltsansprüche ergeben sich danach nicht mehr. Nach § 1578b Abs. 3 BGB können die Herabsetzung und Befristung miteinander verbunden werden, so dass der Anspruch auf Zahlung des vollen Unterhalts nach einer Übergangsfrist z.B. auf den angemessenen Bedarf des Berechtigten befristet oder unbefristet herabgesetzt werden kann. S. dazu das Beispiel unter Rz. 197. a) Herabsetzung des Unterhalts auf den angemessenen Lebensbedarf nach § 1578b Abs. 1 BGB
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Die Herabsetzung vom eheangemessenen auf den angemessenen Lebensbedarf hat zur Folge, dass der Unterhaltsbedarf nicht mehr nach den ehelichen Lebensverhältnissen i.S.v. § 1578 Abs. 1 BGB zu bemessen ist, sondern nach dem angemessenen Lebenszuschnitt des Unterhaltsberechtigten, den dieser ohne die Ehe aus eigenen Einkünften hätte, wobei eine Schätzung entsprechend § 287 ZPO bei ausreichenden Grundlagen zulässig ist.2 D.h., seine vorehelichen Lebensverhältnisse werden als Bemessungsmaßstab unter Berücksichtigung zu schätzender, zwischenzeitlich eingetretener Gehaltssteigerungen und Entwicklungen bei normalem Verlauf fortgeschrieben.3 Eine Herabsetzung kommt nur in Betracht, wenn der angemessene Lebensbedarf unterhalb des ehelichen Bedarfs liegt.4 Dabei differenziert der BGH für die Bestimmung des angemessenen Lebensbedarfs wie folgt:5 – Der Unterhaltsberechtigte ist erwerbsfähig: Maßgebend für die Bemessung des angemessenen Lebensbedarfs des Unterhaltsberechtigten ist das Einkommen, das er ohne die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit durch die Ehe oder die Kindererziehung erzielen könnte. Aus dem Begriff der Angemessenheit folgt, dass es sich grundsätzlich um einen Bedarf handelt, der das Existenzminimum wenigstens erreicht.6 Ein Erwerbstätigenbonus wird nicht abgezogen.7 – Der Unterhaltsberechtigte ist Rentner: Der angemessene Lebensbedarf wird bestimmt durch das Renteneinkommen aus einer solchen Erwerbstätigkeit, die er ohne Unterbrechung der Erwerbs1 Nach h.M. ist die Herabsetzung ab Rechtskraft der Scheidung möglich, allerdings folgt nach BGH, FamRZ 2010, 1633 Tz. 30, aus der Möglichkeit der Herabsetzung ab Rechtskraft der Scheidung keine regelmäßige Herabsetzung des Bedarfs nach der Scheidung aufgrund des Regel-Ausnahmeverhältnisses der Norm; ebenso Palandt/Brudermüller, § 1578b BGB Rz. 15; Schilling, FS Hahne, 2012, S. 332 f.; Schwab, FamRZ 2005, 1417 (1419) und Büttner, FamRZ 2007, 773 (774). 2 BGH, FamRZ 2012, 1483 Tz. 43 m.w.N.; 2013, 534 m. Anm. Born. 3 BGH, FamRZ 1986, 886 ff.; OLG München, FamRZ 2003, 1110 zu § 1578 Abs. 1 BGB a.F. 4 BGH v. 26.3.2014 – XII ZB 214/13 – Tz. 39 = FamRZ 2014, 1007. 5 BGH, FamRZ 2009, 1990 (1991), Tz. 14; BGH, Urt. v. 17.2.2010 – XII ZR 140/08, FamRZ 2010, 629 ff. und BGH, Urt. v. 14.4.2010 – XII ZR 89/08, FamRZ 2010, 869 ff. 6 BGH, FamRZ 2009, 1990 (1991), Tz. 14 ff. m. Anm. Viefhus, S. 1993 f. 7 BGH, FamRZ 2009, 406 Tz. 17; Schilling, FS Hahne, 2012, S. 323.
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VII. Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit
tätigkeit durch die Ehe oder die Kindererziehung hätte erzielen können, soweit diese über die tatsächliche Rente nach durchgeführtem Versorgungsausgleich hinausgeht.1 – Beim Krankheitsunterhalt ist abzustellen auf das Einkommen, das der kranke Unterhaltsberechtigte ohne die Ehe (und Kindererziehung) zur Verfügung hätte. Denn wenn er ohne die Ehe zu keiner Erwerbstätigkeit in der Lage wäre, kann nicht auf ein fiktives Einkommen abgestellt werden, das ein gesunder Unterhaltsberechtigter erzielen könnte. Aus dem Begriff des „angemessenen“ Bedarfs nach § 1578b Abs. 1 BGB folgt zugleich, dass der herabgesetzte Unterhaltsbedarf jedenfalls das Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten, das dem eines nichterwerbstätigen Unterhaltspflichtigen von zzt. 800 Euro entspricht, erreichen muss.2 – Ist die Krankheit nicht ehebedingt, ergibt sich der angemessene Lebensbedarf bei vollständiger Erwerbsunfähigkeit aus der Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente, wobei auch hier von der tatsächlichen Rente nach Durchführung des Versorgungsausgleichs auszugehen ist. Nur wenn die Einkünfte unter dem Existenzminimum liegen, bildet dieses die unterste Grenze des angemessenen Lebensbedarfs.3 Ist der Unterhaltsberechtigte noch teilweise erwerbsfähig ist, kann daneben auf Einbußen als ehebedingten Nachteil abgestellt werden. – Bei einem ausländischen Unterhaltsberechtigten kann für die Ermittlung eines hypothetischen Erwerbseinkommens auf die Erwerbs- und Verdienstmöglichkeiten abgestellt werden, die sich ihm bei einem Verbleib in seinem Heimatland geboten hätten.4 Aus dem Begriff der Angemessenheit in § 1578b Abs. 1 BGB folgt zugleich, dass 428 der herabgesetzte Bedarf jedenfalls das Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten nicht unterschreiten darf.5 Dabei darf das zu wahrende Existenzminimum mit dem notwendigen Selbstbehalt eines Unterhaltspflichtigen, wie er in den Leitlinien unter Nr. 21.2 geregelt ist, pauschaliert werden.6 Maßgebend ist dabei das Existenzminimum eines nichterwerbstätigen Unterhaltsschuldners von zzt. 800 Euro, und zwar auch dann, wenn von dem Unterhaltsberechtigten noch eine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann. Denn der darüber hinausgehende notwendige Selbstbehalt eines erwerbstätigen Unterhaltsschuldners (er liegt zzt. bei 1000 Euro) schließt einen Erwerbsanreiz ein, der aufseiten des Unterhaltsberechtigten keine Berechtigung hat.7 Der Anwendung des notwendigen Selbstbehaltssatzes als unterste Grenze des angemessenen Bedarfs des geschiedenen Ehegatten steht nach Auffassung des BGH nicht entgegen, dass der angemessene 1 BGH, Urt. v. 17.2.2010 – XII ZR 140/08, Tz. 29 = FamRZ 2010, 629 (632), Tz. 29; 2009, 1207, Tz. 36, 41; 2010, 1633 Tz. 33. 2 BGH, FamRZ 2010, 869, Tz. 46; 2010, 629, Tz. 29, 31 ff. 3 BGH, Urt. v. 17.2.2010 – XII ZR 140/08, Tz. 32 ff., FamRZ 2010, 629 (632), Tz. 32. 4 BGH, FamRZ 2013, 534 Tz. 24, 26 zum angemessenen Bedarf einer ukrainischen Ehefrau; 2013, 1366 Tz. 69 ff. Bedarf Schweizer Mindestrente. 5 FamRZ 2009, 1990 (1991), Tz. 14. 6 BGH FamRZ 2013, 853; FamRZ 2010, 629. Anders noch vor der Entscheidung des BGH und für einen angemessenen Eigenbedarf von 1 100 Euro: OLG Frankfurt, FamRZ 2009, 526 (527); OLG Koblenz, FamRZ 2009, 1750 (1751) (Az. der Revision XII ZR 7/09). 7 BGH, FamRZ 2013, 534 Tz. 26 zum Nacheheunterhalt; 2010, 629 Tz. 33 zum Krankheitsunterhalt; 2010, 444 Tz. 18 zum Mindestbedarf nach § 1615l BGB.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen nach den Leitlinien höher liegt. Denn der Bedarf des Unterhaltsberechtigten dürfe nicht mit dem entsprechenden Selbstbehalt eines Unterhaltspflichtigen gleichgesetzt werden.1 429
Die Herabsetzung vom eheangemessenen auf den angemessenen Lebensbedarf kommt erst nach Ablauf einer Übergangsfrist in Betracht, in der der Berechtigte Gelegenheit hat, sich auf die neue Lebenssituation einzustellen.2 Können ehebedingte Nachteile, z.B. in der beruflichen Qualifizierung, nicht in einer absehbaren Frist von dem Berechtigten ausgeglichen werden, kommt eine Herabsetzung i.d.R. nicht in Betracht. Sind sie ausgleichbar, ist die Frist für den Berechtigten unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten zu schätzen. Hat der Ehegatte keinen ehebedingten Nachteil, z.B. in seiner beruflichen Qualifizierung, erlitten und sich sein Lebensstandard nur durch die Eheschließung verbessert, wird es i.d.R. angemessen sein, ihm nach einer Übergangszeit wieder einen Lebensstandard zuzumuten, den er aufgrund seiner eigenen beruflichen Tätigkeit erreichen kann (s. dazu das Beispiel unter Rz. 420).3 Die Dauer der Übergangsfristen ist im Gesetz nicht geregelt. Häufig wird die Dauer der Ehe ein Anhaltspunkt für die Bemessung der Übergangsfrist sein. Maßgeblich ist jedoch keine schematische Orientierung an der Dauer der Ehe.4 Darauf abzustellen ist, innerhalb welchen Zeitraums von dem Berechtigten die Umstellung auf die neue Lebenssituation zu erwarten ist und ab wann ehebedingte berufliche Nachteile kompensiert werden können. Je älter der Unterhaltsbedürftige ist, desto weniger zumutbar wird die Umstellung auf den niedrigeren Lebensstandard sein.5 Wird auch Vorsorgeunterhalt gezahlt, kann nach Ablauf der Übergangsfrist die Beschränkung auf eine weniger teure Krankenversicherung oder der Wegfall des Altersvorsorgeunterhalts gerechtfertigt sein, wenn dies den Verhältnissen vor der Eheschließung entspricht.6 b) Zeitliche Begrenzung des Anspruchs
430
Das Gesetz gibt für die zeitliche Begrenzung des Unterhalts keinen konkreten Maßstab vor, insbesondere ist keine schematische Begrenzung entsprechend der Anzahl der Ehejahre vorgesehen.7 Obwohl dies in der Praxis häufig zur Vereinfachung so gehandhabt wird, muss nach dem Gesetz letztlich die individuelle Billigkeitsabwägung für die Bemessung der Frist ausschlaggebend sein, bei der die konkreten Interessen des Unterhaltsberechtigten und des Verpflichteten gegeneinander abzuwägen sind.8 Es ist deshalb in jedem Einzelfall eine Prognose darüber erforderlich, ob ehebedingte Nachteile überhaupt für den Berechtigten kompensierbar sind und wenn ja, innerhalb welchen Zeitraums es dem Berechtigten unter Berücksichtigung seines Alters, seiner Qualifikation und der Ar-
1 BGH, FamRZ 2010, 629, Tz. 32 ff.; 2009, 1990, Tz. 14. 2 BGH, FamRZ 1986, 886 (889) zu § 1578 BGB a.F. mit Hinweis auf die Begründung des Regierungsentwurfs zur BT-Drucks. 10/2888, S. 18 f. 3 BGH, FamRZ 2007, 200 (203). 4 BGH, FamRZ 2008, 1508 (1511), m. Anm. Borth, S. 1511. 5 BGH, FamRZ 2006, 1006 (1008). 6 BGH, FamRZ 1989, 483. 7 BGH, FamRZ 2008, 1509 (1511). 8 BGH, FamRZ 2008, 1509 (1511); 2009, 206 (408); 1986, 886 (888); 1996, 1272; so auch die h.M. in der Literatur, vgl. z.B. Wendl/Dose/Wönne, § 4 Rz. 1009 ff. Niepmann/ Schwamb, Rz. 1069 f.
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VII. Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit
beitsmarktlage möglich sein wird, wieder eigenverantwortlich für seinen Unterhalt aufzukommen. Anhaltspunkte können dafür z.B. sein, wann der Berechtigte nach einer beruflichen Ausbildung oder Qualifizierung wieder im Beruf Fuß gefasst haben wird oder sich sein neu gegründetes Unternehmen konsolidiert haben kann. Für die Fristbemessung ist die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten mit zu berücksichtigen, insbesondere, in welchem Maße der zu zahlende Unterhalt oder sonstige Schulden ihn in seiner Lebensgestaltung einschränken.1 Im Übrigen spielen für die Einschätzung, von welchem Zeitpunkt an es für den Berechtigten zumutbar ist, ohne Alimentierung des eheangemessenen bzw. des eigenen angemessenen Lebensbedarfs zurechtzukommen, sein Alter, seine Gesundheit, die Dauer der Ehe und wirtschaftlichen Verhältnisse des Verpflichteten eine Rolle. 431
Beispiel M war 7 Jahre mit der 55-jährigen F, die während der Ehe nicht und vor der Eheschließung als Aushilfsverkäuferin und Putzfrau mit einem Verdienst von 800 Euro tätig war, verheiratet. F steht ein Unterhaltsanspruch wegen Krankheit zu. Für ca. 3 Jahre muss M Unterhalt zahlen, bemessen nach den ehelichen Lebensverhältnissen, d.h. bei seinem Einkommen i.H.v. 2 500 Euro ein Unterhalt i.H.v. 1 072 Euro (3/ 7 -Quote). Danach steht ihr bei fortdauernder, nicht ehebedingter Krankheit nicht ein Bedarf i.H. ihres früher erzielten Einkommens zu, sondern das Einkommen, das sie im Falle einer Erkrankung ohne die Ehe zur Verfügung hätte.2 Das entspricht vorliegend dem notwendigen Eigenbedarf für Nichterwerbstätige. Der Unterhalt könnte insgesamt auf höchstens bis zu 5 Jahre befristet werden.
6. Darlegungs- und Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast für die Anordnung einer Herabsetzung/Befris- 432 tung liegt grundsätzlich beim Unterhaltsverpflichteten, der die für ihn günstige Ausnahmeregelung der Beschränkung des Unterhalts gem. § 1578b BGB geltend machen will. Er hat deshalb die Gründe für die Anwendung von § 1578b BGB, die zu seinen Gunsten für eine Herabsetzung und/oder Befristung sprechen, darzulegen und diese im Falle des Bestreitens durch den Gegner zu beweisen. Zu der Darlegungslast des Verpflichteten ergeben sich allerdings nach der Rechtsprechung des BGH Besonderheiten, wenn er eine Beschränkung des Unterhalts erreichen will, weil der Berechtigte keine ehebedingten Nachteile erlitten hat.3 Da er insoweit für das Vorliegen negativer Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig ist, die den persönlichen Bereich des Gegners betreffen und ihm insoweit entsprechende Informationen i.d.R. fehlen, geht der BGH zwar davon aus, dass der Unterhaltspflichtige zunächst konkret darzulegen hat, aus welchen Gründen keine ehebedingten Nachteile vorliegen. Der Berechtigte darf sich dann jedoch nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken, vielmehr geht die subjektive Darlegungslast (oder auch subjektive Behauptungslast) auf ihn über und er muss seinerseits – will er die Beschränkung abwehren – substantiiert bestreiten, d.h. vortragen, aus welchen Gründen ehebedingte Nachteile vorliegen. Tut er dies nicht, gilt der Vortrag des Verpflichteten als zugestanden.4 Mit der Verlagerung der subjektiven Darlegungslast auf den Unterhaltsberechtigten geht 1 2 3 4
BGH, FamRZ 2007, 200 (204) m. Anm. Büttner. BGH, FamRZ 2010, 629, Tz. 29. BGH, FamRZ 2010, 875 Tz. 20 ff., m. Anm. Finke S. 878 f.; Wendl/Dose, § 6 Rz. 721 ff. Zöller/Greger, § 138 ZPO, Rz. 8b; § 284 ZPO, Rz. 34 ff. m.w.N; BGH, NJW 2005, 2395 (2396 f.); NJW 2008, 982, Tz. 16.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
nicht gleichzeitig auch die Beweislast auf ihn über, vielmehr bleibt es bei der sich aus dem materiellen Recht ergebenden Beweislastverteilung des Unterhaltspflichtigen.1 Hat also der Verpflichtete konkrete Gründe dargelegt, wie z.B. die Aufnahme einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit des Bedürftigen in seinem erlernten oder vor der Ehe ausgeübten Beruf, bei dem es sich i.d.R. um eine angemessene Erwerbstätigkeit i.S.v. § 1574 Abs. 2 BGB handelt, dann spricht dies nach der Rechtsprechung des BGH gegen das Vorliegen ehebedingter Nachteile. Will sich der Unterhaltsberechtigte dagegen verteidigen, obliegt es nunmehr ihm, substantiiert darzulegen, dass er ehebedingte Nachteile in seiner beruflichen Entwicklung gehabt hat und diese fortwirken. Gelingt ihm insoweit ein schlüssiger Vortrag, ist es wiederum Sache des Verpflichteten, diesen zu widerlegen und ggf. den Beweis dafür zu erbringen. Gelingt dem Unterhaltsberechtigten kein schlüssiger Vortrag, bedarf es keiner weiteren Widerlegung und Beweisführung durch den Verpflichteten.2 Zur schlüssigen Darlegung eines ehebedingten Nachteils hat der Unterhaltsberechtigte auch jeweils einen hypothetischen Verlauf seiner Erwerbsbiografie ohne die ehebedingten Einschränkungen darzulegen, denn die Differenz zwischen tatsächlichem und hypothetischem Einkommen ergibt den ehebedingten Nachteil.3 433
Obwohl die objektive Beweislastverteilung durch die Rechtsprechung des BGH nicht verändert ist, führt schon die Verlagerung der subjektiven Darlegungslast zu einer Verlagerung des Verfahrensrisikos zuungunsten des Berechtigten.4 Denn nunmehr ist es an ihm, dem Gericht eine fiktive berufliche Entwicklung plausibel darzulegen, die er ohne Rücksicht auf familiäre Belange und ohne Einkommensnachteile genommen hätte, obwohl meist beide Ehegatten in der Vergangenheit während des Zusammenlebens an den Entscheidungen beteiligt gewesen sein dürften. Oft dürften letztlich aber auch beide Ehegatten nach einer längeren Ehe Schwierigkeiten haben, Einzelheiten zu früheren, ehebedingt nicht wahrgenommenen beruflichen Entwicklungen vorzutragen, es sei denn, sie hätten früher in noch intakter Ehe darüber Buch geführt und Beweise gesammelt, was in guten Ehezeiten keiner tut. Unter Berücksichtigung dieser objektiven Schwierigkeiten wird bei den Anforderungen an die Plausibilität des Vortrags des Berechtigten zu bedenken sein, dass nur ein zumutbares substantiiertes Bestreiten erwartet werden kann.5 Finke empfiehlt deshalb, bei Zweifeln aufgrund der Beweislast des Pflichtigen zugunsten des Berechtigten zu entscheiden.6 Dafür spricht auch, dass nach der Gesetzessystematik der Nacheheunterhalt unbefristet besteht, die Beschränkung nach § 1578b BGB als Ausnahme geregelt ist.7 1 Der BGH hatte zunächst in den Urteilen FamRZ 2008, 134; 2008, 1325 und 2009, 1990 die Auffassung vertreten, dass auch die Beweislast auf den Berechtigten übergeht. Dies hat er in FamRZ 2010, 875 Tz. 20 ff. (m. Anm. Finke, FamRZ 2010, 878 f.) korrigiert. 2 BGH v. 14.5.2014 – XII ZB 301/12 – Tz. 29. 3 BGH, FamRZ 2014, 1007 Tz. 26 ff.; 2013, 864 Tz. 27 ff.; 2013, 860 Tz. 22 ff. 4 Graba, FamRZ 2010, 1131 (1132 f.); FamFR 2010, 219 (220 f.), verwendet für die Verlagerung der subjektiven Darlegungslast auch den Begriff der Verlagerung der subjektiven Beweislast. 5 Zöller/Greger, § 138 ZPO Rz. 8b. 6 Finke, FamRZ 2010, 878 (879) (Anm. zu BGH, FamRZ 2010, 875 ff.). 7 S. dazu Graba mit deutlicher Kritik an der Rspr. des BGH, das Regel-Ausnahme-Verhältnis zulasten des Berechtigten umzukehren, FamRZ 2010, 1131 (1132 f.) sowie am Gesetzgeber, der die zum Regelfall gewordene Befristung durch die Rechtsprechung zwar kritisiere, ihr aber nicht durch eine stärkere Konkretisierung des Gesetzes Einhalt gebiete, FamFR 2013, 49 (51).
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VIII. Beschränkung und Versagung von Unterhalt wegen grober Unbilligkeit
Û
Praxishinweis: Obwohl das Gericht von Amts wegen über die Rechtsfolgen 434 des § 1578b BGB zu entscheiden hat, wenn der Sachverhalt dies hergibt, kann sich der Anwalt nicht darauf verlassen, dass das Gericht von sich aus sämtliche relevanten Aspekte aus dem Parteienvortrag herausfiltert, insbesondere Kenntnisse aus Parallelverfahren verwertet, um über eine Beschränkung des Unterhaltsanspruchs zu befinden. Denn es gilt auch insoweit der Beibringungsgrundsatz, d.h., die Partei trägt die Verantwortung für den im Unterhaltsstreitverfahren vorgetragenen Sachverhalt; eine Amtsermittlung findet nicht statt. Wichtig ist deshalb, dass der für die Billigkeitsprüfung maßgebliche Sachverhalt mit dem Mandanten geklärt und dem Gericht vorgetragen wird. Bei Versäumnissen besteht im Hinblick auf die Präklusionswirkung des § 238 Abs. 2 FamFG (§ 323 Abs. 2 ZPO a.F.) ein erhebliches Haftungsrisiko: Da das Gericht schon im Ausgangsverfahren über die Befristung aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts von Amts wegen entscheiden muss, dürfen in einem späteren Abänderungsverfahren Tatsachen, die bereits im Ausgangsverfahren eine Befristung gerechtfertigt hätten und schon eingetreten oder zuverlässig vorauszusehen waren,1 nicht mehr mit Erfolg zur Begründung der Befristung geltend gemacht werden.2
Dass das Gericht die Voraussetzungen einer Befristung geprüft hat, muss sich – 435 auch wenn keine Befristung ausgesprochen wird – aus den Beschlussgründen ergeben; denn für die Parteien ist dies wegen der Präklusionswirkung des § 238 Abs. 2 FamFG von erheblicher Bedeutung. Ergibt sich aus den Beschlussgründen, dass eine Befristung „jedenfalls zzt. nicht“ für angemessen gehalten wurde3 oder eine Beurteilung wegen einer ungewissen Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse nicht möglich war, wird im Fall eines späteren Abänderungsverfahrens die Begründung einer Befristung wesentlich einfacher sein. Fehlt eine Begründung im Unterhaltsbeschluss, dürfen nur neue, nach der letzten mündlichen Verhandlung eingetretene Umstände in einem späteren Abänderungsverfahren berücksichtigt werden, was für den Verpflichteten eine umfassende Überprüfung alter und neuer Tatsachen zur Folge haben kann; denn er darf nur detailliert unter Beweisantritt die neuen Umstände vortragen, um eine Neubeurteilung zu erreichen (vgl. dazu die Ausführungen zum Abänderungsverfahren unter Kap. K Rz. 344 ff.).
VIII. Beschränkung und Versagung von Unterhalt wegen grober Unbilligkeit (§ 1579 BGB) Der Unterhaltsanspruch ist zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu befris- 436 ten, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten – auch unter Wahrung der Belange eines gemeinschaftlichen Kindes – grob unbillig wäre (§ 1579 BGB). Durch die sog. Härteklausel ist in 8 gesetzlich geregelten Ausnahmefällen eine 437 Korrektur des Unterhaltsanspruchs möglich, wenn insbesondere infolge eines vorwerfbaren Verhaltens des Berechtigten eine Unterhaltspflicht ihm gegenüber grob unbillig wäre, d.h. dem Gerechtigkeitsgefühl in unerträglicher Weise wider-
1 BGH, FamRZ 2000, 1499 ff. m.w.N.; grundlegend FamRZ 1986, 886 (888). 2 Zum Haftungsrisiko und zu Risiken der Präkludierung Viefhues/Mleczko, S. 174 ff.; Borth, UÄndG, S. 176 ff. 3 OLG Düsseldorf, FamRZ 1996, 1416.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
spräche. Die Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen kann grob unbillig sein, weil 1. die Ehe von kurzer Dauer war, dabei ist die Zeit zu berücksichtigen, in welcher der Berechtigte wegen der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes nach § 1570 BGB Unterhalt verlangen konnte; 2. der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt; 3. der Berechtigte sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten oder einen nahen Angehörigen des Verpflichteten schuldig gemacht hat; 4. der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat; 5. der Berechtigte sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten mutwillig hinweggesetzt hat; 6. der Berechtigte vor der Trennung längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat; 7. dem Berechtigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt oder 8. ein anderer Grund vorliegt, der ebenso schwer wiegt wie die in den Nr. 1–7 aufgeführten Gründe. 438
Der Härtegrund der verfestigten Lebensgemeinschaft in Nr. 2 ist seit 1.1.2008, dem Inkrafttreten des UÄndG, als selbständiger Härtegrund neu eingeführt worden.1
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Liegt einer der 8 Härtegründe vor, muss noch in zwei weiteren Schritten geprüft werden, – ob die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wahrung der Belange eines gemeinschaftlichen Kindes, grob unbillig ist. Und wenn ja, – welche der Rechtsfolgen – Ausschluss, Herabsetzung und/oder zeitliche Begrenzung – den unerträglichen Widerspruch zum Gerechtigkeitsempfinden beseitigt. Dabei können die Rechtsfolgen auch miteinander kombiniert werden.
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Ob die Inanspruchnahme des Verpflichteten auf Zahlung von Unterhalt grob unbillig ist und die Grenze des Zumutbaren für ihn überschreitet, ist im Rahmen einer umfassenden Billigkeitsabwägung unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalles zu klären. Bei der Abwägung sind u.a. zu berücksichtigen: – die wirtschaftlichen Verhältnisse der geschiedenen Eheleute, – die Leistungen des Berechtigten für den anderen und für die Kinder während des Zusammenlebens, – eigenes Fehlverhalten des Verpflichteten,
1 Der Härtegrund Nr. 2, der bis zum 31.12.2007 im Rahmen der Auffangklausel von § 1579 Nr. 7 BGB a.F. Berücksichtigung fand, ist seit 1.1.2008, dem Inkrafttreten des UÄndG, ein selbständiger Härtegrund. Dadurch ergab sich eine Änderung der Nummerierung gegenüber der bis zum 31.12.2007 gültigen Gesetzesfassung, was bei der Lektüre von früheren Entscheidungen beachtet werden sollte. S. dazu Übersicht Rz. 502.
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VIII. Beschränkung und Versagung von Unterhalt wegen grober Unbilligkeit
– die Dauer der Ehe und – die Schwere des Härtegrundes. Der Verpflichtete kann sich auf den Härtegrund nicht mehr berufen, wenn er 441 dem Berechtigten ausdrücklich oder konkludent durch sein Verhalten zu verstehen gegeben hat, dass er ihm das Fehlverhalten verziehen hat.1 Dies setzt jedoch voraus, dass ihm das Vorliegen des Härtegrundes bekannt gewesen ist. So kann die Fortzahlung des Unterhalts für ein Verzeihen sprechen.2 Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Fortzahlung aus anderen Gründen erfolgte, zum Beispiel, um sich einen finanziellen Vorteil zu erhalten3 oder der Unterhalt nur wegen der Betreuungsbedürftigkeit eines gemeinsamen Kindes ungeschmälert gezahlt wird.4 Beruft sich der Berechtigte auf Verzeihung, handelt es sich insoweit um einen selbständigen Gegeneinwand, der die anspruchshindernde Einwendung der Verwirkung zu Fall bringt, weil damit die grobe Unbilligkeit als Tatbestandsmerkmal entfällt. Für die Verzeihung ist der Unterhaltsberechtigte darlegungsund beweispflichtig.5 Der BGH hat bisher die Frage offen gelassen, ob mit dem Verzicht des Verpflichteten auf Kürzung oder Wegfall des Unterhalts der Tatbestand der Verwirkung entfällt.6 Liegt ein Härtegrund vor und ist die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob 442 unbillig, kann der Unterhalt versagt, herabgesetzt oder gekürzt werden. Für die Entscheidung über die anzuwendenden Rechtsfolgen, die miteinander 443 kombiniert werden können, ist wiederum eine umfassende Abwägung der Interessen der geschiedenen Ehegatten vorzunehmen, nunmehr vor allem unter besonderer Berücksichtigung der Erwerbsfähigkeit des Berechtigten, seiner Gesundheit und seines Alters jeweils im Verhältnis zur Dauer der Ehe sowie der wirtschaftlichen Verhältnisse beider Ehegatten. Soweit noch auf die Belange eines betreuungsbedürftigen Kindes Rücksicht zu nehmen ist, kommt ein Ausschluss für die Dauer der Betreuungsbedürftigkeit nur ausnahmsweise, eher hingegen eine Herabsetzung des Bedarfs auf den Mindestbedarf in Höhe des kleinen Selbstbehalts oder eine Befristung in Betracht, denn die Versorgung und Betreuung des Kindes hat Vorrang.7 Bezieht der Unterhaltsberechtigte Elterngeld, kann dieses bei der Bedarfsbemes- 444 sung ausnahmsweise in voller Höhe einschließlich des Sockelbetrags als eigenes Einkommen mitberücksichtigt werden (Kap. A Rz. 150, § 11 BEEG).8 Der Unterhaltsanspruch kann nach Wegfall der Gründe, die zur Unzumutbar- 445 keit der Unterhaltsbelastung geführt haben, wieder aufleben, wobei dies von der
1 Zur Verzeihung vgl. u.a. OLG Düsseldorf, FamRZ 1997, 1159; OLG Hamm, FamRZ 1997, 1485. 2 OLG Bremen, FamRZ 2010, 1677 Tz. 8. 3 BGH, FamRZ 2004, 614 ff. kein Verzicht auf § 1579 Nr. 7 BGB a.F. bei Fortzahlung von Unterhalt an den in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Unterhaltsberechtigten, um eine Kürzung der Rente nach § 5 VAHRG zu vermeiden. 4 BGH, FamRZ 1997, 483 (484). 5 Ebenso Johannsen/Heinrich/Büttner, EheR, 5. Aufl., § 1579 Rz. 55, a.A. MünchKomm/ Maurer, § 1579 BGB, Rz. 65; Koch, Rz. 2270. 6 BGH, FamRZ 2004, 614 ff. 7 BGH, FamRZ 1989, 1279; 1987, 1238; 1997, 483. 8 BGH, FamRZ 1987, 689 (690); OLG Nürnberg, FamRZ 1995, 674.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
Zumutbarkeit einer wiederauflebenden Unterhaltspflicht abhängt, was in einer umfassenden Billigkeitsabwägung zu prüfen ist unter besonderer Berücksichtigung der Belange gemeinsamer Kinder, eventueller Nachteile aufgrund geleisteter Familienarbeit während der Ehe, die zu ehebedingten Nachteilen geführt hat und auch der Ehedauer.1 446
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Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der anspruchsbeschränkenden oder – vernichtenden Einwendung liegt beim Unterhaltspflichtigen.2
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Praxishinweis: Im Unterhaltsverfahren hat der Richter zwar von Amts wegen zu berücksichtigen, ob aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts ein Härtefall vorliegt, gleichwohl gilt der Beibringungsgrundsatz. Die Darlegungsund Beweislast für alle Tatsachen der rechtsvernichtenden Einwendung, aus denen sich die grobe Unbilligkeit ergibt, obliegt dem Verpflichteten.3 Will sich der Berechtigte dagegen verteidigen, ist es an ihm, die Behauptungen des Verpflichteten zu bestreiten. Handelt es sich um Tatsachen, die zu seiner Privatsphäre gehören, obliegt ihm insoweit eine sekundäre Darlegungslast (nicht Beweislast, s. dazu die entsprechende Handhabung bei § 1578b BGB Rz. 432 m.w.N.). In dem Fall liegt die Darlegungs- und Beweislast erst wieder bei dem Verpflichteten, wenn der Unterhaltsberechtigte seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen ist. An das Vorliegen eines Anscheinsbeweises, der für den Vortrag des Verpflichteten spricht und den der Berechtigte durch Gegenbeweis widerlegen muss, sind strenge Anforderungen zu stellen.4 Es sollte immer der für die Billigkeitsabwägung erforderliche Sachverhalt betreffend die persönlichen Verhältnisse (wie Leistungen während des Zusammenlebens, wirtschaftliche Verhältnisse, ehebedingte Unterhaltsbedürftigkeit) vorgetragen werden, um dem Gericht eine fundierte Abwägung auch im Hinblick auf die Wahl der zur Verfügung stehenden Rechtsfolgen – Ausschluss, Herabsetzung, zeitliche Begrenzung – zu ermöglichen. Auch insoweit klärt das Gericht den Sachverhalt nicht von Amts wegen auf.
1. Kurze Ehedauer (Nr. 1) 448
Der Härtegrund Nr. 1 liegt vor, wenn die Ehe von kurzer Dauer war und die Inanspruchnahme des Verpflichteten infolge der kurzen Ehedauer grob unbillig ist. Die Prüfung, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des Härtegrundes vorliegen, erfolgt in zwei Stufen, nämlich erstens, ob die Ehe von kurzer Dauer war und zweitens, ob die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre, denn aus der Kürze der Ehedauer folgt nicht zwingend die grobe Unbilligkeit der Unterhaltspflicht.5 1 BGH, FamRZ 2011, 1498 Tz. 30 f. m.w.N.; OLG Celle, FamRZ 2008, 1627 Tz. 42 zum Verwirkungsgrund Nr. 7 wegen Strafanzeige wegen Kindesmissbrauchs; OLG Koblenz, FamRZ 2013, 474 Tz. 7 zur Verwirkung wegen § 1579 Nr. 2 BGB. 2 BGH, FamRZ 1984, 364 in Weiterentwicklung von FamRZ 1982, 463. 3 BGH, FamRZ 1982, 463; 1983, 670 (671) (zur Darlegungs- und Beweislast der Einseitigkeit des Fehlverhaltens); zur sekundären Darlegungslast Zöller/Greger, vor § 284 ZPO Rz. 34 f. 4 BGH, FamRZ 1985, 267 zum Anscheinsbeweis bei bedingt vorsätzlicher Kindesunterschiebung; zum Anscheinsbeweis allgemein Zöller/Greger, vor § 284 ZPO Rz. 29 ff. 5 BGH, FamRZ 1982, 582; 1989, 483 (486).
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VIII. Beschränkung und Versagung von Unterhalt wegen grober Unbilligkeit
Da im Gesetz nicht näher bestimmt ist, wann eine Ehe von kurzer Dauer ist, 449 hat sich in der Rechtsprechung die Auffassung durchgesetzt, dass eine Ehedauer von bis zu zwei Jahren i.d.R. als kurz, eine Ehedauer von mehr als 3 Jahren nicht mehr als kurz zu beurteilen ist.1 Dabei bemisst sich die Ehedauer nicht nach der Dauer des Zusammenlebens der Ehegatten, sondern nach der Dauer des rechtlichen Ehebandes von der Zeit der Eheschließung bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags.2 So ist z.B. eine Ehe dann nicht mehr von kurzer Dauer, wenn sich die Ehegatten bereits fünf Monate nach der Heirat getrennt haben, der Scheidungsantrag aber erst vier Jahre nach der Heirat rechtshängig geworden ist. Unerheblich für die Bestimmung der Ehedauer ist ebenfalls, ob bereits in der Vergangenheit ein Scheidungsantrag gestellt oder später zurückgenommen wurde.3 Zeiten, „in denen der Berechtigte wegen der Pflege oder Erziehung eines gemein- 450 schaftlichen Kindes nach § 1570 BGB Unterhalt verlangen kann“ (§ 1579 Nr. 1, 2. HS BGB), werden nicht bei der Klärung der Ehedauer, sondern erst bei der sich anschließenden Prüfung, ob und inwieweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten wegen der kurzen Ehedauer grob unbillig ist, mit berücksichtigt.4 Diese Auslegung ergibt sich nicht zwingend aus der Gesetzesformulierung, folgt aber aus der Gesetzesgeschichte. Danach war das Gesetz in seiner jetzigen Fassung so formuliert worden, um dem Bedenken des BVerfG an der Fassung des § 1579 Nr. 1 a.F. BGB Rechnung zu tragen, dass es nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit möglich sein muss, auch den Unterhaltsanspruch eines geschiedenen Ehegatten, der ein gemeinsames Kind betreut, bei kurzer Ehedauer auszuschließen oder herabzusetzen.5 Die frühere Gesetzesfassung hatte in der Vergangenheit bei der Auslegung Anlass zu Missverständnissen gegeben, indem die Zeit der Kinderbetreuung bei der Bestimmung der Ehedauer mitberücksichtigt wurde, so dass eine grobe Unbilligkeit im Fall der Kinderbetreuung schon deshalb i.d.R. nicht in Betracht kam. Zweifelsfragen darüber, ob eine Ehedauer als kurz zu beurteilen ist, können sich 451 ergeben, wenn die Ehedauer zwischen zwei und drei Jahren liegt oder sonstige Gründe eine Beurteilung als „kurz“ rechtfertigen. Insoweit kann als Beurteilungskriterium darauf abgestellt werden, ob die Ehegatten ihre Lebensführung bereits aufeinander eingestellt und in wechselseitiger Abhängigkeit auf ein gemeinsames Lebensziel ausgerichtet haben.6 Denn es soll entsprechend der Zielsetzung des nachehelichen Unterhalts dann ein Ehegatte wirtschaftliche Mitverantwortung für den anderen Ehegatten nach der Scheidung übernehmen, wenn die Ursache für die wirtschaftliche Abhängigkeit des Bedürftigen in der gemeinsamen Lebensplanung der Ehegatten liegt. Nur wenn das Zusammenleben noch nicht zu einer wirtschaftlichen Abhängigkeit geführt hat, soll der Nacheheunterhalt – jedenfalls wenn keine gemeinsamen Kinder daraus hervorgegangen sind – beschränkt oder ausgeschlossen werden können, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.
1 2 3 4 5
BGH, FamRZ 2011, 791 Tz. 37; 1999, 710 (711) m.w.N. BGH, BGH, FamRZ 2011, 791 Tz. 37; in ständiger Rspr. seit FamRZ 1981, 140–142. BGH, FamRZ 1986, 886 (887). MünchKomm/Maurer, § 1579 BGB Rz. 11. Vgl. BT-Drucks. 16/1830, S. 20 = RegE S. 34; BVerfG v. 4.7.1989 – 1 BvR 537/87, MDR 1989, 1073; BVerfGE 80, 286 = FamRZ 1989, 941 = NJW 1989, 2807 f. 6 BGH, FamRZ 1982, 582; 1986, 886 (887).
Ehinger
497
F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
452
Beispiel F gab ihre Wohnung und Arbeit auf, traf folgenreiche vermögensrechtliche Dispositionen, um mit ihren Kindern aus früherer Ehe zum Wohnort ihres zukünftigen Mannes M zu ziehen. Zwischen Heirat mit M und Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags liegen 2 Jahre und 11 Monate. Hier entfällt der Unterhaltsanspruch nicht wegen kurzer Dauer der Ehe, weil F ihre Lebenssituation im Hinblick auf die Heirat einschneidend geändert hatte.1
453
Letztlich hat die Streitfrage, ob eine Ehe, die länger als zwei Jahre gedauert hat, noch als „kurz“ im Sinne des Gesetzes zu beurteilen ist, an Bedeutung verloren, seitdem nach § 1578b BGB generell alle nachehelichen Unterhaltsansprüche wegen Unbilligkeit herabgesetzt und/oder befristet werden können.
454
Ist die Ehe von kurzer Dauer und ein gemeinsames, betreuungsbedürftiges Kind vorhanden, ist zu überprüfen, ob auch unter Wahrung der Belange des Kindes eine Zahlungspflicht grob unbillig wäre.2 Der Ausschluss von Betreuungsunterhalt wird nur ausnahmsweise gerechtfertigt sein, denn die Belange des Kindes sind vorrangig und seine Betreuung muss gewährleistet sein. Hingegen kann die Haftung für weitergehenden Anschlussunterhalt wegen Krankheit oder Aufstockungsunterhalt, wenn es nie zu einer gemeinsamen Lebensplanung gekommen ist, grob unbillig sein. Ob eine Kürzung vom eheangemessenen auf den angemessenen Lebensbedarf des Berechtigten oder seinen notwendigen Eigenbedarf bzw. eine Befristung des Betreuungsunterhalts und/oder Ausschluss von Anschlussunterhalt gerechtfertigt ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.
455
Liegt ein Härtegrund nach § 1579 Nr. 1 BGB vor, ist die Anwendung von § 1578b BGB ausgeschlossen. Liegt kein Härtegrund vor, kann gleichwohl eine Herabsetzung oder Begrenzung nach § 1578b Abs. 1 und 2 BGB in Betracht kommen, vgl. dazu Rz. 401 ff. Beide Vorschriften sind jedoch nicht, bezogen auf denselben Härtegrund, zusammen anwendbar.
456
Beispiel F gibt mit der Heirat ihren gut dotierten Job auf, um in dem Geschäft ihres Mannes mitzuarbeiten. Die Ehe wird nach 2 Jahren geschieden. F hat Schwierigkeiten, eine neue, gleich gut dotierte Anstellung zu finden wie vor der Eheschließung. Hier liegt kein Härtegrund nach § 1579 Nr. 1 BGB vor, denn es ist nicht grob unbillig, dass M Unterhalt zu zahlen hat, weil F im Hinblick auf die Eheschließung ihre Arbeit aufgegeben hat. Ihr Anspruch kann aber nach einer Übergangszeit herabgesetzt und die Dauer der Zahlungspflicht nach § 1578b Abs. 1 und 2 BGB befristet werden.
457
Der Härtegrund Nr. 1 findet keine Anwendung auf den Trennungsunterhalt nach § 1361 BGB. 2. Verfestigte Lebensgemeinschaft (Nr. 2)
458
Die verfestigte Lebensgemeinschaft ist seit 1.1.2008 ein selbständiger Härtegrund. Er erfasst die Fallgruppe der verfestigten sozialen, eheähnlichen Verbindung, die von der Rechtsprechung zuvor zur Auffangklausel des § 1579 Nr. 7 BGB a.F. (entspricht § 1579 Nr. 8 BGB) entwickelt3 und vom Gesetz1 So BGH, FamRZ 1986, 886 (888). 2 BGH, FamRZ 1990, 492 ff. 3 BGH, FamRZ 2002, 810 (811); 1984, 986 (987); 1989, 487, (490 f.); 1991, 670 (672); 1995, 540 (542 f.); 1997, 671 (672); 2002, 23 (25).
498 Ehinger
VIII. Beschränkung und Versagung von Unterhalt wegen grober Unbilligkeit
geber aufgrund der Häufigkeit der Fälle zum selbständigen Härtegrund aufgewertet wurde.1 Wann eine verfestigte Lebensgemeinschaft vorliegt, ist im Gesetz nicht definiert. 459 Maßgeblich ist nach der Gesetzesbegründung, die auf die bisherige Rechtsprechung zu § 1579 Nr. 7 BGB a.F. verweist, dass aufgrund objektiver, nach außen tretender Umstände feststellbar sein muss, dass eine verfestigte Lebensgemeinschaft besteht. Auf ein Verschulden des Unterhaltsberechtigten kommt es nicht an, denn die geschiedenen Partner sind sich nicht mehr zur Treue verpflichtet. Kriterien, die für eine verfestigte Lebensgemeinschaft sprechen, sind z.B. ein über einen längeren Zeitraum geführter gemeinsamer Haushalt, das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, Leben wie eine normale Familie mit den Kindern aus vorangegangenen Beziehungen, gemeinsames Verbringen der Freizeit, größere gemeinsame Investitionen wie z.B. der Erwerb eines gemeinsamen Familienheims oder aber die Dauer der Verbindung selbst. Für die Entscheidung, ab wann eine Beziehung sich verfestigt hat, kann auf die Rechtsprechung des BGH zu § 1579 Nr. 7 BGB a.F. zur „festen sozialen Verbindung“, zurückgegriffen werden. Danach kann sich eine Beziehung verfestigt haben etwa bei einer Mindestdauer des Zusammenlebens von 2–3 Jahren.2 Je eindeutiger der Wille zum gemeinsamen dauerhaften Zusammenleben zutage tritt, zum Beispiel durch die Geburt eines gemeinsamen Kindes oder den Erwerb eines gemeinsamen Familienheims, desto eher ist von einer Verfestigung auszugehen. Für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft ist nicht zwingend, dass die Partner räumlich zusammenleben, wenn mindestens anhand anderer Tatsachen feststellbar ist, dass die Gemeinschaft nach ihrer Intensität gleichwohl einem ehelichen Zusammenleben entspricht und gleichsam an die Stelle der Ehe tritt.3 Anhaltspunkte dafür können sein, Wohnungen in demselben Haus oder in der Nähe, gemeinsames Verbringen von Freizeit und Urlaub oder eng verflochtene wirtschaftliche Verhältnisse.4 Keine Rolle spielt, ob intime Beziehungen in der Partnerschaft gepflegt werden 460 oder ob die Partner der neuen Lebensgemeinschaft eine Ehe bzw. eine Lebenspartnerschaft eingehen könnten, denn der neue Härtegrund bezweckt nicht eine Kontrolle der Lebensführung des geschiedenen Ehegatten.5 Die Härteklausel Nr. 2 findet keine Anwendung, wenn der geschiedenen Ehegatten bei Verwandten oder im Haushalt der Eltern lebt, denn insoweit von Dritten erbrachte Leistungen sind nicht dazu bestimmt, den Ehegatten von seiner Unterhaltspflicht zu entlasten.6 Hingegen fallen gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften darunter, soweit es sich nicht nur um bloße Wohngemeinschaften handelt.
1 Aufgrund der Einfügung dieses neuen Härtegrundes unter § 1579 Nr. 2 BGB ergibt sich gegenüber dem bis zu 31.12.2007 geltenden § 1579 a.F. BGB eine Verschiebung der Reihenfolge der Härtegründe Nr. 2–7. Sie entsprechen seit 1.1.2008 § 1579 Nr. 3–8 BGB in der geltenden Fassung. s. dazu die Übersicht Rz. 502. 2 BGH, FamRZ 2011, 1854 Tz. 19; 1989, 487 (491); OLG Hamm, FamRZ 2000, 1375; OLG Celle, FamRZ 2000, 1374 (1375). 3 BGH, FamRZ 2002, 23;OLG Düsseldorf v. 4.4.2012 – II-5 UF 238/08, 5 UF 238/08, juris; OLG Düsseldorf, FamRZ 2011, 225. Kritisch gegenüber dem Verzicht auf die gemeinsame Haushaltsführung Büttner, FamRZ 1996, 140. 4 Zu den Anforderungen an die Kriterien BGH, FamRZ 2011, 1854 Tz. 19 f.; OLG Koblenz, NJW-RR 2004, 1373. 5 BT-Drucks. 16/1830, S. 21 = RegE, S. 35 f. 6 Schwab, FamRZ 2005, 1417 (1420).
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499
F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
461
Kein maßgebliches Kriterium für das Vorliegen einer verfestigten Lebensgemeinschaft ist, ob der neue Lebenspartner leistungsfähig ist, den Unterhaltsberechtigten mit zu unterhalten, denn sie ist kein Fall der bloßen Bedarfsdeckung im Sinne von § 1577 Abs. 1 BGB.1 Nach der Gesetzesbegründung ist entscheidendes Kriterium für den Ausschluss oder die Beschränkung des Unterhalts, dass der geschiedene Ehegatte eine neue Lebensgemeinschaft eingegangen ist, die sich so verfestigt hat, dass er sich damit endgültig aus der nachehelichen Solidarität herausgelöst und „zu erkennen gegeben hat, dass er diese nicht mehr benötigt“.2 Schwab kritisiert an dieser Begründung zu Recht3, dass man dem Zusammenleben mit einem leistungsunfähigen Partner nicht den Erklärungswert des Berechtigten beimessen könne, er benötige keinen Unterhalt mehr. Die Begründung ist insoweit auch missverständlich, als spielte das wirtschaftliche Auskommen des Berechtigten keine Rolle mehr. Zwar ist die Leistungsfähigkeit des neuen Partners für die Feststellung des Tatbestandsmerkmals der verfestigten Lebensgemeinschaft nicht von Bedeutung, gleichwohl aber in der sich anschließenden umfassenden Billigkeitsabwägung. Denn nach der Klärung, ob eine verfestigte Lebensgemeinschaft vorliegt, ist in der zweiten Stufe zu klären, ob und inwieweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten zur Zahlung von Unterhalt tatsächlich grob unbillig ist und nur im Falle der groben Unbilligkeit ist der Anspruch zu versagen, herabzusetzen oder zu begrenzen. In der zweiten Prüfungsstufe sind die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten und damit mittelbar auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des neuen Partners von Bedeutung.
462
Beispiel F erleidet während der Ehe einen durch M schuldhaft verursachten Verkehrsunfall, wird danach ärztlich fehlerhaft behandelt, so dass sie nur noch teilweise erwerbstätig sein kann. Nach der Scheidung der Ehe lebt sie seit 3 Jahren mit einem neuen Partner zusammen, der nicht leistungsfähig ist, sie zu unterhalten. Über einen von ihr geltend gemachten Schadensersatzanspruchs wegen Verdienstausfalls gegenüber dem Haftpflichtversicherer ist bisher noch nicht rechtskräftig entschieden. Sie verlangt von M Unterhalt. Auch wenn hier von einer verfestigten Lebensgemeinschaft auszugehen ist, bei der es auf die Leistungsfähigkeit des neuen Partners nicht ankommt, müssen die wirtschaftlichen Verhältnisse sowie Dauer und Ausgang des Schadensersatzprozesses im Rahmen der anzuordnen Rechtsfolgen in die Billigkeitsabwägung miteinbezogen werden.
463
Ist aus der Ehe mit dem Unterhaltspflichtigen ein gemeinsames Kind hervorgegangen, ist bei der Billigkeitsabwägung im Rahmen der Rechtsfolgen auf die Belange des Kindes Rücksicht zu nehmen.
464
Beispiel F trennt sich von M, weil die Ehe gescheitert ist, und betreut das gemeinsame Kind. Später lebt sie in getrennten Wohnungen innerhalb eines Hauses in eheähnlicher Lebensgemeinschaft mit ihrem neuen Lebenspartner. F arbeitet nicht, betreut die 9-jährige Tochter und verlangt nach der Scheidung, nachdem sie schon über 2 Jahre mit ihrem neuen Partner zusammenlebt, Unterhalt von M. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des neuen Partners und der Belange des betreuungsbedürftigen Kindes ist noch Unterhalt, allerdings herabgesetzt und zeitlich begrenzt zu zahlen.4
1 BGH, FamRZ 2011, 1854 Tz. 20 in ständiger Rspr. m.w.N. 2 BT-Drucks. 16/1830, S. 21 = RegE, S. 35–36. Ebenso BGH, FamRZ 2011, 1498 Tz. 27; 2011, 791 Tz 39. 3 FamRZ 2005, 1417 (1420). 4 OLG Celle, FamRZ 2000, 1374 ff. Wegen der Grundsätze vgl. BGH, FamRZ 1989, 487 ff.
500 Ehinger
VIII. Beschränkung und Versagung von Unterhalt wegen grober Unbilligkeit
Auch der Trennungsunterhaltsanspruch kann wegen grober Unbilligkeit der In- 465 anspruchnahme verwirkt werden, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft mit einem anderen Partner lebt (§ 1361 Abs. 3 BGB).1 Häufig spielt beim Trennungsunterhalt der Verwirkungsgrund Nr. 7 eine Rolle, wenn der Vorwurf des einseitigen Fehlverhaltens wegen Ausbruchs aus einer intakten Ehe erhoben wird (Rz. 487 ff.). Ein nach § 1579 Nr. 2 BGB verwirkter Betreuungsunterhaltsanspruch lebt bei 466 Auflösung der Lebensgemeinschaft wieder auf, wenn ansonsten die Tatbestandsvoraussetzungen noch gegeben sind.2 3. Verbrechen oder schweres vorsätzliches Vergehen (Nr. 3) Die Härteklausel Nr. 3 ist anwendbar, wenn sich der Berechtigte eines Verbre- 467 chens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens (§ 12 StGB) gegen den Verpflichteten oder einen nahen Angehörigen des Verpflichteten schuldig gemacht hat. Als Straftaten kommen Mord, Totschlag, Körperverletzung, Misshandlung von 468 Kindern, Unterhaltspflichtverletzungen, Eigentumsdelikte wie Diebstahl, Betrug (auch Betrug im Unterhaltsprozess) zum Nachteil des Verpflichteten, schwere Beleidigungen oder Anschuldigungen etc. in Betracht. Entscheidend ist, dass der Verpflichtete sich durch die Straftat so schwer getroffen sieht, dass ihm die Erfüllung einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Berechtigten unerträglich sein muss. Angehörige sind immer der Ehegatte, Verwandte und Verschwägerte in gerader Linie, Lebenspartner i.S. von § 1 LPartG (S. § 11 Abs. 1 StGB); nicht hingegen der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Maßgebend ist jedoch nicht der Grad der Verwandtschaft oder Verschwägerung, sondern die persönliche Nähe zum Verpflichteten. Deshalb können auch Pflegekinder und -eltern Angehörige im Sinne des Gesetzes sein. Die Straftat muss schuldhaft, d.h. vorsätzlich oder fahrlässig verübt worden 469 sein. Bei Vergehen setzt die Anwendung der Härteklausel die vorsätzliche Begehung der Straftat voraus, d.h., die fahrlässige Tötung eines Angehörigen rechtfertigt nicht die Verweigerung von Unterhalt. Aber auch versuchte, d.h., nicht vollendete Straftaten können zum Unterhaltsausschluss führen oder Straftaten, an denen der Berechtigte nur beteiligt war. Häufig wird die Einwendung wegen versuchten Prozessbetrugs erhoben: Die Härteklausel Nr. 3 findet Anwendung, wenn der Berechtigte im Unterhaltsprozess bewusst falsche Angaben gemacht hat zu seinem Einkommen,3 zum Zusammenleben mit einem neuen Partner4 oder Einkommen verschweigt trotz Offenbarungspflicht.5 Macht eine Partei einen Unterhaltsanspruch im Prozess geltend, obliegt ihr die Pflicht, alle anspruchsbegründenden und -erhaltenden Tatsachen wahrheitsgetreu vorzutragen
1 BGH, FamRZ 2002, 810. 2 BGH, FamRZ 2011, 1498 Tz. 30 f.; 2008, 1739 (1743); 1986, 443; OLG Koblenz, FamRZ 2013, 474 Tz. 7. 3 BGH, FamRZ 2000, 153; OLG Düsseldorf, FamRZ 2011, 391=FamRB 2010, 332 bei Verschweigen eines Krankengeldzuschusses des Arbeitgebers. 4 OLG Hamm, FamRZ 1996, 1079; 1993, 566 (567); OLG Koblenz, FamRZ 2000, 605. 5 BGH, FamRZ 1997, 483; OLG Brandenburg, FamRB 2009, 338 Täuschung über Bedürftigkeit im Unterhaltsprozess.
Ehinger
501
F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
(§ 138 Abs. 1 ZPO).1 Auch wenn eine Partei meint, bestimmte Einkünfte dürften ihren Anspruch nicht schmälern, sind diese Einkünfte anzugeben, denn die Entscheidung darüber, ob z.B. Einkünfte aus einer ausgezahlten Versicherungssumme oder einer Erbschaft unterhaltsrelevant sind oder nicht, hat das Gericht zu entscheiden und nicht die Partei.2 470
Besteht ein Unterhaltstitel und ändern sich nachträglich die tatsächlichen Voraussetzungen für die Berechnung, besteht grundsätzlich eine Offenbarungspflicht, wenn der Gegner um Auskunft ersucht. Beiden Parteien steht gegen den anderen ein Anspruch auf Auskunft im Abstand von zwei Jahren zu (§§ 1580, 1605 BGB) zu. Die Erteilung der Auskünfte hat – genau wie im Unterhaltsstreitverfahren – immer wahrheitsgemäß zu erfolgen. Verändern sich die tatsächlichen Verhältnisse des Unterhaltsberechtigten nach Schaffung des Titels, besteht – gerade im Hinblick auf die gesetzlich geregelten, wechselseitigen Auskunftsansprüche der geschiedenen Ehegatten – nicht ohne Weiteres eine Pflicht zur ungefragten Information durch den Unterhaltsberechtigten. Die Pflicht zur ungefragten Information muss nach Auffassung des BGH im Hinblick auf die gesetzlich geregelten Auskunftsrechte auf solche Ausnahmefälle beschränkt bleiben, in denen das Schweigen über eine günstige, für den Unterhaltsanspruch ersichtlich bedeutsame Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse evident unredlich erscheint. Ein solcher Fall liegt z.B. vor, wenn der Unterhaltsschuldner aus erkennbaren und nachvollziehbaren Gründen, die dem Gläubiger bekannt sind, von seinem Auskunftsrecht keinen Gebrauch macht und der Gläubiger fortlaufend die Unterhaltsrente entgegennimmt, obwohl sich seine wirtschaftlichen Verhältnissen so geändert haben, dass er nicht mehr unterhaltsbedürftig ist.3 Strenger sind die Anforderungen an die Pflicht zur ungefragten Information, wenn es um die Durchführung einer Unterhaltsvereinbarung geht. So hat der BGH entschieden, dass in den Fällen, in denen in einer Scheidungsvereinbarung der unterhaltsberechtigten Ehefrau zugestanden worden war, anrechnungsfrei monatlich einen bestimmten Betrag hinzuzuverdienen, eine vertragliche Pflicht des Berechtigten zur unaufgeforderter Information bestehe, wenn sie höhere Einkünfte erziele.4 Kommt der Berechtigte dieser Verpflichtung nicht nach, macht er sich eines schweren vorsätzlichen Vergehens schuldig.5
471
Beispiele – F schreibt nach der Trennung wütende Briefe an die Kollegen und Freunde von M, in denen sie ihn als kleptomanisch, sexuell gespalten, gewalttätig beschreibt und behauptet, er habe gestohlen und sie geschlagen. Sie erstattet gegen ihn Strafanzeige wegen versuchten Mordes, ohne Beweise erbringen zu können. Hier kommt wegen fortdauernder Beleidigung, übler Nachrede, Verleumdung und falscher Verdächtigung der Ausschluss des Unterhaltsanspruchs in Betracht.6 – Die geschiedene F hat im Unterhaltsprozess angegeben, keine Arbeit gefunden zu haben, obwohl sie einen befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hatte. Sie erhielt deshalb einen höheren Unterhalt zugesprochen, als ihr aufgrund ihrer tatsächlichen Einkommensverhältnisse zugestanden hätte. Nachdem ihr Prozessbetrug entdeckt wurde, 1 BGH, FamRZ 2000, 153. 2 BGH, FamRZ 2000, 153; OLG Oldenburg, FamRZ 2011, 1965 Verschweigen von Zuwendungen Dritter. 3 BGH, FamRZ 1986, 450. 4 BGH, FamRZ 1997, 483; fortgeführt in FamRZ 2008, 1325. 5 BGH, FamRZ 1997, 483; 2000, 153. 6 Vgl. zu diesem Fall BGH, NJW 1982, 100 ff.
502 Ehinger
VIII. Beschränkung und Versagung von Unterhalt wegen grober Unbilligkeit wurde ihr Unterhaltsanspruch in der 2. Instanz auf den notwendigen Bedarf herabgesetzt.1 – F lebt von M getrennt und versorgt die gemeinsamen Kinder. Im Unterhaltsprozess bestreitet sie, mit einem anderen Mann zusammenzuleben. Eine spätere Beweisaufnahme ergibt, dass ihr neuer Partner sich ständig in ihrer Wohnung aufhält, dort kocht, die Kinder mit betreut, sie zur Schule bringt und auch seine Maklertätigkeit zu einem wesentlichen Teil von ihrer Wohnung aus betreibt. Das Gericht hat den Unterhalt der F um etwa die Hälfte gekürzt, da sie wegen der Leugnung des Zusammenlebens einen versuchten Prozessbetrug (§ 263 Abs. 1 und 2, §§ 22, 23 StGB) begangen habe; denn M hatte den Ausschluss oder die Herabsetzung des Unterhalts wegen des Zusammenlebens mit einem neuen Partner wie in einer Ehe gemäß § 1579 Nr. 2 und 8 BGB geltend gemacht.2
Welche Rechtsfolge in Betracht kommt, wenn der Tatbestand erfüllt ist, hängt 472 von einer Abwägung der Belange beider Unterhaltsparteien ab. Bei einem Anspruch wegen Krankheit nach 20 Jahren wird die Tatbestandsverwirklichung z.B. wegen falscher Angaben im Unterhaltsprozess zum Zusammenleben mit einem neuen wirtschaftlich schlecht gestellten Partner nur zu einer Kürzung3 führen, bei einem Aufstockungsunterhaltsanspruch nach 10 Jahren Ehe kann ein völliger Wegfall des Anspruchs gerechtfertigt sein. Die unterhaltsrechtlichen Folgen der Straftat wirken erst ab dem Tatzeitpunkt. 473 Sind bis dahin Unterhaltsrückstände entstanden, stehen diese i.d.R. dem Berechtigten noch zu, denn der rechtstreue Schuldner soll nicht schlechter stehen als der säumige Schuldner, der von einer Straftat betroffen ist. Nur in gravierenden Ausnahmefällen können Unterhaltsrückstände verwirkt sein, wenn die Erfüllung der Leistungspflicht für den Schuldner wegen der Schwere der Tat unerträglich wäre.4 Die Härteklausel ist auch anwendbar auf Taten, die längere Zeit nach der Scheidung verübt wurden; denn eine Zeitgrenze enthält das Gesetz nicht. Die strafrechtliche Verurteilung ist nicht Tatbestandsvoraussetzung für die An- 474 wendung der Nr. 3 der Härteklausel. Liegt eine Verurteilung vor, ist der Zivilrichter nicht an die Beurteilung durch das Strafgericht gebunden. Daraus folgt allerdings nicht, dass die Tatsache der strafrechtlichen Verurteilung für den Zivilprozess rechtlich unbeachtlich ist. Der Unterhaltsschuldner kann sich zur Begründung der Verwirkung auf das Strafurteil beziehen, die Darlegungs- und Beweislast für eine nicht schuldhafte Begehung der Tat liegt dann beim Unterhaltsberechtigten. Das Gericht kann Protokolle über die Aussagen von Zeugen aus dem Strafprozess bei entsprechender Beantragung durch eine Partei im Wege des Urkundenbeweises im Zivilprozess verwerten, soweit nicht die Vernehmung des Zeugen beantragt wird oder die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen eine unmittelbare Vernehmung erfordert. In jedem Fall sind die auf Antrag beigezogenen Straftaten zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung zu machen und nur die darin enthaltenen Beweismittel verwertbar, auf die sich eine Partei bezieht.5
1 2 3 4 5
Vgl. OLG Hamburg, FamRZ 1987, 1044. OLG Koblenz, FamRZ 2000, 605 ff. OLG Düsseldorf, FamRZ 2000, 1374. BGH, FamRZ 2004, 612 (613) m. Anm. Büttner, S. 614. BGH, FamRZ 2004, 612 f.
Ehinger
503
F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
475
Beispiel F bezichtigte M des sexuellen Missbrauchs an den gemeinsamen Kindern und erstattete Strafanzeige. Später stellte sich die Unrichtigkeit der erhobenen Vorwürfe heraus. Obwohl der Tatbestand der vorsätzlichen Verleumdung gemäß § 187 StGB erfüllt war, konnte F im Unterhaltsprozess durch ein ärztliches Gutachten beweisen, in der Tatzeit an einer Psychose gelitten zu haben, die ihre strafrechtliche Verantwortlichkeit erheblich gemindert hatte (§ 21 StGB). Das Gericht sah die Voraussetzungen für eine Verwirkung nicht als gegeben an.1
476
Wurde die Straftat während der Ehe begangen und hat der Verpflichtete die eheliche Lebensgemeinschaft nach der Entdeckung der Tat fortgesetzt, kann er sich nicht mehr später nach der Trennung oder Scheidung auf die Härteklausel berufen, da er zu erkennen gegeben hat, dass die Tat für ihn nicht so schwer wog.2 4. Mutwilliges Herbeiführen der Bedürftigkeit (Nr. 4)
477
Hat der Berechtigte durch ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten mutwillig, also in leichtfertiger Weise seine Unterhaltsbedürftigkeit herbeigeführt, ist die Härteklausel anwendbar. Erforderlich ist ein unterhaltsbezogenes mutwilliges Verhalten, d.h., die Vorstellungen und Antriebe, die dem Verhalten zugrunde liegen, müssen sich auch auf die Bedürftigkeit als Folge des Verhaltens beziehen.3 Dabei muss er sich unter grober Missachtung dessen, was jedem einleuchten muss, oder in Verantwortungs- und Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Unterhaltspflichtigen über die erkennbaren Folgen für seine Bedürftigkeit hinweggesetzt haben.4 Das kann z.B.in Betracht kommen, wenn ein Ehegatte während einer langen Trennungszeit versäumt, eine ihm mögliche Ausbildung zu absolvieren und dadurch nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit findet.5
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In der Praxis wird in den Fällen der Erwerbsunfähigkeit wegen Alkohol- oder Drogenabhängigkeit häufig die mutwillige Herbeiführung der Bedürftigkeit behauptet und der Ausschluss beantragt. Grundsätzlich gilt zwar, dass z.B. die Alkoholsucht eine Krankheit ist, so dass ein Unterhaltsanspruch gemäß § 1572 BGB in Betracht kommt. Gleichwohl findet die Härteklausel Nr. 4 dann Anwendung, wenn der Unterhaltsberechtigte von Ärzten auf die dringende Notwendigkeit einer Entziehungskur hingewiesen wurde und das Angebot nicht nutzte, obwohl er zu einsichtsfähigem Handeln noch in der Lage war und seine Unterhaltsbedürftigkeit voraussehen konnte.6 Ob er über die notwendige Einsichtsfähigkeit verfügte, ist Tatfrage und muss ggf. mithilfe eines Sachverständigen geklärt werden. Bei psychotischen Erkrankungen kann schon aufgrund des Krankheitsbildes die Einsichtsfähigkeit zur Behandlungsbedürftigkeit fehlen.7 Der Anspruch auf Unterhalt wegen Krankheit kann auch versagt werden, wenn 1 OLG Hamm, FamRZ 1995, 808. 2 OLG Düsseldorf, FamRZ 1994, 896. 3 BGH, FamRZ 1988, 378; 2000, 815 ff.; 2001, 541 ff.: kein Härtegrund, wenn Ehefrau Betreuungsunterhalt verlangt, obwohl Ehemann Zustimmung zur homologen In-Vitro-Fertilisation zurückgezogen hat. 4 BGH, FamRZ 1984, 362 (367); FamRZ 2000, 815 (817). 5 BGH, FamRZ 1986, 553; Erman/Graba, § 1574 Rz. 18. 6 BGH, FamRZ 1981, 1042 (1044); Finke, FPR 1998, 10 f.; Erman/Graba, § 1579 BGB Rz. 20; Palandt/Brudermüller, § 1579 BGB Rz. 23. 7 BGH, FamRZ 2005, 1897 zum Fehlen der Einsichtsfähigkeit bei einer Erkrankung an Schizophrenie.
504 Ehinger
VIII. Beschränkung und Versagung von Unterhalt wegen grober Unbilligkeit
die Erwerbsunfähigkeit dadurch mitverursacht ist, dass der Unterhaltsberechtigte eine von Gewalt geprägte Beziehung eingegangen ist und daran über Monate festgehalten, obwohl sie ihn psychisch traumatisiert hat.1 479
Beispiele – Nach der Heirat und Geburt einer Tochter bekommt F Alkoholprobleme. Nach einer Versöhnung der Eheleute bleibt F für 3 Jahre trocken. Als sie wieder zu trinken beginnt und Hilfsangebote des Jugend- und Gesundheitsamts nicht annimmt, scheitert die Ehe und wird geschieden. F hat ihre Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt, da sie ihrer Verpflichtung, eine Entziehungskur zu machen, nicht nachgekommen ist.2 – F, die chronisch tabletten- und alkoholabhängig ist, hat mehrfach Entziehungsversuche unternommen und kann in nüchternen Phasen die Notwendigkeit eines Entzugs verstehen. Aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur, die als „Ich-schwach“ und mit wenig Durchhaltevermögen charakterisiert wird, ist ihr aber kein leichtfertiges Verhalten vorwerfbar, so dass ihr Unterhalt nach § 1572 BGB zusteht.3
Die Bedürftigkeit ist auch dann mutwillig herbeigeführt, wenn der Berechtigte 480 z.B. seinen sicheren Arbeitsplatz aufgibt, um in einen anderen Ort zu ziehen, in dem er nicht vermittelbar ist, wenn ihm selbstverschuldet gekündigt wird, er versäumt sich aus- oder weiterbilden zu lassen oder er Vermögen verschwendet oder unwirtschaftlich anlegt. Hat ein Ehegatte Altersvorsorgeunterhalt nach § 1578 Abs. 3 BGB bezogen und 481 diesen zweckwidrig verwendet, so dass er bei Eintritt in das Rentenalter geringere Einkünfte hat, als dies bei zweckbestimmter Verwendung des Unterhalts der Fall gewesen wäre, ist die Bedürftigkeit ebenfalls mutwillig herbeigeführt worden.4 Die Mutwilligkeit fehlt aber, wenn der Altersvorsorgeunterhalt wegen einer Notlage für den Elementarunterhalt verbraucht werden musste, denn der Unterhaltsberechtigte darf vorrangig seinen Elementarbedarf befriedigen (Rz. 371).5 Tritt der Rentenfall ein und fehlen aufseiten des Berechtigten wegen vorwerfbarer Bedürftigkeit entsprechende Renteneinkünfte, ist er so zu behandeln, als hätte er den Altersvorsorgeunterhalt zum Aufbau der Altersvorsorge verwendet, d.h. der entsprechende Betrag ist ihm als fiktives Einkommen zuzurechnen, was zu einer Kürzung des Altersunterhalts nach § 1579 Nr. 4 BGB führt.6 5. Verletzung schwerwiegender Vermögensinteressen (Nr. 5) Setzt sich der Unterhaltsberechtigte mutwillig über schwerwiegende Vermögens- 482 interessen des Verpflichteten hinweg, so kann ihn das seinen Unterhaltsanspruch kosten. Der Berechtigte hat nämlich alles zu unterlassen, was dem Verpflichteten die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht erschwert. Die Voraussetzungen der Klausel sind schon erfüllt, wenn es nur zu einer Vermögensgefährdung kommt. Es ist nicht erforderlich, dass der Vermögensschaden eingetreten ist. Auch muss der Berechtigte nicht vorsätzlich handeln; ein leichtfertiges Handeln, das nicht unter1 OLG Köln, NJW-RR 2012, 1285. 2 OLG Düsseldorf, FamRZ 1987, 1262 ff.; OLG Hamm, NJW-RR 2003, 510 zur vorwerfbaren Unterlassung gebotener Heilbehandlungen. 3 BGH, FamRZ 1988, 375 ff. 4 OLG Koblenz, FamRB 2002, 35 f.; BGH, FamRZ 1987, 684; OLGR Schleswig 2001, 41–42. Zu den Rechtsfolgen zweckwidriger Verwendung s. auch Finke, FamFR 2013, 1 ff. 5 BGH, FamRZ 1987, 684. 6 BGH, FamRZ 1983, 676.
Ehinger
505
F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
haltsbezogen sein muss, reicht aus. In der Praxis findet diese Vorschrift häufig Anwendung, wenn ein Ehegatte den anderen bei seinem Arbeitgeber „anschwärzt“.1 483
Beispiele – Die betrogene F will das Verhältnis von M zu seiner Freundin, die im gleichen Haus wie die Eheleute wohnt, unterbinden und ruft deshalb in seiner Firma an, um seinen Kollegen darüber zu informieren, dass M sich schon ab mittags, noch während der Arbeitszeit, bei seiner Freundin aufhalte. Falls er nichts dagegen unternehme, werde sie sich an seinen Vorgesetzten wenden. Bei der Überprüfung der Spesenabrechnung von M werden Unregelmäßigkeiten gefunden, so dass ihm gekündigt wird. Trotz 23-jähriger Ehe wird der Unterhaltsanspruch insgesamt versagt.2 – Um sich wegen erlittener Demütigungen zu rächen, rief F in der Firma von M an und äußerte gegenüber einem Kollegen in verantwortlicher Stellung den Verdacht des Diebstahls und sexueller Übergriffe auf Auszubildende. Außerdem erstattete F Anzeige wegen unerlaubten Waffenbesitzes, die zur Verurteilung zu einer 8-monatigen Freiheitsstrafe führte. Der Unterhaltsanspruch wurde trotz der Betreuungsbedürftigkeit eines 11-jährigen Kindes wegen Verletzung schwerwiegender Vermögensinteressen völlig ausgeschlossen. F sei auch im Hinblick auf ihre bisherige Erwerbstätigkeit zuzumuten, für ihren eigenen eheneutralen angemessenen Bedarf zu sorgen.3
484
Weitere Beispielsfälle aus der Rechtsprechung für die Verletzung oder Gefährdung schwerwiegender Vermögensinteressen sind: Verschleuderung des Zugewinns zwischen Scheidungs- und Zugewinnausgleichsklage,4 leichtfertige Strafanzeigen,5 Strafanzeige wegen Steuerhinterziehung,6 Strafanzeige wegen sexuellen Missbrauchs gemeinsamer Kinder,7 Diebstahl von Vermögenswerten des Verpflichteten.8
485
Es sind Überschneidungen mit der Härteregelung Nr. 3 (Straftat) möglich z.B. bei Verschweigen des Abbruchs eines Studiums bei Bezug von Ausbildungsunterhalt9 oder beim Verschweigen eigener Einkünfte im Unterhaltsprozess.10 Verletzt ein Ehegatte nach Abschluss eines Unterhaltsvergleichs seine Pflicht zur gegenseitigen Information über Einkommensverbesserungen und wird dadurch ein höherer Unterhalt als materiell-rechtlich geschuldet weiter gezahlt, gefährdet er die Vermögensinteressen des Unterhaltspflichtigen schwerwiegend, wenn dieser den zu viel gezahlten Unterhalt später nicht zurückfordern kann.11 Der Verwirkungs-
1 AG Ludwigslust, FamRZ 2010, 2079 (LS); OLG Brandenburg, FamRZ 2011, 226 (LS): Anschwärzen beim Arbeitgeber, dass Ehemann eine Beziehung zu einer anderen Mitarbeiterin des Betriebs hat; OLG Düsseldorf, FamRZ 2011, 225 (LS): Verschweigen von zeitweilig erzielten Einkünften trotz Nachfrage des Unterhaltspflichtigen. 2 OLG Hamm, FamRZ 1987, 946 ff. 3 OLG Zweibrücken, FamRZ 1989, 63 ff. 4 OLG Hamm, NJW 2007, 1144. 5 OLG München, FamRZ 1982, 270; OLG Celle, FamRZ 1987, 69; OLG Köln, FamRZ 1991, 1312. 6 BGH, FamRZ 1984, 1165 (1170); OLGR Koblenz 2002, 243; KG Berlin v. 7.1.20112011 – 18 UF 234/07, juris. 7 OLG Schleswig, FamRZ 2013, 1132 Tz. 42 ff. 8 OLG Hamm, FamRZ 1994, 168. 9 BGH, FamRZ 1990, 1095. 10 BGH, FamRZ 2007, 1532; 1990, 1095; 2008, 1325 (1327), Tz. 27 ff.; OLG Frankfurt, FamRZ 1992, 327. 11 BGH, FamRZ 2008, 1324 (1327), Tz. 27 ff.; FamRZ 1998, 951 ff. Zur Pflicht zur ungefragten Information Rz. 470.
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VIII. Beschränkung und Versagung von Unterhalt wegen grober Unbilligkeit
grund ist erfüllt, wenn dem Unterhaltsberechtigten mindestens ein leichtfertiges Handeln vorwerfbar ist, der Vermögensschaden muss nicht eingetreten sein. 6. Unterhaltspflichtverletzung (Nr. 6) Diese Härteklausel erfüllt, wer vor der Trennung längere Zeit hindurch seine 486 Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt. Wer selbst in vorwerfbarer Weise dauerhaft weder durch Haushaltsführung noch sonstige Arbeit zum Familienunterhalt beigetragen hat, soll nicht nach der Trennung oder Scheidung Unterhalt verlangen können. Vernachlässigt z.B. die haushaltsführende Ehefrau über längere Zeit den Haushalt und die Kinder, so dass die Kinder auffällig werden und in der Schule häufig unentschuldigt fehlen, kann ihr der Unterhaltsanspruch versagt, herabgesetzt oder zeitlich begrenzt werden. Gleiches gilt für den Unterhaltsanspruch des Ehemannes, der über Jahre sein Einkommen aus Erwerbstätigkeit nur für sich und seine Hobbys verbraucht und nach der Trennung unterhaltsbedürftig wird. Von einer längeren Zeit der Unterhaltsverletzung wird man ab 1 Jahr ausgehen können.1 In der Praxis hat diese Vorschrift wenig Bedeutung. 7. Offensichtlich schwerwiegendes einseitiges Fehlverhalten (Nr. 7) Ein Härtegrund liegt vor, wenn dem Unterhaltsberechtigten ein offensichtlich 487 schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt. In der Praxis spielt dieser Härtegrund vor allem eine Rolle bei Verstößen gegen die eheliche Treuepflicht im Rahmen von Ansprüchen auf Trennungsunterhalt; denn die eheliche Treuepflicht endet mit der Scheidung. Allerdings zieht der Verlust des Trennungsunterhalts aus diesem Grund auch den Verlust des nachehelichen Unterhalts nach sich. Das Fehlverhalten besteht darin, dass sich der den Unterhalt begehrende Ehegatte gegen den Willen des anderen von der Ehe abkehrt und einem anderen Partner zuwendet, dem er die seinem Ehegatten geschuldete Hilfe und Betreuung zuteil werden lässt.2 Das Unterhaltsverlangen ist aber immer nur dann grob unbillig, wenn die Zuwendung zu einem anderen Partner als offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten zu bewerten ist. Dabei kommt der Klärung der Frage, ob sich die Trennung und Zuwendung an den neuen Partner als Ausbruch aus einer intakten Ehe darstellt, im Unterhaltsverfahren entscheidende Bedeutung zu.3 Hat der Verpflichtete sich schon seinerseits vorher von ehelichen Bindungen losgesagt und selbst ehewidrige Beziehungen unterhalten oder war die Ehe aus sonstigen Gründen schon vorher nicht mehr intakt, so dass dem Unterhalt begehrenden Ehegatten das Festhalten an der Ehe erheblich erschwert wurde,4 kommt dieser Härtegrund nicht zum Zuge. Meist wird ein einseitiges Ausbrechen aus der Ehe nicht vorliegen, denn es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass sich ein Ehepartner einem anderen Partner erst zuwendet, wenn dem eine „Erosion der ehelichen Beziehungen“ vorausgegangen ist.5
1 2 3 4 5
Erman/Graba, § 1579 BGB Rz. 25 f. BGH, FamRZ 1981, 753; FamRZ 2008, 1414 (1416), Tz. 26 f. BGH, FamRZ 2008, 1414 (1416), Tz. 26 ff., 30. BGH, FamRZ 1985, 267. OLG Oldenburg, FamRZ 2012, 1223.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
488
Ein Fehlverhalten des Berechtigten ist nur dann nicht mehr als einseitig zu beurteilen, wenn dem anderen Ehegatten Verfehlungen von einigem Gewicht vorwerfbar sind, die dem Unterhalt begehrenden Ehegatten das Festhalten an der Ehe erheblich erschwert haben und sein eigenes Fehlverhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen.1 Nach Auffassung des BGH genügen dazu nicht ständige Streitigkeiten aus geringem Anlass und beleidigende Vorwürfe.2 Dies wird man anders zu beurteilen haben, wenn fortdauernde Streitigkeiten mit verbalen Beleidigungen und Demütigungen des Unterhaltsberechtigten einhergehen, denn sie sind meist ein Indiz für gravierende Partnerschaftskonflikte und sprechen gegen eine intakte Ehe. Auch erlittene Misshandlungen und häusliche Gewalt nehmen dem Fehlverhalten des Berechtigten die Einseitigkeit. Das Fehlverhalten des Unterhaltsberechtigten kann in der Aufnahme einer eheähnlichen Beziehung, aber auch nur einer auf Dauer angelegten intimen Beziehung oder der Aufnahme von intimen Beziehungen zu mehreren Partnern bestehen.3 Entscheidend für die Anwendung des Härtegrundes Nr. 7 ist die Nachhaltigkeit des Fehlverhaltens, so dass ein einmaliger Ehebruch, selbst wenn ein Kind gezeugt wurde, nicht ausreicht. Unerheblich ist, ob es sich bei der neuen intimen Beziehung um eine hetero- oder homosexuelle Beziehung handelt.4
489
Beispiele – F nimmt, nachdem die Eheleute seit 3 Jahren keinen Geschlechtsverkehr mehr hatten, intime Beziehungen zu einem anderen Mann auf und empfängt in der Folgezeit 2 Kinder von ihm. Nach der Geburt des 1. Kindes kommt es zu einer Versöhnung der Eheleute. Nach 2 Jahren trennen sich F und M. F bekommt das 2. Kind und lebt kurzfristig mit dem Vater der Kinder zusammen. Ihr Unterhaltsanspruch ist verwirkt, wenn sie nicht beweisen kann, dass M ein ähnlich gewichtiges Fehlverhalten vorwerfbar ist.5 – Die Eheleute trennen sich nach 30-jähriger Ehe, aus der 4 Kinder hervorgegangen sind, nachdem M erfährt, dass F in den letzten Jahren der Ehe intime Beziehungen zu 4 anderen Männern unterhielt. Der Unterhaltsanspruch von F wurde unter Berücksichtigung der langen Dauer der Ehe und ihrer Leistungen für die Familie um 1/3 gekürzt.6 – F lernt bei der Fortbildung einen anderen Mann kennen, zu dem sie eine tiefe Zuneigung empfindet, aber keine intime Beziehung unterhält. Sie erklärt M, dass sie ihren Freund lieber habe als ihn. Sie verlässt M wegen des anderen Mannes und verlangt Unterhalt. F steht kein Aufstockungsunterhalt zu, da sie wegen eines anderen Mannes ihre intakte eheliche Beziehung aufgegeben hat.7 – M entdeckt, dass F ihn betrügt. Da die Ehe schon vorher wegen des Alkoholismus von M belastet war und F sich wegen der Eheprobleme in psychiatrische Behandlung begeben musste, hat sie ihren Unterhaltsanspruch durch den Ehebruch nicht verwirkt.
490
Sonstige Fälle eines schwerwiegenden Fehlverhaltens können z.B. sein das Unterschieben eines nicht von dem Ehemann stammenden Kindes als gemeinschaftliches Kind,8 die Weigerung eines Ehegatten, einen gemeinsamen Wohnsitz an dem von dem anderen gewünschten Ort zu begründen, ohne dafür sachliche Gründe
1 2 3 4 5 6 7 8
BGH, FamRZ 1982, 463 (464); BGH, NJW 1986, 722 ff. BGH, NJW 1986, 722 ff. BGH, FamRZ 1983, 670. BGH, FamRZ 2008, 1414 (1417) Tz. 27. BGH, FamRZ 1981, 752. BGH, FamRZ 1983, 670. KG, FamRZ 1989, 868. BGH, FamRZ 2012, 779 Tz. 23.
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VIII. Beschränkung und Versagung von Unterhalt wegen grober Unbilligkeit
zu haben,1 das Betreiben von Telefonsex ohne Wissen und Wollen des Ehegatten2, die Kontaktsuche im Internet mit der Offenbarung sexueller Vorlieben und Abneigungen3 oder unberechtigte Strafanzeigen.4
Û
Praxishinweis: Der Pflichtige muss nicht nur das Fehlverhalten des anderen 491 im Einzelnen darlegen und beweisen, sondern auch die Einseitigkeit dieses Fehlverhaltens.5 Reagiert also der Berechtigte mit Gegenvorwürfen, muss der Pflichtige diese ausräumen, d.h., der Berechtigte muss konkrete Tatsachen vortragen, auf die der andere reagieren kann. Hier wird in der Praxis häufig die Substantiierung, d.h. der konkrete Sachvortrag durch bewertende Schlagwörter ersetzt. Formulierungen wie „übermäßiger Alkoholgenuss, liebloses Verhalten, Handgreiflichkeiten“ sind keine ausreichenden Grundlagen für eine selbständige Beurteilung des Richters. Die konkrete Schilderung von Fakten ist nötig, damit eine Bewertung möglich ist, also gehört für einen Sachvortrag zum „übermäßigen Alkoholgenuss“ die konkrete Angabe des täglich üblichen Alkoholkonsums, bei Handgreiflichkeiten die Angabe des Datums, Ortes und die Beschreibung des Anlasses und der Verletzungen, bei früheren Eheschwierigkeiten z.B. die Angabe, wann und bei wem schon früher eine Eheberatung in Anspruch genommen wurde.
8. Anderer ebenso schwerwiegender Grund (Nr. 8) Liegt ein anderer Grund vor, der ebenso schwer wiegt wie die in den Nr. 1–7 auf- 492 geführten Gründe, kann der Unterhalt ebenfalls wegen grober Unbilligkeit versagt oder beschränkt werden. Diese Härteklausel stellt als Auffangtatbestand die Rechtsgrundlage für eine Korrektur des Unterhaltsrechts insbesondere für die Fälle dar, in denen die Unterhaltspflicht nicht wegen eines subjektiven Fehlverhaltens des Berechtigten, sondern aufgrund objektiver Gegebenheiten oder Veränderungen der Lebensverhältnisse unzumutbar wird. Die Auffangklausel greift nicht, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen eines anderen Härtegrundes in Betracht kommen, aber tatsächlich nicht vorliegen.6 Das Zusammenleben mit einem neuen Partner in eheähnlicher Gemeinschaft 493 spielte bis zum Inkrafttreten des UÄndG am 1.1.2008 für die Anwendung der Auffangklausel in der Praxis eine große Rolle. Die Rechtsprechung hat dazu verschiedene Fallgruppen gebildet:7 (a) Bestehen einer verfestigten, sozialen eheähnlichen Beziehung (b) Fortsetzung einer ehezerstörenden Partnerschaft nach der Scheidung (c) Zusammenleben mit einem neuen Partner unter anstößigen Bedingungen (d) Bestehen einer Unterhaltsgemeinschaft.
1 BGH, FamRZ 1987, 572; 1990, 492. Weitere Beispiele mit Rechtsprechungsnachweisen bei Erman/Graba, § 1579 BGB Rz. 30. 2 OLG Karlsruhe, NJW 1995, 2796. 3 OLG Oldenburg, FamRZ 2010, 904 Tz. 2. 4 OLG Schleswig, FamRZ 2013, 1132; OlG Celle, FamRZ 2008, 1687 ff. 5 BGH, FamRZ 1983, 670; FamRZ 1982, 463 (464). 6 BGH, FamRZ 1995, 1405; 1999, 710 (712). 7 Zu den Grundsätzen vgl. BGH, FamRZ 1989, 487 ff.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
494
Fallgruppen (a) und (d): Bestehen einer verfestigten, sozialen eheähnlichen Beziehung und Bestehen einer Unterhaltgemeinschaft Diese Fallgruppen sind aufgrund ihrer Häufigkeit seit 1.1.2008 als selbständiger Härtegrund in § 1579 Nr. 2 BGB geregelt, insoweit wird auf die Ausführungen unter Rz. 458 ff. Bezug genommen.
495
Fallgruppe (b): Fortsetzung einer ehezerstörenden Partnerschaft nach der Scheidung Lebt der geschiedene Ehegatte mit einem neuen Partner zusammen, dem er sich schon während der bestehenden Ehe zugewandt hatte und war ihm deshalb ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten im Sinne der Härteklausel Nr. 7 vorwerfbar, kann die Fortsetzung des Verhältnisses, ohne dass es auf eine Verfestigung der Lebensgemeinschaft ankommt, selbst wenn die Ehegatten nach der Scheidung nicht mehr zur ehelichen Treue verpflichtet sind, zu einer Verwirkung nach dem Härtegrund Nr. 8 führen.1
496
Fallgruppe (c): Zusammenleben mit einem neuen Partner unter anstößigen Bedingungen Auch das Zusammenleben mit einem Partner unter anstößigen Bedingungen, die für den Verpflichteten kränkend sind, ihn in der Öffentlichkeit herabsetzen oder sein Ansehen schädigen, kann ein sonstiger „schwerer Grund“ im Sinne von § 1579 Nr. 8 BGB sein.2
497
Sonstige Gründe für die Anwendung von Nr. 8 können sein, wenn z.B. die Ehedauer zwar nicht kurz ist, aber dennoch eine Unterhaltspflicht grob unbillig wäre, weil die Eheleute tatsächlich nur so kurz zusammengelebt haben, dass sie ihre Lebensgestaltung noch nicht voneinander abhängig gemacht haben, und die Unterhaltsbedürftigkeit durch Erwerbsunfähigkeit schon bei der Heirat vorhanden war.3
498
Nr. 8 kommt auch in Betracht, wenn die Erwerbsunfähigkeit durch Medikamentenmissbrauch verursacht worden ist und die Anwendung der Härteklausel Nr. 3 (mutwillige Herbeiführung) scheitert.4
499
Eine fortgesetzte massive und schuldhafte Vereitelung des Umgangsrechts kann ebenfalls zu einem Ausschluss oder einer Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs des betreuenden Elternteils führen. Allerdings muss das Fehlverhalten schwerwiegend sein, um die Annahme der Verwirkung zu rechtfertigen.5 Deshalb ist ein substanziierter Sachvortrag erforderlich und der umgangsberechtigte Unterhaltspflichtige muss seinerseits alles getan haben, um Widerstände des Kindes zu überwinden. Nicht ausreichend ist, stattdessen nur die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu beantragen.
500
Der Unterhaltsausschluss aus sonstigen objektiven Gründen muss nicht endgültig sein. Bei einer Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse ist eine neue Bil1 2 3 4 5
BGH, FamRZ 1989, 487 (489); 1983, 676; 1984, 154 (155). BGH, FamRZ 1989, 487 (490). Vgl. BGH, FamRZ 1988, 930 ff. BGH, FamRZ 1988, 927 ff. BGH, FamRZ 2007, 882, Tz. 64 f.; 1987, 356 (358); OLG München, FamRZ 1998, 750; OLG Brandenburg, FamRB 2011, 168.
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IX. Unterhaltsverträge
ligkeitsprüfung unter Berücksichtigung der Belange beider geschiedener Ehegatten erforderlich. Dabei sind die Dauer der Ehe und die Unzumutbarkeit der Zahlungsverpflichtung besonders zu beachten. Je länger der Verpflichtete nicht zu zahlen brauchte, desto härter kann ihn die wieder auflebende Zahlungspflicht treffen, was dann wiederum bei der Billigkeitsprüfung mit zu berücksichtigen ist. 501
Beispiel F lebt nach Scheidung der 10-jährigen Ehe mit ihrem 5-jährigen Kind und einem neuen Partner 3 Jahre zusammen. M lehnt die Zahlung von Unterhalt wegen § 1579 Nr. 7 BGB ab. Nach der Trennung von dem neuen Partner ist F wegen der andauernden Betreuungsbedürftigkeit des Kindes unterhaltsbedürftig. Ihr Unterhaltsanspruch gegen M, der nach wie vor unverheiratet und leistungsfähig ist, lebt wieder auf.
9. Anwendung von § 1579 BGB a.F. auf Unterhaltszeiträume bis zum 31.12.2007 Materiell-rechtlich weist § 1579 BGB gegenüber dem bis zum 31.12.2007 gelten- 502 den 1579 BGB a.F. bis auf den neu eingefügten Härtegrund Nr. 2 keine Änderung auf, so dass auch für die Bearbeitung von Unterhaltsansprüchen für den Zeitraum bis zum 31.12.2007 die vorstehende Kommentierung zu § 1579 BGB verwendet werden kann unter Beachtung der geänderten Nummerierung gegenüber der bis zum 31.12.2007 gültigen Gesetzesfassung. § 1579 a.F. BGB
§ 1579 BGB
Rz.
Nr. 1 Kurze Ehedauer
Nr. 1 Kurze Ehedauer
448 ff.
Nr. 2 Verfestigte Lebensgemeinschaft
458 ff.
Nr. 2 Verbrechen oder schweres vorsätzliches Vergehen
Nr. 3 Verbrechen oder schweres vorsätzliches Vergehen
467 ff.
Nr. 3 Mutwilliges Herbeiführen der Bedürftigkeit
Nr. 4 Mutwilliges Herbeiführen der Bedürftigkeit
477 ff.
Nr. 4 Verletzung schwerwiegender Vermögensinteressen
Nr. 5 Verletzung schwerwiegender Vermögensinteressen
482 ff.
Nr. 5 Unterhaltspflichtverletzung
Nr. 6 Unterhaltspflichtverletzung
486
Nr. 6 Offensichtlich schwerwiegendes einseitiges Fehlverhalten
Nr. 7 Offensichtlich schwerwiegendes einseitiges Fehlverhalten
487 ff.
Nr. 7 Anderer ebenso schwerwiegender Grund (mit verfestigter Lebensgemeinschaft jetzt § 1579 Nr. 2 BGB)
Nr. 8 Anderer ebenso schwerwiegender Grund
492 ff.
IX. Unterhaltsverträge Die Ehegatten können über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Schei- 503 dung Verträge schließen (§ 1585c BGB). Anders als beim Trennungsunterhalt ist ein Verzicht auf Nacheheunterhalt möglich, vgl. Kap. E Rz. 267. Für alle ab 1.1.2008 geschlossenen Vereinbarungen über die Unterhaltspflicht 504 für die Zeit nach der Scheidung, die vor Rechtskraft der Scheidung getroffen werden, gilt, dass sie notariell beurkundet werden müssen (§ 1585c Satz 2 BGB). Ehinger
511
F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
Damit sollen die Betroffenen vor übereilten Entscheidungen geschützt werden und sich mit Hilfe fachkundiger Beratung über die rechtliche Tragweite der Vereinbarung klar werden. Der Formzwang ist auf Vereinbarungen, die vor der Rechtskraft der Scheidung getroffen werden, beschränkt worden, da das Schutzbedürfnis in aller Regel im Zeitraum bis zur Rechtskraft der Scheidung besonders hoch ist. 505
Für alle bereits bis zum 31.12.2007 von den Ehegatten geschlossenen Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt gilt noch § 1585c BGB a.F., nach dem kein Formzwang bestand, d.h. bis zu diesem Zeitpunkt geschlossene, privatschriftliche und sogar mündliche Vereinbarungen sind gültig.
506
Unterhaltsvereinbarungen für die Zeit ab Scheidung der Ehe können schon vor der Eheschließung oder in der Ehezeit vereinbart werden, was meist in Eheverträgen, die auch güterrechtliche Vereinbarungen enthalten (§ 1408 BGB), geschieht. Eheverträge müssen zu ihrer Wirksamkeit bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile notariell beurkundet werden. Möglich ist es, sich für den Abschluss des Vertrags vertreten zu lassen, nicht möglich ist hingegen, dass Vertragsangebot und die Annahme des Angebots getrennt, ohne gleichzeitige Anwesenheit vor dem Notar – anders als bei Grundstückkaufverträgen – zu erklären (§ 1410 BGB).
507
Trotz der für Ehegatten bestehenden Vertragsfreiheit, unterliegen Eheverträge einer Inhaltskontrolle, die in zwei Stufen erfolgt:1
508
In der ersten Stufe, der Wirksamkeitskontrolle, ist zu prüfen, ob der Vertrag schon zur Zeit des Vertragsschlusses sittenwidrig war (§ 138 BGB). Sittenwidrig kann ein Vertrag dann sein, wenn dessen Inhalt eine der Vertragsparteien unzumutbar einseitig vertraglich benachteiligt und sich die Benachteiligung erkennbar aus der Ausnutzung einer Zwangslage ergibt.2 Deshalb sind Inhalt, Beweggründe und Zweck der Vereinbarung in einer Gesamtschau zu würdigen. Ein Indiz für eine Zwangslage kann eine Schwangerschaft vor der Eheschließung,3 aber auch z.B. eine Alkoholerkrankung zur Zeit des Vertragsschlusses sein.4 Ist ein Teil des Vertrages sittenwidrig und damit nichtig, richtet sich die Beurteilung darüber, ob der gesamte Vertrag nichtig ist, nach § 139 BGB.5 Enthält der Vertrag einen Unterhaltsverzicht zu Lasten der Ehefrau, die zwei Tage vor der Heirat bei bestehender Schwangerschaft mit dem sie einseitig belastenden Vertragsinhalt konfrontiert wurde, wird von der Nichtigkeit des gesamten Vertrags auszugehen sein.6 Diese Grundsätze der Inhaltskontrolle gelten nicht nur zugunsten des Unterhaltsberechtigten, sondern auch zugunsten des Unterhaltspflichtigen. Denn auch dieser kann sich in einer unterlegenen und abhängigen Position von dem anderen befinden, die zu einer offensichtlich einseitigen Auf1 2 3 4 5
Dazu grundlegend BGH, FamRZ 2004, 601 ff. BGH, FamRZ 2004, 601; NJW 2005, 2386; NJW 2005, 2313. BGH, NJW 2005, 2386. AG Rheine, FamRZ 2005, 451. Brambring, Führt die Teilnichtigkeit zur Gesamtnichtigkeit bei Eheverträgen?, FPR 2005, 130 ff.; BGH, FamRZ 2014, 629 Tz. 47 ff. 6 OLG Koblenz, NJW-RR 2004, 1445. Zur Sittenwidrigkeit einer unterhaltsrechtlichen Regelung im Ehevertrag, der 6 Wochen vor der Niederkunft geschlossen wurde, BGH, FamRZ 2006, 1359; zur Frage der Bedeutung einer Schwangerschaft für die Wirksamkeit und zu § 139 BGB sowie der salvatorischen Klausel vgl. Gageik, FPR 2005, 122, 124 m.w. Rechtsprechungsnachweisen; Brudermüller, NJW 2005, 3187 (3189).
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IX. Unterhaltsverträge
bürdung vertraglicher Lasten führt. Deshalb ist eine Unterhaltsvereinbarung, mit der bewirkt wird, dass der Unterhaltspflichtige aufgrund der Zahlung des vereinbarten Unterhalts, der über den gesetzlich geschuldeten hinausgeht, sozialhilfebedürftig wird, ebenfalls sittenwidrig.1
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Praxishinweis: Die Unausgewogenheit des Vertragsinhalts genügt nicht für 509 die revisionssichere Feststellung der Sittenwidrigkeit. Der BGH verlangt darüber hinaus, dass immer konkrete Umstände zu benennen sind, aus denen sich die unterlegene Verhandlungsposition des benachteiligten Ehegatten ergibt.2 Es ist deshalb Sache des Unterhaltsberechtigten, konkrete Umstände zu benennen, aus denen sich seine deutliche Unterlegenheit bei Vertragsschluss ergibt, die der andere Ehegatte zu seinen Gunsten ausgenutzt hat. Für eine soziale oder wirtschaftliche Abhängigkeit müssen immer konkrete Tatsachen vorgetragen werden, z.B. eine ernsthafte Erkrankung eines Ehegatten, die z.B. seine Einsichtsfähigkeit einschränkte, oder eine bevorstehende Niederkunft. Soweit nach Vertragsschluss Umstände eintreten, aufgrund derer sich die Regelung für einen der Ehegatten als unzumutbare einseitige Lastenverteilung darstellt, kann dies im Rahmen der Ausübungskontrolle berücksichtigt werden.
Ist der Vertrag insgesamt nicht sittenwidrig, ist in der zweiten Stufe, der Aus- 510 übungskontrolle, zu prüfen, ob sich der durch den Vertrag Begünstigte auf die vertragliche Regelung berufen kann, ohne rechtsmissbräuchlich zu handeln (§ 242 BGB). Dabei ist zu beurteilen, ob sich durch eine grundlegende Veränderung der Lebensumstände seit Vertragsschluss eine unzumutbare einseitige Belastung für einen Ehegatten ergibt, die von ihm nicht hingenommen werden muss. Ist dies der Fall, müssen die Parteien selbst freiwillig eine neue angemessene Regelung treffen. Gelingt ihnen dies nicht, muss der Tatrichter den Vertrag an die geänderten Verhältnisse nach dem „Geist des Vertrags“ und dem mutmaßlichen Willen der Parteien anpassen.3 Bei beiden Prüfungsstufen sind die unterhaltsrechtlichen Regelungen in dem 511 Vertrag daraufhin zu überprüfen, ob sie einen Ehegatten unzumutbar einseitig benachteiligen, weil sie in den Kernbereich gesetzlicher Unterhaltsansprüche eingreifen und dies nicht durch angemessene Gegenleistungen kompensiert wird. Von dem gesetzlich geregelten Scheidungsfolgenrecht können die Ehegatten zwar auch die nachehelichen Unterhaltsansprüche abweichend regeln, die sie ersetzenden Regelungen müssen aber deren Bedeutung und Schutzfunktion, die auf der nachehelichen Solidarität beruht, Rechnung tragen. Daraus ergibt sich eine Rangfolge für die Bedeutung der gesetzlich geregelten Absicherung, der auch der Ehevertrag Rechnung zu tragen hat: Zu dem Kernbereich der besonders schutzwürdigen Unterhaltstatbestände gehören der Betreuungs-, Krankheitsund Altersunterhalt (§§ 1570–1572 BGB).4 Dabei teilt der Altersvorsorgeunterhalt in seiner Bedeutung die Rangfolge des Elementarunterhalts.5 Im Rahmen der Vertragsanpassung stellt der nach dem Gesetz in Betracht kommende Unter-
1 BGH, FamRZ 2009, 198, Tz. 36 f., m. Anm. Bergschneider, S. 202 f. 2 BGH, FamRZ 2013, 195, m. Anm. Bergschneider, S. 210 f.; so schon BGH, FamRZ 2005, 185. 3 Gageik, FPR 2005, 122 (126) m.w.N. 4 BGH, FamRZ 2004, 601 (605). 5 So jetzt korrigierend BGH, NJW 2005, 2391.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
haltsanspruch die obere Grenze der Anpassung dar, ansonsten ist Maßstab der aus dem Vertrag erkennbare Regelungszweck. 512
Beispiel Die Ehegatten haben anlässlich ihrer Heirat 1994 in einem Ehevertrag den Versorgungsausgleich ausgeschlossen, Gütertrennung vereinbart und auf nachehelichen Unterhalt verzichtet. Für den Fall gemeinsamer Kinder bei Scheidung der Ehe, sollte die Ehefrau zur Sicherung ihres Unterhaltsbedarfs ein Mehrfamilienhaus erhalten. Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit der Regelung liegen nicht vor. Da die Einnahmen aus dem Mehrfamilienhaus bei der Scheidung den Unterhaltsbedarf der Ehefrau, die drei Kinder betreut, nicht annähernd decken, hält der Vertrag jedoch der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB nicht stand. Der Ehemann ist in Anpassung an die geänderten Verhältnisse auf der Grundlage des geltenden reformierten Unterhaltsrechts (nur) zur Zahlung von Betreuungsunterhalt verpflichtet, der auch auf den angemessenen Eigenbedarf herabgesetzt werden kann (§ 1578b BGB).1
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Sehr viel verbreiteter sind Unterhaltsvereinbarungen, die anlässlich der Scheidung im Rahmen von Scheidungsfolgenvereinbarungen getroffen werden. Sie sind unter den Voraussetzungen der §§ 119, 121, 123, 124 BGB anfechtbar, unterliegen ebenfalls einer Inhaltskontrolle und sind – soweit ihre Abänderbarkeit nicht ausgeschlossen ist – nach § 313 BGB abänderbar (§ 239 FamFG).
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Gegenstand der Unterhaltsvereinbarung kann auch ein vollständiger Unterhaltsverzicht sein. Es handelt sich um einen Erlassvertrag (§ 397 BGB), zu dessen Wirksamkeit eine eindeutige Verzichtserklärung des Berechtigten und die Annahmeerklärung des Verpflichteten (§ 151 BGB) erforderlich ist. Ein vollständiger Verzicht kann formuliert werden wie folgt: „Die Ehegatten sind sich einig, dass die Ehefrau auf nachehelichen Unterhalt aus sämtlichen Rechtsgründen verzichtet. Der Ehemann nimmt den Verzicht an.“
515
Der Unterhaltsverzicht unterliegt ebenfalls der Wirksamkeitskontrolle, denn er kann gemäß § 138 BGB sittenwidrig und unwirksam sein, z.B. wenn der Unterhaltsberechtigte dadurch auf Sozialhilfe angewiesen ist und die Vereinbarung zu Lasten der Allgemeinheit geht.2 Hält der Vertrag einer Überprüfung gemäß § 138 BGB stand, kann es gleichwohl einer Vertragspartei gemäß § 242 BGB zu versagen sein, sich auf eine vertraglich vereinbarte Regelung, wie z.B. einen Verzicht, zu berufen, wenn sich die Rechtsausübung als missbräuchlich erweist (Ausübungskontrolle).3 Es ist zum Beispiel rechtsmissbräuchlich, sich auf einen Unterhaltsverzicht zu berufen, wenn nach Vertragsschluss ein gemeinsames Kind geboren4 oder pflegebedürftig wird.5 Ebenso, wenn sich die vereinbarte Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht mit dem Betreuungsbedürfnis gemeinsamer Kinder vereinbaren lässt.6
1 BGH, FamRZ 2011, 1377 Tz. 28 f. m. Anm. Bergschneider S. 1381. 2 BGH, FamRZ 2009, 198, Tz. 36; FamRZ 2007, 197 (198 f.); FamRZ 1983, 137; FamRZ 1985, 788 (790); OLG Karlsruhe, FamRZ 2001, 1217. 3 Die Anwendung der Ausübungskontrolle auf Scheidungsfolgenvereinbarungen bejahen u.a. OLG Naumburg, FamRZ 2007, 473 ff. m. Anm. Bergschneider S. 476; OLG Celle, FamRZ 2004, 1969 m. Anm. Bergschneider, S. 1970; Herrler, FPR 2009, 506 (511), a.A. Palandt/Brudermüller, § 1585c BGB Rz. 17. 4 BGH, FamRZ 1985, 787. 5 OLG Hamburg, FamRZ 1992, 444 (445). 6 BGH, FamRZ 1992, 1403 (1404 f.).
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IX. Unterhaltsverträge
Möglich ist auch, den Verzicht mit einer Vereinbarung zur Zahlung von Unter- 516 halt für den Notfall zu verbinden. Ein solcher Notbedarf kann eintreten z.B. aufgrund einer Erkrankung oder Verschlimmerung einer Krankheit des Unterhaltsberechtigten oder eines gemeinsamen Kindes.1 In dem Fall ist es sinnvoll, näher zu bestimmen wie hoch der Notunterhalt sein soll, z.B. wie folgt: Der Unterhalt für den Notfall wird in Höhe des Eigenbedarfs eines geschiedenen unterhaltsberechtigten Ehegatten entsprechend der Anmerkung B. IV. der DT geschuldet, dessen Höhe sich nach dem jeweiligen Stand der Tabelle für den maßgeblichen Unterhaltszeitraum richtet. Er beträgt zurzeit (Stand 1.1.2014) 1 100 Euro. Die Ehegatten können ebenso nur einen Verzicht auf einzelne Unterhaltstat- 517 bestände vereinbaren, wie z.B. auf Aufstockungsunterhalt oder Unterhalt wegen Alters oder Krankheit. Des Weiteren können auch Modifikationen einzelner Unterhaltstatbestände ein- 518 vernehmlich geregelt werden, wie z.B. beim Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB eine längere persönliche Betreuung der Kinder durch den betreuenden Elternteil, denn nach dem Gesetz besteht ab Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes wieder eine volle Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils. Insoweit kann u.a. geregelt werden, in welchem Umfang eine Erwerbstätigkeit in welchen Altersphasen ausgeübt werden sollte, ob und wie Einkünfte daraus für den Unterhalt berücksichtigt werden und/oder in welchem Umfang sie ggfs. für eine adäquate Alterssicherung verwendet werden sollen.2 Hauptanwendungsfälle von Streitigkeiten über Unterhaltsvereinbarungen sind 519 meist weniger deren Unwirksamkeit oder rechtsmissbräuchliche Anwendung, sondern die Vertragsanpassungen an veränderte Verhältnisse nach § 313 BGB. Denn die Vertragsparteien haben i.d.R., nachdem die Ehe gescheitert ist, genauere Vorstellungen von künftigen Entwicklungen und machen diese zur Geschäftsgrundlage ihrer Vereinbarung, so dass bei einem abweichenden Verlauf die Geschäftsgrundlage gestört ist (§ 313 BGB) und eine Anpassung erforderlich wird. S. dazu Rz. 510.
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Praxishinweis: Haben die Ehegatten eine Vereinbarung über die lebenslange 520 Zahlung einer Unterhaltsrente getroffen und hat sich nach Vertragsabschluss die Rechtslage so geändert, dass der gewährte Unterhalt anders als zuvor – sei es aufgrund einer Gesetzesänderung oder Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung – nunmehr nach neuer Rechtslage z.B. befristbar ist oder anders berechnet wird, ist ein Abänderungsverfahren zulässig (§ 239 FamFG, § 323 Abs. 2 ZPO a.F.), da die Geschäftsgrundlage des Vertrags gem. § 313 BGB dadurch gestört und eine Anpassung erforderlich geworden sein kann.3 Zu den verfahrensrechtlichen Voraussetzungen eine Abänderung von Unterhaltstiteln zu erreichen, s. Kap. K.
Der Unterhalt kann auf Verlangen durch eine Kapitalabfindung abgegolten wer- 521 den, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und der Verpflichtete dadurch nicht unbillig belastet wird (§ 1585 Abs. 2 BGB). Bei Gefährdung der Unterhaltsleistung 1 Krause, Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt, FPR 2013, 295 (296 f.). 2 Ausführlich zu möglichen Vereinbarungen zum Unterhalt mit Beispielen Krenzler/ Borth, Kap. 15 II und IV. 3 BGH, FamRZ 2012, 525 Tz. 25 m. Anm. Maurer S. 530 = FPR 2013, 340; FamRZ 2013, 858 zur Abänderbarkeit wegen Aufgabe der Rspr. zur Drittelmethode beim Bedarf.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
ist es möglich, eine Sicherheit für einen Jahresbetrag des Unterhalts zu verlangen (§ 1585a BGB). Möglich ist auch anstelle der Kapitalabfindung die Übertragung von Wertpapieren, Immobilien oder Geschäftsanteilen.1 Zu Vollstreckbarkeit, Form und Inhalt von Unterhaltsverträgen s. auch Kap. J Rz. 32 ff.
X. Unterhalt für die Vergangenheit 522
Für die Vergangenheit kann Unterhalt rückwirkend gemäß § 1585b Abs. 2 BGB entsprechend den Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB verlangt werden, d.h. ab dem Zeitpunkt der Inverzugsetzung, ab Eintritt der Rechtshängigkeit des Unterhaltsanspruchs und von dem Zeitpunkt an, zu dem der Verpflichtete zur Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen (zum Auskunftsverlangen s. Kap. J Rz. 10 ff.).
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Die Rechtshängigkeit des Unterhaltsanspruchs tritt mit förmlicher Zustellung der Antragsschrift ein (§§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO), bei laufendem Unterhaltsstreitverfahren durch Zustellung des antragserweiternden Schriftsatzes beziehungsweise Antragstellung im Termin zur mündlichen Verhandlung. Die Übersendung des Verfahrenskostenhilfegesuchs bewirkt keine Rechtshängigkeit, sie steht aber einer Mahnung gleich.2 Die Inverzugsetzung nach § 286 Abs. 1 BGB erfordert eine Mahnung auf Zahlung eines bezifferten Betrages nach Fälligkeit der Unterhaltsforderung unter Angabe des Zahlungsdatums (s. Kap. J Rz. 14 ff.). Steht die Zahlungspflicht nach dem Kalender fest und ist dies dem Verpflichteten bekannt, tritt der Verzug ohne Mahnung ein (§ 286 Abs. 2 BGB). Gleiches gilt, wenn der Verpflichtete eindeutig und endgültig die Zahlung verweigert (§ 286 Abs. 3 BGB).
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Ebenso ist möglich, den Verpflichteten um Auskunft über sein Einkommen zu ersuchen zum Zweck der Unterhaltsberechnung (s. zu den Einzelheiten Kap. J Rz. 4 ff.
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Der Unterhalt wird jeweils geschuldet ab dem Ersten des Monats (Fälligkeit), in den eines der drei bezeichneten Ereignisse fällt (§ 1613 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ist der Unterhalt einmal beziffert, kommt eine nachträgliche Erhöhung nicht in Betracht. Dies gilt auch, wenn die Bezifferung nach der Auskunftserteilung erfolgt, es sei denn, der Unterhaltsberechtigte behält sich im Hinblick auf eine unvollständige oder unklare Auskunft ausdrücklich eine spätere höhere Bezifferung vor.3
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Praxishinweis: Die seit 1.8.2008 geltende Anwendbarkeit von § 1613 Abs. 1 BGB auf den nachehelichen Unterhalt bewirkt verfahrensrechtlich, dass der Unterhaltsberechtigte rückwirkend die Erhöhung des Unterhalts in Abänderung eines Unterhaltsurteils/Beschlusses schon ab dem Zeitpunkt verlangen kann, zu dem die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB vorgelegen haben. Im Gegensatz zu dem bis zum 31.12.2007 geltenden § 1585b BGB a.F. also
1 Herrler, FPR 2009, 506 (509 f.), zur Gestaltung v. Unterhaltsvereinbarungen nach der Unterhaltsrechtsreform. 2 BGH, FamRZ 1990, 283 (285); 1992, 920. 3 BGH, FamRZ 2013, 109 Tz. 41 f.
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X. Unterhalt für die Vergangenheit
schon jeweils ab dem 1. des Monats, in den eines der in § 1613 Abs. 1 BGB genannten Ereignisse fällt (§ 323 Abs. 3 Satz 2 ZPO a.F.). Dies gilt auch nach neuem Verfahrensrecht seit 1.9.2009 gemäß § 238 Abs. 3 Satz 2 FamFG, s. Kap. K Rz. 360. Zuvor war die Änderung vor Rechtshängigkeit der Klage nur taggenau ab dem Tag der Inverzugsetzung möglich (§ 1585b Abs. 2 BGB a.F. i.V.m. § 323 Abs. 3 ZPO). Für den Unterhaltsverpflichteten ist die rückwirkende Herabsetzung des Unterhalts im Urteil/Beschluss erst seit der Reform des Verfahrensrechts gemäß § 238 Abs. 3 Satz 3 FamFG möglich, und zwar für die Zeit ab dem 1. des auf ein Auskunfts- oder Verzichtsverlangen folgenden Monats bis zu einem Jahr vor Rechtshängigkeit der Antragsschrift, s. dazu Kap. K Rz. 361. Nachehelicher Unterhalt kann nur für ein Jahr vor Rechtshängigkeit des An- 527 spruchs geltend gemacht werden (Zeitschranke). Für eine mehr als ein Jahr vor der Rechtshängigkeit liegende Zeit kann Unterhalt nur verlangt werden, wenn anzunehmen ist, dass sich der Verpflichtete der Leistung absichtlich entzogen hat (§ 1585b Abs. 3 BGB). Für die Absicht, sich der Leistung zu entziehen, spricht ein zweckgerichtetes Handeln des Verpflichteten, das dem Berechtigten die Durchsetzung seines Anspruchs erschwert. Anhaltspunkte für ein zweckgerichtetes Handeln können z.B. sein, ein Wohnsitzwechsel des Verpflichteten, ohne dies dem Berechtigten mitzuteilen oder das Verschweigen von Einkommensänderungen, obwohl er sich dazu vertraglich verpflichtet hat.1 Der Unterhaltsberechtigte ist für sämtliche Voraussetzungen des Verzugs, der 528 Rechtshängigkeit oder des Auskunftsersuchens und die Absicht des Verpflichteten, sich zu entziehen, darlegungs- und beweispflichtig. Zur schlüssigen Darlegung des Sich-Entziehens reicht es allerdings, die Umstände darzutun, die nach der Lebenserfahrung den Schluss darauf zulassen.2 Es ist dann Sache des Schuldners diese tatsächliche Vermutung zu entkräften. Wird rückständiger Unterhalt geltend gemacht, kann die Frage von Bedeutung 529 sein, ob für die Berechnung des rückständigen Unterhalts wegen der Zeitschranke von einem Jahr (§ 1585b Abs. 3 BGB) auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Antragsschrift oder auf deren Eingang abgestellt werden kann, wenn gleichzeitig Verfahrenskostenhilfe (VKH) beantragt wird. Dazu werden unterschiedliche Standpunkte vertreten: Nach wohl überwiegender Auffassung ist auf den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes, also die Rechtshängigkeit, abzustellen,3 nach anderer Meinung soll entsprechend dem Rechtsgedanken des § 167 ZPO auf den Eingang der Antragsschrift mit einem VKH-Antrag abgestellt werden, denn Verzögerungen durch das VKH-Verfahren, die nicht auf ein nachlässiges Verhalten des Antragstellers zurückzuführen sind, sollen ihm nicht zum Nachteil gereichen.4 Dabei wird an den Regelungszweck des § 167 ZPO angeknüpft, nach dem sichergestellt werden soll, dass eine Frist, etwa bei Klageerhebung, auch dann gewahrt wird, wenn die Zustellung nicht unmittelbar nach Einreichung der Klageschrift bei Gericht erfolgt, denn der Kläger soll nicht durch Verzögerungen be1 Wendl/Dose/Gerhardt, § 6 Rz. 115. 2 BGH, NJW 1989, 526 (528). 3 OLG Karlsruhe, FamRZ 2002, 1039; OLG Frankfurt, EzFamR aktuell 2002, 101; MünchKomm.BGB/Maurer, § 1585b BGB Rz. 26; Palandt/Brudermüller, § 1585b BGB Rz. 6. 4 OLG Düsseldorf, FamRZ 2002, 327; OLG Schleswig, FamRZ 2002, 1635 zu § 1585b BGB; zu dem Rechtsgedanken des § 167 ZPO allgemein: Zöller/Greger, § 167 ZPO Rz. 15; BGH, NJW 1978, 938; 1991, 1745; BVerfG, NJW 1994, 1853.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
nachteiligt werden, die auf gerichtsinterne Vorgänge zurückzuführen sind, auf die er keinen Einfluss hat.1 Da die Beschränkung der rückwirkenden Geltendmachung von Unterhalt nach § 1585b Abs. 3 BGB dem Schuldnerschutz dient und eine Konkretisierung des Verwirkungsgedankens darstellt, sollte als Berechnungszeitpunkt für den rückständigen Unterhalt auf den Eingang der Antragsschrift mit dem VKH-Antrag abgestellt werden, denn der Unterhaltsschuldner erlangt im Rahmen des VKH-Verfahrens Kenntnis von der Geltendmachung des Unterhalts und kann sich ab dem Zeitpunkt in seiner Lebensführung auf in Betracht kommende Unterhaltsforderungen einstellen.2 530
Beispiel F wird am 1.2.2009 rechtskräftig geschieden und fordert M auf, monatlich 300 Euro Unterhalt ab 5.2.2009 zu zahlen. M zahlt nicht. F mahnt ihn mehrfach vergeblich. Ihr VKH-Antrag geht mit der Zahlungsantragsschrift am 1.4.2010 bei Gericht ein, sie verlangt rückständigen und laufenden Unterhalt für die Zeit ab 5.2.2009 und meint, dass sich M absichtlich der Leistung entzogen habe. Das Gericht entscheidet am 15.10.2010 und bewilligt VKH für den rückständigen Unterhalt jedoch nur für die Zeit bis zu einem Jahr vor Rechtshängigkeit der Antragsschrift. Die Antragsschrift wird am 1.11.2010 rechtshängig. Bei Anwendung des Rechtsgedankens des § 167 ZPO wäre nicht nur die Geltendmachung von Unterhalt ab 1.11.2009, sondern schon ab 1.4.2009 (Eingang des VKH-Antrags am 1.4.2010) schlüssig. Keinen Erfolg hat der Antrag für die Zeit vom 5.2.–31.3.2009, denn dass M den Unterhalt nicht zahlt, erfüllt nicht das Tatbestandsmerkmal des „Sich-Entziehens“.
531
Verzugszinsen für Unterhalt können nur verlangt werden, wenn sich der Schuldner mit der Zahlung in Verzug befindet. Insoweit gelten beim Nacheheunterhalt keine Besonderheiten, so dass wegen der Voraussetzungen und Höhe auf Kap. A Rz. 372 ff. verwiesen wird.
XI. Verwirkung rückständigen Unterhalts nach § 242 BGB 532
Die Frage der Verwirkung des Rechts auf Geltendmachung rückständigen Unterhalts wegen verzögerter Geltendmachung nach § 242 BGB spielt im Hinblick darauf, dass beim nachehelichen Unterhalt in der Regel der Unterhalt nur für einen Zeitraum von einem Jahr vor der Rechtshängigkeit verlangt werden kann (§ 1585b Abs. 3 BGB), praktisch keine Rolle (vgl. die vorstehenden Ausführungen unter Rz. 527).
533
Soweit der laufende Unterhalt bereits tituliert ist, gelten die allgemeinen Grundsätze, d.h. Unterhaltsansprüche können auch schon vor Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist von 3 Jahren (§§ 197 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 195 BGB) verwirkt sein, wenn der Berechtigte sein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat, obwohl er dazu in der Lage war (sog. Zeitmoment) und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch künftig nicht mehr geltend machen werde (sog. Umstandsmoment). Es reicht nach der Rechtsprechung des BGH schon aus, wenn der Berechtigte länger als ein Jahr keine Anstalten gemacht hat von seinem Recht auf Vollstreckung Gebrauch zu machen. Denn die zeitnahe Verwirklichung der Ansprüche dient dem Schuldnerschutz, um ein Anwachsen der Schulden zu vermeiden, so dass es egal ist, ob die Ansprüche tituliert sind 1 BVerfG, NJW 1994, 1853. 2 OLG Brandenburg, FamRZ 2009, 800, 801; s. auch Zöller/Greger, § 167 ZPO Rz. 15.
518 Ehinger
XIII. Rangverhältnisse
oder nicht.1 Der Gesetzgeber hat dem Schuldnerschutz auch im Rahmen der Verjährungsfristen einen Vorrang eingeräumt, indem er für titulierte Unterhaltsansprüche (s. Rz. 534) – abweichend von anderen titulierten Ansprüchen – hinsichtlich des laufenden Unterhalts keine längere Verjährungsfrist als 3 Jahre vorgesehen hat (§§ 197 Abs. 2, 195 BGB). Ob das Umstandsmoment der Verwirkung ebenfalls erfüllt ist, hängt von den individuellen Verhältnissen ab, u.a. davon, ob sich der Verpflichtete schon in seiner Lebensführung auf die Nichtinanspruchnahme eingestellt hat.2 Zu weiteren Einzelheiten s. Kap. A Rz. 378 ff.
XII. Verjährung Die Verjährungsfrist für Nacheheunterhalt beträgt 3 Jahre (§ 197 Abs. 2, Abs. 1 534 Nr. 2 und 3 i.V.m. § 195 BGB). Sie beginnt grundsätzlich bei Unterhaltsansprüchen erst mit dem Schluss des Kalenderjahres zu laufen, in dem der Anspruch entsteht (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Für die Vollstreckung titulierten Unterhalts ist bei der Prüfung der Verjährung zu differenzieren: Nacheheunterhalt, der für die Zeit bis zur Rechtskraft der Entscheidung bzw. bis zur Errichtung der Urkunde oder des Abschlusses des Vergleichs tituliert ist, gilt die 30-jährige Verjährungsfrist (§§ 197 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 201 BGB), Unterhaltsansprüche für die Zeit ab den genannten Zeitpunkten unterliegen im Interesse des Schuldnerschutzes der kurzen dreijährigen Verjährungsfrist, denn mit der Titulierung des laufenden Unterhalts soll der aktuelle Unterhaltsbedarf des Unterhaltsgläubigers gedeckt werden, so dass die Durchsetzung seiner Rechte innerhalb dieses Zeitraums zu erwarten ist. Die Verjährung von Unterhaltsansprüchen kann aus den verschiedensten Gründen gehemmt werden, vgl. dazu §§ 203 ff. BGB und die Ausführungen auch zur Berechnung der Fristen Kap. A Rz. 387 ff.
XIII. Rangverhältnisse 1. Die Regelung der Rangverhältnisse seit 1.1.2008 Reicht das Geld des Verpflichteten nicht aus, um den Bedarf aller Unterhalts- 535 berechtigten gleichmäßig zu befriedigen, sind die minderjährigen und ihnen gleichgestellten privilegierten volljährigen Kinder (§ 1603 Abs. 2 BGB) seit Inkrafttreten des UÄndG vorrangig vor den geschiedenen Ehegatten zu befriedigen. Sie stehen im ersten Rang (§ 1609 Nr. 1 BGB). Bleibt nach der Befriedigung der erstrangig berechtigten Kinder noch Geld übrig, folgen im zweiten Rang kinderbetreuende Elternteile, egal, ob sie mit dem Verpflichteten verheiratet sind oder waren, sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer (§ 1609 Nr. 2 BGB). Bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer sind auch Nachteile i.S.v. § 1578b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB zu berücksichtigen (s. Rz. 404 ff.). Als Ehedauer gilt die Zeit von der Eheschließung bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags. Nach der Rechtsprechung des BGH zur früheren Rangfolge des § 1582 Satz 2, 2. Alternative a.F. BGB lag eine den Unterhaltsvorrang sichernde lange Dauer der Ehe bei einer bereits 15 Jahre bestehenden 1 BGH, FamRZ 2004, 531 f.; OLGR München 2002, 68. 2 Der BGH (FamRZ 2004, 531 f.) hat keine Verwirkung der Vollstreckungsbefugnis titulierter, noch nicht verjährter Unterhaltsrückstände angenommen, weil der Schuldner sich aufgrund seines überdurchschnittlichen Verdienstes nicht in seiner Lebensführung auf die Nichtgeltendmachung habe einstellen müssen.
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F. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
Ehe vor.1 An dieser Rechtsprechung zur Bestimmung einer langen Ehedauer kann festgehalten werden, allerdings reicht die lange Ehedauer zur Sicherung des 2. Ranges nach der seit 1.1.2008 geltenden Regelung nicht mehr allein aus, vielmehr ist nach dem Willen des Gesetzgebers gleichermaßen wichtig, ob die Unterhaltsbedürftigkeit auf ehebedingten Nachteilen beruht. Denn ein besonderer Vertrauensschutz soll vor allem dem Ehegatten zukommen, der sich unter Verzicht auf die eigene berufliche Entwicklung in der Ehe überwiegend der Pflege und Erziehung der gemeinsamen Kinder und der Führung des Haushalts dauerhaft gewidmet hat und deshalb nicht oder nur eingeschränkt selbst für seine Unterhalt sorgen kann.2 Deshalb kommt der langen Ehedauer keine alleinentscheidende Bedeutung mehr zu.3 Letztlich hängt die Bestimmung des 2. Ranges von der Würdigung der Umstände des Einzelfalls ab, bei der erst die Summe der einzelnen Faktoren, wie die Dauer der Ehe, das Alter eines Ehegatten, seine wirtschaftliche Stellung im Verhältnis zu dem anderen Ehegatten, ehebedingte Nachteile und das Vertrauen in die bestehende wirtschaftliche Situation eine Entscheidung darüber ermöglichen, wie das Schutzbedürfnis – auch im Verhältnis zum kindesbetreuenden Berechtigten – einzuschätzen ist.4 536
Im 3. Rang folgen Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Nr. 2 fallen (§ 1609 Nr. 3 BGB).
537
Beispiele – M war mit F1 20 Jahre verheiratet und hat mit ihr 2 Kinder im Alter von 16 und 19 Jahren, beide Schüler, die im Haushalt von F1 leben. F1 war in der Ehe immer teilzeitbeschäftigt und findet keine Vollbeschäftigung. M ist in zweiter Ehe mit F2 verheiratet, die das zweijährige Kind betreut und nicht erwerbstätig ist. Alle drei Kinder sind erstrangig unterhaltsberechtigt (§ 1609 Nr. 1 BGB). F1 und F2 sind im 2. Rang berechtigt: F1 wegen der langen Dauer der Ehe im Hinblick auf fortwirkenden ehebedingten Nachteilen bei ihren Erwerbsmöglichkeiten, F2 wegen der Kindesbetreuung. Vgl. auch die Beispiele unter Kap. E Rz. 239 ff. – F 1 hat nach achtjähriger, geschiedener Ehe einen Anspruch gegen M wegen Krankheit gem. § 1572 Abs. 1 BGB. M ist wieder verheiratet und hat mit F2 zwei gemeinsame Kinder im Alter von 6 und 9 Jahren. F2 ist nicht erwerbstätig und betreut die Kinder. Nach den Kindern ist F2 vorrangig vor F1 unterhaltsberechtigt wegen der Kindesbetreuung. F1 ist an dritter Rangstelle berechtigt.
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Volljährige Kinder, Enkel, Eltern und weitere Verwandte sind immer nach den Ehegatten unterhaltsberechtigt (§ 1609 Nr. 4 bis 7 BGB). 2. Die Regelung der Rangverhältnisse bis 31.12.2007
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Nach der bis zum 31.12.2007 geltenden Regelung sind geschiedene Ehegatten neben minderjährigen und privilegierten volljährigen Kindern gleichrangig zum Unterhalt berechtigt und gehen anderen Kindern und Verwandten vor (§ 1609 Abs. 2 BGB a.F.). Hat der Verpflichtete wieder geheiratet, steht der geschiedene unterhaltsberechtigte Ehegatte dem neuen Ehegatten im Rang gleich, wenn der
1 BGH, FamRZ 1983, 886. 2 BT-Drucks. 16/6980, S. 20 f. S. auch Peschel-Gutzeit, Unterhaltsrecht aktuell, S. 133. 3 OLG Celle, FamRZ 2009, 348 Tz. 5; BGH, FamRZ 2008, 1911 Tz. 65 ff.; 2013, 1291 Tz. 18 ff. 4 OLG Hamm, FamRZ 2013, 1811 Ablehnung des 2. Rangs bei Erwerbsunfähigkeit und Ehedauer von 5 Jahren.
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XIV. Verfahrenskostenvorschuss
neue Ehegatte bei entsprechender Anwendung der nachehelichen Unterhaltsansprüche Unterhalt nach §§ 1569–1574, 1576 und § 1577 Abs. 1 BGB beanspruchen könnte. Der frühere Ehegatte ist immer bevorrechtigt unterhaltsberechtigt, wenn er einen nachehelichen Unterhaltsanspruch wegen Kindesbetreuung (§ 1570 BGB) oder aus Billigkeitsgründen (§ 1576 BGB) hat oder die Ehe mit dem geschiedenen Ehegatten von langer Dauer war. War die Ehe von langer Dauer, ist der Anspruch des geschiedenen Ehegatten stets vorrangig. Für die Bemessung der Ehedauer ist abzustellen auf die Zeit von der Heirat bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags.1 Nach Ablauf von 15 Jahren ist eine lange Dauer der Ehe nicht zweifelhaft.2 Keine lange Dauer sind 8 Jahre.3 Steht die Ehedauer danach fest, sind dann Zeiten, in denen der Ehegatte wegen der Pflege und Erziehung gemeinschaftlicher Kinder nach § 1570 BGB a.F. unterhaltsberechtigt war, hinzuzurechnen (§ 1582 Abs. 1 Satz 2 BGB).4 Liegen die Voraussetzungen für eine vorrangige Berechtigung des geschiedenen Ehegatten vor, ist nur er neben den minderjährigen und privilegierten volljährigen Kindern im Rang gleich. Der neue Ehegatte tritt bei dieser Konstellation ausnahmsweise gegenüber den Kindern zurück, obwohl er nach dem Gesetzeswortlaut des § 1609 Abs. 2 BGB a.F. grundsätzlich deren Rang teilt.5 Diese Auslegungskorrektur ist geboten, um den in § 1582 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelten Vorrang des geschiedenen Ehegatten zu sichern. Sie gilt aber immer nur, wenn Unterhaltsansprüche zweier (geschiedener) Ehefrauen tatsächlich nebeneinander bestehen und deren Rangverhältnis im Verhältnis zu den minderjährigen und privilegieren volljährige Kindern zu klären ist, daraus folgt hingegen kein genereller Nachrang neuer Ehegatten gegenüber den Kindern.6
XIV. Verfahrenskostenvorschuss Dem geschiedenen Ehegatten steht ein Anspruch auf Verfahrenskostenvor- 540 schuss gegen den Unterhaltspflichtigen nicht zu. Das Gesetz sieht einen solchen Anspruch nicht vor. § 1360a Abs. 4 BGB, der die Vorschusspflicht für Ehegatten bei bestehender Ehe regelt, findet keine entsprechende Anwendung, da aus der Systematik des Gesetzes geschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber bewusst von einer Vorschusspflicht zwischen geschiedenen Ehegatten abgesehen hat.7 Denn für nicht getrennt lebende Ehegatten wurde für den Vorschuss eine spezielle Anspruchsnorm neben dem Anspruch auf Familienunterhalt in § 1360a Abs. 1 BGB geschaffen, der auch im Verhältnis getrennt lebender Ehegatten Geltung haben soll (§ 1361 Abs. 4 i.V.m. § 1360a Abs. 4 BGB). Für geschiedene Ehegatten fehlt ein Verweis auf § 1360a Abs. 4 BGB. Dass dem geschiedenen Ehegatten auch tatsächlich kein Anspruch zustehen soll, ergibt sich auch aus der Ausgestaltung des Nacheheunterhaltsrechts, wonach jeder grundsätzlich allein für seinen Unterhalt nach der Scheidung zu sorgen hat und eine nacheheliche Unterhaltspflicht nur in den gesetzlich enumerativ geregelten Bedürfnislagen eingreift. 1 2 3 4 5
BGH, FamRZ 1983, 886 (887); 1985, 362. BGH, FamRZ 1985, 362; 1986, 790 (792) jeweils m.w.N. BGH, FamRZ 1983, 678 (680). BVerfG, FamRZ 1989, 941. BGH, FamRZ 1988, 705 (707); BGH, NJW 2005, 2145 (2146) = FamRZ 2005, 1154 (1155). 6 BGH, NJW 2005, 2145 (2146) = FamRZ 2005, 1154 (1155). 7 BGH, FamRZ 1984, 148 ff.
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G. Unterhaltsansprüche zwischen Lebenspartnern einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft Am 1.8.2001 ist das Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleich- 1 geschlechtlicher Gemeinschaften1 in Kraft getreten. Der wichtigste Bestandteil dieses Gesetzes ist das Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz), in welchem das Rechtsinstitut der Eingetragenen Lebenspartnerschaft definiert, die Voraussetzungen für seine Begründung und Beendigung aufgestellt und seine wesentlichen familienrechtlichen Rechtsfolgen normiert werden. Die Wirkungen der zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern geschlossenen Le- 2 benspartnerschaft sind denen einer Ehe nachempfunden. Das gilt auch für die in diesem Gesetz normierten Unterhaltsansprüche zwischen den Lebenspartnern. Der Systematik im Eherecht folgend, hat der Gesetzgeber einen Unterhaltstatbestand für die Zeit der bestehenden Lebenspartnerschaft bei bestehender Lebensgemeinschaft (§ 5 LPartG), bei Getrenntleben (§ 12 LPartG) und für die Zeit nach dem Ende der Lebenspartnerschaft (§ 16 LPartG) geschaffen. Das Lebenspartnerschaftsgesetz hat in seiner ursprünglichen Fassung der – nicht 3 unberechtigten – Erwartung Rechnung getragen, dass in einer Lebenspartnerschaft i.d.R. beide Partner erwerbstätig sind.2 Mit den am 1.1.2005 in Kraft getretenen Änderungen des LPartG durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts3 hat der Gesetzgeber die Rechtsbeziehungen der Lebenspartner den für Eheleute geltenden Vorschriften weiter angenähert.4 Die ausdrückliche Betonung des Grundsatzes der Eigenverantwortung geschiedener Ehepartner im Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 21.12.2007 (BGBl. I 2007, 3189) hat es ermöglicht, die Unterhaltsansprüche von Lebenspartnern nunmehr denjenigen von Ehegatten gleichzustellen. Mit den Änderungen von §§ 5, 12 und 16 LPartG ist auch die unterhaltsrechtliche Rangfolge nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz an die für den Ehegattenunterhalt geltende Rangfolge nach dem neuen Unterhaltsrecht angeglichen worden. In der Praxis sind gerichtliche Verfahren zwischen Lebenspartnern um Unter- 4 halt selten. Soweit ersichtlich sind seit Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes nur zwei obergerichtliche Entscheidungen – beide zu Unterhaltsansprüchen zwischen getrennt lebenden Lebenspartnern gemäß § 12 LPartG in der bis zum 31.12.2004 gültigen Gesetzesfassung – veröffentlicht worden.5 Aus diesem Grund und wegen der rechtlichen Angleichung der Unterhaltsansprüche von Lebenspartnern an die Unterhaltsansprüche zwischen Ehepartnern werden die einzelnen Unterhaltsbestimmungen im Lebenspartnerschaftsgesetz nicht im Einzelnen kommentiert.
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BGBl. I 2001, S. 266. BT-Drucks. 14/3751, S. 42; vgl. auch Roller, FamRZ 2003, 1424. BGBl. I 2004, S. 3396. Vgl. Grziwotz, FPR 2010, 191, der von einer Überreglementierung ohne praktische Relevanz spricht. 5 OLG Düsseldorf, FamRZ 2006, 335; OLG Bremen, FamRZ 2003, 1280.
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G. Unterhaltsansprüche zwischen Lebenspartnern
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Nach § 5 LPartG sind die Lebenspartner bei bestehender Lebensgemeinschaft einander zum angemessenen Unterhalt verpflichtet, wobei § 1360 Satz 2 BGB (unterhaltsrechtliche Bewertung der Haushaltsführung) und die §§ 1360a BGB (Umfang der Unterhaltspflicht) und 1360b BGB (i.d.R. kein Ersatz zu viel geleisteten Unterhalts) entsprechend gelten.
6
Der Unterhaltsanspruch für die Zeit des Getrenntlebens ist § 1361 BGB nachgebildet, der den Unterhaltsanspruch zwischen getrennt lebenden Eheleuten regelt. Nach § 12 Satz 1 LPartG kann ein Lebenspartner von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Lebenspartner angemessenen Unterhalt verlangen. Nach § 12 Satz 2 LPartG gilt § 1361 BGB entsprechend. Der getrennt lebende und unterhaltsbedürftige Partner kann daher im Regelfall Trennungsunterhalt beanspruchen und nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 1361 Abs. 3 BGB darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen.
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Der nachpartnerschaftliche Unterhaltsanspruch nach § 16 LPartG formuliert – ebenso wie § 1569 BGB für den Geschiedenenunterhalt – zunächst den Grundsatz der Eigenverantwortung als Generalklausel. Nach der Aufhebung der Lebenspartnerschaft obliegt es jedem Lebenspartner, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen (§ 16 Satz 1 LPartG). Ist er hierzu außerstande, hat er gegen den anderen Lebenspartner einen Anspruch auf Unterhalt nur entsprechend den §§ 1570 bis 1585b BGB.
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Der in § 16 Abs. 2 LPartG a.F. bislang geregelte Nachrang partnerschaftlicher Unterhaltsansprüche gegenüber den Unterhaltsansprüchen von Ehegatten ist beseitigt. Für Lebenspartner gilt jetzt das eheliche Unterhaltsrecht auch bezüglich der Rangfolge von Unterhaltsansprüchen. Auf § 1609 BGB wird für den Lebenspartnerschaftsunterhalt (§ 5 LPartG) und für den Unterhalt bei Getrenntleben (§ 12 LPartG) verwiesen. Für den nachpartnerschaftlichen Unterhalt gelten die Rangbestimmungen in §§ 1582, 1609 BGB entsprechend. Unterhaltsansprüche von Lebenspartnern fallen danach entsprechend den individuellen Lebensverhältnissen entweder unter § 1609 Nr. 2 BGB oder Nr. 3 BGB.1
1 BT-Drucks. 16/1830, S. 32.
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H. Spezialprobleme: Rückgriff beim Bezug von Sozialleistungen, Rückforderung überzahlten Unterhalts und der familienrechtliche Ausgleichsanspruch Inhaltsübersicht Rz. I. Unterhaltsvorschuss – Rückgriff des Leistungsträgers auf den Unterhaltspflichtigen . . . . . . . . . . . . . 1. Anspruch auf Unterhaltsvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anspruchsvoraussetzungen . . . b) Höhe und Umfang des Vorschusses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausschlussgründe für die Unterhaltsvorschussleistung . . . . . 2. Anspruchsübergang und Rückgriff des Leistungsträgers (§ 7 UVG) . . . a) Gesetzlicher Anspruchsübergang bei Vorschussgewährung . b) Geltendmachung und Durchsetzung des übergegangenen Unterhaltsanspruchs . . . . . . . . . II. ALG II/Sozialgeld/Sozialhilfe – Rückgriff des Leistungsträgers auf den Unterhaltspflichtigen . . . . . . . 1. Der Rückgriff nach Gewährung von ALG II und Sozialgeld (§ 33 SGB II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen des Rückgriffs des Leistungsträgers nach § 33 SGB II. . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahrensrechtliche Besonderheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 7 11 14 14 21
29 29 30 46
Rz. 2. Rückgriff nach Gewährung von Sozialhilfe (§ 94 SGB XII) . . . . . . . . a) Leistungsangebot nach dem SGB XII, Forderungsübergang und Ausschluss des Übergangs . b) Sozialhilferechtliche Vergleichsberechnung und Prüfung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit des Verpflichteten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausschluss wegen unbilliger Härte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verwirkung von Unterhaltsansprüchen nach bürgerlichem Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rückforderung zu viel gezahlten Unterhalts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Freiwillige Unterhaltszahlungen . . 2. Überzahlungen während eines laufenden Unterhaltsverfahrens . . 3. Überzahlung bei unrichtig gewordenen Unterhaltstiteln . . . . . . . . . . 4. Sicherung der Rückerstattung von Unterhalt bei nachträglicher Rentenbewilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Aufrechnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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66 71 74 76 76 77 84 91 94
IV. Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
I. Unterhaltsvorschuss – Rückgriff des Leistungsträgers auf den Unterhaltspflichtigen 1. Anspruch auf Unterhaltsvorschuss Unterhaltsvorschuss ist eine öffentliche Sozialleistung für minderjährige Kin- 1 der, die mit einem alleinerziehenden Elternteil in einem Haushalt zusammenleben, das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben und keinen regelmäßigen Unterhalt von dem anderen Elternteil erhalten (§ 1 Abs. 1 Nr. 1–3 UVG). Der Anspruch steht dem Kind selbst zu. Der Antrag auf Vorschuss ist schriftlich vom alleinerziehenden Elternteil bei der für den Wohnsitz des alleinerziehenden Elternteils zuständigen örtlichen Behörde, i.d.R. die Unterhaltsvorschusskasse beim Jugendamt, zu stellen (§ 9 Abs. 1 UVG).
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H. Spezialprobleme
a) Anspruchsvoraussetzungen 2
Der Anspruch besteht nur, wenn das Kind mit dem alleinerziehenden Elternteil in einer auf Dauer angelegten häuslichen Gemeinschaft zusammenlebt. Alleinerziehend ist ein Elternteil, der ledig, verwitwet oder geschieden ist oder von seinem Ehegatten – und seit 1.1.2008 auch von seinem Lebenspartner – dauernd getrennt lebt (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG).1 Ein Elternteil gilt als dauernd getrennt lebend, wenn im Verhältnis zum Ehegatten oder Lebenspartner ein Getrenntleben i.S. des § 1567 BGB vorliegt oder wenn sein Ehegatte oder Lebenspartner wegen Krankheit oder Behinderung oder aufgrund gerichtlicher Anordnung für voraussichtlich wenigstens sechs Monate in einer Anstalt untergebracht ist. (§ 1 Abs. 2 UVG). Das Kind hat keinen Anspruch auf Vorschuss mehr, wenn es mit dem betreuenden Elternteil und dessen neuem Ehegatten, der nicht sein anderer Elternteil sein muss, zusammenlebt. In dem Fall ist die wirtschaftliche Situation des betreuenden Elternteils rechtlich abgesichert, was auch dem Kind mittelbar zugutekommt, so dass eine Vorschussgewährung nach Sinn und Zweck des UVG, die prekäre Situation alleinerziehender Elternteile zu verbessern, nicht geboten ist. Gleiches gilt, wenn der betreuende Elternteil mit einem Lebenspartner in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zusammenlebt.2 Nur das Zusammenleben des Elternteils in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft stellt kein Anspruchshindernis dar.
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Nicht erforderlich ist, dass der betreuende Elternteil auch die alleinige elterliche Sorge für das Kind haben muss, es kommt lediglich auf die tatsächliche Fürsorge und Betreuung an. Leben die Eltern wieder zusammen, entfällt der Anspruch, denn Ziel des UVG ist es, die prekäre Lage alleinerziehender Eltern zu mildern.3 Probleme können sich bei der Klärung der Anspruchsberechtigung ergeben, wenn sich die getrenntlebenden Eltern die Betreuung des Kindes teilen. Entspricht die Betreuung einem Wechselmodell mit hälftiger Betreuung, die letztlich zu einer Entlastung des den Unterhaltsvorschuss beantragenden Elternteils bei der Pflege und Erziehung führt, wird der Vorschuss nicht gewährt.4 Denn dann lebt das Kind nicht mehr – wie in § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG vorgegeben – nur bei einem Elternteil. In dem Fall wäre nach Auffassung des BVerwG der Gesetzeszweck, nämlich die gezielte Unterstützung des alleinstehenden leiblichen Elternteils, der wegen des Ausfalls des anderen Elternteils die doppelte Belastung mit Erziehung und Unterhaltsgewährung in seiner Person zu tragen hat, verfehlt.5 Lässt sich hingegen noch ein Schwerpunkt in der Betreuung und Fürsorge bei dem antragstellenden Elternteil feststellen, bleibt es bei der Leistungsgewährung.
4
Weitere Voraussetzung für den Vorschuss ist, dass der barunterhaltspflichtige Elternteil keinen oder nur unregelmäßig Unterhalt zahlt. Regelmäßig sind Zahlungen nur, die jeweils monatlich im Voraus erfolgen (§ 1612 Abs. 3 Satz 1 BGB). Geringfügige Verzögerungen begründen noch keinen Anspruch. Zahlt der Unterhaltspflichtige Unterhalt für ein Geschwisterkind des antragstellenden Kindes, darf die Vorschusskasse den Betrag nicht bedarfsmindernd als Einkommen bei-
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1. Gesetz zur Änderung des UVG v. 21.12.2007, BGBl. I 2007, S. 3194. BVerwG, FamRZ 2005, 1742 Rz. 20 ff. m. Anm. Muscheler, FamRZ 2006, 121 f. Grube, § 1 UVG Rz. 92. BVerwG, FamRZ 2013, 453 ff.; s. dazu den Kurzkommentar von Giers in FamRB 2013, 119. 5 BVerwG, FamRZ 2013, 453 Rz. 20 f.
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I. Unterhaltsvorschuss – Rückgriff des Leistungsträgers auf den Unterhaltspflichtigen
der Kinder anteilig auf die Geschwister verteilen, denn insoweit handelt es sich ausschließlich um Einkünfte des Geschwisterkindes, die es nicht teilen muss.1
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Praxishinweis: Entscheidungen der Vorschusskasse über Zeitraum und Höhe 5 der Bewilligung können nach erfolglosem Widerspruchsverfahren vor dem Verwaltungsgericht angefochten werden. Praktizieren Eltern eine wechselnde Betreuung des Kindes, sollte auch eine Einigung darüber erzielt werden, bei wem der Schwerpunkt liegen soll, anderenfalls besteht kein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss. Der überwiegend das Kind betreuende Elternteil sollte außerdem berechtigt werden, das Kindergeld zu beziehen. Denn eine entsprechende Einigung über die Bezugsberechtigung für das Kindergeld kann bei wechselnder Betreuung hilfreich sein, der Vorschusskasse gegenüber glaubhaft zu machen, dass der bezugsberechtigte Elternteil auch überwiegend das Kind betreut.2 Können sich die Eltern über die Bezugsberechtigung für das Kindergeld nicht einigen, entscheidet darüber das FamG auf Antrag (§ 3 Abs. 2 BKGG, § 64 Abs. 2 EStG).3
Das Kind muss mit dem betreuenden Elternteil im Inland leben (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 6 UVG). Nicht erforderlich ist die deutsche Staatsangehörigkeit, jedoch ein rechtlich gesicherter Aufenthalt (§ 1 Abs. 2a Nr. 1 UVG). So haben freizügigkeitsberechtigte ausländische oder staatenlose Kinder keinen Anspruch, es sei denn, sie haben in Deutschland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt auf der Grundlage einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis, bzw. der alleinerziehende Elternteil hat eine Aufenthaltserlaubnis. Freizügigkeitsberechtigte Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union (§ 2 Abs. 2 FreizügG/EU) oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben einen Anspruch, sofern sie die übrigen Voraussetzungen des § 1 UVG erfüllen (§ 1 Abs. 2a UVG). Sind die Voraussetzungen für die Gewährung von Unterhaltsvorschuss gegeben, ist dieser gegenüber dem Sozialgeld, das für Kinder in der Bedarfsgemeinschaft nach §§ 19 Abs. 1, 23 SGB II gewährt wird, vorrangig. D.h., das Kind kann – auch wenn der betreuende Elternteil Hartz IV-Leistungen beantragt hat – seinen Anspruch auf Vorschuss in einem selbständigen Verfahren geltend machen. Dies kann auch durch den Träger der Grundsicherung geschehen (§ 5 Abs. 3 SGB II). Wird Unterhaltsvorschuss in Anspruch genommen, wird der Vorschuss bei der Berechnung des Bedarfs der Bedarfsgemeinschaft im SGB II-Verfahren für die Dauer des Bezugs als Einkommen des Kindes berücksichtigt (§ 11 SGB II).4 Für erbrachtes Sozialgeld kann nach § 104 SGB XII ein Erstattungsanspruch gegenüber dem Träger der Vorschusskasse geltend gemacht werden. Beantragt der das Kind vertretende Elternteil für sein Kind Sozialgeld, obwohl Anspruch auf Vorschuss besteht, und erbringt der Träger der Grundsicherung (Jobcenter) die Leistungen, gehen Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den barunterhaltspflichtigen Elternteil kraft Gesetz gem. § 33 SGB II auf ihn über. Dies gilt ungeachtet der Vorrangigkeit des Unterhaltsvorschusses. Der Träger der Grundsicherung kann dann wählen, von wem er sich die Leistungen zurückholt, ob er gegen den Elternteil aufgrund des übergegangenen Unterhaltsanspruchs vorgeht oder auf1 2 3 4
VGH München, NJW 2013, 407 ff. So das BVerwG, FamRZ 2013, 453 Rz. 20 f. Ausführlich zur Bestimmung des Kindergeldberechtigten Finke, FPR 2012, 155 ff. BSG v. 16.2.2012 – B 4 AS 89/11 R, juris; BVerwG, DAVorm 1995, 254; Grube, UVG, Einl. Rz. 23.
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H. Spezialprobleme
grund der Vorrangigkeit des Vorschusses einen Erstattungsanspruch gegen das Land als Träger der Unterhaltsvorschusskasse geltend macht (§ 104 SGB XII). b) Höhe und Umfang des Vorschusses 7
Der Unterhaltsvorschuss wird seit 1.1.2008 in Höhe des Mindestunterhalts i.S. von § 1612a Abs. 1 BGB bundeseinheitlich für Kinder für die Dauer von insgesamt 6 Jahren (72 Monate) gewährt, allerdings nur bis sie noch nicht das zwölfte Lebensjahr vollendet haben (§§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UVG). Ist der Antrag also z.B. am 15.6.2013 zeitgleich mit dem 11. Geburtstag des Kindes gestellt worden, erhält es nur noch bis zum 14.6.2014 des folgenden Jahres für 12 Monate Unterhaltsvorschuss. Der Vorschuss wird i.d.R. ab dem Monat der Antragstellung gezahlt. Eine rückwirkende Bewilligung ist beschränkt auf den letzten Monat vor dem Monat, in dem der Antrag eingegangen ist (§ 4 UVG), und setzt den Nachweis voraus, dass der Unterhaltsschuldner vergeblich zur Zahlung von Unterhalt aufgefordert wurde (zu den Voraussetzungen der Inverzugsetzung s. Kap. A Rz. 368 ff.). Der Unterhaltsvorschuss in Höhe des Mindestunterhalts mindert sich um das volle, für ein erstes Kind zu zahlende Kindergeld, wenn der Elternteil, bei dem das Kind lebt, Anspruch auf Auszahlung des vollen Kindergeldes nach dem EStG und BKGG hat.1 Das ist regelmäßig der Fall, wenn das Kind im Haushalt des betreuenden Elternteils lebt (§§ 3 Abs. 2 BKGG, § 64 Abs. 2 EStG).
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Wird ein Teil des Unterhalts gezahlt und liegt der Betrag unter der Höhe des gesetzlichen Mindestunterhalts abzüglich des Kindergelds besteht ein Anspruch auf Aufstockung durch Unterhaltsvorschuss.2 Ab Vollendung des 12. Lebensjahres besteht für das Kind kein Anspruch mehr auf Unterhaltsvorschuss.3 Sozialgeld kann für Kinder bis zur Vollendung ihres 15. Lebensjahres in Betracht kommen, wenn es mit einem Elternteil zusammenlebt, der Anspruch auf ALG II hat (§ 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II, s. Kap. A Rz. 119).
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Die Höhe des Unterhaltsvorschusses seit 1.1.2008 ergibt sich aus der nachfolgenden Aufstellung: Bedarf: Mindestunterhalt ab 2008 1) Altersstufe 0–5 Jahre: 279 Euro 2) Altersstufe 6–11 Jahre: 322 Euro ab 2009 1) Altersstufe 0–5 Jahre: 281 Euro 2) Altersstufe 6–11 Jahre: 322 Euro ab 2010 fortdauernd (Stand 1.1.2014) 1) Altersstufe 0–5 Jahre: 317 Euro 2) Altersstufe 6–11 Jahre: 364 Euro
Kindergeld
Vorschuss
154 Euro
279 – 154 = 125 Euro 322 – 154 = 168 Euro
164 Euro
Kindergeld 164 Euro 281 – 164 = 117 Euro 322 – 164 = 158 Euro
184 Euro
317 – 184 = 133 Euro 364 – 184 = 180 Euro
1 Zur Verfassungsgemäßheit der Anrechnung des vollen Kindergelds bei Gewährung von Sozialgeld nach dem SGB II BVerfG, FamRZ 2010, 800; zur Anrechnung auf den Unterhaltsvorschuss u.a. OVG NRW v. 21.10.2010 – 12 A 1269/10, juris; Bayerischer VGH, FamRZ 2006, 975 (976). 2 Helmbrecht, UVG, § 1 UVG Rz. 16; Grube, § 1 UVG Rz. 58. 3 Zum Reformbedarf des UVG, insbesondere Anhebung der Altersgrenze für den Bezug, s. u.a. Nake, FPR 2012, 159 ff.; Deutscher Verein für öff. und priv. Fürsorge e.V., ZKJ 2012, 64 ff.
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I. Unterhaltsvorschuss – Rückgriff des Leistungsträgers auf den Unterhaltspflichtigen
Für die Zeit bis zum 31.12.2007 bestand der Anspruch in Höhe des jeweils maß- 10 geblichen Regelbetrags nach der RegelbetragVO abzüglich des hälftigen Kindergelds, wobei für die alten und neuen Bundesländer unterschiedlich hohe Regelbeträge galten. Nach dem Stand 1.7.2007 ergab sich für Kinder, die in den alten Bundesländern lebten, in der 1. Altersstufe ein Anspruch i.H.v. 125 Euro (202 Euro – 77 Euro), in der 2. Altersstufe i.H.v. 168 Euro (245 Euro – 77 Euro) und in den neuen Bundesländern i.H.v. 109 Euro (186 Euro – 77 Euro) und 149 Euro (226 Euro – 77 Euro). c) Ausschlussgründe für die Unterhaltsvorschussleistung Ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss besteht für das Kind nicht für Monate, 11 für die der andere Elternteil seine Unterhaltspflicht durch Vorausleistung erfüllt hat (§ 1 Abs. 4 UVG). Dabei können Vorausleistungen durch den Unterhaltspflichtigen mit befreiender Wirkung nur für die Dauer von drei Monaten erbracht werden, § 1614 Abs. 2 BGB i.V.m. § 760 Abs. 1 BGB. Für diesen Zeitraum hat das Kind keinen Anspruch. Längere Vorausleistungen muss das Kind nicht gegen sich gelten lassen, das heißt, wenn der Unterhaltspflichtige die Zahlung wegen einer Vorausleistung für mehr als drei Monate verweigert, besteht ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss mit der Folge des gesetzlichen Übergangs des Unterhaltsanspruchs auf den Leistungsträger ab dem 4. Monat, für den die Vorausleistung erfolgt ist. Soweit der Bedarf eines Kindes durch Leistungen nach dem SGB VIII (Kinder- 12 und Jugendhilfegesetz) gedeckt ist, z.B. aufgrund stationärer Leistungen der Hilfe zur Erziehung oder Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder, besteht für den Leistungsträger seit 1.1.2008 kein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss (§ 1 Abs. 4 Satz 2 UVG). Dieser kann aufgrund des gesetzlich geregelten Wegfalls des Anspruchsübergangs keine Erstattung mehr von den Eltern verlangen. Dies gilt auch im Falle der gemeinsamen Unterbringung von Mutter und Kind oder des Kindes in einer Pflegestelle. Eine Beteiligung der Eltern an den Kosten richtet sich nur nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen, s. Kap. A Rz. 274. Ein Anspruch besteht ferner nicht, wenn der antragstellende Elternteil sich wei- 13 gert, zur Durchführung des Gesetzes notwendige Auskünfte zu erteilen oder bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des anderen Elternteils mitzuwirken (§ 1 Abs. 3 UVG). Werden die Auskünfte erteilt, müssen sie wahrheitsgemäß gemacht werden. Sowohl falsche Auskünfte als auch eine mangelnde Mitwirkung, insbesondere bei der Klärung der Vaterschaft des Kindes, führen zur Versagung des Vorschusses bzw. zur rückwirkenden Aufhebung des auf falschen Angaben beruhenden Bewilligungsbescheids und zur Rückforderung des gezahlten Betrages. Häufigen Anlass zu Rechtsstreitigkeiten bieten insbesondere falsche Angaben zum Zusammenleben mit dem anderen Elternteil1 oder falsche Angaben bzw. fehlende Angaben zur Vaterschaft des Kindes.2
1 BVerwG, FamRZ 2013, 453; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, JAmt 2013, 224. 2 VG Aachen, FamRZ 2010, 2110.
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H. Spezialprobleme
2. Anspruchsübergang und Rückgriff des Leistungsträgers (§ 7 UVG) a) Gesetzlicher Anspruchsübergang bei Vorschussgewährung 14 Für die Zeit, für die der Vorschuss gewährt wird, geht ein bestehender Unter-
haltsanspruch des Kindes gegen den barunterhaltspflichtigen Elternteil in Höhe der gewährten Vorschussleistung kraft Gesetzes gem. § 7 Abs. 1 UVG zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber den Eltern auf das Land über. Der Forderungsübergang ist möglich, weil es sich bei dem gewährten Unterhaltsvorschuss um eine subsidiäre Leistung des Staates handelt, die nicht den Bedarf des Kindes deckt und dessen bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruch gegen den Unterhaltspflichtigen unberührt lässt. Der Anspruchsübergang erfolgt nach dem Gesetzeswortlaut auch nur gegenüber dem barunterhaltspflichtigen Elternteil, bei dem es nicht lebt, nicht hingegen gegenüber nachrangig haftenden Unterhaltsschuldner, wie zum Beispiel den Großeltern.1 15 Der Anspruchsübergang erfolgt ab dem Zeitpunkt, zu dem die öffentlich-recht-
liche Leistung tatsächlich bewirkt wird und unabhängig davon, ob bereits ein Titel über die Leistung besteht oder nicht.2 Durch landesrechtliche Regelung ist festgelegt, welche Behörde mit der Durchführung des Gesetzes und der Durchsetzung der Rückgriffsansprüche im Namen des Landes beauftragt ist.3 Dies sind die Unterhaltsvorschusskassen, die meist den Jugendämtern zugeordnet sind. Von den eingezogenen Beträgen führt das Land einen Teil an den Bund ab, der auch in Höhe eines Drittels für den Unterhaltsvorschuss aufkommt (§ 8 UVG). 16 Neben dem Auskunftsanspruch gegen die Eltern des Kindes (nähere Einzelhei-
ten zum Anspruch auf Auskunft nach § 1605 BGB s. Kap. I Rz. 1 ff.), hat das Land als Leistungsträger noch einen weitergehenden eigenen, öffentlich-rechtlichen Auskunftsanspruch nach § 6 UVG, der sich gegen den Unterhaltsschuldner, dessen Arbeitgeber, andere Sozialträger nach § 69 SGB X und seit 1.7.2013 auch gegen Finanzämter richtet. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit eines Kontoabrufs bei Kreditinstituten für die in § 93b Abs. 1 AO genannten Daten des Unterhaltspflichtigen, soweit dies zur Durchführung der Rückforderung erforderlich ist (§ 6 Abs. 6 UVG). Auch der das Kind betreuende Elternteil ist zur Auskunft verpflichtet, jedwede für die Leistung erheblichen Änderungen, wie z.B. Zahlung von Unterhalt durch den anderen Elternteil oder die Wiederaufnahme des Zusammenlebens mit ihm, mitzuteilen (§ 6 Abs. 4 UVG). Verstöße gegen die wahrheitsgemäße Auskunftspflicht führen i.d.R. zur Rückforderung der Leistung (§ 5 UVG). 17 Die für den Leistungsträger tätige Unterhaltsvorschusskasse kann Unterhalt für
die Vergangenheit gegenüber dem barunterhaltspflichtigen Elternteil immer nur ab dem Zeitpunkt geltend machen, ab dem bei diesem die Voraussetzungen des § 1613 BGB vorgelegen haben (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 UVG; zu den Voraussetzungen
1 Grube, § 7 UVG Rz. 2; DIJuF-Gutachten, JAmt 2007, 85; nimmt das Kind die Großeltern auf Unterhalt in Anspruch, muss es sich die Vorschussleistungen bedarfsdeckend anrechnen lassen. OLG Dresden, FamRZ 2006, 569. 2 Das Titelerfordernis nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UVG a.F. ist mit Wirkung ab 1.7.1990 entfallen. 3 S. dazu die Aufstellung bei Grube, § 8 UVG Rz. 5, zu den landesrechtlichen Zuständigkeitsregelungen.
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I. Unterhaltsvorschuss – Rückgriff des Leistungsträgers auf den Unterhaltspflichtigen
von § 1613 s. Kap. A Rz. 368 ff.) oder er durch Rechtswahrungsanzeige über den Forderungsübergang und eine mögliche Inanspruchnahme durch das Jugendamt informiert worden ist (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UVG). Ab dem Zugang der Rechtswahrungsanzeige weiß der Schuldner, dass er sich wirtschaftlich auf die Inanspruchnahme einstellen muss und nicht mehr mit befreiender Wirkung an das Kind leisten kann.1 Zur Sicherung dieser Warnfunktion und des Beweises der Kenntnisnahme wird dem Unterhaltsschuldner die Rechtswahrungsanzeige zugestellt. Erfolgt dies zügig, kann die Behörde auf diesem Wege vermeiden, dass der Unterhaltspflichtige in Unkenntnis des Forderungsübergangs noch mit befreiender Wirkung Unterhalt für das Kind an den betreuenden Elternteil zahlt, den sie dann in Höhe des geleisteten Vorschusses von dem betreuenden Elternteil nach § 5 UVG zurückfordern müsste. Der übergegangene Anspruch muss von der Vorschusskasse zeitnah – unter Be- 18 achtung des Haushaltsrechts – gegenüber dem Schuldner geltend gemacht werden (§ 7 Abs. 3 UVG).2 Damit wird nicht zuletzt aber auch eine Verwirkung des Anspruchs nach § 242 BGB vermieden (Kap. A Rz. 378 ff.). Ein Rückgriff sollte in der Regel innerhalb eines Jahres ab Zugang der Rechtswahrungsanzeige geltend gemacht werden. Ansonsten ist der Schuldnerschutz nicht gewahrt.3 Allerdings muss für eine Verwirkung des Anspruchs auch das Umstandselement in der Person des Schuldners erfüllt sein, d.h. es müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer der Unterhaltsverpflichtete sich nach Treu und Glauben darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass der Unterhaltsberechtigte sein Recht nicht mehr geltend machen werde.4 Besonderheiten gelten für die Verjährung des übergeleiteten Anspruchs auf Kin- 19 desunterhalt: Abweichend von dem Grundsatz, dass die Verjährung von Kindesunterhaltsansprüchen bis zum 21. Lebensjahr des Kindes gehemmt ist (§ 207 Abs. 1 Nr. 2 lit. a BGB), verjähren übergegangene Ansprüche ohne Hemmung der Verjährungsfrist innerhalb von 3 Jahren (§§ 195, 197 Abs. 2 BGB), da der der Hemmungsregelung zugrundliegende Schutzgedanke der Wahrung des Familienfriedens nicht zugunsten des Legalzessionars greift (Kap. A Rz. 389).5 Der gesetzliche Forderungsübergang ist nicht von der Entscheidung der Vor- 20 schusskasse abhängig, ob der Verpflichtete durch die Inanspruchnahme auf Unterhalt selbst sozialhilfebedürftig werden würde. Denn anders als bei der Gewährung von Sozialhilfe und Sozialgeld fehlen Schuldnerschutzvorschriften wie § 94 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII und § 33 Abs. 2 S. 3 SGB II, nach denen ein gesetzlicher Forderungsübergang nicht stattfindet, wenn der Unterhaltspflichtige durch die Gewährung von Unterhalt selbst sozialhilfebedürftig würde. Folge dieser an-
1 OLG Hamburg, FamRZ 2011, 1010 Tz. 23. 2 § 7 Abs. 3 UVG verweist auf das Haushaltsrecht, in dem die Maßstäbe für Durchsetzung, Stundung, Erlass oder Niederschlagung von Unterhaltsansprüchen geregelt sind, vgl. z.B. § 31 HGrG; Helmbrecht, UVG, 5. Aufl., § 7 Rz. 1 ff. 3 BGH, FamRZ 2002, 1698 Tz. 10 ff. zur Verwirkung von übergeleitetem Elternunterhalt; zum Trennungsunterhalt BGH, FamRZ 1988, 370 (372); zum Kindesunterhalt OLG Brandenburg, FamRZ 2012, 993 Tz. 12 ff.; zum Unterhaltsvorschuss OLG Brandenburg, NJW-RR 2002, 362 ff. 4 BGH, FamRZ 2002, 1698 f. 5 BGH, FamRZ 2006, 1665 unter Bezugnahme auf OLG Düsseldorf, FamRZ 1981, 308; OLG Brandenburg NJW-RR 2002, 362 (363).
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deren gesetzlichen Regelung im UVG ist nicht nur, dass der öffentliche Träger keine öffentlich-rechtliche Vergleichsberechnung zur Leistungsfähigkeit des Verpflichteten erstellen muss, sondern er kann bei seiner Entscheidung über einen Rückgriff auch fiktives Einkommen des Verpflichteten bei einem vorwerfbaren Verstoß gegen dessen Erwerbsobliegenheit berücksichtigen.1 b) Geltendmachung und Durchsetzung des übergegangenen Unterhaltsanspruchs 21 Besteht noch kein Titel über den geschuldeten Kindesunterhalt und wurde der
barunterhaltspflichtige Elternteil bisher nicht in Verzug gesetzt oder aufgefordert, Auskunft über sein Einkommen und Vermögen zur Berechnung des geschuldeten Unterhalts (§ 1613 Abs. 1 BGB) zu erteilen, wird die Vorschusskasse i.d.R. die Rechtswahrungsanzeige entweder mit einer bezifferten Zahlungsaufforderung oder mit einem Auskunftsersuchen über Einkommen und Vermögen verbinden und den Schuldner auf die Möglichkeit der Errichtung einer Jugendamtsurkunde hinweisen. Die Verbindung mit einem Mahnschreiben bzw. einem Auskunftsersuchen ist im Hinblick auf ein späteres Unterhaltsstreitverfahren zur Sicherung der Rechte geboten (vgl. hierzu Kap. J Rz. 6 ff.). 22 Im Unterhaltsstreitverfahren kann im Wege des Stufenantrags oder mit dem ein-
fachen Leistungsantrag auf Zahlung vorgegangen werden. Der einfache Leistungsantrag ohne vorangestelltes Auskunftsverfahren empfiehlt sich wegen des Kostenrisikos aber nur, wenn der Verpflichtete entweder bereits Auskunft erteilt hat und die Rechtsverfolgung aussichtsreich ist oder er zuvor vergebens um Auskunft über seine Einkünfte und sein Vermögen ersucht worden ist. Denn nur wenn der Verpflichtete dem Auskunftsverlangen nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, kann ihm das Gericht – auch wenn die Rechtsverfolgung im Ergebnis wegen fehlender Leistungsfähigkeit des Schuldners keinen Erfolg hat – nach billigem Ermessen die Kosten des Verfahrens auferlegen (§ 243 Nr. 2 FamFG, zu den Kosten und zum Kostenrisiko im Unterhaltsstreitverfahren s. Kap. K Rz. 65 ff. und den Praxishinweis unter Kap. A Rz. 20). 23 Die Unterhaltsvorschusskasse kann das Verfahren im Namen des Landes gegen
den Schuldner selbst führen, dies gilt sowohl für das ordentliche Streitverfahren als auch für das vereinfachte Verfahren. Dabei kann der Unterhalt als dynamischer Unterhalt tituliert werden. Die Unterhaltsvorschusskasse genießt vor dem FamG Gerichtskostenfreiheit (§ 2 Abs. 1 FamGKG). Von dem seit 1.9.2009 für alle Instanzen geltenden Anwaltszwang ist die Unterhaltsvorschusskasse als Behörde in der ersten und zweiten Instanz befreit (§ 114 Abs. 3 FamFG, s. auch Kap. K Rz. 63). 24 Die Unterhaltsvorschusskasse kann die gesetzlich übergegangenen Ansprüche
aber auch auf das Kind treuhänderisch zurückübertragen (§ 7 Abs. 4 Satz 3 UVG). Die treuhänderische Rückübertragung auf das Kind ist immer dann sinnvoll, wenn zugunsten des Kindes höherer Unterhalt in Betracht kommt, als es von der Kasse als Vorschuss erhalten hat. Führt das Kind das Verfahren, muss es beim Bezug von Unterhaltsvorschuss seine Aktivlegitimation für den kraft Ge-
1 BGH, FamRZ 2001, 619.
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I. Unterhaltsvorschuss – Rückgriff des Leistungsträgers auf den Unterhaltspflichtigen
setzes übergegangenen Anspruch darlegen. Dies geschieht i.d.R. durch Vorlage einer Erklärung über die treuhänderische Rückübertragung der Ansprüche durch das Land. Hinsichtlich eines darüber hinausgehenden Anspruchs ist es – ungeachtet der Gewährung des Unterhaltsvorschusses – uneingeschränkt aktivlegitimiert. Die Verfahrenskosten, die dem Kind dadurch entstehen, dass es den rückabgetretenen Anspruch im Unterhaltsverfahren verfolgt hat, trägt das Land, soweit sie auf der Geltendmachung in Höhe des gewährten Vorschusses beruhen (§ 7 Abs. 4 Satz 4 UVG). Für das Kind besteht Anwaltszwang vor dem FamG.
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Praxishinweis: Sind dem Kind treuhänderisch Unterhaltsansprüche zurück 25 übertragen worden und soll Verfahrenskostenhilfe beantragt werden, ist zu beachten, dass dem Kind ein Kostenvorschussanspruch gegenüber dem Leistungsträger zusteht (§ 669 BGB), soweit es im Unterhaltsstreitverfahren auch die rückübertragenen Ansprüche geltend macht. Dieser Anspruch auf Vorschuss ist vorrangig gegenüber der Verfahrenskostenhilfe geltend zu machen, so dass das Kind insoweit nicht bedürftig ist.1 Hingegen kommt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe in Betracht, wenn höherer Unterhalt und laufender Unterhalt ab Rechtshängigkeit verlangt wird.2 Im Unterhaltsstreitverfahren ist im Antrag die Aktivlegitimation für die Geltendmachung des rückübertragenen Unterhalts zu begründen und zu belegen. Außerdem muss für die rückübertragenen Ansprüche jeweils die Zahlung an das Land, vertreten durch die Unterhaltsvorschusskasse, und für darüber hinausgehende Ansprüche die Zahlung an das Kind beantragt werden. Bezieht das Kind während des Streitverfahrens fortlaufend Unterhaltsvorschuss, muss es auch für diese Beträge beantragen, dass die Zahlung der seit Rechtshängigkeit des Antrags bis zur letzten mündlichen Verhandlung fällig gewordenen Beträge an den Träger der Vorschusskasse zu erfolgen hat.
Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen, dass der 26 Unterhaltsanspruch des Kindes auf die Vorschusskasse übergegangen ist, liegt im Unterhaltsstreitverfahren bei der Unterhaltsvorschusskasse. D.h., sie muss im Einzelnen darlegen, ab wann sie Vorschuss in welcher Höhe geleistet hat, seit wann sich der Verpflichtete unter den Voraussetzungen des § 1613 BGB in Verzug befindet bzw. wann sie den Antragsgegner durch Rechtswahrungsanzeige darüber informiert und belehrt hat, dass der Antrag auf Vorschuss gestellt und er für den geleisteten Unterhalt in Anspruch genommen werden kann (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UVG). Für die Begründung des materiellen Anspruchs genügt die Darlegung des Kindschaftsverhältnisses, in welcher Höhe für welche Zeiträume Vorschuss gezahlt und ggfs. in welcher Höhe vom Verpflichteten Unterhalt gezahlt wurde. Hat der Verpflichtete einem Auskunftsverlangen nach § 1613 Abs. 1 BGB nicht Folge geleistet, sollte dies im Hinblick auf die Kostenfolge nach § 243 Nr. 2 FamFG ebenfalls mitgeteilt werden. Besteht bereits ein Titel über den geschuldeten Unterhalt, so kann das Land, 27 vertreten durch die Unterhaltsvorschusskasse, daraus vollstrecken, nachdem es den Titel in Höhe der übergegangenen Forderungen auf sich hat umschreiben lassen (§ 727 ZPO).
1 BGH, FamRZ 2008, 1159 ff. m. Anm. Günther, S. 1162. 2 BGH, FamRZ 2008, 1159 Rz. 13 ff. Kritisch dazu das DIJuF-Gutachten im JAmt 2008, 487.
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28 Für die Durchsetzung des Rückgriffs gegen den Unterhaltsschuldner hat die Un-
terhaltsvorschusskasse nach § 7 Abs. 3 S. 2 UVG zu beachten, dass sie den übergegangenen Anspruch nicht zum Nachteil des Kindes geltend machen darf, soweit dieses für eine spätere Zeit, für die es keinen Unterhaltsvorschuss erhalten hat oder erhält, Unterhalt von dem Unterhaltspflichtigen verlangt. Der BGH hat insoweit klargestellt, dass diese Maßgabe des UVG den Leistungsträger nicht an der Durchsetzung des übergegangenen Rechts im Streitverfahren hindert, sie aber Bedeutung im Zwangsvollstreckungsverfahren habe, da sich eine Benachteiligung des Kindes erst sicher dann ergebe, wenn sich die Leistungsfähigkeit des Schuldners durch Zugriff auf seine Einkünfte und Vermögen in der Zwangsvollstreckung vermindere. Konkurrieren dort die Ansprüche zwischen dem Kind und dem Leistungsträger, hat deshalb der Anspruch des Kindes grundsätzlich Vorrang.1
II. ALG II/Sozialgeld/Sozialhilfe – Rückgriff des Leistungsträgers auf den Unterhaltspflichtigen 1. Der Rückgriff nach Gewährung von ALG II und Sozialgeld (§ 33 SGB II) 29 Wann und unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II
oder Sozialgeld für Kinder besteht (§§ 19 ff. SGB II) und welche Bedeutung den Sozialleistungen für die Unterhaltsbedürftigkeit und Leistungsfähigkeit zukommt, wird in Kap. A Rz. 119 ff. behandelt. Folge der i.d.R. gegebenen Subsidiarität der Sozialleistungen ist, dass der öffentlich-rechtliche Leistungsträger sich in Höhe der erbrachten Leistung an den nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen halten und die Leistung von ihm erstattet verlangen kann. Welche Voraussetzungen dazu im Einzelnen vorliegen müssen, wird nachfolgend behandelt. a) Voraussetzungen des Rückgriffs des Leistungsträgers nach § 33 SGB II 30 Der Leistungsträger kann wegen erbrachter Leistungen zur Sicherung des Le-
bensunterhalts für die Zeit, für die Leistungen erbracht wurden, bei dem gegenüber dem Leistungsempfänger Unterhaltspflichtigen Rückgriff nehmen, soweit die Unterhaltsforderung des Unterhaltberechtigten in Höhe der erbrachten Sozialleistung auf ihn kraft Gesetzes übergegangen ist (§ 33 Abs. 1 SGB II).2 31 Leistungsträger der Grundsicherungsleistungen sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2
SGB II an sich sowohl der Bund (Bundesagentur für Arbeit) als auch die Länder, bzw. Kommunen. In der Praxis tritt gegenüber den Leistungsempfängern jedoch i.d.R. das Jobcenter als Leistungsträger auf. Für diese Praxis ist seit 1.1.2011 mit § 44b SGB II eine gesetzliche Grundlage geschaffen worden, nachdem das BVerfG die bisherige Handhabung durch die Arbeitsagenturen für verfassungs1 BGH, FamRZ 2006, 1664 (1666). 2 Der gesetzliche Forderungsübergang ist seit 1.8.2006 in Kraft. Zuvor, vom 1.1.2005, dem Inkrafttreten des SGB II, bis zum 31.7.2006, war die Wirksamkeit des Forderungsübergangs noch davon abhängig, dass der Leistungsträger, der an den Unterhaltsberechtigten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II erbracht hatte, den Unterhaltsanspruch durch schriftliche Anzeige gegenüber dem Pflichtigen auf sich übergeleitet hat (§ 33 SGB II a.F.). Diese Regelung erwies sich für die Praxis als zu schwerfällig und wurde deshalb vom Gesetzgeber korrigiert.
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II. ALG II/Sozialgeld/Sozialhilfe – Rückgriff des Leistungsträgers
widrig erklärt hatte.1 Um den Leistungsempfängern eine Leistung aus einer Hand bieten zu können, können Bund und Länder, bzw. die kommunalen Träger nunmehr eine gemeinsame Einrichtung nach § 44b Abs. 1 SGB II errichten, die nach § 6d SGB II die Bezeichnung Jobcenter trägt, als Mischverwaltung tätig wird und im Rechtsverkehr als der maßgebliche Leistungsträger gegenüber dem Leistungsempfänger auftritt (§ 44b SGB II). Die gemeinsame Einrichtung ist aufgrund der gesetzlich in § 44b SGB II zugewiesenen Aufgaben sowohl partei- als auch prozessfähig.2 Der Übergang einer Unterhaltsforderung des Leistungsempfängers erfolgt auf 32 den Leistungsträger immer nur für und in Höhe der Leistungen, die zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht wurden (§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. §§ 19 ff. SGB II). Zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gehören alle Leistungen des 3. Kapitels, Abschnitt 2, Unterabschnitt 1–4 des SGB II, also das ALG II, die Leistungen für Unterkunft und Heizung, evt. Mehrbedarf, Sozialgeld für Kinder und die Leistungen für Bildung und Teilhabe (§§ 19 Abs. 1 Satz 1, 21, 22, 26, 28 ff. SGB II).3 Gleiches gilt für Zuschüsse zur freiwilligen Krankenund Pflegeversicherung, die der Leistungsempfänger auch ohne Bezug des ALG II erbringen müsste und für die der Unterhaltspflichtige aufkommen müsste (§ 26 Abs. 2 und 3 SGB II)4. Kein Übergang erfolgt hingegen wegen Leistungen zur Eingliederung zur Arbeit, wie z.B. für das Einstiegsgeld (§ 16b SGB II) sowie für Darlehen und Zuschüsse für die Beschaffung von Sachgütern zur Begründung einer Selbständigkeit (§ 16c SGB II) und für zu zahlende Sozialversicherungsbeiträge, die aufgrund des Bezugs von ALG II erbracht werden.5 Nach § 33 SGB II gehen auf den Leistungsträger über die Unterhaltsansprüche 1) minderjähriger Kinder gegenüber ihren Eltern oder einem Elternteil (§§ 1601 ff. BGB), 2) volljähriger Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und die Erstausbildung noch nicht abgeschlossen haben, gegenüber ihren Eltern oder einem Elternteil (§§ 1601 ff. BGB, 3) getrennt lebender oder geschiedener Ehegatten untereinander (§§ 1361 ff.; 1569 ff. BGB) 4) gleichgeschlechtlicher Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft während des Getrenntlebens und nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft (§§ 14,16 LPartG),
1 Das BVerfG hatte mit Urteil v. 20.12.2007 – 2 BvR 2433/04 = BVerfGE 119, 331 ff. (FamRZ 2008, 859 LS) die Arbeitsagenturen wegen Verstoßes gegen grundgesetzlich geregelten Anspruch der Gemeindeverwaltung auf eigenverantwortliche Aufgabenerledigung (Art. 28 Abs. 2 GG) für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber hat daraufhin in Art. 91e GG die verfassungsrechtliche Grundlage für die gemeinsam von Bund und Ländern bzw. Kommunen nach dem SGB II zu erbringenden Leistungen geschaffen und in § 44b SGB II die Leistungserbringung aus einer Hand durch eine Mischverwaltung von Bund, Ländern oder Kommunen geregelt. 2 BGH, FamRZ 2012, 956 Tz. 10 ff. 3 Vgl. dazu die Fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit (im Folgenden abgekürzt FH) zu § 33 Rz. 33.5, abrufbar im Internet unter dem Schlagwort: Fachliche Hinweise SGB II – Bundesagentur für Arbeit oder http://www.arbeitsagentur.de. 4 FH zu § 33 Rz. 33.19 (3a). 5 FH zu § 33 Rz. 33.19 (3).
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H. Spezialprobleme
5) von nicht miteinander verheirateten Eltern untereinander, wenn ein Elternteil ein gemeinsames Kind betreut und die Eltern getrennt leben (§ 1615l BGB) sowie 6) von Verwandten, die in gerader Linie miteinander verwandt sind und nicht in einer Wirtschaftsgemeinschaft leben, wie z.B. Eltern gegen ihre Kinder, Enkel gegen ihre Großeltern, volljährige Kinder gegen ihre Eltern (§§ 1601 ff. BGB), soweit nicht Ausschlussgründe nach § 33 Abs. 2 SGB II vorliegen. 34 Eine spezielle Regelung für den Forderungsübergang von Kindesunterhalts-
ansprüchen gilt nach § 33 Abs. 1 S. 2 SGB II seit 1.1.2009: Danach kann ein Anspruch auf Kindesunterhalt auch dann auf den Leistungsträger übergehen, wenn das Kind selbst tatsächlich gar keine Leistung nach dem SGB II erhalten hat. Dies ist dann der Fall, wenn das Kind keinen Unterhalt vom Unterhaltspflichtigen erhält, deshalb das Kindergeld für sich selbst benötigt und ihm dieses als eigenes Einkommen zugerechnet wird und nicht dem kindergeldberechtigten Elternteil nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II.1 Sind aufgrund dieses Umstands überhaupt oder höhere Leistungen nach dem SGB II an die Mitglieder der Haushalts- bzw. Bedarfsgemeinschaft, in der das Kind lebt, geflossen, soll dies nicht dem säumigen Unterhaltspflichtigen zugutekommen. 35 Beispiel K, 13 Jahre, lebt bei seiner Mutter M, die das Kindergeld bezieht und in 2013 Leistungen nach dem SGB II erhält. Sein Vater V zahlt keinen Kindesunterhalt, der aufgrund seines Einkommens mtl. 334 Euro beträgt (426 – 92 Euro anteiliges Kindergeld). Der sozialhilferechtliche Bedarf des Kindes beträgt 289 Euro. Nach Abzug des Kindergeldes i.H.v. 184 Euro wird für K ein ergänzendes Sozialgeld i.H.v. 105 Euro gezahlt. M erhält ALG II i.H.v. 364 Euro. Hätte V rechtzeitig in voller Höhe den Kindesunterhalt gezahlt, wäre der sozialhilferechtliche Bedarf von K i.H.v. 289 Euro voll durch die Unterhaltszahlung von 334 Euro abgedeckt worden und das Kindergeld hätte in voller Höhe als Einkommen M zugerechnet werden können mit der Folge, dass M nur 180 Euro (364 – 184 = 180 Euro) ALG II erhalten hätte. Auf das Jobcenter geht der Kindesunterhaltsanspruch für folgende Beträge über: 105 Euro Sozialgeld gem. § 33 Abs. 1 S. 1 SGB II und 184 Euro Kindergeld gem. § 33 Abs. 1 S. 2 SGB II.2
36 Der gesetzliche Forderungsübergang ist nach § 33 Abs. 2 SGB II ausgeschlossen,
wenn die unterhaltsberechtigte Person 1) mit dem Verpflichteten in einer Bedarfsgemeinschaft lebt (§ 33 Abs. 2 Nr. 1 SGB II), 2) mit dem Verpflichteten verwandt ist und den Unterhaltsanspruch nicht geltend macht; dies gilt nicht für Unterhaltsansprüche von Minderjährigen sowie von Hilfebedürftigen gegen ihre Eltern, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und die Erstausbildung noch nicht abgeschlossen haben (§ 33 Abs. 2 Nr. 2 SGB II), 3) in einem Kindschaftsverhältnis zum Verpflichteten steht und schwanger ist oder ihr leibliches Kind bis zur Vollendung seines sechsten Lebensjahres betreut (§ 33 Abs. 2 Nr. 3a, 3b SGB II). 1 BGH, FamRZ 2012, 956 Tz. 27 ff. m. Anm. Kuller, FamRZ 2012, 959 f.; zur Systematik des Übergangs nach § 33 Abs. 1 S. 2 SGB II sehr anschaulich mit Beispielen Kuller, FamRZ 2011, 255 ff. 2 S.a. die Fallkonstellation in BGH, FamRZ 2012, 956 ff. und weitere Beispiele bei Kuller, FamRZ 2011, 255 ff.
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II. ALG II/Sozialgeld/Sozialhilfe – Rückgriff des Leistungsträgers
Der Übergang ist ferner ausgeschlossen, soweit der Unterhaltsanspruch durch 37 laufende Zahlung erfüllt wird. Für die Vergangenheit können die Leistungsträger Unterhaltsansprüche außer unter den Voraussetzungen des bürgerlichen Rechts (§ 1613 BGB)1 nur von der Zeit an geltend machen, zu welcher sie dem Verpflichteten die Erbringung der Leistung schriftlich durch Rechtswahrungsanzeige mitgeteilt haben (§ 33 Abs. 3 SGB II). 38
Beispiele – K, 21 Jahre, ist ausgebildeter Einzelhandelskaufmann mit eigenem Hausstand und sucht vergeblich eine Arbeit. Er macht keinen Unterhalt von seinen Eltern geltend und beantragt ALG II. Der Unterhaltsanspruch gegen die Eltern geht nicht auf das Jobcenter über, dieses kann ihn auch nicht auf die Geltendmachung von Unterhalt verweisen (§ 33 Abs. 2 Nr. 2 SGB II). – V, ein 23 Jahre alter Vater, unverschuldet bisher ohne Ausbildung, betreut sein 4-jähriges nichteheliches Kind und bezieht ALG II. Die Mutter des Kindes ist nicht leistungsfähig. Die Eltern von V wären leistungsfähig, Unterhalt für V zu zahlen. Das Jobcenter kann sich nicht an die Eltern halten, da ein Unterhaltsanspruch von V nach § 33 Abs. 2 Nr. 3 lit. b SGB II nicht übergegangen ist.
Der Anspruchsübergang setzt in allen Fällen voraus, dass der Unterhaltspflichti- 39 ge über Einkommen und Vermögen verfügt, das über dem Sozialhilfeniveau liegt, also höher ist als das nach §§ 11 und 12 SGB II zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen (§ 33 Abs. 2 Satz 3 SGB II). Denn es soll niemand auf Unterhalt in Anspruch genommen werden, der durch die Unterhaltsgewährung dann selbst auf öffentliche Hilfe angewiesen wäre. Deshalb hat der Leistungsträger immer in Vorbereitung seiner Entscheidung, ob er gegen den Unterhaltspflichtigen überhaupt vorgehen kann, seine Aktivlegitimation zu prüfen, indem er eine sozialrechtliche Vergleichsberechnung erstellt, um zu klären, ob ein bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsanspruch nach sozialrechtlichem Maßstab auf ihn übergegangen ist. Für die Vergleichsberechnung werden das Einkommen und Vermögen des Ver- 40 pflichteten daraufhin überprüft, ob sie das nach den §§ 11 bis 12 SGB II zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen übersteigen. Lebt der Verpflichtete in einer Bedarfsgemeinschaft, sind nach Auffassung des BGH zur Prüfung des Anspruchsübergangs in die Vergleichsberechnung auch die Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft einzubeziehen, unabhängig davon, ob zwischen ihnen und dem Verpflichteten überhaupt ein bürgerlich-rechtliches Unterhaltsrechtsverhältnis besteht oder welchen Rang dieses ggfs. hat.2 Fiktive Einkünfte des Verpflichteten bleiben bei dieser Berechnung außer Be- 41 tracht.3 42
Beispiele – F lebt von ihrem Ehemann M getrennt und bezieht ALG II. Der Ehemann verdient mit einer Teilzeitbeschäftigung mtl. 1 300 Euro brutto, dies entspricht ca. 1 034 Euro netto (Stand 2013). Bei genügender Anstrengung könnte M bei Ausübung einer Vollbeschäftigung 1 300 Euro netto, bereinigt auch um berufsbedingte Ausgaben, verdienen. Für die 1 Beim Kindesunterhalt unter den Voraussetzungen des § 1613 BGB. Bei anderen Unterhaltsansprüchen gilt § 1613 BGB entsprechend aufgrund gesetzlicher Verweise, vgl. §§ 1361 Abs. 4, 1360a Abs. 3; § 1615l Abs. 3 BGB; § 5 LPartG; BGH, FamRZ 1995, 871. 2 BGH, FamRZ 2013, 1962 Tz. 16 ff., 23; kritisch Schürmann, FamRZ 2013, 1965. 3 BGH, FamRZ 2013, 1962 Tz. 23 m.w.N.; FamRZ 2001, 619 (620); 2000, 1358.
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H. Spezialprobleme sozialrechtliche Vergleichsberechnung ist nur auf das tatsächlich erzielte Einkommen abzustellen: Dieses beträgt: 1 034 Euro (1 300 Euro brutto abzüglich Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, § 11b Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB II). Davon sind abzuziehen 100 Euro als Grundfreibetrag (1034 – 100 = 934 Euro gem. § 11b Abs. 2 SGB II) und von dem verbleibenden Betrag weitere 186,80 Euro als Freibeträge nach § 11b Abs. 3 Nr. 1 SGB II (934 Euro * 20 % = 186,80 Euro). Dies ergibt ein zu berücksichtigendes Einkommen von ger. 747 Euro. Sein sozialrechtlicher Bedarf beträgt dagegen insgesamt 762 Euro und setzt sich zusammen wie folgt: 382 Euro (Regelbedarf Stufe 1, Stand 2013) zuzüglich Wohnkosten von 380 Euro). Da der sozialrechtliche Bedarf von M mit 762 Euro höher liegt als sein zu berücksichtigendes Einkommen von 747 Euro, findet ein Übergang des Unterhaltsanspruchs von F nicht statt. F ist jedoch nicht gehindert selbst einen Unterhaltsanspruch von 200 Euro auf der Basis eines fiktiven, bereinigten Einkommens des M von 1 300 Euro netto geltend zu machen, da M nur ein Eigenbedarf von 1 100 Euro zusteht (1 300 * 3/ 7 = 557 Euro, Kürzung auf 200 Euro wegen des Eigenbedarfs von M i.H.v. 1 100 Euro). – Die arbeitslose M bezieht für sich ALG II und für ihre 14-jährige Tochter T, die noch zur Schule geht, Kindergeld und Sozialgeld. T hat zwar gegen ihren Vater, der ebenfalls ALG II bezieht einen Unterhaltsanspruch wegen der Zurechnung fiktiver Einkünfte, weil dieser bei zumutbaren Bemühungen ausreichende Einkünfte aus Erwerbseinkommen erzielen könnte. Der Anspruch geht jedoch nicht auf den Leistungsträger über, weil die Leistungsfähigkeit des V nur auf der Zurechnung eines fiktiven Einkommens beruht. M kann jedoch als gesetzliche Vertreterin von T den Vater auf Kindesunterhalt in Anspruch nehmen.
43 Mit dem übergegangenen Unterhaltsanspruch geht in Höhe der erbrachten Hil-
feleistungen auch der unterhaltsrechtliche Auskunftsanspruch auf den Leistungsträger über (§ 33 Abs. 1 Satz 3 SGB II), der so in die Lage versetzt wird, sowohl die Wirksamkeit des Forderungsübergangs als auch die Erfolgsaussicht der unterhaltsrechtlichen Inanspruchnahme des Verpflichteten zu prüfen. Daneben steht dem Leistungsträger noch ein öffentlich-rechtlicher Auskunftsanspruch zu (§ 60 Abs. 2 SGB II), für dessen Durchsetzung der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Ungeachtet des Übergangs des bürgerlich-rechtlichen Auskunftsanspruchs verbleibt dem Unterhaltsberechtigten noch ein eigener „abgespaltener“ Auskunftsanspruch, da er in der Lage sein muss, zu klären, ob und in welcher Höhe ihm ein Unterhaltsanspruch zusteht, der über die Höhe der gewährten Sozialleistung hinausgeht, und für dessen Geltendmachung er aktivlegitimiert bleibt.1 Wurde die Sozialleistung vom Leistungsträger nicht rechtmäßig erbracht, hat der Leistungsempfänger die Leistung zurückzuerstatten. Nicht zulässig ist in dem Fall ein Rückgriff auf den Unterhaltspflichtigen. 44 Ist die Forderung nach öffentlichem Recht wirksam auf den Leistungsträger
übergegangen, ist zur Klärung der Erfolgsaussicht eines Rückgriffs die weitere Prüfung notwendig, ob zugunsten des Leistungsempfängers ein schlüssig begründbarer Anspruch nach bürgerlichem Recht besteht. Da der Unterhaltsanspruch durch den gesetzlichen Forderungsübergang und Gläubigerwechsel nicht seine Rechtsnatur verändert, sind für die Geltendmachung ausschließlich unterhaltsrechtliche Maßstäbe anwendbar. D.h. dem Unterhaltspflichtigen verbleiben alle Einwendungen aus dem Unterhaltsrechtsverhältnis, wie z.B. der Einwand der Verwirkung nach § 1611 BGB. Ebenso gilt zu Lasten des Unterhaltspflichtigen das Aufrechnungsverbot des § 394 BGB fort.2 1 KG, FamRZ 1997, 1405; ebenso Wendl/Dose/Klinkhammer, § 8 Rz. 66, 233. 2 BGH, FamRZ 2013, 1202 Tz. 15, 25: § 394 BGB dient nicht nur dem Schutz des Unterhaltsberechtigten sondern auch dem der öffentlichen Kassen.
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II. ALG II/Sozialgeld/Sozialhilfe – Rückgriff des Leistungsträgers
Für die Begründetheit des Anspruchs kommt es wesentlich auf die sachliche, 45 zeitliche und persönliche Kongruenz des Unterhaltsanspruchs und der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an.1 Für die sachliche Kongruenz ist erforderlich, dass der Unterhaltsanspruch überhaupt den Bedarf z.B. im Umfang der Sozialleistung abdeckt. Weiterhin muss die Leistung des Trägers gezielt für den Unterhaltsberechtigten erbracht worden sein, was bei Bedarfsgemeinschaften eine spezielle Anteilsberechnung des Leistungsträgers erfordert, die vorzutragen ist (persönliche Kongruenz). Eine Ausnahme gilt nach § 33 Abs. 1 S. 2 SGB II in Bezug auf den Kindesunterhalt, s. Rz. 36. Schließlich kann immer nur Unterhalt für den Zeitraum verlangt werden, für den die Leistung geflossen ist (zeitliche Kongruenz). Genau innerhalb dieses Zeitraums muss der Verpflichtete auch leistungsfähig gewesen sein. b) Verfahrensrechtliche Besonderheiten Aufgrund der Einführung des gesetzlichen Forderungsübergangs sind die Leis- 46 tungsträger verpflichtet, die übergeleiteten Ansprüche gegenüber dem Unterhaltspflichtigen zu verfolgen. Dies können sie entweder selbst tun oder den Anspruch auf den Unterhaltsberechtigten treuhänderisch zurückübertragen. Zuständig für die Durchsetzung bleibt auch nach dem Gläubigerwechsel das Familiengericht. Seit 1.8.2006 besteht die gesetzliche Grundlage, den übergegangenen Anspruch auf den Leistungsempfänger zur gerichtlichen Geltendmachung zurückzuübertragen, wenn dieser mit einer Abtretung des Anspruchs auf sich einverstanden ist (§ 33 Abs. 4 SGB II). Die treuhänderische Rückübertragung war bis zum 31.7.2006 nicht zulässig, da sie im Gesetz nicht vorgesehen war (§ 33 SGB II a.F.).2 Wegen der insoweit aufgetretenen Rechtsprobleme und Lösungen wird auf die 6. Aufl. Bezug genommen. Bezog oder bezieht der Unterhaltsberechtigte Arbeitslosengeld II und macht er 47 gegen den Unterhaltspflichtigen Unterhalt vor dem FamG geltend, stellt sich regelmäßig die Frage nach der Aktivlegitimation, zu der der Unterhaltsberechtigte als Antragsteller vorzutragen hat und die von Amts wegen zu prüfen ist. Liegt für den Zeitraum, für den Unterhalt beantragt wird, keine Rückübertragung des übergegangenen Anspruchs durch den Leistungsträger vor, ist der Antrag in Höhe des Leistungsbezugs unzulässig wegen fehlender Aktivlegitimation. Hat der Berechtigte das ALG II bezogen, ohne dass der Anspruch auf den Leis- 48 tungsträger übergegangen ist, und macht er gleichwohl auch insoweit Unterhalt geltend, dann fehlt es nach der Rechtsprechung des BGH zwar nicht an der Aktivlegitimation des Unterhaltsberechtigten, weil die gewährte Sozialhilfe, auch wenn ein gesetzlicher Forderungsübergang nicht erfolgt ist, nicht als bedarfsdeckende Erfüllung des Unterhaltsanspruchs gilt.3 In dem Fall kann der Verpflichtete ihm jedoch ausnahmsweise den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenhalten, wenn er durch die Inanspruchnahme auf rückständigen
1 Wendl/Dose/Klinkhammer, § 8 Rz. 239 ff., 74 ff. 2 Die treuhänderische Rückübertragung kann sich auch auf Unterhaltsansprüche aus der Zeit vor dem 1.8.2006 beziehen, sofern in der Zeit ALG II gezahlt wurde, der Forderungsübergang nicht bereits durch Überleitungsanzeige erfolgt ist und die Ansprüche aus der Zeit vor dem 1.8.2006 mit Unterhaltsansprüchen ab dem 1.8.2006 im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs als Annex mit übergegangen sind. 3 BGH, FamRZ 1999, 843 (847).
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H. Spezialprobleme
Unterhalt wirtschaftlich überfordert und ihm die Zahlung des laufenden Unterhalts dadurch unmöglich wäre (§ 242 BGB).1 49
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Praxishinweis: Wurde der Anspruch rückübertragen, muss dem bei der Antragstellung Rechnung getragen werden. So ist z.B. bei fortdauernder Leistungsgewährung der Antrag so zu fassen, dass der Unterhalt in Höhe der gewährten Leistung an den Leistungsträger bis zum Ende des Monats zu zahlen ist, in dem die letzte mündliche Verhandlung stattfindet.2 Für darüber hinausgehende Ansprüche und den laufenden Unterhalt ist die Zahlung an den Unterhaltsberechtigten selbst zu beantragen.
50 Kosten, mit denen der Leistungsempfänger durch die Verfahrensführung selbst
belastet wird, sind – soweit sie auf den rückübertragenen Teil der Unterhaltsforderung entfallen – vom Leistungsträger zu übernehmen (§ 33 Abs. 4 Satz 2 SGB II). 51 Auf die Frage des Forderungsübergangs und Aktivlegitimation kommt es dann
nicht an, wenn der Unterhaltsberechtigte vom Pflichtigen nur Unterhalt verlangt, der über dem Bedarf der gewährten Sozialleistungen liegt. 2. Rückgriff nach Gewährung von Sozialhilfe (§ 94 SGB XII) 52 Die Gewährung von Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII und Ansprüche auf
Rückerstattung durch Forderungsübergang von Unterhaltsansprüchen spielen in der familiengerichtlichen Praxis vorrangig eine Rolle beim Elternunterhalt, wenn Eltern pflegebedürftig werden und die Sozialträger wegen der hohen Pflegekosten die Kinder auf Erstattung in Anspruch nehmen. Die insoweit entstehenden speziellen Probleme sind im Kap. C Rz. 96 ff. beim Elternunterhalt behandelt. Daneben können sich nach § 94 SGB XII übergegangene Unterhaltsforderungen z.B. auch gegen die Eltern eines behinderten Kindes, gegen den getrennt lebenden oder geschiedenen unterhaltspflichtigen Ehegatten des Hilfeempfängers (§§ 1361 ff., 1569 ff. BGB), den Vater oder die Mutter wegen der Betreuung eines nichtehelichen Kindes (§ 1615l BGB oder einen Lebenspartner (§§ 12, 16 LPartG) richten, sei es, weil der Hilfebedürftige Eingliederungshilfen aufgrund einer Behinderung oder z.B. Hilfe zum Lebensunterhalt wegen Erwerbsminderung in Anspruch nehmen muss. Keine Rolle spielen Ansprüche eines nicht getrennt lebenden Ehegatten gegen seinen Ehepartner auf Familienunterhalt, da die Ehegatten in einer Einsatzgemeinschaft leben und Voraussetzung für die Bewilligung der Sozialhilfeleistungen dann die Sozialhilfebedürftigkeit beider Ehegatten ist: Ist einer der Ehegatten leistungsfähig, wird keine Hilfe bewilligt, sind beide hilfebedürftig, geht der Anspruch nach § 94 Abs. 1 S. 3 SGB XII nicht über. 53 Generell spielt der gesetzlichen Forderungsübergang wegen Gewährung von Hil-
fen zum Lebensunterhalt nach den §§ 27–40 i.V.m. § 94 SGB XII in der unterhaltsrechtlichen Praxis jedoch eine eher marginale Rolle, nachdem das Sozialhilferecht seit 1.1.2005 neu gestaltet wurde. Dazu trägt bei, dass z.B. bei der 1 BGH, FamRZ 2000, 1358 (1359). 2 BGH, FamRZ 1996, 1203 (1207) Tz. 50. Die Ausführungen zur Rechtswidrigkeit der treuhänderischen Rückübertragung haben aufgrund der gesetzlich geregelten Möglichkeit der Rückübertragung in § 33 Abs. 4 SGB II (Gesetz vom 20.7.2006) keine Bedeutung mehr; BGH, FamRZ 2000, 1358 Tz. 11 (zu § 7 UVG).
540 Ehinger
II. ALG II/Sozialgeld/Sozialhilfe – Rückgriff des Leistungsträgers
Grundsicherung für arbeitslose Erwerbsfähige (SGB II) das Prinzip der Bedarfsgemeinschaft eingeführt wurde, nach dem jeder erwerbsfähige Leistungsempfänger und seine Angehörigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben und sich ihre Ansprüche auf Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II richten.1 Zur Eindämmung von Rückgriffsverfahren hat ebenfalls wesentlich beigetragen, dass mit der Einführung der Grundsicherung im Alter zugunsten unterhaltspflichtiger Kinder eine hohe Rückgriffshürde gegenüber Kindern geschaffen wurde. Denn nach § 43 Abs. 2 S. 1 SGB XII bleiben Unterhaltsansprüche von Eltern gegenüber ihren Kindern unberücksichtigt, wenn deren Einkommen pro Kopf unter 100 000 Euro brutto liegt. Nach § 43 Abs. 2 S. 3 SGB XII spricht eine Vermutung dafür, dass das Einkommen der Pflichtigen diese Grenze unterschreitet. Diese Regelung gilt nicht für Unterhaltsansprüche des Hilfebedürftigen gegenüber seinem getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten, denn diese sind immer vorrangig und schließen einen Anspruch auf Grundsicherung aus, wenn sie den sozialhilferechtlichen Bedarf decken, s. Kap. C Rz. 20 f. a) Leistungsangebot nach dem SGB XII, Forderungsübergang und Ausschluss des Übergangs Folgende Leistungen bilden den Kern des staatlichen Leistungsangebots:
54
– Hilfen zum Lebensunterhalt (§§ 27–40, 3. Kapitel SGB XII) – Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41–46, 4. Kapitel SGB XII) – Hilfen zur Gesundheit (§§ 47–52, 5. Kapitel SGB XII) – Eingliederungshilfen für behinderte Menschen (§§ 53–60, 6. Kapitel SGB XII) – Hilfen zur Pflege (§§ 61–66, 7. Kapitel SGB XII) – Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (§§ 67–69, 8. Kapitel SGB XII) und – Hilfen in anderen Lebenslagen (§§ 70–74, 9. Kapitel SGB XII). Die Hilfen zum Lebensunterhalt dienen der Sicherung des Existenzminimums 55 der Hilfeempfänger. Die Basisleistung ist der Regelbedarf, der in den §§ 27a ff. SGB XII geregelt und auch Maßstab für den Regelbedarf nach dem SGB II und der Grundsicherung im Alter ist. Zum Verfahren der Festsetzung des Existenzminimums und zu dessen Höhe nach dem Stand 1.1.2014 s. Kap. A Rz. 111 ff. Werden Leistungen nach dem SGB XII erbracht, sind diese i.d.R. subsidiär, d.h. 56 in Höhe der gewährten Leistung gehen bestehende Unterhaltsansprüche des Leistungsempfängers kraft Gesetzes nach § 94 SGB XII auf den Leistungsträger über. Dabei erfasst der Anspruchsübergang nur die Leistungen, die auch im Rahmen des Unterhaltsanspruchs geschuldet wären (sachliche Kongruenz).2 Die Rechtsnatur des Unterhaltsanspruchs ändert sich durch den Forderungsübergang nicht, allerdings finden nun die §§ 412, 404, 406–410 BGB auf das Rechtsverhältnis zwischen dem neuen Gläubiger und Schuldner entsprechende Anwendung. Nach der Rechtsprechung des BGH gilt das Aufrechnungsverbot nach 1 So Wendl/Dose/Klinkhammer, § 8 Rz. 46. 2 Vgl. zur sachlichen Kongruenz von Unterhaltsrecht und Sozialhilfe Wendl/Dose/Klinkhammer § 8 Rz. 74.
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H. Spezialprobleme
§ 394 BGB auch im Verhältnis Sozialhilfeträger und Schuldner.1 Für die Geltendmachung des Anspruchs bleibt das FamG zuständig (§ 94 Abs. 5 Satz 3 SGB XII). Der Leistungsträger ist jeweils nur in der Höhe aktivlegitimiert, soweit er tatsächliche Leistungen erbracht hat. Für darüber hinausgehende Unterhaltsansprüche, einschließlich des Anspruchs auf laufenden Unterhalt, bleibt der Unterhaltsberechtigte aktivlegitimiert. Allerdings kann der Sozialhilfeträger auch die Zahlung zukünftiger Leistungen beantragen, wenn die Hilfe voraussichtlich auf längere Zeit gewährt werden muss (§ 94 Abs. 4 Satz 2 SGB XII). 57 Gemäß § 94 Abs. 5 SGB XII kann der Sozialhilfeträger den Unterhaltsanspruch
im Einvernehmen mit dem Sozialhilfeempfänger auf diesen zurückübertragen, wenn dieser zustimmt (§ 94 Abs. 5 S. 1 SGB XII). Für den Fall steht dem Unterhaltsberechtigten ein Anspruch auf Vorschuss der Kosten zur Führung des Verfahrens zu (§ 662 BGB). 58 In folgenden Fällen ist nach § 94 SGB XII ein Anspruchsübergang kraft Gesetzes
ausgeschlossen: 1) Der Unterhaltsschuldner zahlt den Unterhalt laufend an die leistungsberechtigte Person (§ 94 Abs. 1 Satz 2 SGB XII), 2) Es bestehen nur Unterhaltsansprüche gegenüber Verwandten zweiten Grades (Enkel, Großeltern, § 94 Abs. 1 Satz 3 SGB XII), 3) Der Unterhaltspflichtige ersten Grades ist schwanger oder betreut ein leibliches Kind bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres (§ 94 Abs. 1 Satz 4 SGB XII). 4) Die Eltern beziehen bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung und die unterhaltspflichtigen Kinder verdienen pro Person jährlich weniger als 100 000 Euro (§ 43 Abs. 3 SGB XII). 5) Der Unterhaltsschuldner ist selbst sozialhilfebedürftig nach den §§ 27 ff. SGB XII oder würde dies bei Erfüllung des Anspruchs werden (§ 94 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII). 6) Für Leistungen nach den Kap. 5 und 6 an behinderte oder pflegebedürftige Personen gehen die Unterhaltsansprüche gegen Eltern nur in der im Gesetz bezeichneten Höhe über (§ 94 Abs. 2 SGB XII). Der Anspruchsübergang würde eine unbillige Härte für den Schuldner bedeuten (§ 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII). 59 Zu 1) Ein Übergang findet nicht statt, wenn der Pflichtige laufend Unterhalt
zahlt. Zu Einzelheiten vgl. Kap. C Rz. 99. 60 Zu 2) Rückgriff kann der Leistungsträger danach nur gegenüber Verwandten ers-
ten Grades nehmen, also auf Unterhaltsansprüche gegenüber Eltern oder gegenüber Kindern. Ausgeschlossen ist ein Rückgriff gegen Großeltern und Enkelkinder des Leistungsempfängers. 61 Zu 3) Die Inanspruchnahme eines unterhaltspflichtigen Kindes ist ausgeschlos-
sen, wenn es schwanger ist oder ein Kind im Alter bis zur Vollendung des 6. Lebensjahrs betreut. Mit dieser Regelung sollen dem besonderen Schutzbedürfnis von Schwangeren und kinderbetreuenden Müttern und Vätern Rechnung getragen sowie familiäre Spannungen durch finanzielle Belastungen vermieden werden. 1 BGH, FamRZ 2013, 1202 Rz. 15, 25.
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II. ALG II/Sozialgeld/Sozialhilfe – Rückgriff des Leistungsträgers
Zu 4) S. dazu ausführlich Kap. C Rz. 101.
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Zu 5) Die Wirksamkeit des Forderungsübergangs setzt voraus, dass der Unter- 63 haltspflichtige nicht selbst sozialhilfebedürftig ist oder dies durch die Unterhaltsgewährung werden würde. Zur Klärung der Wirksamkeit des Übergangs fordert das Sozialamt regelmäßig den Unterhaltspflichtigen auf, Auskunft über sein Einkommen und Vermögen zu erteilen und führt dann eine sozialrechtliche Vergleichsberechnung durch (Rz. 66 ff.). Zu 6) Teilweise regelt das Gesetz den Übergang nur in Höhe eines gekürzten Er- 64 stattungsanspruchs: Wird z.B. Eingliederungshilfe für ein behindertes volljähriges Kind gewährt, sieht das Gesetz im Interesse der unterhaltspflichtigen Eltern vor vornherein nur den Übergang eines gekürzten Anspruchs vor, um die in diesen Fällen üblicherweise sehr hohen Kosten für die Verpflichteten sozialverträglich zu gestalten. Werden in anderen Fällen Leistungen nach dem 3. und 4. Kapitel erbracht, gilt § 105 Abs. 2 SGB XII entsprechend, wonach aufgewendete Wohnkosten, mit Ausnahme der Kosten für die Heizungs- und Warmwasserversorgung, in Höhe von 56 % der Rückforderung nicht unterliegen (§ 94 Abs. 1 Satz 6 SGB XII). D.h., das Sozialamt kann die Kosten für Heizung und Warmwasser sowie 44 % der Wohnkosten erstattet verlangen. 65
Beispiele – Dem behinderten volljährigen K wird im Jahr 2011 eine mtl. Eingliederungshilfe und Hilfe zum Lebensunterhalt durch vollstationäre Unterbringung i.H.v. mindestens 6 300 Euro mtl. gewährt. Nach § 94 Abs. 2 Satz 2 SGB XII verlangt der Leistungsträger für einen Zeitraum von 7 Monaten des Jahres 2011 die Erstattung von monatlich 31,06 Euro für die Hilfe zum Lebensunterhalt und für die Hilfe zur Pflege mtl. 23,90 Euro, zusammen 54,96 Euro. Davon entfallen auf jeden Elternteil mtl. 27,48 Euro, so dass für 7 Monate von jedem Elternteil 192,36 Euro zu zahlen sind. Bei der Berechnung der Tagessätze sind die in § 94 Abs. 2 Satz 1 SGB XII genannten Beträge von mtl. 26 Euro und 20 Euro um den Vomhundertsatz zu erhöhen, um den sich das Kindergeld seit Inkrafttreten des Gesetzes v. 30.3.2005 erhöht hat (§ 94 Abs. 2 Satz 3 SGB XII). Soweit der Vater von K die Zahlung unter Hinweis auf die Auskehrung des Kindergeldes an den Betreuer des Kindes abgelehnt hat, ist das KG dem nicht gefolgt, denn durch die Auskehrung des Kindergeldes ist der Bedarf nur zu einem geringen Teil gedeckt, so dass sich dies nicht auf die Höhe der Erstattungsbeträge auswirkt.1 – F lebt von M getrennt und erhält ergänzend zu ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente vom Sozialamt für Wohnkosten 400 Euro, wovon 60 Euro auf Heizungs- und Warmwasserkosten entfallen. Der Unterhaltsanspruch der F nach § 1361 BGB geht nur in Höhe von 209,60 Euro auf das Sozialamt über: 400 Euro – 60 Euro (Heizung + Warmwasser) = 340 Euro * 56 % = 190,40 Euro. Da der Anspruch nicht in Höhe von 190,40 Euro übergeht, darf das Sozialamt nur die Rückerstattung von 400 Euro – 190,40 Euro = 209,60 Euro verlangen. Einfacher kann gerechnet werden: 400 – 60 = 340 * 44 % = 149,60 + 60 = 209,60 Euro.
b) Sozialhilferechtliche Vergleichsberechnung und Prüfung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit des Verpflichteten Der Leistungsträger hat für seine Entscheidung, ob er die Rückerstattung der 66 Leistungen vom Unterhaltspflichtigen verlangen kann, immer zunächst zu prüfen, ob ein Anspruch überhaupt kraft Gesetzes auf ihn übergegangen ist, also ob
1 KG, FamRZ 2013, 1336.
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einer der gesetzlich geregelten Ausschlussgründe vorliegt, und in welcher Höhe. Weiterhin ist eine Prüfung erforderlich, inwieweit der Verpflichtete nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben leistungsfähig ist, denn durch den gesetzlichen Forderungsübergang ändert sich nicht die Rechtsnatur des Unterhaltsanspruchs und Unterhalt wird nur geschuldet nach Leistungsfähigkeit des Verpflichteten. Zwar ist der Unterhaltsgläubiger nur darlegungs- und beweispflichtig für den Bedarf und die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten, nicht hingegen die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen (s.Kap. C Rz. 2). Gleichwohl ist die Prüfung der Einkommensverhältnisse und Leistungsfähigkeit nach bürgerlichem Unterhaltsrecht notwendig, um das Kostenrisiko einer verfahrensrechtlichen Durchsetzung des Anspruchs vor dem FamG zu prüfen. 67
Û
Praxishinweis: Reagiert der Verpflichte nicht auf das Auskunftsersuchen des Leistungsträgers oder des Unterhaltsberechtigten, so hat das FamG dies zu Lasten des Verpflichteten bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen (§ 243 Nr. 2 FamFG). Es ist deshalb für den Anspruchsteller sinnvoll, im Verfahren zur Säumigkeit des Verpflichteten vorzutragen und die Angaben auch zu belegen. Will der Gegner seine Verantwortlichkeit bestreiten, dann ist er darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass entweder eine Auskunftspflicht nicht bestand oder ihn kein Verschulden an der unzureichenden vorgerichtlichen Auskunftserteilung trifft.1 Der Gegner hat auch dann die Kosten zu tragen, wenn die im Verfahren erteilte Auskunft dazu führt, dass der Antrag zurückgenommen wird.2
68 Zur Klärung des Einkommens und Vermögens des Verpflichteten stellt der Leis-
tungsträger eine sozialhilferechtliche Vergleichsberechnung an. Insoweit sind die §§ 82–84 SGB XII i.V.m. der DVO zu § 82 SGB XII maßgebend. 69 Dazu werden vom Bruttoeinkommen die gesetzlichen Abzüge abgesetzt (Steu-
ern, Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung, § 82 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB XII). Abziehbar sind berufsbedingte Aufwendungen (§ 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII i.V.m. § 3 der DVO zu § 82 SGB XII), wie z.B. notwendige Aufwendungen für Arbeitsmittel in Höhe eines Pauschbetrags von 5,20 Euro oder ein höherer Betrag bei konkretem Nachweis, aber auch Kosten für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entweder in Höhe der tariflich günstigsten Zeitkarte für öffentliche Verkehrsmittel oder Kosten für den PKW in Höhe einer mtl. Pauschale von 5,20 Euro pro Kilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (jedoch nicht mehr als 40 Kilometer), ferner Beiträge für Berufsverbände oder z.B. Kosten für eine doppelte Haushaltsführung. Schuldverbindlichkeiten werden nicht abgezogen, weil es nicht Aufgabe der Sozialhilfe ist, Schulden des Hilfeempfängers zu tilgen.3 Ihre Berücksichtigungswürdigkeit wird jedoch bei der Angemessenheit der Inanspruchnahme gemäß § 87 Abs. 1 SGB XII geprüft.4 Wegen weiterer Einzelheiten der sozialrechtlichen Einkommens- und Vermögensermittlung und Vergleichsberechnung können neben der einschlägigen Fachliteratur zum SGB XII auch die internen Arbeitsanweisungen des zuständi-
1 2 3 4
Prütting/Helms/Bömelburg, § 243 Rz. 20, 21. BGH, FamRZ 2011, 1933 Tz. 23. BVerwGE 55, 148 ff. Heiß/Born/Hußmann, Kap. 16 Rz. 121.
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II. ALG II/Sozialgeld/Sozialhilfe – Rückgriff des Leistungsträgers
gen kommunalen Leistungsträgers zu Rate gezogen werden, die meist im Internet veröffentlicht sind.1 Für die Entscheidung über die unterhaltsrechtliche Inanspruchnahme hat der 70 Leistungsträger neben den Tatbestandvoraussetzungen des maßgeblichen Unterhaltsanspruchs die deutlich höheren Eigenbedarfssätze des Unterhaltspflichtigen nach den Leitlinien der OLG zu beachten. Die Höhe der Eigenbedarfssätze ist für die unterschiedlichen Unterhaltsansprüche in Nr. 21 der LL der OLG geregelt. Abzustellen ist auf die jeweils für den maßgeblichen Unterhaltszeitraum geltenden Sätze in den Leitlinien. Im Rahmen des Kindesunterhalts kann der Eigenbedarf eines unterhaltspflichtigen Elternteils, der gegenüber Volljährigen nach dem Stand zum 1.1.2014 1 200 Euro beträgt, ausnahmsweise mit dem höheren Eigenbedarf beim Elternunterhalt, also 1 600 Euro, bemessen werden, wenn ein volljähriges Kind bereits wirtschaftlich selbständig war und dann z.B. wegen Alkohol- oder Drogensucht erwerbsunfähig und damit unterhaltsbedürftig wird.2 Nicht erfolgversprechend ist ein Rückgriff, wenn die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nur mit der Zurechnung eines fiktiven Einkommens begründbar ist, denn die Grundsätze über die Zurechnung fiktiven Einkommens gelten nicht im Rahmen von Unterhaltsansprüchen, die auf den Sozialhilfeträger übergegangen sind oder übergeleitet wurden.3 c) Ausschluss wegen unbilliger Härte Im Rahmen des Anspruchsübergangs nach § 94 SGB XII gilt – anders als beim 71 Anspruchsübergang nach § 33 SGB II, dass der Forderungsübergang wegen unbilliger Härte ausgeschlossen sein kann (§ 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII). Wann eine unbillige Härte vorliegt, ist im Wege der Gesetzesauslegung zu bestimmen. Dabei sind für die Auslegung immer zu beachten die Zielsetzung der öffentlichen Hilfe und die Grundsätze des Sozialhilferechts. Als Kriterien für die unbillige Härte sind von der Rechtsprechung und Literatur entwickelt worden u.a.: Dauer und Höhe der bisherigen und zukünftigen Unterhaltsbelastung; Betreuung und Pflege des Hilfeempfängers durch den Unterhaltsverpflichteten vor der Gewährung der Sozialhilfe über das Maß seiner zumutbaren Unterhaltspflicht hinaus;4 Ausmaß der Pflegebedürftigkeit, teilstationäre Unterbringung, Höhe des Einkommens des Verpflichteten, Alter des Unterhaltsberechtigten, Einkommen und familiäre Belastungen des Unterhaltspflichtigen durch die Unterhaltspflicht.5 Vgl. dazu die Rechtsprechungsbeispiele unter Kap. C Rz. 114. 1 So z.B. die Gemeinsame Arbeitsanweisung der Berliner Bezirksämter – Sozialämter – über den Einsatz von Einkommen nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs. Ausführlich dazu mit Berechnungsbeispielen aus der unterhaltsrechtlichen Literatur: Wendl/Dose/Klinkhammer, § 8 Rz. 91 ff.; Koch/Margraf, Rz. 6070 ff. 2 BGH, FamRZ 2012, 1553 Tz. 16; 2012, 530 Tz. 20. 3 BGH, FamRZ 1998, 818. 4 BGH, FamRZ 2010, 1888 Tz. 45 ff.; OLG Oldenburg, NJW 2010, 1293. 5 OLG Köln, FamRZ 1997, 53; Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge für die Heranziehung Unterhaltspflichtiger in der Sozialhilfe, FamRZ 2000, 788 ff. Nr. 12 ff.; Schellhorn, FuR 1993, 261 (266); OLG Koblenz, FamRZ 2001, 1237 ff. zur Bewertung der Unterhaltsbelastung im Verhältnis Eltern zu behinderten Kindern; OLG Frankfurt, FamRB 2002, 137 (138) zur Bewertung von Störungen bei zwischenmenschlichen Belangen. Das OLG Hamm, Urt. v. 6.8.2008 – 2 UF 241/08, FamRZ 2010, 303 will familiäre Belange im Rahmen von § 94 III SGB XII nur berücksichtigen, wenn auch soziale Belange berührt sind, da den familiären Belangen bereits durch § 1611 BGB Rechnung getragen sei, m.w.N.
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H. Spezialprobleme
72 Der Sozialhilfeträger hat die Einschränkung des Übergangs von Amts wegen zu
berücksichtigen, wenn er von ihren Voraussetzungen durch vorgelegte Nachweise oder auf andere Weise Kenntnis erlangt (§ 94 Abs. 3 Satz 2 SGB XII). 73 Kommt es zum Unterhaltsstreitverfahren, liegt die Entscheidung darüber, ob die
tatsächlichen Voraussetzungen einer unbilligen Härte und damit eines Ausschlusses gemäß § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII vorliegen, beim Familiengericht.1 Eine Bindung an die Einschätzung des Sozialhilfeträgers besteht nicht, wenn der Forderungsübergang nicht durch Verwaltungsakt, sondern kraft Gesetzes auf den Sozialhilfeträger übergeht. d) Verwirkung von Unterhaltsansprüchen nach bürgerlichem Recht 74 Der Schuldner behält auch nach dem Forderungsübergang die ihm zustehenden
Einwendungen und Einreden aus dem Unterhaltsrechtsverhältnis. Dies gilt für den Einwand der Verwirkung wegen grober Unbilligkeit, der in allen in Betracht kommenden Unterhaltsrechtsverhältnissen, ausgenommen gegenüber minderjährigen Kindern (§ 1611 Abs. 2 BGB), geltend gemacht werden kann (§§ 1361 Abs. 3, 1579 BGB, §§ 12, 16 LPartG i.V.m. §§ 1361 Abs. 4 und 1579 BGB). Insoweit wird auf die entsprechenden Ausführungen zu den maßgeblichen Unterhaltsrechtsverhältnissen Bezug genommen. 75 Das Recht, rückständigen Unterhalt geltend zu machen, kann auch nach § 242
BGB verwirkt sein, wenn der Leistungsträger sein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre und der Verpflichtete sich aufgrund des gesamten Verhaltens des Berechtigten darauf einrichten durfte und darauf eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Vgl. dazu Kap. A Rz. 378 ff.
III. Rückforderung zu viel gezahlten Unterhalts 1. Freiwillige Unterhaltszahlungen 76 Wird Unterhalt freiwillig gezahlt und stellt sich später heraus, dass die Zahlung
überhöht war, bestehen i.d.R. keine Rückforderungsansprüche. Bei Familienund Trennungsunterhalt ergibt sich dies aus der gesetzlich geregelten Vermutung des § 1360b BGB i.V.m. § 1361 Abs. 4 BGB, wonach im Zweifel anzunehmen ist, dass der Unterhalt leistende Ehegatte nicht beabsichtigt, von dem anderen Ersatz zu verlangen. Anderes gilt nur, wenn der Unterhaltspflichtige sich die Rückforderung vorbehalten hat, wofür er beweispflichtig ist. Dann richtet sich der Anspruch nach Bereicherungsrecht. Hat der Unterhaltsberechtigte aufgrund falscher Angaben Anlass für eine überhöhte Zahlung gegeben, kann ein Schadensersatzanspruch in Betracht kommen (§ 826 BGB sowie § 823 Abs 2 BGB i.V.m. § 263 StGB). 2. Überzahlungen während eines laufenden Unterhaltsverfahrens 77 Wird über die Höhe des zu zahlenden Unterhalts im Erstverfahren gestritten
und erweist sich der vom Schuldner laufend gezahlte Unterhalt als zu hoch, kann im vermuteten Einverständnis der Parteien eine Verrechnung im Rahmen 1 BGH, FamRZ 2003, 1468 (1470); OLG Frankfurt, OLGR 2002, 25 (27).
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III. Rückforderung zu viel gezahlten Unterhalts
einer Rückstandsberechnung wegen Unterhalts für die Zeit bis zur mündlichen Verhandlung erfolgen.1 Ist der Unterhalt vorläufig im Wege einer einstweiligen Anordnung nach 78 §§ 246 ff., 119 Abs. 1, 49–57 FamFG (s. Kap. K Rz. 410 ff.) tituliert worden und erweist sich der aufgrund der vorläufigen Regelung gezahlte Unterhalt später als zu hoch, so dass im Hauptsacheverfahren ein geringerer Unterhalt zugesprochen wird, kommt zugunsten des Verpflichteten ein Anspruch auf Rückzahlung wegen ungerechtfertigter Bereicherung gegenüber dem Unterhaltsgläubiger in Betracht: Da erst die Endentscheidung in der Hauptsache über den Rechtsgrund befindet und diese ab Rechtskraft die Rechtsgrundlage für den bereits gezahlten Unterhalt darstellt,2 ist der überzahlte Unterhalt ohne Rechtsgrund geleistet worden. Denn die einstweilige Anordnung bietet dem Unterhaltsgläubiger nur eine einstweilige Vollstreckungsmöglichkeit, ohne den Anspruch rechtsverbindlich festzulegen. Den ohne Rechtsgrund geleisteten überzahlten Unterhalt kann der Unterhaltsschuldner grundsätzlich nach Bereicherungsrecht zurückverlangen (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Allerdings kann sich der Unterhaltsempfänger auf den Wegfall der Bereicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB berufen, wenn er die Überzahlung für seinen Lebensbedarf verbraucht hat. Soweit der Leistungsempfänger seine Schulden mit dem überzahlten Unterhalt getilgt hat, ist er auch um diese Beträge entreichert, wenn ihm insoweit kein Vermögensvorteil verblieben ist, weil er die Schulden auch sonst unter Einschränkung seines Lebensstandards getilgt hätte.3 Kann der Unterhaltsschuldner im Abänderungsverfahren nach § 54 FamFG nicht erreichen, dass die einstweilige Anordnung aufgehoben oder der Zahlbetrag verringert wird, besteht für ihn die Möglichkeit das Hauptsacheverfahren einzuleiten und zugleich einen Antrag auf Rückzahlung der zu viel gezahlten Beträge zu stellen. Hat der Unterhaltsgläubiger den Antrag auf das Hauptsacheverfahren gestellt, 79 kann der Unterhaltspflichtige nicht nur den Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Anordnung und Abweisung des Zahlungsantrags stellen (Kap. K Rz. 462 ff.), sondern auch mit einem Widerantrag nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 33 ZPO – die Rückzahlung des überzahlten Unterhalts an sich verlangen. Dabei ist erforderlich, dass der Antrag auf Rückzahlung beziffert wird.4 S. das nachfolgende Beispiel unter Rz. 82. Damit kann er sich gegen den Einwand der Entreicherung schützen, denn bei beiden Varianten haftet der Unterhaltsempfänger verschärft für die Rückzahlung zu viel gezahlten Unterhalts ab Rechtshängigkeit des Bereicherungsantrags und kann sich nicht mehr auf den Wegfall der Bereicherung berufen (§ 818 Abs. 4 BGB). Allerdings geht der Unterhaltsschuldner bei dieser Vorgehensweise ein nicht unerhebliches Kostenrisiko ein, da meist noch ungewiss ist, wie das Gericht in der Unterhaltsstreitsache entscheiden wird. In dem Zusammenhang kann von Interesse sein, ob nicht schon ein Abänderungsantrag nach § 54 FamFG die verschärfte Haftung des Unterhaltsgläubigers nach § 818 Abs. 4 BGB auslösen kann. Dies hängt davon ab, ob § 241 FamFG, nach dem die verschärfte Haftung des Unterhaltsgläubigers 1 2 3 4
BGH, FamRZ 1985, 908; Wendl/Dose/Gerhardt, § 6 Rz. 202. BGH, NJW 2000, 740 ff. = FamRZ 2000, 751 ff.; Heiß/Born, Kap. 25, Rz. 353 ff. BGH, FamRZ 1992, 1152 ff. So u.a. Heiß/Born, Kap. 8, Rz. 22; Wendl/Dose/Gerhardt, § 6 Rz. 223 Wendl/Dose/ Schmitz, § 10 Rz. 381 zur Zulässigkeit des über die bloße Negation des Antrags hinausgehenden Widerantrags.
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H. Spezialprobleme
nach § 818 Abs. 4 BGB auch ab Rechtshängigkeit eines Abänderungsantrags nach den §§ 238–240 FamFG eintritt, entsprechend auf den Antrag auf Abänderung der einstweiligen Anordnung nach § 54 FamFG angewendet werden kann, s. dazu Kap. K Rz. 492 ff. und Rz. 384 Gegen eine analoge Anwendung spricht, dass eine Regelungslücke nicht erkennbar ist und der Schuldner über § 52 Abs. 2 FamFG eine zügige Überprüfung der einstweiligen Anordnung bewirken kann.1 80 Beruht die Zuvielzahlung des Unterhalts darauf, dass der Unterhaltsgläubiger
aus der sich später als unrichtig erweisenden einstweiligen Anordnung vollstreckt hat, kommen zugunsten des Unterhaltsschuldners Schadensersatzansprüche aus Vollstreckungsrecht (§ 945 ZPO) nicht in Betracht.2 Dies hatte der BGH schon zu Recht nach bis zum 31.8.2009 geltendem Recht verneint im Hinblick auf das schützenswerte Interesse des Unterhaltsgläubigers, den vorläufig zugesprochenen Unterhalt auch tatsächlich zweckbestimmt für den Lebensbedarf verwenden zu können, zumal dem Unterhaltsschuldner ausreichend andere rechtliche Mittel zur Verfügung stehen, sich vor einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme zu schützen.3 Nichts anderes gilt nach § 119 Abs. 1 Satz 2 FamFG, denn er ordnet die entsprechende Anwendung von § 945 ZPO nur für Familienstreitsachen des § 112 Nr. 2 und 3 FamFG an, nicht aber für Unterhaltsstreitverfahren (Kap. K Rz. 492, 384). 81 Möglich ist jedoch für den Verpflichteten zur Vermeidung eines kostenerhöhen-
den Gegenantrags (Widerklage), dem Unterhaltsgläubiger ein zins- und tilgungsfreies Darlehen in Höhe des streitigen Betrages anzubieten und auf die Rückzahlung für den Fall zu verzichten, dass das Gericht durch Beschluss die Höhe des zu zahlenden Unterhalts in Höhe des streitigen Betrags bestätigt, s.u. Rz. 92. 82
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Praxishinweis: Wird die Rückzahlung überzahlten Unterhalts verlangt, kann der Antrag, wenn er widerklagend im Hauptsacheverfahren gestellt wird, wie folgt formuliert werden: Die Antragstellerin wird verpflichtet, an den Antragsgegner den an sie von der Zustellung dieses Antrags bis zur Rechtskraft der Endentscheidung in diesem Verfahren gezahlten Unterhalt in Höhe von monatlich 200 Euro zurückzuzahlen.
83 Bei erheblicher Überzahlung von Trennungsunterhalt kann, wenn sich später
die Unrichtigkeit der einstweiligen Anordnung erweist, aus Billigkeitsgründen nach § 1381 BGB ein in Betracht kommender Zugewinnausgleichsanspruch der Ehefrau um den zu viel gezahlten Betrag gekürzt werden.4 3. Überzahlung bei unrichtig gewordenen Unterhaltstiteln 84 Wird Unterhalt aufgrund eines rechtskräftigen Beschlusses gezahlt und stellt
sich später die Unrichtigkeit des Titels heraus, kommt eine Rückforderung des zu viel gezahlten Unterhalts wegen der Rechtskraft des Unterhaltsbeschlusses (früher Urteils), nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht. Beruht die Unrichtigkeit des Titels auf vorwerfbar falschen Angaben des Unterhaltsberech1 2 3 4
So Zöller/Feskorn, § 56 FamFG Rz. 8. BGH, NJW 2000, 740 ff. = FamRZ 2000, 751–754, Heiß/Born, Kap. 8, Rz. 7 ff. BGH, NJW 2000, 740 (742). Vgl. OLG Köln, FamRZ 1998, 1370 (1372): OLG Celle, FamRZ 1981, 1066 (1069); Haußleiter/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, I, Rz. 433, 434.
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III. Rückforderung zu viel gezahlten Unterhalts
tigten, besteht für den Unterhaltspflichtigen die Möglichkeit, Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung z.B. wegen Prozessbetrugs (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB) oder wegen vorsätzlich sittenwidriger Ausnutzung eines unrichtig gewordenen Vollstreckungstitels (§ 826 BGB) geltend zu machen, wobei der Unterhaltspflichtige für die tatsächlichen Voraussetzungen darlegungsund beweispflichtig ist.1 Beantragt der Schuldner die Abänderung des Titels wegen wesentlich geänderter 85 Verhältnisse, die rückwirkend höchstens bis zu einem Jahr vor Rechtshängigkeit des Abänderungsantrags möglich ist (§ 238 Abs. 3 Satz 1 FamFG), (s. Kap. K Rz. 359 ff. zu den Voraussetzungen der rückwirkenden Herabsetzung im Abänderungsverfahren), kann er sich während des laufenden Verfahrens mit dem Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen die weitere Inanspruchnahme auf überhöhte Unterhaltszahlungen aus dem abzuändernden Beschluss/Urteil schützen (§ 242 FamFG i.V.m. § 769 ZPO in entsprechender Anwendung, s. Kap. K Rz. 385 f., Kap. K Rz. 363 [Muster]). Die Rechtshängigkeit des Abänderungsverfahrens hat weiterhin zur Folge, dass dem Unterhaltsgläubiger ab diesem Zeitpunkt der Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 4 BGB kraft Gesetzes gemäß § 241 FamFG abgeschnitten ist. Dies folgt aus dem seit 1.9.2009 geltenden § 241 FamFG, nach dem die Rechtshängigkeit eines auf Herabsetzung gerichteten Abänderungsantrags bei der Anwendung des § 818 Abs. 4 BGB der Rechtshängigkeit einer Klage auf Rückzahlung der geleisteten Beträge gleichsteht (s. dazu Kap. K Rz. 380 ff.). D.h., soweit das Gericht dem Abänderungsbegehren stattgibt, haftet der Unterhaltsempfänger ab Rechtshängigkeit für die Rückzahlung zu viel gezahlter Beträge verschärft, und kann sich nicht mehr auf den Verbrauch des Geldes, also die Entreicherung, berufen. Zur Verzinsung der Forderung, s. Kap. K Rz. 383. Aufgrund dieser seit 1.9.2009 geltenden Regelung ist es nicht mehr notwendig, 86 dass der Abänderungsantragsteller – um die Rechtswirkung des § 818 Abs. 4 BGB herbeizuführen – gleichzeitig mit seinem Abänderungsantrag wegen des strittigen Unterhaltsbetrags ein Bereicherungsverfahren nach § 812 Abs. 1 BGB in Höhe des Differenzbetrags zwischen dem tatsächlich geschuldeten und dem titulierten Anspruch einleiten muss.2 Dies hat den Vorteil, dass er sein Verfahrenskostenrisiko mindert, die Endentscheidung des Gerichts abwarten kann und damit Zeit gewinnt für die Klärung der Frage, ob er die Rückzahlung überhaupt verlangen will. Ggf. kann er nunmehr den Gegner – auch zur Vermeidung weiterer Kosten – zunächst außergerichtlich zur Rückforderung der gezahlten Beträge auffordern. Ist der Unterhalt in einer vollstreckungsfähigen Urkunde, wie z.B. einem ge- 87 richtlich oder notariell beurkundeten Vergleich, einer Jugendamtsurkunde, tituliert und erweist sich der Titel nachträglich aufgrund einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse als unrichtig, kann der Unterhaltsschuldner mit dem Abänderungsverfahren den Titel rückwirkend auch für eine längere Zeit als ein Jahr vor Rechtshängigkeit des Abänderungsantrags abändern lassen, d.h. von dem Zeitpunkt an, ab dem sich die tatsächlichen Verhältnisse, die die Abänderung rechtfertigen, geändert haben (§ 239 FamFG, Kap. K Rz. 379). Wegen fehlender Rechtskraft des Titels gilt hier nicht die Zeitschranke des § 238 Abs. 3 1 BGH, FamRZ 1988, 270; 1986, 794. 2 BGH, FamRZ 1992, 1152 ff.
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FamFG. Für die Rückforderung zu viel gezahlten Unterhalts folgt daraus zwar, dass der Abänderungsantragsteller das Abänderungsverfahren sogleich mit einem bezifferten Rückzahlungsantrag wegen ungerechtfertigter Bereicherung verbinden und auch die Rückzahlung von Unterhalt für mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit des Abänderungsverfahrens beantragen könnte. Dies empfiehlt sich aber aus Kostengründen nicht unbedingt – oder sollte nur hilfsweise beantragt werden für den Fall des Obsiegens –,1 denn auch insoweit haftet der Unterhaltsempfänger erst ab Rechtshängigkeit des Abänderungsverfahrens verschärft nach § 818 Abs. 4 BGB (§ 241 FamFG) bzw. ab Rechtshängigkeit des Bereicherungsverfahrens. Insofern ist auch nicht hilfreich, dass der Bereicherte für die Einwendung der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB darlegungs- und beweispflichtig ist, denn dies wird ihm i.d.R. nicht schwer fallen, weil Unterhalt seiner Zweckbestimmung nach der Begleichung des laufenden Lebensunterhalts dient, so dass eine tatsächliche Vermutung für die Entreicherung spricht.2 Zwar kann auch für die Zeit vor Rechtshängigkeit der Bereicherungsklage eine verschärfte Haftung nach § 819 Abs. 1 i.V.m. § 818 Abs. 4 BGB von dem Zeitpunkt an greifen, zu dem der Bereicherungsempfänger den Mangel des rechtlichen Grundes erfahren hat. Dazu muss er jedoch das Fehlen des rechtlichen Grundes selbst und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen gekannt haben; die bloße Kenntnis von Tatsachen, auf denen das Fehlen des Rechtsgrundes beruht, reicht nicht aus. Hatte der Unterhaltsschuldner bereits vorprozessual Rückforderungsansprüche in Aussicht gestellt, zum Beispiel aufgrund zusätzlicher Einkünfte des Berechtigten aus einer unzumutbaren Erwerbstätigkeit, wird dies im Hinblick auf die Kompliziertheit des Unterhaltsrechts und die durchaus fragliche Berücksichtigung dieser Einkünfte bei der Berechnung des Unterhalts nicht ausreichen, um den Vertrauensschutz nach § 818 Abs. 4 BGB auszuhebeln, es sei denn, ein Wegfall des Unterhaltsanspruchs wäre evident gewesen.3 88 Die verschärfte Haftung nach § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB ist auf Unterhaltsverein-
barungen, die den gesetzlichen Unterhaltsanspruch nur modifizieren, weder direkt noch entsprechend anwendbar.4 89 Ist der Kindes- oder Ehegattenunterhalt in einer einstweiligen Anordnung nach
§ 246 FamFG tituliert, besteht ebenfalls die Möglichkeit der rückwirkenden Beseitigung des Unterhaltstitels. Dies geschieht nicht im Wege des Abänderungsverfahrens, sondern mit dem negativen Feststellungsantrag, mit dem die Feststellung begehrt wird, dass kein oder ein nicht so hoher Unterhaltsanspruch, wie in der einstweiligen Anordnung geregelt, besteht (vgl. Kap. K Rz. 489). Ab Rechtskraft eines entsprechenden Feststellungsbeschlusses stellt dieser eine anderweitige Regelung i.S. des § 56 Abs. 1 FamFG dar. Der aufgrund der einstweiligen Anordnung zu viel gezahlte Unterhalt ist ohne Rechtsgrund geleistet worden und kann nach Bereicherungsrecht zurückverlangt werden, wobei für die Klärung der verschärften Haftung nach § 818 Abs. 4 BGB Anknüpfungspunkt immer die Rechtshängigkeit des Leistungsantrags nach § 812 BGB ist.5 90 Ob die in § 241 FamFG geregelte verschärfte Haftung ab Rechtshängigkeit eines
auf Herabsetzung gerichteten Abänderungsantragsverfahrens nach den §§ 238 – 1 2 3 4 5
Heiß/Born, Kap. 8 Rz. 21. BGH, FamRZ 1998, 951; 1992, 1152. BGH, FamRZ 1992, 1152 (1155). BGH, FamRZ 1998, 951. BGH, FamRZ 2000, 751.
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III. Rückforderung zu viel gezahlten Unterhalts
240 FamFG auch auf das Abänderungsverfahren nach § 54 FamFG für einstweilige Anordnungen entsprechende Anwendung findet, ist im Gesetz nicht geregelt und strittig.1 Die entsprechende Anwendung kommt aufgrund des Sinns und Zwecks der Regelung in Bezug auf die Interessenlage der Beteiligten nicht in Betracht, s. dazu Rz. 79; Kap. K Rz. 492, vgl. auch Kap. K Rz. 381. 4. Sicherung der Rückerstattung von Unterhalt bei nachträglicher Rentenbewilligung Beantragt ein unterhaltsbedürftiger Ehegatte die Zahlung von Unterhalt und ist 91 zunächst noch ungewiss, ob ein von ihm gestellter Antrag auf Erwerbsminderungsrente Erfolg haben wird, bleibt er zwar unterhaltsrechtlich unterhaltsbedürftig, der Verpflichtete kann ihm jedoch zur Abwendung der Bedürftigkeit und Vermeidung eines späteren Verfahrens auf Rückzahlung ein zins- und tilgungsfreies Darlehen mit der Verpflichtung anbieten, im Falle der endgültigen Ablehnung des Rentenantrags auf deren Rückzahlung zu verzichten. Wird die Rente bewilligt, ist der Unterhaltsberechtigte verpflichtet, das Darlehen in der Höhe der bewilligten Beträge zurückzuzahlen. Zur Sicherung des Anspruchs auf Rückzahlung solcher Darlehen kann der Anspruch auf Rentennachzahlung gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 SGB I auch abgetreten werden. Dem Unterhaltsberechtigten obliegt es nach Treu und Glauben, einen in dieser Weise angebotenen Kredit zur Behebung oder Verminderung seiner Bedürftigkeit aufzunehmen und zur Sicherheit auf Verlangen den Anspruch auf Rentennachzahlung abzutreten, denn er muss sich grundsätzlich aus seinen Einkünften und aus seinem Vermögen selbst unterhalten (§ 1577 Abs. 1 BGB). Ein begründeter Rentenanspruch stellt schon vor Bewilligung der Rente einen Vermögenswert dar; diesen kann der unterhaltsberechtigte Ehegatte in zumutbarer Weise wirtschaftlich nutzen.2 In Rechtsprechung und Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, 92 dass generell in den Fällen, in denen die Überzahlung von Unterhalt streitig ist, die Gewährung der Überzahlung als zins- und tilgungsfreies Darlehen, eine praktikable Möglichkeit zur Vermeidung eines Rückforderungsverfahrens darstellt, wenn das Darlehensangebot verbunden ist mit einer Verpflichtung, auf die Rückzahlung zu verzichten. Der Unterhaltsberechtigte ist bei einem solchen Angebot verpflichtet, sich darauf nach Treu und Glauben einzulassen.3 Hat der Unterhaltspflichtige aufgrund eines Beschlusses oder Urteils Unterhalt 93 gezahlt und erhält der Unterhaltsberechtigte später eine Rentennachzahlung aufgrund einer Rentenbewilligung, die auch auf dem Versorgungsausgleich beruht, hat der Unterhaltspflichtige, dessen Rente nachträglich gekürzt wurde, gegen den Unterhaltsberechtigten einen Ausgleichsanspruch auf Auskehrung der Rentennachzahlung in der Höhe, in der seine Rente wegen der Durchführung des Versorgungsausgleichs gekürzt wurde und er bereits Unterhalt gezahlt hat.4 Bei diesem Anspruch handelt es sich nicht um einen Rückerstattungsanspruch zu viel gezahlten Unterhalts nach § 812 Abs. 1 BGB, sondern um einen Erstat1 Für eine entsprechende Anwendung, Prütting/Helms/Bömelburg, § 241 Rz. 19; Zöller/ Lorenz, § 241 FamFG Rz. 4; Wendl/Dose/Schmitz, § 10 Rz. 444; a.A. Zöller/Feskorn, § 56 FamFG Rz. 8 m.w.N. 2 BGH, FamRZ 1992, 1152; 1989, 718; Wendl/Dose/Gerhardt, § 6 Rz. 222. 3 So BGH, NJW 2000, 740 (742); 1985, 1072; 1992, 2415; 1998, 2433; Zöller/Herget, § 717 ZPO Rz. 70; Heiß/Born, Kap. 8, Rz. 22; Wendl/Dose/Gerhardt, § 6 Rz. 222. 4 BGH, FamRZ 1998, 951.
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tungsanspruch eigener Art nach § 242 BGB auf Auskehrung der Rentennachzahlung, da der Berechtigte wusste, dass ihm dieser Betrag nicht zusteht, da er insoweit bereits Unterhalt von dem Verpflichteten erhalten hat. Den Entreicherungseinwand kann der Unterhaltsempfänger deshalb nicht geltend machen. 5. Aufrechnung 94 Nicht möglich ist es, bei Unterhaltsüberzahlungen einen Ausgleich dadurch
herbeizuführen, dass der Rückzahlungsanspruch gegen die laufenden Unterhaltsansprüche aufgerechnet wird, denn es gilt das Aufrechnungsverbot gemäß § 394 BGB. Danach darf mit einer Forderung, die der Pfändung nicht unterworfen ist, generell nicht aufgerechnet werden. Darunter fallen alle gesetzlichen Unterhaltsansprüche (§ 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO), seien es Rückstände, laufender Unterhalt oder Zinsforderungen, Abfindungsbeträge oder der Anspruch auf Erstattung steuerlicher Nachteile wegen Durchführung des begrenzten Realsplittings.1 Das Aufrechnungsverbot gilt auch im Verhältnis Schuldner und Neugläubiger, wenn der Neugläubiger aufgrund gesetzlichen Forderungsübergangs ein öffentlich-rechtlicher Leistungsträger ist.2 Eine Aufrechnung ist jedoch immer dann zulässig, wenn das Vollstreckungsgericht gemäß § 850b Abs. 2 und 3 ZPO die Pfändung zugelassen hat.3 95 Das Aufrechnungsverbot tritt ausnahmsweise zurück, soweit Treu und Glauben
dies erforderlich machen und der Schutzzweck der Norm, dem Unterhaltsberechtigten nicht seine Lebensgrundlage zu entziehen, durch die Aufrechnung nicht in Frage gestellt wird. Zulässig ist deshalb die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung, soweit diese aus demselben Lebenssachverhalt – hier dem Unterhaltsrechtsverhältnis – entstammen.4 96 Ebenfalls zulässig ist die Aufrechnung, wenn der Unterhaltsgläubiger arglistig
bei Empfang überhöhter Unterhaltszahlungen war oder eine Berufung auf das Aufrechnungsverbot rechtsmissbräuchlich ist, weil ihm bereits bei Erhalt des Unterhalts bekannt war, dass dieser zu hoch ist und er zur Rückzahlung verpflichtet sein würde. So kann sich der Unterhaltsgläubiger z.B. nicht nach Treu und Glauben auf das Aufrechnungsverbot gemäß § 394 BGB berufen, wenn die zur Verrechnung gestellten Überzahlungen darauf beruhen, dass er selbst rückwirkend eine Änderung der Steuerklassen beantragt und damit die Grundlagen für die vom Schuldner bereits geleisteten Unterhaltszahlungen nachträglich verändert hat.5 Nach der Rechtsprechung einiger OLG soll das Aufrechnungsverbot ebenfalls nicht gelten in den Fällen, in denen der Unterhaltsberechtigte aus einem später aufgehobenen vorläufig vollstreckbaren Titel vollstreckt hat und die Beträge nach §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO zurückzuzahlen sind.6 Diese Rechtsprechung ist abzulehnen, denn sie würde zu einer pauschalen Gleichbehandlung von Unterhaltsgläubigern führen, die zu viel Unterhalt erhalten haben, weil sie 1 2 3 4 5 6
BGH, FamRZ 1997, 544 (545). BGH, FamRZ 2013, 1202 Tz. 15, 25. Zu verfahrensrechtlichen Einzelheiten vgl. Wendl/Dose, § 6 Rz. 303. BGH, FamRZ 1993, 1186. OLG Hamm, NJW-RR 2004, 437. Palandt/Grüneberg, § 394 BGB Rz. 2; OLG Hamm, FamRZ 1999, 436; OLG Naumburg, FamRZ 1999, 436 (437); OLG Hamm, NJW-RR, 2004, 437; a.A. OLG Karlsruhe, NJW-RR 2002, 1158; OLG München, FamRB 2011, 38; Wendl/Dose, § 6 Rz. 311–312.
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IV. Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch
im Vertrauen auf die Richtigkeit aus einem vollstreckbaren Titel vollstreckt haben, mit solchen Gläubigern, die wissentlich überhöhten Unterhalt bezogen haben.
IV. Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch Ein Elternteil, der für den gesamten Unterhaltsbedarf gemeinsamer Kinder al- 97 lein aufkommt, obwohl der andere Elternteil ebenfalls zur Leistung verpflichtet und leistungsfähig ist, kann einen eigenständigen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch gegenüber dem barunterhaltspflichtigen Elternteil geltend machen. Der BGH hat diesen Ersatzanspruch im Wege der Rechtsfortbildung entwickelt, da für Eltern, die als Teilschuldner für den Unterhalt haften, für diese Fallkonstellation eine dem Gesamtschuldnerausgleich vergleichbare gesetzliche Regelung fehlt.1 Das Gesetz regelt lediglich den Rückgriff zugunsten des leistenden Elternteils, wenn der andere Elternteil sich der Leistung entzieht und eine Rechtsverfolgung im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist (§ 1607 Abs. 2 BGB). Ist der andere Elternteil leistungsunfähig, haftet der leistende Elternteil als gleichrangig Verpflichteter allein (§ 1606 Abs. 3 BGB), § 1607 Abs. 1 BGB greift nicht zu seinen Gunsten. Der BGH hat den Ersatzanspruch für geleisteten Unterhalt als familienrecht- 98 lichen Ausgleichsanspruch zwischen den Eltern bezeichnet, „der sich aus ihrer gemeinsamen Unterhaltspflicht und aus der naturgegebenen Notwendigkeit ergibt, die Unterhaltslast im Innenverhältnis zwischen ihnen entsprechend ihrem Leistungsvermögen gerecht zu verteilen“.2 Dabei wurden im Verlauf der Zeit folgende Kriterien für das Vorliegen des An- 99 spruchs entwickelt: – Der familienrechtliche Ausgleichsanspruch setzt voraus, dass der den Unterhalt leistende Elternteil mit seiner Leistung eine – im Innenverhältnis der Eheleute zueinander – an sich dem anderen Elternteil obliegende Verpflichtung gegenüber dem Kind erfüllt hat (BGH, FamRZ 1981, 761 [762]). – Der leistende Elternteil muss zu der Zeit, als er die Unterhaltsleistungen erbrachte, die Absicht gehabt haben, von dem anderen Elternteil Ersatz zu verlangen (BGH, FamRZ 1981, 761 [762]). – Der familienrechtliche Ausgleichsanspruch unterliegt bei der Geltendmachung den Schranken des § 1613 Abs. 1 BGB, da mit dem Ersatzanspruch wirtschaftlich betrachtet rückständiger Unterhalt geltend gemacht wird, so dass auch – wie im Verhältnis zu einem Dritten, der Unterhalt für vergangene Zeit vorgeschossen hat –, der dem § 1613 BGB zugrunde liegende Gedanke des Schuldnerschutzes durchgreift. „Der Verpflichtete soll in die Lage versetzt werden, sich in der Disposition seines Lebenszuschnitts auf die zu leistende Unterhaltszahlung einzurichten, und soll davor geschützt werden, überraschend mit einer zu hohen Rückständen aufgelaufenen Schuld konfrontiert zu werden“. (BGH, FamRZ 1984, 775 ff.). – Der Ausgleich für die Vergangenheit kann außer ab Verzug oder Rechtshängigkeit (entsprechend § 1613 Abs. 1 BGB) von dem leistenden Elternteil auch 1 BGHZ 31, 327 ff. = NJW 1960, 957 = FamRZ 1960, 194 ff. 2 BGHZ 31, 327 ff. = NJW 1960, 957 = FamRZ 1960, 194 ff.
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H. Spezialprobleme
von dem Zeitpunkt ab verlangt werden, zu dem er als gesetzlicher Vertreter des Kindes gegen den anderen Klage auf Kindesunterhalt erhoben hat (BGH, FamRZ 1989, 850 ff.). – Der Ersatzanspruch bezieht sich nur auf verauslagten Barunterhalt, nicht auf Ersatz für geleistete Betreuung (BGH, FamRZ 1994, 1102).1 100
Typische Fälle, die von der Rechtsprechung mit Hilfe des Ausgleichsanspruchs geregelt werden, sind z.B., dass ein Kind von einem Elternteil zum anderen wechselt oder während eines laufenden Unterhaltsverfahrens volljährig wird. Auch kann er in Betracht kommen, wenn ein Elternteil seiner Erwerbsobliegenheit nicht nachkommt und der leistende Elternteil für ihn einspringt, ohne ihn entlasten zu wollen.
101
Beispiele – Das Kind K lebt nach der Scheidung bei seiner Mutter, die als gesetzliche Vertreterin für K den Kindesunterhalt i.H.v. 315 Euro, zahlbar ab 1.1.2013 vom Vater erstreitet. V zahlt in der Folgezeit nicht. Das Kind wechselt zum 1.7.2013 zum Vater, der sich mit der Zahlung von Kindesunterhalt für 6 Monate im Verzug befindet. V beantragt als gesetzlicher Vertreter für S nun seinerseits die Zahlung von Barunterhalt von M für K ab 1.7.2013. M erkennt die Zahlungsforderung an. Sie verlangt von V die Erstattung für den von ihr geleisteten Barunterhalt für die Zeit vom 1.1.-30.6.2013. Ihr Zahlungsantrag hat Aussicht auf Erfolg. Sie hat V zwar nicht mit dem Ersatzanspruch in Verzug gesetzt, der entsprechenden Anwendung von § 1613 BGB im Interesse des Schuldnerschutzes ist aber bereits dadurch Genüge getan, dass M für diesen Zeitraum als gesetzliche Vertreterin den Unterhalt gegen V geltend gemacht hatte (BGH, FamRZ 1989, 850). – K (16 Jahre) verlangt von seinem arbeitslosen Vater V Unterhalt, der sich auf seine Leistungsunfähigkeit beruft. Das Gericht verurteilt ihn auf der Grundlage eines fiktiven Einkommens zur Zahlung von Barunterhalt. V leistet nicht, die Mutter M bestreitet auch den Barunterhalt des bei ihr lebenden Kindes. Vollstreckungsversuche blieben erfolglos. Da K mit Eintritt der Volljährigkeit eine Vollstreckung aus dem Titel ablehnt, V aber wieder über Einkommen aus Erwerbstätigkeit verfügt, kann M einen eigenen familienrechtlichen Ausgleichanspruch gegen V i.H. des geleisteten Barunterhalts geltend machen.
102
Der Ausgleichsanspruch, der wirtschaftlich einem Anspruch auf Unterhalt entspricht, unterliegt der dreijährigen Verjährungsfrist gem. §§ 195, 197 Abs. 2 BGB.2
1 A.A. Anm. Scholz zu BGH, FamRZ 1994, 1192 in FamRZ 1994, 1314; Wendl/Dose/ Scholz, § 2 Rz. 776. 2 BGHZ 31, 327 ff. = NJW 1960, 957 = FamRZ 1960, 194 ff. zur damals geltenden vierjährigen Verjährungsfrist für wiederkehrende Leistungen.
554 Ehinger
I. Auskunft und Vorlage von Belegen Inhaltsübersicht Rz.
Rz.
I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . . . 1. Personenkreis der Auskunftsberechtigten und -verpflichteten. . 2. Erforderlichkeit der Auskunft . . . . 3. Umfang der Auskunft. . . . . . . . . . . 4. Form der Auskunft . . . . . . . . . . . . .
2
III. Anspruch auf Vorlage von Belegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 IV. Eidesstattliche Versicherung . . . . . 42
2 11 16 29
V. Zur Häufigkeit der Auskunftserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 VI. Pflicht zur ungefragten Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
I. Überblick Im folgenden Kapitel werden die materiell-rechtlichen Grundlagen des Aus- 1 kunftsanspruchs erörtert. Hinweise zur praktischen Umsetzung des Auskunftsanspruchs finden sich in Kap. J unter Rz. 4 ff. (schriftliches Auskunfts- und Unterhaltsbegehren), insbesondere unter Kap. J Rz. 7, außerdem in Kap. K beim Auskunftsverfahren (Kap. K Rz. 301 ff.) und beim Stufenverfahren (Kap. K Rz. 314 ff.).
II. Auskunftsanspruch 1. Personenkreis der Auskunftsberechtigten und -verpflichteten Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, auf Verlangen einander über ihre 2 Einkünfte und ihr Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist (§ 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB). Diese Vorschrift soll einer Beweisnot abhelfen.1 Sowohl der Unterhaltsberechtigte als auch der Verpflichtete können sich vorab Klarheit über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des anderen verschaffen. Sie werden in die Lage versetzt, Unterhaltsbedürftigkeit und Leistungsfähigkeit jeweils richtig einzuschätzen und den Unterhaltsanspruch an den wirtschaftlichen Verhältnissen auszurichten.2 In manchen Fällen wird sich damit ein Unterhaltsverfahren von vornherein vermeiden lassen. Zumeist jedoch benötigt der Unterhaltsberechtigte die Auskunft, um vor Gericht seinen Unterhaltsbedarf darzulegen sowie zur Leistungsfähigkeit des Verpflichteten vorzutragen, und der Unterhaltsverpflichtete, um Einwendungen wirtschaftlicher Art gegen den erhobenen Anspruch vorzubringen.
Û
Praxishinweis: Im Unterhaltsverfahren trifft den Unterhaltsberechtigten die 3 Darlegungs- und Beweislast für seinen eigenen Bedarf und damit – wenn die Lebensstellung vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen geprägt ist, wie bei minderjährigen Kindern oder bei Ehegatten – auch für das bedarfsbestimmende Einkommen des in Anspruch genommenen Unterhaltsschuldners.3
1 BGH, FamRZ 1982, 680. 2 BT-Drucks. 7/650, S. 172. 3 OLG Karlsruhe, FamRZ 1990, 521 (523 f.).
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I. Auskunft und Vorlage von Belegen
Ausgenommen ist lediglich das minderjährige Kind, wenn es keinen höheren Unterhalt verlangt als den Mindestunterhalt seiner Altersstufe gemäß § 1612a Abs. 1 Satz 3 BGB. Es braucht die Höhe seines Bedarfs nicht anhand des Einkommens des Verpflichteten darzulegen, sondern muss nur angeben, in Höhe des geltend gemachten (Mindest-)Unterhalts bedürftig zu sein.1 (s. Kap. A Rz. 19) 4
Diese Erleichterung der Darlegungs- und Beweislast zugunsten des minderjährigen Kindes darf allerdings nicht dazu verleiten, den Mindestunterhalt des Kindes zu beantragen, ohne sich zuvor von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unterhaltsschuldners ein klares Bild zu verschaffen. Um die nachteilige Kostenfolge einer teilweise Antragsabweisung (§ 243 S. 2 Nr. 1 FamFG) zu vermeiden, sollte auch das minderjährige Kind seinen Auskunftsanspruch vorgerichtlich geltend machen (s. Kap. A Rz. 20).
5
Der Auskunftsanspruch steht den nach § 1601 BGB unterhaltsberechtigten bzw. -verpflichteten Verwandten wechselseitig zu. So ist beim Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seine Eltern der barunterhaltspflichtige Elternteil dem Kind zur Auskunft verpflichtet; umgekehrt muss auch das Kind Auskunft über seine Einkommensverhältnisse geben. Gleiches gilt, wenn Eltern gegenüber ihren Kindern Unterhaltsansprüche erheben müssen.
6
Getrennt lebende oder geschiedene Eheleute haben ebenfalls einen wechselseitigen Auskunftsanspruch. Für getrennt lebende Eheleute ist dieser Anspruch in § 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB, für geschiedene Eheleute in § 1580 BGB geregelt. Beide Vorschriften verweisen auf die Regelung des § 1605 BGB. Während des Zusammenlebens von Eheleuten folgt der wechselseitige Auskunftsanspruch aus § 1353 BGB, der Generalklausel hinsichtlich der Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft.2
7
Im Rahmen eines Unterhaltsrechtsverhältnisses sind auch Eltern untereinander zur Auskunft über ihr Einkommen und Vermögen verpflichtet. Macht ein Elternteil eines nichtehelichen Kindes Unterhaltsansprüche nach § 1615l BGB geltend, ist § 1605 BGB gemäß § 1615l Abs. 3 Satz 1 BGB entsprechend anwendbar. Eine Auskunftspflicht zwischen Eltern besteht darüber hinaus, wenn beide ihrem Kind gegenüber zum Barunterhalt verpflichtet sind. Das ist bei volljährigen Kindern regelmäßig (s. Kap. B Rz. 3 und 167 ff.), bei einem minderjährigen Kind ausnahmsweise der Fall, z.B. wenn es von Dritten betreut wird oder auch der betreuende Elternteil einen finanziellen Beitrag leisten soll (s. Kap. A Rz. 57 ff.). Dieser Anspruch folgt allerdings nicht aus § 1605 BGB, da Eltern zwar mit ihren Kindern, nicht aber miteinander verwandt sind. Der Anspruch ergibt sich vielmehr aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) als Folge der besonderen Rechtsbeziehung zwischen Eltern, die ihren gemeinsamen Kindern gleichrangig unterhaltsverpflichtet sind.3 Haften beide Eltern für den Barunterhalt ihres Kindes anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB), müssen sie das Einkommen des anderen Elternteils kennen, um ihren Haftungsanteil errechnen zu können.
1 BGH, FamRZ 2002, 536 (540) noch zum Bedarf nach der Regelbetrag-VO. 2 BGH, FamRZ 2011, 21. 3 BGH, FamRZ 1988, 268.
556 Rasch
II. Auskunftsanspruch
Aus denselben Gründen wird auch ein Auskunftsanspruch zwischen Geschwis- 8 tern bejaht, die auf Elternunterhalt in Anspruch genommen werden und dem unterhaltsbedürftigen Elternteil nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB gleichrangig und anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen haften.1 Der Auskunftsanspruch erstreckt sich auch auf das Einkommen der jeweiligen Ehegatten, soweit es sich auf die Haftungsquote der Geschwister auswirkt – was z.B. dann der Fall ist, wenn der Unterhaltspflichtige zusammen mit seinem Ehegatten vorrangige Unterhaltspflichten zu erfüllen hat (s. Kap. C Rz. 92–94). Ein Auskunftsanspruch gegen die Schwäger selbst besteht nicht.2
Û
Praxishinweis: Obwohl die Parteien wechselseitig zur Auskunft verpflichtet 9 sind, darf keiner von beiden die von ihm geschuldete Auskunft zurückhalten, bis der andere seinerseits Auskunft erteilt hat. Es besteht kein Zurückbehaltungs- oder Leistungsverweigerungsrecht (§ 273 BGB). Ein solches wäre mit dem Zweck des Auskunftsanspruchs, dem Unterhaltsberechtigten einen möglichst schnellen und einfachen Weg zur Unterhaltsberechnung zu eröffnen, nicht vereinbar.3
Das Leistungsverweigerungsrecht nach § 273 BGB soll den Schuldner lediglich 10 vor der Gefahr schützen, einseitig seine Leistung zu erbringen, ohne die ihm gebührende Gegenleistung zu erhalten.4 Ein solcher Schutz ist aber in all den Fällen nicht erforderlich, in denen sich die Leistungspflicht des Schuldners auf eine reine Auskunft beschränkt.5 Die einseitige Auskunftserteilung führt nämlich nur dazu, dass der Berechtigte nunmehr seinen Hauptanspruch berechnen und ggf. beziffern kann. Ein weitergehender Nachteil erwächst dem Auskunftsverpflichteten nicht. 2. Erforderlichkeit der Auskunft Der Auskunftsanspruch besteht nur, soweit die Auskunft zur Feststellung eines 11 Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltspflicht erforderlich ist (§ 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine Auskunft ist mithin immer dann geschuldet, wenn alle materiell-rechtlichen, von den wirtschaftlichen Verhältnissen unabhängigen Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs vorliegen und die Auskunft zur Feststellung bzw. zur Bemessung des Unterhalts benötigt wird. Letzteres ist in der Praxis regelmäßig der Fall. Denn die Auskunft dient der Klärung des Bedarfs und der Einschätzung der Leistungsfähigkeit gleichermaßen. Der tatsächlich geschuldete Unterhalt des minderjährigen Kindes bemisst sich nach dem Einkommen und der individuellen Leistungsfähigkeit des barunterhaltspflichtigen Elternteils. Das volljährige Kind muss das Einkommen beider Eltern kennen, um deren Haftungsanteile nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB zu errechnen. Auch die Be-
1 BGH, FamRZ 2003, 1836; OLG München, NJWE-FER 2000, 311. 2 BGH, FamRZ 2003, 1836 m. Anm. Strohal; OLG München, FamRZ 2002, 50. 3 H.M., vgl. z.B. MünchKomm.BGB/Born, § 1605 BGB Rz. 43; Erman/Hammermann, § 1605, Rz. 28; FamGB/Griesche, § 1605 BGB Rz. 5; OLG Köln, FamRZ 1987, 714; OLG München, FamRZ 1989, 284 (286); a.A. MünchKomm.BGB/Krüger, § 273 BGB Rz. 50: eine beiderseitige Leistungspflicht Zug um Zug diene gerade dem Interesse an vollständiger und baldiger Information. 4 Soergel/Wolf, § 273 Rz. 2. 5 BGH, NJW 1978, 1157 (für gesellschaftsrechtliche Auskunftsansprüche).
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I. Auskunft und Vorlage von Belegen
darfsbestimmung beim Ehegattenunterhalt setzt Kenntnis der Einkommensverhältnisse des anderen Ehepartners voraus. Der Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten wird nämlich nicht in einer absoluten Größe bemessen, vielmehr wird er maßgeblich durch die individuellen wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute bestimmt.1 Eine Pflicht zur Auskunft besteht mithin auch dann, wenn der Auskunftssuchende eigene Einkünfte in nicht unerheblicher Höhe bezieht. Denn die Frage, ob der nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Parteien angemessene Unterhaltsbedarf durch eigenes Einkommen gedeckt ist, kann letztlich erst beantwortet werden, wenn das Einkommen beider Parteien bekannt ist.2 12 Die begehrte Auskunft darf nur verweigert werden, wenn der Unterhaltsanspruch
nach Grund und Höhe unabhängig von dieser Auskunft festgestellt bzw. abgelehnt werden kann. So entfällt ein Anspruch auf Auskunft über die Einkünfte und das Vermögen des Unterhaltsverpflichteten, wenn die Parteien in wirtschaftlich so günstigen Verhältnissen gelebt haben, dass ein Teil der Einkünfte nicht für den laufenden Lebensunterhalt verwendet, sondern der Vermögensbildung zugeführt wurde, und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten – auch zur Zahlung hoher Unterhaltsbeträge an den Berechtigten – außer Streit steht. 13 Beispiel Die Finanzierung des bisherigen Lebensstandards der unterhaltsberechtigten Ehefrau erfordert monatlich ca. 9 500 Euro (Villa, Personal, Reitsport, Reisen etc.); die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten ist bei jährlichen Einkünften des Verpflichteten von mehr als 500 000 Euro garantiert. Für eine solche Fallgestaltung hat der BGH einen Auskunftsanspruch verneint.3
14 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung: Ein minderjähriges Kind braucht die
Höhe des Einkommens seines Vaters nicht zu kennen, wenn ihm ein monatlicher Unterhaltsbetrag zur Verfügung gestellt wird, der die höchsten Sätze der gültigen Unterhaltstabellen und -richtlinien deutlich übersteigt.4 Die Eltern eines vom Jugendamt in einer Einrichtung untergebrachten Kindes schulden einander keine Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse, weil der Unterhaltsbedarf ihres Kindes durch die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe gedeckt wird (§ 10 Abs. 2 S. 2 SGB VIII), die Eltern nicht mehr zum Barunterhalt verpflichtet sind, sondern ihrer wirtschaftlichen Verantwortung öffentlich-rechtlich durch die Zahlung von Kostenbeiträgen nachzukommen haben, die gemäß §§ 92 Abs. 2, 94SGB VIII nach ihrem jeweiligen Einkommen festgesetzt werden.5 15 Dagegen ist der häufig erhobene Einwand, der Unterhaltsanspruch sei nach
§ 1579 BGB verwirkt, im Rahmen des Auskunftsverfahrens regelmäßig irrelevant; denn nach § 1579 BGB ist grundsätzlich zu prüfen, ob ein Unterhaltsanspruch ganz oder nur teilweise zu versagen bzw. zeitlich zu begrenzen ist. Die
1 2 3 4 5
BGH, FamRZ 1982, 680. BGH, FamRZ 1982, 680. BGH, FamRZ 1994, 1169 ff. (Beträge geändert). BGH, FamRZ 1983, 473. OLG Bremen, FamRZ 2012, 316; BGH, FamRZ 2007, 377.
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II. Auskunftsanspruch
Beurteilung dieser Frage ist jedoch ohne Kenntnis der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen nicht möglich.1 3. Umfang der Auskunft Der Verpflichtete muss auf Verlangen des Berechtigten über seine Einkünfte und 16 sein Vermögen Auskunft erteilen (§ 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB). Einkünfte sind Einnahmen jeglicher Art, beispielsweise Erwerbs- und Rentenein- 17 künfte, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen, Unterhaltsleistungen, freiwillige Zuwendungen Dritter, Lohnersatz- und Sozialleistungen, Abfindungen, Steuerrückerstattungen, aber auch Einnahmen aus Schwarzarbeit oder anderer, rechtlich missbilligter Tätigkeit. Ob diese Einkünfte auch in die Ermittlung des Unterhaltbedarfs einfließen, ist eine andere Frage und für die Mitteilungspflicht i.d.R. unerheblich.2 Zu den Einkünften zählt der an einen Unterhaltspflichtigen zu leistende Famili- 18 enunterhalt. Aus diesem Grund hat der aus eigenen Einkommensverhältnissen nicht leistungsfähige verheiratete Unterhaltspflichtige Auskunft über das Einkommen seines Ehegatten zu erteilen. Jener ist ihm nach § 1353 BGB seinerseits zur Auskunft verpflichtet (s. Rz. 6) und hat es hinzunehmen, dass seine Einkommensverhältnisse – soweit erforderlich – dem Unterhaltsberechtigten bekannt gegeben werden.3 Die Einkünfte des Lohn- oder Gehaltsempfängers, also des Arbeitnehmers, be- 19 stehen aus dem Bruttoeinkommen einschließlich aller Zuschläge, unabhängig davon, ob diese sozialversicherungs- oder steuerpflichtig sind. Hierzu gehören die Überstundenvergütung, Nacht- und Feiertagszuschläge, Weihnachts- und Urlaubsgeld, vermögenswirksame Leistungen und alle sonstigen geldwerten Vorteile einschließlich der Sachbezüge. Des Weiteren muss der Arbeitnehmer die gesetzlichen Abzüge (Steuern und Sozialabgaben) nach Art und Höhe angeben. Es reicht nicht aus, wenn der Verpflichtete lediglich sein Nettoeinkommen mitteilt. Um allen Einkommensschwankungen (Weihnachtsgeld, Überstunden usw.) 20 Rechnung tragen zu können, müssen Arbeitnehmer regelmäßig Auskunft über die Einkommensverhältnisse des letzten Jahres vor Klageerhebung erteilen. Dabei wird zum Teil auf das zuletzt abgelaufene Kalenderjahr abgestellt,4 zum Teil werden die Einkommensnachweise der vorangegangenen 12 Monate verlangt.5 Beides ist rechtlich möglich.6 Für den Unterhaltsberechtigten ist es aber wichtig, über möglichst aktuelle Zahlen zu verfügen – schon wegen der Auskunftssperre nach § 1605 Abs. 2 BGB (s. Rz. 50). Sind Unterhaltsrückstande zu zahlen, 1 BGH, FamRZ 1983, 996; OLG München, FamRZ 1998, 741; a.A. Wendl/Dose, § 1 Rz. 1154, wenn ein Unterhaltanspruch sicher und unabhängig von der Höhe eines Anspruchs nicht in Betracht kommt. 2 Dem BGH, FamRZ 1985, 791, zufolge besteht allerdings keine Auskunftspflicht bezüglich eines nach der Scheidung durch einen Karrieresprung erzielten Arbeitsentgelts, welches die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt hat (problematisch). 3 BGH, FamRZ 2011, 21. 4 FamGB/Griesche, § 1605 BGB Rz. 13. 5 Schwab/Borth, Teil IV, Rz. 667. 6 BGH, FamRZ 2013, 935 Tz. 22.
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I. Auskunft und Vorlage von Belegen
kann Auskunft auch für den zurückliegenden Zeitraum verlangt werden. Zur Aktualisierung der Einkommensangaben im Lauf eines Unterhaltsverfahrens s. auch Rz. 50 bis 52 und Kap. K Rz. 193 ff. 21 Selbständige (Gewerbetreibende, Handwerker, Unternehmer, Freiberufler) dür-
fen sich ebenfalls nicht darauf beschränken, nur ihr Nettoeinkommen mitzuteilen. Sie müssen vielmehr detailliert Auskunft über ihre Einnahmen und Ausgaben erteilen. Anhand der Auskunft muss es möglich sein, die allein steuerrechtlich relevanten Aufwendungen von den unterhaltsrechtlich bedeutsamen abzugrenzen.1 Wegen der oft beträchtlichen Schwankungen des Gewinns hat sich die Auskunft über einen längeren Zeitraum – üblicherweise 3 Jahre vor Klagezustellung – zu erstrecken.2 Dabei kann die Auskunft nur für volle Kalenderjahre entsprechend den üblichen Geschäftsjahren nach § 243 HGB begehrt werden.3 Die anhand einer Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung zu erteilende Auskunft eines Selbständigen muss 6 Monate nach Ablauf des Geschäftsjahrs vorliegen.4 22
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Praxishinweis: Von einem Selbständigen sollte Auskunft für die letzten 3 Geschäftsjahre gefordert werden, damit der Unterhaltsberechnung möglichst aktuelle Zahlen zugrunde liegen. Allerdings kann der Auskunftsberechtigte erst vom 1.7. eines Jahres an verlangen, dass der Jahresabschluss und die Steuererklärung für das Vorjahr bereits vorliegen. So muss sich der Auskunftsberechtigte beispielsweise im Mai 2014 noch mit einer Auskunft für die Zeit von 2010 bis 2012 zufriedengeben.
23 Die für Selbständige entwickelten Anforderungen gelten auch für die Auskunft
bei anderen, der Höhe nach schwankenden Einkunftsarten wie Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und Kapitaleinkünften. 24 Die Vermögensauskunft muss den Guthaben- und den Schuldenstand an einem
bestimmten Stichtag benennen. Dabei gehen Rechtsprechung und Literatur überwiegend davon aus, dass sich die geschuldete Auskunft nur auf diesen einen Stichtag bezieht und keine Rechenschaft über den Verbleib früheren Vermögens geschuldet ist.5 Bei etwaigen Zweifeln an der Richtigkeit der erteilten Auskunft steht das Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 259 Abs. 2, § 260 Abs. 2 BGB zur Verfügung. Dementsprechend können fehlende Angaben zur Verwendung von früherem Kapitalvermögen dazu führen, dass dem Antrag des Auskunftsberechtigten auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung stattgegeben wird.6 25
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Praxishinweis: Es empfiehlt sich für den Unterhaltsberechtigten, zur Vermeidung von Vermögensverschiebungen als Stichtag einen Tag zu wählen,
1 Zum Umfang des Auskunftsanspruchs gegen einen Selbständigen vgl. KG, FamRZ 1997, 360. 2 BGH, FamRZ 1983, 680; 1983, 996; OLG München, FamRZ 1992, 1207; KG, FamRZ 1997, 360. 3 OLG München, FamRZ 1992, 1207. 4 OLG Bamberg, FamRZ 1989, 423; auch OLG München, FamRZ 1992, 1207; offengelassen von BGH, FamRZ 2014, 290 Tz. 18 f. 5 OLG Düsseldorf, FamRZ 1981, 893 (894); Palandt/Diederichsen, § 1605 BGB Rz. 8 m.w.N. 6 OLG Karlsruhe, FamRZ 1990, 756.
560 Rasch
II. Auskunftsanspruch
der vor dem Zugang des Aufforderungsschreibens liegt.1 Dabei fallen Erteilung und Überprüfung der Auskunft leichter, wenn der 31.12. als Stichtag gewählt wird, weil sich Bankabrechnungen regelmäßig auf diesen Tag beziehen. Inwieweit der Auskunftsverpflichtete neben der Auskunft über Einkünfte und 26 Vermögen weitere unterhaltsrelevante Angaben machen muss, ist streitig. Das OLG Düsseldorf betont, dass sich die Auskunftspflicht im Unterhaltsrecht bewusst auf die Einkommensquellen als Grundlage der Unterhaltsbestimmung beschränke und eine allgemeine Auskunftspflicht nicht bestehe.2 Demgegenüber hält ein großer Teil der Rechtsprechung die Erweiterung der Auskunftsverpflichtung im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben für geboten.3 So wird aus § 242 BGB die Verpflichtung des Unterhaltsschuldners abgeleitet, Auskunft über seine persönlichen Verhältnisse (Heirat, Scheidung oder Geburt eines Kindes) zu erteilen4 oder die Bemühungen bei der Arbeitsplatzsuche darzustellen.5 Es liegt jedenfalls im Interesse des auf Auskunft in Anspruch genommenen Un- 27 terhaltspflichtigen, nicht nur Art und Höhe seines Einkommens anzugeben, sondern auch sämtliche unterhaltsrelevante Abzugsposten und Belastungen (z.B. Tilgung von Schulden, weitere vor- bzw. gleichrangige Unterhaltsberechtigte) genau darzulegen. Ansonsten läuft er Gefahr, die Kosten eines nachfolgenden Unterhaltsprozesses nach § 243 FamFG tragen zu müssen, selbst wenn er mangels Leistungsfähigkeit in der Sache selbst obsiegt;6 vgl. Kap. K Rz. 107.
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Praxishinweis: Im gerichtlichen Verfahren muss nicht der Unterhaltsbe- 28 rechtigte, sondern der Unterhaltsverpflichtete seine eingeschränkte oder mangelnde Leistungsfähigkeit darlegen und beweisen.7 (S. dazu jeweils die Ausführungen zur Darlegungs- und Beweislast in den einzelnen Unterhaltsrechtsverhältnissen.)
4. Form der Auskunft Der Auskunftsverpflichtete hat dem Berechtigten eine geordnete Zusammen- 29 stellung seines Einkommens und ein Bestandsverzeichnis seines Vermögens zur Verfügung zu stellen (§§ 259 Abs. 1, 260 Abs. 1 BGB). Die Auskunft muss dem Berechtigten die Berechnung seines Unterhaltsanspruchs ohne übermäßigen Aufwand ermöglichen.8 Das Gesetz schreibt für die Auskunft mithin keine bestimmte Form vor. Die in 30 §§ 259, 260 BGB verwendeten Begriffe „geordnete Zusammenstellung“ und „Be-
1 Münchener Prozessformularbuch/Vossenkämper, Form. J.I.5 Anm. 4. 2 OLG Düsseldorf, FamRZ 1997, 361; MünchKomm.BGB/Born, § 1605 BGB Rz. 4 m.w.N.; FamGB/Griesche, § 1605 BGB Rz. 10. 3 Niepmann/Schwamb, Rz. 695; Göppinger/Wax/Strohal, Rz. 658 ff. m.w.N. 4 OLG Bamberg, FamRZ 1986, 492. 5 OLG Bamberg, FamRZ 1986, 685; OLG Braunschweig, FamRZ 1987, 284; a.A. OLG Düsseldorf, FamRZ 1997, 361. 6 OLG Celle, FamRZ 2012, 1744; OLG Brandenburg, FamRZ 2003, 239. 7 Vgl. auch Vorwerk/Kramer, Prozessformularbuch, Kap. 133 Rz. 94. 8 BGH, FamRZ 1983, 996.
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561
I. Auskunft und Vorlage von Belegen
standsverzeichnis“ weisen jedoch darauf hin, dass die Auskunft in einer Gesamterklärung erteilt und schriftlich abgefasst werden muss.1 Die Einhaltung der Schriftform i.S. des § 126 BGB (eigenhändige Namensunterschrift) ist nicht erforderlich, doch muss die Erklärung aus sich heraus erkennen lassen, dass sie vollinhaltlich vom Auskunftspflichtigen herrührt und nur durch einen Dritten als Boten übermittelt wird.2 Es sorgt daher für Klarheit und eine eindeutige Zuordnung der abgegebenen Wissenserklärung, wenn der Auskunftsverpflichtete die Auskunft persönlich unterschreibt. Regelmäßig taugt allein die in dieser Form erteilte Auskunft als Grundlage für die eidesstattliche Versicherung, zu der ein Auskunftsverpflichteter unter den Voraussetzungen von §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB herangezogen werden kann. E1
Auskunft ber Einknfte und Vermçgen Auskunft
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1. ber Einknfte im Jahr 2013 – aus Erwerbsttigkeit Bruttolohn steuerliche Abzge Sozialversicherungsabgaben Nettolohn – aus Kapital (Zinseinnahmen) (Kto.-Nr. … Bank …) 2. ber Vermçgen am 31.12.2013 – Aktiva Sparkonto (Kto.-Nr. … Bank …) – Passiva BAfçG-Darlehen (Restschuld)
45 000,00 Euro 8 626,73 Euro 9 078,75 Euro 27 294,52 Euro 170,20 Euro
3 887,96 Euro 1 850,00 Euro
Unterschrift
32 Keine Auskunft stellt es dar, wenn der Auskunftsverpflichtete dem Auskunfts-
suchenden nur seine Gehaltsnachweise oder ähnliche Unterlagen zu seinen Einkünften (z.B. Bescheide zum Bezug von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe) überreicht. Bei diesen Unterlagen handelt es sich lediglich um die Belege zu den Einkünften, die der Auskunftssuchende zusätzlich zur Auskunft verlangen kann. Sie ersetzen nicht die durch eine gesonderte Aufstellung zu erteilende Auskunft. 33 In der anwaltlichen Praxis werden der Auskunfts- und der Beleganspruch oft
miteinander vermengt. Anwälte verlangen bei einem Lohn- und Gehaltsempfänger häufig nur eine Auskunft „durch“ Vorlage von Gehaltsbelegen, weil sich der Unterhaltsanspruch anhand dieser Unterlagen ohne Weiteres berechnen lässt. Ist das Auskunftsbegehren in dieser Weise eingeschränkt formuliert, reicht die Überlassung der monatlichen Verdienstabrechnungen des Arbeitgebers zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs aus. Es ist dann nicht erforderlich, eine gesonderte Aufstellung der Einkünfte zu übermitteln. Die Formulierung zum Aus1 BGH, FamRZ 2008, 600; Palandt/Brudermüller, § 1580 BGB Rz. 4. 2 BGH, FamRZ 2008, 600; OLG Thüringen, FamRZ 2013, 656.
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III. Anspruch auf Vorlage von Belegen
kunftsersuchen darf allerdings nicht verwechselt werden: Wird Auskunft „unter“ Vorlage von Belegen begehrt, ist wie üblich eine separate Auskunft und die Vorlage von Belegen gewollt und geschuldet. Vgl. dazu die Vorschläge zur Antragsfassung Kap. K Rz. 304 ff.
III. Anspruch auf Vorlage von Belegen Über die Höhe der Einkünfte sind auf Verlangen Belege, insbesondere Bescheini- 34 gungen des Arbeitgebers, vorzulegen (§ 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Vorlage von Belegen ermöglicht dem Berechtigten die Überprüfung der erteilten Auskunft. Zudem muss der Unterhaltsgläubiger im gerichtlichen Verfahren das Einkommen des Unterhaltsschuldners darlegen und beweisen, was ihm im Streitfall nur durch Vorlage der Einkommensnachweise gelingen kann.
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Praxishinweis: Die Vorlage von Belegen muss zusätzlich zur Auskunft aus- 35 drücklich verlangt, im Verfahren ein hierauf gerichteter Antrag eigens gestellt werden. In der anwaltlichen Praxis werden die Ansprüche auf Auskunft und Vorlage von Belegen häufig vermischt, indem Auskunft „durch“ Vorlage bestimmter Belege verlangt wird. Das ist unschädlich, wenn der Auskunftsberechtigte nur die Vorlage von Belegen wünscht und auf eine Auskunft in Form einer systematischen Aufstellung aller Einkünfte keinen Wert legt (vgl. Rz. 33).
Der Arbeitnehmer muss aussagefähige Verdienstbescheinigungen seines Arbeit- 36 gebers vorlegen, aus denen sich der Brutto- und Nettobetrag des Lohns einschließlich sämtlicher Zu- und Abschläge ergibt. Praxis ist die Übersendung der monatlich oder (bei Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst) in größeren Zeitabständen maschinell erteilten Lohn- und Gehaltsnachweise in Kopie. Zusätzlich können die Vorlage der Lohnsteuerkarte, des Einkommensteuerbescheids oder des Bescheids über den letzten Lohnsteuerjahresausgleich verlangt werden.
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Praxishinweis: In der Regel empfiehlt es sich, die Übersendung von Ver- 37 dienstbescheinigungen, Lohnsteuerkarte und Steuerbescheide zu verlangen. Nur die Lohnsteuerkarte bzw. den Einkommensteuerbescheid zu verlangen ist nicht sinnvoll, weil darin Lohnersatzleistungen wie Krankengeld oder Arbeitslosengeld nicht ausgewiesen sind. Oft bemerkt man erst anhand der einzelnen Verdienstbescheinigungen, dass Fehlzeiten vorlagen, und kann weitere Unterlagen anfordern. Steuerbescheide weisen Steuererstattungen aus, die als Einkommen berücksichtigt werden können.
Der Selbständige muss Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen bzw. Einnah- 38 men-Überschussrechnungen vorlegen, je nachdem welche Art der Buchführung ihm nach steuerrechtlichen Vorschriften obliegt. Außerdem können Steuererklärungen bzw. -bescheide für den Auskunftszeitraum verlangt werden. Der Selbständige ist auch verpflichtet, die Erläuterung einzelner Positionen anhand von Einzelbelegen nachzuweisen, um dem Unterhaltsberechtigten die Feststellung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens zu ermöglichen. Vgl. hierzu Kap. A Rz. 87 ff. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitaleinkünfte werden 39 durch Einnahmen-Überschussrechnungen, Zinsbescheinigungen und EinkomRasch
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I. Auskunft und Vorlage von Belegen
mensteuererklärungen bzw. -bescheide belegt. Als weitere Belege i.S.v. § 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB kommen Bescheide über Arbeitslosengeld, Krankengeld, Sozialhilfe oder Leistungen nach den Aus- und Fortbildungsförderungsgesetzen, Rentenbescheide oder Ähnliches in Betracht. Bei Unklarheiten kann vom Arbeitnehmer der Arbeitsvertrag verlangt werden.1 40 Der Einkommensteuerbescheid ist auch dann vorzulegen, wenn der Auskunfts-
pflichtige zusammen mit seinem Ehegatten veranlagt wird. Ein etwaiges Geheimhaltungsinteresse des Ehegatten kann der Auskunftspflichtige dadurch wahren, dass er Angaben zum Einkommen seines Gatten abdeckt oder sonst unkenntlich macht.2 Nicht geschwärzt werden dürfen dagegen Angaben im Einkommensteuerbescheid, in denen Beträge für Ehemann und Ehefrau zusammengefasst werden. Selbst wenn hierdurch Rückschlüsse auf das Einkommen des Ehegatten gezogen werden können, müssen diese offengelegt werden.3 In den Fällen, in denen ein nicht leistungsfähiger Unterhaltspflichtiger Auskunft auch über das Einkommen seines Ehegatten zu erteilen hat, verneint der BGH dagegen eine Belegpflicht.4 Dieser Standpunkt wird nicht geteilt.5 Es mag sein, dass Eheleute im Allgemeinen einander vertrauen dürfen und deshalb ihre Einkommensverhältnisse dem andern gemäß § 1353 BGB nur mitteilen, aber nicht belegen müssen. Wird aber ein Ehepartner auf Zahlung von Unterhalt in Anspruch genommen, muss er vom anderen in die Lage versetzt werden, seine Unterhaltspflicht belegbar zu ermitteln und nach außen darzustellen. 41 Für das Vermögen können grundsätzlich keine Belege gefordert werden, sondern
nur ein auf einen bestimmten Stichtag bezogenes Bestandsverzeichnis gemäß § 260 BGB. Umfasst das Vermögen allerdings nicht nur Sachwerte (z.B. Immobilien, Geschäftsbetrieb), sondern auch Kapitalvermögen, kann der Auskunftsberechtigte auch die Vorlage von Kontoauszügen verlangen.6 Diese Verpflichtung ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut, der in § 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB nur eine Belegpflicht für Einkünfte vorsieht, wohl aber aus dem Sinn und Zweck der Auskunftsverpflichtung. Ein Bestandsverzeichnis muss nämlich prüfbar sein und eine Bewertung des Vermögens ermöglichen.7 Aus diesem Grund sind Unterlagen zu einzelnen Vermögenspositionen dann vorzulegen, wenn die Bewertung nur mit ihrer Hilfe erfolgen kann. So liegt es beim Kapitalvermögen. Hier ist eine Klarstellung nur anhand der Kontoauszüge möglich.8
IV. Eidesstattliche Versicherung 42 Besteht Grund zu der Annahme, dass die Auskunft nicht mit der erforderlichen
Sorgfalt erteilt worden ist, hat der Auskunftsverpflichtete die Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Auskunft an Eides statt zu versichern (§ 1605 Abs. 1 Satz 3, §§ 260, 261 BGB). 1 2 3 4 5 6 7
BGH, FamRZ 1994, 28. BGH, FamRZ 2012, 1556; 2011, 21; 2005, 104; 1983, 680 (682). BGH, FamRZ 2011, 21. BGH, FamRZ 2011, 21 (23). Kritisch gegenüber dem BGH auch Graba, FamRZ, 2011, 23 (24). OLG Hamm, FamRZ 1979, 1012 (1013). Vgl. jetzt § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach auf Anforderung Belege zum Vermögen vorzulegen sind. 8 OLG Hamm, FamRZ 1979, 1012 (1013); AG Tempelhof-Kreuzberg, NJW-RR 2002, 794.
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IV. Eidesstattliche Versicherung
Die eidesstattliche Versicherung kann erst nach Erfüllung des Auskunfts- 43 anspruchs verlangt werden.1 Solange noch keine in sich geschlossene Aufstellung des Einkommens und des Vermögens vorliegt, deren Richtigkeit und Vollständigkeit an Eides statt versichert werden könnte, ist der Antrag, den Auskunftsverpflichteten zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu verurteilen, verfrüht und unbegründet. Der Auskunftsberechtigte muss seinen Anspruch auf Erteilung einer vollständigen Auskunft zunächst im Verfahrensweg bzw. im Wege der Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO durchsetzen. Dieser Komplex – insbesondere die Frage, ob Auskunft bereits erteilt wurde – ist in der gerichtlichen Praxis häufig sehr streitig. Eine Pflicht zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach §§ 260 Abs. 2, 44 261 Abs. 2 BGB trifft nur denjenigen, der unter dem Verdacht steht, eine bewusst falsche Auskunft erteilt zu haben. Es müssen Gründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, der Auskunftsverpflichtete habe seine Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt und werde nur durch die Vorhaltungen im Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu einer Korrektur bzw. Ergänzung seiner Auskunft gebracht. Dabei ist die Feststellung, dass die erteilte Auskunft unvollständig, lücken- oder fehlerhaft ist, für sich genommen weder erforderlich noch ausreichend, um einen solche Annahme zu begründen.2 Enthält die Auskunft Fehler, muss sich aus dem Vortrag des Anspruchstellers ergeben, dass sie bei gebotener Sorgfalt vermeidbar gewesen wären. Denn eine Unter- bzw. Auslassung, die auf einem entschuldbaren Rechtsirrtum beruht, würde nicht den Vorwurf mangelnder Sorgfalt rechtfertigen und es wäre lediglich eine Auskunftsergänzung geschuldet. Der Auskunftsverpflichtete kann die eidesstattliche Versicherung vor dem 45 Amtsgericht (Rechtspfleger) seines Wohnsitzes nach den Vorschriften der freiwilligen Gerichtsbarkeit abgeben, wenn er einer außergerichtlichen Aufforderung des Gläubigers freiwillig nachkommen will (§§ 410 Nr. 1, 413 FamFG; § 3 Nr. 1b RPflG). Liegt ein Gerichtsbeschluss zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vor, wird gemäß § 120 FamFG nach § 889 ZPO vollstreckt (s. Kap. M Rz. 343 ff.). Zuständig ist das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht (Rechtspfleger gemäß § 20 Nr. 17 RPflG), nicht das mit dem Unterhaltsverfahren befasste Familiengericht.3
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Praxishinweis: Der Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ver- 46 zögert das Unterhaltsverfahren ganz erheblich. Ist der Beschluss zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach zeitraubendem Streit schließlich rechtskräftig, wird der Verpflichtete im Zweifel nichts anderes beeiden, als er in seiner Auskunft ohnehin erklärt hat. Will sich der Berechtigte damit nicht abfinden, muss er ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren in Gang bringen. Damit kennt der Berechtigte aber auch nach Monaten und Jahren der Verfahrensdauer noch nicht das unterhaltsrelevante Einkommen des Verpflichteten. Im Interesse der Unterhaltsbegehrenden ist es deshalb sinnvoller, sich über Mängel der Auskunft hinwegzusetzen, entweder an ein früher erzieltes Einkommen anzuknüpfen oder das Einkommen entsprechend der beruflichen Qualifikation des Verpflichteten zu schätzen und den Unter-
1 BGH, FamRZ 1983, 997 (998). 2 BGH, FamRZ 1984, 144 (145); OLG Frankfurt, NJW-RR 1993, 1483. 3 Keidel/Giers, § 410 FamFG Rz. 2.
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I. Auskunft und Vorlage von Belegen
halt dementsprechend zu beziffern. Bei unvollständiger Aufklärung kann das Verhalten des Verpflichteten im Rahmen der freien Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung des Gerichts nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gebührend berücksichtigt werden.1
V. Zur Häufigkeit der Auskunftserteilung 47 Ist eine – ordnungsgemäße und vollständige2 – Auskunft erteilt, kann vor Ablauf
einer Sperrfrist von 2 Jahren Auskunft erneut nur verlangt werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der zur Auskunft Verpflichtete später wesentlich höhere Einkünfte oder weiteres Vermögen erworben hat (§ 1605 Abs. 2 BGB). Diese Regelung stellt darauf ab, dass ein erneutes Auskunftsverlangen nur der Abänderung der Unterhaltsrente dienen soll, sich innerhalb einer Frist von 2 Jahren aber die Lebenshaltungskosten und die Löhne und Gehälter i.d.R. nicht in dem nach §§ 238, 239 FamFG vorausgesetzten wesentlichen Umfang ändern. 48 Aus dem Zweck des Gesetzes, bei einer normalen wirtschaftlichen Entwicklung
auf beiden Seiten eine Ruhepause von 2 Jahren eintreten zu lassen, können unterschiedliche Einsatzzeitpunkte für den Lauf der Sperrfrist abgeleitet werden. Wurde bereits ein Unterhaltsverfahren geführt, knüpft die Berechnung der 2-jährigen Frist nicht an den Zeitpunkt der letzten Auskunftserteilung an, auch nicht auf den Zeitraum, für den Auskunft verlangt worden ist,3 sondern die Frist beginnt mit dem Tag der letzten mündlichen Verhandlung.4 Sollte das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG von einer mündlichen Verhandlung absehen, beginnt die Frist mit dem Tag, an dem die Endentscheidung erlassen wird.5 Schließen die Parteien einen Vergleich, läuft die 2-Jahres-Frist vom Tage des Vergleichsschlusses an.6 49 Muss Unterhalt aus rechtlichen Gründen und unabhängig von der wirtschaftli-
chen Entwicklung neu festgelegt werden, entfaltet § 1605 Abs. 2 BGB seinem Zweck entsprechend keine Sperrwirkung. Diente die erste Auskunft der Berechnung des Trennungsunterhalts, ist für die Berechnung des nachehelichen Unterhalts, der ein eigenständiger Unterhaltsanspruch ist, erneut Auskunft zu erteilen, auch wenn seit der ersten Auskunft noch keine 2 Jahre verstrichen sind.7 Gleiches gilt, wenn ein Unterhaltstitel über den Kindesunterhalt auf die Zeit der Minderjährigkeit beschränkt ist.8 In der Rechtsprechung umstritten ist die Frage, ob die zweijährige Sperrfrist nach § 1605 Abs. 2 BGB auch dann greift, wenn die frühere Auskunft nur den Zeitraum des Beginns einer selbständigen Tätigkeit umfasst. Das OLG Karlsruhe lässt in diesem Fall auch vor Ablauf von zwei Jahren eine Aufforderung zur aktuellen Auskunft zu, weil hier eine atypische Einkommensentwicklung ab1 BGH, FamRZ 1981, 347 (349). 2 OLG München, FamRZ 2010, 816 m.w.N.; OLG Hamm, FamRZ 1990, 657 (658); Wendl/Dose, § 1, Rz. 1172. 3 So aber wohl OLG Saarbrücken, FamRZ 2012, 807. 4 OLG Hamburg, FamRZ 1984, 1142. 5 Vgl. OLG Koblenz, FamRZ 1979, 1021 (Tag der Urteilsverkündung). 6 OLG Düsseldorf, FamRZ 1993, 591; OLG Stuttgart, FamRZ 1978, 717. 7 OLG Hamm, FamRZ 1996, 868; OLG Düsseldorf, FamRZ 2002, 1038 (1039); a.A. OLG Thüringen, FamRZ 1997, 1280 (1281); KGR Berlin 2004, 152. 8 FamGB/Griesche, § 1605 BGB Rz. 26; OLG Hamm, FamRZ 1990, 657.
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VI. Pflicht zur ungefragten Information
sehbar sei.1 Das KG hält dagegen, dass es keine allgemeine Lebenserfahrung gebe, wonach bei einer Unternehmensgründung stets oder regelmäßig mit einer positiven Einkommensentwicklung zu rechnen sei.2 Der BGH hat die an ihn herangetragene Frage nicht entschieden, sondern konnte sie im konkreten Fall offenlassen.3 Schürmann4 weist aber in seiner Anmerkung zu dieser Entscheidung des BGH zu Recht darauf hin, dass die zu Beginn einer selbständigen Tätigkeit erteilte Auskunft – notgedrungen – unvollkommen ist, weil für das unterhaltsrelevante Einkommen eines Selbständigen nicht der Gewinn eines einzelnen Jahres herangezogen werden kann, sondern nur das über einen längeren Zeitraum ermittelte Durchschnittseinkommen (s. Rz. 21). Aus diesem Grund kann in den ersten drei Jahren einer selbständigen Tätigkeit ein Auskunftsverlangen nicht an § 1605 Abs. 2 BGB scheitern, weil die Sperrfrist von zwei Jahren nur bei einer vollständig erteilten Auskunft einsetzt (s. Rz. 47). Uneinheitlich wird die Frage beantwortet, ob die Sperrfrist des § 1605 Abs. 2 50 BGB im Rahmen eines laufenden Unterhaltsverfahrens Beachtung finden muss. Das OLG Düsseldorf lässt das Auskunftsbegehren zu,5 Dose will einem förmlichen Auskunftsantrag innerhalb eines lang andauernden Verfahrens dagegen mit allen Mitteln (§ 263 ZPO) entgegentreten.6 Unstreitig ist, dass das Gericht bei einem länger andauernden Unterhaltsverfahren von seiner Befugnis nach § 235 FamFG Gebrauch machen und eine Aktualisierung der bereits erteilten Auskunft sowie die Vorlage neuerer Einkommensnachweise verlangen sollte (s. Kap. K Rz. 193 f.). Im Übrigen kann auch im laufenden Unterhaltsverfahren Auskunft nach § 1605 51 Abs. 2 BGB vor Ablauf der 2-Jahres-Frist erneut verlangt werden, wenn der Berechtigte mit den Mitteln des § 294 ZPO glaubhaft macht, dass der Auskunftspflichtige nach Erteilung der Auskunft wesentlich höhere Einkünfte bezogen oder weiteres Vermögen erworben hat. Maßstab hierfür ist die Möglichkeit der Erhebung eines Abänderungsantrages (§ 238 FamFG). 52
Beispiele – F macht glaubhaft, dass M befördert worden ist oder eine vermutlich besser dotierte Arbeitsstelle angenommen hat bzw. dass wesentliche Schuldverpflichtungen weggefallen sind. – M macht glaubhaft, dass F nicht mehr in gleichem Maße unterhaltsbedürftig ist, weil sie inzwischen ihren Unterhaltsbedarf wenigstens teilweise durch eigene Einnahmen decken kann.
VI. Pflicht zur ungefragten Information Auskunft muss nur auf Verlangen des Berechtigten erteilt werden. Eine all- 53 gemeine Auskunftspflicht ist unserem Rechtssystem fremd.7 Auch in Unterhaltssachen kann grundsätzlich erwartet werden, dass die Beteiligten von ihrem 1 OLGR 2000, 284; Palandt/Brudermüller, § 1605 BGB Rz. 11. 2 KG v. 11.5.2012 – 9 U 78/11, nicht veröffentlicht, nachgehend BGH, FamRZ 2014, 290. 3 BGH, FamRZ 2014, 290 m. Anm. Schürmann, FamRZ 2014, 292 und Anm. Knittel, JAmt 2014, 37. 4 Schürmann, FamRZ 2014, 292. 5 OLG Düsseldorf, FamRZ 1997, 1281 m.w.N. 6 Wendl/Dose, § 1 Rz. 1174. 7 BGH, FamRZ 1983, 352.
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I. Auskunft und Vorlage von Belegen
Auskunftsrecht Gebrauch machen. Dennoch haben die Gerichte immer wieder eine Verpflichtung zur unaufgeforderten Information bejaht. Diese Verpflichtung besteht jedenfalls dann, wenn die Information erforderlich ist, um eine erhebliche Schädigung der Gegenseite zu vermeiden. Das Schweigen über eine für den Unterhaltsanspruch grundlegende – nicht nur wesentliche – Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Unterhaltsschuldner oder -gläubiger muss unter Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) offensichtlich unredlich sein.1 54 Beispiele – Die unterhaltsberechtigte T heiratet. Sie muss den Unterhaltspflichtigen über ihre veränderte Situation in Kenntnis setzen. – Der bisher unterhaltsbedürftige S nimmt nach Abschluss seiner Ausbildung eine Erwerbstätigkeit auf. Er muss von sich aus dem Unterhaltsleistenden mitteilen, dass er wirtschaftlich selbständig ist. – Der bisher nicht leistungsfähige Unterhaltsverpflichtete nimmt eine Arbeit auf und wird leistungsfähig. Er muss dies unaufgefordert seinen Unterhaltsgläubigern mitteilen, damit jene die notwendigen Schritte zur Sicherung ihres Unterhaltsanspruchs unternehmen können.
55 Darüber hinaus sind nach der Rechtsprechung des BGH jedenfalls die Parteien
eines Unterhaltsvergleichs verpflichtet, sich gegenseitig ungefragt über einen erheblichen Anstieg des Einkommens zu informieren, wenn ihr Verdienst der Bemessung des Unterhalts zugrunde gelegt worden ist.2 Hierbei hat der BGH offen gelassen, ob sich diese Pflicht nur aus der vertraglichen Treuepflicht oder unabhängig von der Art des Unterhaltstitels schon aus dem unterhaltsrechtlichen Treueverhältnis ergebe. 56 Änderungen, die sich nicht ohne Weiteres auf den Unterhaltsanspruch auswir-
ken, brauchen nicht mitgeteilt zu werden. Eine generelle Pflicht des unterhaltsberechtigten Ehegatten, dem Unterhaltsschuldner die Aufnahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mitzuteilen, kann daher nicht angenommen werden.3 57 Die Verletzung der Pflicht zur ungefragten Information kann verschiedene Kon-
sequenzen nach sich ziehen. Sie löst eine Schadensersatzpflicht nach § 826 BGB aus (s. Kap. H Rz. 76, 84). Zu viel gezahlter Unterhalt ist zurückzuzahlen, ohne dass § 238 Abs. 3 FamFG oder der Einwand der Entreicherung entgegenstünde; Unterhalt für die Vergangenheit kann nachgefordert werden (§ 1613 Abs. 2 Nr. 2b BGB). Der künftige Unterhaltsanspruch kann nach § 1579 Nr. 5 BGB (s. Kap. F Rz. 482), u.U. auch nach § 1611 BGB verwirkt sein. Eine vergleichbare Sanktion auf Seiten des Unterhaltsverpflichteten in Form eines Zuschlags zum Unterhalt kennt das Familienrecht nicht. Der Unterhaltsverpflichtete hat sich aber möglicherweise strafbar gemacht (§ 170 StGB).
1 BGH, FamRZ 1986, 794; BGH, FamRZ 1988, 270. 2 BGH, FamRZ 2008, 1325. 3 Wendl/Dose, § 1 Rz. 1201; a.A. OLG Koblenz, NJW-RR 1987, 1033; OLG Hamm, FuR 1998, 319.
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J. Vorprozessuale Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs Inhaltsübersicht Rz. I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Formlose Absprachen zum Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schriftliches Auskunfts- und Unterhaltsbegehren . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auskunftsverlangen . . . . . . . . . . . . 2. Zahlungsverlangen/Verzug . . . . . . 3. Aufforderung zur Übergabe einer vollstreckbaren Urkunde . . . . . . . . 4. Verwirkung trotz Verzug . . . . . . . .
1 2 4 10 14 19 24
Rz. IV. Außergerichtliche Titulierung des Unterhaltsanspruchs . . . . . . . . . . . . 1. Vollstreckbare Schuldurkunde des Jugendamts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Notarielles Schuldanerkenntnis . . 3. Notarieller Unterhaltsvertrag. . . . . 4. Anwaltsvergleich . . . . . . . . . . . . . . .
25 26 28 29 31
V. Exkurs: Zu Form und Inhalt von Unterhaltsverträgen . . . . . . . . . . . . 32
I. Einleitung Im Folgenden werden die im vorgerichtlichen Bereich rechtlich möglichen und er- 1 forderlichen Schritte zur Sicherung und Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs bzw. zur Abwehr nicht berechtigter Forderungen dargestellt. Dabei gilt die Aufmerksamkeit vor allem denjenigen Aspekten, die sich in der Praxis häufig als fehlerträchtig erweisen, wenn es später zum gerichtlichen Verfahren kommt.
II. Formlose Absprachen zum Unterhalt Zunächst können Unterhaltsgläubiger und Schuldner versuchen, die Unter- 2 haltsfrage einvernehmlich miteinander zu regeln. Es steht den Beteiligten frei, sich ohne Beteiligung von Behörden, Anwälten und Gerichten über Unterhaltsfragen mündlich oder schriftlich zu einigen. Die schlichte Absprache reicht aber seit dem Inkrafttreten des UÄndG am 1.1.2008 nicht mehr in allen Fällen aus. Eine Vereinbarung, die vor der Rechtskraft der Scheidung über die nacheheliche Unterhaltspflicht getroffen wird, bedarf nach § 1585c Satz 2 und Satz 3 BGB der notariellen Beurkundung bzw. der Form eines gerichtlich protokollierten Vergleichs (vgl. Rz. 32 ff.). Ansonsten aber schreibt das Gesetz für Unterhaltsverträge ungeachtet ihrer oft existenziellen Bedeutung keine besondere Form vor. Vereinbarungen über die Zahlung von Kindes- oder Elternunterhalt, über Ehegattenunterhalt für die Zeit des Getrenntlebens sind ebenso formfrei wirksam, wie nach Rechtskraft der Scheidung getroffene Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt oder Verträge über die Abänderung von freiwillig gezahltem Unterhalt bzw. von Unterhaltstiteln. Sind hier beide Seiten mit der Absprache zum Unterhalt zufrieden, entfällt die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen. Angesichts der Komplexität des Unterhaltsrechts ist es jedoch vielfach ange- 3 zeigt, sich bei Unterhaltsfragen zumindest fachlichen Rat einzuholen und einen Anwalt, eine öffentliche Beratungsstelle oder das Jugendamt (nur bei Unterhaltsansprüchen minderjähriger oder volljähriger Kinder bis zum 21. Lebensjahr) aufzusuchen. Häufig beschränkt sich ein Beteiligter auf eine interne Beratung
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J. Vorprozessuale Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs
durch einen Anwalt, weil dann sachgemäße Verhandlungen mit der Gegenseite leichter fallen. Vorteilhaft ist dabei, dass sich durch solch eine Beratung eine Konfliktverschärfung durch anwaltliche bzw. amtliche Schreiben vermeiden lässt.1
III. Schriftliches Auskunfts- und Unterhaltsbegehren 4
Im Streitfall sollte jedoch alsbald ein Rechtsanwalt mit der Vertretung beauftragt oder eine kostenlose Unterhaltsbeistandschaft (§§ 1712 ff. BGB) beim Jugendamt beantragt werden. Schnelles Handeln ist erforderlich, damit der laufende Unterhaltsanspruch nicht verfällt. E2
5
Schreiben wegen Auskunft und Unterhalts
Rechtsanwltin
Berlin, den …
… Per Einschreiben/Rckschein Herrn … Anschrift … Betr. Unterhalt fr Ihre Tochter und Ihre Ehefrau Sehr geehrter Herr …, ich mçchte Sie darber informieren, dass mich Ihre Ehefrau mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen beauftragt hat. Eine auf mich lautende Vollmacht ist beigefgt. Nachdem Sie sich vor 2 Wochen von Ihrer Frau getrennt und die Ehewohnung verlassen haben, sind vorrangig die Unterhaltsansprche Ihrer Tochter und Ihrer Ehefrau zu klren. Ich fordere Sie deshalb zunchst auf, anhand einer Aufstellung Auskunft ber Ihre in der Zeit vom 1. April 2013 bis 31. Mrz 2014 erzielten Einknfte sowie ber Ihr Vermçgen am 31. Dezember 2013 zu erteilen. Des Weiteren bitte ich darum, diese Auskunft zu belegen. Bezglich Ihrer Einknfte als Kfz-Mechaniker bençtige ich die von Ihrem Arbeitgeber erteilten 12 Gehaltsabrechnungen von April 2013 bis Mrz 2014 bezglich der Zinsen aus Ihrem Sparbuch eine Bankbesttigung. Den Eingang Ihrer Auskunft, zu der Sie gesetzlich verpflichtet sind, erwarte ich bis zum 25. April 2014. Meine Mandantin geht davon aus, dass smtliche Schulden der Eheleute getilgt sind. Sollten Sie aber noch Zahlungen auf eheliche Verbindlichkeiten erbringen, bit1 Bei einer Scheidung wollen Eheleute nicht selten auch in Unterhaltsfragen von einem Anwalt gemeinsam beraten werden. Kommt ein Anwalt diesem Wunsch nach, darf er bei späteren Streitigkeiten keinen von beiden gegen den anderen vertreten. Ansonsten muss der Anwalt – mit Rücksicht auf das Verbot für Anwälte, widerstreitende Interessen zu vertreten (§ 43a BRAO, strafrechtlich sanktioniert durch § 356 StGB, Parteiverrat) – von vornherein unmissverständlich klarstellen, dass er nur als Interessenvertreter einer der Beteiligten beratend tätig sein kann.
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III. Schriftliches Auskunfts- und Unterhaltsbegehren
te ich ebenfalls um Auskunft und Vorlage entsprechender Belege innerhalb der oben genannten Frist. Sobald Ihre Auskunft vorliegt, werde ich die Unterhaltsansprche Ihres Kindes sowie meiner Mandantin berechnen und Ihnen die genauen Zahlbetrge mitteilen. In diesem Zusammenhang mache ich bereits jetzt darauf aufmerksam, dass Ihre Frau und Ihre Tochter Anspruch auf einen vollstreckbaren Unterhaltstitel haben. Sie kçnnen den Kindesunterhalt kostenlos vor dem Jugendamt anerkennen, den Ehegattenunterhalt kostengnstig vor einem Notar. Zur Errichtung dieser Urkunden sind Sie bereits jetzt aufgefordert. Vorlufig errechnet sich der Unterhalt wie folgt: Sie haben nach Kenntnis meiner Mandantin ein monatliches Nettoeinkommen von mindestens 1 750 Euro. Nach der Dsseldorfer Tabelle (Stand: 1.1.2013) schulden Sie damit Ihrer 3-jhrigen Tochter einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 333 Euro abzglich 92 Euro hlftiges Kindergeld, also monatlich 241 Euro. Meine Mandantin verfgt ber ein bereinigtes Monatsnettoeinkommen von gerundet 720 Euro. Von der Differenz zwischen Ihrem Einkommen, welches nach Abzug des zu zahlenden Kindesunterhalts von 241 Euro noch 1 509 Euro betrgt, und dem Einkommen meiner Mandantin steht Ihrer Frau 3/ 7 zu. Das sind 338,14 Euro, aufgerundet 339 Euro Die Aufrundung entspricht der blichen Praxis im Unterhaltsrecht.1 Ich darf Sie bitten, ab 1. April 2014 vorlufig einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 241 Euro an Ihre Tochter und 339 Euro an Ihre Ehefrau, insgesamt also 580 Euro jeweils monatlich im Voraus, sptestens bis zum 3. des Monats auf das Konto Ihrer Frau bei der … Bank (BLZ: …), Kontonummer … zu zahlen. Sollten sich aus Ihrer Auskunft hçhere Unterhaltsbetrge ergeben, bleiben Nachforderungen ausdrcklich vorbehalten. Meiner Mandantin liegt nicht daran, mit Ihnen um Unterhaltsfragen zu streiten, sie ist jedoch – auch im Interesse des gemeinsamen Kindes – auf Ihre regelmßigen, pnktlichen und vollstndigen Zahlungen angewiesen. Sollte die Unterhaltszahlung nicht aufgenommen werden und die geforderte Auskunft nicht innerhalb der genannten Frist vollstndig erteilt sein, werde ich ohne weiteres Zuwarten eine gerichtliche Klrung herbeifhren. Hierzu bin ich bereits jetzt beauftragt. Hochachtungsvoll Unterschrift
Ein Schreiben, mit dem Unterhaltsansprüche geltend gemacht werden, muss 6 sorgfältig abgefasst sein. Dem Unterhaltsverpflichteten muss vor Augen geführt werden, dass er Unterhalt schuldet und dass der Berechtigte die Erfüllung seines Anspruchs verlangt. Denn seinem Wesen nach dient Unterhalt nur der Deckung des laufenden Bedarfs; solange der Bedürftige ihn nicht fordert, ist davon auszugehen, dass er ihn selbst bestreiten kann.2 Dementsprechend ist der Unterhaltsbedürftige grundsätzlich nicht berechtigt, Unterhalt für vergangene Zeiträume nachzufordern. Nur unter besonderen Voraussetzungen wird Unterhalt für die Vergangenheit geschuldet, u.a. ab dem Zeitpunkt, zu welchem der Ver1 Vgl. Leitlinien der OLG, Nr. 24. 2 RGZ 164, 65 (69); BGH, FamRZ 1989, 150.
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pflichtete zum Zweck der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, zu welchem der Verpflichtete in Verzug geraten oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist (§ 1613 Abs. 1 Satz 1, § 1585b Abs. 2 BGB). Zu den (weiteren) Voraussetzungen, unter denen Unterhalt für die Vergangenheit gefordert werden kann, vgl. die Ausführungen zu „Unterhalt für die Vergangenheit“ im Rahmen der einzelnen Unterhaltsrechtsverhältnisse. 7
Um die Rechte der Unterhaltsbedürftigen umfassend zu wahren, ist es erforderlich, den Unterhaltsschuldner so bald wie möglich in präziser Form aufzufordern, Auskunft zu erteilen, konkret bestimmte Unterhaltszahlungen aufzunehmen und einen vollstreckbaren Titel zu überreichen. Sollen die Weichen für ein insgesamt erfolgreiches Unterhaltsverfahren richtig gestellt sein, darf i.d.R. keine dieser Forderungen fehlen.
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Das Auskunftsverlangen (zu den Einzelheiten vgl. unter Rz. 10 ff.) ist für die genaue Berechnung und Darlegung der Unterhaltsforderungen im gerichtlichen Verfahren meist unumgänglich. Zudem schreibt es nach § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB den Beginn der Unterhaltszahlungen fest.1 Wird die Auskunft nicht oder nur unzureichend erteilt, droht dem Unterhaltspflichtigen ein Kostennachteil nach § 243 Satz 2 Nr. 2 FamFG, wonach ihm die Kosten eines hierdurch veranlassten Unterhaltsstreitverfahrens nach billigem Ermessen ganz oder teilweise auferlegt werden können. Außerdem kann der Antragsteller vom Familiengericht verlangen, nach § 235 Abs. 1 FamFG gegen den Unterhaltspflichtigen vorzugehen (vgl. Kap. K Rz. 200). Die Aufforderung, Unterhaltszahlungen in der bezifferten Höhe ab Erhalt des Schreibens bzw. von einem bestimmten Zeitpunkt an aufzunehmen, setzt den Unterhaltsverpflichteten in Verzug (s. im Einzelnen unter Rz. 14 ff.). Der wirksam in Verzug gesetzte Unterhaltsschuldner ist gleichfalls verpflichtet, Unterhaltsrückstände aus der Vergangenheit zu zahlen. Außerdem hat der Unterhaltsschuldner nach § 288 BGB Verzugszinsen zu zahlen, die nicht verlangt werden können, solange nur die Fälligkeit der Unterhaltsforderung durch ein Auskunftsverlangen bewirkt ist. Letztlich ist die (vergebliche) Aufforderung an den Schuldner, einen vollstreckbaren Schuldtitel – ggf. gegen Übernahme der Titulierungskosten – zu errichten und zur Verfügung zu stellen, nicht nur eine der Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe, sondern sie schiebt auch der für den Antragsteller ungünstigen Kostenentscheidung nach § 243 Satz 2 Nr. 4 FamFG einen Riegel vor, wenn der Antragsgegner im gerichtlichen Verfahren ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 ZPO abgeben sollte (zu den Einzelheiten vgl. unter Rz. 19 ff.).
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Praxishinweis: Das Auskunfts- und Zahlungsverlangen sollte immer schriftlich und gegen Einschreiben/Rückschein bzw. unter Anwälten gegen Empfangsbekenntnis erfolgen; denn der Unterhaltsberechtigte muss den Zugang des Auskunfts- und Zahlungsverlangens beim Unterhaltsverpflichteten nachweisen.
1 BGH, FamRZ 2007, 193 m. Anm. Borth.
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III. Schriftliches Auskunfts- und Unterhaltsbegehren
1. Auskunftsverlangen – Das Schreiben, in dem ein Unterhaltsberechtigter Auskunft über die wirt- 10 schaftlichen Verhältnisse des Unterhaltsverpflichteten begehrt, muss folgende Angaben enthalten: – den Hinweis, dass und für wen Unterhalt verlangt wird; – den genau bestimmten Zeitraum, für den Auskunft über die Höhe der Einkünfte zu erteilen ist; – einen präzisen Stichtag, falls Auskunft über die Höhe des Vermögens gegeben werden soll. Es muss klar sein, dass Auskunft zum Zweck der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen erteilt werden soll. Außerdem muss der Pflichtige wissen, wie und in welchem Umfang er seiner Auskunftspflicht nachkommen soll. Zum Umfang und zur Form der Auskunft vgl. Kap. I Rz. 16 ff. und Kap. I Rz. 29 ff. Mit dem Auskunftsanspruch wird in aller Regel der Anspruch auf Vorlage von 11 Belegen nach § 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB verbunden. Welche Belege benötigt werden, um die Angaben des Unterhaltsschuldners kontrollieren zu können, ist Sache des Einzelfalls. So mag bei abhängig Beschäftigten die Übersendung der Gehaltsabrechnungen genügen. Bei selbständig Erwerbstätigen oder bei Einkünften aus Vermögen und Vermietung etc. ist die Vorlage von Gewinn- und Verlustrechnungen bzw. Einnahmen-/Überschussrechnungen, Steuererklärungen und -bescheiden erforderlich (vgl. hierzu Kap. I Rz. 34 ff.). Sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen unbekannt, müssen sämtliche für die einzelnen Einkommensarten üblichen Belege erfragt werden (vgl. hierzu das Muster einer Auflage nach § 235 FamFG unter Kap. K Rz. 193). Es ist zweckmäßig, dem Unterhaltsschuldner eine Frist für die Erteilung der 12 Auskunft zu setzen; denn im Allgemeinen will und muss der Unterhaltsberechtigte seine Unterhaltsansprüche möglichst schnell berechnen und durchsetzen. Die Androhung rechtlicher Schritte ist nicht erforderlich, führt dem Verpflichteten häufig aber erst die Ernsthaftigkeit der Forderung vor Augen.
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Praxishinweis: Beziffert der Unterhaltsberechtigte nach Auskunftserteilung 13 seinen Unterhaltsanspruch, kann er nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH entgegen dem Wortlaut von § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB rückwirkend keinen höheren Unterhalt mehr verlangen, es sei denn, er behält sich zugleich ausdrücklich noch eine weitere Erhöhung vor, weil z.B. die Auskunft nicht vollständig ist. Fehlt ein solcher Vorbehalt, soll sich der Schuldner darauf einrichten können, dass ihm nicht rückwirkend noch höhere als die bereits bezifferten Rückstände aufgebürdet werden können.1
2. Zahlungsverlangen/Verzug Die wirksame Inverzugsetzung – früher eine häufige Fehlerquelle – hat heute er- 14 heblich an Bedeutung verloren. Um Unterhaltsansprüche rückwirkend zu sichern, ist sie aber immer noch erforderlich, z.B. wenn der Berechtigte auf eine Auskunft verzichten möchte, weil ihm das Einkommen des Verpflichteten bekannt ist. Außerdem löst die Mahnung die Verpflichtung aus, rückständigen 1 BGH, FamRZ 2013, 109 Tz. 42.
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J. Vorprozessuale Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs
Unterhalt nach § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB zu verzinsen – eine Rechtsfolge, die seit der Anhebung der Verzugszinsen zum 1.5.2000 durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen1 wirtschaftlich interessant geworden ist und erheblich an Bedeutung gewonnen hat (zur Höhe der Verzugszinsen vgl. unter Kap. A Rz. 375 und Kap. K Rz. 274). Bei einem Verzug mit Unterhaltszahlungen kann der Unterhaltsberechtigte aus §§ 280, 286 BGB zudem die Erstattung notwendiger Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden verlangen.2 15 Verzug nach § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt grundsätzlich eine Mahnung nach
Fälligkeit der Leistung voraus. Einer Mahnung bedarf es nur dann nicht, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB) oder der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Allerdings können Zahlungsaufforderung und Mahnung auch miteinander verbunden werden, so dass ein Verzug bei Unterhaltsforderungen auch dann eintritt, wenn in der Zahlungsaufforderung der gesetzliche Anspruch auf Zahlung von Unterhalt nach Höhe und Beginn im Einzelfall konkretisiert wurde. Die Zahlungsaufforderung muss – angeben, für wen Unterhalt verlangt wird; – die vorläufige Höhe (ziffernmäßige Angabe) des zu zahlenden Unterhalts nennen; – das Datum für die Aufnahme der Unterhaltszahlungen festlegen. 16 Keine wirksamen Mahnungen enthalten Schreiben mit dem bloßen Hinweis des
Berechtigten, der Verpflichtete möge seine Zahlungen seinen gestiegenen wirtschaftlichen Verhältnissen anpassen, oder die Übersendung von Unterhaltstabellen oder Leitlinien an den Verpflichteten mit der Aufforderung, den zutreffenden Satz zu zahlen. Hierdurch wird der Unterhaltsverpflichteten nicht in Verzug gesetzt! 17 Will ein Unterhaltsberechtigter den Unterhaltsverpflichteten in Verzug setzen
(z.B. zwecks Verzinsung des rückständigen Unterhalts) und kann er seinen Anspruch auf Unterhalt noch nicht genau beziffern, weil er die Einkommensverhältnisse des Verpflichteten nicht kennt, muss er im Wege der sog. Stufenmahnung vorgehen. Wie bei dem Stufenantrag nach § 254 ZPO ist das Auskunftsbegehren mit dem unbezifferten Unterhaltsbegehren zu verbinden (vgl. hierzu Kap. K Rz. 317 ff.). 18 Das Aufforderungsschreiben, mit dem Unterhaltszahlungen gefordert werden,
sollte zweckmäßigerweise auch die Bankverbindung des Berechtigten oder seines gesetzlichen Vertreters enthalten. 3. Aufforderung zur Übergabe einer vollstreckbaren Urkunde 19 Es ist dem Unterhaltsgläubiger anzuraten, den Schuldner vorgerichtlich zur Er-
richtung oder zur Mitwirkung bei der Errichtung einer vollstreckbaren Urkunde aufzufordern. Denn jeder Unterhaltsberechtigte hat Anspruch auf einen förmlichen Vollstreckungstitel, der es ihm ermöglicht, den Unterhaltsverpflichteten im Wege der Zwangsvollstreckung zur Zahlung des geschuldeten Unterhalts zu 1 Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30.3.2000, BGBl. I, S. 330. 2 OLG Frankfurt, FamRZ 2012, 1745.
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III. Schriftliches Auskunfts- und Unterhaltsbegehren
zwingen. Der Anspruch auf einen vollstreckbaren Schuldtitel besteht selbst dann, wenn der Unterhaltsverpflichtete den Unterhaltsanspruch anerkennt und regelmäßig Unterhalt zahlt.1 Bei wiederkehrenden Leistungen (§ 258 ZPO) bietet nämlich nur ein Vollstreckungstitel die rechtliche (wenn auch nicht die tatsächliche) Gewähr dafür, dass die künftige Erfüllung des Unterhaltsanspruchs sichergestellt ist. Eine Aufforderung zur Vorlage eines Schuldtitels ist selbst dann sinnvoll, wenn 20 sich eine gerichtliche Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten von vornherein abzeichnet; denn auf diese Weise beugt der unterhaltsberechtigte Antragsteller der Anwendung des § 243 Satz 2 Nr. 4 FamFG vor. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht bei der Kostenverteilung ein sofortiges Anerkenntnis gemäß § 93 ZPO zu berücksichtigen, wonach dem Antragsteller die Verfahrenskosten zur Last fallen, wenn der Antragsgegner den geltend gemachten Anspruch sofort anerkennt und keine Veranlassung zur Antragserhebung gegeben hat. Kommt der Unterhaltsschuldner dem Begehren des Unterhaltsberechtigten auf Vorlage eines außergerichtlichen Titels nicht nach, gibt er aber in der Regel Veranlassung zur Antragserhebung, auch wenn er im gerichtlichen Verfahren den Unterhaltsanspruch sofort ganz oder zum Teil anerkennen sollte (vgl. im Einzelnen Kap. K Rz. 108). In der Rechtsprechung besteht Streit, ob der Unterhaltsverpflichtete gehalten ist, 21 den begehrten Unterhaltstitel auf eigene Kosten zu errichten. Diese Verpflichtung wird von einem Teil der Rechtsprechung mit der Begründung verneint, eine solche Kostenübernahme sei im materiellen Unterhaltsrecht nicht ausdrücklich vorgesehen.2 Die Gegenmeinung stuft die Kosten einer Titulierung dagegen materiell-rechtlich als Sonderbedarf ein, den der Unterhaltsverpflichtete zu tragen habe.3 Letzteres erscheint sachgerecht. In aller Regel benötigt der Unterhaltsberechtigte die Unterhaltszahlungen, um seine laufenden Lebenshaltungskosten zu bestreiten. Abgesehen davon hat der Unterhaltsverpflichtete die Möglichkeit, Kindesunterhalt (bis zum 21. Lebensjahr) sowie die Unterhaltsansprüche der Mutter oder des Vaters eines nichtehelichen Kindes kostenlos beim Jugendamt anzuerkennen. Auch beim Notar kann gemäß § 17 Abs. 2 BNotO Verfahrenskostenhilfe beantragt werden. Letztlich empfiehlt es sich auch für den Unterhaltsschuldner, frühzeitig eine 22 Schuldurkunde zu schaffen; denn er mindert damit das Prozessrisiko als solches und außerdem sein Kostenrisiko, wenn es dennoch zum Unterhaltsverfahren kommt. 23
Beispiel Der Berechtigte verlangt 450 Euro mtl. Unterhalt, der Verpflichtete ist nur zur Zahlung von 400 Euro bereit. Wird der unstreitige Unterhaltsbetrag von 400 Euro außergerichtlich tituliert, beträgt der Streitwert des Verfahrens auf Zahlung von weiteren 50 Euro Unterhalt nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG lediglich 600 Euro (Jahresbetrag der streitigen Forderung). Ohne Titulierung würden sich die Kosten des dann erforderlichen Unterhaltsstreits aus einem Streitwert von 5 400 Euro errechnen.
1 BGH, FamRZ 2010, 196; FamRZ 1998, 1165; OLG Stuttgart, FamRZ 1990, 1368. 2 KG, FamRZ 2011, 1319; OLG Hamm, FamRZ 2007, 1830; OLG Karlsruhe, FamRZ 2003, 1763; OLG Stuttgart, FamRZ 2001, 1381. 3 OLG Nürnberg, MDR 2002, 886; OLG Düsseldorf, FamRZ 1994, 1484.
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J. Vorprozessuale Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs
4. Verwirkung trotz Verzug 24 Zwischen dem vorprozessualen Auskunfts- und Zahlungsverlangen und der ge-
richtlichen Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs darf nicht zu viel Zeit verstreichen. Denn es ist einem Unterhaltsberechtigten nach Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung verwehrt, Unterhalt für zurückliegende Zeiträume zu fordern, wenn er sich nicht zeitnah um die Durchsetzung seines Anspruchs bemüht hat. Wartet der Unterhaltsberechtigte länger als ein Jahr, können der Zeitablauf und die Umstände eines Falls dafür sprechen, dass für diese Zeit Unterhaltsleistungen nicht erforderlich waren und der Verpflichtete sich darauf einrichten konnte, trotz des früheren Verlangens keinen Unterhalt zahlen zu müssen.1 Vgl. auch die Ausführungen zur „Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB“ im Rahmen der einzelnen Unterhaltsrechtsverhältnisse.
IV. Außergerichtliche Titulierung des Unterhaltsanspruchs 25 Im Folgenden werden die häufigsten der vollstreckbaren Schuldtitel (§ 794
Abs. 1 Nr. 5 ZPO, § 60 SGB VIII) erläutert, die außerhalb eines Unterhaltsverfahrens erstellt werden können. 1. Vollstreckbare Schuldurkunde des Jugendamts 26 Die vollstreckbaren Urkunden der Jugendämter nach § 59 Abs. 1 Nr. 3, § 60
SGB VIII haben in der Praxis für die Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder überragende Bedeutung. Auch die Ansprüche volljähriger Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs oder die der Mutter oder des Vaters des nichtehelichen Kindes können so tituliert werden (§ 59 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB VIII). Für die Errichtung dieser Urkunde ist das Jugendamt am Wohnort des Kindes zuständig. Die Urkunde ist kostenfrei. E3
Unterhaltsanerkenntnis vor dem Jugendamt
27 Freie und Hansestadt Hamburg
Jugendamt
Hamburg, den … Urkundenregister Nr.: …
Geschftszeichen Gegenwrtig: … als Urkundsperson Vor der ermchtigten Urkundsperson erscheint heute Herr … geboren … in … Staatsangehçrigkeit …, Beruf … Anschrift … ausgewiesen durch Personalausweis Nr. …, geschftsfhig
1 BGH, FamRZ 1988, 370 (372); FamRZ 2002, 1698 mit Anm. Klinkhammer; kritisch Büttner, FamRZ 2003, 449.
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IV. Außergerichtliche Titulierung des Unterhaltsanspruchs
und erklrt, nachdem er ber die gesetzlichen Bestimmungen, die der Unterhaltspflicht zugrunde liegen, sowie ber die Bedeutung der Unterwerfungserklrung belehrt worden ist: 1. Ich bin nach den Bestimmungen des BGB verpflichtet, meinem Kind …, geb. … in … Unterhalt zu zahlen. Der Unterhaltsanspruch des Kindes ist noch nicht tituliert. 2. Ich verpflichte mich, diesem Kind vom … an Unterhalt von monatlich … % des Mindestunterhalt nach § 1612a Abs. 1 BGB zu zahlen und zwar: – ab … der 1. Altersstufe, – ab … der 2. Altersstufe, – ab … der 3. Altersstufe abzglich des hlftigen Kindergeldes fr ein erstes Kind. 3. Ich unterwerfe mich wegen der Unterhaltsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde und beantrage und bewillige die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung fr das Kind zu Hnden der Kindesmutter. Die Verhandlungsniederschrift ist dem Erschienenen vorgelesen, von ihm genehmigt und eigenhndig unterschrieben worden. Unterschriften Dienstsiegel
2. Notarielles Schuldanerkenntnis Der Unterhaltsschuldner kann seine Verpflichtung zur Unterhaltszahlung auch 28 in notarieller Urkunde anerkennen und sich hinsichtlich dieser Verpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Dieser Weg bietet sich für den Unterhaltsschuldner auch dann an, wenn er nur einen Teil des verlangten Unterhalts zahlen und sein Kostenrisiko im nachfolgenden Unterhaltsverfahren begrenzen will. Liegt nämlich ein vollstreckbares Schuldanerkenntnis vor, hat der Berechtigte ein Rechtsschutzbedürfnis nur noch für den das Anerkenntnis übersteigenden Teil des Unterhalts. Zur Frage der zulässigen Verfahrensart (Zusatz- oder Abänderungsantrag?) vgl. Kap. K Rz. 296. Zur Kostenersparnis vgl. Beispiel unter Rz. 23). 3. Notarieller Unterhaltsvertrag Notarielle Unterhaltsvereinbarungen werden häufig im Zusammenhang mit ei- 29 nem Trennungs- und Ehescheidungsfolgenvertrag getroffen. Soll diese Vereinbarung hinsichtlich des Unterhalts vollstreckbar sein – was der Unterhaltsberechtigte mit Recht verlangen kann1, muss sich der Unterhaltsverpflichtete in der notariellen Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO).
1 Zum Titulierungsinteresse s. BGH, FamRZ 2010, 195 (196).
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J. Vorprozessuale Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs
E4
Vertrag ber Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt (mit Anreiz zur Aufnahme einer Erwerbsttigkeit)
30 Urkundenrolle-Nummer
Verhandelt zu … am … Vor dem unterzeichneten Notar (Name und Amtssitz) erschienen heute: 1. Frau … (Name, Geburtsdatum, Anschrift) ausgewiesen durch gltigen Personalausweis Nr. … 2. Herr … (Name, Geburtsdatum, Anschrift) ausgewiesen durch gltigen Personalausweis Nr. … und erklren mit der Bitte um Beurkundung: Wir sind seit dem … miteinander verheiratet und leben seit dem … voneinander getrennt. Aus unserer Ehe ist das minderjhrige Kind …, geboren am …, hervorgegangen. Es befindet sich in der Obhut der Ehefrau. Fr die Dauer des Getrenntlebens und den Fall der rechtskrftigen Scheidung treffen wir folgende Unterhaltsvereinbarung: 1. Der Ehemann verpflichtet sich, an das gemeinsame Kind … einen monatlichen im Voraus bis zum 3. eines jeden Monats zu entrichtenden Unterhaltsbetrag i.H.v. 432 Euro zu Hnden der Ehefrau zu zahlen, beginnend mit dem … Wegen dieser Zahlungsverpflichtung unterwirft sich der Ehemann der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermçgen. Bemessungsgrundlage des Unterhalts ist ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen des Ehemannes von 4 000 Euro abzglich 150 Euro pauschale berufsbedingte Aufwendungen = 3 850 Euro. Der Unterhalt bestimmt sich nach der Dsseldorfer Tabelle (Stand 1.1.2013), Altersstufe 1, Einkommensgruppe 7. Hierbei ist bercksichtigt, dass der Ehemann 2 Personen gegenber unterhaltsverpflichtet ist. Das staatliche Kindergeld, das die Ehefrau erhlt, wird auf den Kindesunterhalt nicht angerechnet. 2. Der Ehemann verpflichtet sich, an seine Ehefrau einen monatlichen im Voraus bis zum 3. eines Monats zu entrichtenden Unterhaltsbetrag i.H.v. 1 000 Euro zu zahlen, beginnend mit dem … Wegen dieser Zahlungsverpflichtung unterwirft sich der Ehemann der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermçgen. Bei der Festlegung des Unterhalts gehen die Eheleute von dem um die berufsbedingten Aufwendungen und den Kindesunterhalt (voller Tabellenbetrag ohne Bercksichtigung des Kindergeldes) bereinigten Nettoeinkommen des Ehemannes von 3 418 Euro aus sowie von der Tatsache, dass die Ehefrau derzeit ber ein durchschnittliches Nettoeinkommen aus Kapitalvermçgen von 270 Euro verfgt, aber beabsichtigt, demnchst ihre Ttigkeit als Finanzwirtin im çffentlichen Dienst wieder aufzunehmen. Die Eheleute sind sich darber einig, dass das von der Ehefrau in den nchsten 3 Jahren erzielte Erwerbseinkommen auf den Unterhaltsanspruch der Ehefrau nicht angerechnet wird. Im brigen findet eine Abnderung des Unterhalts nach den von der Rechtsprechung zur Abnderung von Unterhaltsvereinbarungen
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V. Exkurs: Zu Form und Inhalt von Unterhaltsverträgen
entwickelten Grundstzen statt. Die Vereinbarung ber den Unterhalt der Ehefrau gilt bis zum … (Datum nach Ablauf von 3 Jahren). Fr die Zeit ab … (Datum nach Ablauf von 3 Jahren) findet eine Abnderung dieser Unterhaltsregelung ohne Bindung an die Grundlagen dieser Vereinbarung nach Maßgabe des gesetzlichen Unterhaltsrechts statt. Der Notar wird beauftragt und ermchtigt, der Ehefrau eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde zu bersenden. Diese Niederschrift wurde den Erschienenen vom Notar vorgelesen, von ihnen genehmigt und eigenhndig wie folgt unterschrieben: Unterschriften Notarsiegel
4. Anwaltsvergleich Eine ähnliche Funktion wie der notarielle Unterhaltsvertrag erfüllt der von den 31 Parteien und ihren Anwälten unterschriebene Anwaltsvergleich (§ 796a ZPO) mit Unterwerfungsklausel. Er ist Vollstreckungstitel, wenn er auf Antrag einer Partei vom Familiengericht (§ 796b ZPO) für vollstreckbar erklärt und bei einem Amtsgericht niedergelegt wird, bei dem eine der Parteien zur Zeit des Vergleichsabschlusses ihren allgemeinen Gerichtsstand hatte. Allerdings ersetzt der Anwaltsvergleich nicht die nach § 1585c Satz 2 BGB geforderte notarielle Beurkundung einer vor der Scheidung getroffenen Unterhaltsvereinbarung über den nachehelichen Unterhalt. Der Anwaltsvergleich ist kein gerichtlich protokollierter Vergleich i.S.v. § 127a BGB, der eine notarielle Beurkundung ersetzen kann.1
V. Exkurs: Zu Form und Inhalt von Unterhaltsverträgen Der privatschriftliche Unterhaltsvertrag ist kein Vollstreckungstitel; die 32 Zwangsvollstreckung aus einem solchen Vertrag ist nicht möglich. Aus der Unterhaltsvereinbarung, in der die Parteien regelmäßig den gesetzlichen Unterhaltsanspruch im Einzelnen ausgestaltet und festgelegt haben, muss im Wege des Zahlungsverfahrens vor dem Familiengericht vorgegangen werden. Der Wert der Vereinbarung besteht dann in erster Linie darin, dass der gesetzliche Unterhaltsanspruch nachweisbar und in bestimmter Weise festgelegt ist. Vollstreckungstitel sind Unterhaltsvereinbarungen,
33
– wenn sie durch einen Notar beurkundet sind und sich der Unterhaltsschuldner in der notariellen Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), s. Rz. 28, 29 f. Treffen Eheleute Regelungen zum Trennungs- und/oder nachehelichen Unterhalt in einem Ehevertrag, gilt die Besonderheit, dass der Vertrag bei gleichzeitiger Anwesenheit der Ehegatten notariell zu beurkunden ist (§ 1410 BGB, s. dazu Kap. F Rz. 506); – wenn sich der Unterhaltsschuldner in einem Anwaltsvergleich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat und der beim Amtsgericht nieder-
1 Zöller/Geimer, § 796a ZPO, Rz. 8; Palandt/Heinrichs, § 127a BGB Rz. 2.
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J. Vorprozessuale Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs
gelegte Vertrag nach § 796a ZPO für vollstreckbar erklärt worden ist, s. Rz. 31; – wenn die Beteiligten die Vereinbarung zur Beilegung ihres Unterhaltsstreits vor dem Familiengericht geschlossen haben (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Ein solch gerichtlicher Vergleich kann geschlossen werden, indem die Vereinbarung zu richterlichem Protokoll genommen (§ 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), den Beteiligten vorgelesen und von ihnen genehmigt wird (§ 162 ZPO). In diesem Fall genügt der gerichtliche Vergleich auch dem Formerfordernis einer notariellen Beurkundung (§ 127a BGB). Auf diese Weise kann eine gemäß § 1585c Satz 2 BGB wirksame Vereinbarung über den nachehelichen Unterhalt – entgegen mancher Stimmen in der Literatur1 – vor Rechtskraft der Ehescheidung nicht nur im Scheidungsverfahren oder in einer sonstigen Ehesache (§ 121 FamFG) sondern auch in einem isolierten Unterhaltsverfahren (z.B. über den Kindes- oder Trennungsunterhalt) geschlossen werden.2 Dies ergibt sich für das isolierte Unterhaltsverfahren unmittelbar aus § 127a BGB, wonach die gemäß § 1585c Satz 2 BGB geforderte notarielle Beurkundung bei einem gerichtlichen Vergleich zur Beilegung eines Rechtsstreits (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) durch die Aufnahme der Erklärungen in ein gerichtliches Protokoll ersetzt wird. Dem steht § 1585c Satz 3 BGB nicht entgegen, wonach § 127a BGB „auch“ auf eine Vereinbarung Anwendung findet, die in einem Verfahren in Ehesachen vor dem Prozessgericht protokolliert wird. § 1585c Satz 3 BGB wurde Gesetz, um für die forensische Praxis sicherzustellen, dass eine formwirksame Vereinbarung über den nachehelichen Unterhalt auch in einem Verfahren in Ehesachen im Wege der Protokollierung durch das Prozessgericht abgeschlossen werden kann, selbst wenn zuvor keine Unterhaltssache anhängig war oder kein Streit oder Ungewissheit über den Unterhalt bestand.3 Eine weitergehende Bedeutung kommt der Vorschrift nicht zu, sie gebietet nicht, § 127a BGB bei Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt „nur“ innerhalb eines Eheverfahrens anzuwenden; – wenn die Beteiligten im schriftlichen Verfahren einen gerichtlichen Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen haben. Die Beteiligten eines Unterhaltsstreits können einen Vergleich auch dadurch abschließen, dass sie dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts schriftsätzlich annehmen. Das Zustandekommen des Vergleichs wird durch gerichtlichen Beschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt. Dies ist unproblematisch in Verfahren über Unterhaltsansprüche, über die eine Einigung formlos möglich ist. In der Literatur heftig umstritten ist jedoch die Frage, ob auf diese Weise vor Rechtskraft der Ehescheidung auch eine Vereinbarung über den nachehelichen Unterhalt wirksam geschlossen werden kann, die nach § 1585c Satz 2 BGB notariell beurkundet sein muss. Die Beurkundungswirkung nach § 127a BGB tritt beim sog. Beschlussvergleich nach der einen Meinung nicht ein, weil § 127a BGB die Auf1 P/W/W/Kleffmann, § 1585c Rz. 2; Bergschneider, FamRZ 2008, 17 (18); Büte, FuR 2008, 177/8 halten eine formwirksame Vereinbarung nur in den Verfahren in Ehesachen für zulässig. 2 BGH, FamRZ 2014, 728; OLG Oldenburg, FamRZ 2013, 385; FamRZ 2011, 1738; MünchKomm.BGB/Maurer, § 1585c Rz. 10; Borth, UÄndG 2008, Rz. 235; GöhlerSchlicht, FF 2008, 143; Büttner/Niepmann, NJW 2008, 2391 ff. Die in der 6. Aufl. vertretene Auffassung wird aufgegeben. 3 Vgl. die Begründung des Rechtsausschusses in BT-Drucks. 16/6980, 20; abgedruckt auch bei Menne/Grundmann, S. 74.
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V. Exkurs: Zu Form und Inhalt von Unterhaltsverträgen
nahme der Erklärungen in ein schriftliches Protokoll voraussetze.1 Nach einer im Vordringen befindlichen Auffassung genügt aber auch der im schriftlichen Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO geschlossene Vergleich dem Formerfordernis nach § 1585c Satz 2 BGB.2 Letzterer Auffassung ist zuzustimmen, eine analoge Anwendung von § 127a BGB geboten.3 Im materiellen Recht ist eine planwidrige Lücke entstanden, seitdem in der ZPO zusätzlich die Möglichkeit eines Vergleichsabschlusses im Beschlusswege nach § 278 Abs. 6 ZPO geschaffen, § 127a BGB aber nicht angepasst wurde. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers sollte der im schriftlichen Verfahren abgeschlossene Vergleich in seinen Wirkungen dem protokollierten Vergleich gleichstehen.4 Auch wird das mit dem Formerfordernis nach § 1585c Satz 2 BGB verfolgten Ziel (Schutz des schwächeren Verhandlungspartners vor übereilten Entscheidungen) durch einen Beschlussvergleich ebenso erfüllt wie durch den zu Gerichtsprotokoll erklärten Vergleich. Zum einen müssen die Beteiligten in einem Streitverfahren über den nachehelichen Unterhalt anwaltlich vertreten sein, was eine rechtliche Beratung gegen übereilte Entscheidungen einschließt. Zum anderen ist nicht ersichtlich, wie die Beteiligten nur durch das Erfordernis eines (zusätzlichen) Termins zur Protokollierung des zwischen ihnen ausgehandelten Vergleichs in der Sache selbst besser geschützt werden. Das Gericht hat im schriftlichen Vergleichsverfahren dieselben – eingeschränkten – gerichtlichen Prüfungskompetenzen wie bei einem protokollierten Vergleich.5 Unterhaltsverträge – gleichgültig, in welcher Form verfasst – bieten eine Fülle 34 von Gestaltungsmöglichkeiten. Fast sämtliche Aspekte des materiellen Unterhaltsrechts können durch Vereinbarung der Betroffenen aufgegriffen und festgelegt oder verändert bzw. abbedungen werden. Vgl. hierzu auch Mustervertrag unter Rz. 30. Tragfähige Unterhaltsvereinbarungen kommen daher am ehesten zustande, wenn die Anwälte der Parteien die verschiedenen Facetten des Unterhaltsrechts kennen, wirtschaftliches Verständnis sowie psychologisches Einfühlungsvermögen haben und nicht zuletzt die Auswirkungen des Vertrags auf andere Gebiete (z.B. dessen steuer-, sozial- oder rentenrechtliche Folgen) abschätzen können.
Û
Praxishinweis: Als Minimum sollte jeder Vertrag enthalten: Name und An- 35 schrift der Vertragspartner, Höhe des Unterhaltsbetrags, Beginn der Zahlung und Zahlungsmodalitäten, Ort und Datum des Vertragsschlusses und die Unterschriften der Parteien.
Im Hinblick auf spätere Abänderungswünsche ist es ratsam, die Vertragsgrund- 36 lagen anzugeben, d.h. in die Urkunde aufzunehmen, wie hoch das Nettoeinkommen des Verpflichteten ist bzw. welches Einkommen der Berechnung zugrunde gelegt wurde, welche Abzüge berücksichtigt wurden, ob und in welcher Höhe Einkommen des Berechtigten berücksichtigt wurde, welche Einkommenstabelle
1 Zöller/Greger, § 278 ZPO Rz. 35 m.w.N.; vgl. auch OLG Brandenburg, FamRZ 2008, 1192 und Pilati, jurisPR-FamR 22/2008 Anm. 4 (beide zu § 1587o BGB). 2 Palandt/Ellenberger, § 127a BGB, Rz. 2; Erman/Arnold, § 127a BGB, Rz. 8; Bergschneider, FamRZ 2013, 260 ff.; vgl. auch BAG NJW 2007, 1831 (zur schriftlichen Form nach § 623 BGB). 3 Die in der 6. Aufl. vertretene Auffassung wird aufgegeben. 4 BT-Drucks. 14/4722 S. 82. 5 BAG, NJW 2007, 1831.
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J. Vorprozessuale Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs
(z.B. DT, Stand 1.1.2013), Einkommensstufe, Altersstufe, Kindergeldanrechnung zugrunde gelegt wurde usw. Auch Abänderungsmöglichkeiten oder der Ausschluss von Abänderungen können aufgenommen werden. Es kann zudem zweckmäßig sein, verbliebene Streitpunkte zu benennen, z.B. die unterschiedlichen Standpunkte bei der Errechnung der Einkünfte. 37 Begrenzt wird die Gestaltungsfreiheit der Parteien im Unterhaltsrecht durch
§ 1614 BGB. Für den Ehegatten- und Verwandtenunterhalt gilt, dass für die Zukunft auf den Unterhalt nicht verzichtet werden kann (§ 1614 Abs. 1 BGB). Nur für die Zeit nach Scheidung lässt § 1585c BGB den Verzicht auch auf künftigen nachehelichen Unterhalt zu. Doch müssen sich Unterhaltsverträge, die einen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt enthalten, an § 138 BGB (Sittenwidrigkeit) und § 242 BGB (Treu und Glauben) messen lassen. Zur Inhaltskontrolle von Unterhaltsvereinbarungen zwischen Eheleuten im Einzelnen s. Kap. F Rz. 503 ff.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen Inhaltsübersicht Rz.
Rz.
I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Grundzüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff der Unterhaltsstreitsache . 2. Systematik des FamFG in Unterhaltsstreitsachen. . . . . . . . . . . . . . . 3. Terminologie bei Unterhaltsstreitsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5 5
h) Wert eines Vollstreckungsabwehrantrags . . . . . . . . . . . . . . . 89 i) Wert eines Antrags auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Unterhaltstitels . . . . 90 3. Höhe der Kosten. . . . . . . . . . . . . . . . 91 4. Kostenentscheidung in Unterhaltsstreitverfahren . . . . . . . . . . . . . 97 a) Kostenentscheidung in isolierten Unterhaltsverfahren . . . . . . . 98 aa) Obsiegen und Unterliegen (§ 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG) . 102 bb) Versäumnisse bei der Auskunft (§ 243 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 FamFG) . . . . . . . . . 107 cc) Sofortiges Anerkenntnis (§ 243 Satz 2 Nr. 4 FamFG) . 108 dd) Weitere Gesichtspunkte . . . 109 b) Kostenentscheidung bei der einstweiligen Anordnung . . . . . . 111 c) Kostenentscheidung im Scheidungsverbund . . . . . . . . . . . . . . . 112 5. Kostenerstattung . . . . . . . . . . . . . . . 113
III. Gericht: Organisation und Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachliche Zuständigkeit und Instanzenzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . a) Ausschließlicher Gerichtsstand am Gericht der Ehesache gemäß § 232 Abs. 1 Nr. 1 FamFG. b) Ausschließlicher Gerichtsstand im Verfahren wegen des Unterhalts für ein Kind gemäß § 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG . . . . . . . . . . c) Vorrang der ausschließlichen Gerichtsstände nach § 232 Abs. 1 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . d) Weitere Gerichtsstände . . . . . . . 3. Verweisung, Abgabe, Zuständigkeitskonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bezeichnung der Beteiligten . . . . . 2. Beteiligung des minderjährigen Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Alleinvertretungsbefugnis eines Elternteils. . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahrensstandschaft eines Elternteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Begriff der Obhut . . . . . . . . . . . . d) Beistandschaft des Jugendamts. e) Ergänzungspflegschaft . . . . . . . . f) Eintritt der Volljährigkeit . . . . . 3. Anwaltszwang für die Beteiligten . V. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kostenfaktor Verfahrenswert . . . . a) Wert des Zahlungsantrags . . . . . b) Wert des Unterhaltsabänderungsverfahrens . . . . . . . . . . . c) Wert des negativen Feststellungsantrags . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wert eines Antrags auf Unterhaltsbefristung . . . . . . . . . . . . . . e) Wert des Auskunftsantrags . . . . f) Wert des Stufenantrags . . . . . . . g) Wert eines Unterhaltsverzichts
7 15 16 16 17 18
20 23 25 31 34 35 37 39 41 45 51 56 59 60 65 65 67 68 78 79 81 82 84 88
VI. Verfahrenskostenhilfe . . . . . . . . . . . 116 1. Bewilligungsverfahren. . . . . . . . . . . 117 2. Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe . 134 a) Bedürftigkeit des Antragstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung . . . . . . . . . 152 c) Fehlender Mutwillen . . . . . . . . . 159 3. Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten . . . . . . . . . . . . . . . 163 4. Wirkung der Verfahrenskostenhilfe 166 5. Änderung der Bewilligung . . . . . . . 169 6. Aufhebung der Bewilligung . . . . . . 174 VII. Verfahrenskostenvorschuss . . . . . . 178 VIII. Besondere Verfahrensvorschriften im Unterhaltsstreitverfahren . . . . . 187 1. Zum Termin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 a) Grundsatz der Nichtöffentlichkeit, § 170 GVG . . . . . . . . . . . . . . 188 b) Kein Zwang zur mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 c) Kein Anspruch auf Terminsverlegung, § 113 Abs. 3 FamFG. . . . 190 2. Entscheidungsgrundlagen . . . . . . . . 191 a) Zurückweisung von Angriffsund Verteidigungsmitteln . . . . . 191
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen Rz. b) Übertragung von Verfahrensergebnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auskunftspflicht der Beteiligten und Dritter gegenüber dem Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auskunftspflicht der Beteiligten (§ 235 FamFG) . . . . . . . . . . . aa) Umfang der Auskunftspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schriftliche Versicherung der Richtigkeit . . . . . . . . . . . cc) Pflicht zur ungefragten Information . . . . . . . . . . . . . . . dd) Durchsetzung des Auskunftsverlangens . . . . . . . . . ee) Pflicht des Gerichts zur Auskunftsbeschaffung . . . . ff) Verhältnis zum Auskunftsund Stufenverfahren . . . . . . b) Verfahrensrechtliche Auskunftspflicht Dritter (§ 236 FamFG) . . .
192 193 195 195 196 198 199 200 201 205
IX. Unterhalt im Scheidungsverbund (Unterhaltsfolgesache) . . . . . . . . . . 213 X. 1. 2. 3.
Entscheidung durch Beschluss . . . Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschluss als Endentscheidung . . . Form, Inhalt und Erlass des Beschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kostenentscheidung . . . . . . . . . . . . 5. Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit des Unterhaltsbeschlusses . . . a) Anordnung der sofortigen Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsmittelbelehrung . . . . . . . . .
XI. Anträge im Verfahren auf Zahlung von Unterhalt . . . . . . . . . . . . . 1. Grundfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mehrere Antragsteller (subjektive Antragshäufung) . . . . . . . . . . . . . . . 3. Antrag auf Zahlung von dynamisiertem Kindesunterhalt . . . . . . . . 4. Teil-, Zusatz- oder Nachforderung
237 238 239 242 252 253 255 261 264 267 267
XVI. 1. 2. 3.
279 294
327
4. 5. 6. 7.
330
8.
334
9. 10. 11.
XIII. Anträge im Stufenverfahren . . . . . 317
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XV. Vollstreckungsabwehrverfahren und negativer Feststellungsantrag . 387 1. Vollstreckungsabwehrverfahren nach § 767 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . 388 2. Negativer Feststellungsantrag nach § 256 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . 397
277
XII. Anträge im Auskunftsverfahren . . 304 XIV. Abänderungsverfahren . . . . . . . . . . 1. Abänderung gerichtlicher Entscheidungen (§ 238 FamFG). . . . . . a) Zulässigkeit des Abänderungsantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendungsbereich der Norm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . .
Rz. b) Begründetheit des Abänderungsantrags. . . . . . . . . . . . . . . . . 343 aa) Wesentliche Veränderung der unterhaltsrelevanten Verhältnisse. . . . . . . . . . . . . . 344 bb) Nachträgliche Änderung, Präklusion . . . . . . . . . . . . . . . 351 cc) Unterhaltsanpassung . . . . . . 357 c) Zeitschranke . . . . . . . . . . . . . . . . 359 2. Abänderung von Vergleichen und Urkunden (§ 239 FamFG) . . . . . . . . 363 a) Zulässigkeit des Abänderungsverfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 aa) Anwendungsbereich und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . 364 bb) Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . 368 b) Begründetheit des Abänderungsantrags. . . . . . . . . . . . . . . . . 369 aa) Abänderung von Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . 370 bb) Abänderung von einseitigen Verpflichtungserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 c) Keine Zeitschranke . . . . . . . . . . . 379 3. Verschärfte Haftung. . . . . . . . . . . . . 380 4. Einstellung der Zwangsvollstreckung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385
334 341
Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . 402 Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . 402 Zuständiges Gericht . . . . . . . . . . . . 405 Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 246 FamFG zur Zahlung von Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 a) Abgrenzung zu § 49 FamFG . . . . 410 b) Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Unterhalt . . . . . . . . . . . 412 Ablauf des Verfahrens . . . . . . . . . . . 432 Entscheidung durch Beschluss . . . . 435 Vollstreckbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . 445 Aufhebung oder Änderung der Entscheidung nach § 54 FamFG . . . 447 Geltungsdauer der einstweiligen Anordnung (§ 56 FamFG) . . . . . . . . 462 Verfahrenskostenhilfe . . . . . . . . . . . 476 Kostenentscheidung . . . . . . . . . . . . 479 Anderweitiger Rechtsschutz gegenüber der einstweiligen Anordnung im ordentlichen Verfahren . . 485
I. Einleitung Rz.
Rz.
12. Rückforderung überzahlten Unterhalts im Fall der einstweiligen Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 13. Sondertatbestände der einstweiligen Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 497 14. Das Arrestverfahren . . . . . . . . . . . . 498
1. Vereinfachtes Verfahren zur Festsetzung des Unterhalts minderjähriger Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 a) Statthaftigkeit des vereinfachten Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . 530 b) Form und Inhalt des Antrags . . . 535 c) Einwendungen des Antragsgegners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 d) Festsetzungsbeschluss oder Übergang in das streitige Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 e) Korrekturmöglichkeiten: Beschwerde nach § 256 FamFG und Abänderungsverfahren nach § 240 FamFG. . . . . . . . . . . . 575 aa) Beschwerde (§ 256 FamFG) . 575 bb) Abänderungsverfahren (§ 240 FamFG) . . . . . . . . . . . . 576
XVII. Verfahrensrechtliche Besonderheiten beim Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes und seiner Mutter. . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfahren auf Vaterschaftsfeststellung in Verbindung mit dem Antrag auf Zahlung von Mindestunterhalt gemäß § 237 FamFG . . . 2. Einstweilige Anordnung nach § 248 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einstweilige Anordnung nach § 247 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XVIII. Vereinfachtes Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger . . . . . . . 525
I. Einleitung Das seit dem 1.9.2009 geltende FamFG verweist für die Mehrzahl der Unterhalts- 1 verfahren ganz überwiegend auf die Zivilprozessordnung. Für Verfahren, welche die gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber Kindern, Eltern oder dem (früheren) Ehegatten oder die Ansprüche nach § 1615l oder § 1615m BGB betreffen (§ 231 Abs. 1 FamFG), gelten die allgemeinen Vorschriften der ZPO und die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor dem Landgericht entsprechend (§§ 112 Nr. 1, 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Die Neukodifikation des familiengerichtlichen Verfahrens hat aber auch in diesen Unterhaltsstreitverfahren zahlreiche inhaltliche Änderungen gegenüber dem früheren, in der ZPO geregelten Unterhaltsverfahren bewirkt. Bedeutsam ist die Ersetzung des Urteils durch den Beschluss als Form der Endentscheidung (§§ 116, 38 FamFG), der Systemwechsel bei den einstweiligen Anordnungen, die nicht mehr von einem Hauptverfahren anhängig sind (§§ 246, 119, 49 ff. FamFG) und die Einführung des Beschwerdeverfahrens nach §§ 58 ff. FamFG anstelle der Berufung. Nicht zu unterschätzen in ihren Auswirkungen sind auch die zahlreichen Änderungen bei der Regelung einzelner Verfahrensfragen in Unterhaltssachen (z.B. die von §§ 91 ff. ZPO abweichende Kostenentscheidung nach § 243 FamFG). Das vorliegende Kapitel K befasst sich – ebenso wie das folgende Kapitel L über 2 die Rechtsmittel – nur mit dem Verfahren in den „klassischen“, auf die ZPO ausgerichteten Unterhaltsstreitsachen nach § 231 Abs. 1 FamFG, welche innerhalb der Unterhaltssachen den Schwerpunkt der familiengerichtlichen Tätigkeit bilden. Im Vordergrund stehen dabei die Besonderheiten des Unterhaltsverfahrens gegenüber dem allgemeinen Zivilprozess. Die in § 231 Abs. 2 FamFG genannten Verfahren zur Bestimmung der Bezugs- 3 berechtigten des Kindergeldes nach § 64 Abs. 2 Satz 3 EStG und § 3 Abs. 2 Satz 3 BKGG werden in diesem Buch nicht behandelt. Für diese – zahlenmäßig kleine – Gruppe der Unterhaltsverfahren ist das Familiengericht nach dem FamFG zuRasch
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
ständig geworden. Sie richten sich aber – im Gegensatz zu den Unterhaltsstreitverfahren nach § 231 Abs. 1 FamFG – ausschließlich nach dem FamFG und sind dem Rechtspfleger zugewiesen, soweit keine Unterhaltsstreitsache anhängig ist (§ 25 Nr. 2a RPflG). 4
Die Übergangsvorschrift Art. 111 FGG-RG ist im Kapitel O.I. abgedruckt und kommentiert.
II. Grundzüge 1. Begriff der Unterhaltsstreitsache 5
Das FamFG hat den Gesetzesbegriff „Unterhaltssachen“ eingeführt, wobei § 231 FamFG eine zweigeteilte Definition für diesen Begriff enthält. Nach § 231 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 FamFG sind Unterhaltssachen Verfahren, die die durch Verwandtschaft (Nr. 1) oder durch Ehe (Nr. 2) begründete gesetzliche Unterhaltspflicht sowie die Ansprüche nach § 1615l oder § 1615m BGB (Nr. 3) betreffen. Daneben sind Unterhaltssachen nach § 231 Abs. 2 FamFG die nach dem Bundeskindergeldgesetz und dem EStG vorgesehenen Verfahren zur Bestimmung des Bezugsberechtigten des Kindergeldes. Nur die Unterhaltsverfahren nach § 231 Abs. 1 FamFG zählen aber zur Kategorie der Familienstreitsachen (§ 112 FamFG), für die – neben den besonderen Vorschriften der §§ 231 ff. FamFG – die allgemeinen Vorschriften der ZPO und die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor den Landgerichten entsprechend gelten (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Die ZPO-Vorschriften verdrängen dabei ganz überwiegend die Verfahrensregelungen aus dem Allgemeinen Teil des FamFG. Die Paragraphenkette der allgemeinen Vorschriften des FamFG, die gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG in Familienstreitsachen nicht anzuwenden sind, ist lang: §§ 2 bis 22, 23 bis 37, 40 bis 45, 46 Satz 1 und Satz 2, 47 und 48, sowie 76 bis 96 FamFG. Das sind sämtliche Vorschriften im allgemeinen Teil des FamFG – mit Ausnahme der Regelungen zu den Mitteilungen an die Familien- und Betreuungsgerichte (§ 22a FamFG), zum Beschluss als Form der Endentscheidung (§§ 38, 39 FamFG), zur einstweiligen Anordnung (§§ 49 ff. FamFG), zur Beschwerde (§§ 58 ff. FamFG) und zu den Verfahren mit Auslandsbezug (§§ 97 ff. FamFG).
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Die Definition der Unterhaltsstreitsachen in § 231 Abs. 1 FamFG ist weit gefasst. Zu den Verfahren dieser Gruppe zählen nicht nur die Streitigkeiten zwischen Verwandten, (ehemaligen) Eheleuten und Eltern eines nichtehelichen Kindes, mit denen der Anspruch auf Unterhalt geklärt werden soll. Verfahren, die die durch Verwandtschaft oder Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht sowie die Ansprüche nach § 1615l oder § 1615m BGB „betreffen“, sind auch solche, deren Streitgegenstand materiell-rechtlich oder verfahrensrechtlich mit den genannten Unterhaltsansprüchen zusammenhängen.1 Hierzu zählen u.a. Unterhaltsansprüche aus übergegangenem Recht,2 der familienrechtliche Ausgleichsanspruch eines Elternteils gegen den anderen wegen Kindesunterhalt,3 der Erstattungsanspruch des Scheinvaters gegen den Erzeuger4 und der Anspruch auf
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Zöller/Lorenz, § 231 FamFG Rz. 3 ff. Prütting/Helms/Bömelburg, § 231 FamFG Rz. 9 m.w.N. Keidel/Weber, § 231 FamFG Rz. 5; BGH, FamRZ 1980, 345. Vgl. BGH, FamRZ 2009, 32; FamRZ 2008, 1424.
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II. Grundzüge
Zustimmung zum begrenzten Realsplitting oder auf Erstattung der hierdurch entstandenen Nachteile.1 Der Anspruch auf gemeinsame Veranlagung zur Einkommensteuer zählt hingegen nicht zu den Unterhaltssachen, sondern fällt als sonstige Familiensache nach § 266 Abs. 1 Nr. 2 FamFG („aus der Ehe herrührende Ansprüche“) in den Aufgabenbereich der Familiengerichte.2 2. Systematik des FamFG in Unterhaltsstreitsachen Obwohl der Aufbau des FamFG streng logisch ist – das FamFG enthält Definitio- 7 nen, allgemeine „vor die Klammer gezogene“ Vorschriften, dann die besonderen Vorschriften für einzelne Verfahrensgegenstände, erweist sich das Auffinden der einschlägigen Normen insbesondere bei den Unterhaltsstreitsachen als mühselig. Denn in den Unterhaltsstreitsachen greifen folgende Teile des Verfahrensrechts ineinander: – der allgemeine Teil des FamFG (§§ 38, 39 FamFG – Regelungen zum Beschluss; §§ 49 ff. FamFG – Verfahren der einstweiligen Anordnung; §§ 58 ff. FamFG – Beschwerdeverfahren) in Buch 1, – die allgemeinen Vorschriften für das Verfahren in Familienstreitsachen (§§ 112 ff. FamFG) mit Verweisung auf Teile der ZPO (erstinstanzliches Erkenntnisverfahren) in Buch 2 und – die besonderen Verfahrensvorschriften für Unterhaltssachen in §§ 231 ff. FamFG, ebenfalls in Buch 2. Insgesamt dürfte dieses Zusammenspiel mehrerer Ebenen Fehler und Unklar- 8 heiten bei der Rechtsanwendung begünstigen. 9
Beispiel Für die Kostenentscheidung in einer Unterhaltsstreitsache verweist § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG auf die §§ 91 ff. ZPO, die anstelle der §§ 80 ff. FamFG gelten. Nicht übersehen werden darf aber § 243 FamFG, der für die Kostenentscheidung im Unterhaltsstreit eine von den Vorschriften der ZPO abweichende Kostenregelung nach billigem Ermessen vorsieht.
Für den Bereich der Unterhaltsstreitsachen empfiehlt es sich deshalb, die an- 10 wendbaren Vorschriften des FamFG und der ZPO in der Reihenfolge vom Besonderen zum Allgemeinen zu prüfen: §§ 231 ff. in Buch 2, Abschnitt 9 (besondere Vorschriften für Unterhaltssachen), 11 dann §§ 111 ff. in Buch 2, Abschnitt 1 (allgemeine Vorschriften für Familiensachen), 12 mit a) Verweisung auf einzelne Paragraphen im Allgemeiner Teil des FamFG (kon- 13 kret: §§ 38, 39 FamFG (Beschluss), § 46 Satz 3 FamFG, §§ 49 ff. FamFG (einstweilige Anordnung), §§ 58 ff. FamFG (Beschwerde und Rechtsbeschwerde) und b) Verweisung auf das erstinstanzliche Erkenntnisverfahren der ZPO (konkret: 14 nach § 113 Abs. 1 FamFG auf die allgemeinen Vorschriften der ZPO und die Vor1 BGH, FamRZ 2008, 40. 2 Prütting/Helms/Bömelburg, § 231 FamFG Rz. 13.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
schriften der ZPO über das Verfahren vor den Landgerichten, zudem nach § 113 Abs. 2 FamFG auf die Vorschriften über den Urkunden- und Wechselprozess sowie über das Mahnverfahren). 3. Terminologie bei Unterhaltsstreitsachen 15 Bei der entsprechenden Anwendung der ZPO-Vorschriften ist eine von der ZPO
abweichende Terminologie einzuhalten, die dem FamFG angepasst ist. § 113 Abs. 5 FamFG ordnet ausdrücklich an, dass anstelle der zivilprozessualen Bezeichnungen (Prozess oder Rechtsstreit, Klage, Kläger, Beklagter, Partei) die entsprechenden Bezeichnungen des FamFG-Verfahrens zu verwenden sind (Verfahren, Antrag, Antragsteller, Antragsgegner, Beteiligter). Die dem Sprachgebrauch des FamFG angepassten Begriffe werden auch in zusammengesetzten Wörtern verwandt. So spricht das FamFG selbst von Beteiligtenfähigkeit (vgl. § 8 FamFG) und Verfahrensfähigkeit (vgl. § 9 FamFG). Entsprechend sind Begriffe wie Verfahrensstandschaft (anstelle von Prozessstandschaft) oder Stufenverfahren (statt Stufenklage) gebräuchlich geworden. Auch das FamGKG verzichtet – in der seit dem 1.8.2013 geltenden Fassung – auf Bezeichnungen wie Stufenklage- und Widerklageantrag und spricht stattdessen von „Stufenantrag“ (§ 38 FamGKG) und „Widerantrag“ (§ 39 FamGKG).
III. Gericht: Organisation und Zuständigkeit 1. Sachliche Zuständigkeit und Instanzenzug 16 Für alle Unterhaltssachen sind die Amtsgerichte in 1. Instanz sachlich zustän-
dig (§ 23a Nr. 1 GVG). Innerhalb der Amtsgerichte bestehen besondere Abteilungen für Familiensachen (Familiengerichte), denen die Unterhaltssachen als Familiensachen (§ 111 Nr. 8 FamFG) zugewiesen sind (§ 23b Abs. 1 GVG). In 2. Instanz entscheidet das Oberlandesgericht – dort die Familiensenate – über die Beschwerden in den von den Familiengerichten entschiedenen Sachen (§ 119 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 GVG), in 3. Instanz der Bundesgerichtshof über die Rechtsbeschwerden und Sprungrechtsbeschwerden (§ 133 GVG). Zu den Rechtsmitteln im Einzelnen vgl. Kap. L Rz. 2 ff. 2. Örtliche Zuständigkeit 17 Die örtliche Zuständigkeit für Unterhaltssachen ist in § 232 FamFG geregelt,
der die früher in der Zivilprozessordnung verstreuten Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit des Familiengerichts in Unterhaltssachen (§§ 621, 642, 35a, 23a ZPO a.F.) in einer einzigen detaillierten Norm zusammenfasst. a) Ausschließlicher Gerichtsstand am Gericht der Ehesache gemäß § 232 Abs. 1 Nr. 1 FamFG 18 Während der Anhängigkeit einer Ehesache ist das Gericht der Ehesache im ers-
ten Rechtszug ausschließlich zuständig für Unterhaltssachen, die die Unterhaltspflicht für ein gemeinschaftliches minderjähriges oder volljähriges Kind der Ehegatten oder durch die Ehe begründete Unterhaltspflichten betreffen (§ 232 Abs. 1 Nr. 1 FamFG). Wird eine Ehesache rechtshängig, während eine solche Unterhaltssache bei einem anderen Gericht im ersten Rechtszug anhängig ist, ist 588 Rasch
III. Gericht: Organisation und Zuständigkeit
dieses Verfahren von Amts wegen an das Gericht der Ehesache abzugeben (§ 233 FamFG). Ausgenommen von diesen Regelungen ist das vereinfachte Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger gemäß §§ 249 ff. FamFG (§ 232 Abs. 1 Nr. 1 FamFG), s. Rz. 522 ff., 538.
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Praxishinweis: Die ausschließliche Zuständigkeit des Ehegerichts für Unter- 19 haltssachen endet, wenn die Ehesache selbst – in der Regel die Scheidung – rechtskräftig entschieden ist. Dies gilt auch dann, wenn abgetrennte Folgesachen (z.B. der Versorgungsausgleich, der Zugewinn etc.) noch anhängig sind. D.h., in den nach Rechtskraft der Scheidung eingeleiteten Verfahren richtet sich die Zuständigkeit nach den weiteren Zuständigkeitsbestimmungen des FamFG, für bereits rechtshängige Unterhaltssachen bleibt das Gericht der Ehesache zuständig.
b) Ausschließlicher Gerichtsstand im Verfahren wegen des Unterhalts für ein Kind gemäß § 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG Das Gericht, in dessen Bezirk das minderjährige Kind oder der für es handlungs- 20 befugte Elternteil (vgl. Rz. 37, 39) seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist ausschließlich zuständig für Verfahren, welche die gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind betreffen (§ 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG). Gleiches gilt für Verfahren, die den Unterhalt eines volljährigen Kindes betreffen, das nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB dem minderjährigen Kind gleichgestellt ist (sog. privilegiertes volljähriges Kind). Mit gewöhnlichem Aufenthalt ist der Ort gemeint, an dem eine Person für eine 21 gewisse Dauer den Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse hat.1 Für die Frage, ob ein Aufenthalt als gewöhnlicher Aufenthalt anzusehen ist, sind die Dauer und die Beständigkeit des Aufenthalts zu berücksichtigen sowie andere Umstände persönlicher oder beruflicher Art heranzuziehen, die dauerhafte Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen. Anders als beim Wohnsitz (§ 13 ZPO, § 7 BGB) ist ein rechtsgeschäftlicher Begründungswille nicht erforderlich.2 Ein Verfahren „betrifft“ die Unterhaltspflicht für ein minderjähriges oder ihm 22 gleichgestelltes Kind, wenn es den Kindesunterhalt (auch) für die Zeit der Minderjährigkeit oder auch für die Zeit bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres zum Gegenstand hat. Der Eintritt der Volljährigkeit eines Kindes, sein Auszug aus dem elterlichen Haushalt oder die Beendigung der allgemeinen Schulausbildung führen nicht zum Wegfall des Gerichtsstands nach § 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG. Für die Anwendung von § 232 Abs. 1 FamFG kommt es nicht auf die beteiligten Personen, sondern auf den Streitgegenstand an.3 c) Vorrang der ausschließlichen Gerichtsstände nach § 232 Abs. 1 FamFG § 232 Abs. 2 FamFG ordnet den Vorrang der in § 232 Abs. 1 FamFG vorgesehe- 23 nen ausschließlichen Zuständigkeit gegenüber anderen ausschließlichen Gerichtsständen an. Diese Regelung hat in Unterhaltssachen insbesondere im Fall 1 BGH, NJW 1993, 2047. 2 BGH, NJW 1993, 2047. 3 Keidel/Weber, § 232 FamFG Rz. 8.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
des Vollstreckungsabwehrverfahrens nach § 767 ZPO praktische Bedeutung. Früher wurde ein Vorrang des nach §§ 767 Abs. 1, 802 ZPO ausschließlich zuständigen Gerichts des ersten Rechtszugs angenommen, d.h. des Gerichts, bei dem der Vollstreckungstitel geschaffen worden war. Nunmehr gibt § 232 Abs. 2 FamFG auch insoweit den familienrechtlichen Regelungen den Vorzug. Zur Begründung verweist der Gesetzgeber darauf, dass die Fallkenntnis des Gerichts des Vorprozesses insbesondere nach Ablauf einer längeren Zeitspanne und im Fall eines Richterwechsels nicht mehr von ausschlaggebender Bedeutung ist.1 24 Beispiel Das in Berlin wohnende minderjährige Kind vollstreckt rückständigen Unterhalt aus einem Beschluss des Familiengerichts Schwandorf, obwohl der in Schwandorf lebende Vater die Unterhaltszahlungen erbracht hat. Zuständig für das Vollstreckungsabwehrverfahren des Vaters ist das Familiengericht in Berlin. Gemäß § 232 Abs. 2 FamFG wird die ausschließliche Zuständigkeit nach §§ 767 Abs. 1, 802 ZPO verdrängt.
d) Weitere Gerichtsstände 25 Ist kein ausschließlicher Gerichtsstand nach § 232 Abs. 1 FamFG bestimmt,
richtet sich die örtliche Zuständigkeit in Unterhaltssachen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung, allerdings mit der Maßgabe, dass in den Vorschriften über den allgemeinen Gerichtsstand an die Stelle des Wohnsitzes der gewöhnliche Aufenthalt tritt (§ 232 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Örtlich zuständig für Unterhaltssachen ist damit grundsätzlich das Amtsgericht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Antragsgegners (vgl. §§ 12, 13 ZPO).2 26 Ist ein Verfahren über den Kindesunterhalt anhängig, kann nach Wahl des An-
tragstellers auch das Verfahren eines Elternteils gegen den anderen auf Zahlung von Ehegatten- bzw. Geschiedenenunterhalt oder von Unterhalt nach § 1615l BGB bei demselben Gericht erhoben werden (§ 232 Abs. 3 Nr. 1 FamFG). 27 Ferner ist nach Wahl des Antragstellers für den Antrag eines Kindes, durch den
beide Eltern auf Erfüllung der Unterhaltspflicht in Anspruch genommen werden, auch das Gericht zuständig, das für den Antrag gegen einen Elternteil zuständig ist (§ 232 Abs. 3 Nr. 2 FamFG). 28 Hat der Antragsgegner im Inland keinen Gerichtsstand, kann der Antragsteller
ein Unterhaltsverfahren auch an dem Ort einleiten, bei dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 232 Abs. 3 Nr. 3 FamFG). Zur internationalen Zuständigkeit s. Kap. N Rz. 1 ff. 29 Zur örtlichen Zuständigkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach
§ 50 FamFG vgl. Rz. 402 ff. Zur ausschließlichen Zuständigkeit für die Unterhaltsfestsetzung bei Feststellung der Vaterschaft gemäß § 237 Abs. 2 FamFG vgl. Rz. 511. 30 Ist für ein Unterhaltsverfahren kein ausschließlicher Gerichtsstand begründet,
sind die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit abdingbar, d.h., in 1. Instanz können die Beteiligten das angerufene Gericht als das örtlich zuständige 1 BT-Drucks. 16/6308, S. 255. 2 Es wird hier und im Folgenden – aus Platzgründen – darauf verzichtet, die entsprechend anwendbaren Normen der ZPO jeweils zusammen mit der Verweisungsnorm § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG zu zitieren.
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III. Gericht: Organisation und Zuständigkeit
Gericht bestimmen (§§ 38, 39 ZPO). Dessen Zuständigkeit wird auch durch rügelose Verhandlung zur Hauptsache begründet (§ 39 ZPO), sofern das Familiengericht zuvor nach § 504 ZPO auf seine örtliche Unzuständigkeit hingewiesen hat. Bei Unterhaltsstreitigkeiten zwischen Eheleuten kann ein solches Vorgehen sinnvoll sein, wenn die Scheidung ansteht und das Unterhaltsverfahren sogleich am Gericht der Ehesache durchgeführt werden soll. 3. Verweisung, Abgabe, Zuständigkeitskonflikte Die Komplexität der gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen in Unterhaltssachen 31 machen häufig Verfahrensüberleitungen von einem Gericht zum andern erforderlich. Hierbei ist zwischen einer formlosen Weiterleitung des eingegangenen Antrags, der bindenden Verweisung des Verfahrens (nach § 281 ZPO oder nach § 17a Abs. 2 und Abs. 6 GVG) und der bindenden Abgabe nach § 233 FamFG zu unterscheiden. Ist der Unterhaltsantrag bei einem örtlich oder sachlich unzuständigen Gericht eingereicht und dem Gegner noch nicht zugestellt, kann das Gericht die Sache im Einverständnis mit dem Antragsteller schnell und unbürokratisch an das zuständige Gericht weiterleiten. Diese Form der Verfahrensüberleitung1 ist allerdings nicht mehr als eine bloße Übersendung der Akte und entfaltet keine Bindungswirkung. Die Akte kann sowohl zurück- als auch weitergeschickt werden. Erst nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit wird ein Unterhaltsverfahren durch bindenden Verweisungsbeschluss an das für zuständig erachtete Gericht verwiesen, bei örtlicher Unzuständigkeit auf Antrag und unanfechtbar nach § 281 ZPO, bei sachlicher Unzuständigkeit von Amts wegen und beschwerdefähig entsprechend § 17a Abs. 2 GVG. Nach § 17a Abs. 6 GVG gelten nämlich für das Verhältnis der sachlich in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Familiensachen zuständigen Spruchkörper zueinander die Bestimmungen über die Zulässigkeit des Rechtswegs (§ 17a Abs. 1 bis 5 GVG) entsprechend.2 Ebenfalls von Amts wegen erfolgt eine bindende Abgabe des unzuständig gewordenen Gerichts an das zuständige Gericht, wenn eine Ehesache rechtshängig wird, während ein Unterhaltsverfahren bei einem anderen Gericht im ersten Rechtszug anhängig ist (§ 233 Satz 2 FamFG, § 281 Abs. 2 ZPO). Gelangt eine Unterhaltssache fälschlich an die allgemeine Prozessabteilung des 32 Amtsgerichts und will sie der Richter dieser Abteilung nach Eintritt der Rechtshängigkeit an einen Familienrichter desselben Amtsgerichts verweisen, gilt ebenfalls § 17a Abs. 6 GVG. Danach ist – im Gegensatz zur früheren Rechtslage3 – eine bindende Verweisung auch zwischen den Spruchkörpern eines Gerichts möglich, wenn die Prozessabteilung mit einer Familiensache (oder umgekehrt die familiengerichtliche Abteilung mit einer allgemeinen Zivilsache) befasst wird. Der Verweisungsbeschluss ergeht nach Anhörung der Parteien (§ 17a Abs. 2 Satz 1 GVG) und hat bindende Wirkung (§ 17 Abs. 2 Satz 3 GVG). Er unterliegt gem. § 17 Abs. 4 Satz 3 GVG der sofortigen Beschwerde nach §§ 567 ff. ZPO.
1 Der hierfür im Bereich der ZPO gebräuchliche Begriff „Abgabe“ (vgl. § 621 Abs. 3 Satz 1 ZPO a.F.) sollte im FamFG wegen den Bestimmungen zur Abgabe in §§ 4 und 233 FamFG nicht verwendet werden. 2 OLG Frankfurt, FamRZ 2013, 898 (899); vgl. auch BGH, FamRZ 2013, 281 mit Anm. Heiter, S. 283, vorhergehend OLG Düsseldorf, FamRZ 2012, 475. 3 BGH, FamRZ 1978, 582.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
33 Erklärt sich in den Fällen eines Verweisungsbeschlusses nach § 281 ZPO auch
das andere Amtsgericht durch rechtskräftige Entscheidung für unzuständig (etwa unter Berufung auf die mangelnde Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses wegen offensichtlicher Gesetzeswidrigkeit1), ist nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu verfahren. Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszuge zunächst höhere Gericht bestimmt. Handelt es sich dabei um den BGH, ist für die Bestimmung der Zuständigkeit das Oberlandesgericht zuständig, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört (§ 36 Abs. 2 ZPO).2 Meinungsverschiedenheiten über die Einordnung eines Verfahrens als familienrechtliche Unterhaltsstreitsache oder als bürgerrechtliche Angelegenheit sind dagegen in dem durch § 17a Abs. 4 GVG vorgesehenen Beschwerdeverfahren zu klären. Auf § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO kann hier nur in Ausnahmefällen zurückgegriffen werden.3
IV. Beteiligte 34 Bei der Anwendung der ZPO in Unterhaltsstreitsachen sind die Parteien als „Be-
teiligte“ zu bezeichnen (§ 113 Abs. 5 Nr. 5 FamFG). Eine inhaltliche Abweichung von den Regeln der ZPO ist damit jedoch nicht verbunden (vgl. Rz. 15). Die Bezeichnung der Parteien als Beteiligte ordnet § 113 Abs. 5 FamFG lediglich an, um die Begrifflichkeit innerhalb des FamFG zu vereinheitlichen. § 7 FamFG, der die Stellung der Beteiligten im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit regelt, gilt nicht für Familienstreitsachen (§§ 112 Nr. 1, 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Vielmehr verweist § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG auf die entsprechende Anwendung der §§ 50 ff. ZPO. 1. Bezeichnung der Beteiligten 35 Im Unterhaltsstreit stehen sich mit dem Unterhaltsgläubiger und dem Unter-
haltsschuldner i.d.R. natürliche Personen als Beteiligte gegenüber. Ihre Bezeichnung muss so genau sein, dass kein Zweifel an der Identität der Person besteht (§ 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Üblicherweise werden in Unterhaltsverfahren nur die Namen und Anschriften des Antragstellers und des Antragsgegners mitgeteilt. Für das Familiengericht ist es jedoch hilfreich, wenn zugleich die Personalien der Beteiligten, insbesondere das Geburtsdatum und die Staatsangehörigkeit angegeben werden. Dies dient zum einen dem Verständnis der Sachlage, zum anderen erleichtert es die gerichtsinterne Zuweisung, z.B., wenn am Gericht spezielle Auslandsabteilungen eingerichtet sind. 36 Fraglich ist, ob die Angabe der vollen ladungsfähigen Anschrift zu den notwen-
digen Bestandteilen einer Antragsschrift bzw. der vorbereitenden Schriftsätze in Unterhaltssachen gehört und die Geheimhaltung der Adresse zur Abweisung des Unterhaltsantrags als unzulässig führt. Dieses Problem stellt sich bei den Familiengerichten immer wieder in den Fällen häuslicher Gewalt. Die Frage wird von einer in Literatur und Rechtsprechung weit verbreiteten Auffassung bejaht. Die Mitteilung der vollen ladungsfähigen Anschrift sei nicht nur aufgrund der Sollvorschrift des § 130 Nr. 1 ZPO erwünscht, sondern über den Wort1 Vgl. hierzu Zöller/Greger, § 281 ZPO, Rz. 17 m.w.N. 2 OLG Naumburg, FamRZ 2005, 120. 3 OLG Braunschweig, FamRZ 2012, 1816, m. Anm. Griesche, FamFR 2012, 169.
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IV. Beteiligte
laut des § 130 ZPO hinaus i.d.R. zwingend erforderlich.1 Eine Ausnahme gelte nur dann, wenn der Betreffende ein streng zu prüfendes schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse habe.2 Weit vorsichtiger formuliert das BVerfG: Die Zulässigkeit einer zivilprozessualen Klage könne nur im Einzelfall von der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers abhängig gemacht werden. Ansonsten würden an die Zulässigkeit einer Klage Anforderungen gestellt, die über die ausdrücklich im Gesetz geregelten Zulässigkeitserfordernisse hinausgingen.3 Mit dieser Gesetzesinterpretation orientiert sich das BVerfG zum einen streng am Wortlaut und am Aufbau der ZPO: § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO macht lediglich die Bezeichnung der Parteien zum notwendigen Inhalt der Antragsschrift und steht im auffälligen Gegensatz zu § 130 Nr. 1 ZPO, wonach vorbereitende Schriftsätze die Partei nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung bezeichnen sollen. Zum anderen eröffnet das BVerfG einen Beurteilungsspielraum im Einzelfall, was den Anforderungen der Praxis besser gerecht wird. Gewiss muss einem Verfahren, das ohne Grund aus dem Verborgenen geführt werden soll, entgegengewirkt werden. Andererseits ist es gerade an den Familiengerichten zu Recht üblich, in Fällen häuslicher Gewalt nicht auf der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift zu bestehen, wenn sich das Opfer versteckt halten, aber Unterhalt fordern möchte. Dabei reicht es aus, wenn die Gewaltanwendung oder die Bedrohung konkret beschrieben wird. Es wäre verfehlt, hier die nach Umfang und Ausmaß oft streitige Gewaltanwendung im Einzelnen aufzuklären und je nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme das Interesse an der Geheimhaltung des Aufenthaltsortes zu bejahen oder zu verneinen. Das Bedürfnis der Rechtspflege, Zustellungen und Ladungen zu bewirken, wird dadurch erfüllt, dass ein Verfahrensbevollmächtigter bestellt ist. Und das Risiko des Antragsgegners, im Falle des Obsiegens etwaige Kostenerstattungsansprüche nicht oder nur erschwert durchsetzen zu können, wird durch die Angabe der (jederzeit veränderlichen) Anschrift ohnehin nur auf einem niedrigen Niveau gesichert.4 2. Beteiligung des minderjährigen Kindes Die von der ZPO grundsätzlich vorausgesetzte Kampfstellung der Beteiligten im 37 Unterhaltsstreit wird als problematisch empfunden, wenn ein minderjähriges Kind Unterhalt von einem Elternteil verlangt. Aus diesem Grund trifft das materielle Recht Vorkehrungen, um das Kind einerseits aus der direkten Konfrontation mit dem unterhaltspflichtigen Elternteil herauszunehmen und andererseits die Interessen des Kindes möglichst effektiv zu vertreten. An erster Stelle stehen hierbei die Alleinvertretungsbefugnis eines Elternteils nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB und die gesetzliche Verfahrensstandschaft nach § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB. Zu nennen sind aber auch die Beistandschaft des Jugendamts nach § 1712 Abs. 1 Nr. 2 BGB und die Ergänzungspflegschaft nach § 1909 BGB. Diese Regelungen und ihr Zusammenspiel werden im Folgenden vorgestellt.
1 BGH, NJW 1988, 2114 = FamRZ 1988, 382 mit kritischer, im Ergebnis zustimmender Besprechung von Nierwetberg, NJW 1988, 2095; BVerwG, NJW 1999, 2608; Baumbach/ Hartmann, § 253 Anm. 23 zum Stichwort „Anschrift“ und § 130 Anm. 10. 2 KG, OLGZ 91, 465. 3 BVerfG, NJW 1996, 1272. 4 Nierwetberg, NJW 1988, 2095.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
38 Zur Handlungsbefugnis der werdenden Mutter eines noch nicht geborenen Kin-
des bezüglich des Kindesunterhalts in den ersten drei Lebensmonaten gemäß § 247 Abs. 2 Satz 1 FamFG, s. Rz. 523. a) Alleinvertretungsbefugnis eines Elternteils 39 Minderjährige Kinder sind zwar beteiligtenfähig (§ 50 Abs. 1 ZPO) und können in
einem Unterhaltsverfahren grundsätzlich Antragsteller oder Antragsgegner sein. Sie können dieses Verfahren aber nicht selbst führen (§ 52 ZPO i.V.m. §§ 104, 106 BGB). Für sie handelt ihr gesetzlicher Vertreter, welcher sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts bestimmt (§ 51 Abs. 1 ZPO). In Unterhaltsstreitigkeiten ist das entweder der allein sorgeberechtigte Elternteil oder – im Falle gemeinsamer elterlicher Sorge – der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet (§ 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB). Angaben zur Vertretungsbefugnis sind in jeder Antragsschrift, mit der Kindesunterhalt geltend gemacht wird, erforderlich. E5
Vertretung des minderjhrigen Kindes im Unterhaltsverfahren Antrag auf Zahlung von Kindesunterhalt
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des minderjhrigen Kindes …, geboren am … Staatsangehçrigkeit … gesetzlich vertreten durch seine Mutter, Frau …, beide wohnhaft … – Antragsteller – gegen seinen Vater, Herrn …, Staatsangehçrigkeit … Anschrift … – Antragsgegner – Es wird beantragt, den Antragsgegner zu verurteilen, an den Antragsteller zu Hnden seiner gesetzlichen Vertreterin einen monatlichen Unterhalt von … Euro ab dem … jeweils zum Ersten eines jeden Monats zu zahlen. Begrndung: Der Antragsteller ist der Sohn des Beklagten. Er lebt im Haushalt seiner Mutter, der rechtskrftig geschiedenen frheren Ehefrau des Antragsgegners. oder: Der Antragsteller ist der nichteheliche Sohn des Antragsgegners. Seine Mutter ist Inhaberin der alleinigen elterlichen Sorge. … (weitere Ausfhrungen zum Unterhaltsanspruch)
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IV. Beteiligte
b) Verfahrensstandschaft eines Elternteils Eine zusätzliche Anordnung trifft § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB für die gemeinsamen 41 Kinder von Eheleuten: Leben die Eheleute getrennt oder ist zwischen ihnen eine Ehesache anhängig, kann ein Elternteil Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil nur in eigenem Namen geltend machen. Beteiligter ist mithin nicht das Kind, sondern der Elternteil, der die Alleinsorge besitzt bzw. das Kind in seiner Obhut hat (gesetzliche Verfahrensstandschaft). Der Antrag in einem in Verfahrensstandschaft erhobenen Unterhaltsverfahren 42 lautet auf Zahlung „an das Kind“; denn diese Formulierung bringt sprachlich deutlich zum Ausdruck, dass der materiell-rechtliche Unterhaltsgläubiger unverändert das Kind ist und der Verfahrensstandschafter nur ein fremdes Recht im eigenen Namen einklagt.1 E6
Mutter als Verfahrensstandschafterin des minderjhrigen Kindes im Unterhaltsverfahren Antrag auf Zahlung von Kindesunterhalt
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der Frau …, Anschrift … Staatsangehçrigkeit … – Antragstellerin – gegen ihren Ehemann, Herrn …, Anschrift … Staatsangehçrigkeit … – Antragsgegner – Es wird beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, an das Kind …, geboren am …, zu Hnden der Antragstellerin eine monatliche Unterhaltsrente von … Euro ab dem … zu zahlen. Begrndung: Die Beteiligten sind getrennt lebende Eheleute. Sie haben ein gemeinsames Kind, den am … geborenen Sohn … Das Kind lebt im Haushalt der Antragstellerin. … (weitere Ausfhrungen zum Unterhaltsanspruch)
Sind die Eltern geschieden, fällt die Verfahrensführungsbefugnis an das minder- 44 jährige Kind zurück.2 Eine Änderung der Verfahrensführungsbefugnis aufgrund
1 Münchener Prozessformularbuch/Vossenkämper, Form. J.I.4 Anm. 6; Gießler, FamRZ 1994, 800, Fn. 2; a.A. OLG Hamm, FamRZ 1990, 1375 (1376), das die Formulierung „Zahlung an den/die Kläger/in für das Kind“ bevorzugte. 2 OLG Köln, FamRZ 2005, 1259.
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erfolgter Scheidung hat jedoch keinen Einfluss mehr auf die Beteiligten eines laufenden Unterhaltsverfahrens (§ 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO analog).1 Zur Beendigung der Verfahrensstandschaft durch die Volljährigkeit des Kindes, s. Rz. 59. c) Begriff der Obhut 45 Der Begriff der Obhut ist im Unterhaltsverfahren von zentraler Bedeutung für die
Vertretungsbefugnis, wenn – was häufig vorkommt – auch Eltern mit gemeinsamer elterlicher Sorge um den Kindesunterhalt streiten. Denn in Unterhaltssachen knüpft das Gesetz sowohl die Alleinvertretungsbefugnis eines Elternteils nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB als auch die gesetzliche Verfahrensstandschaft nach § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht ausschließlich an die alleinige elterliche Sorge, sondern begnügt sich mit der Obhut eines Elternteils für das Kind. Diese Regelung wurde eingeführt, um zu vermeiden, dass Differenzen beim Kindesunterhalt zunächst ein Sorgerechtsverfahren erforderlich machen. 46 Der Begriff der Obhut umfasst die tatsächliche Betreuung und Versorgung des
Kindes.2 Dabei setzt die Anwendung der Vorschrift des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht voraus, dass ein Elternteil die alleinige Obhut über das Kind hat. Es reicht vielmehr aus, wenn der Schwerpunkt der Fürsorge bei ihm liegt.3 47 Die Frage, bei welchem Elternteil das Kind lebt, ist meistens geklärt und un-
streitig. Zuweilen erweist sich die Feststellung, welcher Elternteil den überwiegenden Teil der elterlichen Fürsorge trägt, jedoch als problematisch. 48 Beispiel Die Eltern teilen sich die Betreuung ihres Kindes in der Form, dass M, eine Studentin, das 4-jährige Kind täglich um 16 Uhr vom Kindergarten abholt und bis 19 Uhr betreut. Der berufstätige V holt K um 19 Uhr ab, bringt es bei sich zu Hause ins Bett und morgens zur Kindertagesstätte. Die Wochenendbetreuung teilen sich die Eltern auf. M verlangt einen finanziellen Beitrag von V zum Kindesunterhalt.
49 Für die Frage, welcher Elternteil das Kind überwiegend betreut, muss es nach
Auffassung des OLG Düsseldorf genügen, dass der Anteil eines Elternteils an der Betreuung und Versorgung des Minderjährigen den Anteil des anderen Elternteils geringfügig übersteigt, damit die ansonsten notwendige Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1909 BGB und die dadurch entstehenden Kosten vermieden werden können.4 Der pragmatische Ansatz ist grundsätzlich zu begrüßen. Im obigen Beispiel wird man aber um die Bestellung eines Ergänzungspflegers für das Kind nicht umhin können (zur Ergänzungspflegschaft vgl. Rz. 56 ff.); denn der zeitliche Anteil der Mutter an der Betreuung des Kindes ist geringer als der des Vaters, auch wenn die Betreuungsleistung möglicherweise intensiver ist. 50 Wechselt das minderjährige Kind im Laufe des Unterhaltsverfahrens aus der Ob-
hut des einen in die Obhut des anderen Elternteils, entfallen Alleinvertretungsund Verfahrensführungsbefugnis des bisher betreuenden Elternteils, und zwar 1 BGH, FamRZ 1990, 283. 2 OLG Zweibrücken, FamRZ 2001, 290; Staudinger/Peschel-Gutzeit, § 1629 BGB Rz. 336. 3 BGH, FamRZ 2006, 1015 gegen KG, JAmt 2002, 212 f. 4 OLG Düsseldorf, JAmt 2001, 298 = FamRZ 2001, 1235 (nur LS).
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IV. Beteiligte
insgesamt,1 nicht nur für künftige Unterhaltsansprüche. Der die Unterhaltszahlung beantragende Elternteil muss die Hauptsache für erledigt erklären – wozu er noch als befugt zu gelten hat2 – oder im Wege der Antragsänderung einen eigenen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch geltend machen.3 d) Beistandschaft des Jugendamts In Unterhaltsverfahren kann ein minderjähriges Kind – im Falle des § 247 51 FamFG auch das ungeborene Kind, s. Rz. 523 – durch das Jugendamt als Beistand (§ 1712 Abs. 1 Nr. 2 BGB) vertreten sein. In dem Fall ist das Jugendamt in seinem Aufgabenbereich auch gesetzlicher Vertreter des Kindes (§§ 1716 Satz 2, 1915 Abs. 1, 1793 Satz 1 BGB),4 die Vertretung des Kindes durch den sorgeberechtigten Elternteil verfahrensrechtlich ausgeschlossen (§ 234 FamFG). Die Regelung in § 234 FamFG dient dazu, im Verfahren gegensätzliche Erklärungen des Jugendamtes und des sorgeberechtigten Elternteils – dessen elterliche Sorge durch die Beistandschaft nicht eingeschränkt wird (§ 1716 Satz 1 BGB) – zu verhindern, indem dem Jugendamt der Vorrang eingeräumt wird. Will sich der Elternteil gegenüber dem Jugendamt durchsetzen, muss und kann er durch schriftliche Erklärung die Beistandschaft sofort beenden (§ 1715 Abs. 1 BGB). Die Befugnis, eine Beistandschaft des Jugendamts zur Durchsetzung von Unter- 52 haltsansprüchen nach § 1712 BGB zu beantragen, ist nicht nur alleinsorgeberechtigten Eltern vorbehalten (§ 1713 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, hat ebenfalls die Möglichkeit, für das Kind eine Beistandschaft des Jugendamts zu beantragen (§ 1713 Abs. 1 Satz 2 BGB). Damit können die Interessen des Kindes auch bei gemeinsamer elterlicher Sorge durch eine neutrale Institution vertreten werden, was die familiäre Beziehung entlastet. Es ist streitig, ob die gerichtliche Verfolgung von Unterhaltsansprüchen im Na- 53 men des Kindes durch das Jugendamt als Beistand rechtlich möglich ist, obwohl § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB verheiratete Eltern verpflichtet, die Unterhaltsansprüche eines gemeinsamen Kindes im Lauf des Getrenntlebens oder während des Scheidungsverfahrens im eigenen Namen geltend zu machen. Ein Teil der Literatur und Rechtsprechung hält in diesem Fall die Durchsetzung des Unterhalts durch das Jugendamt als Beistand bzw. gesetzlicher Vertreter des Kindes nach Sinn und Zweck der Verfahrensstandschaft für ausgeschlossen, das Kind solle keine eigene Beteiligtenstellung erhalten.5 Die Gegenmeinung hebt darauf ab, dass mit der Bestellung eines Beistands dieser in seinem Aufgabenkreis das Kind ebenfalls gesetzlich vertreten darf und insoweit die einschränkende Bestim-
1 OLG Rostock, FamRZ 2012, 890; OLG Hamm, FamRZ 1990, 890 f.; OLG München, FamRZ 1997, 1493 (1494). 2 OLG Rostock, FamRZ 2012, 890; OLG Köln, FamRZ 2005, 1999; Johannsen/Henrich/Jäger, § 1629 BGB Rz. 8 und 11. 3 OLG Frankfurt, FamRZ 2007, 909. 4 Palandt/Götz, § 1716 BGB Rz. 1; Zöller/Lorenz, § 234 FamFG Rz. 2; Prütting/Helms/Bömelburg, § 234 FamFG Rz. 2. 5 OLG Celle, FamRZ 2013, 53 (kritisch hierzu: Mix, JAmt 2013, 122); Zöller/Lorenz, § 234 FamFG Rz. 5; Prütting/Helms/Bömelburg, § 234 FamFG Rz. 5.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
mung des § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB verdrängt wird.1 § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB sei von Bedeutung nur im Verhältnis der Eltern zueinander, setze beim Unterhalt die alleinige Vertretungsbefugnis desjenigen voraus, in dessen Obhut sich das Kind befinde. Letzterer Auffassung ist zuzustimmen, und zwar auch im Hinblick auf das mit § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB verfolgte Ziel des Gesetzgebers, ein minderjähriges Kind möglichst aus elterlichen Konflikten herauszuhalten. Denn es widerspricht geradezu diesem Ziel, einem Elternteil die Konfrontation mit dem anderen aufzuzwingen, anstatt ihm die Möglichkeit zu lassen, sich aus dem Unterhaltsverfahren herauszuhalten und das Unterhaltsinteresse des Kindes durch einen neutralen Dritten wahrnehmen zu lassen. 54 Die Beistandschaft des Jugendamts ist kostenlos (§ 1716 Satz 2, § 1915 Abs. 1,
§ 1836 Abs. 3 BGB). Ein Anspruch des Jugendamts auf Aufwendungsersatz besteht nur, soweit das einzusetzende Einkommen und Vermögen des Kindes ausreicht (§ 1835 Abs. 5 BGB). 55 Die Beistandschaft des Jugendamtes nach § 1712 BGB darf nicht mit der Stellung
eines Beistands nach § 90 ZPO verwechselt werden. Beistand nach § 90 ZPO ist derjenige, der die Partei, bzw. den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung unterstützt. Das Jugendamt als Beistand nach § 1712 BGB ist dagegen in seinem Aufgabenbereich gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Kindes (vgl. Rz. 51). e) Ergänzungspflegschaft 56 Im Gegensatz zur Beistandschaft, die auf der Vertretungsbefugnis eines Eltern-
teils aufbaut, wird mit der Ergänzungspflegschaft nach § 1909 BGB mangelnde Vertretungsbefugnis der Eltern in Unterhaltssachen überbrückt. In Unterhaltsstreitigkeiten kann sich die Bestellung eines Ergänzungspflegers dann als nötig erweisen, wenn die Vorschrift des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht eingreift, etwa weil die streitenden, gemeinsam sorgeberechtigten Eltern die Betreuung des Kindes exakt unter sich aufteilen oder wenn (z.B. beim Getrenntleben innerhalb der Ehewohnung) nicht zu klären ist, bei welchem Elternteil der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge liegt.2 Auch der Fall eines nichtsorgeberechtigten Vaters, der Unterhalt für das von ihm betreute Kind von der sorgeberechtigten Mutter verlangen will, ist mithilfe einer Ergänzungspflegschaft zu lösen. 57 Zuständig für die Anordnung der Ergänzungspflegschaft ist das Familiengericht
– hier grundsätzlich der Rechtspfleger –, welches den Ergänzungspfleger auch auswählt, zu treuer und gewissenhafter Führung der Pflegschaft bestellt sowie anschließend berät und beaufsichtigt (§ 151 Nr. 5 FamFG, § 14 RPflG). Im Vorfeld eines Unterhaltsverfahrens wird das Familiengericht auf Anzeige eines Elternteils tätig (§ 1909 Abs. 2 BGB). Ist das Unterhaltsverfahren bereits eingeleitet, wird der damit befasste Richter die Bestellung eines Ergänzungspflegers veranlassen. 58 Ein Ergänzungspfleger kann wie ein Vormund Aufwendungsersatz und Ver-
gütung beanspruchen (§§ 1915, 1835, 1835a, 1836 ff. BGB). Ist das Kind mittellos 1 OLG Stuttgart, JAmt 2007, 40 m. Anm. Knittel; Palandt/Götz, § 1713 BGB Rz. 3; Mix, JAmt 2013, 122; MünchKomm.BGB/Huber, § 1629 Rz. 86; Vossenkämper, Prozessformularbuch Form. J.II.2 Anm. 3; DIJuF-Rechtsgutachten vom 10.5.2002, JAmt 2002, 243. 2 OLG Zweibrücken, FamRZ 2001, 290; OLG Hamburg, FamRZ 2001, 1235.
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IV. Beteiligte
(§ 1836d BGB), richten sich die Ansprüche eines berufsmäßigen Pflegers gegen die Staatskasse (§§ 1835 Abs. 4, 1835a, 1836 BGB, 3 VBVG). Ist das Jugendamt zum Ergänzungspfleger bestellt, ist die Ergänzungspflegschaft wie die Beistandschaft kostenlos, §§ 1915 Abs. 1, 1836 Abs. 3 BGB (vgl. Rz. 54). f) Eintritt der Volljährigkeit Wird das Kind während des Verfahrens volljährig, erlöschen Vertretungsbefug- 59 nis, Verfahrensstandschaft, Beistandschaft und Pflegschaft. Im Falle der Verfahrensstandschaft steht es dem Kind nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH jedoch frei, ob es das Verfahren selbst fortsetzt. Der BGH stuft – in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung – den Wegfall der Verfahrensstandschaft nicht mehr als einen Fall des gesetzlichen Beteiligtenwechsels ein, sondern sieht darin einen gewillkürten Wechsel des Antragstellers.1 Entschließt sich das Kind, das Verfahren weiterzuführen, bedarf es keiner Zustimmung des Gegners, weil der Beteiligtenwechsel nicht mit einer Änderung des Streitstoffs verbunden ist.2 Will das volljährige Kind dagegen das Verfahren nicht fortführen, kann der ehemalige Verfahrensstandschafter im Wege der Antragsänderung einen eigenen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch geltend machen3 oder das Verfahren – notfalls einseitig – für erledigt erklären, weil mit der Verfahrensführungsbefugnis eine Zulässigkeitsvoraussetzung nachträglich entfallen ist.4 Diese beiden Möglichkeiten stehen dem ehemaligen Verfahrensstandschafter auch dann offen, wenn er einer Fortführung des Verfahrens durch das volljährige Kind nicht zustimmen will. 3. Anwaltszwang für die Beteiligten In Unterhaltsstreitigkeiten besteht Anwaltszwang. Gemäß § 114 Abs. 1 FamFG 60 müssen sich die Beteiligten in selbständigen Unterhaltsstreitsachen vor dem Familiengericht und dem Oberlandesgericht ebenso anwaltlich vertreten lassen wie in Scheidungsfolgesachen, in denen Geschiedenen- bzw. Kindesunterhalt im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens für den Fall der Scheidung begehrt wird. Diese Regelung dient dem Schutz der Beteiligten, insbesondere auch des Unterhaltsberechtigten. Denn Unterhaltsverfahren haben oft erhebliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation des Einzelnen und das materielle Unterhaltsrecht erfordert die Beachtung vielfältiger tatsächlicher und rechtlicher Umstände. In Verfahren mit Anwaltszwang kann ein Beteiligter ohne Anwalt keine Pro- 61 zesshandlungen vornehmen. Dieses gilt für ein Anerkenntnis, die Klagerücknahme oder den Verzicht auf Rechtsmittel ebenso wie für den Abschluss eines Vergleichs.
1 BGH, FamRZ 2013, 1378 mit Anm. Streicher, FamRZ 2013, 1564 und Anm. Baumann und Borth, FamRZ 2013, 1718; Aufgabe von BGH, FamRZ 1983, 474; BGH, FamRZ 1985, 471. 2 BGH, FamRZ 2013, 1378. 3 Vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 2007, 909 (zum Obhutswechsel). 4 BGH, FamRZ 2013, 1378.
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Praxishinweis: Der im Ehescheidungsverfahren anwaltlich nicht vertretene Antragsgegner muss zum Abschluss eines gerichtlich protokollierten Ehescheidungsfolgenvergleichs einen Rechtsanwalt hinzuziehen.
63 Ausnahmen vom Anwaltszwang sind in § 114 Abs. 3 und 4 FamFG geregelt:
– Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sind als Beteiligte nach § 114 Abs. 3 FamFG vom Anwaltszwang befreit und können sich durch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte der anderen in § 114 Abs. 3 FamFG genannten Institutionen vertreten lassen (sog. Behördenprivileg). – Kein Anwaltszwang besteht im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 114 Abs. 4 Nr. 1 FamFG). Dies gilt – anders als früher bei den einstweiligen Anordnungen nach §§ 620 ff. ZPO a.F. – nicht nur im schriftlichen Verfahren, sondern für alle Verfahrensabschnitte, mithin auch für den Antrag auf mündliche Verhandlung und für diese selbst.1 – Es bedarf keiner anwaltlichen Vertretung, wenn das beteiligte minderjährige Kind durch das Jugendamt als Beistand gemäß § 1712 BGB, Vormund oder Ergänzungspfleger vertreten ist (§ 114 Abs. 4 Nr. 2 FamFG). Diese Regelung gilt nicht nur für die erste Instanz, sondern auch für die Verfahren vor dem Oberlandesgericht als Beschwerdegericht. Auch dort können in Unterhaltsstreitsachen Vertreter des Jugendamtes als gesetzliche Vertreter des beteiligten Kindes auftreten, ohne einen Rechtsanwalt beauftragen zu müssen. – Ausgenommen vom Anwaltszwang ist ferner das Verfahren über die Verfahrenskostenhilfe (§ 114 Abs. 4 Nr. 5 FamFG). – Ohne Anwalt kann zudem – wie bisher – das vereinfachte Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger geführt werden. § 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG verweist auf § 78 Abs. 3 ZPO, wonach die Vorschriften über den Anwaltsprozess auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anwendbar sind. Gemäß § 257 Satz 1 FamFG können Anträge und Erklärungen im vereinfachten Verfahren aber sämtlich vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Das gilt auch für den Antrag nach § 255 Abs. 1 FamFG, das streitige Verfahren durchzuführen. Ist dieser Antrag aber gestellt und gilt das Verfahren damit als rechtshängig (§ 255 Abs. 3 FamFG), sind alle künftigen Prozesshandlungen nur wirksam, wenn sie von einem Anwalt oder vom Jugendamt als Beistand vorgenommen werden. Das gilt auch für die Rücknahme des Unterhaltsantrages, selbst wenn sich der Antragsteller allein deshalb um anwaltliche Vertretung bemühen muss. 64 In den Fällen, in denen eine anwaltliche Vertretung nicht gesetzlich vorgeschrie-
ben ist, bleibt es den Beteiligten freigestellt, das Verfahren selbst oder durch eine nach § 79 Abs. 2 ZPO vertretungsbefugte Person als Bevollmächtigten zu führen (§ 79 ZPO). Die Beteiligten können entscheiden, ob sie die nötige Sachkunde zur Führung des Verfahrens aufbringen. Der Rechtsunkundige darf aber nicht erwarten, vom Gericht hinsichtlich einer aussichtsreichen Verfahrensführung be-
1 Prütting/Helms, § 114 FamFG Rz. 29 f.; Prütting/Helms/Bömelburg, § 246 FamFG Rz. 39.
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V. Kosten
raten zu werden; denn das Gericht ist nach § 139 ZPO zwar verpflichtet, auf sachdienliche Anträge der Beteiligten und vollständige Angaben hinzuwirken; diese Verpflichtung findet jedoch ihre Schranke im Gebot der richterlichen Unparteilichkeit, was die Beratung einer Seite ausschließt.
V. Kosten 1. Übersicht Der Entschluss, einen Streit vor Gericht auszutragen, hängt entscheidend davon 65 ab, wie hoch das Kostenrisiko eines Verfahrens einzuschätzen ist. Vor der Einleitung eines Verfahrens muss sich jeder Beteiligte fragen, welche Kosten hierdurch entstehen, die möglicherweise von ihm zu tragen sind.
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Praxishinweis: Rechtsanwälte sind zu sparsamer Verfahrensführung ver- 66 pflichtet und müssen ihre Klienten vor aussichtslosen und deshalb kostenträchtigen rechtlichen Schritten bewahren. Jeder Mandant sollte von seinem Anwalt eine eingehende Beratung hinsichtlich der voraussichtlich anfallenden Kosten erhalten. Nur nach ungefährer Berechnung der im günstigsten bzw. ungünstigsten Fall auf ihn zukommenden Kosten kann ein Unterhaltsgläubiger oder -schuldner entscheiden, ob ein Verfahren sich „lohnt“, d.h., ob der erstrebte wirtschaftliche Erfolg in vernünftigem Verhältnis zu dem (Kosten-!)Risiko des Verfahrens steht.
2. Kostenfaktor Verfahrenswert Sowohl die Höhe der Gerichtsgebühren als auch die Höhe der nach dem RVG 67 anfallenden gesetzlichen Anwaltsgebühren richten sich nach dem Verfahrenswert. Das Gericht setzt diesen Wert von Amts wegen durch Festsetzungsbeschluss zu Beginn des Verfahrens vorläufig, am Ende des Verfahrens endgültig fest (§ 55 Abs. 1 und 2 FamGKG). a) Wert des Zahlungsantrags Bei Ansprüchen auf Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht1 ist für die 68 Wertbemessung des laufenden Unterhalts nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG der für die ersten 12 Monate nach Einreichung des Antrags oder der im Antrag geforderte Unterhaltsbetrag maßgeblich, höchstens jedoch der Gesamtbetrag der geforderten Leistung. Werden neben dem laufenden Unterhalt auch Rückstände geltend gemacht, so sind die bei Einreichung (nicht Zustellung!) des Antrags fälligen Beträge gemäß § 51 Abs. 2 Satz 1 FamGKG dem Jahresbetrag hinzuzurechnen. Zum Rückstand zählt dabei der volle Unterhaltsbetrag des Monats, in dem der Unterhaltsantrag eingereicht wird; denn er ist nach §§ 1612 Abs. 3, 1613 Abs. 1 Satz 2 BGB fällig.2 Der Einreichung des Antrags wegen des Hauptgegen1 § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG ist durch das 2. KostRMoG vom 23.7.2013 zur Klarstellung neu gefasst worden: er erfasst neben den hier behandelten gesetzlichen Unterhaltsansprüchen auch rein vertraglich begründete Ansprüche auf wiederkehrende Unterhaltsleistungen, die als sonstige Familiensache i.S.d. § 266 Abs. 1 FamFG einzustufen und deshalb dem Familiengericht zugewiesen sind. Zur Abgrenzung, s. BGH, FamRZ 2009, 219 (220); auch OLG Frankfurt, FamRZ 2013, 898. 2 Vossenkämper, Münchener Prozessformularbuch, Form. J.I.1 unter Kosten und Gebühren Anm. 18.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
stands steht die Einreichung eines Antrags auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gleich, wenn der Antrag wegen des Hauptgegenstands alsbald nach Mitteilung der Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe oder über eine alsbald eingelegte Beschwerde eingereicht wird (§ 51 Abs. 2 Satz 2 FamGKG). 69 Werden mehrere Unterhaltsansprüche in einem Verfahren geltend gemacht, z.B.
die Ansprüche auf Ehegatten- und Kindesunterhalt, so sind die Werte nach § 33 Abs. 1 FamGKG zusammenzurechnen. 70 Beispiel Die Antragstellerin verlangt mit dem am 19.3.2014 eingereichten Antrag Ehegattenunterhalt i.H.v. mtl. 615 Euro sowie Kindesunterhalt i.H.v. mtl. 265 Euro, jeweils rückwirkend ab 1.1.2014. Der Verfahrenswert beträgt für den Ehegattenunterhalt: Laufender Unterhalt (12 × 615 Euro) Rückstand (3 × 615 Euro)
7 380 Euro 1 845 Euro
Der Verfahrenswert beträgt für den Kindesunterhalt: Laufender Unterhalt (12 × 265 Euro) Rückstand (3 × 265 Euro) Insgesamt
3 180 Euro 795 Euro 13 200 Euro
71 Fordert ein minderjähriges Kind dynamisierten Unterhalt nach §§ 1612a bis
1612c BGB, so ist für den Jahresbetrag nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG der Monatsbetrag des Mindestunterhalts nach der Altersstufe zugrunde zu legen, der bei der Einleitung des Verfahrens maßgebend ist (§ 51 Abs. 1 Satz 2 FamGKG). Für den Verfahrenswert spielt mithin der wirtschaftlich höhere Wert des dynamisierten Unterhalts keine Rolle. Es bleibt unberücksichtigt, dass der monatliche Unterhaltsbetrag veränderlich ist und für alle künftigen Altersstufen festgesetzt werden soll. Weder ist ein Zuschlag auf den Verfahrenswert vorgesehen, noch darf der höhere Monatsbetrag der 3. Altersstufe für die Wertfestsetzung herangezogen werden.1 72 Zu berücksichtigen ist aber der im Antrag auf dynamisierten Kindesunterhalt
ausgewiesene Abzug des Kindergeldes.2 Nach dem Wortlaut des § 51 Abs. 1 Satz 2 FamGKG ist der maßgebliche aktuelle Prozentsatz des Mindestunterhalts der Berechnung des Verfahrenswerts nach Satz 1 nur „zugrunde zu legen“, er soll nicht unverändert übernommen werden. Wertbestimmend nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG ist vielmehr stets der nach dem Antrag geforderte Zahlbetrag. Der vorgenommene Abzug des Kindergeldes nach § 1612b BGB darf bei der Festlegung des Verfahrenswerts weder im Hinblick auf die Formulierung von § 51 Abs. 1 Satz 2 FamGKG noch im Hinblick auf den wirtschaftlich höheren Wert des dynamisierten Unterhalts unberücksichtigt bleiben.3
1 Münchener Prozessformularbuch/Vossenkämper, Form. J.I.1 unter Kosten und Gebühren Anm. 18; Groß, FPR 1998, 183 (184). 2 OLG München, FamRZ 2005, 1766; OLG Brandenburg, FamRZ 2001, 779; AG Hainichen, FamRZ 2002, 256. 3 So aber (für das alte Recht) OLG Köln, FamRZ 2001, 778 mit ablehnender Anm. Quack, FamRZ 2001, 1384.
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V. Kosten
In Hinblick auf § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG fragt es sich – und ist in der Recht- 73 sprechung sehr umstritten –, ob und inwieweit eine Antragserweiterung im Laufe des Verfahrens den Wert eines Unterhaltsstreitverfahrens beeinflussen kann. Denn seinem Wortlaut nach begrenzt § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG den Wert eines jeden Unterhaltsverfahrens auf den Unterhaltsbetrag, der für die ersten 12 Monate nach Einreichung des Antrags verlangt wird. Höhere Unterhaltsbeträge, die erst für einen späteren Zeitraum begehrt werden, scheinen bei der Ermittlung des Verfahrenswerts grundsätzlich ausgeklammert.1 Es lag jedoch nicht in der Absicht des früheren Gesetzgebers, Werterhöhungen zu unterbinden, die durch eine Erweiterung des Verfahrensgegenstandes hervorgerufen werden. Vielmehr wurde die dem § 51 Abs. 1 FamGKG entsprechende Vorgängervorschrift § 17 Abs. 1 GKG a.F. (später § 42 Abs. 1 GKG a.F.) zum 1.7.1998 neu gefasst, weil das KindUG den dynamisierten Unterhaltsanspruch eines Minderjährigen einführte, der nach Altersstufen gestaffelt bis weit in die Zukunft tituliert werden kann. Nur auf diesen Staffelunterhalt ist die Streitwertbemessung des § 51 Abs. 1 FamGKG ausgerichtet.2 Dementsprechend eingeschränkt ist die Vorschrift anzuwenden. Bei Antragserhöhungen außerhalb des nach Altersstufen gestaffelten dynamisierten Kindesunterhalts bestimmt sich der Verfahrenswert daher nach dem Jahresbetrag des höchsten Monatsbetrags.3 Ist der Zeitraum, für den Unterhalt begehrt wird, geringer als 12 Monate, so ist 74 der für diesen Zeitraum geltend gemachte Betrag maßgebend (§ 51 Abs. 1 Satz 1 letzter HS FamGKG). Dies betrifft aber nur den Fall, dass der tatsächlich geforderte Unterhalt von vornherein auf weniger als 12 Monate begrenzt ist. Rückwirkend erfolgt dagegen keine Wertminderung. Wird z.B. Unterhalt für den getrennt lebenden Ehegatten bei Einreichung des Antrags zunächst unbefristet gefordert, die Ehe dann aber vor Ablauf eines Jahres geschieden, führt die entsprechende Anpassung des Zahlungsantrags auf die Zeit bis zur Rechtskraft der Scheidung nicht zu einer entsprechend geringeren Wertfestsetzung für bereits entstandene Gebühren.4Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Verfahrensgegenstand betreffenden ersten Antragstellung entscheidend (§ 34 FamGKG). Im vereinfachten Verfahren wird der Wert ebenfalls durch den laufenden Unter- 75 halt (§ 51 Abs. 1 FamGKG) und die nach § 51 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 FamGKG hinzuzurechnenden Rückstände bestimmt (§ 51 Abs. 2 Satz 3 FamGKG). In den Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Un- 76 terhalt oder eines Verfahrenskostenvorschusses gemäß §§ 246, 49 FamFG ist der Wert in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen (§ 41 Satz 1 FamGKG). Dabei ist von der Hälfte des für die Hauptsache bestimmten Werts auszugehen (§ 41 Satz 2 FamGKG). Wird im Verfahren über die einstweilige Anordnung ein Vergleich geschlossen, 1 So aber OLG Brandenburg, FamRZ 2003, 1682 unter Berufung auf den Gesetzeswortlaut; OLG München, FamRZ 2001, 239 (LS); OLG Nürnberg, FamRZ 2002, 684 für das Berufungsverfahren. 2 BT-Drucks. 13/7338, S. 47. 3 OLG Celle, FamRZ 2009, 74 für die Berufungsinstanz; Schneider/HK-FamGKG, § 51 Rz. 42 ff. und 69; Münchener Prozessformularbuch/Vossenkämper, Form. J.I.1 unter Kosten und Gebühren, Anm. 18. 4 Str., wie hier OLG Schleswig, FamRZ 2013, 240; KG, FamRZ 2011, 755; a.A. OLG Schleswig, FamRZ 2006, 1560.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
der nicht nur eine vorläufige, sondern eine endgültige Regelung enthält, ist der Wert dieses Vergleichs (Mehrwert des Vergleichs gegenüber dem Verfahrensgegenstand der einstweiligen Anordnung) mit dem Wert der Hauptsache anzusetzen.1 Der Verfahrenswert der einstweiligen Anordnung wird hierdurch aber nicht berührt. 77 Der Gebührenwert in der Rechtsmittelinstanz richtet sich gem. § 40 Abs. 1
FamGKG grundsätzlich nach den Anträgen des Beschwerdeführers. Dabei erscheint es sachgerecht, den Verfahrenswert in entsprechender Anwendung des § 51 Abs. 1 FamGKG nach dem Unterhalt in den ersten zwölf Monaten zu bemessen, die in der Rechtsmittelinstanz noch im Streit sind.2 Als Korrektiv ist ferner § 40 Abs. 2 Satz 1 FamGKG heranzuziehen, demzufolge der Verfahrenswert der Rechtsmittelinstanz durch den Wert des Verfahrensgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt wird.3 Ein solche Begrenzung scheidet allerdings aus, sofern der Gegenstandswert in der zweiten Instanz erweitert wurde (§ 40 Abs. 2 Satz 2 FamGKG). b) Wert des Unterhaltsabänderungsverfahrens 78 Bei Unterhaltsabänderungsverfahren nach §§ 238, 239 FamFG bemisst sich der
Verfahrenswert gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG nach dem einjährigen Differenzbetrag zwischen dem titulierten Anspruch und dem beantragten (erhöhten bzw. verminderten) Unterhaltsbetrag. Soweit ein nach §§ 238, 239 FamFG titulierter Unterhalt rückwirkend erhöht werden soll, werden die bis zur Einreichung des Klageantrages aufgelaufenen Beträge entsprechend § 51 Abs. 2 Satz 1 FamGKG dem Wert nach § 51 Abs. 1 FamGKG hinzugerechnet. Entsprechendes gilt, wenn der Unterhalt rückwirkend herabgesetzt werden soll.4 c) Wert des negativen Feststellungsantrags 79 Wird die Feststellung begehrt, dass kein Unterhalt geschuldet ist, bemisst sich
der Wert entsprechend § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG mit dem Jahresbetrag der künftigen Leistungen. Dagegen werden „Rückstände“ bei der Berechnung des Verfahrenswerts nicht hinzugesetzt. Denn der Feststellungsantrag, selbst wenn er ein Recht auf wiederkehrende Leistungen – Renten – zum Gegenstand hat, umfasst wesensmäßig nur die Feststellung des Rentenrechts als solches.5 80 Beispiel V beantragt die Feststellung, dass er aus einem im Jahr 2002 vor dem Jugendamt abgegebenen – seiner Auffassung nach nichtigen – Unterhaltsanerkenntnis keinen Unterhalt schuldet. Der Verfahrenswert ist der Jahresbetrag des anerkannten Regelbedarfs (Mindestunterhalts). Der vom Jugendamt mit ca. 18 000 Euro errechnete Unterhaltsrückstand ist wertmäßig nicht zu erfassen.
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Fölsch, FamRZ 2012, 738, Anm. zu OLG Celle, FamRZ 2012, 737. BGH, FamRZ 2003, 1274. BGH, FamRZ 2003, 1274. Prütting/Helms/Bömelburg, § 238 FamFG Rz. 138. BGHZ 2, 74; OLG Hamm, JurBüro 1988, 778; a.A. Schneider/HK-FamGKG, § 51 FamGKG Rz. 144; Schneider/Herget/Thiel, Rz. 8487.
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V. Kosten
d) Wert eines Antrags auf Unterhaltsbefristung Wird mit einem Abänderungsantrag, bzw. einem Rechtsmittel lediglich die Be- 81 fristung eines Unterhaltsanspruchs gefordert, bemisst sich der Wert dieses Antrags ebenfalls entsprechend § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG nach dem Jahresbetrag der streitigen Unterhaltsforderung. Der Anspruch auf Befristung stellt sich als Kehrseite eines Leistungsbegehrens dar. e) Wert des Auskunftsantrags Den Wert eines Auskunftsantrags setzt das Gericht gemäß § 42 Abs. 1 FamGKG 82 nach billigem Ermessen fest.1 Dabei ist das Interesse des Antragstellers an der Auskunft zu bewerten. Der Wert liegt umso höher, je geringer die zur Unterhaltsbemessung erforderlichen Kenntnisse des Gläubigers sind.2 Es wird i.d.R. ein Bruchteil von 1/10 bis 1/4 des Werts angenommen, den der vom Antragsteller erwartete Leistungsanspruch hat. Auch Werte zwischen 250 Euro und 500 Euro werden in der Praxis häufig festgesetzt.
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Praxishinweis: Der Wert des Auskunftsverfahrens darf nicht verwechselt 83 werden mit dem Wert der Beschwer des gerichtlich zur Auskunft Verpflichteten im Rechtsmittelverfahren. Der Beschwerdewert bemisst sich in dem Fall lediglich nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, der die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert.3 Das hat zur Folge, dass in den meisten Fällen ein Rechtsmittel gegen einen stattgebenden Auskunftsbeschluss nicht statthaft ist (vgl. Kap. L Rz. 26 ff.).
f) Wert des Stufenantrags Bei einem Stufenverfahren (§ 254 ZPO) auf Auskunft und Leistung ist nach § 38 84 FamGKG für die Wertberechnung nur einer der verbundenen Ansprüche, und zwar der höhere maßgebend. Das ist in aller Regel der Zahlungsanspruch, weil Auskunft und Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung den Leistungsanspruch nur vorbereiten.4 Der Wert des Auskunftsanspruchs drückt sich in diesem Fall in einer Quote des Leistungsinteresses aus, die an den Wert des Zahlungsanspruchs allenfalls heranreichen kann. Der Auskunftsanspruch kann nur dann der höherwertige Anspruch sein, wenn der Antragsteller bereits einen Teil dessen besitzt, was er aufgrund der Auskunft bzw. Rechnungslegung für sich in Anspruch nehmen und behalten will.5 Die Wertberechnung des Stufenverfahrens in den Fällen, in denen es nicht mehr 85 zu einer Bezifferung des Zahlungsantrags in der Leistungsstufe kommt – sei es, dass das Stufenverfahren schon in der Auskunftsstufe in vollem Umfang abgewiesen wird oder der Antragsteller seinen Leistungsanspruch nicht mehr weiterverfolgt – ist seit jeher heftig umstritten. Ein Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung meint, dass sich auch in diesem Fall der Wert des Stufenverfahrens 1 Thiele/HK-FamGKG, § 42 FamGKG Rz. 16, 88, 114. 2 BGH, FamRZ 1993, 1189; FamVerf/v. Swieykowski-Trzaska, § 1Rz. 569, Stichwort „Auskunft, vermögensrechtlich“. 3 BGH, FamRZ 2005, 1986; BGH (GS), FamRZ 1995, 993 = NJW 1995, 664; BGH, NJW-RR 2001, 210. 4 Schneider, Streitwert-Kommentar Rz. 8235; Musielak, § 3 ZPO Rz. 34 „Stufenklage“. 5 KG, FamRZ 2007, 69; so schon Rittmann, Gerichtskostengesetz, S. 47.
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insgesamt nur nach einem Bruchteil des Werts des Leistungsanspruchs richtet.1 Zum Teil wird der Standpunkt vertreten, der Gebührenstreitwert des mit dem Stufenantrag erhobenen noch unbezifferten Zahlungsanspruchs richte sich nach den objektiven Erkenntnissen des Gerichts am Ende der Instanz.2 Dagegen hält die vorherrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur dafür, dass sich der Wert der sog. steckengebliebenen Stufenklage nach dem Wert des noch unbezifferten Zahlungsantrages bemisst, der nach objektiven Anhaltspunkten unter Berücksichtigung der Erwartungen des Antragstellers bei Antragseinreichung (§ 34 FamGKG) zu schätzen ist.3 Dem ist zuzustimmen. Auch wenn sich später herausstellt, dass ein Hauptanspruch nicht besteht, bleibt der Wert des unbeziffert gebliebenen Leistungsanspruchs als Ansatzpunkt für die Bewertung des Verfahrensgegenstandes entscheidend. Er kann nicht nachträglich für den Verfahrensbeginn mit Null bewertet werden. Dies widerspräche den prozessualen Besonderheiten des Stufenverfahrens, wonach mit dem Einreichen des Antrags zum einen der Leistungsanspruch im vollen, erst später zu beziffernden Umfang anhängig wird4, zum anderen der Auskunftsanspruch nur vorbereitender Natur ist und damit von der Höhe des angekündigten Leistungsanspruchs abhängt. Lässt sich eine konkrete Erwartungshaltung des Antragstellers nicht ermitteln – z.B. wenn er den Unterhaltspflichtigen nur dem Namen nach kennt –, kann von dem Auffangwert nach § 42 Abs. 3 FamGKG (5 000 Euro) ausgegangen werden.5 86 Kündigt der Antragsteller in der Leistungsstufe einen Antrag an, dessen Wert
den bei Beginn des Verfahrens festgesetzten Wert übersteigt oder hinter ihm zurückbleibt, ist der geänderte Wert für die künftig entstehenden Gebühren maßgeblich.6 Zur Kostenentscheidung in den Fällen, in denen der Leistungsantrag mangels geschuldeter Auskunft hinter dem ursprünglichen Wert zurückbleibt, s. Rz. 107. 87 Wird in einem Verfahren auf Auskunft und Unterhalt neben dem zunächst noch
unbezifferten Unterhaltsantrag zugleich ein von vornherein bezifferter Mindestunterhalt geltend gemacht, liegt kein reines Stufenverfahren nach § 38 FamGKG vor; denn der Auskunftsantrag und der Antrag auf bezifferten (Teil-)Unterhalt stehen in keinem Stufenverhältnis, weil es an einem Abhängigkeitsverhältnis fehlt.7 Insoweit sind die Verfahrenswerte zu addieren (§ 33 Abs. 1 FamGKG).
1 OLG Stuttgart, FamRZ 2005, 1765; FamRZ 1990, 652; OLG Dresden (7. ZS), MDR 1997, 691; OLG Schleswig (4. ZS), MDR 1995, 642; OLG Frankfurt, JurBüro 1987, 878. 2 KG, MDR 1997, 598; NJW-RR 1998, 1615. 3 OLG Jena, FamRZ 2013, 489; KG, FamRZ 2007, 69; OLG Hamm, FamRZ 2004, 1664; OLG Celle, MDR 2003, 55; OLG Schleswig (3. ZS), JurBüro 2002, 80; OLG Bremen, OLGR 1998, 192; OLG Dresden (10. ZS), MDR 1998, 64; Prütting/Helms/Klüsener, § 38 FamGKG, Rz. 3; Schneider/HK-FamGKG, § 38 Rz. 20, 35; Schneider, Streitwertkommentar, Rz. 8235 f. und 5150; Hartmann, GKG § 44 Rz. 4 und FamGKG § 38; Oestreich/ Winter/Hellstab, GKG, § 38 FamGKG Rz. 9; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 16 „Stufenklage“; Musielak, § 3 ZPO Rz. 34 „Stufenklage“. 4 BGH, MDR 1961, 751; NJW 1991, 1893; Stein/Jonas/Roth, § 5 ZPO Rz. 22 m.w.N. 5 OLG Hamm, FamRZ 2013, 1420 (1421). 6 OLG Hamm, JurBüro 1982, 1376. 7 Richarz/Rosenkranz, FPR 1996, 299 ff.; vgl. auch BGH, FamRZ 2003, 31 (32).
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g) Wert eines Unterhaltsverzichts Bei einem vereinbarten Unterhaltsverzicht ist zu differenzieren. War der Unter- 88 haltsanspruch Gegenstand eines Gerichtsverfahrens, bleibt der Wert des Zahlungsantrages nach § 51 FamGKG auch für den Verzicht bestimmend.1 Wird dagegen in einer gerichtlich protokollierten Scheidungsvereinbarung ein Unterhaltsverzicht vereinbart, ist der Wert gemäß der Auffangvorschrift in § 42 Abs. 1 FamGKG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Hierbei kann der Unterhaltsverzicht mit dem Unterhaltsjahresbetrag bewertet werden, sofern die Höhe des Unterhaltsanspruchs feststeht. Bestehen keine genügenden Anhaltspunkte für die Wertbestimmung, ist nach § 42 Abs. 3 FamGKG von 5 000 Euro auszugehen. Ein gegenseitiger pauschaler Unterhaltsverzicht für die Zukunft wird aber auch häufig mit 1 200 Euro bewertet. h) Wert eines Vollstreckungsabwehrantrags Der Wert eines Vollstreckungsabwehrantrags bemisst sich nach dem Umfang 89 der erstrebten Ausschließung der Zwangsvollstreckung, mithin grundsätzlich nach dem Nennbetrag des vollstreckbaren Hauptanspruchs. Ergibt sich jedoch aus den Anträgen oder aus der Antragsbegründung, dass die Zwangsvollstreckung nur wegen eines Teilbetrags für unzulässig erklärt werden soll, dann ist dieser Betrag zu Grunde zu legen.2 i) Wert eines Antrags auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Unterhaltstitels Die Wertfestsetzung richtet sich nach § 51 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 FamGKG, 90 wobei der vor dem ausländischen Gericht geltend gemachte laufende Unterhalt mit dem Jahresbetrag bewertet und der bei Einreichung der Klage fällige Rückstand hinzugerechnet wird. Die nach Erlass der zu vollstreckenden Entscheidung fällig gewordenen Unterhaltsbeträge sind im Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Unterhaltstitels nicht hinzuzurechnen. Eine hierdurch hervorgerufene Erhöhung des Gegenstandswerts wäre im Vergleich zu dem Wert des vorangegangenen Erkenntnisverfahrens nicht gerechtfertigt, weil die Vollstreckbarkeitserklärung als typischer Bestandteil des Leistungstitel angesehen werden kann und auch dann, wenn sie in einem gesonderten Verfahren erfolgt, nicht schon eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung darstellt.3 3. Höhe der Kosten Für die Erstberatung in einer Familiensache kann der Rechtsanwalt keine höhe- 91 re Gebühr als 190 Euro fordern (§ 34 Abs. 1 Satz 3 letzter Halbs. RVG). Erfolgt die Beratung im Rahmen der Beratungshilfe, erhält der Anwalt neben der vom Mandanten erhobenen Beratungshilfegebühr von 15 Euro (Nr. 2500 VV RVG) 35 Euro aus der Landeskasse (Nr. 2501 VV RVG). Berät der Anwalt in mehreren Familiensachen, erhöhen sich die Beratungshilfegebühren.4 Allerdings fassen manche Gerichte die Beratung in verschiedenen Unterhaltssachen zu einer ge1 2 3 4
Schneider/HK-FamGKG, § 51 Rz. 187. BGH, FamRZ 2006, 620. BGH, MDR 2009, 173 = FamRZ 2009, 222. OLG Düsseldorf, FamRZ 2013, 725; OLG Köln, FamRZ 2009, 1345.
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bührenrechtlichen Angelegenheit (§§ 2 Abs. 2, 6 BerHG) zusammen, z.B. unter dem Aspekt der Beratung über die finanziellen Auswirkungen von Trennung und Scheidung.1 Eine Erhöhung der Beratungsgebühr findet nach dem klaren Wortlaut der Nr. 1008 VV RVG auch nicht statt, wenn sich die anwaltliche Beratung eines Mandanten auf die Unterhaltsansprüche von mehreren Familienmitgliedern bezieht.2 92 Anknüpfend an das Beispiel zum Gebührenstreitwert unter Rz. 70 werden nach-
stehend die Kosten eines Unterhaltsverfahrens in 1. Instanz (Gerichtskosten und Anwaltskosten) dargestellt, bei dem nach mündlicher Verhandlung und Beweisaufnahme ein Unterhaltsbeschluss erging. Die tatsächlichen Kosten eines Unterhaltsstreits liegen aber häufig höher, weil Rechtsanwälte zunehmend nur noch gegen Honorarvereinbarung (§ 3a RVG) tätig werden. Dem Gegner zu erstatten sind aber nur die – nachfolgend aufgeführten – gesetzlichen Anwaltskosten. 93 Beispiel Streitwert: 13 200 Euro Gerichtskosten: 3 Gebühren nach Nr. 1220 KV FamGKG:
879,00 Euro
Anwaltskosten: 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG 19 % gesetzliche Mehrwertsteuer Summe (Anwaltskosten)
845,00 Euro 780,00 Euro 20,00 Euro 312,55 Euro 1 957,55 Euro
Gesamtkosten des Verfahrens (für beide Beteiligte): Gerichtskosten 879 Euro + Anwaltskosten (2 × 1957,55 Euro) =
4 794,10 Euro
94 Vertritt ein Anwalt in einem Unterhaltsverfahren mehrere Unterhaltsgläubiger,
wie die Ehefrau und das Kind im oben genannten Beispielsfall (vgl. Rz. 70 und 93), oder auch mehrere Unterhaltsschuldner, z.B. die Eltern eines Kindes, so steht ihm die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG nicht zu, da der Auftrag zwar dieselbe Angelegenheit i.S.v. § 15 Abs. 2 RVG betrifft, nicht aber denselben Gegenstand i.S. desselben Anspruchs.3 Die einzelnen Unterhaltsansprüche sind rechtlich völlig selbständig. Nr. 1008 VV RVG gilt aber nur in den Fällen, in denen ein und derselbe Anspruch mehreren Gläubigern zusteht bzw. gegen mehrere Schuldner gerichtet ist, um einen Ausgleich für den Mehraufwand zu schaffen, der bei gleichem Streitwert durch Schriftverkehr usw. mit mehreren Auftraggebern entsteht. In Unterhaltsverfahren wird dieser Mehraufwand dadurch abgegolten, dass die Streitwerte der einzelnen Unterhaltsansprüche addiert werden (§ 33 FamGKG, §§ 23, 22 RVG). 95 Die Höhe der Kosten einer einstweiligen Anordnung ist geringer. Der Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung löst die Verfahrensgebühr mit einem Gebührensatz von 1,5 aus (Nr. 1420 KV FamGKG). Es besteht nach § 14 Abs. 2 1 OLG Stuttgart, FamRZ 2013, 726; OLG Celle, FamRZ 2011, 1894; OLG Nürnberg, FamRZ 2011, 1687. 2 KG, RVG Report 2007, 143; anders bei der Geschäftsgebühr, OLG Oldenburg, AGS 2007, 45 m.w.N. 3 Richarz/Rosenkranz, FPR 1996, 299 ff.
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FamGKG aber keine Pflicht zur Vorauszahlung dieser Gebühr. Dem Anwalt erwachsen dieselben Gebühren wie in einem Hauptsacheverfahren, allerdings nach dem niedrigeren Streitwert gemäß § 41 FamFG. Einem Beteiligten, der nicht am Ort des (künftig zuständigen) Familiengerichts 96 wohnt, entstehen zusätzliche Kosten. Beauftragt er einen Verfahrensbevollmächtigten an seinem Wohnort, wird eine Terminsreise des Anwalts, möglicherweise auch mehrere Reisen, zum Gericht erforderlich oder es entstehen Kosten für einen Terminsvertreter nach Nr. 3401 VV RVG. Will er einen am Gerichtsort ansässigen Anwalt als Verfahrensbevollmächtigten bestellen und sich von diesem einen persönlichen Eindruck verschaffen, fallen eigene Reisekosten an. Möglich ist auch die Bestellung eines Verkehrsanwalts am Wohnort des Beteiligten, der den Verkehr mit dem Verfahrensbevollmächtigten am Gerichtsort führt (Nr. 3400 VV RVG). Welche der verschiedenen prozessualen Möglichkeiten am (kosten)günstigsten ist, muss im Einzelfall ermittelt werden. Die Entfernung zum Familiengericht ist hierfür ebenso maßgebend wie die Höhe des Verfahrenswerts. Daneben wird man den voraussichtlichen Verfahrensverlauf einkalkulieren und fragen müssen, ob ein Gerichtstermin ausreichen wird oder ob voraussichtlich eine Beweisaufnahme durchzuführen ist. Zur Erstattungsfähigkeit dieser Mehrkosten vgl. unter Rz. 114. 4. Kostenentscheidung in Unterhaltsstreitverfahren Das FamFG unterscheidet für die Kostenentscheidung zwischen den selbststän- 97 digen Unterhaltsstreitverfahren (§ 243 FamFG), der einstweiligen Anordnung (§ 51 FamFG mit Verweis auf die allgemeinen Vorschriften, d.h. § 243 FamFG) und den im Scheidungsverbund geführten Unterhaltssachen (§ 150 FamFG). a) Kostenentscheidung in isolierten Unterhaltsverfahren § 243 Satz 1 FamFG bestimmt, dass das Gericht in Unterhaltssachen abwei- 98 chend von den Vorschriften der ZPO nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten entscheidet. Mit dieser Bestimmung hat das FamFG eine Sonderregelung über die Kostenverteilung in Unterhaltsstreitsachen geschaffen. Sie lässt als lex specialis eine unmittelbare Anwendung der §§ 91 ff. ZPO, soweit sie die Kostenverteilung regeln, nicht zu.1 Nach § 243 FamFG richtet sich die Kostenverteilung mithin auch dann, wenn eine Kostenentscheidung zu ergehen hat, weil ein Unterhaltsantrag zurückgenommen wurde (§ 269 Abs. 4 und Abs. 3 ZPO)2 oder übereinstimmend für erledigt erklärt wird (§ 91a Abs. 1 ZPO)3, oder wenn sich die Beteiligten über die Hauptsache verglichen haben (§ 98 ZPO).4 Bei der Ausübung seines Ermessens hat das Gericht nach § 243 Satz 2 FamFG 99 insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen: 1. das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten, einschließlich der Dauer der Unterhaltsverpflichtung, 1 BGH, FamRZ 2011, 1933 (1935). 2 Vgl. OLG Hamm, FamRZ 2013, 1060; OLG Celle, FamRZ 2012, 1744. 3 OLG Hamm, FamRZ 2013, 1510; a.A. OLG Köln, FamRZ 2013, 1059 (Billigkeitsentscheidung nach § 91a ZPO unter Heranziehung der Rechtsgedanken des § 243 FamFG). 4 BGH, FamRZ 2011, 1933.
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2. den Umstand, dass ein Beteiligter vor Beginn des Verfahrens einer berechtigten Aufforderung des Gegners zur Erteilung der Auskunft und Vorlage von Belegen über das Einkommen nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, 3. den Umstand, dass ein Beteiligter einer Aufforderung des Gerichts zur Auskunftserteilung nach § 235 Abs. 1 FamFG innerhalb der gesetzten Frist nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, sowie 4. ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 ZPO. 100
§ 243 FamFG enthält mithin die aus der ZPO bekannten Grundsätze für die Kostenentscheidung in einem Rechtsstreit, ermöglicht aber aufgrund der geforderten Billigkeitsentscheidung eine flexiblere Handhabung der Kostenverteilung als die §§ 91 ff. ZPO. Es kommt nicht mehr allein auf den Erfolg eines Beteiligten an, wie er sich gemessen an seinem Verhältnis zum Wert des Verfahrens darstellt. Vielmehr soll die Kostenverteilung insgesamt weniger formal gehandhabt werden. Zu dieser Regelung sah sich der Gesetzgeber vor allem deshalb veranlasst, weil dem Dauercharakter einer Unterhaltsverpflichtung bei der Ermittlung des Streitwerts nur begrenzt Rechnung getragen wird.1
101
Gemäß der – nicht abschließenden Aufzählung – in § 243 Satz 2 Nr. 1 bis 4 FamFG hat das Familiengericht folgende Gesichtspunkte bei der Verteilung der Kosten zu prüfen: aa) Obsiegen und Unterliegen (§ 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG)
102
Nach dem in § 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG angesprochenen Erfolgsprinzip hat der Unterlegene die Kosten des Verfahrens zu tragen (vgl. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Wenn jeder Beteiligte teils obsiegt, teils unterliegt, sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen (vgl. § 92 Abs. 1 ZPO). Werden die Kosten gegeneinander aufgehoben, trägt jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst und die Hälfte der Gerichtskosten.
103
Bei der Frage, in welchem Maß ein Beteiligter unterlegen ist, hat das Gericht die Dauer der Unterhaltsverpflichtung zu berücksichtigen. Die Kostenentscheidung richtet sich also nicht nur nach dem rechnerischen Verhältnis des Unterliegens gegenüber dem nominellen Verfahrenswert, wie er nach § 51 FamGKG ermittelt wird. Vielmehr ist auf den wirtschaftlichen Wert des laufenden und künftig zu zahlenden Unterhalts Rücksicht zu nehmen.
104
Die nach der ZPO vorgeschriebene Ermittlung der Kostenquote anhand des nominellen Gebührenstreitwerts führte in Unterhaltsverfahren früher in den Fällen zu unbefriedigenden Ergebnissen, in denen neben dem laufenden Unterhalt erhebliche Rückstände eingefordert wurden; das wirtschaftliche Gewicht einer Verurteilung zu laufendem Unterhalt wurde bei dieser Berechnungsmethode nicht berücksichtigt. Die Praxis behalf sich, indem sie für die Kostenentscheidung den laufenden Unterhalt mit seinem 3-fachen Jahresbetrag bewertete.2 Dieser Maßstab kann problemlos für die Billigkeitsentscheidung nach § 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG übernommen werden.
1 BT-Drucks. 16/6308, S. 259. 2 Vgl. hierzu FamGB/Hochgräber, Anhang zu §§ 93a, 97 ZPO; OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 67 schlägt im Hinblick auf § 9 ZPO den 31/2-fachen Satz vor.
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Beispiel Dem Antrag auf Zahlung einer mtl. Unterhaltsrente i.H.v. 300 Euro ab Rechtshängigkeit wird nur i.H.v. 200 Euro mtl. stattgegeben. Der daneben geltend gemachte Unterhaltsrückstand von 2 400 Euro wird in Höhe von 600 Euro zuerkannt. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen. Gebührenwert: Laufender Unterhalt gemäß § 51 Abs. 1 FamGKG (12 × 300 =) Unterhaltsrückstand gemäß § 51 Abs. 2 FamGKG Insgesamt
3 600 Euro 2 400 Euro 6 000 Euro
Ermittlung der Kostenquote nach dem fiktiven wirtschaftlichen Wert: fiktiver Wert des laufenden Unterhalts (36 × 300 =) Rückstand Insgesamt
10 800 Euro 2 400 Euro 13 200 Euro
Wert des Unterliegens: Laufender Unterhalt (36 × 100 =) Rückstand Insgesamt Quote (5 400 : 13 200 =)
3 600 Euro 1 800 Euro 5 400 Euro ca. 2/5 (40 %)
(Zu beachten ist, dass sich die Rechtsanwaltsgebühren und Gerichtskosten nach dem Verfahrenswert von 6 000 Euro errechnen!)
§ 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG trägt dem neuen Unterhaltsrecht Rechnung, welches 106 die Möglichkeit, nachehelichen Unterhalt nur befristet zuzusprechen, ab dem 1.1.2008 erheblich ausgeweitet hat. Ein teilweises Unterliegen – mit entsprechender Abweisung des Unterhaltsantrages – liegt auch dann vor, wenn dem früheren Ehegatten zwar Unterhalt in der beantragten Höhe zugesprochen, zugleich aber dem Antrag des Verpflichteten auf Befristung des Unterhalts stattgegeben wird. Es ist sachgerecht, in diesem Fall die Kosten zwischen den Beteiligten zu verteilen, auch wenn Unterhalt für länger als ein Jahr und damit in voller Höhe des den Verfahrenswert bestimmenden Jahresbetrages (§ 51 Abs. 1 FamGKG) zu zahlen ist. Für die konkrete Kostenquote ergibt sich dabei aber die Schwierigkeit, dass die zeitliche Dauer eines unbefristeten Klageantrags kaum sicher festgelegt werden kann und daher eine strenge Quotelung im Verhältnis der Zeiträume eines unbefristeten Titels zur konkret ausgesprochenen Frist nicht möglich ist.1 Jedenfalls ist die anzusetzende Quote umso niedriger, je länger Unterhalt gezahlt werden muss.2 Wird ein Unterhaltsanspruch im gegenstandswertrelevanten Zeitraum in vollem Umfang zugesprochen, jedoch auch dem streitigen Befristungsantrag des Pflichtigen in vollem Umfang entsprochen, kann dies zu einer Kostenquotelung bis hin zur Kostenaufhebung führen.3 Kommt es zu einer Quotelung unter Einbeziehung von Dauer der Befristung bzw. Umfang der Begrenzung, sind als Maßstab der Entscheidung die Vorstellungen der Beteiligten über die Höhe und voraussichtliche Dauer der Unterhaltsleistungen heranzuziehen.4 In jedem Fall bedarf auch die gerichtliche Ermessensabwägung der Darstellung eines für alle Beteiligten nachvollziehbaren 1 Viefhues, Das neue Verfahrensrecht des FamFG, S. 96. 2 Prütting/Helms/Bömelburg, § 243 FamFG Rz. 16. 3 OLG Stuttgart, FamRZ 2013, 2007; OLG Schleswig, NJW 2012, 3655; MünchKomm.ZPO/Dötsch, § 243 FamFG Rz. 5; Johannsen/Henrich/Maier, § 243 FamFG Rz. 5. 4 Keidel/Giers, § 243 FamFG Rz. 3.
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Abwägungsprozesses, um auch die wirtschaftlichen Überlegungen transparent zu gestalten.1 bb) Versäumnisse bei der Auskunft (§ 243 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 FamFG) 107
Kostenrechtlich sanktioniert wird eine unterlassene oder ungenügende Auskunftserteilung der Beteiligten über ihr Einkommen (§ 243 Nr. 2 und Nr. 3 FamFG). Ist ein Beteiligter vor Beginn des Verfahrens der berechtigten Aufforderung des Gegners, Auskunft über sein Einkommen zu erteilen und hierzu Belege vorzulegen, nicht oder nicht vollständig nachgekommen, können ihm unabhängig vom Ausgang des Unterhaltsverfahrens die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise auferlegt werden (§ 243 Satz 2 Nr. 2 FamFG). Das gilt insbesondere dann, wenn die nachträgliche Auskunft das Fehlen einer Unterhaltspflicht ergibt.2 cc) Sofortiges Anerkenntnis (§ 243 Satz 2 Nr. 4 FamFG)
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Hat der Antragsgegner nicht durch sein Verhalten zur Einleitung des Verfahrens Veranlassung gegeben, so fallen dem Antragsteller die Verfahrenskosten zur Last, wenn der Antragsgegner den Anspruch sofort, d.h. im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung anerkennt (§ 93 ZPO). Die Regelung schützt den leistungswilligen Unterhaltsschuldner davor, die Kosten des Verfahrens tragen zu müssen, ohne dass er dazu Veranlassung gegeben hat. Zahlt der Unterhaltspflichtige den vollen geschuldeten Unterhalt regelmäßig, gibt er Anlass zur Einleitung eines Verfahrens nur dann, wenn er einer Titulierungsaufforderung des Gläubigers nicht nachkommt (s. hierzu Kap. J Rz. 19 f., auch zu der Frage, ob mit der Aufforderung ein Angebot zur Übernahme der Titulierungskosten einhergehen muss). Anders liegt der Fall, wenn die Beteiligten über die Höhe des Unterhalts streiten und der verlangte Unterhalt nur zum Teil gezahlt wird. Hier gibt der Unterhaltsschuldner Anlass zu einem Verfahren hinsichtlich des vollen Unterhaltsbetrags, ohne dass es auf eine vorherige Aufforderung zur außergerichtlichen Titulierung ankommt. Selbst wenn der Antragsgegner im Verfahren ein sofortiges Teilanerkenntnis abgibt, sind die Kosten des Verfahrens grundsätzlich ohne Rücksicht auf § 93 ZPO zu verteilen.3 Nach Auffassung des BGH – allerdings noch zum alten Verfahrensrecht – ist es dem Unterhaltsberechtigten nicht zumutbar, auf die Titulierung nur eines Sockelbetrages hinzuwirken, weil er dann im Wege eines Leistungsantrages nach § 258 ZPO einen weiteren Titel hinsichtlich des restlichen Unterhalts erstreiten müsse.4 Vgl. hierzu auch Rz. 295 ff. dd) Weitere Gesichtspunkte
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Die im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 243 FamFG bei der Kostenverteilung „insbesondere“ zu berücksichtigenden Gesichtspunkte sind in Satz 2 Nrn. 1 bis 4 nicht abschließend aufgezählt. Weitere Umstände können für die Ermessensausübung bei der Kostenentscheidung eine Rolle spielen, die neben den in § 243 Satz 2 FamFG aufgelisteten Regelbeispielen stehen. So kommt im 1 2 3 4
OLG Stuttgart, FamRZ 2013, 2007; Johannsen/Henrich/Maier, § 243 FamFG Rz. 1. OLG Celle, FamRZ 2013, 1744. BGH, FamRZ 2010, 195 mit krit. Anmerkung Schmidt, FamRZ 2010, 447. BGH, FamRZ 2010, 195.
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V. Kosten
Falle eines Vergleichsabschlusses auch die Wertung des § 98 ZPO zum Tragen.1 Haben die Beteiligten den Unterhaltsstreit in der Hauptsache nach § 91a ZPO übereinstimmend für erledigt erklärt, entscheidet das Gericht über die Kosten gemäß § 243 FamFG nach billigem Ermessen, wobei es nach dem Rechtsgedanken des § 91a Abs. 1 ZPO auch den bisherigen Sach- und Streitstand und damit die Erfolgsaussichten des Verfahrens im Zeitpunkt der Erledigungserklärungen berücksichtigt.2 In der Rechtsmittelinstanz kann die Wertung des § 97 Abs. 2 ZPO in die Kostenentscheidung einfließen, wenn ein Beteiligter wegen eines Vorbringens obsiegt, das er bereits erstinstanzlich hätte geltend machen können.3 Kostenrechtlich sanktioniert werden kann auch vorprozessuales Verhalten eines 110 Beteiligten, welches den Antragsteller veranlasst, ein letztlich nicht erfolgreiches Unterhaltsverfahren einzuleiten. So hat das OLG Köln bereits nach früherem Recht dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, nachdem der Beklagte der Klägerin erst mit der Klageerwiderung die Tilgung ehebedingter Schulden bekannt gegeben und die Klägerin daraufhin die Klage zurückgenommen hatte.4 Auch die Weigerung, die Höhe der unterhaltsrechtlich bedeutsamen Belastungen zu belegen, kann dazu führen, dass ein Beteiligter die Kosten eines Unterhaltsverfahrens zu tragen hat, obwohl er in der Hauptsache obsiegt.5 Denkbar erscheint auch, die unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen.6 b) Kostenentscheidung bei der einstweiligen Anordnung Im Verfahren der einstweiligen Anordnung nach § 49 FamFG ist eine eigenständi- 111 ge Kostenentscheidung erforderlich, was auf der verfahrensrechtlichen Selbstständigkeit des einstweiligen Anordnungsverfahrens beruht. Dabei verweist § 51 Abs. 4 FamFG für die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung auf die allgemeinen Vorschriften. Das sind im Falle einer einstweiligen Anordnung zur Regelung von Unterhalt und eines Prozesskostenvorschusses gemäß §§ 246, 49 FamFG aber nicht die allgemeinen Kostenvorschriften des FamFG (§§ 80 ff. FamFG). Diese Bestimmungen dürfen nach § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG in Familienstreitsachen nicht angewendet werden. Vielmehr hat sich die Kostenentscheidung im Verfahren der einstweiligen Anordnung in Unterhaltssachen nach der allgemeinen Regelung für isolierte Unterhaltsstreitsachen (§ 243 FamFG) zu richten.7 Auf die Erörterungen in Rz. 98 ff. kann verwiesen werden. c) Kostenentscheidung im Scheidungsverbund In Unterhaltsstreitigkeiten, die als Ehescheidungsfolgesachen entschieden wer- 112 den, werden die Kosten bei Scheidung der Ehe i.d.R. gegeneinander aufgehoben (§ 150 Abs. 1 FamFG). Das Gericht kann aber die Kosten nach billigem Ermes1 2 3 4 5 6
BGH, FamRZ 2011, 1933; OLG Karlsruhe, FamRZ 2013, 1508. Prütting/Helms/Bömelburg, § 243 Rz. 9. BT-Drucks. 16/6308, S. 259. OLG Köln, FamRZ 2000, 622; ebenso OLG Brandenburg, FamRZ 2003, 239. OLG Celle, FamRZ 2012, 1744. Bumiller/Harders, § 243 FamFG Rz. 5; Viefhues, Das neue Verfahrensrecht des FamFG, S. 98. 7 Prütting/Helms/Stößer, § 51 FamFG Rz. 20.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
sen anderweitig verteilen, wenn die Kostenaufhebung im Hinblick auf das Ergebnis der als Folgesache geführten Unterhaltssache unbillig erscheint (§ 150 Abs. 4 Satz 1 FamFG). Es kann dabei auch berücksichtigen, ob ein Beteiligter einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem Informationsgespräch über Mediation oder eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung (§ 135 Abs. 1 FamFG) nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat (§ 150 Abs. 4 Satz 2 FamFG). Haben die Beteiligten eine Vereinbarung über die Kosten getroffen, soll das Gericht sie ganz oder teilweise der Entscheidung zugrunde legen (§ 150 Abs. 4 Satz 3 FamFG). Diese Grundsätze gelten auch, wenn eine Unterhaltsfolgesache abgetrennt und über sie gesondert entschieden wird (§ 150 Abs. 5 Satz 1 FamFG). 5. Kostenerstattung 113
Für die Kostenerstattung in Unterhaltsstreitsachen verweist § 113 Abs. 1 FamFG auf die allgemeinen Vorschriften der ZPO. Nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Beteiligten in allen Prozessen zu erstatten. Anwaltskosten eines Beteiligten in Unterhaltsstreitsachen sind mithin auch dann erstattungsfähig, wenn eine anwaltliche Vertretung gesetzlich nicht vorgeschrieben ist – wie z.B. im Verfahren der einstweiligen Anordnung.
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Nach der neueren, seit der ZPO-Reform durch den BGH geprägten Rechtsprechung sind die Terminsreisekosten des Verfahrensbevollmächtigten eines auswärtigen Beteiligten nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO grundsätzlich erstattungsfähig, wenn dieser Rechtsanwalt in der Nähe des Beteiligten ansässig ist.1 Dies beruht auf der Erwägung, dass ein Beteiligter grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an einem persönlichen Mandantengespräch mit seinem Anwalt hat. Bis zur Höhe dieser Kosten sind auch die Terminsreisekosten eines an einem dritten Ort residierenden Anwalts erstattungsfähig.2
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Die Kosten eines Unterbevollmächtigten, der für den auswärtigen Anwalt die Vertretung in der mündlichen Verhandlung übernommen hat, sind erstattungsfähig, soweit sie die durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten ersparten erstattungsfähigen Reisekosten des Verfahrensbevollmächtigten nicht wesentlich übersteigen.3
VI. Verfahrenskostenhilfe 116
Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Verfahrensführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Verfahrenskostenhilfe, wenn die Verfahrensführung nicht mutwillig ist und hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Abs. 1 ZPO). Zum 1.1.2014 ist das Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts in Kraft getreten.4 Erhebliche Abweichungen zum früheren Recht werden im Folgenden hervorgehoben. 1 2 3 4
BGH, NJW 2003, 898; MDR 2004, 1136; NJW-RR 2005, 1662. BGH, FamRZ 2004, 618. BGH, NJW 2003, 898. Für Anträge, die vor dem 1.1.2014 gestellt wurden, gilt nach § 40 EGZPO für diesen Rechtszug noch das alte Recht.
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VI. Verfahrenskostenhilfe
1. Bewilligungsverfahren Verfahrenskostenhilfe wird auf Antrag bewilligt. Dabei sind jeweils eigene An- 117 träge zur Verfahrenskostenhilfe für das Hauptverfahren und für die einstweilige Anordnung auf Zahlung von Unterhalt oder eines Kostenvorschusses (§§ 246, 49 FamFG) erforderlich. Denn das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist ein selbstständiges Verfahren, auch wenn eine Hauptsache (Unterhaltssache oder Ehesache) anhängig ist (§ 51 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Für eine im Scheidungsverbund geltend gemachte Folgesache Unterhalt muss die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ebenfalls eigens beantragt und geprüft werden. Das ergibt sich im Umkehrschluss aus § 149 FamFG: Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Scheidungsverfahren betrifft nur die Scheidung selbst sowie die von Amts wegen durchzuführende Folgesache Versorgungsausgleich.
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Praxishinweis: Für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung 118 zur Zahlung von Unterhalt oder eines Kostenvorschusses (§ 246 Abs. 1 FamFG), aber auch für die Folgesache Unterhalt im Scheidungsverbund muss Verfahrenskostenhilfe gesondert beantragt werden.
Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe kann bei Gericht schrift- 119 lich eingereicht oder mündlich vor der Geschäftsstelle (d.h. bei der Rechtsantragstelle) zu Protokoll erklärt werden (§ 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Anwaltliche Vertretung ist hierbei nicht erforderlich, auch nicht im Rahmen eines Scheidungsverfahrens (§ 114 Abs. 4 Nr. 5 FamFG). Der Antragsteller kann den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe 120 mit dem Antrag in der Hauptsache bzw. dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbinden, d.h. die Anträge in einem Schriftsatz stellen (vgl. das Muster unter Rz. 267, 271).1 Will der Antragsteller aber – wie im Regelfall – das Verfahren nur im Umfang der bewilligten Verfahrenskostenhilfe einleiten und durchführen, muss in der Antragsschrift deutlich gemacht werden, dass die Antragstellung nur unter der Voraussetzung der Gewährung von Verfahrenskostenhilfe erfolgen soll.2 Es muss klar sein, dass die Antragsschrift zu dem beabsichtigten Verfahren erst eingereicht sein soll, wenn und soweit Verfahrenskostenhilfe bewilligt ist. Ansonsten hat der Antragsteller die nach § 9 Abs. 1 FamGKG bereits mit Einreichung der Antragsschrift (nicht erst mit Zustellung!) fällige gerichtliche Verfahrensgebühr zu zahlen, auch wenn sein Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe abgelehnt werden sollte. Die Verfahrensgebühr ermäßigt sich durch Rücknahme des Antrags, bzw. Nichtbetreiben des Verfahrens allenfalls auf den Satz von 1,0 (Nr. 1221 KV FamGKG). Bei der Formulierung eines Antrags auf Verfahrenskostenhilfe ist aus einem 121 weiteren Grund mit Vorsicht zu verfahren: Verfahrenshandlungen, die unmittelbare Rechtswirkungen auslösen – wie z.B. die Beschwerde, aber auch die Stellung eines verfahrenseinleitenden Antrags – dürfen nicht unter eine Bedingung gestellt werden.3 Eine Erklärung des Inhalts, dass der Antrag auf Zahlung von 1 BGH, FamRZ 2007, 1727; BGHZ 4, 328; KG, FamRZ 2008, 1646; OLG Saarbrücken MDR 2008, 594; OLG München; MDR 1988, 972 Musielak/Foerste, § 253 ZPO Rz. 6; Baumbach/Hartmann, § 117 ZPO Rz. 9. 2 So die Formulierung des BGH: BGHZ 4, 328–341 (LS); BGH, MDR 2003, 1314; BGH-RR 2000, 879; OLG Koblenz, MDR 2004, 177; Hartmann, Kostengesetze, § 6 GKG Rz. 6. 3 BGH, MDR 2003, 1314, Tz. 10; BGHZ 4, 328–341.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
Unterhalt „unter der Bedingung der Gewährung von Verfahrenskostenhilfe“ gestellt wird, ist daher zu vermeiden. Ein solcher Zahlungsantrag ist unzulässig, hierfür kommt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht in Betracht und nicht jedes Gericht deutet diese Erklärung um in das zulässige Begehren, dass Antragstellung lediglich beabsichtigt ist und der Antrag nur unter der Voraussetzung der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe eingereicht sein soll.1 122
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Praxishinweis: Um jegliches (Kosten-)Risiko des Antragstellers zu vermeiden, sollte dem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe die beabsichtigte Antragsschrift nur im „Entwurf“ als Anlage beigefügt werden. Das gilt insbesondere, wenn der Anwalt die Gepflogenheiten des angerufenen Gerichts nicht kennt.
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Das Verfahrenskostenhilfegesuch samt dem Entwurf der Antragsschrift übersendet das Gericht formlos dem Gegner, dem nach § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO n.F. vor der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe Gelegenheit zur umfassenden Stellungnahme zu geben ist – also auch zur subjektiven Frage der Bedürftigkeit, nicht wie nach altem Recht nur zu den objektiven Voraussetzungen der Verfahrenskostenhilfe wie Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit.2 Die förmliche Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner veranlasst das Gericht erst nach Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe (§ 15 Nr. 1 FamGKG).
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Das Gericht kann gemäß § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Erklärung des Antragstellers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die beigefügten Belege dem Antragsgegner zugänglich machen, sofern der Antragsgegner nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers hat. In Unterhaltsstreitsachen wird ein solcher Auskunftsanspruch in aller Regel bestehen. Denn nach dem Gesetzeswortlaut genügt die Existenz des Auskunftsanspruchs, der Anspruch muss nicht fällig sein. Der Übermittlung der Daten steht mithin nicht entgegen, dass der Antragsgegner mit einem Auskunftsverlangen nach § 1605 Abs. 1, § 1361 Abs. 4 Satz 4 oder § 1580 BGB an der Zweijahresfrist des § 1605 Abs. 2 BGB scheitern würde. Die Übersendung der VKH-Unterlagen geschieht im Interesse einer vollständigen und zutreffenden Aufklärung der Bewilligungsgrundlagen.3 Die Möglichkeit entlastet zudem das Gericht, wenn es seine Erkenntnisse aus dem VKH-Verfahren in das – grundsätzlich vom Beibringungsgrundsatz geprägte – Unterhaltsverfahren einführen will.
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Praxishinweis: Ein Anwalt sollte den Mandanten von Anfang an über diese Möglichkeit des Gerichts aufklären. Es droht die Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe, wenn sich aufgrund einer Stellungnahme des Gegners herausstellt, dass der Antragsteller absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit falsche oder unvollständige Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht hat. Denn nach § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO soll unter diesen Umständen Verfahrenskostenhilfe aufgehoben werden.
1 Vgl. AG Luckenwalde, FamRZ 2006, 1130, bestätigt durch OLG Brandenburg. Das Amtsgericht hat Prozesskostenhilfe verweigert, weil eine für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhobene Klage unzulässig sei. 2 Giers, FamRZ 2013, 1341 (1343). 3 OLG Koblenz, FamRZ 2011, 389; OLG Brandenburg, FamRZ 2011, 125.
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VI. Verfahrenskostenhilfe
Die Weitergabe der VKH-Unterlagen liegt im freien Ermessen des Gerichts. 126 Lehnt das Gericht einen Antrag des Antragsgegners auf Einsichtnahme in die Unterlagen zur Verfahrenskostenhilfe ab, steht diesem gegen den ablehnenden Beschluss kein Beschwerderecht zu, auch wenn er einen materiell-rechtlichen Auskunftsanspruch hat.1 Eine Zustimmung des Antragstellers zur Datenübermittlung ist nicht erforder- 127 lich. Dem Antragsteller ist aber vor der Übermittlung seiner Erklärung an den Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 117 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Er soll die Möglichkeit haben, dem Gericht etwaige Gesichtspunkte, die gegen eine solche Übermittlung sprechen können, vorzutragen. Er ist über die Übermittlung seiner Erklärung (nur) zu unterrichten (§ 117 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Entscheidet das Gericht aber in einem solchen Fall durch einen förmlichen Beschluss, dass es die Erklärung übermitteln werde, kann der Antragsteller nach Auffassung des OLG Brandenburg hiergegen Beschwerde einlegen.2 Der Antragsgegner stellt seinen Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskosten- 128 hilfe mit der Antragserwiderung in der Hauptsache. Verweigert das Gericht dem Antragsteller die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe und wird der Sachantrag auch nicht zugestellt, weil der Antragsteller keinen Kostenvorschuss einzahlt, hat der Antragsgegner keinen Anspruch auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe, selbst wenn seine Rechtsverteidigung aussichtsreich wäre. Denn die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Antragsgegner setzt ein Prozessrechtsverhältnis voraus, welches erst durch die Zustellung des Sachantrags begründet wird. Hat der Antragsgegner bereits einen Rechtsanwalt beauftragt, muss er die Kosten selber tragen oder Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz in Anspruch nehmen. Im Verfahren zur Prüfung der Verfahrenskostenhilfe selbst gibt es keinen Anspruch auf Kostenerstattung gegen den Antragsteller (§ 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe müssen in jedem Fall vor 129 Abschluss der Instanz gestellt werden. Ansonsten ist die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ausgeschlossen; denn § 114 ZPO gewährt Verfahrenskostenhilfe nur für die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Die Verfahrenskostenhilfe wird für jede Instanz gesondert bewilligt (§ 119 Abs. 1 130 Satz 1 ZPO), die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung (§ 127 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Beschluss, der einen Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ablehnt oder dem Antrag nur eingeschränkt stattgibt, z.B. durch Anordnung von Ratenzahlungen, ist zu begründen. Gegen die (teilweise) Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe ist die sofortige Be- 131 schwerde gegeben (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Sie ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen, s. auch Kap. L Rz. 246 ff. Der Antragsteller kann aber einen erneuten Verfahrenskostenhilfeantrag in derselben Instanz stellen, auch wenn er diese Notfrist versäumt hat. Ein die Verfahrenskostenhilfe versagender Beschluss erlangt auch im Falle seiner Unanfechtbarkeit keine materielle Rechtskraft.3 Doch kann einem neuerlichen Antrag auf Verfahrenskos1 OLG Bremen, FamRZ 2012, 649. 2 OLG Brandenburg, FamRZ 2011, 125. 3 BGH, FamRZ 2004, 940.
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tenhilfe das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, z.B., wenn auf der Grundlage desselben Lebenssachverhalts bereits Verfahrenskostenhilfe verweigert wurde.1 132
Nicht statthaft ist die sofortige Beschwerde gegen die Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe für eine einstweilige Unterhaltsanordnung nach §§ 246, 49 FamFG mangels Erfolgsaussicht.2 Denn der Beschwerdeweg im VKH-Verfahren darf über den Rechtsweg in der Hauptsache nicht hinausgehen und die einstweiligen Unterhaltsanordnungen unterliegen keinem Rechtsmittel (§ 57 FamFG), s. Rz. 443. Anders liegt es, wenn Verfahrenskostenhilfe für eine einstweilige Anordnung nur mit der Begründung verweigert wird, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ließen die Bewilligung nicht zu. Hier ist die sofortige Beschwerde statthaft (s. auch Kap. L Rz. 250).
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Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe kann nur durch die Staatskasse und nur dann angefochten werden, wenn Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt wurde (§ 127 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). 2. Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe a) Bedürftigkeit des Antragstellers
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Verfahrenskostenhilfe hängt zunächst davon ab, dass der Antragsteller die Kosten der Verfahrensführung nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann (§ 114 Abs. 1 ZPO). Dem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe sind daher auf einem besonderen Formular eine Erklärung des Antragstellers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die entsprechenden Belege beizufügen (§ 117 Abs. 2 und 4 ZPO). Für Anträge auf Verfahrenskostenhilfe, die nach dem 1.1.2014 gestellt werden, sind nicht mehr die alten Vordrucke, sondern die neuen ab 22.1.2014 eingeführten Formulare3 zu verwenden. Das neue Formular umfasst vier (statt früher zwei) Seiten, infolge des erweiterten Umfangs ist es aber übersichtlicher und nutzerfreundlicher gestaltet.
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Praxishinweis: Zur Beschleunigung des Verfahrens empfiehlt es sich, das VKH-Formular mit größter Sorgfalt auszufüllen und sämtliche Belege zu den einzelnen Angaben sogleich mit einzureichen. Da auch das neue Formular für den Laien zum Teil schwer verständlich sein dürfte, sollte sich die anwaltliche Hilfe auch auf die Erläuterung und ggf. die Ermittlung der erforderlichen Daten erstrecken. Das gilt insbesondere, wenn Verfahrenskostenhilfe für ein beabsichtigtes Rechtsmittel begehrt wird. Sind hier dem Antrag auf Verfahrenskostenhilfe nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist der vollständig ausgefüllte Erklärungsvordruck und die entsprechenden Belege beigefügt, droht der Verlust des Rechtsmittels. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist kommt nicht mehr in Betracht. Ein Rechtsmittelführer ist nur so lange ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Rechtsmittelfrist gehindert, als er vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrages wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen muss.4
1 BGH, FamRZ 2004, 940. 2 BGH, FamRZ 2005, 790. 3 Prozesskostenhilfeformularverordnung (PKHFV) vom 6.1.2014 (BGBl. I, S. 34), in Kraft seit 22.1.2014. 4 BGH, FamRZ 2013, 1966 (ständige Rspr.).
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Erläuterungen zum Formular
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Zu Feld A: Das Formular muss von dem Antragsteller ausgefüllt und unter- 138 schrieben werden. Bei Unterhaltsverfahren minderjähriger Kinder braucht der Vordruck gemäß § 2 Abs. 1 PKHFV nicht ausgefüllt zu werden. Es genügt, wenn der Verfahrenskostenhilfeantrag eine formlose Erklärung über Einkommen und Vermögen des Kindes enthält, sowie – nach Möglichkeit – Angaben zu den Einnahmen und den für einen Verfahrenskostenvorschuss einsetzbaren Vermögensgegenständen derjenigen Personen, die dem Kind gegenüber unterhaltspflichtig sind. Auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des betreuenden Elternteils müssen erklärt und nachgewiesen werden, weil auch dieser Elternteil kostenvorschusspflichtig für ein gerichtliches Verfahren sein kann.1 Werden die Unterhaltsansprüche des Kindes aber nach § 1629 Abs. 3 BGB durch den betreuenden Elternteil in gesetzlicher Verfahrensstandschaft geltend gemacht (s. Rz. 41 ff.), ist dieser Elternteil Beteiligter. Es kommt auf seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an, er hat für seine Erklärung das VKH-Formular zu verwenden.2 Zu Feld B: Die Kosten eines Unterhaltsstreits trägt keine Rechtsschutzversiche- 139 rung. Der amtliche Ausfüllhinweis zu B fordert jedoch dazu auf, in jedem Fall den Versicherungsschein beizufügen, falls eine Rechtsschutzversicherung besteht. Wichtig erscheint, bei der Frage nach einer „anderen Stelle“ (Sozialverband), welche die Kosten der Verfahrensführung zu tragen hat, an folgende Fallgestaltung zu denken: Grundsätzlich nicht bedürftig ist ein Antragsteller, der Ansprüche auf rückständigen Unterhalt geltend macht, die ihm von einem öffentlichen Leistungsträger nach einem gesetzlichen Forderungsübergang treuhänderisch rückübertragen worden sind (z.B. nach § 7 Abs. 4 Satz 2 UVG, § 33 Abs. 4 SGB II). Denn der Leistungsberechtigte hat gegen den Leistungsträger angesichts seines gesetzlichen Anspruchs auf Kostenübernahme einen Anspruch auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses, den er als zu seinem Vermögen gehörend für die Kosten der Verfahrensführung einzusetzen hat;3 s. auch Kap. H Rz. 24 f. (zu § 7 UVG), Kap. H Rz. 50 (zu § 33 SGB II) und Rz. 271. Dem Antragsteller ist aber Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, soweit er laufenden Unterhalt ab Rechtshängigkeit verlangt und die sonstigen Bewilligungsvoraussetzungen (Bedürftigkeit und hinreichende Erfolgsaussicht) vorliegen.4 Zu Feld C: Die Angaben zum gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegenüber ande- 140 ren Personen ermöglichen dem Gericht die Prüfung, ob zum einzusetzenden Vermögen des Antragstellers auch ein alsbald, ggf. im Wege der einstweiligen Anordnung durchsetzbarer Anspruch auf Kostenvorschuss (vgl. Rz. 178 ff.) zählt;5 s. die Ausführungen zum Verfahrenskostenvorschuss im Rahmen der einzelnen Unterhaltsrechtsverhältnisse. Ein solcher zum Vermögen des Antragstellers zählender Anspruch besteht auch dann, wenn der – unterhaltsrechtlich leistungsfähige6 – Unterhaltspflichtige seinerseits Verfahrenskostenhilfe gegen
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BGH, FamRZ 2005, 1901. BGH, FamRZ 2005, 1164. BGH, FamRZ 2008, 1159 ff. BGH, FamRZ 2004, 1633. BGH, FamRZ 2004, 1633; BGH, FamRZ 2005, 883 m.w.N. OLG Dresden, FamRZ 2013, 1597; BGH, FamRZ 2004, 1633.
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Ratenzahlung beanspruchen könnte.1 In diesem Fall schuldet der Unterhaltspflichtige einen Kostenvorschuss mit entsprechender Ratenzahlung, was dazu führt, dass dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen ist und ihm Raten im Umfang der Raten des Unterhaltspflichtigen auf den geschuldeten Kostenvorschuss aufzuerlegen sind.2 Ist der Unterhaltspflichtige zugleich der Gegner im Unterhaltsstreit und beantragt seinerseits Verfahrenskostenhilfe, erscheint es sachgerecht zu sein, die monatlichen Raten hälftig aufzuteilen.3 141
Zu Feld D: Wenn der Antragsteller für Angehörige zu sorgen hat, wird dies bei der Verfahrenskostenhilfe berücksichtigt (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2a und b ZPO). Vom Einkommen ist entweder der gezahlte Barunterhalt abzusetzen, soweit dies angemessen ist (§ 115 Abs. 1 Satz 8 ZPO), oder ein Freibetrag, wenn lediglich Naturalunterhalt geleistet wird. Das Bundesministerium der Justiz gibt die verschiedenen Freibeträge zu § 115 ZPO, die jährlich zum 1.7. aktualisiert werden, im Bundesgesetzblatt bekannt. Sie sind unter PKHB (Prozesskostenhilfebekanntmachung) im Internet abrufbar (www.gesetze-im-interet.de). Derzeit (Stand 1.1.2014)4 beläuft sich der Unterhaltsfreibetrag auf 452 Euro für den Ehegatten bzw. Lebenspartner des Antragstellers (zum Freibetrag für den Antragsteller selbst, s. Rz. 142). Für Kinder bzw. für jede weitere Person, der der Antragsteller aufgrund gesetzlicher Unterhaltspflicht Unterhalt leistet, ist der Freibetrag nach dem Alter gestaffelt (362 Euro für Erwachsene, 341 Euro für Kinder von 15 bis 18 Jahren; 299 Euro für Kinder von 7 bis 14; 263 Euro für Kinder bis 6 Jahre). Der Freibetrag vermindert sich um eigenes Einkommen der unterhaltsberechtigten Person (§ 115 Abs. 1 Satz 7 ZPO). Zum Einkommen der Kinder zählt auch das Kindergeld.5 Die Frage nach dem Kindergeld wird im Formular allerdings erst unter dem Feld E (Kindergeld/Kinderzuschlag) ausdrücklich gestellt.
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Zu Feldern E und F: Einkommen ist das aktuelle Bruttomonatseinkommen vermindert um die berücksichtigungsfähigen Abzüge (§§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1a ZPO, 82 Abs. 2 SGB XII), ggf. um den Erwerbstätigenfreibetrag gemäß §§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1b ZPO, 28 Abs. 2 Satz 1 SGB XII sowie um den Freibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2a ZPO. Der Freibetrag für den Antragsteller, der die allgemeinen Lebenshaltungskosten abdeckt, beläuft sich derzeit aktuell auf 452 Euro.6 Ist der Antragsteller erwerbstätig, kommt der Erwerbstätigenfreibetrag zusätzlich zum Abzug, der zurzeit 206 Euro beträgt.7 Fiktive Einkünfte, d.h. nicht erzielte, aber erzielbare Einkünfte, finden – anders als im Unterhaltsrecht – keine Berücksichtigung; auch Arbeitskraft ist kein Einkommen. Allerdings halten einige Gerichte die Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe für gerechtfertigt, wenn ein zumutbarer Arbeitseinsatz unterlassen wird.8 Das erzielbare statt des tatsächlichen Einkommens kann jedoch allenfalls dann angesetzt werden, wenn
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BGH, FamRZ 2004, 1633; OLG Oldenburg, FamRZ 1994, 113. BGH, FamRZ 2004, 1633 m. Anm. Viefhues. Viefhues, FamRZ 2004, 1636. Prozesskostenhilfebekanntmachung (PKHB) zu § 115 der ZPO, abgedruckt in Schönfelder, Fn. 3 zu § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2. OLG Rostock, FamRZ 2013, 648. PKHB zu § 115 ZPO, s. Fn. 2. PKHB zu § 115 ZPO, s. Fn. 2. KG (17. ZS), FamRZ 2008, 2302; OLG Köln, FamRZ 2007, 549 in ständiger Rspr.; sehr zurückhaltend dagegen BVerfG, NJW-RR 2005, 1725 (Aufhebung einer Entscheidung von OLG Köln).
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VI. Verfahrenskostenhilfe
es sonst zu einer klar missbräuchlichen Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe käme.1 Zu den abzugsfähigen Positionen zählen insbesondere Steuern/Solidaritätszuschlag, Sozialversicherungsbeiträge und ggf. freiwillige Versicherungen sowie Werbungskosten (§ 82 Abs. 2 SGB XII). Als freiwillige Versicherungen kommen gesetzlich nicht vorgeschriebene Versicherungsbeiträge in Betracht, wenn sie nach Grund und Höhe angemessen sind.2 Werbungskosten sind die notwendigen Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (z.B. Berufskleidung, Gewerkschaftsbeitrag, auch die Fahrt zur Arbeit). Als Kosten der Fahrt zur Arbeit sind in erster Linie die Kosten für öffentliche Verkehrsmittel zu berücksichtigen. Bei Nutzung eines PKW sind die einfache Entfernung in Kilometern anzugeben und der Grund zu nennen, warum kein öffentliches Verkehrsmittel benutzt wird. Ist die Nutzung eines PKW notwendig, berechnen sich die Fahrtkosten nach der wohl überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung gemäß § 3 Abs. 6 Nr. 2 der DVO zu § 82 SGB XII, wonach pro Entfernungskilometer derzeit 5,20 Euro im Monat anzusetzen sind.3 Zum Feld G: Auch sein Vermögen hat der bedürftige Antragsteller zur Führung 143 des Verfahrens einzusetzen, soweit dies zumutbar ist (§ 115 Abs. 3 ZPO). Hierfür wird auf § 90 SGB XII verwiesen, wonach bestimmte Vermögenswerte, die für die Sozialhilfe nachfragende Person unentbehrlich sind oder zur angemessenen Lebensführung gehören, außer Ansatz bleiben. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1b DVO zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII steht dem Bedürftigen ein Freibetrag seines Vermögens von 2600 Euro (sog. Schonvermögen) zu, zzgl. 256 Euro für jede Person, welche von dem hilfsbedürftigen Beteiligten überwiegend unterhalten wird (Stand: Januar 2014). Darüber hinausgehende Sparguthaben sind für die Verfahrenskosten grundsätzlich einzusetzen, können aber ausnahmsweise anrechnungsfrei sein, wenn beim Bedürftigen eine besondere Notlage besteht (§ 1 Abs. 2 DVO zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII). Der bedürftige Antragsteller muss auch nicht die von ihm bewohnte Eigentumswohnung oder das Einfamilienhaus veräußern oder belasten, wenn es sich hierbei um ein angemessenes Hausgrundstück handelt (§ 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII). Darüber hinaus kann der Verkauf von eigengenutztem Wohnraum aber auch dann unzumutbar sein, wenn die damit verbundenen wirtschaftlichen Einbußen (z.B. auch Umzugskosten) außer Verhältnis zu den Kosten eines Unterhaltsstreits stehen oder wenn negative Folgen nichtvermögensrechtlicher Art (wie z.B. Schulwechsel der Kinder etc.) drohen.4 Auch zertifizierte, staatlich geförderte Lebensversicherungen, die der Altersvorsorge dienen, sind vom Vermögenseinsatz ausgenommen (§ 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII). Eine Kapital-Lebensversicherung ist dagegen grundsätzlich für die Verfahrenskosten einzusetzen, soweit ihr durch Kündigung, Verkauf oder Beleihung (sog. Policendarlehen) erzielbarer Wert das zu belassende Schonvermögen übersteigt.5 Veräußern muss der Antragsteller auch einen PKW, es sei denn, der Wert des insgesamt zu belassenden Schonvermögens wird nicht überschritten oder es
1 OLG Brandenburg, Beschl. v. 31.8.2009 – 15 WF 245/08, juris; OLG Brandenburg, NJWRR 2008, 734; OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 644; OLG Sachsen-Anhalt, FamRZ 2001, 924. 2 OLG Koblenz, FamRZ 2012, 1321. 3 OLG Stuttgart, FamRZ 2012, 649. 4 Die Rechtsprechung ist unterschiedlich: wie hier OLG Brandenburg, FamRZ 2009, 1233; zu streng OLG Hamm, FamRZ 2013, 142. 5 BGH, FamRZ 2010, 1643.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
handelt sich um ein angemessenes Kraftfahrtzeug, welches für die Berufsausbildung oder die Berufsausübung benötigt wird.1 144
Zum Feld H: Vom Einkommen abzugsfähig sind nach § 115 Abs. 1 Nr. 3 ZPO die Kosten der Unterkunft (einschließlich Wasserkosten) und Heizung, d.h. bei Mietern die Miete zuzüglich Betriebskosten, bei Eigentümern Zins und Tilgung eines Hauskredits zuzüglich Betriebskosten. Nicht zu berücksichtigen sind diese Kosten, soweit sie in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen des Antragstellers stehen. Nicht zu den Kosten der Unterkunft zählen die Kosten für Strom oder Telefon. Sie werden als Teil der allgemeinen Lebenshaltungskosten durch den Freibetrag für den Antragsteller bzw. die Unterhaltsfreibeträge abgedeckt.
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Zum Feld I: In diesem Abschnitt sind sonstige Zahlungsverpflichtungen unter Angabe der jeweiligen Restschuld und der monatlichen Leistungen aufzuführen („an wen, wofür, seit wann und bis wann“ Zahlungen geleistet werden). Als besondere Belastungen sind solche Schulden vom Einkommen nur abzuziehen, wenn dies angemessen ist (§ 115 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Zins- und Tilgungsraten auf ein Darlehen dürfen nur abgezogen werden, wenn der Kredit vor der Antragstellung aufgenommen wurde und Zahlungen tatsächlich getätigt werden. Bei später eingegangenen Verpflichtungen prüft das Gericht, ob diese im Hinblick auf den Prozess vermeidbar gewesen wären. Sind Schulden in langfristigen Raten abzuzahlen, darf sie der Antragsteller nicht zu Lasten der Prozesskosten vorzeitig tilgen.2 Wer auf die Benutzung eines PKW beruflich oder gesundheitlich nicht angewiesen ist, darf die hierfür aufgewandten Finanzierungskosten nicht von seinem Einkommen abziehen. Es ist zumutbar, das Auto zu verkaufen und aus dem Erlös das Darlehen zurückzuzahlen. Auf Geldstrafen, bzw. Geldbußen zu zahlende Raten sind nicht berücksichtigungsfähig, weil der Antragsteller nach der StPO Zahlungserleichterungen erhalten kann.3
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Zum Feld J: Hier sind als besondere Belastungen insbesondere die – durch die PKH-Reform 2013 neu eingeführten – Mehrbedarfsbeträge nach § 21 SGB II und nach § 30 SGB XII zu nennen (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO n.F.). Dabei handelt es sich um den Mehrbedarf von Personen im Rentenalter oder von Erwerbsunfähigen, von werdenden Müttern, Alleinerziehenden oder von behinderten Menschen und Kranken, die ohne Nachweis im Einzelnen anerkannt werden. Wenn der Antragsteller die Mehrbedarfsbeträge als staatliche Leistungen erhält, sind sie zunächst als Einkommen zu behandeln und dann pauschal wieder abzuziehen. Wenn der Antragsteller seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen bestreitet, muss er die sozialrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen für den Mehrbedarf darlegen und glaubhaft machen.
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Zum Feld K: Die Erklärung ist auch bei anwaltlicher Vertretung vom Antragsteller persönlich zu unterschreiben. Zur Glaubhaftmachung seiner Angaben muss der Antragsteller seiner Erklärung die entsprechenden Belege beifügen (§ 117 Abs. 2 ZPO). Hierzu zählen Gehaltsnachweise, Sozialhilfebescheid, Bescheid über Arbeitslosengeld, Gewinn- und Verlustrechnung oder Einnahmen- Überschussrechnung, Nachweise über Unterhaltsleistungen oder Schuldtilgungen 1 Vgl. die amtlichen Ausfüllhinweise zur Verwendung des Formulars für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei PKH/VKH. 2 OLG Bremen, FamRZ 2007, 1341 m.w.N. 3 BGH, NJW 2011, 1007; OLG Celle, FamRZ 2011, 1159.
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VI. Verfahrenskostenhilfe
(Überweisungsträger und Kreditvertrag) sowie die Nachweise über Miete und Nebenkosten. Das Gericht kann die Glaubhaftmachung der Angaben auch in Form der Versicherung an Eides statt fordern. Dies wird durch § 118 Abs. 2 Satz 2 ZPO klargestellt. Anhand der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse 148 prüft das Gericht, ob und inwieweit der Antragsteller nach seinem Einkommen und Vermögen die Kosten der Verfahrensführung aufbringen kann (§ 114 Abs. 1 ZPO). Es bestimmt die nach dem laufenden Einkommen monatlich zu zahlenden Raten gemäß § 115 Abs. 2 ZPO, wobei ihm keine Tabelle mehr zu Verfügung steht. Die Monatsraten sind vielmehr in Höhe der Hälfte des monatlich einzusetzenden Einkommens festzusetzen. Beträgt die Höhe einer Monatsrate weniger als zehn Euro, ist von der Festsetzung von Monatsraten abzusehen. Bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600 Euro beträgt die Monatsrate 300 Euro zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600 Euro übersteigt. Unabhängig von der Anzahl der Rechtszüge sind höchstens 48 Monatsraten zu entrichten (§ 115 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Ergibt die Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse, dass einsetzbares Ver- 149 mögen vorhanden ist, weist das Gericht den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurück, weil der Antragsteller nicht bedürftig ist. Wenn das Vermögen nur eine teilweise Kostentragung erlaubt, ordnet das Gericht an, dass der Antragsteller einen einmaligen Betrag bzw. mehrere genau bezifferten Teilbeträge an die Staatskasse zu zahlen hat. Sind die Kosten des beabsichtigten Verfahrens voraussichtlich nicht höher als 150 4 Monatsraten zuzüglich derjenigen Beträge, die der Antragsteller aus seinem Vermögen aufzubringen hat, wird keine Verfahrenskostenhilfe bewilligt (§ 115 Abs. 4 ZPO). Die vom Gericht festgesetzten Raten und aus dem Vermögen zu zahlenden Be- 151 träge sind an die Landeskasse zu leisten. Das Gericht überwacht den Zahlungseingang und sorgt für die Zahlungseinstellung, wenn die voraussichtlich entstehenden Verfahrenskosten gedeckt sind (§ 120 Abs. 2 und 3 ZPO n.F.). b) Hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung Voraussetzung für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe ist nach § 114 ZPO 152 nicht nur die Bedürftigkeit, sondern außerdem eine hinreichende Erfolgsaussicht des Sachantrages oder der Verteidigung. Dies prüft das Gericht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unter Einbeziehung der Stellungnahme des Gegners, aber ohne Beweisaufnahme. Wenn schwierige und umstrittene Rechtsfragen zu klären sind, darf das nicht im Bewilligungsverfahren geschehen, sondern es ist Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.1 An die Voraussetzung der hinreichenden Erfolgsaussicht dürfen keine über- 153 spannten Anforderungen gestellt werden, weil die Verfahrenskostenhilfe den Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen will.2 Sie ist dann erfüllt, wenn der vom Antragsteller vertretene Rechtsstandpunkt zumindest 1 BVerfG, FamRZ 2002, 665 m.w.N.; 2003, 671; BGH, FamRZ 2013, 369 m.w.N.; Zöller/ Geimer, § 114 ZPO Rz. 21 m.w.N. 2 BVerfG, NJW-RR 2003, 1216.
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vertretbar ist und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit der Beweisführung besteht.1 Doch genügt für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht schon der Umstand, dass das Vorbringen des Beteiligten im Erkenntnisverfahren möglicherweise zu einer Beweiserhebung zwingt. Das Verbot der Beweisantizipation gilt nur im Erkenntnisverfahren. Bei der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist, wenn auch im eng begrenzten Rahmen, eine vorweggenommene Beweiswürdigung zulässig.2 Kommt nach dem Vortrag des Antragstellers eine Beweisaufnahme nicht ernsthaft in Betracht oder liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen würde, darf das Gericht Verfahrenskostenhilfe verweigern.3 154
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder -verteidigung ist der Sach- und Streitstand bei Beschlussfassung. Entfällt die Erfolgsaussicht während des VKH-Prüfungsverfahrens (z.B. durch Zahlung des Unterhalts) ist Verfahrenskostenhilfe zu verweigern.4 Anderes gilt jedoch, wenn das Gericht die Entscheidung über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe pflichtwidrig verzögert hat. Hier ist bei der Erfolgsprognose auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife des VKH-Antrags abzustellen.5 Nach diesen Grundsätzen verfährt der BGH6 auch dann, wenn über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nach rechtskräftigem Abschluss der Instanz zu entscheiden ist (z.B. im Beschwerdeverfahren nach § 127 Abs. 2 ZPO). In diesem Fall muss das Gericht bei der Erfolgsprognose grundsätzlich die – inzwischen eingetretene – Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache beachten. Dennoch ist dem Unterlegenen Verfahrenskostenhilfe nachträglich zu bewilligen, wenn die Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe pflichtwidrig verzögert wurde und die zunächst bestehende Erfolgsaussicht in der Zeit zwischen der Entscheidungsreife des Begehrens auf Verfahrenskostenhilfe und der Entscheidung in der Hauptsache entfallen ist.7 Die nachträgliche Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe widerspricht auch dann nicht der bindenden Entscheidung in der Hauptsache, wenn die Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe darauf beruhte, dass die Entscheidung einer zweifelhaften Rechtsfrage verfahrensfehlerhaft in das Verfahrenskostenhilfeverfahren verlagert wurde.
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Schwierig zu beurteilen ist die hinreichende Erfolgsaussicht eines Stufenverfahrens (§ 254 ZPO), solange der Zahlungsanspruch noch unbeziffert ist. Dennoch ist es nicht zulässig, dem zu Verfahrensbeginn gestellten Antrag auf Verfahrenskostenhilfe nur für die Auskunftsstufe stattzugeben.8 Mit der Zustellung des Stufenantrags (§ 261 Abs. 1 ZPO) werden die geltend gemachten Ansprüche,
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BGH, NJW 1994, 1160. BGH, NJW 1994, 1160; MünchKomm.ZPO/Motzer, § 114 ZPO Rz. 65. BVerfG, NJW-RR 2003, 1216. Zöller/Geimer, § 119 ZPO, Rz. 44 f. m.w.N. Zöller/Geimer, § 119 ZPO Rz. 46 m.w.N. BGH, FamRZ 2012, 964. BGH, FamRZ 2012, 964. OLG Hamm, FamRZ 2007, 152; OLG München, FamRZ 2005, 42; OLG Zweibrücken, FamRZ 2005, 46; OLG Karlsruhe, FamRZ 1995, 1504; 1997, 98; Zöller/Geimer, § 114 Rz. 37 ff. m.w.N.; MünchKomm.ZPO/Motzer, § 114 ZPO Rz. 37; a.A. KG (3. ZS) FamRZ 2005, 462 mit dem Argument, dass die hinreichende Erfolgsaussicht eines unbezifferten Antrags nicht beurteilt werden kann.
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VI. Verfahrenskostenhilfe
auch das noch unbestimmte Leistungsverlangen, sofort rechtshängig.1 Der zunächst noch unbezifferte Zahlungsantrag bestimmt mithin von Anfang an den Wert des Stufenverfahrens und damit die Gerichtskosten und die Gebühren der Anwälte (vgl. Rz. 85). Dies ist bei der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zu berücksichtigen, wobei in der Rechtsprechung aber seit Jahren vieles streitig ist. Um die Staatskasse vor den Kosten überhöhter Zahlungsanträge zu schützen, 156 nimmt ein Teil der Rechtsprechung an, dass sich die bewilligte Verfahrenskostenhilfe von vornherein auf den Unterhaltszahlungsanspruch nur insoweit erstreckt, als er sich aus der noch zu erteilenden Auskunft errechnet.2 Das Gericht habe nach Bezifferung des Zahlungsantrages zu prüfen, ob der Antrag von der erteilten Auskunft gedeckt ist, und könne in einem weiteren Beschluss klarstellen, wieweit die zunächst bewilligte Verfahrenskostenhilfe reicht.3 Andere Gerichte bewilligen im Interesse der Rechtsklarheit Verfahrenskosten- 157 hilfe für das gesamte Verfahren, wenn sämtliche Voraussetzungen des Unterhaltszahlungsanspruchs bis auf die Darlegung der Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen vorgetragen sind.4 Sie bestimmen jedoch den Wert, für den Verfahrenskostenhilfe bewilligt wird. Dieser Wert kann auch hinter dem gemäß § 42 FamGKG zu schätzenden Wert des noch unbezifferten Zahlungsantrags zurückbleiben, wenn die aus der Antragsschrift ablesbaren Erwartungen des Antragstellers überzogen erscheinen oder sonst für das Gericht nicht nachvollziehbar sind. Der Antragsteller muss einen neuen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe stellen, wenn er in der Leistungsstufe einen Antrag ankündigt, dessen Wert den Wert übersteigt, für den Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist. Die Erfolgsaussicht einer Rechtsverteidigung gegen ein Stufenverfahren ist – mit 158 Einschränkungen – nach denselben Grundsätzen zu prüfen wie die Erfolgsaussicht des Stufenantrags.5 So ist dem Antragsgegner Verfahrenskostenhilfe für das Stufenverfahren insgesamt zu bewilligen, wenn sich seine Rechtsverteidigung gegen den Unterhaltsanspruch dem Grunde nach richtet und insoweit hinreichend Erfolg verspricht.6 Im Übrigen kann der Antragsgegner in der Auskunftsstufe aber noch keine Verfahrenskostenhilfe für die von ihm beabsichtigte Rechtsverteidigung gegen die Anträge der zweiten und dritten Stufe eines Stufenverfahrens erhalten.7 Solange das Verfahren noch in der Auskunftsstufe anhängig ist, erscheint die Rechtsverteidigung gegen die Anträge in der zweiten und dritten Stufe mutwillig im Sinne des § 114 Abs. 2 ZPO. Der Antragsgegner kann mit der Verteidigung zuwarten, bis das Verfahren in die jeweilige Stufe eingetreten ist; prozessuale oder sonstige Nachteile entstehen ihm hierdurch nicht.8 Zudem scheitert die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe auch daran, dass die Beurteilung der Er-
1 Gefestigte Rechtsprechung: BGH, FamRZ 1995, 797; Zöller/Greger, § 254 ZPO Rz. 1. 2 OLG Celle, FamRZ 2011, 1608 m. Anm. Griesche, FamFR 2011, 301; OLG München, FamRZ 2005, 42 m.w.N.; OLG Zweibrücken, FamRZ 2005, 46; OLG Brandenburg, MDR 2003, 171. 3 OLG Hamm, FamRZ 2012, 1324; 1994, 312; 1997, 97; OLG München, FamRZ 2005, 42; OLG Düsseldorf, FamRZ 1987, 1281; 2000, 101. 4 OLG Schleswig, FamRZ 2013, 57; (16. ZS), FamRZ 1986, 284; 1997, 1405; OLG München, FamRZ 1999, 598; OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 547. 5 Zöller/Geimer, § 114 ZPO Rz. 37 m.w.N. 6 OLG Hamm, FamRZ 2000, 429; OLG Brandenburg, FamRZ 1998, 1177. 7 OLG Karlsruhe, FamRZ 2012, 1319. 8 OLG Karlsruhe, FamRZ 2012, 1319.
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folgsaussicht seiner Rechtsverteidigung i.d.R. von der erteilten Auskunft abhängt.1 c) Fehlender Mutwillen 159
Die Rechtsverfolgung darf auch bei bestehender Erfolgsaussicht nicht mutwillig sein (§ 114 Abs. 2 ZPO). Nach der – durch die PKH-Reform eingeführten – gesetzlichen Definition ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung mutwillig, wenn ein Beteiligter, der keine Verfahrenskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Diese Legaldefinition soll an der bisherigen Rechtslage nichts ändern,2 daher kann bei der Ausfüllung des Begriffs der Mutwilligkeit auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, welche die Rechtsprechung hierzu entwickelt hat.
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Da die Verfahrenskostenhilfe dazu dient, dem Unbemittelten in gleicher Weise wie dem Bemittelten den Zugang zu den Gerichten zu eröffnen, kann Verfahrenskostenhilfe dann verweigert werden, wenn ein verständiger Antragsteller, welcher die Kosten eines Verfahrens selbst aufbringen muss, sein Recht nicht so verfolgen würde oder wenn das erstrebte Verfahrensziel auf kostengünstigerem Wege zu erreichen ist. Wegen Mutwilligkeit ist Verfahrenskostenhilfe für ein Zahlungsverfahren beispielsweise in einem Fall versagt worden, in dem der Unterhaltsgläubiger den regelmäßig, pünktlich und freiwillig zahlenden Schuldner nicht zur Schaffung eines Unterhaltstitels aufgefordert, sondern ihn sogleich mit einem Unterhaltsverfahren überzogen hat.3 Andererseits darf Verfahrenskostenhilfe für ein Unterhaltsverfahren nicht mit der Begründung versagt werden, der Berechtigte sei gehalten, sein Anliegen im vereinfachten Verfahren nach §§ 249 ff. FamFG geltend zu machen. Dem Antragsteller soll die freie Wahl zwischen den beiden Verfahrensarten bleiben.4 Ebenfalls nicht mutwillig ist die Einleitung des Hauptverfahrens, wenn der Unterhalt im Wege der einstweiligen Anordnung tituliert wurde. Denn die einstweilige Anordnung zum Unterhalt erwächst nicht in materieller Rechtskraft.5 Höchst umstritten war die Frage, ob es mutwillig ist, nachehelichen Unterhalt nicht im Verbund mit der Scheidung, sondern durch ein isoliertes Verfahren geltend zu machen. Für das bis zum 31.8.2009 geltende Recht hat der BGH entschieden, dass die Geltendmachung einer zivilprozessualen Scheidungsfolgensache außerhalb des Verbundverfahrens grundsätzlich nicht mutwillig i.S.d. § 114 ZPO ist. Auch eine vermögende kostenbewusste Partei sei in erster Linie auf die allein sie treffenden Kosten bedacht. Da im Verbundverfahren die Kosten i.d.R. nach § 93a ZPO gegeneinander aufgehoben werden, könne der selbständige Zivilprozess für Partei im Hinblick auf die Kostenregelung des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO günstiger sein als eine Entscheidung im Verbund.6 Diese Sichtweise gilt gleichermaßen im Hinblick auf die Kostenregelungen im FamFG (§§ 150 Abs. 1, 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG).
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OLG Karlsruhe, FamRZ 2012, 1319. BT-Drucks. 17/11472, S. 29. KG, FamRZ 1988, 518 (519). BT-Drucks. 13/7338, S. 37. OLG Hamm, FamRZ 2011, 1157 m. Anm. Grandke, FamFR 2011, 401. BGH, FamRZ 2005, 786.
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VI. Verfahrenskostenhilfe
Umstritten ist, ob dem Antragsgegner Verfahrenskostenhilfe verweigert werden 161 darf, wenn er sich erst nach der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Antragsteller und nach Rechtshängigkeit des Verfahrens zur Sache selbst äußert. Ein Teil der Rechtsprechung wertet dieses Vorgehen als mutwillig, weil eine verständige, ihre finanziellen Interessen wahrende Person die Gelegenheit zur Abwehr unberechtigter Ansprüche bereits im Vorfeld eines Hauptverfahrens nützen würde.1 Die Gegenansicht verweist darauf, dass ein Anspruch des Antragsgegners auf Kostenerstattung erst mit der Durchführung des streitigen Verfahrens entstehen kann.2 Allerdings kann auch eine bemittelte Person nicht darauf vertrauen, ihre Kosten erstattet zu erhalten, wenn sie durch Schweigen Anlass zur Antragserhebung gegeben hat (vgl. die Kostenregelungen in § 243 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 bis 4 FamFG). Zudem wird der Antragsgegner durch das Verfahren zur Prüfung von Verfahrenskostenhilfe nicht zwangsläufig mit Kosten belastet. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei und es herrscht kein Anwaltszwang (§ 114 Abs. 4 Nr. 5 FamFG). Will sich ein mittelloser Antragsgegner nicht ohne anwaltliche Beratung zur Sache einlassen, kann er Beratungshilfe in Anspruch nehmen. Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe kann dem Rechtsmittelgegner we- 162 gen Mutwillen versagt werden, wenn er sich vor der Begründung der Beschwerde anwaltlich vertreten lässt. Bis zur Einreichung der Rechtsmittelbegründung kann eine ihm nachteilige Entscheidung in der Sache nicht ergehen. Deshalb ist ihm zuzumuten, mit der Bestellung eines Anwalts zunächst abzuwarten, ob das Rechtsmittel durchgeführt wird und nicht verworfen werden muss.3 Für eine dahingehende anwaltliche Beratung, die nicht mehr zum ersten Rechtszug gehört (§ 19 Nr. 9 RVG), steht Beratungshilfe zur Verfügung. 3. Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten Ist – wie in den Unterhaltsstreitverfahren – eine Vertretung durch Anwälte ge- 163 setzlich vorgeschrieben, wird dem bedürftigen Beteiligten im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe von Amts wegen ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet (§ 121 Abs. 1 ZPO). Dagegen wird im Verfahren der einstweiligen Anordnung, in dem kein Anwaltszwang herrscht, dem Beteiligten ein Anwalt nur dann auf Antrag beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der gegnerische Beteiligte durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Bislang haben die Gerichte in Unterhaltssachen die Erforderlichkeit einer anwaltlichen Vertretung zumeist bejaht, da es sich beim Unterhalt zum einen um existenzielle Fragen handelt und das Unterhaltsrecht zum anderen für einen Laien unübersehbare Schwierigkeiten birgt. Diese Überlegung gilt ohne Einschränkung auch für die einstweilige Anordnung, obwohl der Gesetzgeber hier keinen Anwaltszwang angeordnet hat. Denn der Verzicht auf den Anwaltszwang ist nur der Eilbedürftigkeit der einstweiligen Anordnung geschuldet, nicht der Einfachheit der Materie. In der Regel wird der vom Beteiligten bereits beauftragte Anwalt beigeordnet. Hat der Beteiligte noch keinen Anwalt beauftragt, kann er das Gericht um Beiordnung eines vom Gericht auszuwählenden Anwalts bitten (§ 121 Abs. 5 ZPO).
1 OLG Celle, FamRZ 2013, 1592; 2012, 47. 2 OLG Oldenburg, FamRZ 2013, 59; Zöller/Geimer, § 114 ZPO Rz. 34a m.w.N. 3 BGH, FamRZ 2010, 1147.
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Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn hierdurch keine weiteren Kosten entstehen (§ 121 Abs. 3 ZPO). Ein auswärtiger Anwalt muss also bereit sein, sich zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts beiordnen zu lassen. Ansonsten unterbleibt seine Beiordnung. Das Gericht darf einen auswärtigen Verfahrensbevollmächtigten nur dann (uneingeschränkt) beiordnen, wenn besondere Umstände i.S.v. § 121 Abs. 4 ZPO vorliegen und so die Bestellung eines weiteren Anwalts (insbesondere eines Korrespondenzanwalts zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Verfahrensbevollmächtigten) gespart wird.1 Insoweit ist auf die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Falls und die subjektiven Fähigkeiten des Beteiligten abzustellen. Dem Beteiligten muss sowohl eine bloß schriftliche Information seines Verfahrensbevollmächtigten als auch eine Informationsreise zu demselben nicht zumutbar sein.
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Das Einverständnis mit einer auf das gesetzlich zulässige Maß beschränkten Beiordnung muss nicht ausdrücklich erklärt werden; es ist konkludent im Antrag des Anwalts auf Beiordnung enthalten.2 Die Beiordnung eines auswärtigen Anwalts kann daher auch ohne dessen eigens erklärte Einwilligung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwaltserfolgen oder auf die Gesamtkosten beschränkt werden, die für einen Anwalt am Gerichtsort zzgl. der Kosten eines Verkehrsanwalts nach § 121 Abs. 4 ZPO anfallen.3 Will der Anwalt das Kostenrisiko nicht tragen, dass seine Reisekosten zum Gericht die Kosten eines Verkehrsanwalts übersteigen, muss er auf seine Beiordnung als Hauptbevollmächtigter verzichten und nur seine Beiordnung als Verkehrsanwalt beantragen. 4. Wirkung der Verfahrenskostenhilfe
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Die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung befreit den Antragsteller von allen eigenen Kosten: den Gerichtsgebühren einschließlich des Gerichtskostenvorschusses, den Vorschüssen und Kosten für den eigenen Anwalt und auch den Vorschüssen für die Ladung von Zeugen oder die Einholung von Gutachten. Diese Kosten braucht der Beteiligte auch dann nicht zu tragen, wenn er im Verfahren ganz oder teilweise unterliegt. Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe befreit den Beteiligten jedoch nicht davon, die Anwaltskosten des Gegners zu tragen, wenn dieser nach der Kostengrundentscheidung des Gerichts einen Anspruch auf Kostenerstattung hat (§ 123 ZPO). Insoweit bleibt auch für den bedürftigen Beteiligten ein Kostenrisiko.
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Praxishinweis: Ein Beteiligter, der in einem Vergleich Gerichtskosten übernimmt, kann trotz bewilligter Verfahrenskostenhilfe ggf. vom Gegner auf die übernommenen Gerichtskosten in Anspruch genommen werden. Dies ist nur ausgeschlossen, wenn der Vergleich und die Kostenregelung auf dem Vorschlag des Gerichts beruht und das Gericht in seinem Vergleichsvorschlag ausdrücklich festgestellt hat, dass diese Kostenregelung der sonst zu erwartenden Kostenentscheidung entspricht (§ 26 Abs. 4 FamGKG). Denn in diesem Fall entfällt die Zweitschuldnerhaftung des Gegners entsprechend § 26 Abs. 3 FamGKG. Die Beteiligten müssen bei einem Vergleichsabschluss
1 BGH, NJW 2004, 2749. 2 BGH, FamRZ 2007, 36. 3 OLG Bamberg, FamRZ 2012, 651; OLG Braunschweig, FamRZ 2006, 800.
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VI. Verfahrenskostenhilfe
darauf achten, dass das Gericht die entsprechenden Hinweise – zur Sicherheit – schriftlich erteilt.1 Wird mit der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe monatliche Ratenzahlung 168 angeordnet, so ist der Antragsteller ebenfalls von allen Vorschussverpflichtungen, den Gerichtskosten und den Kosten seines Anwalts (vorläufig) befreit. Er wird jedoch im Rahmen der an das Gericht zu leistenden Ratenzahlungen an den Kosten des Verfahrens beteiligt. Gleiches gilt, wenn das Gericht eine einmalige Zahlung aus dem Vermögen anordnet. 5. Änderung der Bewilligung Die bisher in § 120 Abs. 4 ZPO enthaltenen Regelungen über die nachträgliche 169 Änderung der zu leistenden Zahlungen sind seit dem 1.1.2014 in der eigenständigen Vorschrift des § 120a ZPO neu – und deutlich strenger – gefasst worden.2 Nach § 120a Abs. 1 Satz 1 ZPO n.F. soll (früher: „kann“) das Gericht seine Entscheidung über die zu leistenden Ratenzahlungen oder Zahlung aus dem Vermögen abändern, wenn sich die für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe maßgeblichen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Beteiligten wesentlich geändert haben. Eine Änderung zu seinem Nachteil ist ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder der sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind (§ 120a Abs. 1 Satz 4 ZPO). Innerhalb dieses Zeitraums ist der Beteiligte – im Gegensatz zum bisherigen 170 Recht – zur unverzüglichen Mitteilung einer wesentlichen Verbesserung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse verpflichtet. Er hat dem Gericht außerdem jede Änderung seiner Anschrift unverzüglich mitzuteilen (§ 120a Abs. 2 Satz 1 ZPO). Hierüber und über die Folgen eines Verstoßes (d.h. die Möglichkeit einer nachträglichen Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe nach § 124 ZPO) wird der Beteiligte bei der Beantragung von Verfahrenskostenhilfe in dem gem. § 117 Abs. 3 ZPO eingeführten Formular unter Feld K (Rz. 136) belehrt. Für die Erklärung über die Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat der Beteiligte zudem das seit 1.1.2014 eingeführte VKH-Formular zu benutzen (§ 120a Abs. 4 ZPO). Bezieht der Beteiligte ein laufendes monatliches Einkommen, ist eine Verbes- 171 serung nur wesentlich, wenn die Differenz zu dem bisher zu Grunde gelegten Bruttoeinkommen nicht nur einmalig 100 Euro übersteigt (§ 120a Abs. 2 Satz 2 ZPO). Eine wesentliche Verbesserung liegt auch vor, wenn abzugsfähige Belastungen in Höhe von mehr als 100 Euro monatlich entfallen (§ 120a Abs. 2 Satz 3 ZPO). Bei dem Beteiligten kann eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse dadurch eintreten, dass er durch das Verfahren etwas erlangt, insbesondere wenn rückständiger Unterhalt zugesprochen und gezahlt wird (§ 120a Abs. 3 ZPO). Eine Änderung der Entscheidung ist hier jedoch ausgeschlossen, soweit dem Beteiligten bei rechtzeitiger Leistung ratenfreie Verfahrenskostenhilfe hätte bewilligt werden müssen (§ 120a Abs. 3 Satz 3 ZPO).3 Ansonsten ist die Zahlung auf den rückständigen Unterhalt in dem Umfang für die Erstat1 Giers, FamRZ 2013, 1341 (1344). 2 Viefhues, aktuelle Mitteilungen zum 1.1.2014, in juris. 3 OLG Koblenz, FamRZ 2012, 1404; OLG Hamm, FamRZ 2007, 1662 (beide noch zu § 120 Abs. 4 a.F. ZPO).
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
tung der Verfahrenskosten einzusetzen, als der Unterhalt im Fall einer rechtzeitigen Zahlung für die Bestreitung der Verfahrenskosten heranzuziehen gewesen wäre.1 172
173
Û
Praxishinweis: Bedeutung für die anwaltliche Praxis hat die Tatsache, dass die – aufgrund der Mitteilungspflichten vermutlich verstärkt stattfindende – nachträgliche Überprüfung der Verfahrenskostenhilfe nicht direkt zwischen dem Gericht und dem betroffenen Beteiligten des bereits abgeschlossen Verfahrens abgewickelt wird, sondern über den Anwalt, der den Beteiligten zuvor vertreten hat.2 Nach der Rechtsprechung des BGH wirkt die Vollmacht des im ursprünglichen Verfahren bestellten Verfahrensbevollmächtigten im Überprüfungsverfahren fort.3
§ 120a ZPO gilt ebenso für die Fälle, in denen sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beteiligten verschlechtern. Auch hier sollte der Beteiligte von sich aus umgehend beim Gericht die Abänderung des Ratenzahlungsbeschlusses beantragen; denn die Abänderung wirkt immer nur für die Zukunft. Die zwischenzeitlich bis zum Antrag auf Abänderung gezahlten Raten werden nicht erstattet. 6. Aufhebung der Bewilligung
174
Nach § 124 Abs. 1 ZPO soll (früher: „kann“) die Verfahrenskostenhilfe rückwirkend aufgehoben werden, wenn der Antragsteller im Bewilligungsverfahren schuldhaft unrichtige Angaben gemacht hat (§ 124 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZPO),4 die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe objektiv nicht vorgelegen haben (§ 124 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) oder der Beteiligte mit den festgesetzten Raten oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages länger als 3 Monate im Rückstand (Verzug) ist (§ 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Mit der Aufhebung der bewilligten Verfahrenskostenhilfe sanktioniert werden soll außerdem der absichtliche oder grob nachlässige Verstoß gegen die Pflicht, wesentliche Verbesserungen der Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen der Anschrift mitzuteilen (§ 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO).
175
Wichtig für die Praxis ist, dass der Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe wegen unrichtiger Angaben nicht mit dem Einwand begegnet werden kann, auch bei pflichtgemäßer Mitteilung hätte ein Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe bestanden. Denn nach der Verschärfung der gesetzlichen Aufhebungsgründe behält insbesondere die Rechtsprechung des BGH zu § 124 a.F. ZPO ihre Gültigkeit, wonach die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe nach § 124 Nr. 2 Alt. 1 ZPO nicht voraussetzt, dass die falschen Angaben des Antragstellers zu einer objektiv unrichtigen Bewilligung geführt haben, diese mithin auf den Falschangaben beruht.5 Angesichts der Verschärfung des Gesetzes dürfte außerdem die ältere Rechtsprechung des BGH überholt sein, wonach keine Verwirkung des Anspruchs auf Prozesskostenhilfe im sachlich gerechtfertigten Umfang eintritt, wenn der Antragsteller seine Offenbarungspflicht bezüglich einer Veränderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse verletzt hat.6 1 2 3 4 5 6
KG, FamRZ 2009, 365 (noch zu § 120 Abs. 4 a.F. ZPO). Viefhues, aktuelle Mitteilungen zum 1.1.2014, in juris. BGH, FamRZ 2011, 1867 (LS); BGH, FamRZ 2011, 463. BGH, FamRZ 2013, 124. BGH, FamRZ 2013, 124. BGH, FamRZ 1984, 677 (678) unter II 1a).
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VII. Verfahrenskostenvorschuss
Die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe hat zur Folge, dass die kostenbefreien- 176 de Wirkung gemäß § 122 ZPO rückwirkend entfällt, d.h., der Antragsteller wird vom Gericht in vollem Umfang für die von ihm zu tragenden Kosten einschließlich der Anwaltskosten in Anspruch genommen. Ist Verfahrenskostenhilfe wegen Nichtzahlung der festgesetzten Raten entzogen, kommt bei einer wesentlichen Verschlechterung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eine Neubewilligung in Betracht. Sie darf nur abgelehnt werden, wenn greifbare Anhaltspunkte dafür sprechen, dass der Antragsteller die Anordnung von Ratenzahlung erneut missachten wird.1 Neu ist die Möglichkeit, die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe zum Teil, 177 nämlich für eine vom Beteiligten beantragte Beweiserhebung aufzuheben (§ 124 Abs. 2 ZPO). Eine solche Teilaufhebung kommt in Betracht, wenn die Beweiserhebung aufgrund von Umständen, die im Zeitpunkt der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe noch nicht berücksichtigt werden konnten, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder der Beweisantritt mutwillig erscheint. Eine Beweisantizipation ist zulässig.2
VII. Verfahrenskostenvorschuss Gemäß § 246 Abs. 1 2. Alt. FamFG kann das Gericht auf Antrag durch selbständi- 178 ge einstweilige Anordnung die Verpflichtung zur Zahlung eines Kostenvorschusses für ein gerichtliches Verfahren regeln. Eine solche einstweilige Anordnung kommt für alle Gerichtsverfahren in Betracht, für die ein getrennt lebender Ehegatte oder ein Kind nach materiellem Unterhaltsrecht als Sonderbedarf Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses hat.3 Das sind Rechtsstreitigkeiten, die eine persönliche Angelegenheit betreffen, wie Scheidung, Sorgerechtsverfahren oder Unterhaltsstreitigkeiten, möglich ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 246 Abs. 1 2. Alt. FamFG aber auch hinsichtlich der Kosten für die Verteidigung in einem Strafverfahren (vgl. § 1360a Abs. 4 Satz 2 BGB). § 246 Abs. 1 2. Alt. FamFG schafft keinen materiell-rechtlichen Anspruch. Die 178a Vorschrift setzt einen solchen vielmehr voraus, was der Antragsteller nach § 51 Abs. 1 FamFG glaubhaft zu machen hat (vgl. zu den Voraussetzungen im Einzelnen Kap. A Rz. 392, Kap. B Rz. 158, Kap. E Rz. 277). Indes braucht der Antragsteller nicht darzulegen, dass er sich in Not befindet und damit ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Ausreichend für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 246 Abs. 1 FamFG ist (insoweit abweichend von § 49 FamFG) ein Regelungsbedürfnis (vgl. hierzu Rz. 418). Das Gericht ist somit befugt, die Zahlung eines Kostenvorschusses auch dann anzuordnen, wenn dem Antragsteller bereits Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist (z.B. weil zweifelhaft ist, ob ein sachlich-rechtlich bestehender Anspruch auf Kostenvorschuss auch durchsetzbar sein wird). Zum Verhältnis Verfahrenskostenvorschuss/Verfahrenskostenhilfe, s. Rz. 140 und Kap. A Rz. 397 ff. Die Höhe des Kostenvorschusses richtet sich nach den Gerichts- und Anwalts- 178b kosten, die dem Antragsteller voraussichtlich in dem Verfahren entstehen, das mithilfe des Vorschusses durchgeführt werden soll. Hinzu kommen die An1 BGH, FamRZ 2005, 2063. 2 Zöller/Geimer, § 124 ZPO, Rz. 29; Geimer, FamRZ 2013, 1341 (1344). 3 Wendl/Dose/Schmitz, § 10 Rz. 399.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
waltskosten für das selbständige Anordnungsverfahren nach § 246 FamFG, da hierfür ebenfalls eine materiell-rechtliche Vorschusspflicht besteht.1 Die Verpflichtung des Antragsgegners, auch die Kosten des Anordnungsverfahrens vorzuschießen, wird nicht dadurch aufgehoben, dass im Verfahren der einstweiligen Anordnung eine selbständige Kostengrundentscheidung nach § 243 FamFG ergeht, durch die der Antragsgegner – im Falle des Unterliegens billigerweise – die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Es droht keine „doppelte Titulierung“ desselben Anspruchs.2 Denn der Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss ist unterhaltsrechtlicher Natur, die Kostenentscheidung betrifft dagegen nur die prozessuale Kostentragungspflicht.3 Über die Frage, ob ein unterhaltsrechtlicher Sonderbedarf besteht, wird nach materiell-rechtlichen Gesichtspunkten befunden, die Kostenentscheidung richtet sich dagegen nach den Grundsätzen des § 243 FamFG.4 Dementsprechend kann die Vollstreckung aus einer einstweiligen Anordnung zur Zahlung eines Kostenvorschusses ungeachtet der später ergangenen Kostenentscheidung betrieben werden.5 Allerdings muss sichergestellt sein, dass der Vorschussgeber die Kosten der einstweiligen Anordnung nicht zweimal zahlen muss und der Vorschussempfänger aus der Verfahrensführung keinen kostenmäßigen Gewinn zieht. Aus diesem Grund ist ein unstreitig gezahlter Kostenvorschuss bereits im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen, obwohl materiell-rechtliche Einwendungen grundsätzlich außerhalb dieses Verfahrens geltend zu machen sind.6 Es gilt derselbe Grundsatz, den die Rechtsprechung generell für die Anrechnung eines geleisteten Kostenvorschusses auf einen Kostenerstattungsanspruch entwickelt hat: Bei der Kostenfestsetzung ist der unstreitig gezahlte Kostenvorschuss auf den Erstattungsanspruch des Vorschussempfängers anzurechnen, wenn und soweit der Vorschuss und der Erstattungsanspruch über die Kosten hinausgehen, die dem Vorschussempfänger in dem zugrundeliegenden Verfahren entstanden sind.7 179
Für das Verfahren auf Zahlung eines Kostenvorschusses gelten die §§ 50 bis 57 FamFG in gleicher Weise wie bei einer auf Zahlung einer Unterhaltsrente gerichteten einstweiligen Anordnung nach § 246 Abs. 1 1. Alt. FamFG (s. im Einzelnen Rz. 402 ff.). Die Entscheidung über den Erlass der einstweiligen Anordnung dürfte aber häufiger ohne mündliche Verhandlung ergehen können, weil eine solche zur Aufklärung des Sachverhalts oder für eine gütliche Beilegung des Streits nicht geboten erscheint (§ 246 Abs. 2 FamFG).
180
Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar, unabhängig davon, ob die Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses angeordnet oder abgelehnt worden ist (§ 57 Satz 1 FamFG). Ist der Beschluss ohne mündliche Verhandlung ergangen, kann lediglich Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt werden (§ 54 Abs. 2 FamFG). 1 Soweit ersichtlich einhellige Meinung in der Literatur: Musielak/Borth, § 246 Rz. 33; DIJuF, Themengutachten vom 14.11.2013, S. 13; Münchener Prozessformularbuch/Soyka, Form. C.I.8. Anm. 11.; vgl. auch OLG Frankfurt, FamRZ 1979, 732 (noch zu § 127a ZPO). 2 So aber AG Schöneberg, Beschlüsse v. 4.11.2011 und v. 1.9.2011 – 84 F 238/11 – beide nicht veröffentlicht. 3 BGH, FamRZ 1985, 802 ff.; BGH, FamRZ 2010, 452 (Tz. 19 und 20). 4 BGH, FamRZ 1985, 802 ff.; vgl. auch BGH, FamRZ 2010, 452 (Tz. 11). 5 BGH, FamRZ 1985, 802 ff. 6 BGH, FamRZ 2010, 452 ff. 7 BGH, FamRZ 2010, 452 ff. (Tz. 14 und 19).
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VII. Verfahrenskostenvorschuss
E8
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 246 FamFG zur Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses
An das Amtsgericht – Familiengericht Anm. 1) –
Datum
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses nach § 246 FamFG der Frau (Name, Anschrift) – Antragstellerin – Verfahrensbevollmchtigte: Rechtsanwltin (Name, Anschrift) gegen ihren Ehemann, Herrn (Name, Anschrift) – Antragsgegner – (voraussichtliche) Verfahrensbevollmchtigte: Namens und in Vollmacht der Antragstellerin beantrage ich – der Dringlichkeit wegen ohne mndliche Verhandlung – folgende einstweilige Anordnung zu erlassen: Dem Antragsgegner wird aufgegeben, an die Antragstellerin einen Verfahrenskostenvorschuss in Hçhe von 1 989,40 Euro fr das beabsichtigte Unterhaltsstreitverfahren und in Hçhe von 255,85 Euro fr dieses Anordnungsverfahren zu zahlen. Begrndung: Die Antragstellerin verlangt vom Antragsgegner, ihr Auskunft ber seine in den letzten drei Jahren erzielten Einknfte aus selbststndiger Ttigkeit und aus Kapitalvermçgen zu erteilen sowie den nach Erfllung der Auskunftspflicht noch zu beziffernden Unterhalt ab … zu zahlen. Nachdem außergerichtliche Bemhungen erfolglos geblieben sind, ist die Antragstellerin gezwungen, ihre Ansprche gerichtlich durchzusetzen. Auf den beigefgten Entwurf der Antragsschrift wird Bezug genommen.Anm. 2) Der Antragstellerin steht der verlangte Kostenvorschuss nach §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360a Abs. 4 BGB zu. Sie ist bei ihrem gegenwrtigen Einkommen von monatlich 507,40 Euro nicht in der Lage, die Kosten des gerichtlichen Verfahrens zu tragen. Die Antragstellerin verfgt auch ber keine finanziellen Rcklagen oder sonstiges Vermçgen. Demgegenber ist der Antragsgegner mit einem auf monatlich mindestens 1 800 Euro geschtztem Einkommen aus selbstndiger Ttigkeit sowie einem Vermçgen (Sparguthaben und Wertpapiere) von ca. 22 000 Euro leistungsfhig.Anm. 3) Das beabsichtigte Stufenverfahren hat hinreichende Aussicht auf Erfolg und ist nicht mutwillig.Anm. 4) Wie der Antragsschrift entnommen werden kann, leben die Beteiligten seit Mai 2014 voneinander getrennt. Die Antragstellerin, die seit Januar 2014 an einer Umschulungsmaßnahme der Agentur fr Arbeit teilnimmt, ist derzeit nicht verpflichtet, weitere Einknfte zur erzielen. Der Antragsgegner ist mit Schreiben vom 4. Juni 2014 vergeblich zur Auskunft und Zahlung eines vorlufig mit 550 Euro berechneten Trennungsunterhalts aufgefordert worden. Zur GlaubhaftmachungAnm. 5) berreiche ich als Anlage 1 die eidesstattlicher Versicherung der Antragstellerin vom … sowie als Anlage 2 Schreiben der Antragstellerin vom …, mit Rckschein in Kopie.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
Der Antragsgegner ist ferner mit Schreiben vom … vergeblich zur Zahlung des im Folgenden errechneten Kostenvorschusses aufgefordert worden: Der Kostenvorschuss fr das Verfahren errechnet sich nach folgendem Verfahrenswert fr das bislang noch unbezifferte Stufenverfahren: 1. Laufender Unterhalt (550 Euro 12) 2. Rckstndiger Unterhalt (550 Euro 2) Zusammen
6 600 Euro 1 100 Euro 7 700 Euro
Damit hat der Antragsgegner fr das Verfahren folgenden KostenvorschussAnm. 6) zu leisten: Gerichtskostenvorschuss nach §§ 14 Abs. 1, 28 FamGKG 3,0 Verfahrensgebhr (KV FamGKG Nr. 1220) Anwaltsgebhren 1,3 Verfahrensgebhr (Nr. 3100 VV) 1,2 Terminsgebhr (Nr. 3104 VV) Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV) Zusammen 19 % MwSt Zusammen Insgesamt
609,00 Euro 592,80 Euro 547,20 Euro 20,00 Euro 1 160,00 Euro 220,40 Euro 1 380,40 Euro 1 989,40 Euro
Der Verfahrenskostenvorschuss fr das Verfahren auf Erlass dieser einstweiligen AnordnungAnm. 6) errechnet sich nach einem Streitwert von 1 591,52 Euro (80 % von 1 989,40 Euro, § 41 FamGKG) wie folgt: Anwaltsgebhren 1,3 Verfahrensgebhr (Nr. 3100 VV) Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV) Zusammen 19 % MwSt. Insgesamt
195,00 Euro 20,00 Euro 215,00 Euro 40,85 Euro 255,85 Euro
Die Zustellung der Antragsschrift ist nach § 14 Abs. 2 FamGKG nicht von der Zahlung eines Gerichtskostenvorschusses abhngig zu machen. Beglaubigte und einfache Abschrift anbei. Unterschrift
181
Zu Anm. 1): Zuständig für den Erlass der einstweiligen Anordnung ist das Gericht, das für die Unterhaltsstreitsache in der Hauptsache nach §§ 1361, 1360a Abs. 4 BGB im ersten Rechtszug zuständig wäre (§ 50 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Vgl. auch Rz. 405 ff, 17 ff.
182
Zu Anm. 2): Die Anhängigkeit einer Ehesache, eines isolierten Unterhaltsverfahrens oder die Einreichung eines entsprechenden Antrags auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist keine Voraussetzung für das einstweilige Anordnungsverfahren. Es muss auch kein Hauptsacheantrag auf Zahlung eines Kostenvorschusses nach § 1360a Abs. 4 BGB oder ein entsprechender Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gestellt sein.
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VIII. Besondere Verfahrensvorschriften im Unterhaltsstreitverfahren
Zu Anm. 3): Der Verpflichtete muss leistungsfähig sein, was bei einem Ver- 183 mögen von mehr als 2 600 Euro (Schonvermögen nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII) i.d.R. bejaht werden kann. Muss der Verfahrenskostenvorschuss aus den monatlichen Einkünften aufgebracht werden, ist er nur geschuldet, wenn der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt des Verpflichteten gewahrt ist. Dabei kann dem Pflichtigen auch aufgegeben werden, den Verfahrenskostenvorschuss in Raten zu zahlen.1 Diese orientieren sich an den Raten, wie sie nach § 115 Abs. 2 ZPO für die Bewilligung von VKH vorgesehen sind. Zu Anm. 4): Die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenvorschusses für ein ge- 184 richtliches Verfahren besteht nur, soweit sie der Billigkeit entspricht (§ 1360a Abs. 4 Satz 1 BGB, s. Kap. A Rz. 392 ff.). Deshalb ist für Verfahren, die keine hinreichende Aussicht haben oder mutwillig sind, kein Vorschuss zu zahlen. Insoweit entsprechen die Anforderungen an einen Anspruch auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses denen der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.2 Zu Anm. 5): Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 FamFG sind die Voraussetzungen für die 185 Anordnung glaubhaft zu machen. Welche Beweismittel hierfür zugelassen sind, bestimmt sich in Familienstreitsachen nach § 113 Abs. 1 i.V.m. § 294 ZPO. Nach § 294 Abs. 1 ZPO ist damit die Versicherung an Eides statt als Mittel der Glaubhaftmachung zugelassen. Zu Anm. 6): Der Kostenvorschuss umfasst Gerichts- und Anwaltskosten. Da der 186 Vorschuss der Antragstellerin die Führung des gerichtlichen Verfahrens ermöglichen soll, ist der Gerichtskostenvorschuss für das beabsichtigte Unterhaltsverfahren nach §§ 9, 14 Abs. 1 FamGKG in die Berechnung einzubeziehen, ebenso der dem Verfahrensbevollmächtigten nach § 9 RVG geschuldete Vorschuss. Wird der Kostenvorschuss – wie hier – durch einstweilige Anordnung geltend gemacht, gehören nur die hierfür anfallenden Anwaltskosten zum Anspruch. Gemäß § 14 Abs. 2 FamGKG wird im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kein Gerichtskostenvorschuss erfordert. Über den Kostenvorschuss für die Anwaltskosten des einstweiligen Anordnungsverfahrens kann vorab eine Teilentscheidung ergehen.3
VIII. Besondere Verfahrensvorschriften im Unterhaltsstreitverfahren Unterhaltsstreitverfahren richten sich als zivilrechtliche Streitigkeiten grund- 187 sätzlich nach den Verfahrensregeln der ZPO. § 113 Abs. 1 FamFG nimmt Unterhaltsstreitsachen von einem Großteil der allgemeinen Vorschriften des FamFG zum Verfahren erster Instanz aus und verweist auf die allgemeinen Vorschriften der ZPO sowie auf die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor den Landgerichten. Verfahrenseinleitung, die Vorbereitung und Durchführung der mündlichen Verhandlung, Beweiserhebung, kurz alle wichtigen Stationen des Unterhaltsverfahrens in erster Instanz richten sich nach den detaillierten Vorschriften der Zivilprozessordnung. Auf eine Darstellung dieser Normen wird hier jedoch aus Platzgründen verzichtet. Gegenstand der folgenden Ausführungen sind le-
1 BGH, FamRZ 2004, 1633 m. Anm. Viefhues. 2 BGH, FamRZ 2005, 885; FamRZ 2001, 1363 (1364); Viefhues, FamRZ 2004, 1635. 3 Musielak/Borth, § 246 Rz. 33 (am Ende).
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
diglich die Besonderheiten des Unterhaltsstreitverfahrens. Es liegt dabei in der Natur der Sache, dass diese Abweichungen vom allgemeinen Zivilprozess jeweils ein unterschiedliches Gewicht haben und keine Systematik aufweisen. Generell ist jedoch zu bemerken, dass das familiengerichtliche Verfahren – auch im öffentlichen Interesse – im besonderen Maße auf eine materielle Richtigkeitsgewähr bedacht ist1 und dass darüber hinaus Rücksicht auf den familiären Charakter des Streits genommen wird. 1. Zum Termin a) Grundsatz der Nichtöffentlichkeit, § 170 GVG 188
Alle Verhandlungen, Erörterungen und Anhörungen in Familiensachen – auch in Unterhaltsstreitsachen – sind nicht öffentlich (§ 170 Abs. 1 Satz 1 GVG). Das Gericht kann die Öffentlichkeit zulassen, jedoch nicht gegen den Willen eines Beteiligten (§ 170 Abs. 1 Satz 2 GVG). Der Ausschluss der Öffentlichkeit gilt allerdings nur für die in § 170 Abs. 1 Satz 1 GVG ausdrücklich genannten Verfahrensabschnitte. Bei der Verkündung der Entscheidung ist die Öffentlichkeit (wieder) herzustellen (§ 173 Abs. 1 S. 1 GVG). b) Kein Zwang zur mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren
189
Auf die nach § 128 Abs. 1 ZPO vorgeschriebene mündliche Verhandlung darf im Beschwerdeverfahren unter eingeschränkten Voraussetzungen verzichtet werden. Gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG kann das Beschwerdegericht von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer neuen Vornahme keine zusätzlichen Kenntnisse zu erwarten sind. (Zu den Einzelheiten, s. Kap. L, Rz. 143 ff.)
189a Dagegen ist im Unterhaltstreit erster Instanz grundsätzlich mündlich zu verhan-
deln. Nach § 128 Abs. 4 ZPO können zwar Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Das heißt aber nicht, dass im familiengerichtlichen Verfahren sämtliche Beschlüsse ohne mündliche Verhandlung ergehen dürfen. § 128 Abs. 4 ZPO ist auf die Terminologie der ZPO zugeschnitten, die – anders als das FamFG – zwischen Urteil und Beschluss unterscheidet. Wendet man die Norm – wie nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG vorgesehen – entsprechend auf das familiengerichtliche Streitverfahren an, ist sie dahin zu verstehen, dass (nur) „Beschlüsse des Gerichts, die keine Endentscheidungen“ sind, ohne mündliche Verhandlung ergehen können. Zum Begriff der Endentscheidung, s. Rz. 239 f. und 247. 189b
Auch § 51 Abs. 3 Satz 2 FamFG erlaubt keinen Verzicht auf die mündliche Verhandlung im Hauptsacheverfahren. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht lediglich von einzelnen Verfahrenshandlungen im Hauptsacheverfahren absehen, wenn diese bereits im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Die Norm bezieht sich jedoch nicht auf die mündliche Verhandlung, wie ein Vergleich mit der Regelung in § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG zur Übernahme erstinstanzlicher Verfahrensschritte durch das Beschwerdegericht zeigt. 1 BT-Drucks. 16/6308, S. 162, 225, 256.
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VIII. Besondere Verfahrensvorschriften im Unterhaltsstreitverfahren
§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ist weiter gefasst und unterscheidet ausdrücklich zwischen der Durchführung einer mündlichen Verhandlung und einzelnen Verfahrenshandlungen.1 c) Kein Anspruch auf Terminsverlegung, § 113 Abs. 3 FamFG § 113 Abs. 3 FamFG ist in Unterhaltsstreitsachen nach § 227 Abs. 3 ZPO nicht 190 anzuwenden. Das bedeutet, dass für Termine in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August eines jeden Jahres kein Anspruch auf Verlegung besteht. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Unterhaltsstreitsachen beschleunigt zu behandeln sind. 2. Entscheidungsgrundlagen a) Zurückweisung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln Nach § 115 FamFG können in Unterhaltsstreitsachen nicht rechtzeitig vor- 191 gebrachte Angriffs- und Verteidigungsmittel nur zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Verfahrens verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht. Im Übrigen sind die Angriffs- und Verteidigungsmittel abweichend von den allgemeinen Vorschriften – also von § 296 Abs. 1 bis 3 ZPO – zuzulassen. Die in § 115 FamFG getroffene Regelung stellt eine hohe Hürde für den Ausschluss verspäteter Angriffs- und Verteidigungsmittel auf.2 Sie soll sicherstellen, dass das Gericht in einer Familienstreitsache den Sachverhalt so weit wie möglich (auch noch in zweiter Instanz) aufklärt. In der Praxis dürfte der Hinweis eines Beteiligten, das gegnerische Vorbringen sei verspätet, daher häufig ohne Erfolg bleiben, sei es, dass bereits eine Verzögerung des Verfahrens ausgeschlossen ist (z.B. bei unstreitigem Sachverhalt3) oder grobe Nachlässigkeit für die Verspätung nicht festgestellt werden kann. b) Übertragung von Verfahrensergebnissen Verfahrenshandlungen, die bereits im Verfahren der einstweiligen Anordnung 192 vorgenommen wurden, müssen nach § 51 Abs. 3 Satz 2 FamFG im Hauptsacheverfahren nicht wiederholt werden, wenn hiervon keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Die Vorschrift sichert die Übertragung von Verfahrensergebnissen in das Hauptsacheverfahren und dient der Verfahrensökonomie.4 So kann das Gericht z.B. auf ein erneutes Vorgehen nach §§ 235, 236 FamFG verzichten, wenn es schon im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens nach diesen Vorschriften Auskünfte von Beteiligten und Dritten eingeholt haben sollte.5 1 BT-Drucks. 16/6308, S. 200; Zöller/Feskorn, § 51 FamFG Rz. 17; Fölsch, § 4 Rz. 19; Prütting/Helms/Stößer, § 51 FamFG Rz. 19. 2 Auch nach § 621d a.F. ZPO, der § 115 FamFG wortgleich entspricht, war Vorbringen selten präkludiert. Ursprünglich wurde erwogen, im familiengerichtlichen Verfahren auf eine Zurückweisung verspäteten Vorbringens ganz zu verzichten (RefE zum FGG-Reformgesetz vom 14.2.2006, S. 458). 3 OLG Saarbrücken, FuR 2005, 60. 4 BT-Drucks. 16/6308, S. 200. 5 Die Anwendung der §§ 235, 236 FamFG im Verfahren der einstweiligen Anordnung befürworten Prütting/Helms/Bömelburg, § 235 FamFG Rz. 6; Musielak/Borck, § 235 Rz. 5; a.A. Zöller/Lorenz, § 235 FamFG, Rz. 1; Keidel/Weber, § 235 FamFG Rz. 3.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
3. Auskunftspflicht der Beteiligten und Dritter gegenüber dem Gericht E9 193
Auflage nach § 235 Abs. 1 FamFG
Verfgung I. Schreiben an Antragsgegner – Vertreter ./. EB In pp … (kurzes Rubrum) wird dem Antragsgegner gemß § 235 Abs. 1 FamFG aufgegeben, dem Gericht innerhalb von 2 Wochen nach Zugang dieser Anordnung 1. durch eine schriftliche Aufstellung Auskunft zu geben ber die Hçhe seiner Einknfte in der Zeit vom … bis … und 2. diese Auskunft zu belegen, – bei Einknften aus nichtselbstndiger Arbeit durch Vorlage smtlicher Lohnbzw. Gehaltsabrechnungen sowie der Lohnsteuerkarte fr das Jahr …; – bei einem Bezug von Lohnersatz- oder sonstigen Sozialleistungen durch Bescheinigungen des JobCenters, der Krankenkasse, des Sozialamts und/oder des Rententrgers; – bei anderen Einknften (insbesondere aus selbstndiger Arbeit, Vermietung und Verpachtung, Kapitalvermçgen) durch die Einkommensteuerbescheide der Jahre … samt Einkommensteuererklrungen sowie Einnahme-berschussrechnungen der Jahre … 3. schriftlich zu versichern, dass die Auskunft wahrheitsgemß und vollstndig ist. Die Versicherung kann nicht durch einen Vertreter abgegeben werden. Sollte der Antragsgegner dieser Aufforderung nicht fristgemß nachkommen, wird das Gericht bei den in § 236 Abs. 1 FamFG genannten Stellen Auskunft einholen, u.a. auch beim Arbeitgeber des Antragsgegners und bei dem fr ihn zustndigen Finanzamt. Der Antragsgegner wird darauf hingewiesen, dass ihm bei der Entscheidung ber die Kosten dieses Verfahrens finanzielle Nachteile entstehen kçnnen, wenn er diese Anordnung nicht oder nicht vollstndig befolgt (§ 243 Satz 2 Nr. 3 FamFG). Der Antragsgegner wird ferner darauf hingewiesen, dass er ohne weitere Aufforderung dem Gericht wesentliche Vernderungen seiner Einknfte mitzuteilen hat, die im Lauf dieses Verfahrens eintreten (§ 235 Abs. 3 FamFG). II. Abschrift der Verfgung zu I an Vertreter des jeweils anderen Beteiligten zur Kenntnis. Unterschrift
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Die §§ 235, 236 FamFG regeln verfahrensrechtliche Auskunftspflichten der Beteiligten und Dritter gegenüber dem Gericht. Der Gesetzgeber war bestrebt, das Unterhaltsverfahren im Interesse des Unterhaltsberechtigten und der öffentlichen Leistungsträger möglichst zu straffen. Das FamFG enthält deshalb in den §§ 235, 236 FamFG die Möglichkeit und unter gewissen Umständen die Pflicht des Familiengerichts, die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der Beteiligten von Amts wegen aufzuklären.1 Mit diesem verfahrensrechtlichen In1 Hütter/Kodal, FamRZ 2009, 920.
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strument soll das Gericht in die Lage versetzt werden, in einer auf die Besonderheiten des Unterhaltsstreits zugeschnittenen Weise das Verfahren zu beschleunigen und insbesondere die zeitaufwendigen Stufenklagen in möglichst weitgehendem Umfang entbehrlich zu machen.1 a) Auskunftspflicht der Beteiligten (§ 235 FamFG) aa) Umfang der Auskunftspflicht Nach § 235 Abs. 1 Satz 1 FamG kann das Gericht anordnen, dass der Antragsteller 195 und der Antragsgegner Auskunft über ihre Einkünfte, ihr Vermögen und ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erteilen sowie bestimmte Belege vorlegen, soweit dies für die Bemessung des Unterhalts von Bedeutung ist. Inhaltlich entspricht diese verfahrensrechtliche Verpflichtung dem Auskunftsanspruch nach § 1605 Abs. 1 BGB, sie geht zum Teil sogar darüber hinaus. Anzugeben sind nicht nur die Einkünfte aus sämtlichen Einkommensquellen innerhalb eines bestimmten Zeitraums (vgl. hierzu im Einzelnen Kap. I Rz. 16 bis 23) und das Vermögen zu einem bestimmten Stichtag (vgl. hierzu Kap. I Rz. 24), sondern es besteht auch eine Pflicht zur Auskunft über persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse, sofern diese unterhaltsrelevant sind (vgl. hierzu Kap. I Rz. 26). Insoweit kann das Gericht Fragen nach dem Alter, dem erlernten und ausgeübten Beruf, dem Grund und der Dauer einer Erwerbslosigkeit, nach (weiteren) unterhaltsberechtigten Personen und den Wohnkosten stellen.2 Weiter gefasst als § 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB ist auch die Belegpflicht der Beteiligten. Das Gericht kann von ihnen Belege nicht nur hinsichtlich der Einkünfte verlangen, sondern – wie nach § 1379 Abs. 2 Satz 1 BGB – auch bezüglich des Vermögens (vgl. hierzu Kap. I Rz. 41).3 Obwohl § 235 FamFG an die materiell-rechtliche Auskunftspflicht der Beteiligten untereinander anknüpft, braucht das Gericht beim Erlass seiner Verfügung nicht auf die Frist des § 1605 Abs. 2 BGB zu achten. bb) Schriftliche Versicherung der Richtigkeit § 235 Abs. 1 Satz 2 FamFG eröffnet dem Gericht die Möglichkeit, von den Betei- 196 ligten eine schriftliche Versicherung über die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft zu verlangen. Diese Versicherung muss – wie die eidesstattliche Versicherung nach §§ 259, 260, 261 BGB – durch den Beteiligten selbst abgegeben werden; sie kann nicht durch einen Vertreter, auch nicht durch den Verfahrensbevollmächtigten, erfolgen. Anders als die eidesstattliche Versicherung ist die Anordnung des Gerichts nach § 235 Abs. 1 Satz 2 FamFG nicht von der Feststellung besonderer Voraussetzungen abhängig. Es müssen keine Gründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, der Auskunftsverpflichtete habe seine Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt. Die schriftliche Versicherung ist auch lediglich gegenüber dem erkennenden Gericht abzugeben, weder ist das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht gemäß § 889 ZPO zuständig noch der Rechtspfleger nach §§ 407 Nr. 1 FamFG, 3 Nr. 1b RPflG.
1 BT-Drucks. 16/6308, S. 255 f. 2 Vgl. auch die Angaben im 2. Abschnitt des Formulars zu den Einwendungen des Antragsgegners nach § 252 FamFG im VV. 3 A.A. Zöller/Lorenz, § 235 FamFG Rz. 7.
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Praxishinweis: Die schriftliche Versicherung nach § 235 Abs. 1 Satz 2 FamFG ist keine Versicherung an Eides statt und als solche nicht eigenständig strafbewehrt. Eine unrichtige Angabe kann aber strafrechtlich als – versuchter – Prozessbetrug zu bewerten sein.1
cc) Pflicht zur ungefragten Information 198
§ 235 Abs. 3 FamFG verpflichtet die Beteiligten zusätzlich, das Gericht unaufgefordert über wesentliche Veränderungen derjenigen Umstände zu informieren, die Gegenstand einer Auflage nach § 235 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 FamFG waren. Hierauf hat das Gericht in der Aufforderung nach § 235 Abs. 1 FamFG hinzuweisen (§ 235 Abs. 1 Satz 4 FamFG). dd) Durchsetzung des Auskunftsverlangens
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Gemäß § 235 Abs. 4 FamFG sind Anordnungen des Gerichts nach dieser Vorschrift nicht selbstständig anfechtbar und nicht mit Zwangsmitteln durchsetzbar. Gleichwohl bleibt der Verstoß der Beteiligten gegen eine Aufforderung des Gerichts, binnen einer angemessenen Frist (§ 235 Abs. 1 Satz 3 FamFG) die Auflagen nach § 235 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 FamFG zu erfüllen, nicht sanktionslos. Das Gericht ist gehalten, diesen Umstand bei der Kostenentscheidung berücksichtigen (§ 243 Satz 2 Nr. 3 FamFG). Für den Fall unvollständiger, nicht oder nicht fristgemäß erteilter Auskunft sowie nicht oder unvollständig vorgelegter Belege hat das Gericht zudem die Befugnis, nach § 236 FamFG selbst Erkundigungen über die Höhe der Einkünfte (nicht des Vermögens) einzuholen und sich die für die Bemessung des Unterhaltsanspruchs erforderlichen Daten bei den in § 236 Abs. 1 FamFG genannten Dritten (insbesondere bei Arbeitgebern, Sozialleistungsträgern und Finanzämtern) zu beschaffen. Das Interesse des Betroffenen am Schutz seiner Privatsphäre hat zurückzustehen, das Gericht darf unter Hinweis auf den anhängigen Unterhaltsstreit im sozialen Umfeld des Beteiligten Nachforschungen zu dessen Einkommen anstellen. Auf diese beiden Konsequenzen einer unterbliebenen Auskunft muss das Gericht bei der Aufforderung zur Erteilung der Auskunft hinweisen (§ 235 Abs. 1 Satz 4 FamFG). ee) Pflicht des Gerichts zur Auskunftsbeschaffung
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Das Gericht entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob ein Vorgehen nach § 235 Abs. 1 FamFG in Betracht kommt und in welchem Umfang eine (weitere) Auskunft zur Förderung des Verfahrens erforderlich ist. Der Antrag eines der Beteiligten ist nicht notwendig. Das Gericht hat jedoch nach § 235 Abs. 2 FamFG die Pflicht, sein Auskunftsrecht nach § 235 Abs. 1 FamFG zu nutzen, wenn ein Beteiligter dies beantragt und der andere Beteiligte vor Beginn des Verfahrens einer bestehenden Auskunftspflicht trotz Aufforderung innerhalb angemessener Frist nicht nachgekommen ist. Nach dem Wortlaut des § 235 Abs. 2 FamFG erscheint fraglich, ob mit dem Antrag eines Beteiligten eine Pflicht des Gerichts zur Amtsermittlung auch dann begründet wird, wenn der andere Beteiligte vor Beginn des Verfahrens seiner Auskunftspflicht nur teilweise oder in sonst unzureichender Weise nachgekommen ist. Aber auch in diesen Fällen ist die Pflicht zur Auskunft „nicht erfüllt“, so dass nach Sinn und Zweck der verfahrensrecht1 Viefhues, Das neue Verfahrensrecht des FamFG, S. 89.
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VIII. Besondere Verfahrensvorschriften im Unterhaltsstreitverfahren
lichen Auskunftspflichten mit einem gerichtlichen Auskunftsverlangen auf eine Beschleunigung des Unterhaltsverfahren hinzuwirken ist. ff) Verhältnis zum Auskunfts- und Stufenverfahren Die Befugnis des Gerichts, bei den Beteiligten eine Auskunft über Einkünfte und 201 Vermögen einzuholen, lässt das Rechtsschutzbedürfnis des Unterhaltsberechtigten zur Erhebung eines Klageantrags auf Auskunft oder zur Einleitung eines Stufenverfahrens gemäß § 254 ZPO nicht entfallen.1 Zwar will der Gesetzgeber mit den §§ 235, 236 FamFG insbesondere die zeitaufwendigen Stufenanträge möglichst weitgehend entbehrlich machen; doch sollen die verfahrensrechtlichen Auskunftspflichten dem Unterhaltsgläubiger keine Auskunftsrechte nehmen, sondern ihm zusätzliche Möglichkeiten der Informationsgewinnung einräumen.2 Die Möglichkeiten der Amtsermittlung sollten den Unterhaltsgläubiger nicht 202 dazu verleiten, im Unterhaltsverfahren auf einen eigenen Auskunftsantrag zu verzichten. Es ist rechtlich nicht zulässig, entgegen §§ 253, 254 ZPO einen unbezifferten Zahlungsantrag zu stellen, selbst wenn ihm ein Antrag nach § 235 Abs. 2 FamFG auf Erlass einer Auskunftsanordnung vorangestellt ist.3 Eine solche Kombination zwischen dem Antrag auf Erlass einer gerichtlichen Maßnahme zur Verfahrensförderung und einem noch zu beziffernden Zahlungsantrag ist auch im Sonderfall des Stufenverfahrens nach § 254 ZPO nicht vorgesehen. Der Antragsteller kann ein Vorgehen des Gerichts nach § 235 Abs. 1 FamFG auch nicht schon bei der Prüfung von Verfahrenskostenhilfe verlangen. Die Auskunftspflicht des Antragsgegners leitet sich aus dem Prozessrechtsverhältnis ab, erst wenn ein solches besteht, kann das Gericht nach § 235 FamFG vorgehen.4 Indes ist es verfehlt, ein Vorgehen des Gerichts nach §§ 235, 236 FamFG im Stu- 203 fenverfahren von der Rechtshängigkeit des bezifferten Zahlungsantrags abhängig zu machen.5 Zwar setzt die Auskunftspflicht des Antragsgegners ein Prozessrechtsverhältnis voraus. Doch wird in beim Stufenverfahren mit der Zustellung des Stufenantrags auch der Leistungsanspruch im vollen, erst noch zu beziffernden Umfang rechtshängig.6 (Vgl. auch Rz. 85 und 155). Kommt der Antragsgegner seiner Auskunftspflicht auch während des Stufenverfahrens nicht nach, ist einem Antrag des Antragstellers nach § 235 Abs. 2 FamFG daher stattzugeben. Das Gericht verstößt damit nicht gegen die Dispositionsmaxime, mit seinem Antrag betreibt der Antragsteller vielmehr das Verfahren und macht deutlich, dass er den bereits rechtshängigen Zahlungsanspruch weiterverfolgt.
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Praxishinweis: Eine schlichte Verlagerung der Informationsbeschaffung auf 204 die Gerichte ist wenig zweckmäßig. Um eine zeitliche Straffung des Unterhaltsverfahrens zu erreichen, erscheint es am besten, Stufenverfahren und Maßnahmen nach §§ 235 Abs. 1, 236 FamFG parallel durchzuführen. Haben
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Musielak/Borth, § 235 FamFG Rz. 3; Roßmann, ZFE 2009, 450. Roßmann, ZFE 2009, 450. Götz, NJW 2010, 897 (900); a.A. Roßmann, ZFE 2009, 450. Bork/Jacoby/Schwab/Kodal, § 235 FamFG Rz. 1; Horndasch/Viefhues/Roßmann, § 235 FamFG Rz. 5. 5 So aber AG Reinbek, FamRZ 2011, 1807. 6 Gefestigte Rechtsprechung: BGH, FamRZ 1995, 797; Zöller/Greger, § 254 ZPO Rz. 1 m.w.N.
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die Maßnahmen des Gerichts nach §§ 235, 236 FamFG Erfolg, kann der Antragsteller sofort auf den bezifferten Leistungsantrag übergehen. Scheitert auch das Gericht, muss der Antragsteller entscheiden, ob er einen Auskunftsbeschluss auf materiell-rechtlicher Grundlage erwirken, bzw. daraus die Zwangsvollstreckung betreiben will oder ob er im Wege einer Schätzung seinen Unterhaltsanspruch beziffert. b) Verfahrensrechtliche Auskunftspflicht Dritter (§ 236 FamFG) 205
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Kommt ein Beteiligter dem Auskunftsverlangen des Gerichts nach § 235 Abs. 1 FamFG innerhalb der hierfür gesetzten Frist nicht oder nicht vollständig nach, ist das Gericht gemäß § 236 Abs. 1 FamFG berechtigt, selbst die benötigte Auskunft nebst Belegen bei bestimmten Dritten anzufordern. Dritte in diesem Sinn sind nach § 236 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 FamFG: Arbeitgeber; Sozialleistungsträger (sowie die Künstlersozialkasse); sonstige Personen oder Stellen, die Versorgungsleistungen sowie Leistungen zur Entschädigung oder zum Nachteilsausgleich erbringen; Versicherungsunternehmen sowie die Finanzämter. Allerdings beschränkt § 236 Abs. 1 FamFG die Auskunftspflicht dieser Personen und Stellen auf die Einkünfte, welche die Beteiligten beziehen. Das Vermögen und die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten sind vom Auskunftsrecht des Gerichts gegenüber Dritten nicht umfasst. Auf diese Weise soll eine Ausforschung verhindert und der Umfang der Inanspruchnahme der am Verfahren nicht beteiligten Dritten begrenzt werden.1 Auch das Bankgeheimnis tastet § 236 FamFG nicht an, die Banken zählen nicht zu den Dritten, die zur Auskunft gegenüber dem Gericht verpflichtet werden können.
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Praxishinweis: Die Möglichkeit, zum Einkommen der Beteiligten Auskünfte bei den Finanzämtern einzuholen, besteht in allen Unterhaltsstreitsachen und ist nicht auf Unterhaltsverfahren beschränkt, die ein minderjähriges Kind betreffen.
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Ergeht ein Auskunftsersuchen nach § 236 FamFG sind die Beteiligten hiervon in Kenntnis zu setzen (§ 236 Abs. 3 FamFG). Doch sind die Anordnungen des Gerichts für die Beteiligten nicht selbstständig anfechtbar (§ 236 Abs. 5 FamFG).
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Die in § 236 Abs. 1 FamFG benannten Personen und Stellen müssen die verlangte Auskunft erteilen. § 236 Abs. 4 Satz 1 FamFG stellt klar, dass sie sich dem Gericht gegenüber nicht auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht, ihre Verschwiegenheitspflicht, das Steuergeheimnis oder den Datenschutz berufen können. Der Gesetzgeber hat entschieden, dass die Sicherung der wirtschaftlichen Basis eines Unterhaltsberechtigten, Vorrang gegenüber einem Geheimhaltungsinteresse genießt.2 Im Falle einer Weigerung des Adressaten eines Auskunftsersuchens kann das Gericht gemäß § 390 ZPO vorgehen (§ 236 Abs. 4 Satz 2 FamFG). In Betracht kommt die Auferlegung der durch die Weigerung verursachten Kosten, die Verhängung von Ordnungsgeld, ersatzweise von Ordnungshaft oder – bei wiederholter Weigerung – Beugehaft. Ist eine Behörde betroffen ist, steht dem Gericht dagegen nur die Dienstaufsichtsbeschwerde zur Verfügung (§ 236 Abs. 4 Satz 2 letzter HS FamFG). 1 BT-Drucks. 16/6308, S. 256. 2 BT-Drucks. 16/6308, S. 257; BGH, FamRZ 2005, 1986 (1987); Musielak/Borth, § 236 FamFG Rz. 9; a.A. Fölsch, § 3 Rz. 157.
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IX. Unterhalt im Scheidungsverbund (Unterhaltsfolgesache)
Die Beschlüsse zur Erzwingung der Auskunft können die betroffenen Personen 209 oder Stellen mit der sofortigen Beschwerde überprüfen lassen, § 390 Abs. 3 ZPO. In diesem Beschwerdeverfahren unterliegt auch die Rechtmäßigkeit der dem angefochtenen Beschluss vorausgegangenen Auskunftsanordnung einer Beurteilung durch das Beschwerdegericht. Nach § 236 Abs. 5 FamFG sind die Anordnungen des Gerichts nur für die Beteiligten nicht selbständig anfechtbar. Die Möglichkeit, Verfügungen nach § 236 Abs. 1 FamFG zu treffen, steht – eben- 210 so wie die Maßnahmen nach § 235 Abs. 1 FamFG – nicht nur im Ermessen des Gerichts. Liegen die Voraussetzungen nach § 236 Abs. 1 FamFG vor, ist das Gericht auf Antrag des anderen Beteiligten zum Tätigwerden verpflichtet und hat von Amts wegen Auskunft über die Höhe der Einkünfte des Betroffenen einzuholen sowie Belege anzufordern (§ 236 Abs. 2 FamFG).
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Praxishinweis: Holt das Gericht entgegen § 236 Abs. 2 FamFG die benötigte 211 Auskunft bei Dritten nicht ein, liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler vor, der nach § 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG i.V.m. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zur Aufhebung und Zurückverweisung führen kann.1 Auch eine Einkommensschätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO kann sich ohne vorhergehende Maßnahmen nach §§ 235, 236 FamFG zur Aufklärung der Einkommensverhältnisse als ungenügend und verfahrensfehlerhaft erweisen.2
Bei der Aufklärung der Einkommensverhältnisse nach § 236 FamFG dürften 212 praktische Schwierigkeiten allerdings nicht ausbleiben. So müssen dem Familiengericht für seine Nachforschungen ausreichende Informationen zur Verfügung stehen (z.B. Adresse des Arbeitgebers). Und die Auskünfte – z.B. des Finanzamts – können auch durchaus „mager“ ausfallen.
IX. Unterhalt im Scheidungsverbund (Unterhaltsfolgesache) Im Verbund mit der Scheidung sind solche Unterhaltsansprüche zu entscheiden, 213 deren Regelung im Scheidungsverfahren für den Fall der Scheidung rechtzeitig begehrt wird. Das sind der Anspruch auf Geschiedenenunterhalt und die Unterhaltsansprüche der ehelichen Kinder, sofern sie die Zeit nach Scheidung betreffen (Folgesachen nach § 137 Abs. 2 Nr. 2 FamFG). Nicht in den Verbund fallen dagegen der Anspruch auf Zahlung von Ehegattenunterhalt für die Zeit des Getrenntlebens nach § 1361 BGB, die Ansprüche auf Zahlung von Kindesunterhalt für die Zeit ab Trennung sowie die entsprechenden Unterhaltsrückstände.
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Praxishinweis: Der Trennungsunterhalt ist keine Folge der Scheidung und ge- 214 hört nicht in den Verbund. Das wird gelegentlich übersehen: Fordert ein Ehegatte neben dem Geschiedenenunterhalt auch Trennungsunterhalt, muss er neben der Folgesache Geschiedenenunterhalt ein selbständiges, sog. isoliertes Unterhaltsverfahren (insbesondere bei rückständigem Unterhalt) einleiten. Zu Beginn und Ende des Trennungsunterhalts s. Kap. E Rz. 42 ff.
Auskunftsansprüche, die nicht im Rahmen eines Stufenverfahrens geltend ge- 215 macht werden, können ebenfalls nicht im Scheidungsverbund geltend gemacht
1 Hüter/Kodal, FamRZ 2009, 917 (920). 2 OLG Frankfurt, FamRZ 2007, 404 (zu § 643 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO).
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werden.1 (Vgl. auch Rz. 304). Ein Stufenverfahren (§ 254 ZPO) ist dagegen zulässig. Über die Auskunftsstufe wird vorab durch Teilbeschluss entschieden,2 die Entscheidung über die Leistungsstufe erfolgt dann im Verbundbeschluss.3 216
In der Praxis wird vornehmlich der Geschiedenenunterhalt im Verbund mit der Scheidung geltend gemacht wird. Kindesunterhalt wird meistens bereits im Vorfeld der Scheidung geregelt. Geschiedenenunterhalt wiederum wird eher selten in einem selbständigen Verfahren nach Rechtskraft der Scheidung eingefordert. Dies ist zwar grundsätzlich möglich und wird im Rahmen des VKH-Verfahrens auch nicht als mutwillig i.S.d. § 114 ZPO beurteilt (s. dazu Rz. 160). Auch erscheint es verlockend, wenn das Scheidungsverfahren schnell abgeschlossen werden soll, doch sprechen gewichtige Argumente für die Einbeziehung des Geschiedenenunterhalts in den Verbund.
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So wird im Verbundverfahren der Geschiedenenunterhalt ab Rechtskraft der Scheidung zugesprochen. Er löst damit lückenlos den Trennungsunterhalt ab, der am Tag der Rechtskraft der Scheidung der Ehe erlischt.4
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Ferner ist bei einem im Scheidungsverbund erhobenen Unterhaltsanspruch das Kostenrisiko begrenzt, die Kosten kalkulierbar; denn i.d.R. werden die Kosten der Scheidung und der Folgesachen gegeneinander aufgehoben (§ 150 Abs. 1 FamFG). Erhält der Unterhaltsberechtigte Verfahrenskostenhilfe, läuft er so gut wie keine Gefahr, Kosten der Gegenseite tragen zu müssen. Hinzu kommt, dass Gerichtsgebühren und Anwaltskosten bei einem im Verbund durchgeführten Unterhaltsverfahren geringer sind als bei einem isolierten Unterhaltsverfahren. Denn § 44 FamGKG und § 16 Nr. 4 RVG behandeln die Scheidung und ihre Folgesachen als ein Verfahren, bei dem sich die Gebühren nach dem zusammengerechneten Wert der einzelnen Gegenstände bemessen.
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Letztlich ist zu bedenken, dass sich ein unterhaltsberechtigter Ehegatte durch den Abschluss des Scheidungsverfahrens sowohl seines Anspruchs auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses nach § 1360a Abs. 4 BGB (s. Kap. E Rz. 277 f.) als auch einer guten Verhandlungsposition begibt – im Hinblick auf eine baldige Scheidung wird mancher Kompromiss geschlossen.
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Wird Unterhalt als Scheidungsfolgensache geltend gemacht, sind folgende Besonderheiten im Verfahrensablauf zu beachten:
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Es ist zweckmäßig, den Schriftsatz, mit dem im Scheidungsverfahren die Folgesache Unterhalt anhängig gemacht wird, mit der Überschrift „Folgesache Geschiedenenunterhalt“ zu versehen, um die Aktenführung bei Gericht zu erleichtern. Die Bezeichnung der Beteiligten als Antragsteller/Antragsgegner folgt den Bezeichnungen nach dem zuerst eingegangenen Scheidungsantrag.
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Der Schriftsatz muss spätestens zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug anhängig gemacht werden (§ 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Die Berechnung dieser sogenannten rückwärts laufenden Wochenfrist erfolgt gemäß
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BGH, FamRZ 1997, 811. BGH, FamRZ 1982, 151. OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 911 m.w.N. BGH, FamRZ 1988, 370.
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IX. Unterhalt im Scheidungsverbund (Unterhaltsfolgesache)
§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG entsprechend §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB.1 Für den Fristbeginn ist ein Ereignis, nämlich die mündliche Verhandlung maßgebend (§ 187 Abs. 1 BGB). Die nach Wochen bestimmte Frist endet deshalb mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, welcher durch seine Benennung dem Tag entspricht, in den das Ereignis fällt (§ 188 Abs. 2 BGB). Doch ist bei der Rückwärtsberechnung zu beachten, dass, eben weil die Frist rückwärtsgerechnet wird, die Frist nicht um 24.00 Uhr dieses Tages, sondern um 0:00 Uhr endet.2 Der fristwahrende Schriftsatz muss zuvor bei Gericht eingegangen sein. 223
Beispiel Termin zur mündlichen Verhandlung über die Scheidung ist am Dienstag, den 21.1.2014. Die einzuhaltende Zweiwochenfrist nach § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG endet am Dienstag, den 7.1.2014 um 0:00 Uhr. Die Folgesache nachehelicher Unterhalt muss mithin bis Montag, den 6.1.2014 um 24 Uhr bei Gericht eingegangen sein.
Das Familiengericht hat den Termin in einer Scheidungssache so zu bestimmen, 224 dass es den beteiligten Ehegatten nach Zugang der Ladung möglich ist, unter Einhaltung der Zweiwochenfrist nach § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG eine Folgesache anhängig zu machen. Zur Vorbereitung eines Antrags muss dem Ehegatten zusätzlich eine Woche zur Verfügung stehen (entsprechend der Ladungsfrist nach § 217 ZPO).3 Auch diese Frist ist rückwärts zu rechnen. Nach § 217 ZPO muss eine Frist von einer Woche zwischen der Zustellung der Ladung und dem Termin liegen. Dabei wird der Tag des die Frist des auslösenden Ereignisses (§§ 222 ZPO, 187 Abs. 1 BGB) ebenso wie der Terminstag selbst nicht eingerechnet.4 225
Beispiel Termin zur mündlichen Verhandlung über die Scheidung ist am Dienstag, den 21.1.2014. Die einzuhaltende Zweiwochenfrist nach § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG endet/beginnt am Dienstag, den 7.1.2014 um 0:00 Uhr (vgl. oben Beispiel zu Rz. 223). Die Ladung muss mithin spätestens am Montag, den 30.12.2013 zugestellt sein. Dann ist der Zeitraum von einer Woche ab Dienstag, den 31.12.2013 bis Montag, den 6.1.2014 gewahrt.
Bei einem Verstoß gegen diese Vorgaben zur Terminsbestimmung haben die 226 Eheleute aus erheblichen Gründen einen Anspruch auf Terminsverlegung (§ 227 Abs. 1 ZPO).5 Machen sie hingegen in einem solchen Fall Folgesachen noch bis zur mündlichen Verhandlung anhängig, werden diese Folgesachen Bestandteil des Scheidungsverbundes, sie wurden fristgerecht anhängig gemacht.6 Für die Wahrung der Frist nach § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG kommt es auf den 227 Schluss, den „letzten“ Termin zur mündlichen Verhandlung an.7 Wäre mit der mündlichen Verhandlung der erste Verhandlungstermin gemeint, wäre die zusätzliche Einschränkung, dass es sich um die mündliche Verhandlung „erster Instanz“ ohne Bedeutung, weil der Grundsatz der Einheit der mündlichen Ver1 BGH, FamRZ 2013, 1300; OLG Dresden, FamRZ 2013, 1329; OLG Brandenburg, FamRZ 2012, 892. 2 BGH, FamRZ 2013, 1300; OLG Dresden, FamRZ 2013, 1329; OLG Brandenburg, FamRZ 2012, 892. 3 BGH, FamRZ 2012, 863 Tz. 24; FamRZ 2013, 1300. 4 BGH, FamRZ 2013, 1300. 5 BGH, FamRZ 2012, 863 Tz. 25. 6 BGH, FamRZ 2012, 863 Tz. 25. 7 BGH, FamRZ 2012, 863 Tz. 33.
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handlung instanzübergreifend gilt.1 Vor allem aber wollte der Gesetzgeber mit § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG nicht den Scheidungsverbund als solches einschränken, sondern nur der nach früherem Recht (§ 623 Abs. 4 ZPO a.F.) zulässigen Anhängigmachung von Scheidungsfolgesachen durch Übergabe eines Schriftsatzes im Termin vor Schluss der mündlichen Verhandlung, die zu unnötigen Verzögerungen führt, entgegenwirken.2 Darüber hinaus sollte aber kein Beteiligter gezwungen sein, eine Folgesache möglichst früh bei Gericht anhängig zu machen. Insbesondere der Anspruch auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt kann sich im Lauf eines Scheidungsverfahrens (z.B. durch Arbeitsaufnahme, Verlust des Arbeitsplatzes, Erkrankung, Wechsel bei der Betreuung von Kindern) erheblich verändern und sollte nicht voreilig gestellt werden müssen. Aus diesen Gründen muss die Frist nach § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG auch wieder neu gelten, wenn die Scheidungssache im Beschwerdeverfahren an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen wird.3 Zwar fehlt eine § 623 Abs. 4 Satz 2 a.F. ZPO entsprechende Vorschrift im FamFG, eine solche ist aber auch nicht erforderlich. Es genügt, dass die mündliche Verhandlung in erster Instanz wieder eröffnet ist und sich in der Lage befindet, bevor die erstinstanzliche Entscheidung erging. 228
Die umstrittene Frage, ob der bloße Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zur Fristwahrung genügt, ist mit der überwiegenden Meinung zu bejahen.4 Zwar wird die Anhängigkeit der Unterhaltssache durch einen solchen Antrag nicht bewirkt. Doch muss dem Antragsteller auch in diesem Fall die Möglichkeit eingeräumt werden, eine Terminsverlegung zu erreichen. Ansonsten würde eine bedürftige Person schlechter gestellt als ein Beteiligter, der nicht auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe angewiesen ist und anwaltlich vertreten die Folgesache fristgerecht anhängig machen kann.5
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Kontrovers diskutiert wird, wie mit Unterhaltssachen verfahren werden soll, die verspätet anhängig gemacht wurden. Teilweise wird insoweit vertreten, der Antrag auf Zahlung von Unterhalt für den Fall der Scheidung sei als unzulässig abzuweisen, Folgesachen dürften nicht außerhalb des Scheidungsverbundes geführt werden.6 Nach der gegenteiligen Auffassung ist das Unterhaltsverfahren als selbständige Familiensache zu führen.7 Hierfür spricht zunächst, dass der BGH es abgelehnt hat, nicht gesetzeskonform im Scheidungsverbund erhobene Ansprüche allein wegen der nicht dem Gesetz entsprechenden Geltendmachung als unzulässig abzuweisen. Vielmehr sei über derartige Ansprüche nach Abtrennung (§ 145 ZPO) in einem gesonderten Verfahren zu verhandeln.8 Voraussetzung für diese Verfahrensweise ist jedoch, dass die Folgesache auch materiell1 2 3 4 5 6 7 8
BGH, FamRZ 2013, 863 (Rz. 34). BT-Drucks. 16/6308, S. 374. BGH, FamRZ 2013, 863 Tz. 31. OLG Hamm, FamRZ 2012, 655; OLG Oldenburg, FamRZ 2012, 656; angedeutet auch in BGH, FamRZ 2012, 863 Tz. 22; Prütting/Helms, § 137 FamFG Rz. 50; a.A. Zöller/Lorenz, § 137 FamFG Rz. 27. OLG Hamm, FamRZ 2012, 655; OLG Oldenburg, FamRZ 2012, 656. Musielak/Borth, § 137 FamFG Rz. 33; Johannsen/Henrich/Markwardt, § 137 FamFG Rz. 16; Prütting/Helms, § 137 FamFG Rz. 48b; Keidel/Weber, § 137 FamFG Rz. 20. Zöller/Lorenz, § 137 FamFG Rz. 30; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 137 FamFG Rz. 20; Baumbach/Hartmann, § 137 FamFG Rz. 10, Stichwort: Verzögerung; Bassenge/Roth/ Walter, § 137 FamFG Rz. 10. BGH, FamRZ 1997, 811 (zum isolierten Auskunftsanspruch).
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IX. Unterhalt im Scheidungsverbund (Unterhaltsfolgesache)
rechtlich als selbständiges Verfahren geführt werden kann. Das ist der Fall, wenn mit dem verspäteten Verbundantrag Unterhaltsansprüche gemeinsamer Kinder geltend gemacht werden und der Antragsteller erklärt, dass er sein Begehren als selbstständiges und vom Ausgang des Scheidungsverfahrens unabhängiges Verfahren weiter verfolgen will.1 Beim nachehelichen Unterhalt ist dies jedoch problematisch, weil die rechtskräftige Scheidung Tatbestandsvoraussetzung des Anspruchs ist und eine Umstellung des Klageantrags auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt vor Rechtskraft der Scheidung ausscheidet.2 Nach §§ 257, 258 ZPO können zwar künftige Unterhaltsansprüche, nicht aber aufschiebend bedingte Ansprüche („für den Fall der Scheidung“ oder „Unterhalt ab Rechtskraft der Scheidung“) geltend gemacht werden. Die Abtrennung des Unterhaltsantrags gemäß § 145 ZPO würde mithin zu einem Verfahren führen, in dem der verfolgte Antrag von einer außerprozessualen Bedingung abhängig und deshalb unzulässig wäre. Unter diesen Umständen darf das Gericht eine Abtrennung nach § 145 ZPO nicht vornehmen. Wenn es sich auch nicht mit einer Abtrennung analog § 140 FamFG behelfen will3 – was angesichts des abschließenden Charakters dieser Norm nicht zulässig erscheint, muss das Gericht den Folgesachenantrag als unzulässig abweisen. Eine Ausnahme wäre aber wohl dann geboten, wenn die Eheleute übereinstimmend erklären, noch im Termin zur mündlichen Verhandlung auf Rechtsmittel gegen die Scheidung verzichten zu wollen. Anders als im isolierten Verfahren fordert das Gericht keinen Gerichtskosten- 230 vorschuss an; dieser wird nur für das Scheidungsverfahren erhoben. Vielmehr stellt es, wenn der Scheidungsantrag bereits rechtshängig ist, eine beglaubigte Abschrift des Schriftsatzes ohne Kostenvorschuss (§§ 9, 12 FamGKG) dem Verfahrensbevollmächtigten der Gegenseite zu.4 Ist der in Anspruch genommene Beteiligte noch nicht anwaltlich vertreten, wird er, wie bereits bei der Zustellung des Scheidungsantrags, darauf hingewiesen, dass er sich nur durch einen Rechtsanwalt gegen den Anspruch verteidigen kann. Im Verbundverfahren findet kein schriftliches Vorverfahren statt.
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Über den Unterhalt ist gleichzeitig und zusammen mit der Scheidungssache zu 232 verhandeln (§ 137 Abs. 1 FamFG) und im Fall der Scheidung durch einheitlichen Beschluss zu entscheiden (§ 142 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Wird der Scheidungsantrag zurückgenommen, erstrecken sich die Wirkungen der Rücknahme auch auf die Folgesache (§ 141 Satz 1 FamFG). Wird der Scheidungsantrag abgewiesen, wird die Folgesache Unterhalt gegenstandslos (§ 142 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Nach Rücknahme bzw. Abweisung des Scheidungsantrags wird die Folgesache Unterhalt als selbstständige Familiensachen fortgeführt, wenn ein Beteiligter vor der Rücknahme bzw. der Entscheidung ausdrücklich erklärt hat, das Unterhaltsverfahren weiter fortführen zu wollen (§§ 141 Satz 2 und 3, 142 Abs. 2 Satz 2 und 3 FamFG). Über die Kosten des Verfahrens ist gesondert nach § 243 FamFG zu entscheiden.5 1 Johannsen/Henrich/Markwardt, § 137 FamFG Rz. 16; Prütting/Helms, § 137 Rz. 48b; Götz, NJW 2010, 897 (900). 2 Johannsen/Henrich/Markwardt, § 137 FamFG Rz. 16; Prütting/Helms, § 137 FamFG Rz. 48b. 3 Götz, NJW 2010, 897 (900). 4 Prütting/Helms/Klüsener, § 9 FamGKG Rz. 4; Musielak/Borth, § 137 FamFG Rz. 28. 5 OLG Köln, FamRZ 2004, 285.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
233
Eine Abtrennung der Folgesache Geschiedenenunterhalt nach § 140 Abs. 2 Nr. 5 FamFG, mit der Folge, dass dem Scheidungsantrag vor der Entscheidung über die Folgesache stattgegeben wird, kommt nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht. Denn die Abtrennung reißt i.d.R. eine Unterhaltslücke auf: Mit Rechtskraft der Scheidung erlischt der Anspruch auf Trennungsunterhalt nach § 1361 BGB, der Anspruch auf Geschiedenenunterhalt aber ist noch nicht geregelt.
234
Eine Abtrennung der Folgesachen Kindes- und/oder Geschiedenenunterhalt kann nach § 140 Abs. 3 ZPO auf Antrag auch dann erfolgen, wenn das Gericht eine Kindschaftsfolgesache (Sorge- oder das Umgangsrecht, § 151 FamFG) aus Gründen des Kindeswohls abgetrennt hat. Erforderlich ist aber ein Zusammenhang der Unterhaltsfolgesache mit der Kindschaftssache; ein solcher fehlt und eine Abtrennung scheidet aus, wenn sich die Entscheidung der Kindschaftsfolgesache nicht auf die konkrete Unterhaltsfolgesache auswirken kann.
235
Eine abgetrennte Folgesache Unterhalt bleibt Folgesache; sind mehrere Folgesachen abgetrennt, besteht der Verbund auch unter ihnen fort (§ 137 Abs. 5 FamFG).
236
Über die Kosten der Folgesache wird im Scheidungsbeschluss nach § 150 Abs. 1 FamFG entschieden, sie werden regelmäßig gegeneinander aufgehoben. Auch in abgetrennten Folgesachen findet § 150 FamFG Anwendung (§ 150 Abs. 5 FamFG). Das Gericht kann die Kosten nach § 150 Abs. 4 FamFG anders verteilen, wenn die Aufhebung der Kosten im Hinblick auf das Ergebnis einer als Folgesache Unterhaltssache oder Güterrechtssache unbillig erscheint.
X. Entscheidung durch Beschluss E 10 237
Rubrums- und Tenorierungsvorschlag
Amtsgericht X Familiengericht – Geschftsnummer:
Erlassen durch Verkndung am Beschluss
in der Unterhaltssache …
– Antragstellerin –
Verfahrensbevollmchtigte: … gegen …
–Antragsgegner –
Verfahrensbevollmchtigter: … wegen Kindesunterhalt. Das Amtsgericht X – Familiengericht – hat auf die mndliche Verhandlung vom … durch die Richterin am Amtsgericht Y. beschlossen: 1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an das Kind … zu Hnden der Antragstellerin ab dem … eine monatliche, jeweils zum Ersten eines Monats im Voraus zu zahlende Unterhaltsrente in Hçhe von … zu zahlen. Im brigen wird der Antrag zurckgewiesen.
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X. Entscheidung durch Beschluss
2. Die Kosten des Verfahrens trgt die Antragstellerin zu … der Antragsgegner zu … 3. Die sofortige Wirksamkeit wird angeordnet, soweit der Antragsgegner Unterhalt fr die Zeit ab … (Datum) zu zahlen hat. 4. Der Antrag des Antragsgegners auf Einstellung der Zwangsvollstreckung vor Rechtskraft dieser Entscheidung wird zurckgewiesen. Grnde (…)
1. Allgemeines Das seit 1.1.2009 geltende FamFG hat das zuvor übliche Urteil durch den Be- 238 schluss ersetzt. § 116 Abs. 1 FamFG bestimmt, dass in allen Familiensachen – auch in Ehe- und Familienstreitsachen – durch Beschluss entschieden wird. Diese Änderung beschränkt sich nicht auf einen bloßen Austausch der Bezeichnung. Der Wechsel der Entscheidungsform geht vielmehr einher mit Änderungen inhaltlicher Art, z.B. hinsichtlich des Beschlussinhalts (§§ 38, 39 FamFG) und der Vollstreckungsvoraussetzungen (§§ 116, 120 FamFG). Der praktische Umgang mit der geänderten Entscheidungsform zeigt, dass die Vorschriften des FamFG zum Beschluss als Endentscheidung in Unterhaltsstreitigkeiten einerseits und die nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG entsprechend anwendbaren Vorschriften der ZPO nicht immer problemlos ineinandergreifen. 2. Beschluss als Endentscheidung Wenn mit der Entscheidung der Verfahrensgegenstand der Unterhaltsstreitsache 239 ganz oder teilweise erledigt wird, entscheidet das Gericht durch Beschluss (§§ 116 Abs. 1, 38 FamFG). Der als Endentscheidung ergangene Beschluss schließt hinsichtlich seines Gegenstandes die jeweilige Instanz ab. Endentscheidungen sind auch Beschlüsse, mit denen über den Erlass, die Ver- 240 weigerung oder die Aufhebung, bzw. Änderung einer einstweiligen Anordnung zum Unterhalt (§§ 246, 49, 54 FamFG) entschieden wird. Zwischen- und Nebenentscheidungen fallen nicht unter § 38 FamFG. Soweit sie 241 durch Beschluss zu entscheiden sind, ist dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt. So brauchen die gerichtlichen Anordnungen nach §§ 235, 236 FamFG zur Auskunftspflicht der Beteiligten nicht durch Beschluss getroffen zu werden (s. Rz. 193 ff.). Für die nach der ZPO ergehenden Entscheidungen ergibt sich die Beschlussform aus der Verweisung auf die ZPO (z.B. § 127 ZPO im Verfahrenskostenhilfeverfahren; § 46 ZPO im Verfahren über ein Ablehnungsgesuch). 3. Form, Inhalt und Erlass des Beschlusses Den formellen Mindestinhalt des Unterhaltsbeschlusses bestimmt § 38 Abs. 2 242 und 3 FamFG. Der Beschluss enthält nach § 38 Abs. 2 FamFG: – die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten;
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
– die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Gerichtspersonen, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben; – die Beschlussformel. 243
Der Beschluss ist zu begründen, zu unterschreiben und das Datum der Übergabe des Beschlusses an die Geschäftsstelle oder der Bekanntgabe durch Verlesen der Beschlussformel (Erlass) auf dem Beschluss zu vermerken (§ 38 Abs. 3 Satz 1 bis 3 FamFG).
244
Die Bezeichnung als „Beschluss“ gehört nicht zu den Formerfordernissen, auch wenn sie üblich und sachgerecht ist.1 Handelt es sich um einen Versäumnis-, Anerkenntnis-, oder Verzichtsbeschluss, kann er als solcher bezeichnet werden – in diesem Fall braucht die Entscheidung nach § 38 Abs. 4 Nr. 1 FamFG nicht begründet zu werden.2
245
Auch der Tag, an dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, braucht gemäß § 38 Abs. 2 FamFG in einem Unterhaltsbeschluss nicht genannt zu werden. Dennoch ist diese Angabe notwendig, um den Schluss der Tatsachenverhandlung zu bestimmen.3 Dies ist bei der Abänderung gerichtlicher Entscheidungen für die Feststellung der Präklusion nach § 238 Abs. 2 FamFG erforderlich (s. Rz. 351 ff.). Ansonsten muss dieses Datum anhand der Akte des Vorprozesses ermittelt werden4, was umständlich und streitträchtig sein kann.
246
Der Inhalt eines Unterhaltsbeschlusses ist weniger strikt festgelegt als der Inhalt eines Urteils nach § 313 ZPO. § 38 FamFG, der für alle Endentscheidungen nach dem FamFG gilt, schreibt dem Gericht bewusst keine bestimmte Fassung der Entscheidungsgründe vor. Er enthält Mindestanforderungen, die in Unterhaltsstreitigkeiten für Endentscheidungen im Hauptsacheverfahren wie im Verfahren der einstweiligen Anordnung gleichermaßen gelten. Eine Bezugnahme auf § 313 ZPO lässt sich in Unterhaltsstreitigkeiten auch nicht aus § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG herleiten, wonach in Familienstreitsachen die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor den Landgerichten entsprechend gelten. Denn § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG verweist in diesen Streitverfahren ausdrücklich auf die Anwendung von § 38 FamFG. Ein Unterhaltsbeschluss muss daher keinen Tatbestand enthalten.5 Auch eine wörtliche Wiedergabe der gestellten Anträge ist nicht zwingend.6 Allerdings haben sich Inhalt und Umfang der Begründung an dem Zweck der Entscheidungsgründe zu orientieren, den Beteiligten die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der getroffenen Entscheidung offenzulegen7 sowie ihnen und ggf. dem Rechtsmittelgericht eine Überprüfung zu ermöglichen. Auch wegen der Abänderbarkeit von Unterhaltsbeschlüssen muss die getroffene Entscheidung nachvollziehbar sein. Dafür ist es grundsätzlich erforder1 Zöller/Feskorn, § 38 FamFG Rz. 7; Keidel/Meyer-Holz, § 38 FamFGRz. 41; a.A. Prütting/ Helms/Abramenko, § 38 FamFG Rz. 4. 2 Zöller/Feskorn, § 38 FamFG Rz. 7; vgl. auch BGH FamRZ 1988, 945. 3 Meyer-Seitz/Frantzioch/Ziegler, FGG-Reform: Das neue Verfahrensrecht, S. 403; Keidel/ Meyer-Holz, § 38 Rz. 48. 4 Zöller/Feskorn, § 38 FamFG Rz. 11. 5 Zöller/Feskorn, § 38 FamFG Rz. 12; Prütting/Helms/Abramenko, § 38 FamFG Rz. 16 f.; a.A. Keidel/Meyer-Holz, § 38 FamFG Rz. 59. 6 Zöller/Feskorn, § 38 FamFG Rz. 12; a.A. Prütting/Helms/Abramenko, § 38 FamFG Rz. 18; Keidel/Meyer-Holz, § 38 FamFG Rz. 60. 7 BVerfG, NJW 1982, 30.
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X. Entscheidung durch Beschluss
lich, in den Gründen zwischen dem Sachverhalt und den daraus gezogenen rechtlichen Folgerungen zu differenzieren sowie das Begehren der Beteiligten im Kern wiederzugeben1. Darüber hinaus erscheint es jedenfalls bei den mit der Beschwerde anfechtbaren Unterhaltsbeschlüssen im Hauptsacheverfahren dringend geraten, zur Wahrung des rechtlichen Gehörs – wozu die Kenntnisnahme und die rechtliche Verarbeitung des wesentlichen Tatsachenvortrags gehört2 – sowie zur Sicherstellung der nach § 308 ZPO gebotenen Bindung an die gestellten Anträge, den Unterhaltsbeschluss wie ein Urteil aufzubauen und einen Tatbestand mit den vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmitteln unter Hervorhebung der gestellten Anträge zu verfassen. Der Erlass eines Beschlusses, der eine Endentscheidung gemäß § 38 Abs. 1 247 Satz 1 FamFG darstellt, ist zu dokumentieren (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG). In welcher Form der Erlass vonstattengeht, d.h. der Beschluss das Stadium des Entwurfs hinter sich lässt und als rechtlich verbindliche Entscheidung existent wird, ist durch das FamFG für Ehesachen und Familienstreitsachen nicht eindeutig geregelt. Nach der Legaldefinition in § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG liegt der Erlass eines Beschlusses entweder in der Übergabe des Beschlusses an die Geschäftsstelle oder in seiner Bekanntgabe durch Verlesen der Beschlussformel.3 Die Vorschrift legt den Schluss nahe, dass selbst aufgrund mündlicher Verhandlung gefasste Beschlüsse in Unterhaltsstreitsachen schlicht im Dezernatsweg ergehen können. Diese Überlegung verkennt indes, dass § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG in erster Linie die Vorschrift zur schriftlichen oder mündlichen Bekanntgabe von Beschlüssen in § 41 FamFG ergänzen soll – eine Regelung, die in Ehe- und Familienstreitsachen ausdrücklich nicht anzuwenden, sondern durch die entsprechenden Regelungen der ZPO zu ersetzen ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG). Dass Endentscheidungen in Ehesachen und Familienstreitsachen nicht im Dezernatsweg durch bloße Übergabe an die Geschäftsstelle ergehen dürfen, sondern in einem Termin verkündet werden müssen, hat der BGH nunmehr in zwei Entscheidungen klargestellt.4 Zur Begründung hat der BGH zutreffend darauf hingewiesen, dass das FamFG in Ehesachen und Familienstreitsachen die Verkündung der Endentscheidung vorsieht (vgl. § 142 Abs. 3 FamFG) sowie nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG die Vorschriften der ZPO entsprechend anzuwenden sind. Der BGH folgert daraus, dass urteilsersetzende Endentscheidungen, die aufgrund einer mündlicher Verhandlung ergehen, in einem Termin zu verkünden sind (entsprechend §§ 311 Abs. 2 Satz 1, 329 Abs. 1 Satz 1 ZPO), und zwar – wie in § 311 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO vorgesehen – durch Vorlesung der Entscheidungsformel oder durch Bezugnahme auf die Entscheidungsformel.5 Die Verkündung erfolgt öffentlich (§ 173 Abs. 1 GVG). Der Nachweis der erfolgten Verkündung kann gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. §§ 165 Satz 1, 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO nur durch das Protokoll geführt werden.6 Sofern das Gericht allerdings gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG im Beschwerde- 248 verfahren von einer mündlichen Verhandlung absieht, ist der urteilsersetzende 1 Zöller/Feskorn, § 38 FamFG Rz. 12. 2 BVerfG, NJW 1982, 30. 3 Anders als bei der Verkündung nach § 311 ZPO ist eine Bekanntgabe durch Verlesen der Beschlussformel nach § 41 Abs. 2 FamFG nur gegenüber Anwesenden möglich. 4 BGH, FamRZ 2012, 106 (LS und Tz. 13) m. Anm. Heiter, FamRZ 2012, 206; BGH, FamRZ 2012, 1287 m. Anm. Löhnig. 5 BGH, FamRZ 2012, 1287, im Anschluss an BGH, FamRZ 2012, 106. 6 BGH, FamRZ 2012, 1287.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
Beschluss gemäß § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG mit Übergabe an die Geschäftsstelle erlassen. Die Notwendigkeit, in diesem Fall eigens einen Verkündungstermin anzuberaumen, ergibt sich weder aus dem FamFG noch aus den entsprechend anwendbaren ZPO-Vorschriften, da der Beschluss nicht aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergeht (§ 329 Abs. 1 Satz 1 ZPO, auf dessen Anwendung der BGH ausdrücklich hinweist).1 Es wäre auch widersprüchlich, wenn das FamFG dem Gericht in Ehesachen und Familienstreitsachen einerseits erlauben würde, auf eine mündliche Verhandlung im Beschwerdeverfahren zu verzichten, um es andererseits zu einer Terminierung zwecks Verkündung der Entscheidung entsprechend § 310 Abs. 1 ZPO anzuhalten.2 Die Verkündung eines Urteils in einem nach Schluss der mündlichen Verhandlung sofort anzuberaumenden und fristgebundenen Termin (§ 310 Abs. 1 ZPO) dient überdies der Durchsetzung des Mündlichkeitsprinzips (§ 128 Abs. 1 ZPO), an dem das FamFG in zweiter Instanz bei Ehesachen und Unterhaltstreitsachen eben nicht durchgängig festhält (s. Rz. 189). 249
Wird in Unterhaltsstreitsachen eine Endentscheidung durch Verkündung erlassen, ist dies nach § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG auf den Beschluss zu vermerken.3 Ein kurzer Erlassvermerk (z.B. „erlassen durch Verkündung am …“) – unterschrieben vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle – genügt (s. dazu das Muster 10 Rz. 237). In der Praxis ist aber noch eine große Unsicherheit bei der Abfassung dieses Erlassvermerks festzustellen. Häufig findet sich der sachlich unzutreffende Vermerk, dass der „Beschluss am … der Geschäftsstelle übergeben und damit erlassen“ worden ist. Zuweilen heißt es „Der Beschluss wurde am … der Geschäftsstelle zum Zweck der Bekanntgabe übergeben“, was richtig, aber rechtlich ohne Bedeutung ist. Es kommt auch vor, dass ein Erlassvermerk nachträglich geschwärzt wird, was § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG zuwiderläuft. Die Fehlerhaftigkeit oder das Fehlen des Verkündungsvermerks ist freilich unerheblich. Die Verkündung des Beschlusses wird durch das Protokoll bewiesen, nicht durch den Vermerk der Geschäftsstelle.4
250
Ausgeschlossen erscheint die bei der Verkündung eines Urteils zu verwendende Eingangsformel „Im Namen des Volkes“.5 Denn diese Eingangsformel ist nach dem Wortlaut des § 311 Abs. 1 ZPO ausdrücklich der Verkündung von Urteilen vorbehalten, eine entsprechende Anwendung dieser Norm auf Beschlüsse ist in § 329 Abs. 1 ZPO nicht vorgesehen.
251
Nicht zu verwechseln mit der Verkündung ist die Bekanntgabe eines Beschlusses gegenüber den Beteiligten, welche die Rechtsmittelfrist des § 63 FamFG in Lauf setzt. Die Bekanntgabe hat schriftlich zu erfolgen und ist im Falle eines 1 BGH, FamRZ 2012, 106 (LS und Tz. 13), bestätigend BGH, FamRZ 2012, 1287 (Tz. 15); vgl. auch BT-Drucks. 17/10490, S. 15, wonach sich das Erfordernis zur Verkündung von Beschlüssen, die aufgrund mündlicher Verhandlung ergehen, aus § 329 Abs. 1 ZPO ergibt. Zöller/Feskorn, § 38 FamFG Rz. 16; Griesche, FamRB 2010, 340 (343). 2 Auf diese Frage geht Prütting/Helms, § 116 FamFG Rz. 12, 16 und 17 nicht ein, demzufolge die Verweisung in § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG bei urteilsersetzenden Entscheidungen direkt auf die ZPO-Vorschriften zum Urteil und nicht indirekt über § 329 ZPO Bezug nimmt. 3 Prütting/Helms, § 116 FamFG Rz. 12. 4 BGH, FamRZ 2012, 1287. 5 Wie hier: Götz, NJW 2010, 897 (899); Metzger, FamRZ 2010, 703; Vogel, FamRZ 2010, 704; a.A. OLG Zweibrücken, FamRZ 2012, 471; Kranz, FamRZ 2010, 85 und 705; Musielak/Borth, § 116 FamFG Rz. 3 und 7.
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X. Entscheidung durch Beschluss
Unterhaltsbeschlusses durch Zustellung zu bewirken (s. Kap. L Rz. 44 ff.). Denn Beschlüsse, die eine Frist – wie hier die Rechtsmittelfrist – in Lauf setzen, sind nach § 329 Abs. 2 Satz 2 FamFG, zuzustellen.1 Bildet der Beschluss einen Vollstreckungstitel, greift außerdem § 329 Abs. 3 ZPO ein.2 4. Kostenentscheidung Jede Endentscheidung hat eine Entscheidung über die Kosten zu enthalten. Die 252 Kostenentscheidung richtet sich im isolierten Unterhaltsverfahren nach § 243 FamFG (vgl. Rz. 98 ff.), bei der Entscheidung im Verbund nach § 150 FamFG (vgl. Rz. 112), bei der einstweiligen Anordnung nach § 243 (vgl. Rz. 111). 5. Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit des Unterhaltsbeschlusses Anders als Unterhaltsurteile werden Unterhaltsbeschlüsse nicht für vorläufig 253 vollstreckbar erklärt. Das FamFG kennt das Institut der vorläufigen Vollstreckbarkeit nicht mehr, auch nicht in Familienstreitsachen. Es sieht insoweit einen eigenen Mechanismus vor. Die Vollstreckbarkeit eines Unterhaltsbeschlusses hängt gem. § 120 Abs. 2 254 Satz 1 FamFG von der Wirksamkeit der Endentscheidung ab. In Unterhaltsstreitsachen tritt diese Wirksamkeit grundsätzlich erst mit Eintritt der formellen Rechtskraft des Unterhaltsbeschlusses ein: § 116 Abs. 3 Satz 1 FamFG bestimmt, dass Endentscheidungen in Familienstreitsachen erst mit Rechtskraft wirksam werden. Dem Bedürfnis nach einem vorgezogenen Vollzug wird durch die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit Rechnung getragen. Nach § 116 Abs. 3 Satz 2 FamFG kann das Gericht die sofortige Wirksamkeit anordnen. Soweit die Endentscheidung eine Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt enthält, soll das Gericht die sofortige Wirksamkeit anordnen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG). Dem Schutz des Schuldners in der Vollstreckung dienen zusätzlich die Regelungen des § 120 Abs. 2 Satz 2 und 3 FamFG. Danach kann der Schuldner eine Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung vor Eintritt der Rechtskraft verlangen, wenn ihm die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. In den Fällen der §§ 707 Abs. 1, 719 Abs. 1 ZPO (d.h. bei der Beschwerde nach § 58 FamFG, beim Einspruch, der Anhörungsrüge, der Wiederaufnahme des Verfahrens und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) kann die Vollstreckung nur unter denselben Voraussetzungen eingestellt oder beschränkt werden.3 a) Anordnung der sofortigen Wirksamkeit Die Entscheidung zur sofortigen Wirksamkeit ergeht von Amts wegen. Bei der 255 Anordnung der sofortigen Wirksamkeit eines Unterhaltsbeschlusses ist im Rahmen der vorgeschriebenen Ermessensprüfung das Interesse des Gläubigers an der Erlangung der Leistung und das Schutzinteresse des Schuldners vor der Vollstreckung einer noch nicht rechtskräftigen Gerichtsentscheidung gegeneinander 1 Zöller/Feskorn, § 38 FamFG Rz. 16 und § 63 FamFG Rz. 5; Griesche, FamRB 2010, 340, 341 f. 2 Zöller/Feskorn, § 38 FamFG Rz. 16 und § 63 FamFG Rz. 5; Griesche, FamRB 2010, 340, 341 f. 3 Griesche, FamRB 2011, 260 f.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
abzuwägen.1 Die Ausgestaltung von § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG als Sollvorschrift bringt dabei die Bedeutung des Unterhalts zur Sicherung des Lebensbedarfs zum Ausdruck.2 Diese Bedeutung erfordert in aller Regel den sofortigen Vollzug der ergangenen Unterhaltsregelung. 256
Auf eine Anordnung der sofortigen Wirksamkeit kann allerdings hinsichtlich „länger zurückliegender Unterhaltsrückstände“ verzichtet werden, wie es in der Gesetzesbegründung heißt.3 Es liegt nahe, diesen Zeitraum anhand von § 708 Nr. 8 ZPO zu präzisieren, wonach Urteile mit der Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt und bestimmten Leibrenten ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären sind, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach Klageerhebung und auf das der Klagerhebung vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht. Rückständiger Unterhalt aus der vorangehenden Zeit dient nicht notwendigerweise der Sicherung des Lebensbedarfs. Unter demselben Aspekt kommt ein Verzicht auf die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit des Unterhaltsbeschlusses auch in Betracht, wenn das JobCenter oder das Jugendamt nach dem SGB übergegangene Ansprüche geltend macht.4
257
Die sofortige Wirksamkeit von einstweiligen Anordnungen zum Unterhalt (§§ 246 ff. FamFG) muss nicht angeordnet werden, da sie mit Erlass formell rechtskräftig werden (§§ 120 Abs. 1 FamFG, 705 ZPO).5 Sie unterliegen nach § 57 Satz 1 FamFG keinem Rechtsmittel.
258
Wird über Unterhalt im Verbund mit der Scheidung entschieden, sollte die sofortige Wirksamkeit des Ausspruchs zum Unterhalt für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung angeordnet werden, weil der Scheidungsbeschluss (z.B. wegen eines auf die Unterhaltsfolgesache beschränkten Rechtsmittels) schneller rechtskräftig werden könnte als die Entscheidung in der Folgesache. Für die Zeit bis zur Rechtskraft der Scheidung kommt eine solche Anordnung wegen § 148 FamFG nicht in Betracht. Die Anordnung könnte wie folgt gefasst werden: E 11
Anordnung der sofortigen Wirksamkeit im Verbund
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Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird hinsichtlich des Ausspruchs zum nachehelichen Unterhalt (Nr. 3 des Beschlusstenors) mit Rechtskraft der Scheidung angeordnet.
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Hat das Gericht erster Instanz die Sollvorschrift des § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG übersehen, kann das Beschwerdegericht gemäß § 64 Abs. 3 FamFG die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung erster Instanz anordnen.6
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Keidel/Weber, § 116 FamFG Rz. 17; Prütting/Helms, § 116 FamFG Rz. 27. BT-Drucks. 10/6308, S. 124 und 412. BT-Drucks. 16/6308, S. 224. BT-Drucks. 16/6308, S. 224. Prütting/Helms, § 116 FamFG Rz. 22. OLG Bamberg, FamRZ 2013, 481.
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X. Entscheidung durch Beschluss
b) Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG ergänzt § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG zum Schutz des 261 Schuldners in der Zwangsvollstreckung und sieht die Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung vor. Macht der Unterhaltsverpflichtete glaubhaft, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, hat das Gericht auf seinen Antrag die Vollstreckung vor Eintritt der Rechtskraft bereits in der Endentscheidung erster Instanz einzustellen oder zu beschränken (vgl. Kap. M Rz. 12 ff.). Der Antrag auf Vollstreckungsschutz nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG muss be- 262 reits vor Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden, damit über die Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung noch in der Endentscheidung befunden werden kann. Wird die rechtzeitige Antragstellung versäumt, kann nur der Antrag nach § 120 Abs. 2 Satz 3 FamFG i.V.m. §§ 707 Abs. 1, 719 Abs. 1 ZPO gestellt werden (vgl. Kap. M Rz. 6 ff.). Im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist ein Vollstreckungsschutzantrag nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG nicht zulässig. § 55 FamFG enthält insoweit eine abschließende Regelung (s. Rz. 461). Was die weiteren Voraussetzungen für den Erlass einer Vollstreckungsschutz- 263 anordnung sowie den Inhalt der Vollstreckungsschutzmaßnahmen angeht, wird auf die Ausführungen in Kap. M Rz. 12 ff. verwiesen. 6. Rechtsmittelbelehrung § 39 FamFG hat die Verpflichtung zur Rechtsbehelfsbelehrung eingeführt. Die 264 Belehrung muss neben der Bezeichnung des statthaften Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs das für die Entgegennahme zuständige Gericht und dessen vollständige Anschrift sowie die bei der Einlegung einzuhaltende Form und Frist angeben.1 Dazu gehört auch die Information über einen bestehenden Anwaltszwang.2 Die Rechtsbehelfsbelehrung muss mit diesem zwingenden Inhalt aus sich heraus verständlich sein.3 Zu belehren ist aber nur über das an sich statthafte Rechtsmittel gegen den Beschluss, nicht hingegen darüber, ob es im konkreten Fall auch tatsächlich zulässig ist.4 Zur Form und Frist der Beschwerdebegründung (§ 117 Abs. 1 FamFG) verlangt die Vorschrift ebenfalls keine Belehrung.5 Auch über die Sprungrechtsbeschwerde muss nicht belehrt werden (§ 39 Satz 2 FamFG). Ausführlich ist die folgende Rechtsmittelbelehrung gegen die Endentscheidung in einer Unterhaltsstreitsache (Hauptverfahren), die von den Berliner Familiengerichten erarbeitet wurde.
1 BGH, FamRZ 2010, 1425, Tz. 14. 2 BGH, FamRZ 2012, 1287; FamRZ 2010, 1425. 3 BT-Drucks. 16/6308 S. 196; Prütting/Helms/Abramenko, § 39 FamFG Rz. 8; Keidel/ Meyer-Holz, § 39 FamFG Rz. 12 f. 4 Zöller/Feskorn, § 39 FamFG Rz. 4. 5 BGH, MDR 2011, 933, Tz. 6.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
E 12 265
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Diese ist in vermçgensrechtlichen Angelegenheiten nur zulssig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,– Euro bersteigt oder wenn das Familiengericht die Beschwerde zugelassen hat. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeintrchtigt sind. Die Beschwerde muss innerhalb eines Monats unter anwaltlicher Vertretung bei dem (Name des Amtsgerichts) schriftlich und in deutscher Sprache eingegangen sein. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten, sptestens mit Ablauf von fnf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fllt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nchsten Werktages. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklrung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Die Beschwerde ist zu unterzeichnen. Fr das Beschwerdeverfahren muss sich der Beschwerdefhrer durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen und einen bestimmten Sachantrag stellen und diesen begrnden. Die Frist zur Begrndung betrgt zwei Monate und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, sptestens mit Ablauf von fnf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Innerhalb dieser Frist mssen der Sachantrag sowie die Begrndung bei dem Beschwerdegericht – Kammergericht, Elßholzstraße 30–33, 10781 Berlin – eingegangen sein. Dem Anwaltszwang unterliegen nicht Behçrden und juristische Personen des çffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfllung ihrer çffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlsse sowie Beteiligte, die durch das Jugendamt als Beistand, Vormund oder Ergnzungspfleger vertreten sind.
266
Die Belehrungspflicht beschränkt sich auf die statthaften Rechtsmittel. Keiner Belehrung bedarf daher die Entscheidung über eine einstweilige Anordnung zum Unterhalt (§ 57 FamFG). Es stünde einem Gericht aber gut an, eine ohne vorherige mündliche Verhandlung ergangene einstweilige Anordnung z.B. mit folgender Belehrung zu versehen: E 13
Rechtsbelehrung (bei einstweiliger Anordnung ohne mndliche Verhandlung)
Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsbehelf gegeben. Auf Antrag ist eine mndliche Verhandlung durchzufhren und aufgrund dieser erneut zu entscheiden. Außerdem hat jeder Beteiligte das Recht, die Einleitung des Hauptsacheverfahrens zu beantragen.
660 Rasch
XI. Anträge im Verfahren auf Zahlung von Unterhalt
XI. Anträge im Verfahren auf Zahlung von Unterhalt 1. Grundfall E 14
Isoliertes Verfahren auf Zahlung von Trennungsunterhalt (hier: Antrag auf Verfahrenskostenhilfe mit Entwurf des Zahlungsantrages, Mangelfall)
An das
267
Amtsgericht – Familiengericht Anm. 1) –
17.3.2014 Antrag
der Ehefrau (Name, Anschrift, Staatsangehçrigkeit) – Antragstellerin – Verfahrensbevollmchtigte: Rechtsanwltin (Name, Anschrift) gegen ihren Ehemann (Name, Anschrift, Staatsangehçrigkeit) – Antragsgegner – (voraussichtliche)
VerfahrensbevollmchtigteAnm. 2)
wegen Trennungsunterhalt. Namens und in Vollmacht der Antragstellerin beantrage ich vorab, der Antragstellerin fr die erste Instanz Verfahrenskostenhilfe unter meiner Beiordnung fr folgenden Unterhaltsantrag zu bewilligen, der nur insoweit eingereicht werden soll, als Verfahrenskostenhilfe bewilligt wird.Anm. 3) Es wird beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, an die Antragstellerin 1. ab dem 1.4.2014 eine monatliche, jeweils zum Ersten eines Monats im Voraus zu zahlende Unterhaltsrente in Hçhe von 83,00 Euro und 2. rckstndigen Unterhalt fr den Zeitraum 1.2.2014–31.3.2014 von 166 Euro sowie Zinsen in Hçhe von 5 Prozentpunkten ber dem Basiszinssatz von jeweils 83,00 Euro seit dem 11.2.2014 und seit dem 1.3.2014 zu zahlen. Anm. 4) Begrndung: Die Beteiligten sind Eheleute, die seit Ende Januar 2014 voneinander getrennt leben. Zu diesem Zeitpunkt ist der Antragsgegner aus der Ehewohnung ausgezogen. Die Beteiligten haben eine gemeinsame Tochter, die am 31. Mrz 2004 geborene … Das Kind lebt im Haushalt der Antragstellerin, die das Kindergeld in Hçhe von monatlich 184 Euro erhlt. Die Beteiligten streiten um Trennungsunterhalt. Der Antragsgegner zahlt Kindesunterhalt in Hçhe von 272,00 Euro monatlich, aber keinen Ehegattenunterhalt. Die Antragstellerin ist nicht erwerbsttig, weil sie an Brustkrebs erkrankt und derzeit arbeitsunfhig ist. Einer ber die Betreuung des gemeinsamen Kindes hinausgehenden Belastung durch Aufnahme einer Erwerbsttigkeit ist sie nicht gewachsen. Sie bezieht Leistungen nach dem SGB II. Das JobCenter … hat durch den als Anlage 1 beigefgten Vertrag die kraft Gesetzes bergegangenen Unterhalts-
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
ansprche der Antragstellerin auf die Antragstellerin zur gerichtlichen Geltendmachung rckbertragen.Anm. 5) Der Antragsgegner ist selbstndig ttig und verfgt ber ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 1 455 Euro. Bei diesem Einkommen hat der Antragsgegner fr sein Kind lediglich den Mindestunterhalt der Altersstufe 2 nach § 1612a Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 1 BGB zu leisten, der 364 Euro betrgt und auf den – nach Abzug des hlftigen Kindergeldes von 92 Euro – noch 272 Euro zu zahlen sind und vom Antragsgegner auch gezahlt werden. Nach Vorabzug des Kindesunterhalts von 272 Euro beluft sich das fr den Unterhalt der Antragstellerin noch zur Verfgung stehende Einkommen des Antragsgegners auf (1 455 – 272 =) 1 183 Euro. Unter Bercksichtigung des einem Ehemann gegenber der Ehefrau zustehenden Selbstbehalts von 1 100 EuroAnm. 6) hat der Beklagte einen monatlichen Trennungsunterhalt von 83 Euro zu zahlen. Der Beklagte ist verpflichtet, rckwirkend ab 1.2.2014 Ehegattenunterhalt zu zahlen. Denn er ist mit anwaltlichem Schreiben vom 7.2.2014 – zugegangen am 10.2.2014 – aufgefordert worden, Auskunft ber die Hçhe seiner Einknfte zu erteilen sowie ab sofort Kindes- und Trennungsunterhalt in Hçhe der jetzt geltend gemachten Betrge zu zahlen und titulieren zu lassen. Beweis: Rckschein der Deutschen Post AG, in Kopie als Anlage 2 beigefgt. Verzugszinsen sind gemß §§ 288 Abs. 1, 247 BGB geschuldet, weil sich der Antragsgegner seit Zugang des Schreibens vom 7.2.2014 in Verzug befindet. Beweis: wie vor Zum Antrag auf Verfahrenskostenhilfe wird auf die beigefgte Erklrung der Antragstellerin ber ihre persçnlichen und wirtschaftlichen Verhltnisse nebst Anlagen (Belege) verwiesen. Der Antragstellerin ist Verfahrenskostenhilfe auch hinsichtlich des rckabgetretenen rckstndigen Trennungsunterhalts zu bewilligen, da sich dieser Anspruch kostenrechtlich nicht auswirkt. Auch ohne den Rckstand von 166 Euro ist der Antragstellerin bei einem Verfahrenswert fr den laufenden Unterhalt (12 83 =) 996 Euro nach einer Gebhrenstufe bis 1 200 Euro Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen. Anm. 3) Andere Familiensachen sind nicht anhngig. Beglaubigte und einfache Abschrift anbei. Unterschrift
268
Bei dem Muster handelt es sich um einen gängigen Antrag auf Zahlung wiederkehrender Leistungen nach § 258 ZPO im isolierten Verfahren, mit der im vorliegenden Fall die getrennt lebende Ehefrau ihren eigenen Unterhalt fordert.
269
Zu Anm. 1): Örtlich zuständig ist das Familiengericht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Antragsgegners. Zur Zuständigkeit des Gerichts vgl. Rz. 25.
270
Zu Anm. 2): Die Benennung des voraussichtlich für den Antragsgegner auftretenden Verfahrensbevollmächtigten signalisiert dem Gericht, dass es davon absehen sollte, ein schriftliches Vorverfahren anzuordnen. Im Übrigen wird das Gericht trotz dieser Mitteilung zunächst den Antragsgegner persönlich anschreiben und diesem formlos eine einfache Abschrift des Antrags zur Stellungnahme hinsichtlich der Verfahrenskostenhilfe übersenden. 662 Rasch
XI. Anträge im Verfahren auf Zahlung von Unterhalt
Zu Anm. 3): Nach der Rechtsprechung des BGH ist dem Empfänger öffentlicher 271 Leistungen nach SGB II oder SGB XII insoweit Verfahrenskostenhilfe zu gewähren, als er laufenden Unterhalt ab Rechtshängigkeit fordert.1 Zur Aktivlegitimation des Unterhaltsberechtigten bei übergegangenen Unterhaltsansprüchen Kap. H Rz. 24f. (zu § 7 UVG) sowie Kap. H Rz. 50 (zu § 33 SGB II). Soweit mit dem rückständigen Unterhalt aber ein zurückübertragenen Anspruch gerichtlich geltend gemacht wird, kommt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nur in Betracht, wenn sich dieser Anspruch – wie hier – kostenrechtlich nicht auswirkt oder wenn ein Verweis des Leistungsberechtigten auf seinen sozialrechtlichen Vorschussanspruch gegen dem öffentlichen Leistungsträger sonst nicht zumutbar ist.2 Um jegliches Kostenrisiko auszuschließen, sollte dem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe der beabsichtigte Zahlungsantrag nur im Entwurf als Anlage beigefügt werden, statt – wie hier aus Platzgründen – der beabsichtigte Zahlungsantrag mit dem Antrag auf Verfahrenskostenhilfe in einem Schriftsatz zusammengefasst werden (vgl. im Näheren Rz. 120 ff.). Zu Anm. 4): Der Zahlungsantrag muss genau bezeichnen, ab wann und wie viel 272 Unterhalt gefordert wird. Geschuldet ist eine monatlich im Voraus zu zahlende Geldrente (§ 1612, § 1361 Abs. 4, § 1585 BGB). Die Bestimmung „monatlich im Voraus“ gibt dabei nur die Unterhaltsperiode an. Die Fälligkeit „am Ersten des Monats“ (so geregelt in § 1613 Abs. 1 Satz 2 BGB) besagt, dass der Unterhalt spätestens an diesem Tag abzusenden ist. Denn nach § 270 Abs. 4 i.V.m. § 269 BGB ist eine Leistung in Geld dann rechtzeitig erbracht, wenn der Unterhaltsschuldner das zur Übermittlung des Geldes seinerseits Erforderliche getan hat.3 Der mit dem in Antrag zu 2) geforderte (echte) Unterhaltsrückstand, der nach 273 § 51 Abs. 2 FamGKG den Streitwert erhöht, kann unter gleichzeitiger Angabe des Zeitraums, für den er gefordert wird, in einer Summe zusammengefasst werden. Verzugszinsen gemäß § 288 Abs. 1 BGB bzw. Prozesszinsen gemäß § 291 BGB 274 für rückständige Unterhaltsbeträge werden nicht selten geltend gemacht; denn die Zinshöhe beträgt nach § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§ 247 BGB). Die aktuellen Basiszinssätze werden von der Deutschen Bundesbank im Bundesanzeiger veröffentlicht. Sie können auch im Internet unter http://www.bundesbank.de abgerufen werden. Verzugszinsen sind ab Eintritt des Verzuges geschuldet. Die Zinspflicht beginnt am Tag nach Eintritt des Verzugs durch den Zugang des Schreibens vom 7.2.2010 (analog § 187 Abs. 1 BGB, vgl. dazu Kap. A Rz. 372 mit Beispiel). Dabei erstreckt sich der nach dem Eintritt der Fälligkeit einmal begründete Verzug grundsätzlich auch auf die künftig fällig werdenden Unterhaltsraten, ohne dass die Mahnung monatlich wiederholt werden muss.4 Zu Anm. 5): Die Antragstellerin ist berechtigt, ihre Ansprüche auf Zahlung von 275 rückständigem und künftigen Trennungsunterhalt ohne Rücksicht auf den laufenden Bezug von Leistungen nach SGB II gerichtlich geltend zu machen; denn der Sozialhilfeträger hat nach § 33 Abs. 1 Satz 3 SGB II von seiner Möglichkeit Gebrauch gemacht, den auf ihn übergegangenen Unterhaltsanspruch der Antrag1 2 3 4
BGH, FamRZ 2008, 1159 (1162). BGH, FamRZ 2008, 1159. OLG Köln, FamRZ 1990, 1243; Palandt/Brudermüller, § 1612 BGB Rz. 3. BGH, NJW 1988, 1137 = FamRZ 1988, 370.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
stellerin an diese zur gerichtlichen Geltendmachung rückabzutreten. Im Hinblick auf diese Vereinbarung ist es auch nicht erforderlich, dass die Antragstellerin für die Zeit nach Rechtshängigkeit des Verfahrens Zahlung an das JobCenter als den Träger der Leistungen beantragt. Die frühere Rechtsprechung zu dieser Problematik ist überholt; vgl. hierzu Kap. H Rz. 46. 276
Zu Anm. 6): Der Selbstbehalt des Unterhaltsschuldners gegenüber einem Anspruch auf Trennungsunterhalt beträgt nach Anm. B IV der Düsseldorfer Tabelle 1100 Euro (Stand: 1.1.2014). 2. Mehrere Antragsteller (subjektive Antragshäufung) E 15
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Antrag auf Zahlung von Geschiedenenunterhalt und (statischem) Kindesunterhalt – subjektive Antragshufung
… Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Der Antragsgegner wird verpflichtet, ab dem … jeweils monatlich im Voraus am Ersten eines Monats folgende Unterhaltsrenten zu zahlen: 1. an die Antragstellerin zu 1 monatlich 200 Euro; 2. an den Antragsteller zu 2 monatlich (448 Euro Unterhaltsbedarfsbetrag – 92 Euro hlftiges Kindergeld =) 356 Euro; 3. an den Antragsteller zu 3 monatlich (383 Euro Unterhaltsbedarfsbetrag – 92 Euro hlftiges Kindergeld =) 291 Euro. …
Häufig verfolgen mehrere Unterhaltsgläubiger ihre Unterhaltsansprüche gegenüber einem Schuldner, wie hier die geschiedene Ehefrau und ihre minderjährigen Söhne gegen den früheren Ehemann und Vater (subjektive Antragshäufung). Die Ansprüche mehrerer Gläubiger können und sollten zweckmäßigerweise in einem Verfahren geltend gemacht werden. Das heißt aber nicht, dass die Ansprüche der einzelnen Gläubiger in einer einheitlichen Summe beantragt werden dürfen. Vielmehr sind die Ansprüche bei der Antragstellung (und in der Begründung) auf die einzelnen Gläubiger aufzuteilen. Gleiches gilt für die eingeklagten Rückstände. Notfalls muss das Gericht gemäß § 139 ZPO im Wege seiner Hinweispflicht auf die richtige Antragstellung hinwirken. Ebenso muss das Gericht bei der Tenorierung seiner Entscheidung beachten, dass die Zuordnung der Zahlbeträge zu den Gläubigern eindeutig ist, s. dazu Kap. M Rz. 77 ff. 278
Die Anträge für den Unterhalt der minderjährigen Kinder weisen den jeweiligen Unterhaltsbedarfsbetrag und das nach § 1612b BGB bedarfsmindernd zu berücksichtigende Kindergeld aus. Dies ist zwar nicht zwingend vorgeschrieben, aber von Vorteil für spätere Änderungen, insbesondere wenn im Ausgangsverfahren nur eine Anerkenntnis- oder Versäumnisentscheidung ohne weitere Begründung ergeht (§ 38 Abs. 4 Nr. 1 FamFG). Bei dynamischen Unterhaltstiteln (vgl. die nachfolgenden Muster) sollte hingegen das Kindergeld immer ausdrücklich im Antrag und Titel mit aufgenommen werden. Nur so ist der dynamische Unterhaltstitel ausreichend bestimmt, um sich automatisch den Veränderungen der 664 Rasch
XI. Anträge im Verfahren auf Zahlung von Unterhalt
Mindestunterhaltssätze und des Kindergeldes anzupassen (Kap. M Rz. 63). Zum Kindergeldausgleich zwischen den Eltern s. Kap. A Rz. 285 ff. 3. Antrag auf Zahlung von dynamisiertem Kindesunterhalt E 16
Antrag des minderjhrigen Kindes auf Zahlung eines dynamisierten Unterhalts (Mindestunterhalt)
…
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Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den am 3.2.2011 geborenen Klger zu Hnden der Kindesmutter jeweils monatlich im Voraus 1. ab 1.3.2014 den jeweiligen Mindestunterhalt der Altersstufe 1, 2. ab 1.2.2017 den jeweiligen Mindestunterhalt der Altersstufe 2, 3. ab 1.2.2023 den jeweiligen Mindestunterhalt der Altersstufe 3 nach § 1612a Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB abzglich der Hlfte des jeweiligen gesetzlichen Kindergeldes fr ein erstes Kind zu zahlen. Der sich bei der Berechnung des Unterhalts ergebende Betrag ist auf volle Euro aufzurunden.
Nach § 1612a BGB besteht die Möglichkeit, Kindesunterhalt in dynamisierter 280 Form zu verlangen. Die prozessuale Umsetzung dieses Anspruchs auf veränderlichen Unterhalt in einen nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ausreichend bestimmten Verfahrensantrag ist unproblematisch. Grundsätzlich gilt, dass der Antrag auf Zahlung des Mindestunterhalts oder eines Prozentsatzes des Mindestunterhalts für eine bestimmte Altersgruppe ausreichend bestimmt ist. Denn sowohl der Mindestunterhalt als auch der jeweilige Mindestunterhalt der drei Altersstufen sind im Gesetz definiert. § 1612a Abs. 1 Satz 2 BGB bestimmt den Mindestunterhalt anhand des (doppelten) Kinderfreibetrags gemäß § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG (4 368 Euro jährlich = 364 Euro monatlich, Stand: 1.1.2014). Nach § 1612a Abs. 1 Satz 3 BGB errechnet sich der Mindestunterhalt der ersten Altersstufe (bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres) mit 87 %, der Mindestunterhalt der zweiten Altersstufe (bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres) mit 100 % und der Mindestunterhalt der dritten Altersstufe (ab dem 13. Lebensjahr) mit 117 % des Mindestunterhalts, jeweils aufgerundet nach § 1612 Abs. 2 Satz 2 BGB. Der vorgeschlagene Antrag bezieht sich auf § 1612a Abs. 1 Satz 2 BGB. Auf jegli- 281 ches Zitat der gesetzlichen Bestimmungen zu verzichten und nur den „Mindestunterhalt“ einzufordern,1 erscheint im Hinblick auf die nach § 253 Abs. 2 ZPO erforderliche Bestimmtheit eines Antrags bedenklich. Beim dynamisierten Unterhalt empfiehlt es sich, das Geburtsdatum des minder- 282 jährigen Kindes in den Verfahrensantrag aufzunehmen. Außerdem muss der Verfahrensantrag die genauen Zeiträume der jeweiligen Altersstufen enthalten. Dabei ist der erhöhte Unterhalt jeweils zum Ersten des Monats fällig, in dem das Kind die nächste Altersstufe erreicht (§ 1612a Abs. 3 Satz 2 BGB). Eine Begren1 So Knittel, JAmt 2007, 561 (562).
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
zung des Antrags auf die Zeit der Minderjährigkeit des Kindes ist weder erforderlich noch ratsam. Das minderjährige Kind hat Anspruch auf Titulierung seines Unterhaltsanspruchs auch für die Zeit nach Vollendung des 18. Lebensjahrs, weil es sich insoweit um einen einheitlichen Anspruch handelt. Es darf nach Eintritt der Volljährigkeit aus einem während seiner Minderjährigkeit geschaffenen Unterhaltstitel vollstrecken (§ 244 FamFG, s. dazu den Praxishinweis in Kap. B Rz. 2). 283
Das vorgeschlagene Antragsmuster geht davon aus, dass das unterhaltsberechtigte Kind von dem nicht barunterhaltspflichtigen Elternteil betreut wird. Für diesen Fall bestimmt § 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB, dass das auf das Kind entfallende Kindergeld zur Hälfte für den Unterhalt des Kindes zu verwenden ist. Es kann deshalb die z.B. in Süddeutschland und Berlin übliche Formulierung verwendet werden, wonach das gesetzliche Kindergeld „zur Hälfte“ vom Unterhaltsbetrag abzuziehen ist.1
284
Im Hinblick auf das Kindergeld ist anzugeben, für das wievielte gemeinsame Kind der Eltern Kindergeld gezahlt wird. Die für das Kind einschlägige Ordnungszahl muss angegeben werden, weil das Kindergeld vom 3. Kind an höher ist als für die beiden ersten Kinder. Zudem ist der sog. Zählkindervorteil beim Unterhalt des gemeinsamen Kindes nicht zu berücksichtigen (§ 1612b Abs. 2 BGB). Vgl. auch Kap. M Rz. 62 f.
285
Im Interesse einer weitestgehenden Bezifferung ist es möglich, im Beschlusstenor den bis zur Entscheidung aufgelaufenen und zuerkannten Unterhalt zu beziffern und erst den künftigen, noch veränderlichen Unterhalt in dynamisierter Form auszuweisen. Das Gericht geht damit über den gestellten Antrag nicht hinaus (§ 308 Abs. 1 ZPO). E 17
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Antrag des minderjhrigen Kindes auf Zahlung von Unterhalt als Prozentsatz des Mindestunterhalts
… Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den am 3.2.2011 geborenen Antragsteller. zu Hnden der Kindesmutter jeweils monatlich im Voraus eine Unterhaltsrente von 136 % des jeweiligen Mindestunterhalts 1. ab 1.3.2014 der Altersstufe 1, 2. ab 1.2.2017 der Altersstufe 2, 3. ab 1.2.2023 der Altersstufe 3 nach § 1612a Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB abzglich der Hlfte des jeweiligen gesetzlichen Kindergeldes fr ein erstes Kind zu zahlen. Der sich bei der Berechnung des Unterhalts ergebende Betrag ist auf volle Euro aufzurunden.
1 Auch OLG Dresden, FamFR 2011, 274 (Pfeil).
666 Rasch
XI. Anträge im Verfahren auf Zahlung von Unterhalt
Soll der (vereinbarte) Unterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunter- 287 halts gezahlt werden, ist der Unterhaltsbarbedarf (nicht der Unterhaltszahlbetrag!) zum jeweiligen Mindestunterhalt ins Verhältnis zu setzen. Der Prozentsatz des Mindestunterhalts errechnet sich nach folgender Berechnungsformel: Unterhaltsbarbedarf: Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe × 100. Der Prozentsatz ist auf eine Dezimalstelle zu begrenzen (§ 1612a Abs. 2 BGB). 288
Beispiel Der Unterhalt für ein 5 Jahre altes Kind wird mit 400 Euro abzüglich des hälftigen Kindergelds vereinbart. Der Prozentsatz des Mindestunterhalts beträgt (400 : 317 × 100 =) 126,2. Der Unterhaltszahlbetrag beläuft sich auf (400 – 92 =) 308 Euro.
Verfehlt wäre es, den Unterhaltszahlbetrag, d.h. den Unterhaltsbarbedarf abzüg- 289 lich des nach § 1612b BGB zu berücksichtigenden Kindergeldes, als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhaltes auszuweisen. Denn bei einem entsprechenden Unterhaltstenor könnten Änderungen allein des Kindergeldes nicht berücksichtigt werden. Soll der nach den Unterhaltstabellen der Oberlandesgerichte ausgewiesene Un- 290 terhaltsbarbedarf als dynamisierter Unterhalt verlangt werden, ist der in der Tabelle jeweils ausgewiesene Prozentsatz zu übernehmen. Denn der tabellarische Unterhaltsbarbedarf ist durch Multiplikation des Mindestbedarfs mit dem der jeweiligen Gehaltsgruppe zugeordneten Steigerungssatz errechnet und entsprechend § 1612a Abs. 2 BGB auf volle Euro aufgerundet. 291
Beispiel Der Vater ist in die Gehaltsgruppe 8 der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1.1.2014) einzustufen, der Unterhaltsbarbedarf seines 3 Jahre alten Kindes beläuft sich auf monatlich 144 % des Mindestunterhalts von 317 Euro, das sind 456,48 Euro, aufgerundet 457 Euro.
In Mangelfällen sollte anstelle eines dynamisierten Unterhalts der statische Un- 292 terhalt verlangt werden. Denn der zu zahlende Unterhalt hängt nicht nur von dem sich verändernden Mindestunterhaltsbedarf ab, sondern auch von der Zahl der Unterhaltsberechtigten insgesamt sowie von den festen Sätzen des Selbstbehalts.1 Bei gleichbleibendem Einkommen des Unterhaltspflichtigen wirkt sich eine Steigerung oder Absenkung des Mindestunterhalts auf den zu zahlenden Unterhalt ebenso wenig aus wie der Eintritt des Kindes in die nächste Altersstufe, ein dynamischer Titel widerspräche also in absehbarer Zeit dem materiellen Recht. Falls aber gleichwohl in einem Mangelfall der Unterhalt in dynamisierter Form beantragt werden soll, ist der Unterhaltszahlbetrag um das nach § 1612b BGB zu berücksichtigende Kindergeld zu erhöhen und zu dem jeweiligen Mindestunterhalt der einzelnen Altersstufen ins Verhältnis zu setzen. 293
Beispiel Dem Vater ist bei einem Erwerbseinkommen von 1 110 Euro monatlich nur die Zahlung eines Kindesunterhalts von 110 Euro für sein 10 Jahre altes Kind möglich. Das Kindergeld erhält die betreuende, nicht barunterhaltspflichtige Mutter. Der Prozentsatz des Mindestunterhalts beträgt (110 + 92) : 364 × 100 = 55,49 (55,4) %.
1 Zu den Nachteilen des dynamisierten Kindesunterhalts vgl. Wendl/Dose/Klinkhammer, § 2 Rz. 365.
Rasch
667
K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
4. Teil-, Zusatz- oder Nachforderung E 18 294
Antrag auf Zahlung einer weiteren Unterhaltsrente
… Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin ber den im Beschluss/ Urteil des Amtsgerichts … vom … – Geschftsnr. … – zuerkannten Teilunterhalt von … Euro hinaus eine weitere Unterhaltsrente von … Euro monatlich ab … jeweils zum Ersten eines jeden Monats im Voraus zu zahlen. …
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Hat der Unterhaltsberechtigte in einem gerichtlichen Verfahren nur einen Teil des Unterhalts geltend gemacht und zugesprochen bekommen, kann der Berechtigte weiteren Unterhalt mit Hilfe eines Leistungsantrags in Form eines Zusatzoder Nachforderungsantrags (§ 258 ZPO) geltend machen.1 Das Abänderungsverfahren nach § 238 FamFG ist hier nicht eröffnet, weil es nur zulässig ist, wenn eine wesentliche Änderung der der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse geltend gemacht werden soll (§ 238 Abs. 1 Satz 2 FamFG.) Das ist hier nicht der Fall. Der volle Unterhalt war bisher nicht Gegenstand eines Unterhaltsverfahrens, eine (abänderbare) gerichtliche Endentscheidung über den Differenzbetrag zum vollen Unterhalt liegt nicht vor.
296
Ob der Unterhaltsberechtigte einen solch ergänzenden Zahlungserstantrag nach § 258 ZPO stellen kann oder gar erheben muss, wenn sich der Unterhaltsverpflichtete in einer vollstreckbaren Schuldurkunde darauf beschränkt hat, nur einen Teilbetrag des Unterhalts anzuerkennen, ist fraglich. Nach der Rechtsprechung des BGH zu § 323 ZPO a.F. war bei einer (eindeutigen) Teiltitulierung die Zusatzklage (Erstantrag, gerichtet auf die Differenz zwischen dem titulierten und dem begehrten Betrag) die allein statthafte Klageart, die Erhebung einer Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO a.F. dagegen ausgeschlossen.2 Graba zufolge hat sich mit der Einführung von § 239 FamFG an dieser Rechtslage nichts geändert.3 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass § 239 FamFG die Änderung von vollstreckbaren Unterhaltsurkunden ohne Rücksicht darauf regelt, ob der titulierte Unterhalt aus der maßgeblichen Sicht des Unterhaltsberechtigten4 oder nach Auffassung beider Beteiligter nur einen Teilbetrag darstellt. Eine entsprechende Beschränkung des Anwendungsbereiches ist dem Wortlaut des § 239 FamFG nicht zu entnehmen. Zudem ist der Abänderungsantrag zulässig, wenn der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die die Abänderung des Titels nach materiellem Recht rechtfertigen (§ 239 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 FamFG). Das können die Voraussetzungen eines höheren Unterhaltsanspruchs nach materiellem Recht sein oder aber – bei einem Herabsetzungsverlangen –
1 BGH, NJW 1985, 1340 (1342). 2 BGH, FamRZ 2010, 195 (197) m. Anm. Schmidt, FamRZ 2010, 447; FamRZ 2009, 314 (315). 3 Graba, FF 2013, 388; FPR 2010, 159 (160). 4 BGH, FamRZ 2010, 195 (197) Tz. 19.
668 Rasch
XI. Anträge im Verfahren auf Zahlung von Unterhalt
eine Störung der Geschäftsgrundlage nach Abgabe des Schuldversprechens (s. Rz. 367 ff.). Aus verfahrensökonomischen Gründen ist das Abänderungsverfahren nach § 239 297 FamFG einem Leistungsverfahren (Erstantrag) jedenfalls vorzuziehen. Denn ein erfolgreiches Zusatzverfahren führt zu einem zweiten Vollstreckungstitel, was bei späteren Änderungen der Unterhaltstitel Probleme bereiten und Schwierigkeiten in der Zwangsvollstreckung nach sich ziehen kann. Der Unterhaltsberechtigte kann aus zwei verschiedenen Vollstreckungstiteln vollstrecken, wobei es dem Unterhaltsschuldner freisteht, auf welchen Titel er freiwillig zahlt.
Û
Praxishinweis: Um einen zweiten Vollstreckungstitel zu vermeiden, sollte 298 der Unterhaltsberechtigte auch in den Fällen eines Teilanerkenntnisses ein Abänderungsverfahren nach § 239 FamFG einleiten und nur hilfsweise im Wege des Leistungsantrags Zahlung einer weiteren Unterhaltsrente begehren. Der Hilfsantrag empfiehlt sich im Hinblick auf die in der Diskussion befindliche Abgrenzung zwischen den Anwendungsbereichen des § 258 ZPO und § 239 FamFG. Ein Abänderungsantrag kann durch das Gericht aber auch ohne Weiteres in einen (erstmaligen) Leistungsantrag umgedeutet werden (vgl. Rz. 340).
Ein Teil-, Zusatz- oder Nachforderungsantrag kommt auch in Betracht, wenn 299 der Schuldner freiwillig einen bestimmten Unterhaltsbetrag zahlt, der Gläubiger aber einen höheren Unterhalt beansprucht. Dann könnte der Unterhaltsgläubiger beantragen, den Beklagten zu verurteilen, an ihn über den freiwillig gezahlten Betrag hinaus einen weiteren monatlichen Unterhaltsbetrag zu zahlen.
Û
Praxishinweis: Der Zusatz- oder Nachforderungsantrag bei einem freiwillig 300 gezahlten Sockelbetrag birgt zwar wegen des geringeren Streitwerts ein geringeres Kostenrisiko. Da für den freiwillig gezahlten Betrag jedoch kein Titel besteht, läuft der Unterhaltsberechtigte Gefahr, dass der Schuldner nach Abschluss des Verfahrens den bisher freiwillig gezahlten Betrag kürzt. Dann wäre erneut zu prozessieren.1 Dem Unterhaltsgläubiger kann deshalb nur empfohlen werden, den vollen Unterhalt einzufordern, wenn der Schuldner der Aufforderung, den Unterhalt titulieren zu lassen, nicht nachgekommen ist (s. Rz. 108). S. hierzu den folgenden Musterantrag unter Rz. 301 f.
E 19
Antrag auf Zahlung von Unterhalt bei gleichbleibenden Teilleistungen des Pflichtigen
…
301
Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin 1. ab dem Ersten des Monats, der auf die letzte mndliche Verhandlung folgt, eine monatliche, jeweils im Voraus zahlbare Unterhaltsrente in Hçhe von 447 Euro zu zahlen;
1 BGH, FamRZ 1985, 690.
Rasch
669
K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
2. rckstndigen Unterhalt a) fr den Zeitraum vom 1.1.2014–31.3.2014 in Hçhe von 741 Euro nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten ber dem jeweiligen Basiszinssatz auf jeweils 247 Euro seit dem 1.1.2010, seit dem 1.2.2014 und seit dem 1.3.2014 zu zahlen sowie b) ab 1.4.2014 ber den monatlich gezahlten Betrag von 200 Euro hinaus weitere 247 Euro zu zahlen. …
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Der Musterantrag eignet sich in den Fällen, in denen der Unterhaltspflichtige freiwillig einen gleichbleibenden Teil des verlangten Unterhalts zahlt. Bis zur letzten mündlichen Verhandlung wird der weitere Unterhalt als Teilunterhalt verlangt, für die Zukunft jedoch die volle Titulierung des geschuldeten Unterhalts beantragt. Dabei ist der Antrag zu 2. (rückständiger Unterhalt) nur zur Erleichterung der Streitwertfestsetzung gesplittet; er weist unter 2a) den Unterhaltsrückstand bei Einreichung der Antragsschrift (im März 2014) wegen § 42 Abs. 5 Satz 1 GKG gesondert aus. Der vorgeschlagene Antrag kann eine Umstellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung ersparen. Demgegenüber muss bei unregelmäßigen Unterhaltszahlungen der schriftlich angekündigte Zahlungsantrag in der mündlichen Verhandlung zumeist an die veränderte Sachund Rechtslage angepasst werden.
Û
Praxishinweis: Das Gericht ist bei seiner Entscheidung an die Anträge der Beteiligten gebunden (§ 308 Abs. 1 ZPO). Es ist deshalb für die Beteiligten auch aus Kostengründen wichtig, die Anträge in jedem Stand des Verfahrens zu überprüfen und ggf. einer veränderten Sach- oder Rechtslage anzupassen – als Antragsteller durch teilweise Rücknahme, Erledigungserklärung oder Antragserweiterung, als Antragsgegner durch (Teil-)Anerkenntnis oder übereinstimmende Erledigungserklärung.
XII. Anträge im Auskunftsverfahren 304
Ansprüche nach § 1605 BGB auf Auskunft und Vorlage von Belegen (vgl. Kap. I Rz. 2 ff.) werden mit einem Leistungsverfahren verfolgt. Der Auskunftsanspruch kann Gegenstand eines isolierten Verfahrens sein oder als erste Etappe eines Stufenverfahrens geltend gemacht werden. Welcher Weg beschritten werden sollte, liegt an den Gegebenheiten im Einzelfall. Ist die Möglichkeit gegeben, dass der Unterhaltsanspruch an der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen scheitert, empfiehlt sich das billigere isolierte Auskunftsverfahren. Ansonsten gebührt der Vorzug dem Stufenverfahren, das den Antrag auf Auskunft und Leistung verbindet und aufgrund der Gebührendegression kostengünstiger ist als zwei getrennte Verfahren (s. Rz. 317 ff.). Zudem wird die Verjährung des Unterhaltsanspruchs nicht durch ein Auskunftsverfahren, sondern nur durch ein Stufenverfahren unterbrochen. Im Verbund mit der Ehescheidung ist das reine Auskunftsverfahren nicht zulässig, weil keine Regelung für den Fall der Scheidung zu treffen ist. Hier kommt allein ein Stufenverfahren in Betracht (zum Verbundverfahren Rz. 213 ff.).
670 Rasch
XII. Anträge im Auskunftsverfahren
Schwierig ist beim Auskunftsverfahren vor allem die Formulierung des Antrags. 305 Denn der Antrag muss nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ausreichend bestimmt sein und einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweisen, d.h., er muss den Umfang der geforderten Auskunft präzise benennen (Kap. M Rz. 65 ff.) und die vorzulegenden Belege genau bezeichnen (Kap. M Rz. 72 ff.).1 Das ist nicht leicht, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auskunftspflichtigen unbekannt sind. Es kommt in der gerichtlichen Praxis deshalb immer wieder vor, dass Entscheidungen zur Auskunftspflicht ohne vollstreckungsfähigen Inhalt ergehen, die sich in der Zwangsvollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO als wertlos erweisen.2 Als Minimum an Bestimmtheit muss ein Auskunftsantrag den Zeitraum ent- 306 halten, für den die Einkünfte mitgeteilt werden sollen,3 sowie den Stichtag, zu dem der Stand des Vermögens offen zu legen ist. Außerdem müssen die Belege, die bei einer bestimmten Einkunftsart beigebracht werden sollen, genau bezeichnet werden. Nicht ausreichend bestimmt sind Anträge, in denen nur mit den Worten des Ge- 307 setzes und ohne Zeitangaben Auskunft über „das derzeitige Einkommen“ unter Vorlage „entsprechender Belege“ verlangt wird bzw. die Vorlage „geeigneter Nachweise“.4 Im Übrigen ist der Auskunftsberechtigte gehalten, die gewünschte Auskunft so 308 genau wie möglich zu beschreiben. Dem Auskunftspflichtigen muss klar sein, in welcher Form Auskunft erteilt werden soll (Vorlage einer separaten systematischen Aufstellung der Einkünfte oder Auskunft nur „durch“ Vorlage von Belegen, s. den Praxishinweis zur notwendigen Differenzierung in Kap. I Rz. 35). Ist dem Auskunftsberechtigten bekannt, welche Art Einkünfte der Auskunftsverpflichtete erzielt, kann und sollte er sein Auskunftsbegehren hierauf beschränken.
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Praxishinweis: Es sollte immer nur Auskunft über die Einkünfte verlangt 309 werden, die der Schuldner aller Voraussicht nach tatsächlich hat. Die verlangten Belege sind dementsprechend genau zu bezeichnen. Ausufernde Auskunftsanträge über jede nur denkbare Einkunftsart sind nicht sinnvoll. Sie bergen die Gefahr, als unsubstantiiert kostenpflichtig abgewiesen zu werden, und verzögern das Verfahren wegen allseits aufwendiger Überprüfung nur unnötig. Gleiches gilt für die häufig nur routinemäßig gestellten Anträge auf Vermögensauskunft.
Die folgenden Antragsmuster beziehen sich auf die verschiedenen in Frage kom- 310 menden Einkunftsarten. In den Fällen, in denen die wirtschaftliche Situation des Auskunftspflichtigen unbekannt ist, kann das unter Rz. 193 vorgeschlagene Auskunftsverlangen des Gerichts als Muster verwendet werden.
1 BGH, FamRZ 1983, 454; OLG Karlsruhe, FamRZ 1983, 631; BGH, FamRZ 1993, 1423. 2 OLG Karlsruhe, FamRZ 1983, 631; OLG München, FamRZ 1992, 1207; OLG Zweibrücken, FamRZ 1996, 749; BGH, FamRZ 2002, 666. 3 BGH, FamRZ 2002, 666. 4 OLG Karlsruhe, FamRZ 1983, 631.
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671
K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
E 20
311
Auskunftsantrag betreffend Einknfte aus Arbeitnehmerttigkeit unter Vorlage von Belegen
… Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft zu geben ber seine in den letzten 12 Monaten, nmlich in der Zeit vom … bis … erzielten Einknfte aus Arbeitnehmerttigkeit einschließlich eventueller Lohnersatzleistungen wie Krankengeld, Arbeitslosengeld sowie Steuererstattungen. Die Auskunft ist in Form einer geordneten Zusammenstellung der Einknfte zu erteilen. Ferner wird der Antragsgegner verpflichtet, fr den genannten Zeitraum die monatlichen Gehaltsabrechnungen seines Arbeitgebers, aus denen sich das Bruttound das Nettoeinkommen einschließlich aller Zu- und Abschlge ergibt, vorzulegen sowie – bei Vorliegen der Voraussetzungen – Bescheinigungen ber den Bezug von Krankengeld, Arbeitslosengeld und den letzten Steuerbescheid. …
E 21
312
Auskunftsantrag betreffend Einknfte aus selbstndiger Ttigkeit unter Vorlage von Belegen
… Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller in Form einer systematischen Aufstellung Auskunft zu erteilen ber seine in den letzten 3 Kalenderjahren, nmlich im Zeitraum von … bis …, aus seinem Gewerbebetrieb … (seiner Arztpraxis usw.) erzielten Einknfte und die erteilte Auskunft durch Vorlage der Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Einkommensteuererklrungen und Einkommensteuerbescheide fr denselben Zeitraum zu belegen. …
E 22 313
Auskunftsantrag betreffend Kapitaleinknfte oder Mieteinknfte
… Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft ber ihre in den letzten 3 Jahren, nmlich im Zeitraum von … bis … erzielten Einknfte a) aus Kapitalvermçgen zu erteilen und die erteilte Auskunft durch Vorlage der Zinsbescheinigung der Bank zu belegen, b) aus Vermietung zu erteilen und die erteilte Auskunft durch Vorlage der Einnahmen-berschussrechnung und Einkommensteuerbescheide fr die Jahre … zu belegen. …
672 Rasch
XII. Anträge im Auskunftsverfahren
E 23
Auskunftsantrag betreffend Vermçgen
… Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Der Antragsgegner wird verurteilt, dem Antragsteller Auskunft ber sein Vermçgen am … durch Vorlage einer systematischen Vermçgensaufstellung zu erteilen. …
Nicht selten wird ein Antrag im Stufenverfahren auf Auskunft und Zahlung von 314 Unterhalt mit einem Widerantrag auf Auskunft beantwortet. Zum Teil wird diesem Widerantrag das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen. Wenn bereits ein Verfahren auf Leistung von Unterhalt anhängig sei, habe der Unterhaltsberechtigte zur Begründung seines Unterhaltsanspruchs auch ohne einen solchen Widerantrag seine Einkommensverhältnisse im Einzelnen offen zu legen.1 Demgegenüber verweist das OLG Koblenz auf das rechtlich beachtenswerte Interesse des Unterhaltspflichtigen, alsbald das Maß der Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten zuverlässig ermitteln zu können. Er werde damit in die Lage versetzt, den begründeten Teil der Unterhaltsforderung anzuerkennen und so das eigene Kostenrisiko zu begrenzen.2 Die Vollstreckung des titulierten Auskunftsanspruchs bzw. des Anspruchs auf 315 Vorlage von Belegen richtet sich nach § 120 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 888 ZPO.3 (S. auch Kap. M Rz. 333 ff.) Der Gläubiger muss beim Familiengericht, dem erkennenden Gericht erster Instanz, die Festsetzung eines Zwangsgeldes, ersatzweise von Zwangshaft beantragen, um den Schuldner zur Vornahme der geschuldeten Handlung zu veranlassen. Die Vollstreckung und Beitreibung des festgesetzten Zwangsgeldes zugunsten der Staatskasse ist Sache des Gläubigers. Es wird nicht von Amts wegen beigetrieben.4 Zwangsgeld und Zwangshaft sind reine Beugemittel, sie haben keinen Strafcha- 316 rakter.5 Es ist daher nach § 888 Abs. 2 ZPO nicht erforderlich, die Zwangsmittel zuvor anzudrohen. Auch können die Zwangsmittel nach § 888 ZPO anders als das Ordnungsgeld nicht mehr vollstreckt werden, wenn der Schuldner die geschuldete Auskunft erteilt hat. Umgekehrt wird ein weiteres Zwangsgeld bzw. Zwangshaft verhängt, wenn der Schuldner – was vorkommt – das Zwangsgeld an die Staatskasse bezahlt, ohne Auskunft zu erteilen.6 Zu den Einzelheiten des Vollstreckungsverfahrens s. Kap. M Rz. 333 ff.
1 2 3 4
OLG Frankfurt, FamRZ 1987, 839 f. OLG Koblenz, FamRZ 1993, 1098. Zöller/Stöber, § 888 ZPO Rz. 3 „Auskunft“ und „Vorlage von Belegen“ m.w.N. Zöller/Stöber, § 888 ZPO Rz. 13; BGH, FamRZ 1983, 578; a.A. Baumbach/Hartmann, § 888 ZPO Rz. 18. 5 Zöller/Stöber, § 888 ZPO Rz. 7. 6 Zöller/Stöber, § 888 ZPO Rz. 8; OLG Brandenburg, FamRZ 1998, 180; OLG Karlsruhe, FamRZ 1994, 1274.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
XIII. Anträge im Stufenverfahren E 24 317
Stufenantrag
… Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Der Antragsgegner wird verpflichtet, 1. der Antragstellerin eine vollstndige Auskunft ber seine in den letzten 12 Monaten, nmlich in der Zeit vom … bis … erzielten Einknfte zu erteilen unter Vorlage der monatlichen Gehaltsbescheinigungen seines Arbeitgebers, aus denen das Brutto- und das Nettoeinkommen sowie alle Zu- und Abschlge zu entnehmen sind, und bei einem Bezug von Lohnersatzleistungen unter Vorlage von Bescheiden ber den Bezug von Kranken- bzw. Arbeitslosengeld; 2. an die Antragstellerin ab dem … einen nach Erfllung der Auskunftspflicht noch zu beziffernden monatlichen Unterhaltsbetrag, mindestens aber 350 Euro zu zahlen. Begrndung: (Begrndung des Auskunftsanspruchs unter Darlegung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs; Vorbehalt, ggf. die eidesstattliche Versicherung nach §§ 259, 260 BGB zu verlangen bei fehlender gebotener Sorgfalt der Auskunftserteilung; vorlufige Berechnung des Unterhaltsanspruchs und Ankndigung der endgltigen Bezifferung nach Erfllung des Auskunftsanspruchs; ggf. Beweisangebote, Vorlage von Urkunden etc.)
318
Beim Stufenverfahren wird der Antrag auf Auskunftserteilung mit einem zunächst noch unbezifferten Zahlungsantrag bzw. einem noch unbezifferten Abänderungsbegehren nach §§ 238 oder 239 FamFG in einem Verfahren verbunden (§ 254 ZPO).1 Prozessual stellt das Stufenverfahren einen Sonderfall der objektiven Antragshäufung dar. Das Besondere liegt darin, dass über die Klageanträge nicht gleichzeitig, sondern stufenweise entschieden werden muss. Denn der vom Kläger verfolgte Leistungsantrag kann erst im Anschluss an die vorrangig verlangte Auskunft so präzise gefasst werden, dass eine bestimmte Antragstellung und der Erlass einer vollstreckungsfähigen Entscheidung möglich sind. Deshalb darf der Antragsteller den Leistungsantrag zunächst – abweichend von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO – noch unbestimmt lassen. Nur der Auskunftsantrag muss dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 ZPO genügen (vgl. hierzu Rz. 305 ff.). Erst wenn die verlangte Auskunft erteilt ist, hat der Antragsteller in der folgenden Stufe die begehrte Leistung genau zu beziffern.
319
Ist anzunehmen, dass der Antragsgegner die geschuldete Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt hat, kann der Antragsteller noch vor der Bezifferung des Leistungsantrags in einer zusätzlichen Stufe die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach §§ 260, 259 Abs. 3 BGB beantragen (vgl. hierzu Kap. I Rz. 42 ff.). Der abschließende Leistungsantrag folgt dann in der dritten Stufe.
320
Der Antragsteller ist nicht daran gehindert, neben dem Stufenantrag einen bestimmten Leistungsantrag, etwa in Form eines Mindestbetrages, zu stellen. Ein 1 Wendl/Dose/Schmitz, § 10 Rz. 358.
674 Rasch
XIII. Anträge im Stufenverfahren
rechtliches Interesse an dem Stufenverfahren besteht auch dann, wenn der Antragsteller lediglich wegen eines Spitzenbetrags Auskunft verlangt.1
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Praxishinweis: Das Stufenverfahren dient der Verfahrensökonomie. Es emp- 321 fiehlt sich immer dann, wenn der Unterhaltsanspruch mit Sicherheit besteht, die genaue Höhe der Verpflichtung aber erst der zu erteilenden Auskunft zu entnehmen ist. Bestehen von vornherein Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Schuldners, sollte ein reines Auskunftsverfahren durchgeführt werden, da dafür nur geringe Kosten entstehen (vgl. hierzu unter Rz. 304 ff.). Bei Unterhaltsansprüchen des minderjährigen Kindes ist anstelle der Stufenverfahrens das vereinfachte Verfahren nach § 249 FamFG in Betracht zu ziehen (vgl. hierzu unter Rz. 525 ff.).
Innerhalb des Stufenverfahrens sind die stufenweise erhobenen Ansprüche auf 322 Auskunft, Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und auf Leistung jeweils selbständige Teile eines einheitlichen Verfahrens.2 Über jede Stufe wird gesondert verhandelt. Zu entscheiden ist regelmäßig Stufe für Stufe durch Teilentscheidung, abschließend durch Schlussentscheidung. Über den Auskunftsantrag ergeht allerdings dann keine Teilentscheidung, wenn der Unterhaltsanspruch und damit auch der Auskunftsanspruch dem Grunde nach nicht bestehen. In diesem Fall weist das Gericht die Anträge insgesamt durch Endentscheidung als unbegründet ab, selbst wenn die Beteiligten bis dahin nur auf der ersten Stufe verhandelt haben.3
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Praxishinweis: Nach jeder Teilentscheidung ist für den Übergang zur nächs- 323 ten Stufe ein Antrag erforderlich. Von Amts wegen wird das Verfahren nicht fortgesetzt. Der Antragsteller geht zur 2. Stufe über, indem er den Zahlungsantrag beziffert. Aber auch der Antragsgegner kann das Verfahren vorantreiben, indem er die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung beantragt, z.B., wenn der Zahlungsantrag trotz erteilter Auskunft nicht beziffert und damit unzulässig wird.4
Wenn der Antragsgegner nach Einleitung des Stufenverfahrens freiwillig die ver- 324 langte Auskunft erteilt, können sofort die Anträge der nächsten Stufe gestellt werden. Der Anspruch auf Auskunft muss nicht eigens für erledigt erklärt werden. Denn der dem unbezifferten Zahlungsanspruch vorgeschaltete Auskunftsanspruch sowie der diesem ggf. folgende Antrag auf Versicherung der Auskunft an Eides statt dienen lediglich der Vorbereitung des eigentlichen Verfahrensziels, der Bezifferung des Zahlungsanspruchs. Dementsprechend ist über das Bestehen der Auskunftspflicht nur zu entscheiden, solange noch zu klären ist, ob der Kläger dieses Hilfsmittel zur Bezifferung seiner Ansprüche braucht. Wird der Auskunftsanspruch dagegen – aus welchen Gründen auch immer – fallen gelassen, so erfordert dies keine Erledigungserklärung im Rechtssinne, auch keine teilweise Rücknahme oder einen Teilverzicht, sondern lediglich den Übergang zum Zahlungsanspruch, dem eigentlichen Rechtsschutzziel.5
1 2 3 4 5
BGH, FamRZ 1996, 1070 (1071). Zöller/Greger, § 254 ZPO Rz. 4. BGH, FamRZ 1988, 157. Zöller/Greger, § 254 ZPO Rz. 11. FamGB/Griesche, § 254 Rz. 8 m.w.N.; OLG Köln, FamRZ 1984, 1029.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
325
Mit Zustellung der Antragsschrift (§ 261 Abs. 1 ZPO) werden alle vom Antragsteller geltend gemachten Ansprüche, auch das noch unbestimmte Leistungsverlangen, sofort rechtshängig.1 Die Verjährung des zunächst noch unbestimmten Zahlungsantrages ist gehemmt. Zeigt die erteilte Auskunft, dass der Unterhaltsverpflichtete außerstande ist, Unterhalt zu leisten, muss der weitere unbezifferte Antrag zurückgenommen werden. Eine einseitige Erledigungserklärung kommt nicht in Betracht, da eine Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache insoweit nicht eingetreten ist. Eine wirksame Erledigungserklärung liegt nach der Rechtsprechung des BGH nur vor, wenn eine Klage im Zeitpunkt des nach ihrer Zustellung eingetretenen erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war. Der ursprünglich erhobene Leistungsantrag war aber zu keinem Zeitpunkt begründet.2 Die Kosten des Verfahrens können nach § 243 Abs. 1 Nr. 2 FamFG trotz der Rücknahme nach billigem Ermessen ganz oder teilweise dem Antragsgegner auferlegt werden, wenn er zu dem Unterhaltsverfahren dadurch Anlass gegeben hat, dass er seiner Auskunftsverpflichtung nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist. Haben beide Beteiligte die Hauptsache für erledigt erklärt, befindet das Gericht nur noch über die Kosten nach billigem Ermessen gem. § 243 FamFG, wobei ein Kriterium der Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Abgabe der Erledigungserklärungen ist (s. Rz. 109).3
326
Zum Streitwert des Stufenantrags, s. Rz. 84 ff.; zur Frage der Verfahrenskostenhilfe beim Stufenantrag, s. Rz. 155 ff.
XIV. Abänderungsverfahren 327
In der Praxis spielt die Abänderung gerichtlicher sowie sonstiger Unterhaltstitel eine große Rolle. Nach dem FamFG gliedern sich die Vorschriften zur Abänderung von Unterhaltstiteln nach der Art des abzuändernden Titels, weil für sie jeweils unterschiedliche Regeln gelten. § 238 FamFG bezieht sich auf die Abänderung gerichtlicher Endentscheidungen, § 239 FamFG auf die Änderung von Vergleichen nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sowie auf vollstreckbare Urkunden (vorzüglich auf notarielle Unterhaltsvereinbarungen und auf das vor einem Notar oder dem Jugendamt abgegebene Unterhaltsanerkenntnis) und § 240 FamFG auf die Abänderung von Entscheidungen gemäß §§ 237 und 253 FamFG (erstmalige Festsetzung des Kindesunterhalts im Zusammenhang mit der Vaterschaftsfeststellung und Festsetzung des Kindesunterhalts im vereinfachten Verfahren).
328
Mit der Schaffung spezieller Regelungen über die Änderung von Unterhaltstiteln durch das FamFG ging keine wesentliche Änderung der Rechtslage einher, wie sie sich aus § 323 ZPO a.F. nach den dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen herausgebildet hatte.4 Der Gesetzgeber hat mit der stärkeren Aufgliederung nach Art des abzuändernden Titels nur die Übersichtlichkeit der Regelung erhöht. Außerdem ergibt sich die Rechtslage stärker als bisher unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut selbst.5
1 2 3 4 5
BGH, FamRZ 1995, 797. BGH, NJW 1994, 2895 m.w.N. Bömelburg, FPR 2010, 153 (157). BT-Drucks. 16/6308, S. 170 und 257. BT-Drucks. 16/6308, S. 170 und 257.
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XIV. Abänderungsverfahren
In diesem Kapitel werden die Abänderungsverfahren nach §§ 238, 239 FamFG 329 behandelt. Das Verfahren nach § 240 FamFG findet sich unter Rz. 515. 1. Abänderung gerichtlicher Entscheidungen (§ 238 FamFG) E 25
Abnderungsantrag nach § 238 FamFG
…
330
Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Die Ziffer 1 des Urteils des Amtsgerichts Pankow-Weißensee (Familiengericht) vom … Aktenzeichen … wird dahingehend abgendert, dass der Antragsgegner an die Antragstellerin ab dem … jeweils monatlich im Voraus bis sptestens zum 3. des Monats eine monatliche Unterhaltsrente i.H.v. … Euro zu zahlen hat. oder Die Ziffer 1 des Unterhaltsbeschlusses des Amtsgerichts Tempelhof Kreuzberg (Familiengericht) vom … Aktenzeichen … wird dahingehend abgendert, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin ab … keinen Unterhalt mehr schuldet (oder: nur noch eine Unterhaltsrente von … Euro schuldet). Ferner wird im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 242 FamFG i.V.m. § 769 Abs. 1 ZPO beantragt, die Zwangsvollstreckung aus der vorgenannten Entscheidung fr die Zeit ab … ohne Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen. Begrndung: (Darstellung des Sachverhalts, insbesondere die dem abzundernden Titel zugrunde liegenden Verhltnisse sowie die Abnderungsgrnde (d.h. die gegenwrtige Sachund Rechtslage), Vorlage des abzundernden Titels etc.; die Tatsachen in der Antragsschrift sind im Hinblick auf den Antrag gemß § 242 FamFG, § 769 ZPO glaubhaft zu machen, § 294 ZPO).
§ 238 FamFG ist die – auf § 323 ZPO a.F. aufbauende1 – Spezialregelung für die Ab- 331 änderung gerichtlicher Endentscheidungen in Unterhaltssachen. Sie ermöglicht die notwendige Korrektur einer Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen nach § 258 ZPO, wenn sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse seit Erlass des Unterhaltstitels verändert haben und der Unterhaltsgläubiger aus diesem Grund höheren Unterhalt verlangen bzw. der Unterhaltsschuldner weniger Unterhalt entrichten will. Beide Teile können im Wege des Abänderungsverfahrens die entsprechende Abänderung der gerichtlichen Entscheidung verlangen, wenn nachträglich eine wesentliche Veränderung derjenigen Verhältnisse eingetreten ist, die für die Verpflichtung zur Entrichtung der Unterhaltsrente, für die Bestimmung der Höhe der Leistungen oder der Dauer ihrer Entrichtung maßgebend waren. Das Abänderungsverfahren als verfahrensrechtliches Gestaltungsmittel zielt auf die Abänderung des früheren Unterhaltstitels und erlaubt die Durchbrechung der Rechtskraft gerichtlicher Endentscheidungen. Das Abänderungsverfahren nach § 238 FamFG erfordert eine Gegenüberstellung 332 der für die Unterhaltsfestlegung im bestehenden Titel maßgebenden Verhältnis1 BT-Drucks. 16/6308, S. 257.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
se mit den gegenwärtigen, veränderten Gegebenheiten – weshalb der Antragsteller zu beiden Bezugspunkten vorzutragen hat. § 238 FamFG erlaubt grundsätzlich weder eine freie, von der bisherigen Höhe unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts noch eine abweichende Beurteilung derjenigen Verhältnisse, die bereits aus dem vorangegangenen Verfahren eine Bewertung erfahren haben.1 333
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Praxishinweis: Im Abänderungsverfahren darf sich der darlegungs- und beweisbelastete Antragsteller nicht darauf beschränken, den nach den gegenwärtigen Verhältnissen zu zahlenden Unterhalt zu berechnen. Vielmehr muss er dem Gericht den Vergleich zwischen den früheren, für die Unterhaltsfestlegung maßgebenden Verhältnissen und der gegenwärtigen Sachund Rechtslage ermöglichen.
a) Zulässigkeit des Abänderungsantrags aa) Anwendungsbereich der Norm 334
Einer Abänderung zugänglich ist gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 FamFG eine in der Hauptsache ergangene Endentscheidung des Gerichts, also das Urteil in Unterhaltsstreitigkeiten oder der an die Stelle eines Urteils tretende Unterhaltsbeschluss nach §§ 116, 38 FamFG.
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Der Anwendungsbereich des § 238 FamFG ist weit. Nach einer Titulierung des vollen Unterhalts ist regelmäßig nur das Abänderungsverfahren nach § 238 FamFG möglich und ein Leistungsverfahren (Erstverfahren) ausgeschlossen.2 Dabei spricht im Zweifel eine Vermutung dafür, dass in einem vorhergehenden Gerichtsverfahren der Unterhalt in voller Höhe geltend gemacht worden ist.3 (Zum Antrag bei bereits tituliertem Teilunterhalt s. Rz. 294 ff.). In den Anwendungsbereich fallen alle Urteile oder Beschlüsse nach §§ 116, 38 FamFG, die eine Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt enthalten (auch Anerkenntnis- und Versäumnisurteile/bzw. -beschlüsse) sowie Abänderungsurteile/-beschlüsse, selbst wenn darin die zuvor zuerkannte Unterhaltsrente aberkannt wird.4
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Ein Abänderungsantrag muss sich gegen den zuletzt ergangenen vollstreckbaren Unterhaltstitel richten.5 Das gilt unabhängig von der Art des Titels. Ist ein Unterhaltsschuldner z.B. zunächst durch Urteil zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet worden und hat er später in einer vollstreckbaren Urkunde vor dem Jugendamt einen inzwischen erhöhten Unterhalt anerkannt, ist nicht das Urteil nach § 238 FamFG, sondern der nachfolgende Titel gemäß § 239 FamFG abzuändern. Haben sich die Beteiligten jedoch auf Unterhaltsbeträge, die von einem früher ergangenen Unterhaltsurteil abweichen, lediglich privat verständigt und darauf verzichtet, einen neuen vollstreckbaren Titel zu schaffen, ist bei einem neuerlichen Streit ein Abänderungsantrag gegen das ursprüngliche Urteil geboten. Das gilt auch, wenn das Jugendamt als Unterhaltsbeistand per „Aktenverfügung“ befristet einen geringeren als den vollstreckbar festgesetzten Unterhalt
1 2 3 4
BGH, FamRZ 2010, 195 (196); FamRZ 2007, 1460 m.w.N. BGH, FamRZ 2009, 314 (315). BGH, FamRZ 2009, 314 (315). BGH, FamRZ 2007, 983; FamRZ 2005, 101 (102 f.); FamRZ 1985, 376 (377); OLG Hamm, FamRZ 2007, 1032. 5 BGH, FamRZ 1982, 684.
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XIV. Abänderungsverfahren
verlangt, weil z.B. der Unterhaltsschuldner arbeitslos geworden und nicht mehr leistungsfähig ist. Der Titel (Urteil, Beschluss, Jugendamtsurkunde) bleibt bestehen, wenngleich vollstreckungsrechtlich bindend für einen bestimmten Zeitraum auf die Geltendmachung von Unterhalt verzichtet wurde. Die Beteiligten werden allerdings auf das Abänderungsverfahren nur dann ver- 337 wiesen, wenn der streitige Unterhaltsanspruch durch die gerichtliche Endentscheidung für die Zukunft endgültig geregelt ist. Nicht nach § 238 FamFG abänderbar sind deshalb: – Einstweilige Anordnungen: Diese nicht in der Hauptsache ergangenen Regelungen stellen nur vorläufige Titel dar, die aufgrund einer summarischen Prüfung ergehen. Hier kommt zunächst eine Abänderung nach § 54 Abs. 1 FamFG in Betracht.1 Außerdem haben beide Teile die Möglichkeit, das Hauptverfahren einzuleiten, der Unterhaltsgläubiger kann Leistungsantrag, der Unterhaltsschuldner einen negativen Feststellungsantrag stellen.2 – Endentscheidungen mit voller Abweisung des Leistungsantrags: Sie verneinen einen Unterhaltsanspruch wegen fehlender Bedürftigkeit oder mangelnder Leistungsfähigkeit des Beklagten. Eine solche Endentscheidung hat – anders als die zusprechende Entscheidung – keine in die Zukunft weisende Rechtskraftwirkung, für deren Durchbrechung es der Vorschrift des § 238 FamFG bedürfte. Die Abweisung des Unterhaltsantrages beruht nämlich nicht auf einer richterlichen Prognose der Zukunft, sondern auf den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung. Wird der Unterhaltspflichtige später wieder leistungsfähig oder der Unterhaltsgläubiger wieder unterhaltsbedürftig, ist kein Angriff gegen Richtigkeit des früheren Urteils erforderlich. Das Unterhaltsverlangen ist vielmehr im Wege eines neuen Leistungsantrags, der nicht an die Voraussetzungen des § 238 FamFG gebunden ist, geltend zu machen. Die Rechtskraft der abweisenden Endentscheidung steht einem neuen Verfahren ebenso wenig im Wege wie in sonstigen Abweisungsfällen, in denen der Eintritt einer neuen Tatsache einen anderen, von der rechtskräftigen Endentscheidung nicht erfassten Lebensvorgang schafft.3 Rechtlich nicht möglich ist eine Abänderung der gerichtlichen Entscheidung 338 auch in folgenden Fällen: – Ein Titel über den Trennungsunterhalt kann nicht abgeändert werden, wenn nachehelicher Unterhalt verlangt wird. Trennungs- und Geschiedenenunterhalt sind nicht identisch; der Anspruch auf Trennungsunterhalt erlischt mit der Ehescheidung.4 Der Gläubiger muss einen Leistungsantrag stellen.
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Praxishinweis: Anders liegt es beim Kindesunterhalt: Der Anspruch des 339 minderjährigen Kindes und des volljährigen Kindes bildet trotz unterschiedlicher Ausgestaltung eine Einheit.5 Ein volljährig gewordenes Kind kann erhöhten Unterhaltsbedarf nur im Wege des Abänderungsverfahrens geltend machen, ebenso wie auch der Unterhaltspflichtige eine Herabsetzung seiner
Zöller/Lorenz, § 238 FamFG Rz. 5. Prütting/Helms/Bömelburg, § 238 FamFG Rz. 41. BGH, FamRZ 2005, 101; BGH, FamRZ 1982, 259. BGHZ 78, 130 (st.Rspr.). BGH, FamRZ 1984, 682; OLG Zweibrücken, FamRZ 1992, 841; 2000, 907.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
Unterhaltsverpflichtung nur über das Abänderungsverfahren erreichen kann. – Ein Abänderungsverfahren findet auch dann nicht statt, wenn der titulierte Unterhaltsanspruch nicht mehr abgeändert werden kann, sondern endgültig erloschen ist. In diesem Fall ist ein Verfahren nach § 767 ZPO einzuleiten.1 340
In der gerichtlichen Praxis ist oft zweifelhaft, ob anstelle eines Abänderungsverfahrens ein Erst- und Zusatzantrag gestellt werden müsste (vgl. im Näheren auch Rz. 294 ff.). Gleiches gilt für die Frage, ob der Antragsteller im Wege des Abänderungsverfahrens oder der Zwangsvollstreckungsabwehrverfahrens vorzugehen hat (vgl. im Näheren auch Rz. 388 ff., 391, 489 ff.). Die Anwendungsbereiche der verschiedenen Verfahrensarten lassen sich oft nur schwer abgrenzen und überschneiden sich auch zum Teil. Das Gericht wird in jedem Fall auf die – seiner Ansicht nach – richtigen Anträge hinwirken müssen (§ 139 ZPO). Zudem kann ein Abänderungsantrag ohne Weiteres in einen (erstmaligen) Leistungsantrag umgedeutet werden.2 Ist Leistungsantrag gestellt, kann der Antrag jedenfalls im Wege der Änderung (§ 263 ZPO) auch noch in der Rechtsmittelinstanz als Abänderungsantrag gestellt werden.3 bb) Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen
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Neben den allgemeinen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen wie der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts (vgl. hierzu Rz. 17 ff.) ist die Zulässigkeit eines Abänderungsantrags nach § 238 FamFG von weiteren besonderen Voraussetzungen abhängig. Die Beteiligten des Abänderungsverfahrens müssen mit denen des Vorprozesses identisch sein; allerdings reicht es aus, dass sich die Rechtskraft der Vorentscheidung auf sie erstreckt.4 Zur Erhebung der Abänderungsverfahren befugt sind daher Kinder, wenn ihr Unterhaltsanspruch von einem Elternteil im Wege der gesetzlichen Verfahrensstandschaft geltend gemacht wurde und die gesetzliche Verfahrensstandschaft beendet ist.5 Zur Führung des Abänderungsverfahrens befugt ist auch der Rechtsnachfolger eines Beteiligten.6 Umgekehrt ist der Inhaber eines Unterhaltstitels selbst dann gegenüber einem Abänderungsbegehren nach § 238 FamFG passivlegitimiert, wenn er Arbeitslosengeld bezieht und sein Unterhaltsanspruch kraft Gesetzes auf die Agentur für Arbeit übergegangen ist. Neben die Beteiligten tritt im Falle des gesetzlichen Forderungsübergangs der öffentliche Leistungsträger.7
342
Die Zulässigkeit des Abänderungsantrags setzt nach § 238 Abs. 1 Satz 2 FamFG ferner voraus, dass der Antragsteller Tatsachen vorträgt, aus denen sich – ihr Vorliegen unterstellt – eine wesentliche Veränderung derjenigen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt, die für die Festlegung des Unterhalts maßgebend waren.8 Diese Prüfung ist bedeutsam, weil nur der als unbegründet abge1 2 3 4 5 6 7 8
OLG Hamm, FamRZ 1993, 1476 f. BGH, FamRZ 1986, 662 m.w.N.; OLG Hamm, FamRZ 1997, 619. BGH, NJW 2001, 2259 (2260). BGH, NJW 1983, 685; KG, FamRZ 1994, 760. BGH, NJW 1983, 1976. OLG Düsseldorf, FamRZ 1994, 765; OLG Brandenburg, FamRZ 1999, 1512. OLG Brandenburg, FamRZ 2004, 552; Prütting/Helms/Bömelburg, § 238 Rz. 70. BGH, FamRZ 2007, 1459 (1460).
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XIV. Abänderungsverfahren
wiesene Abänderungsantrag Präklusion nach § 238 Abs. 2 FamFG für ein weiteres Abänderungsverfahren bewirken kann (vgl. hierzu Rz. 351). b) Begründetheit des Abänderungsantrags Gemäß § 238 FamFG müssen sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnis- 343 se, die der abzuändernden Entscheidung zugrunde lagen, nach Erlass der Entscheidung wesentlich geändert haben. Liegen diese in § 238 Abs. 2 und Abs. 4 FamFG genannten Voraussetzungen vor, ist als Rechtsfolge die Entscheidung unter Wahrung ihrer Grundlagen (§ 238 Abs. 4 FamFG) und der Zeitschranke nach § 238 Abs. 3 FamFG anzupassen. aa) Wesentliche Veränderung der unterhaltsrelevanten Verhältnisse 344
Beispiele – das Einkommen des Unterhaltspflichtigen ist gestiegen/gesunken; Belastungen oder weitere Unterhaltsberechtigte auf seiner Seite sind entfallen; – der Unterhaltsberechtigte hat nunmehr eigenes Einkommen/kein eigenes Einkommen mehr; er bezieht Rente,1 – der Unterhaltsberechtigte lebt inzwischen in einer gefestigten neuen Beziehung; – die Unterhaltsbedarfssätze oder die Selbstbehaltssätze in den Unterhaltsrichtlinien der Oberlandesgerichte sind erhöht worden; – im Falle von statischem Kindesunterhalt: das minderjährige Kind hat die nächste Altersstufe erreicht – bei fiktiven Einkünften: das Lohnniveau ist gestiegen; der arbeitslose Unterhaltspflichtige hat sich inzwischen ausreichend, aber auch erfolglos um eine Beschäftigung bemüht.2 Zur strittigen Frage, unter welchen Voraussetzungen das Abänderungsbegehren eines Unterhaltspflichtigen erfolgreich sein kann, dem im Ausgangsverfahren wegen mutwilliger Aufgabe seiner Arbeit ein fiktives Einkommen zugerechnet worden ist, s. Kap. A Rz. 165.
In all diesen Fällen der Änderungen tatsächlicher Art (hierzu zählen auch die Ta- 345 bellensätze als Ausdruck der wirtschaftlichen Verhältnisse) erlaubt das Abänderungsverfahren nach § 238 FamFG eine Korrektur der zwischenzeitlich unvorhersehbar unrichtig gewordenen Unterhaltsfestlegung, wobei eine wesentliche Veränderung gemäß § 238 Abs. 4 FamFG immer dann vorliegt, wenn die Veränderung zu einer um ca. 10 % erhöhten oder verminderten Unterhaltsrente führt.3 Innerhalb der Unterhaltstabellen ist das Kriterium der Wesentlichkeit dann erfüllt, wenn der Unterhaltsbetrag der nächsten Altersstufe zu entnehmen ist. Die eingetretene Änderung muss überdies nachhaltig sein. Lediglich vorüber- 346 gehende Änderungen, z.B. eine kurzzeitige Arbeitslosigkeit, berechtigen nicht zur Abänderung des Unterhalts.4 Ebenso wie die Änderungen tatsächlicher Art erlauben eine Änderung der Ge- 347 setzeslage und die ihr gleichkommende verfassungskonforme Auslegung einer 1 2 3 4
BGH, FamRZ 2005, 1479. BGH, FamRZ 2008, 872 (873) m.w.N. BGH, FamRZ 1992, 539. OLG Dresden, FamRZ 1998, 767.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
Norm durch das BVerfG eine Abänderung des Unterhaltstitels. Gleiches gilt für die Änderung einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung, wenn sie eine andere Rechtslage schafft und in ihren Auswirkungen einer Gesetzesänderung oder Änderung der Rechtslage durch die Rechtsprechung des BVerfG gleichkommt. Dies trifft auf die geänderte Rechtsprechung des BGH zur Bedarfsbemessung eines früher im Haushalt tätigen Ehegatten zu (s. dazu Kap. E Rz. 70 f.). Der mit Urteil vom 13.6.2001 vollzogene Übergang von der sog. Anrechnungs- zur Differenzmethode kommt einer Gesetzesänderung nahe, zumal das BVerfG mit Beschluss vom 5.2.2002 entschieden hat, dass erst die neue Rechtsprechung des BGH verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei.1 Zur Änderung der Gesetzeslage durch das UÄndG und die Konsequenzen für die Abänderung von Titeln s. Kap. O Rz. 9 ff. 348
Kein Abänderungsgrund sind dagegen neue Beweismöglichkeiten oder eine neue und abweichende rechtliche Bewertung gleichgebliebener Umstände.
349
Die in einem Unterhaltsverfahren aufgrund eines Anerkenntnisses ergangene Entscheidung (§ 307 ZPO) entfaltet ebenso wie eine Versäumnisentscheidung gemäß § 331 ZPO aufgrund ihrer materiellen Rechtskraft Bindungswirkung für ein späteres Abänderungsverfahren.2 Doch ist bei diesen Entscheidungsformen die Frage, welche Verhältnisse für die Feststellung der Unterhaltsverpflichtung maßgebend waren, nicht leicht zu beantworten. – Wird die Abänderung einer Anerkenntnisentscheidung verlangt, so kommt es für die Frage, ob eine wesentliche Veränderung der maßgeblichen Verhältnisse eingetreten ist, auf die dem Anerkenntnis zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände an.3 Nach der Auffassung des BGH beruht die Entscheidung aufgrund eines Anerkenntnisses weder auf dem Vorbringen des Antragstellers noch auf den hiervon möglicherweise abweichenden Erwägungen, die den Unterhaltsschuldner zu dem Anerkenntnis bewogen haben könnten. Deshalb könnten nur die dem Anerkenntnisurteil zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände dafür maßgebend sein, ob sich nachträglich eine Veränderung ergeben hat.4 – Auch für die Abänderung des Versäumnisbeschlusses kommt es auf die seinerzeit tatsächlich vorliegenden Verhältnisse und nicht auf den nach § 331 Abs. 1 ZPO als zugestanden gewerteten Tatsachenvortrag des Antragstellers an.5 Nur in dem Umfang, in dem sich die tatsächlichen Verhältnisse bei Ablauf der Einspruchsfrist (§ 238 Abs. 2 FamFG) inzwischen geändert haben, ist eine Abänderung der rechtskräftigen Versäumnisentscheidung zulässig. Eine Korrektur der dem abzuändernden Versäumnisbeschluss vorausgegangenen Fehler, die im Abänderungsverfahren nicht möglich ist, kann nach Auffassung des BGH nur so ausgeschlossen werden.6
350
Beispiel Durch Versäumnisbeschluss vom 18.12.2012 ist der Unterhaltsschuldner auf der Grundlage eines Monatslohns von 2 000 Euro zu Unterhaltszahlungen von 620 Euro monatlich 1 2 3 4 5 6
BGH, FamRZ 2001, 986; BVerfG, FamRZ 2002, 527. BGH, FamRZ 2007, 1459 m.w.N. BGH, FamRZ 2007, 1459 m. Anm. Hoppenz und Anm. Herr, FamRZ 2007, 1877. BGH, FamRZ 2007, 1459 m. Anm. Hoppenz und Anm. Herr, FamRZ 2007, 1877. BGH, FamRZ 2010, 1150. BGH, FamRZ 2010, 1150.
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XIV. Abänderungsverfahren verurteilt worden. Tatsächlich hatte der Unterhaltspflichtige zu diesem Zeitpunkt seine Arbeitsstelle aufgrund eigener Kündigung bereits verloren. Im Abänderungsverfahren ist diese Tatsache ebenso wenig zu berücksichtigen wie die Behauptung des Unterhaltsschuldners, er sei aufgrund der Arbeit in Dreischichtsystem zur Kündigung seiner Arbeit berechtigt gewesen. Mit diesen Einwendungen ist der Unterhaltsschuldner präkludiert. Behauptet der Unterhaltspflichtige, er hätte seinen Arbeitsplatz jedenfalls im Jahr 2013 durch betriebsbedingte Kündigung verloren, trägt er insoweit die Darlegungs- und Beweislast.
bb) Nachträgliche Änderung, Präklusion Der Abänderungsantrag kann gem. § 238 Abs. 2 FamFG nur auf Gründe gestützt 351 werden, die nach Schluss der Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht möglich ist oder war. Diese Vorschrift enthält die aus § 323 Abs. 2 ZPO a.F. bekannte Tatsachenpräklusion für den Antragsteller. Für die Präklusionswirkung kommt es nach dem Wortlaut in § 238 Abs. 2 352 FamFG allein darauf an, ob die Gründe, auf die ein Abänderungsantrag gestützt wird, vor oder nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz entstanden sind. Für die zeitliche Zensur ist maßgeblich, wann die wesentliche Veränderung objektiv eingetreten ist, nicht ein eventuell früherer Zeitpunkt, zu dem eine Änderung voraussehbar war.1 Die Präklusion ist insbesondere bei Umständen, die im Erstverfahren nicht vor- 353 getragen wurden, von Bedeutung.2 Der Antragsteller kann seinen Abänderungsantrag nicht auf Gründe gestützt werden, die bereits im vorigen Verfahren durch den damaligen Antragsteller/Kläger oder dessen Gegner3 hätten eingeführt werden können. Dies soll selbst für solche Umstände gelten, die im Erstverfahren deshalb nicht berücksichtigt wurden, weil keiner der Beteiligten sie kannte.4 Denn das Abänderungsverfahren dient nicht der Fehlerkorrektur. Der Antragsgegner des Abänderungsverfahrens ist dagegen in seiner Rechtsver- 354 teidigung nicht an die Präklusionsvorschrift gemäß § 238 Abs. 2 FamG gebunden. Hier soll die Rechtskraftwirkung der vorangegangenen Endentscheidung nicht beseitigt, sondern gewahrt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass das Vorbringen nicht schon Gegenstand des Ausgangsverfahrens war.5 Der Antragsgegner ist deshalb auch ausgeschlossen mit Tatsachen, die er im Ausgangsverfahren vorgetragen und die das Gericht mangels ausreichender Substantiierung unberücksichtigt gelassen hat;6 s. auch den Praxishinweis in Kap. F Rz. 51. Bei mehreren aufeinanderfolgenden Abänderungsverfahren kommt es nur auf ei- 355 ne Änderung der maßgeblichen Verhältnisse seit Schluss der Tatsachenverhand-
1 2 3 4
Prütting/Helms/Bömelburg, § 238 FamFG Rz. 73. Prütting/Helms/Bömelburg, § 238 FamFG Rz. 79. Johannsen/Henrich/Brudermüller, § 238 Rz. 61, 96 f. Zöller/Vollkommer, § 323 ZPO Rz. 33; Baumbach/Hartmann, § 323 ZPO Rz. 50; OLG Köln, FamRZ 1987, 846; OLG Zweibrücken, FamRZ 1981, 1190; OLG Düsseldorf, FamRZ 1979, 803. 5 BGH, FamRZ 2001, 1364; Johannsen/Henrich/Brudermüller, § 238 FamFG Rz. 92, 99. 6 BGH, FamRZ 2001, 1364 (1365); OLGR Köln 2007, 218; KG, Urt. v. 9.3.2010 – 18 UF 91/09.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
lung des letzten Verfahrens an, und zwar unabhängig von der Parteistellung oder Zielrichtung des Vorverfahrens.1 Präklusion kann in diesen Fällen auch ein den Änderungsantrag abweisender Beschluss, bzw. ein früheres klageabweisendes Urteil bewirken, wenn die Entscheidung im Vorverfahren – im Rahmen der Überprüfung der ursprünglichen Prognose – die künftige Entwicklung der Verhältnisse vorausschauend berücksichtigt hat.2 Der BGH betont allerdings in einer jüngeren Entscheidung, dass die Präklusion nicht weiter reicht als die Rechtskraft des abzuändernden Beschlusses.3 Damit stellt er seine frühere Rechtsprechung in Frage, wonach ein Antragsteller auch dann mit Abänderungsgründen ausgeschlossen ist, wenn er in einem vorangegangenen Verfahren als Antragsgegner zwar obsiegt, aber keinen – auf die bereits vorliegenden Gründe – Abänderungswiderantrag gestellt hat. Hier deutet sich eine Änderung der Rechtsprechung an.4 356
Zu der Frage, ob eine bestehende Unterhaltsregelung zum Aufstockungsunterhalt im Wege eines Abänderungsantrags an das mit dem 1. Januar 2008 in Kraft getretene neue Unterhaltsrecht angepasst werden kann, wenn eine Befristung des Aufstockungsunterhalts schon nach dem bis zum 31.12.2007 geltenden Recht möglich war, aber nicht erfolgt ist, vgl. Kap. O Rz. 14 f. und Kap. F Rz. 49 ff. cc) Unterhaltsanpassung
357
Der Unterhalt ist unter Wahrung der Grundlagen der Erstfestsetzung der veränderten Sachlage anzupassen. Bei einer kontradiktorischen Endentscheidung ist eine von der ersten Entscheidung unabhängige Neufestsetzung oder eine von der Erstentscheidung abweichende Beurteilung der Verhältnisse nicht möglich.5
358
Sind die Berechnungsgrundlagen für eine Anerkenntnisentscheidung nicht mehr rekonstruierbar, bleibt nur die Möglichkeit, den geschuldeten Unterhalt – wie bei der Erstfestsetzung – nach den gesetzlichen Vorschriften neu zu bemessen. Lässt sich bei einem Anerkenntnis die Berechnung des dann titulierten Unterhalts, gemessen an den damaligen tatsächlichen Verhältnissen, nicht nachvollziehen, so ist der geschuldete Unterhalt nach den gesetzlichen Vorschriften neu zu berechnen.6 c) Zeitschranke
359
Nach § 238 Abs. 3 Satz 1 FamFG ist die Abänderung einer Entscheidung zum Unterhalt grundsätzlich nur für die Zeit ab Rechtshängigkeit des Abänderungsantrags zulässig.
360
Doch darf die Abänderung einer gerichtlichen Entscheidung in einer Unterhaltsstreitsache auch für die Zeit vor Rechtshängigkeit des Abänderungsantrags erfolgen, wenn der Antrag auf Erhöhung des Unterhalts gerichtet ist und der Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts Unterhalt für 1 BGH, FamRZ 2012, 1285 (m.w.N.); Prütting/Helms/Bömelburg, § 238 FamFG Rz. 103. 2 BGH, FamRZ 2013, 1215 Tz. 17, m. Anm. Hoppenz; BGH, FamRZ 2012, 289, m. Anm. Hoppenz. 3 BGH, FamRZ 2013, 1215 Tz. 21, m. Anm. Hoppenz. 4 BGH, FamRZ 2013, 1215 Tz. 20 und 21. 5 BGH, FamRZ 2001, 1364, st.Rspr.; vgl. Graba, FamRZ 2002, 715 (725). 6 BGH, FamRZ 2007, 1459.
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XIV. Abänderungsverfahren
Vergangenheit verlangen kann (§ 238 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Das ist dann möglich, wenn der Verpflichtete vom Berechtigten im Geltungsbereich des § 1613 BGB aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte oder sein Vermögen zum Zweck der Unterhaltsberechnung Auskunft zu erteilen, oder wenn der Verpflichtete mit der erhöhten Unterhaltszahlung in Verzug gesetzt worden ist. Ein Antrag auf rückwirkende Herabsetzung des Unterhalts ist ebenfalls zulässig, 361 wenn der Antragsteller ein entsprechendes Auskunfts- oder Verzichtsverlangen gestellt hat (§ 238 Abs. 3 Satz 3 FamFG). Nach der Formulierung des Gesetzes ist unklar, ob sich das erforderliche entsprechende Verzichtsverlangen nur auf eine (nicht näher spezifizierte) „Herabsetzung“ des Unterhalts richten oder ob es inhaltlich dem Unterhaltsverlangen entsprechen muss, welches nach materiellem Recht den Unterhaltsschuldner zur Nachzahlung verpflichten kann. Der Begründung des Gesetzes zufolge ist Letzteres gemeint. Dort heißt es: Das auf eine Herabsetzung gerichtete Verlangen unterliegt spiegelbildlich den Voraussetzungen, für die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts Unterhalt für die Vergangenheit verlangt werden kann (§ 1613 Abs. 1 BGB). Erforderlich ist daher entweder ein Auskunftsverlangen mit dem Ziel der Herabsetzung des Unterhalts gegenüber dem Unterhaltsgläubiger oder eine „negative Mahnung“.1 Anders als bei der Erhöhung des Unterhalts wirken diese Handlungen jedoch nicht auf den vergangenen Monatsersten zurück (§ 1613 Abs. 1 BGB), sondern erst ab dem Ersten des Folgemonats (§ 238 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Für mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit kann eine Herabsetzung des Unterhalts nicht verlangt werden (§ 238 Abs. 3 Satz 4 FamFG). Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe, d.h. ein vorgeschaltetes 362 Verfahrenskostenhilfeverfahren, durchbricht die Zeitschranke nicht. Der Kläger muss hier entweder um sofortige Zustellung des Antrags nach § 15 Nr. 3 FamGKG nachsuchen oder den Gerichtskostenvorschuss einzahlen.2 2. Abänderung von Vergleichen und Urkunden (§ 239 FamFG) E 26
Abnderungsantrag nach § 239 FamFG
…
363
Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Die Ziffer 1 des von den Beteiligten am … vor dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg (Familiengericht) zum Aktenzeichen … geschlossenen Vergleichs wird dahingehend abgendert, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin ab … keinen Unterhalt mehr schuldet (oder: nur noch eine Unterhaltsrente von … Euro schuldet). Ferner wird im Wege der einstweiligen Anordnung nach §§ 242 FamFG, 769 Abs. 1 ZPO beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem vorstehenden Vergleich fr die Zeit ab … ohne Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen.
1 BT-Drucks. 16/6308, S. 258. 2 Zweifelnd Zöller/Vollkommer, § 323 ZPO Rz. 38.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
Begrndung: (Darstellung des Sachverhalts, insbesondere die dem abzundernden Titel zugrunde liegenden Verhltnisse sowie die Abnderungsgrnde, Vorlage des abzundernden Titels etc.; die Tatsachen in der Antragsschrift sind im Hinblick auf den Antrag gemß §§ 242 FamFG, 769 ZPO glaubhaft zu machen, § 294 ZPO).
a) Zulässigkeit des Abänderungsverfahrens aa) Anwendungsbereich und Abgrenzung 364
Enthält ein Vergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO oder eine vollstreckbare Urkunden eine Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt, kann jeder Teil die Abänderung beantragen (§ 239 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Die Norm regelt die Änderung von nicht der Rechtskraft fähigen, aber bindenden Unterhaltstiteln. Der Abänderung nach § 239 Abs. 1 FamFG unterliegen insbesondere: – gerichtlich protokollierte Vergleiche zur Regelung des Unterhalts; – notarielle Urkunden mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung und die von den Jugendämtern nach §§ 59, 60 SGB VIII errichteten Urkunden.
365
Die Beteiligten sind auf das Abänderungsverfahren nur dann verwiesen, wenn der streitige Unterhaltsanspruch in vollstreckbarer Form geregelt ist. Nicht nach § 239 FamFG abänderbar sind deshalb privatschriftliche Vereinbarungen.1 Beansprucht der Unterhaltsberechtigte mehr als den vereinbarten Unterhalt, muss er ein Zahlungsverfahren (§ 258 ZPO) einleiten. Will der Unterhaltsverpflichtete dagegen die Unterhaltszahlungen reduzieren, muss er auf das negative Feststellungsverfahren zurückgreifen (sofern er nicht die Zahlung einstellen und die Reaktion der Gegenseite abwarten will). Die Auslegung und Anpassung der privatschriftlichen Vereinbarung erfolgt im gerichtlichen Verfahren nach den Regeln des materiellen Rechts, die Abänderung des vereinbarten Unterhalts unterliegt damit den in § 313 BGB geregelten Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage.
366
Ist durch einen gerichtlich protokollierten Vergleich oder durch eine notariell beurkundete Vereinbarung Unterhalt nur für einen bestimmten Zeitraum festgelegt worden, so ist ein für einen späteren Zeitraum behaupteter Unterhaltsanspruch im Wege des Leistungsantrags (§ 258 ZPO) geltend zu machen.2 Auch wenn die Beteiligten mit der getroffenen Regelung zum Ausdruck bringen wollten, dass für die Zukunft kein Anspruch auf Unterhalt mehr besteht, beschränkt sich die Vereinbarung auf den festgelegten materiellen Anspruch. Sein künftiges Nichtbestehen wird durch eine Vereinbarung – anders als bei einem Urteil – nicht bindend festgestellt.3
367
Ungeklärt ist die Frage, ob dem Unterhaltsberechtigten das Abänderungsverfahren nach § 239 FamFG eröffnet ist, wenn der Unterhaltsverpflichtete eindeutig nur einen Teil (Sockelbetrag) des verlangten Unterhalts in vollstreckbarer Form
1 Wendl/Dose/Schmitz, § 10 Rz. 255 f.; BGH, FamRZ 1982, 782. 2 BGH, FamRZ 2007, 983 m. Anm. Schürmann. 3 BGH, FamRZ 2007, 983 m. Anm. Schürmann; Keidel/Meyer-Holz, § 239 FamFG Rz. 27.
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XIV. Abänderungsverfahren
anerkannt hat.1 Der Wortlaut des § 239 FamFG lässt dies zu. Er verlangt lediglich eine Urkunde, die eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen enthält. Nicht vorausgesetzt ist, dass der urkundlich festgehaltene Unterhaltsbetrag den vollen Unterhalt darstellt. Die zu § 323 Abs. 4 ZPO a.F. vom BGH zum Teil vertretenen Auffassung2, der Unterhaltsberechtigte müsse den darüber hinausgehende Spitzenbetrag gesondert im Wege des Leistungsantrags verfolgen, könnte überholt sein (vgl. im Näheren Rz. 296). bb) Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen Wie bei § 238 FamFG gehört zur Zulässigkeit eines Abänderungsantrags neben 368 den allgemeinen und besonderen Voraussetzungen eines Abänderungsverfahrens (wie örtliche Zuständigkeit des Gerichts, Identität der Beteiligten, vgl. Rz. 341) der schlüssige Vortrag von Abänderungsgründen. Der Antragsteller muss Tatsachen vortragen, die – ihr Vorliegen unterstellt – die Abänderung rechtfertigen (§ 239 Abs. 1 Satz 2 FamFG). b) Begründetheit des Abänderungsantrags Die Abänderung von Vergleichen und Urkunden unterliegt allein dem materiel- 369 len Recht. § 239 Abs. 2 FamFG bestimmt, dass sich die weiteren Voraussetzungen und der Umfang der Abänderung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts richten. Dabei ist zwischen Unterhaltsvereinbarungen (z.B. Prozessvergleich oder notarieller Vertrag) und einseitigen Verpflichtungserklärungen (z.B. der Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt nach §§ 59, 60 SGB VIII) zu unterscheiden. aa) Abänderung von Vereinbarungen Geht es um die Abänderung eines gerichtlich protokollierten Vergleichs oder ei- 370 ner notariellen Vereinbarung, ist zunächst zu prüfen, ob die Beteiligten hierzu besondere Absprachen getroffen haben. Solche Regelungen sind in dem vom materiellen Recht (§ 1614 Abs. 1 BGB) und den guten Sitten gezogenen Grenzen zu beachten.3 So können die Vertragspartner einen (befristeten) Ausschluss der Abänderungsmöglichkeit vereinbaren, ebenso wie die Abänderung ohne Bindung an die Grundlagen der Vereinbarung, nur nach Maßgabe des gesetzlichen Unterhaltsrechts. In diesem Fall ist die Abänderbarkeit oder der Ausschluss der Abänderbarkeit Teil der Vereinbarung. Ein Beispiel findet sich unter Kap. J Rz. 30. Sind zur Abänderbarkeit der Vereinbarung keine besonderen Absprachen getrof- 371 fen, unterliegt die Abänderung den Regeln über die Störung bzw. den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Dabei ist für die Beantwortung der Frage, welche Verhältnisse zur Grundlage der Vereinbarung gehören und wie die Beteilig1 Hütter/Kodal, FamRZ 2009, 917 (922) hält den Abänderungsantrag nach § 239 FamFG für allemal zulässig; a.A. Graba, FPR 2010, 159, 160. 2 BGH, FamRZ 2010, 195 (197) m. Anm. Schmidt, FamRZ 2010, 447; BGH, FamRZ 2009, 314 (315); jeweils ohne Auseinandersetzung mit der eigenen Rspr. in BGH, FamRZ 2008, 1152; BGH, FamRZ 2004, 24. 3 Hütter/Kodal, FamRZ 2009, 917 (922); Heinemann, FamRB 2010, 184 unter Hinweis darauf, dass auch eine ausdrückliche Unabänderlichkeitsklausel an §§ 313, 242 BGB zu messen ist.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
ten sie bewerten, allein auf den Willen der Vertragspartner abzustellen. Haben sich diese Grundlagen nach Abschluss der Unterhaltsvereinbarung schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, kann die Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (§ 313 Abs. 1 BGB). Danach hat ein Abänderungsantrag in der Regel Erfolg, wenn der Antragsteller darlegen und gegebenenfalls beweisen kann, dass sich die dem Vertrag zugrunde gelegten Verhältnisse nach Abschluss der Vereinbarung über den Unterhalt in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht wesentlich verändert haben und eine Anpassung des Unterhalts erforderlich ist. 372
Û
Praxishinweis: Um die Grundlagen eines gerichtlichen Vergleichs oder einer notariellen Vereinbarung später ohne Streit und Schwierigkeiten feststellen zu können, empfiehlt es sich, in jede Vereinbarung die Grundlagen (Einkommen der Beteiligten, Verbindlichkeiten, Berücksichtigung berufsbedingter Aufwendungen, sonstige Unterhaltsverpflichtungen nach Grund und Höhe, Kindergeld: Bezugsberechtigung und Höhe usw.) aufzunehmen.
373
Ist in einem pauschalen Unterhaltsvergleich keine Geschäftsgrundlage niedergelegt, spricht dies nicht für eine so weitgehende Vereinbarung der Parteien wie den Ausschluss der Abänderbarkeit auch bei späteren wesentlichen Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse. Vielmehr ist in diesen Fällen die Abänderbarkeit wegen Änderung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) durch geänderte tatsächliche Verhältnisse seit Vertragsschluss oder durch eine Änderung des Gesetzes oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung regelmäßig nicht ausgeschlossen.1
374
Unterhaltsvergleiche sind unter Wahrung der ursprünglichen Vergleichsgrundlagen den veränderten Verhältnissen anzupassen. Haben sich allerdings die Grundlagen eines Vergleichs über den Unterhalt so tiefgreifend verändert, dass der Wille der Vertragspartner keinen Anhalt für die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf den Unterhaltsanspruch bietet, so ist der Unterhaltsanspruch ausnahmsweise wie bei einer Erstfestsetzung nach der materiellen Rechtslage festzusetzen.2
375
Sind die Berechnungsgrundlagen in einem Vergleich nicht mehr rekonstruierbar, bleibt ebenfalls nur die Möglichkeit, den geschuldeten Unterhalt – wie bei der Erstfestsetzung – nach den gesetzlichen Vorschriften neu zu bemessen. Eine Bindung an den Vergleich kommt dann nicht in Betracht.3 bb) Abänderung von einseitigen Verpflichtungserklärungen
376
Soll eine notarielle vollstreckbare Verpflichtungserklärung oder eine Jugendamtsurkunde, aus der gemäß § 60 SGB VIII die Zwangsvollstreckung entsprechend den Vorschriften der ZPO stattfindet, abgeändert werden, gibt es verschiedene Fallkonstellationen:
1 BGH, FamRZ 2010, 192. 2 BGH, FamRZ 1994, 696 (698); vgl. auch OLG Hamm, FamRZ 1999, 1349; OLG München, FamRZ 2000, 612. 3 BGH, FamRZ 2001, 1140.
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XIV. Abänderungsverfahren
Gründet die Urkunde auf einer Einigung der Beteiligten, ist es wegen der Ähn- 377 lichkeit mit einer gerichtlichen oder notariellen Vereinbarung gerechtfertigt, die Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage anzuwenden.1 Die Abänderung kann in einem solchen Fall nicht frei von den Grundlagen des abzuändernden Titels erfolgen. Enthält die Urkunde dagegen nur ein einseitiges Schuldversprechen ist zu unter- 378 scheiden: – Der Unterhaltsberechtigte kann im Abänderungsverfahren eine Neufestsetzung des Unterhalts nach den gesetzlichen Vorschriften verlangen.2 Er braucht nicht darzulegen, dass eine schwerwiegende Veränderung der Verhältnisse eingetreten ist. Eine rein einseitige Titulierung durch den Schuldner entfaltet für den Gläubiger keine Bindungswirkung. – Wenn der Unterhaltsverpflichtete seinerseits die Abänderung einer von ihm einseitig errichteten Urkunde begehrt, ist er unter dem Gesichtspunkt des Schuldversprechens an die Grundlagen des bisherigen Titels gebunden ist mit der Folge, dass die Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage entsprechend anzuwenden sind und nur eine Anpassung an geänderte Verhältnisse erfolgen darf.3 c) Keine Zeitschranke Zeitliche Schranken für die (rückwirkende) Abänderung setzt § 239 FamFG 379 nicht. Vergleiche und Urkunden sind auch rückwirkend abänderbar,4 und zwar für den Berechtigten ab dem Zeitpunkt, da er den Verpflichteten mit dem Erhöhungsverlangen in Verzug gesetzt oder zur Auskunft aufgefordert hat (§ 1613 Abs. 1, § 1585b Abs. 2 BGB). Für den Unterhaltsverpflichteten ist der Unterhaltstitel ab dem Zeitpunkt abänderbar, da sich die Verhältnisse tatsächlich geändert haben, und zwar auch ohne Verzug, d.h. auch ohne dass er die Verringerung seines Einkommens und damit des Unterhaltsanspruchs dem Berechtigten vorher mitgeteilt und ihn zum (teilweisen) Verzicht auf die Rechte aus dem Titel aufgefordert haben muss.5 Allerdings ist der Unterhaltsberechtigte – bis zur Rechtshängigkeit des Abänderungsverfahrens (§ 241 FamFG) – durch § 242 und § 818 Abs. 3 BGB geschützt und kann sich gegenüber einem Rückzahlungsverlangen (vgl. Kap. H Rz. 85 ff.) auf den Einwand der Entreicherung berufen.6 3. Verschärfte Haftung § 241 FamFG begründet die verschärfte Haftung des Empfängers von Unterhalts- 380 zahlungen ab Rechtshängigkeit eines auf Herabsetzung gerichteten Abänderungsantrages. Nach bisheriger Rechtslage musste ein Unterhaltspflichtiger zusätzlich zum Abänderungsantrag einen auf Rückzahlung gerichteten gesonderten Leistungsantrag erheben, wenn er die verschärfte Haftung nach § 818 1 BGH, FamRZ 2003, 304 (306); OLG Brandenburg, FamRZ 2006, 1849; Graba, FamRZ 2005, 678 (682). 2 BGH, FamRZ 2004, 24; OLG Frankfurt, OLGR 2006, 977. 3 BGH, FamRZ 2011, 1041 m. Anm. Hoppenz; BGH, FamRZ 2007, 715 m. Anm. Hoppenz. 4 BGH, FamRZ 1984, 888 m.w.N. 5 BGH, FamRZ 1990, 989 (990). 6 OLG Brandenburg, FamRZ 2006, 1856.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
Abs. 4 BGB herbeiführen wollte. Nunmehr steht bereits die Rechtshängigkeit (aber nicht Anhängigkeit) eines auf Herabsetzung von Unterhalt gerichteten Abänderungsantrags bei der Anwendung des § 818 Abs. 4 BGB der Rechtshängigkeit einer Klage auf Rückzahlung der geleisteten Beträge gleich. Der Unterhaltsempfänger kann sich gegenüber einem späteren Rückzahlungsverlangen nicht mehr mit dem Hinweis verteidigen, dass er den gezahlten Unterhalt verbraucht habe (s. auch Kap. H Rz. 85 ff.). 381
382
Die in § 241 FamFG enthaltene materiell-rechtliche Regelung bezweckt, dem Unterhaltspflichtigen die kostentreibende Erhebung eines auf Rückzahlung von Unterhalt gerichteten Leistungsantrags zu ersparen. Die praktische Konsequenz dieser Regelung dürfte indes vor allem darin bestehen, dass in den Fällen, in denen trotz Einleitung eines Abänderungsverfahrens der bisherige Unterhalt weitergezahlt wird – z.B., weil ein Antrag auf einstweilige Einstellung der Vollstreckung nach § 242 FamFG keinen Erfolg hat –, die gezahlten Beträge ab Zustellung des Abänderungsantrages nicht mehr oder nicht in voller Höhe für den Unterhalt verwandt werden dürfen, sondern für ein eventuelles Rückzahlungsverlangen bereitgehalten werden müssen. Es fragt sich, ob die öffentlichen Leistungsträger dieser Situation gerecht werden, wenn die zur freien Verfügung stehenden Mittel des Unterhaltsberechtigten aus diesem Grund den Sozialhilfebedarf unterschreiten.
Û
Praxishinweis: Anwälte werden die Unterhaltsberechtigten auf die verschärfte Haftung nach § 241 FamFG und auf die Notwendigkeit hinweisen müssen, ab Zustellung des Abänderungsantrags den gezahlten Unterhalt ganz oder teilweise nicht mehr zu verbrauchen, sondern anzusparen.
383
Hat ein Abänderungsantrag teilweise oder in vollem Umfang Erfolg, stellt sich die Frage, ob der überzahlte Unterhalt zuzüglich Zinsen ab Rechtshängigkeit des Abänderungsverfahrens zurückgezahlt werden muss. Dies ist jedoch – entgegen der Meinung von Lorenz1 – trotz der zu diesem Zeitpunkt eingetretenen verschärften Haftung des Unterhaltsempfängers nicht der Fall. Allerdings haftet der Empfänger von Unterhaltszahlungen bereits ab Rechtshängigkeit des Abänderungsverfahrens gemäß § 818 Abs. 4 BGB nach den allgemeinen Vorschriften, wozu auch § 291 BGB mit den dort genannten Verweisungen gehört.2 Prozesszinsen nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB sind aber immer nur für bereits fällige und durchsetzbare Geldschulden zu entrichten.3 Wird die Verpflichtung erst durch eine gestaltende gerichtliche Entscheidung begründet, so kann die Verzinsungspflicht gem. § 291 Satz 2 BGB erst mit dem Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung beginnen.4 So liegt es auch bei der Abänderung eines Unterhaltstitels nach §§ 238, 239 FamFG. Erst mit Rechtskraft des Abänderungsbeschlusses wird der streitgegenständliche Unterhaltstitel umgestaltet. Erst dann steht fest, in welcher Höhe ein Rückzahlungsanspruch besteht und kann Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs eintreten.
384
Eine analoge Anwendung des § 241 FamFG auf andere Verfahren, z.B. auf die einstweilige Anordnung, ist streitig, jedoch abzulehnen (s. aber Rz. 493 ff. mit gegenteiliger Empfehlung). § 241 FamFG gilt nur für ein Abänderungsverfahren 1 2 3 4
Zöller/Lorenz, § 241 FamFG Rz. 5. Palandt/Sprau, § 818 BGB Rz. 51. Palandt/Grüneberg, § 291 BGB Rz. 5. Staudinger/Lowisch, § 291 BGB Rz. 10, 11; MünchKomm.BGB/Thode, § 291 BGB Rz. 9.
690 Rasch
XV. Vollstreckungsabwehrverfahren und negativer Feststellungsantrag
nach §§ 238, 239 FamFG, ist eine Ausnahmevorschrift und im Grunde genommen ein Fremdkörper im Unterhaltsrecht. Denn Unterhaltszahlungen, die zwar aufgrund eines Unterhaltstitels noch gezahlt werden müssen, gleichwohl vom Unterhaltsbedürftigen (in Höhe des streitigen Betrages) nicht verbraucht werden dürfen, verfehlen ihren Zweck. Zudem hat derjenige, der im konkreten Einzelfall den gezahlten Unterhalt tatsächlich zurückfordern will, weiterhin die rechtliche Möglichkeit, sein Rückzahlungsbegehren im Wege eines konkret bestimmten Leistungsantrags geltend zu machen.1 Zu den verfahrensrechtlichen Möglichkeiten s. auch Kap. H Rz. 87 f. 4. Einstellung der Zwangsvollstreckung § 242 FamFG normiert die Möglichkeit des Gerichts, entsprechend § 769 ZPO 385 die Zwangsvollstreckung aus einem Unterhaltstitel einzustellen oder zu beschränken, wenn ein Abänderungsantrag auf Herabsetzung des Unterhalts anhängig oder hierfür ein Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe eingereicht ist. Die angestrebte einstweilige Anordnung nach § 769 ZPO ergeht nicht in einem 386 selbständigen Verfahren nach §§ 49 ff. FamFG. Es ist mithin keine gesonderte Akte mit eigener Geschäftsnummer anzulegen, was in der Praxis gelegentlich geschieht. Die Vorschrift gehört vielmehr zu den Vollstreckungsregelungen für Unterhaltsstreitsachen2 und die Maßnahmen des Gerichts nach § 769 ZPO sind abhängig vom Hauptverfahren. Die den Antrag begründenden Behauptungen sind glaubhaft (§ 294 ZPO) zu machen. Dem Gegner ist rechtliches Gehör zu gewähren. Die Entscheidung ist in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt, wobei die Erfolgsaussichten des Abänderungsantrags zu berücksichtigen sind. Das Gericht kann die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstellen, ihre Fortsetzung von einer Sicherheitsleistung abhängig machen oder die Aufhebung der Zwangsvollstreckung gegen Sicherheit anordnen. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss, der keine Kostenentscheidung enthält. Die Kosten sind nämlich solche des anhängigen Abänderungsverfahrens.3 Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 242 Satz 2 FamFG).
XV. Vollstreckungsabwehrverfahren und negativer Feststellungsantrag Für den Unterhaltsschuldner stehen neben den Abänderungsverfahren nach 387 §§ 238, 239 FamFG das Vollstreckungsabwehrverfahren nach § 767 ZPO und – als Gegenstück zum Zahlungsantrag – der negative Feststellungsantrag nach § 256 ZPO zur Verfügung. Diese Verfahren sind in der Praxis längst nicht so bedeutsam wie die Abänderungsverfahren nach §§ 238, 239 FamFG. Doch muss sich der Familienrechtler immer wieder mit ihnen befassen. Dabei treten Fehler bei der Wahl der zutreffenden Verfahrensart häufig auf, weil die Abgrenzung zu den Abänderungsverfahren nach §§ 238, 239 FamFG schwierig ist.4
1 2 3 4
Zur Antragstellung vgl. OLG Köln, FamRZ 2004, 39. Prütting/Helms/Bömelburg, § 242 FamFG Rz. 22. Prütting/Helms/Bömelburg, § 242 FamFGRz. 13; Zöller/Lorenz, § 242 FamFG Rz. 7. Vgl. BGH, FamRZ 2005, 1479.
Rasch
691
K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
1. Vollstreckungsabwehrverfahren nach § 767 ZPO E 27 388
Vollstreckungsabwehrverfahren
… Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Die Zwangsvollstreckung aus dem vor dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg (Familiengericht) geschlossenen Vergleich vom 9.11.2012 (Gesch. Nr. 125 F 17583/12) wird fr unzulssig erklrt, soweit Unterhaltsbetrge ab 17.3.2014 tituliert sind. Ferner wird beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 769 Abs. 1 ZPO die Zwangsvollstreckung aus dem vorstehenden Prozessvergleich ohne, hilfsweise gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen, soweit Unterhaltsbetrge ab 17.3.2014 tituliert sind. Begrndung: Die Beteiligten, frher Eheleute, schlossen am 9.11.2012 vor dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg zur Erledigung des Unterhaltsrechtsstreits Geschftsnr. … einen Vergleich, wonach sich der Antragsteller verpflichtete, an die Antragsgegnerin einen monatlichen Unterhalt von 250 Euro zu zahlen. Die Ehe der Beteiligten wurde durch das am 17.3.2014 verkndete und rechtskrftig gewordene Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg (Familiengericht) – Gesch. Nr. … – geschieden. Die Antragsgegnerin geht davon aus, dass ihr der Antragsteller nachehelichen Unterhalt schuldet und diese Unterhaltspflicht durch den Vergleich vom 9.11.2012 geregelt ist. Beides ist unzutreffend. Insbesondere schuldet der Antragsteller der Antragsgegnerin keinen Unterhalt aufgrund des Prozessvergleichs vom 9.11.2012. Der Vergleich beendete einen auf Zahlung von Getrenntlebensunterhalt gerichteten Rechtsstreit und bezieht sich damit nur auf den Unterhaltsanspruch gemß § 1361 BGB. Dieser Anspruch ist aber mit der rechtskrftigen Scheidung entfallen (vgl. hierzu BGH, NJW 1981, 978). Es ist erforderlich, die Zwangsvollstreckung im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 769 Abs. 1 ZPO vorlufig bis zum Erlass der Endentscheidung in erster Instanz einzustellen. Denn die Antragsgegnerin hat mit anwaltlichem Schreiben vom 18.4.2014 bereits Vollstreckungsmaßnahmen angekndigt. Glaubhaftmachung: Schreiben der Beklagten vom 18.4.2009, welches in Kopie als Anlage 1 beigefgt ist. Beglaubigte und einfache Abschrift sowie Gerichtskostenvorschuss in Hçhe von … Euro nach einem vorlufigen Verfahrenswert von … Euro anbei. Unterschrift
389
Das Vollstreckungsabwehrverfahren nach § 767 ZPO ist für den Unterhaltsschuldner von Bedeutung, wenn er den Fortbestand seiner einmal festgestellten Unterhaltsverpflichtung ganz oder teilweise bestreitet. Ziel dieses Verfahrens ist der Ausspruch, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Unterhaltstitel künftig ganz, teil- oder zeitweise unzulässig ist.1 Als Gestaltungsverfahren richtet sich 1 FamGB/Griesche, § 767 ZPO Rz. 1.
692 Rasch
XV. Vollstreckungsabwehrverfahren und negativer Feststellungsantrag
das Vollstreckungsabwehrverfahren gegen die Vollstreckbarkeit des Titels schlechthin, nicht nur gegen die Zulässigkeit einzelner Vollstreckungsmaßnahmen.1 Das Zwangsvollstreckungsabwehrverfahren ist dann der richtige Rechtsbehelf, 390 wenn sich der Schuldner darauf beruft, dass der Gläubiger seine materiell-rechtliche Rechtsposition verloren hat.2 Dabei kommen als rechtsvernichtende Einwendung der Wegfall des Unterhaltsanspruchs aufgrund von Erfüllung, Erlass, Verzicht oder Verwirkung, als rechtshemmende Einwendung Stundung bzw. Verjährung der Unterhaltsforderung in Betracht. Auch im Musterfall ist das Vollstreckungsabwehrverfahren zulässig, da der Antragsteller den nachträglichen und endgültigen Wegfall der durch den Prozessvergleich geregelten Forderung auf Zahlung von Trennungsunterhalt geltend macht.3 Die Abgrenzung des Vollstreckungsabwehrverfahrens zum Abänderungsverfah- 391 ren nach §§ 238, 239 FamFG ist schwierig und im Einzelfall umstritten. Für die Abgrenzung zwischen der Rechtsschutzmöglichkeit durch ein Abänderungsverfahren nach §§ 328, 329 FamFG und ein Vollstreckungsabwehrverfahren nach § 767 ZPO ist grundsätzlich auf den Zweck und die Auswirkungen der jeweiligen Verfahren abzustellen. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Verfahrensarten besteht darin, dass das – sowohl dem Unterhaltsberechtigten als auch dem Unterhaltsverpflichteten offen stehende – Abänderungsverfahren nach §§ 238, 239 FamFG eine materiell-rechtliche Veränderung des Unterhaltstitels selbst herbeiführt, während im Vollstreckungsabwehrverfahren der Unterhaltsverpflichtete nur punktuelle Einwendungen gegen den festgestellten Unterhaltsanspruch geltend macht und lediglich die Vollstreckbarkeit des Titels infolge dieser Einwände beseitigt haben will.4 Wegen der unterschiedlichen Zielrichtungen schließen sich Vollstreckungs- 392 abwehrverfahren und Abänderungsverfahren für den gleichen Streitgegenstand grundsätzlich aus.5 Der Unterhaltsverpflichtete hat keine Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Verfahrensarten. Allerdings ist die Umdeutung eines Vollstreckungsabwehrantrags in einen Abänderungsantrag und umgekehrt möglich.6 Auch eine Verbindung der beiden Anträge im Eventualverhältnis (als Hauptund Hilfsantrag) ist zulässig7 und im Hinblick auf die bestehenden Abgrenzungsprobleme zu empfehlen. Sie kann aber an § 260 ZPO scheitern, demzufolge eine Anspruchshäufung nur dann zulässig ist, wenn für sämtliche Ansprüche dasselbe Prozessgericht zuständig ist. Letztlich ist der Unterhaltsverpflichtete im Rahmen eines aus anderen Gründen zulässigen Abänderungsverfahrens des Unterhaltsberechtigten nicht gehindert, Einwendungen nach § 767 ZPO zu erheben.8 Der Antrag im Vollstreckungsabwehrverfahren ist im Hinblick auf § 775 Nr. 1 393 ZPO dahingehend zu formulieren, dass die Zwangsvollstreckung aus dem (genau 1 2 3 4 5 6 7 8
BGH, NJW-RR 1990, 48 (49). FamGB/Griesche, § 767 ZPO Rz. 5. BGH, FamRZ 1981, 242. Zöller/Herget, § 767 ZPO Rz. 5; BGH, NJW 1983, 1330. BGH, FamRZ 2005, 1479. BGH, NJW-RR 1991, 899. Zöller/Vollkommer, § 323 ZPO Rz. 17. BGH, FamRZ 2001, 282.
Rasch
693
K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
zu bezeichnenden) Unterhaltstitel für unzulässig erklärt wird. Er darf sich nicht auf Aufhebung des Titels richten oder gar auf die Feststellung, dass der Unterhaltsanspruch erfüllt sei. Unzutreffend ist auch die gelegentlich anzutreffende Formulierung, die Zwangsvollstreckung „aus einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss“ sei für unzulässig zu erklären. Grundlage der Zwangsvollstreckung ist der vollstreckbare Unterhaltstitel selbst, gegen dessen Vollstreckbarkeit richtet sich das Zwangsvollstreckungsabwehrverfahren; der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss stellt bereits eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung dar (vgl. Kap. M Rz. 157 ff.). Wenn die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung nur für einen begrenzten Zeitraum (z.B. wegen Erfüllung) geltend gemacht wird, muss der Antrag dies klarstellen. 394
Zulässig ist das Vollstreckungsabwehrverfahren nur gegen einen vollstreckungsfähigen Titel.1 Die fehlende Vollstreckungsfähigkeit – z.B. wegen mangelnder Bestimmtheit – des Titels kann mit der Klauselerinnerung nach §§ 732, 797 Abs. 3 ZPO (s. Kap. M Rz. 124) geltend gemacht werden. Sie kann aber nach einer neueren Rechtsprechung des BGH auch mit einem prozessualen Gestaltungsverfahren analog § 767 ZPO durchgesetzt werden.2 Erforderlich ist ein Rechtsschutzbedürfnis, welches vorliegt, wenn die Zwangsvollstreckung ernstlich droht.
395
Richtet sich das Zwangsvollstreckungsabwehrverfahren gegen ein Urteil bzw. eine Endentscheidung nach § 38 FamFG (Beschluss, auch einstweilige Anordnung, s. Rz. 489), ist sie nur dann begründet, wenn die erhobenen Einwände nach Abschluss des ursprünglichen Verfahrens entstanden sind (§ 767 Abs. 2 ZPO). Dabei kommt es nur auf den Zeitpunkt der Entstehung der Einwendung an, nicht darauf, wann der Schuldner hiervon Kenntnis erlangt hat.
396
In dem Zwangsvollstreckungsabwehrverfahren kann die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 769 ZPO beantragt werden, wobei sich die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung auch im Verfahren vor den Familiengerichten nach den allgemeinen Grundsätzen richtet. Dabei kann das Gericht die einstweilige Anordnung schon vor Rechtshängigkeit erlassen. Erforderlich ist aber, dass der Unterhaltsschuldner die Voraussetzungen für die Zustellung des Klageantrags geschaffen und die Verfahrensgebühr eingezahlt hat.3 Kann der Unterhaltsschuldner diese Summe nicht aufbringen, muss er einen Antrag nach § 15 Nr. 3 FamGKG auf sofortige Zustellung stellen. Es reicht nach überwiegender Rechtsprechung nicht aus, dass er ein Gesuch auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe eingereicht hat. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung auf ein Verfahrenskostenhilfegesuch hin würde die Rechte des Gläubigers zu stark beeinträchtigen.4 2. Negativer Feststellungsantrag nach § 256 ZPO
397
Neben dem Zwangsvollstreckungsabwehrverfahren nach § 767 ZPO bleibt dem Schuldner die Möglichkeit, einen negativen Feststellungsantrag (§ 256 ZPO) zu
1 2 3 4
BGH, NJW 1997, 2887. BGH, FamRZ 2006, 261 (262). OLG Hamburg, FamRZ 1984, 922 f. Zöller/Herget, § 769 ZPO Rz. 4 m.w.N.
694 Rasch
XV. Vollstreckungsabwehrverfahren und negativer Feststellungsantrag
erheben. Mit ihm begehrt der Unterhaltsschuldner die Feststellung, dass ein Unterhaltsanspruch materiell-rechtlich nicht besteht. E 28
Negativer Feststellungsantrag
…
398
Es wird beantragt festzustellen, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin ab dem 1.9.2013 keinen Unterhalt mehr schuldet. oder …, dass der Antragsteller ab dem 1.9.2013 nicht mehr verpflichtet ist, Unterhalt an die Antragsgegnerin zu zahlen. oder …, dass der Antragsteller ab dem 1.9.2013 nur noch verpflichtet ist, an die Antragsgegnerin einen Unterhalt von 200 Euro monatlich zu zahlen.
Das bei einem Feststellungsantrag grundsätzlich erforderliche Feststellungsinte- 399 resse (§ 256 ZPO) liegt immer dann vor, wenn der Unterhaltsanspruch durch einstweilige Anordnung nach § 246 FamFG geregelt ist. Die Beteiligten einer einstweiligen Anordnung haben jederzeit die Möglichkeit, den Bestand des Unterhaltsanspruchs in einem ordentlichen Verfahren zur Hauptsache klären zu lassen, der Gläubiger durch Leistungsantrag, der Schuldner durch negativen Feststellungsantrag. Dabei kann sich der Feststellungsantrag auch auf einen Zeitraum vor Eingang des Antrags bei Gericht beziehen. Die einstweilige Anordnung trifft aufgrund einer summarischen Prüfung nur eine vorläufige Regelung, die keine rechtskräftige Entscheidung über den Unterhaltsanspruch darstellt und einer nachträglichen Feststellung des Anspruchs im ordentlichen Verfahren nicht im Wege steht. Die Sachentscheidung über den Unterhaltsanspruch im Hauptsacheverfahren stellt eine anderweitige Regelung im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 1 FamFG dar, mit deren Wirksamkeit die einstweilige Anordnung außer Kraft tritt. Praktische Bedeutung hat der negative Feststellungsantrag vor allem bei einer 400 einstweiligen Anordnung zum Ehegattenunterhalt. Eine solche während des Getrenntlebens ergangene einstweilige Anordnung nach § 246 FamFG entfaltet über den Zeitpunkt der rechtskräftigen Scheidung hinaus rechtliche Wirksamkeit, wenn sie nicht befristet ist (§ 56 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Der Gläubiger kann aus diesem Titel vollstrecken, obwohl möglicherweise kein Anspruch auf Geschiedenenunterhalt besteht bzw. der Anspruch auf letzteren geringer ist. Ist der Unterhaltsgläubiger in diesem Fall nicht bereit, auf die Rechte aus der einstweiligen Anordnung ganz oder teilweise zu verzichten, kann der Schuldner neben dem Abänderungsverfahren nach § 54 FamFG nur die gerichtliche Feststellung verlangen, dass er zu Unterhaltszahlungen nicht mehr verpflichtet ist (negativer Feststellungsantrag). Ein Abänderungsverfahren nach § 238 FamFG scheidet aus. Und mit dem Vollstreckungsabwehrverfahren können nur nachträglich entstandene rechtshemmende oder -vernichtende Einwendungen geltend gemacht werden. Wegen der Fortgeltung der einstweiligen Anordnung über die Rechtskraft Rasch
695
K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
der Scheidung hinaus kann gegenüber einem solchen Titel nicht eingewandt werden, dass der Unterhaltsanspruch aus § 1361 BGB infolge Rechtskraft der Scheidung entfallen ist.1 401
Zur Rückzahlung des geleisteten Unterhalts s. Kap. H Rz. 84 ff.
XVI. Einstweiliger Rechtsschutz 1. Grundsätzliches 402
Zur Durchsetzung seines Unterhaltsanspruchs benötigt der Unterhaltsberechtigte oft schnell einen Unterhaltstitel. Dem dient der einstweilige Rechtsschutz in Unterhaltssachen, dessen früher unübersichtliche Regelung2 seit dem 1.9.2009 durch das FamFG vereinheitlicht und grundlegend umgestaltet worden ist.
403
Das Recht der einstweiligen Anordnung ist für Unterhaltsstreitigkeiten jetzt zusammenfassend geregelt in den §§ 246 ff., 119, 49 bis 57 FamFG. Möglich ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung, durch die der Unterhaltspflichtige zur Zahlung von Unterhalt und zur Zahlung eines Kostenvorschusses verpflichtet wird (§ 246 Abs. 1 FamFG). Nicht mehr zulässig ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung, da das FamFG in § 119 Abs. 1 Satz 1 nur auf die §§ 49 ff. FamFG und an keiner Stelle auf die §§ 935 bis 942 ZPO verweist.3 Dagegen ist nach § 119 Abs. 2 Satz 1 FamFG der dingliche oder der persönliche Arrest neben der einstweiligen Anordnung weiterhin zulässig, wenn es darum geht, künftige Unterhaltsansprüche zu sichern.4
404
Wesentlich ist, dass nach den §§ 49 ff. FamFG der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht mehr von der Anhängigkeit einer Ehesache, eines isolierten Unterhaltsverfahrens oder der Einreichung eines Antrags auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe abhängt.5 Auch ein besonderes Eilbedürfnis ist nicht mehr notwendig, und die einstweilige Anordnung kann den vollen Unterhalt zuerkennen6. Der Gesetzgeber hat diese Möglichkeit geschaffen, um eine vereinfachte und schnelle Erledigung des Unterhaltsverfahrens zu erreichen und die Gerichte zu entlasten. Angestrebt ist, mit der gerichtlichen Entscheidung allein im Anordnungsverfahren auszukommen – was allerdings voraussetzt, dass sich alle Beteiligten mit der im Anordnungsverfahren getroffenen Regelung zufriedengeben.7
1 BGH, FamRZ 1983, 355. 2 Vgl. Gießler FuR 2006, 421 ff.; Kretschmar/Meysen, FuR 2009, 1 (3), bezeichnen die frühere Rechtslage als chaotisch. 3 BT-Drucks. 16/6308, S. 226. Das ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass insbesondere in Unterhaltsverfahren die einstweilige Anordnung als Leistungsverfügung anzusehen ist: so Büte, FuR 2009, 509 (511); Horndasch/Viefhues, § 246 Rz. 80. 4 Prütting/Helms, § 119 FamFG Rz. 5. 5 BT-Drucks. 16/6308, S. 259. 6 Schürmann, FamRB 2008, 375 (377 f.). 7 BT-Drucks. 16/6308, S. 259.
696 Griesche
XVI. Einstweiliger Rechtsschutz
2. Zuständiges Gericht Die örtliche Zuständigkeit des anzurufenden Gerichts richtet sich nach § 50 405 FamFG. Dabei ist zu unterscheiden: Ist kein Hauptverfahren anhängig, so ist das Familiengericht zuständig, das in der Hauptsache in erster Instanz zuständig wäre (§ 50 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Die Einzelheiten hierzu ergeben sich aus § 232 FamFG, auf die Ausführungen unter den Rz. 17 ff. wird verwiesen. Wesentlich dabei ist vor allem, dass die Zuständigkeit nach § 232 Abs. 2 FamFG eine ausschließliche ist, so dass auch eine rügelose Einlassung keine abweichende Zuständigkeit begründen kann.1 Bei Anhängigkeit einer Hauptsache – Rechtshängigkeit ist nicht erforderlich – 406 ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei diesem Gericht zu stellen, § 50 Abs. 1 Satz 2 FamFG. Voraussetzung ist allerdings, dass der Gegenstand der Hauptsache und des einstweiligen Anordnungsverfahrens deckungsgleich sind.2 Das dürfte in einem Unterhaltsrechtsverhältnis häufiger vorkommen, auch wenn in den beiden Verfahren um Unterhalt für verschiedene Zeiträume oder um Unterhalt für dieselbe Zeit, aber in unterschiedlicher Höhe gestritten wird. Ist die Hauptsache bereits beim Beschwerdegericht anhängig, hat dieses über die 407 einstweilige Anordnung zu entscheiden (§ 50 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Anders verhält es sich, wenn sich die Hauptsache im Rechtsbeschwerdeverfahren beim BGH befindet. Dann muss der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim fiktiv zuständigen Familiengericht erster Instanz angebracht werden. Durch § 50 Abs. 2 FamFG wird in besonders dringenden Eilfällen die Zuständig- 408 keit des Gerichts begründet, in dessen Bezirk das Bedürfnis für ein gerichtliches Tätigwerden bekannt wird. Praktische Bedeutung wird diese Vorschrift in Unterhaltssachen allerdings kaum erlangen, da die Gerichte überwiegend einen Bereitschaftsdienst eingerichtet haben und sich die Beteiligten moderner Kommunikationsmittel (z.B. Telefax) bedienen können.3 Die örtliche Zuständigkeit für die einstweilige Anordnung und die Hauptsache 409 können auseinanderfallen, z.B. wenn das minderjährige Kind nach Anhängigkeit der einstweiligen Anordnung auf Zahlung von Kindesunterhalt umzieht und danach die Hauptsache eingeleitet wird. Die Änderung der zuständigkeitsbegründenden Umstände bleibt ohne Einfluss auf das Verfahren der einstweiligen Anordnung (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). 3. Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 246 FamFG zur Zahlung von Unterhalt a) Abgrenzung zu § 49 FamFG § 49 FamFG bestimmt, dass ein Gericht durch einstweilige Anordnung eine vor- 410 läufige Maßnahme treffen kann, soweit dies nach materiellem Recht gerechtfertigt ist (Anordnungsanspruch) und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden (Anordnungsgrund) besteht. Hiervon abweichend kann das Gericht 1 Zöller/Feskorn, § 50 ZPO Rz. 1. 2 Prütting/Helms/Stößer, § 50 FamFG Rz. 3. 3 Prütting/Helms/Stößer, § 50 FamFG Rz. 7.
Griesche
697
K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
nach § 246 Abs. 1 FamFG durch einstweilige Anordnung die Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt oder zur Zahlung eines Kostenvorschusses für ein gerichtliches Verfahren regeln. Die Abweichungen in § 246 Abs. 1 FamFG beziehen sich dabei sowohl auf die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung als auch auf den möglichen Regelungsinhalt. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Zahlung von Unterhalt ist ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden nicht erforderlich. Ein Anordnungsgrund besteht schon dann, wenn der Unterhaltsverpflichtete keinen Unterhalt zahlt. Eine akute Notlage des Unterhaltsbedürftigen muss nicht gegeben sein, d.h., es schadet nicht, wenn der Unterhaltsberechtigte soziale Leistungen erhält. Auf der Rechtsfolgenseite braucht sich das Gericht nicht auf eine vorläufige Maßnahme zu beschränken. Vielmehr darf es den vollen laufenden Unterhalt ohne zeitliche Begrenzung zuerkennen, sofern die Voraussetzungen hierfür glaubhaft gemacht worden sind.1 411
Durch eine einstweilige Anordnung kann nicht nur der volle Unterhalt zuerkannt werden, sondern auch ein Sonder- oder Mehrbedarf, wenn dieser voraussehbar war, indessen bei der Bemessung des laufenden Unterhalts nicht berücksichtigt werden konnte.2 Dagegen kann grundsätzlich ein Vorsorgeunterhalt nach den §§ 1361 Abs. 1 S. 2, 1578 Abs. 3 BGB nicht im Wege einer einstweiligen Anordnung geltend gemacht werden, wenn das Scheidungsverfahren noch nicht rechtshängig ist.3 b) Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Unterhalt E 29
412
Antrag
… wird beantragt, folgende einstweilige Anordnung gemß § 246 FamFG zu erlassen: 1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin ab Eingang des Antrags bei Gericht eine monatliche, jeweils zum ersten eines Monats im Voraus zu entrichtende Unterhaltsrente in Hçhe von 400 Euro zu zahlen. 2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
413
Da Unterhaltssachen zu den Antragsverfahren gehören, setzt die Einleitung eines solchen Verfahrens einen entsprechenden Antrag voraus (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Anwaltszwang besteht – anders als im Hauptverfahren – nicht (§ 114 Abs. 4 Nr. 1 FamFG).4 Weil das Gericht von Amts wegen über die Kosten des einstweiligen Anordnungsverfahrens zu entscheiden hat und ihm insoweit ein Ermessensspielraum (§ 243 FamFG) zusteht, empfiehlt sich eine entsprechende Antragstellung und Begründung (zu den Grundsätzen der Ermessensentscheidung, s. Rz. 111 ff. und Rz. 98 ff.).
1 BT-Drucks. 16/6308, S. 259. 2 Schwonberg, § 246 FamFG Rz. 5; Musielak/Borth, § 246 FamFG Rz. 15, BGH, FamRZ 2006, 612; Beispiele: Kosten für medizinische Aufwendungen, die nicht durch eine Krankenversicherung gedeckt werden; notwendige Umzugskosten, Klassenfahrten, Nachhilfestunden, Kindergartenbeiträge. 3 Musielak/Borth, § 246 FamFG Rz. 15; Schwonberg, § 246 FamFG Rz. 14. 4 Kritisch insofern: Prütting/Helms, § 114 FamFG Rz. 30.
698 Griesche
XVI. Einstweiliger Rechtsschutz
Es zählt zu den wichtigsten Änderungen im FamFG, dass das einstweilige An- 414 ordnungsverfahren rechtlich selbständig, d.h. unabhängig von einem Hauptverfahren ist (§ 51 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Der Unterhaltsgläubiger kann daher den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen, ohne gleichzeitig ein Hauptverfahren einleiten zu müssen. Er kann aber auch die Hauptsache vor oder nach Einreichung des Antrags auf einstweilige Anordnung anhängig machen, so dass dann beide Verfahren nebeneinander laufen.1 In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Wirkung der einstweili- 415 gen Anordnung weitergehen kann als die der Hauptsache. Vor allem im Getrenntlebenden- und Nachehelichenunterhalt kann dies eine Rolle spielen. Im Schrifttum wird das Nebeneinander von einstweiliger Anordnung und Haupt- 416 sache unterschiedlich gesehen. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, dass die Wirkung der einstweiligen Anordnung durch die der Hauptsache begrenzt werde.2 Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Sie verkennt die Selbständigkeit der einstweiligen Anordnung von der Hauptsache. Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, eine Bindung zwischen beiden Möglichkeiten der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen anzuordnen. Hierdurch kann bei Einvernehmen aller Beteiligten erzielt werden, dass ein Hauptverfahren gar nicht erforderlich wird.3 Die auf Grund der einstweiligen Anordnung und der Hauptsache herrührenden vollstreckbaren Titel können sogar unterschiedlichen Inhalt haben.4 Das erlaubt dem Gläubiger allerdings nicht die Vollstreckung aus beiden Titeln. Dem kann der Schuldner entgegentreten (s. Rz. 465 a.E.).5
Û
Praxishinweis: Die Möglichkeit, den Unterhalt mittels einstweiliger Anord- 417 nung zu regeln, lässt das Rechtsschutzbedürfnis für ein Verfahren in der Hauptsache nicht entfallen.6 Die einstweilige Anordnung trifft aufgrund einer summarischen Prüfung nur eine vorläufige Regelung, die keine rechtskräftige Entscheidung über den Unterhaltsanspruch darstellt. Dementsprechend darf auch die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Hauptverfahren nicht mit der Begründung verweigert werden, der Antragsteller könne sein Rechtsschutzziel durch eine einstweilige Anordnung auf einfacherem und billigerem Weg erreichen (s. Rz. 160).
Aus der Antragsbegründung und dem darin enthaltenen Tatsachenvortrag muss 418 sich schlüssig der geltend gemachte Unterhaltsanspruch ergeben.7 Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist ferner das Vorhandensein eines Regelungsbedürfnisses. Das bedeutet nicht, dass aufgrund der tatsächlichen Lebensumstände des Antragstellers eine Eilentscheidung des Gerichts erforderlich sein muss. Notwendig ist indessen, dass überhaupt ein Bedarf für eine vorläufige Regelung besteht. Daran wird es in aller Regel fehlen, wenn der Streit der Beteiligten nur um rückständigen Unterhalt geht.8 Zum Teil wird dies un1 Prütting/Helms/Stößer, § 51 FamFG Rz. 3. 2 Fa-FamR/Gerhardt, 6. Kapitel, Rz. 842; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 246 FamFG Rz. 3. 3 Horndasch/Viefhues/Roßmann, § 246 FamFG Rz. 4; Zöller/Feskorn, § 56 FamFG Rz. 2; Schürmann, FamRB 2008, 375 (381 f.). 4 Zöller/Feskorn, § 56 FamFG Rz. 2. 5 Vgl. Schwonberg, § 56 FamFG Rz. 14; Zöller/Feskorn, § 56 FamFG Rz. 2 jeweils m.w.N. 6 BGH, NJW 1983, 1330. 7 Keidel/Giers, § 51 FamFG Rz. 7. 8 Prütting/Helms/Bömelburg, § 246 FamFG Rz. 7; Musielak/Borth, § 246 FamFG Rz. 6.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
eingeschränkt verneint, weil der Gesetzgeber das einstweilige Anordnungsverfahren nicht zur Beilegung von Streitigkeiten aus der Vergangenheit, sondern zur Sicherstellung des aktuellen Bedarfs des Unterhaltsberechtigten geschaffen habe.1 Vorzuziehen ist die Auffassung, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung befürwortet, wenn ein Unterhaltsrückstand entstanden ist, weil der Unterhaltspflichtige keinen Unterhalt gezahlt hat und der Berechtigte deshalb einen Kredit aufnehmen musste, bzw. mit der Zahlung der Miete in Rückstand geraten ist.2 Denn in diesen Fällen ist der Rückstand wegen des ausgebliebenen Unterhalts entstanden, so dass ein Regelungsbedürfnis besteht. 419
Einstweilen frei.
420
Dem Antrag muss ferner die erfolglose Aufforderung zur Zahlung eines bestimmten bezifferten monatlichen Unterhalts vorangegangen sein.3 Ein Regelungsbedürfnis entfällt gleichfalls bei freiwilliger Zahlung des Unterhalts, denn ein Titulierungsinteresse allein rechtfertigt kein summarisches Eilverfahren.4
421
Der Sachvortrag muss glaubhaft gemacht werden (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Die Glaubhaftmachung richtet sich gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG nach § 294 ZPO. Hierfür müssen die zur Begründung des Anspruchs vorgetragenen Tatsachen, auf die die gerichtliche Entscheidung gestützt werden soll, bewiesen werden. Bei der Glaubhaftmachung ist allerdings nicht erforderlich, dass der Antragsteller den Vollbeweis erbringt, d.h. das Gericht den Vortrag für wahr erachtet. Es genügt vielmehr, wenn das Gericht von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Sachvortrags überzeugt wird.5 Zu diesem Zweck kann sich der Antragsteller aller Beweismittel bedienen (Urkunden, Kopien, ärztliche Atteste, Zeugen6); in der mündlichen Verhandlung müssen aber alle Beweismittel präsent sein (§ 294 Abs. 2 ZPO). Grundsätzlich genügt auch eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers (§ 294 Abs. 1 ZPO). Dagegen reicht eine eidesstattliche Versicherung seines Verfahrensbevollmächtigten nur aus, wenn dieser anwaltlich versichern kann, was er selbst in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt wahrgenommen hat und dies unter Berufung auf seine anwaltlichen Standespflichten anwaltlich versichern kann.7
422
Derselbe Maßstab für die Beweisführung gilt auch für den Gegner, soweit sich dieser gegen den Vortrag verteidigt.
423
Û
Praxishinweis: Die Anforderungen an die eidesstattliche Versicherung eines Verfahrensbeteiligten sind streng. So erwarten die Gerichte eine eigene Darstellung des Sachverhalts durch den Beteiligten und nicht nur eine pauschale Bezugnahme auf die Schilderung im Schriftsatz des Anwalts.8 Dies geschieht nicht zuletzt im Interesse der Beteiligten, denn im Hinblick auf die
1 Schwonberg, § 246 FamFG Rz. 8; Prütting/Helms/Bömelburg, § 246 Rz. 42; MünchKomm.ZPO/Dötsch, § 246 FamFG Rz. 4. 2 OLG Düsseldorf, FamRZ 1987, 611; Zöller/Feskorn, § 246 FamFG Rz. 3; van Els, FamRZ 1990, 511. 3 Schürmann, FamRB 2008, 375 (377). 4 Prütting/Helms/Bömelburg, § 246 FamFG Rz. 7. 5 BGH, NJW 1996, 1682; Zöller/Greger, § 294 ZPO Rz. 6. 6 S. dazu Zöller/Greger, § 294 ZPO Rz. 5 m.w. Beispielen und Rechtsprechungshinweisen. 7 Zöller/Greger, § 294 ZPO Rz. 5. 8 BGH, NJW 1988, 2045.
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XVI. Einstweiliger Rechtsschutz
unterhaltsrechtlichen und strafrechtlichen Risiken eines falschen Sachvortrags im Unterhaltsverfahren sollte ein Beteiligter genau prüfen, welche Erklärung er nach bestem Wissen als wahrheitsgemäß an Eides statt abgeben kann. Diese Anforderungen werden nicht immer hinreichend beachtet. Nach dem Wortlaut des Gesetzes (§§ 49, 246 FamFG) „kann“ das Gericht bei 424 Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen eine einstweilige Anordnung erlassen. Diese Formulierung ist verfehlt, weil hierdurch der Eindruck einer Ermessensentscheidung erweckt wird. Es besteht aber kein Handlungsermessen des Familiengerichts.1 Weder aus dem Wortlaut des § 49 Abs. 1 noch dem des § 246 Abs. 1 FamFG lässt 425 sich herleiten, dass der Unterhaltsberechtigte im Wege einer einstweiligen Anordnung einen Anspruch aus den §§ 1605 Abs. 1, 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360a, 1580 BGB auf Auskunftserteilung geltend machen kann. Insbesondere in § 246 Abs. 1 FamFG ist nur von Zahlung von Unterhalt oder eines Kostenvorschusses die Rede. Deshalb wird von der obergerichtlichen Rechtsprechung und einem Teil des Schrifttums die Möglichkeit, Auskunft durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erlangen, abgelehnt.2 Teilweise bejahen diese Autoren aber eine auf § 49 Abs. 1 FamFG gestützte Regelung hinsichtlich der Auskunftspflichten nach §§ 235, 236 FamFG, wenn der Unterhaltsberechtigte den vollen Unterhalt besonders dringend benötigt und den Anspruch ohne Auskunft nicht beziffern kann.3 Vorzuziehen ist in einem solchen Fall aber die Lösung, wonach der Unterhaltsberechtigte auch nach § 246 Abs. 1 FamFG mit einem Stufenantrag auf Auskunft und Zahlung von Unterhalt vorgehen kann. Die zweite Alternative des § 246 Abs. 1 FamFG begründet den Anspruch auf Er- 426 lass einer einstweiligen Anordnung zur Zahlung eines Kostenvorschusses für ein gerichtliches Verfahren. Wegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen wird auf die jeweiligen Ausführungen zum Verfahrenskostenvorschuss im Rahmen der einzelnen Unterhaltsrechtsverhältnisse verwiesen. Zur verfahrensrechtlichen Umsetzung s. Rz. 178 ff. Einstweilen frei.
427–431
4. Ablauf des Verfahrens Nach § 246 Abs. 2 FamFG ergeht die Entscheidung in Unterhaltssachen auf- 432 grund mündlicher Verhandlung, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts oder für eine gütliche Beilegung des Verfahrens geboten erscheint. Zwar kann das Gericht nach § 51 Abs. 2 Satz 2 FamFG auch ohne mündliche Verhandlung entscheiden; der Gesetzgeber hat jedoch für Unterhaltsstreitsachen in § 246 Abs. 2 FamFG die Bedeutung der mündlichen Verhandlung besonders hervorgehoben und zum Regelfall bestimmt, um die Vorteile der mündlichen Erörterung nutzbar zu machen. Erfahrungsgemäß lassen sich Unklarheiten des Sach-
1 Horndasch/Viefhues, § 49 Rz. 22; Borth, FamRZ 2007, 1928. 2 OLG Stuttgart, FamRZ 1980, 1138; OLG Düsseldorf, FamRZ 1983, 514; Zöller/Lorenz, § 246 FamFG Rz. 13; Wendl/Dose/Schmitz, § 10 Rz. 401; Keidel/Giers, § 246 FamFG Rz. 2; Thomas/Putzo/Wüstege, § 246 FamFG Rz. 6. 3 Z.B. Prütting/Helms/Bömelburg, § 246 FamFG Rz. 5.
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verhalts in der mündlichen Verhandlung am einfachsten klären und die Beteiligten erhalten die Chance, gemeinsam eine einvernehmliche Lösung zu erarbeiten. 433
434
Ob das Gericht allerdings eine mündliche Verhandlung anberaumt, steht letztendlich in seinem Ermessen1. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll das schriftliche Verfahren zwar auf besonders eilbedürftige oder einfach gelagerte Fälle beschränkt bleiben und die mündliche Verhandlung im Regelfall anberaumt werden,2 Die tatsächliche Handhabung durch das zuständige Familiengericht ist jedoch im Hinblick auf das eingeräumte Ermessen nicht sicher vorhersehbar.
Û
Praxishinweis: Da das Gericht nach dem Wortlaut des § 246 Abs. 2 FamFG eine mündliche Verhandlung anberaumen kann aber nicht muss, empfiehlt es sich, ggf. selbst einen entsprechenden Antrag auf Anberaumung eines Termins zu stellen. Ein Termin eröffnet die Möglichkeit, sich nicht nur über den vorläufig zu zahlenden Unterhalt zu einigen, sondern hierüber auch eine endgültige Regelung zu treffen. Damit ersparen sich die Beteiligten ein Hauptsacheverfahren, und es wird ein vollstreckbarer Titel geschaffen, der nur unter den engen Voraussetzungen des Abänderungsverfahrens nach § 239 FamFG – bei einer wesentlichen Änderung der Geschäftsgrundlage – geändert werden kann (zur Abänderung von Vergleichen nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO s. Rz. 363 ff.). Soll nur ein Vergleich über den vorläufig zu zahlenden Unterhalt getroffen werden, kann dieser nach § 54 FamFG im Rahmen des Anordnungsverfahrens abgeändert werden, es sei denn, die Beteiligten vereinbaren einen Ausschluss der Abänderungsmöglichkeit nach § 54 FamFG bis zum Inkrafttreten einer endgültigen Regelung.
5. Entscheidung durch Beschluss E 30 435
Tenorierungsvorschlag
… 1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin ab dem 1. August 2013 eine zum Ersten eines jeden Monats im Voraus zahlbare Unterhaltsrente in Hçhe von monatlich 400 Euro bis zur Rechtskraft der Ehescheidung der Beteiligten zu zahlen. 2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen (§§ 51 Abs. 4, 243 Abs. 1 Nr. 1 FamFG). 3. Der Verfahrenswert wird auf 2 400 Euro festgesetzt (§§ 41, 51 Abs. 1 FamGKG).3 4. Die einstweilige Anordnung tritt auch außer Kraft, wenn vor Rechtskraft der Ehescheidung eine anderweitige Regelung des Trennungsunterhalts erfolgt (§ 56 Abs. 1 FamFG).
1 Prütting/Helms/Bömelburg, § 246 Rz. 54. 2 BT-Drucks. 16/6308, S. 260. 3 Der Geschäftswert beträgt im Anordnungsverfahren die Hälfte des Werts der Hauptsache, § 41 FamGKG.
702 Griesche
XVI. Einstweiliger Rechtsschutz
Die Entscheidung ergeht im Anordnungsverfahren durch Beschluss. Es finden 436 die Vorschriften über die Endentscheidung in der Hauptsache Anwendung (§ 38 FamFG), soweit sich nicht Besonderheiten aus dem einstweiligen Rechtsschutz ergeben (§ 51 Abs. 2 FamFG). Danach ist die Entscheidung zu begründen (§ 38 Abs. 2 FamFG) und mit einer Kostenentscheidung (§ 51 Abs. 4 FamFG) zu versehen. Wegen der formellen Anforderungen im Einzelnen wird auf die Rz. 242 ff. verwiesen. Grundlage der Entscheidung ist der dem Gericht bekannte Sachverhalt. Zuer- 437 kannt werden kann der volle Unterhalt – soweit materiell-rechtlich begründet – unbefristet; zulässig ist indessen auch eine zeitliche Befristung (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 1 FamFG).1 Eine Versäumnisentscheidung ist gesetzlich ausgeschlossen (§ 51 Abs. 2 Satz 3 438 FamFG). Im Fall der Säumnis des Antragsgegners hat das Gericht allein nach Aktenlage zu entscheiden. Anderenfalls könnte der Antragsgegner eine Regelung zu seinen Ungunsten allein dadurch verhindern, dass er an der mündlichen Verhandlung nicht teilnimmt.2 Im Hinblick auf die Selbständigkeit des Anordnungsverfahrens gegenüber dem 439 Hauptverfahren muss der Beschluss eine Kostenentscheidung enthalten. Diese richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften (§ 51 Abs. 4 FamFG), d.h. gemäß § 243 FamFG.3 Zu den Einzelheiten der Kostenentscheidung nach billigem Ermessen siehe die Rz. 111, 98 ff. Ist die einstweilige Anordnung ergangen, ohne dass zu diesem Zeitpunkt bereits 440 ein Hauptverfahren anhängig war, räumt § 52 Abs. 2 FamFG dem Beteiligten, der hierdurch in seinen Rechten beeinträchtigt worden ist, die Möglichkeit ein, die Einleitung eines Hauptverfahrens zu beantragen. Auf einen solchen Antrag hat das Gericht anzuordnen, dass der Beteiligte, der die einstweilige Anordnung erwirkt hat, binnen einer bestimmten Frist die Einleitung des Hauptverfahrens veranlassen muss. Die Frist ist nach den Einzelheiten des konkreten Unterhaltsverfahrens zu bemessen, sie darf drei Monate nicht überschreiten (§ 52 Abs. 2 S. 2 FamFG). Für die Anordnung nach § 52 Abs. 2 FamFG zuständig ist das Gericht, das die 441 einstweilige Anordnung erlassen hat (§ 54 Abs. 3 FamFG).4 Hält der Beteiligte, der die einstweilige Anordnung beantragt hat, die ihm vom Gericht gesetzte Frist nicht ein, ist die einstweilige Anordnung aufzuheben (§ 52 Abs. 2 S. 3 FamFG). Nach der Gesetzesbegründung ist der Aufhebungsbeschluss unanfechtbar.5 Die Entscheidung trifft der Richter, nicht der Rechtspfleger, weil § 20 Nr. 14 RPflG nicht eingreift.6 Der Antrag nach § 52 Abs. 2 FamFG wird zum Teil für unzweckmäßig gehalten, 442 weil dieses Vorgehen in Folge der Fristsetzung eine zeitliche Verzögerung zur
1 2 3 4
Schürmann, FamRB 2008, 375 (379). Prütting/Helms/Bömelburg, § 246 FamFG Rz. 15. Keidel/Giers, § 51 Rz. 21; Prütting/Helms/Stößer, § 51 FamFG Rz. 20. OLG München, FamRZ 2011, 1078 m. Anm. Löhnig; Bork/Jacoby/Schwab/Löhnig, § 52 FamFG Rz. 8; Keidel/Giers, § 52 FamFG Rz. 5. 5 BT-Drucks. 16/6308, S. 201. 6 A.A.: Musielak/Borth, § 52 FamFG Rz. 11: Aufhebung nach § 58 FamFG.
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Folge haben könne.1 Dies ist dann von Bedeutung, wenn der titulierte Unterhalt nicht mehr geschuldet wird.2 In diesem Fall hat der Unterhaltsschuldner jedoch die Möglichkeit eines negativen Feststellungsantrags.3 Zu den Einzelheiten des negativen Feststellungsantrags wird auf die Ausführungen unter den Rz. 397 ff. verwiesen. 443
444
Da einstweilige Anordnungen im Unterhaltsstreitverfahren nach § 57 S. 1 FamFG nicht anfechtbar sind, ist keine Rechtsbelehrung nach § 39 FamFG erforderlich.4 Es wird in der Literatur aber diskutiert, ob die Beteiligten über ihre Möglichkeiten, eine Überprüfung der einstweiligen Anordnung zu erreichen, belehrt werden sollten.5 Nach § 39 FamFG erstreckt sich die Belehrungspflicht nur auf die im FamFG-Verfahren vorgesehenen Rechtsbehelfe (Einspruch, Widerspruch und Erinnerung). Eine weitergehende Belehrungspflicht des Gerichts ist daher abzulehnen. Es steht dem Richter aber gut an, auf § 54 Abs. 2 FamFG (Antrag auf mündliche Verhandlung) hinzuweisen, wenn er eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erlassen hat. S. dazu Rz. 266 mit Formulierungsvorschlag für eine Belehrung.
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Praxishinweis: Der Rechtsanwalt kann sich nicht darauf verlassen, dass die Entscheidung über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eine Belehrung zu den Rechten nach §§ 52 Abs. 2, 54 FamFG enthält. Es liegt daher an ihm, seinen Mandanten entsprechend zu beraten.
6. Vollstreckbarkeit 445
Einstweilige Anordnungen nach § 246 FamFG sind mit Erlass formell rechtskräftig und wirksam sowie ohne besondere Vollstreckungsklausel sofort vollstreckbar (§§ 120 Abs. 2, 53 Abs. 1 FamFG). Eine Vollstreckungsklausel ist nur dann erforderlich, wenn die Vollstreckung für oder gegen einen anderen als den in dem Beschluss bezeichneten Beteiligten erfolgen soll (§ 53 Abs. 1 FamFG). Ein Beispiel hierfür bietet die Vollstreckung einer von einem Elternteil nach § 1629 Abs. 3 BGB erwirkten einstweiligen Anordnung auf Zahlung von Kindesunterhalt, wenn die Scheidung der Eltern inzwischen Rechtskraft erlangt hat.6 Unzutreffend ist die Ansicht des AG Herford, die Zwangsvollstreckung aus einer einstweiligen Anordnung sei unzulässig, wenn die Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO verstrichen sei.7 § 929 Abs. 2 ZPO ist auf einen Arrest, nicht dagegen auf eine einstweilige Anordnung anzuwenden.8 Wegen der Zwangsvollstre-
1 Horndasch/Viefhues/Roßmann, § 246 Rz. 70. 2 Musielak/Borth, § 52 FamFG Rz. 7. 3 Musielak/Borth, § 52 FamFG Rz. 12; Büte, FuR 2011, 7 (10); Johannsen/Henrich/Büte, § 54 Rz. 12, Prütting/Helms/Stößer, § 57 FamFG Rz. 15. 4 Prütting/Helms/Abramenko, § 39 FamFG, Rz. 4. 5 Schürmann, FamRB 2008, 375 (379 f.); Klein, FuR 2009, 321 bejahen die Belehrungspflicht im Fall des § 52 unter Hinweis auf die BT-Drucks. 16/6308 S. 201, ohne dabei zu berücksichtigen, dass dort nur der Fall des § 52 Abs. 1 FamFG (Antrag auf Einleitung der Hauptsache in Amtsverfahren), nicht dagegen der des § 52 Abs. 2 FamFG (Antragsverfahren) erwähnt worden ist. 6 Musielak/Borth, § 246 FamFG Rz. 12. 7 AG Herford; FamRZ 2013, 970. 8 Benkelberg, FamRZ 2013, 1507 in einer Anm. zu AG Herford; MünchKomm.ZPO/Fischer, 3. Aufl., § 120 FamFG; die Entscheidung des AG Herford wird ferner abgelehnt von Friederici/Sommer, FamRZ 2013, 1835.
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XVI. Einstweiliger Rechtsschutz
ckung im Einzelnen wird auf die Ausführungen unter Kapitel M Rz. 43 ff. Bezug genommen. Zur Aussetzung oder Beschränkung nach § 55 FamFG im Verfahren auf Auf- 446 hebung oder Änderung der einstweiligen Anordnung wird auf den letzten Absatz der nachfolgenden Ausführungen unter Rz. 461 Bezug genommen. 7. Aufhebung oder Änderung der Entscheidung nach § 54 FamFG Durch die Vorschrift des § 54 FamFG hat der Gesetzgeber eine Möglichkeit ge- 447 schaffen, vor Abschluss des gesamten Unterhaltsverfahrens durch eine Entscheidung in der Hauptsache eine einstweilige Anordnung nach deren Erlass wieder aufzuheben oder zu ändern. Dies kann nicht nach § 238 FamFG geschehen, da die einstweilige Anordnung auf Grund der nur summarischen Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen nicht in Rechtskraft erwächst (Rz. 337).1 Sie gewährt dem auf Grund der Erstentscheidung Begünstigten auch keine Gewähr, dass er die zuerkannten Unterhaltsleistungen behalten darf. Daraus ergab sich die Notwendigkeit, dass das Gericht entweder von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten vor Rechtskraft der Entscheidung des Hauptverfahrens, falls ein solches durchgeführt werden muss, die Änderung oder Aufhebung der einstweiligen Anordnung veranlassen kann. Für das Änderungsverfahren gelten dieselben Grundsätze wie für das Erstverfah- 448 ren nach § 51 FamFG. In Fällen, die einen Antrag voraussetzen, muss die begehrte Abänderung konkret angegeben werden. Falls die Änderung auf neu eingetretene Tatsachen zurückzuführen ist, müssen diese vorgetragen und glaubhaft gemacht werden.2 Gegenstand der Abänderung oder Aufhebung ist der im Erstverfahren ergangene 449 Beschluss oder ein von den Beteiligten geschlossener Vergleich. Letzterer enthält im Normalfall keine endgültige Regelung des Unterhaltsstreitverfahrens. Den Beteiligten steht es allerdings frei, dem Vergleich eine weitergehende Wirkung beizumessen, wenn sie dies wollen. Hierzu ist es erforderlich, dass die Beteiligten das bei Vergleichsabschluss durch unmissverständliche Formulierungen zum Ausdruck bringen. Es muss klar gesagt werden, dass der Vergleich einer Entscheidung in der Hauptsache gleichkommen soll.3 Im Zweifel ist anzunehmen, dass der Vergleich nur die einstweilige Anordnung ersetzen soll. Kommt man bei der Auslegung zu dem Ergebnis, dass eine endgültige Regelung gewollt war, entfällt eine Anwendung des § 54 FamFG vollständig. Eine Abänderung kommt dann nur noch nach § 239 FamFG nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht (§ 239 Abs. 2 FamFG, s. Rz. 364 ff.).4 Hat das Gericht eine einstweilige Anordnung erlassen, sieht das Gesetz in § 54 Abs. 1 und Abs. 2 FamFG folgende Überprüfungs- und Abänderungsmöglichkeiten im summarischen Verfahren vor: a) Ist die Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anord- 450 nung ohne mündliche Verhandlung ergangen, kann jeder hierdurch Benachteiligte gemäß § 54 Abs. 2 FamFG beantragen, dass aufgrund mündlicher Verhand1 2 3 4
Zöller/Feskorn, § 54 FamFG Rz. 1; Musielak/Borth, § 54 FamFG Rz. 1, 13. Gießler/Soyka, Vorläufiger Rechtsschutz in Familiensachen, 5. Aufl., Rz. 179. OLG Thüringen, FF 2012, 48 m. Anm. Soyka; OLG Thüringen, FamRZ 2012, 54. OLG Thüringen, FamRZ 2012, 54.
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lung neu entschieden werden muss. Zwar schreibt das Gesetz eine Begründung dieses Antrags nicht vor; es ist jedoch sinnvoll, gegenüber dem Gericht darzulegen, mit welchem Ziel in der mündlichen Verhandlung verhandelt werden soll und welche Beanstandungen erhoben werden. Auf diese Weise wird eine ausreichende Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erreicht.1 451
b) Ist die Entscheidung nach mündlicher Verhandlung erlassen worden – was nach dem Willen des Gesetzgebers der Regelfall sein soll –, kann der Benachteiligte einen Antrag auf Aufhebung oder Änderung der Entscheidung stellen. Diese Möglichkeit hat auch der Antragsteller, dessen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vollständig abgelehnt worden ist (§ 54 Abs. 1 FamFG).2 Ein solcher Antrag ist in Unterhaltsrechtsstreitigkeiten erforderlich, weil auch das Hauptsacheverfahren einen Antrag voraussetzt (§ 54 Abs. 1 Satz 2 FamFG).
452
Umstritten ist in Rechtsprechung und Schrifttum das Rangverhältnis zwischen den beiden Absätzen der Bestimmung des § 54 Abs. 1 FamFG, wenn die einstweilige Anordnung ohne mündliche Verhandlung erlassen worden ist. Dies soll nach § 246 Abs. 2 FamFG zwar die Ausnahme sein, kommt aber in der Praxis dennoch vor. Zum Teil wird dazu die Ansicht vertreten, dass der Beschwerte zunächst von der Möglichkeit des § 54 Abs. 2 FamFG Gebrauch machen und einen Antrag auf Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung stellen müsse.3 Begründet wird dies vorrangig damit, dass es für eine Anwendung von § 54 Abs. 1 FamFG an einem Rechtsschutzbedürfnis fehle und außerdem auf diese Weise praktisch ein Rechtsmittel eingeführt werde, was nach § 57 S. 1 FamFG gerade nicht statthaft sei.
453
Die Gegenansicht, die dem Beschwerten ein Wahlrecht zwischen einem Vorgehen nach § 54 Abs. 1 oder § 54 Abs. 2 einräumt,4 beruft sich darauf, dass dem Gesetz eine Rangfolge nicht zu entnehmen sei. Der zuerst genannten Ansicht ist der Vorzug zu geben. Es besteht kein Grund, dem Beteiligten, zu dessen Lasten die einstweilige Anordnung ergangen ist, eine Wiederholung des Verfahrens zu gestatten, vor allem dann, wenn eine Änderung der Sach- und Rechtslage nicht eingetreten ist. Seinen Interessen wird dadurch gedient, wenn er das, was die erste Instanz unterlassen hat, erreicht, und dies ist allein die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.5
454
Hat das Familiengericht hingegen unter Beachtung der Vorschrift des § 246 Abs. 2 FamFG nach mündlicher Verhandlung die einstweilige Anordnung erlassen, so steht den hierdurch beschwerten Beteiligten nach § 54 Abs. 1 FamFG das Recht zu, die Änderung oder Aufhebung der getroffenen Entscheidung herbeizuführen. Die Änderungs- oder Aufhebungsmöglichkeit erstreckt sich auch auf Verfahren, in denen der Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden ist.6 1 Prütting/Helms/Stößer, § 54 FamFG Rz. 8. 2 BT-Drucks. 16/6308, S. 201. 3 Johannsen/Henrich/Büte, § 54 FamFG Rz. 4; Zöller/Feskorn, § 54 FamFG Rz. 8; Prütting/Helms/Stößer, § 54 FamFG Rz. 9; Götsche/Viefhues, ZFE 2009, 124 (127); Schürmann, FamRB 2008, 375 (379). 4 Schwonberg, § 246 FamFG Rz. 40; Keidel/Giers, § 54 FamFG Rz. 14; van Elz, FuR 2012, 480 (481); Schwab/Streicher, Handbuch des Scheidungsrechts, 6. Aufl., Kapitel I Rz. 1016. 5 Die in der 6. Aufl. unter Rz. 912 vertretene Auffassung wird aufgegeben. 6 Zöller/Feskorn, § 54 FamFG Rz. 3.
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Allerdings hängt die Zulässigkeit eines Antrags auf Aufhebung oder Änderung 455 der einstweiligen Anordnung gemäß § 54 Abs. 1 FamFG davon ab, dass nach Erlass der Vorentscheidung eine Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist. Anderenfalls fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis.1 Ein Antrag, der keine neuen Gesichtspunkte in das Verfahren einbringt, ist als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Soweit im Schrifttum die Ansicht vertreten wird, dass das Verfahren nach § 54 FamFG keine Änderungen der Sach- und Rechtslage voraussetze und das Gericht auch nicht an seine frühere Entscheidung gebunden sei und abweichend entscheiden könne,2 kann dem nicht gefolgt werden. Grundsätzlich kann die Änderung oder Aufhebung der einstweiligen Anordnung 456 nur für die Zeit ab Eingang des Antrags bei Gericht verlangt werden. Eine rückwirkende Abänderung ist im Normalfall nicht zulässig.3 Dies ergibt sich schon daraus, dass in Unterhaltsrechtsstreitigkeiten die Unanfechtbarkeit der einstweiligen Anordnung (§ 57 S. 1 FamFG) einer Rückwirkung der Änderung entgegensteht. Soweit im Schrifttum teilweise eine abweichende Ansicht vertreten wird,4 wird nicht beachtet, dass es für die Vergangenheit jedenfalls im Anordnungsverfahren bei der getroffenen Entscheidung verbleiben soll. Das Argument, dass einstweilige Anordnungen nicht in Rechtskraft erwachsen und der Berechtigte nicht die Gewähr hat, den titulierten Betrag behalten zu dürfen,5 überzeugt nicht, weil es im Verfahren nach § 54 FamFG hierauf nicht ankommt. Die Klärung dieser Fragen hat in einem Hauptsacheverfahren zu erfolgen. Eine Ausnahme ist lediglich dann zu machen, wenn der Verpflichtete nach Erlass der einstweiligen Anordnung keinen oder zu wenig Unterhalt gezahlt hat.6 457
Beispiel Nach mündlicher Verhandlung wird der Antragsgegner durch einstweilige Anordnung zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet, der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Trennungsunterhalt mangels Leistungsfähigkeit des Antragsgegners abgelehnt. 6 Jahre später (!) beantragen sowohl der Antragsgegner als auch die Antragstellerin die rückwirkende Abänderung der als unzutreffend erachteten Entscheidung. In beiden Fällen ist die begehrte rückwirkende Abänderung der ergangenen Entscheidung abzulehnen.
Wird eine einstweilige Anordnung aufgehoben oder geändert, kann auch die 458 Kostenregelung geändert werden, soweit dies nach billigem Ermessen geboten erscheint. Eine Änderung der Kostenentscheidung kann jedoch entbehrlich sein7, z.B. wenn es zu keiner wesentlichen Änderung der Entscheidung kommt. Besondere Gerichtsgebühren entstehen für das Verfahren nach § 54 FamFG nicht (KV-FamGKG, Vorbem. 1.4.). Für die Anwaltsgebühren gilt das Abänderungsverfahren gem. § 16 Nr. 5 RVG als eine Angelegenheit.
1 Zöller/Feskorn, § 54 FamFG Rz. 4; Schwonberg, § 54 FamFG Rz. 16; Schürmann, FamRB 2008, 375 (378). 2 Keidel/Giers, § 54 FamFG Rz. 11; Prütting/Helms/Stößer, § 54 FamFG Rz. 2. 3 Zöller/Feskorn, § 54 FamFG Rz. 11; Prütting/Helms/Stößer, § 54 FamFG Rz. 16; Schulte-Bunert/Weinert/Schwonberg, § 54 FamFG Rz. 8; Gießler/Soyka, Rz. 180; OLG Köln FamRZ 2004, 39 (40). 4 Götsche/Viefhues, ZFE 2009, 124 (127); wohl auch: Keidel/Giers, § 54 FamFG Rz. 12. 5 Götsche/Viefhues, ZFE 2009, 124 (127), wohl auch: Keidel/Giers, § 54 FamFG Rz. 12. 6 OLG Köln, FamRZ 2004, 39. 7 Keidel/Giers, § 54 FamFG Rz. 10.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
459
Zuständig für alle Entscheidungen nach § 54 Abs. 1 und Abs. 2 FamFG ist das Gericht, das mit den Anträgen befasst war (§ 54 Abs. 3 FamFG), auch wenn sich die zuständigkeitsbegründenden Umstände inzwischen geändert haben sollten. Eine Ausnahme gilt nach § 54 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur dann, wenn das Verfahren an ein anderes Gericht abgegeben oder verwiesen worden ist.
460
Nach § 57 S. 1 FamFG ist die Anfechtung einer einstweiligen Anordnung in einer Familienstreitsache ausgeschlossen. Ob dies alle in dem Verfahren ergehenden Beschlüsse erfasst – insbesondere auch den Beschluss, durch den nach fruchtlosem Verstreichen der Frist zur Einleitung des Hauptverfahrens die Aufhebung einer einstweiligen Anordnung abgelehnt wird (§ 52 Abs. 2 S. 3 FamFG), ist umstritten. Zum Teil wird dies bejaht.1 Andere vertreten die gegenteilige Ansicht, weil § 52 FamFG der Regelung des § 926 ZPO nachgebildet sei.2 Die letztere Auffassung verdient den Vorzug, denn der Gesetzgeber hat eine Unanfechtbarkeit für diesen Fall nicht ausdrücklich vorgesehen (anders als in § 55 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Außerdem sind Aufhebungsentscheidungen nach allgemeinen Regeln anfechtbar.3
461
Das Verfahrensgericht kann im Änderungsverfahren nach § 54 FamFG durch unanfechtbaren Beschluss die Vollstreckung der Anordnung nach § 55 Abs. 1 FamFG aussetzen oder beschränken, so dass das Gericht auch von Amts wegen tätig werden kann.4 Ist ein Antrag gestellt worden, muss hierüber vorab entschieden werden (§ 55 Abs. 2 FamFG). Die Beschränkung oder Aufhebung der Vollstreckung kann von Bedingungen oder Auflagen, z.B. von einer Sicherheitsleistung, abhängig gemacht werden.5 Bei der Entscheidung hat das Gericht die Erfolgsaussichten des aufgrund von § 54 Abs. 1 FamFG gestellten Antrags mit zu berücksichtigen.6 8. Geltungsdauer der einstweiligen Anordnung (§ 56 FamFG)
462
Einstweilige Anordnungen, die in der Regel unbefristet erlassen werden, treten außer Kraft, wenn eine anderweitige Regelung über den Streitgegenstand rechtswirksam wird (§ 56 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Eine anderweitige Regelung kann die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren sein (§ 56 Abs. 1 Satz 2 FamFG), aber auch eine Parteivereinbarung – z.B. in Form eines Prozessvergleichs.7 In Unterhaltsstreitsachen treten einstweilige Anordnungen außerdem außer Kraft, wenn der Antrag in der Hauptsache zurückgenommen wurde, rechtskräftig abgewiesen worden ist oder sich sonst erledigt hat (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 FamFG).
1 OLG Zweibrücken FamRZ 2013, 238 m. ablehnender Anm. van Elz; Zöller/Feskorn, § 52 FamFG Rz. 6; Bork/Jacoby/Schwab/Löhnig/Heiß, § 52 FamFG Rz. 13; Dose, Einstweiliger Rechtsschutz in Familiensachen, 3. Aufl., Rz. 465; Wendl/Dose/Schmitz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl., § 10 Rz. 430. 2 Gießler/Soyka, Vorläufiger Rechtsschutz in Familiensachen, 5. Aufl., Rz. 227; Keidel/ Giers, § 52 FamFG Rz. 10. 3 MünchKomm.ZPO/Drescher 3. Aufl., § 926 ZPO Rz. 23. 4 BT-Drucks. 16/6308, S. 202. 5 BT-Drucks. 16/6308, S. 201. 6 Musielak/Borth, § 55 FamFG Rz. 3. 7 BT-Drucks. 16/6308, S. 202.
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Das Familiengericht kann aber auch bereits bei Erlass der einstweiligen Anord- 463 nung den Zeitpunkt ihres Außerkrafttretens bestimmen (§ 56 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Eine solche Befristung der einstweiligen Anordnung kommt etwa in Betracht, wenn nur eine vorübergehende Notlage des Unterhaltsgläubigers zu überbrücken ist oder wenn bei getrenntlebenden Ehegatten bereits feststeht, dass Unterhalt nur bis zur Rechtskraft der Scheidung geschuldet wird und ein Anspruch auf Nacheheunterhalt ausscheidet.
Û
Praxishinweis: Ein besonderes Risiko für den Unterhaltsschuldner birgt die 464 einstweilige Anordnung betreffend den Ehegattenunterhalt. Im Gegensatz zu einer Endentscheidung über den Trennungsunterhalt, die mangels Identität von Trennungs- und nachehelichem Unterhalt kein Vollstreckungstitel für Unterhaltsansprüche ab rechtskräftiger Scheidung ist, wirkt die einstweilige Anordnung über die Rechtskraft der Scheidung hinaus.1 Deshalb muss der Unterhaltsschuldner, der meint, keinen nachehelichen Unterhalt zu schulden, die Befristung der einstweiligen Anordnung (§ 56 Abs. 1 Satz 1 FamFG) bis zur Rechtskraft der Scheidung verlangen. Ist die Scheidung bereits rechtskräftig, kann er nach § 52 oder § 54 FamFG vorgehen oder negativen Feststellungsantrag (§ 256 ZPO) erheben (Rz. 397 ff.).
Da es auf das Wirksamwerden der anderweitigen Regelung ankommt, ist bei einer 465 Endentscheidung in der Hauptsache nach § 56 Abs. 1 Satz 2 FamFG die Rechtskraft der Entscheidung maßgebend. Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG reicht hierfür nicht.2 Deshalb kann aus der einstweiligen Anordnung weiter vollstreckt werden, auch wenn dem Gläubiger durch die Endentscheidung ein geringerer Unterhalt zuerkannt worden ist. Hat das Gericht nach § 116 Abs. 3 Satz 2 FamFG die sofortige Wirksamkeit der Endentscheidung angeordnet, existieren zwei selbständige Titel nebeneinander – die einstweilige Anordnung und die Endentscheidung in der Hauptsache –, aus denen vollstreckt werden kann.3 Der Schutz des Schuldners kann hier nur durch einen Antrag nach § 54 Abs. 1 FamFG4 oder durch einen rechtzeitig gestellten Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG erreicht werden.5 Teilweise wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, dass die einstweilige 466 Anordnung zum Trennungsunterhalt schon mit der Rechtskraft der Scheidung außer Kraft tritt.6 Begründet wird dies mit der Erwägung einer hauptsachenunabhängigen Neukonzeption der einstweiligen Anordnung. Dabei wird indessen verkannt, dass in § 56 Abs 1 FamFG auf eine einstweilige Regelung abgehoben, also gerade nicht an eine materielle Änderung der Rechtslage angeknüpft wird.7 Im Übrigen ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien, dass es nicht allein auf die Veränderung der Rechtslage ankommen soll.8
1 Prütting/Helms/Stößer, § 56 Rz. 5; BGH, FamRZ 1983, 355. 2 Prütting/Helms/Stößer, § 56 FamFG Rz. 3. 3 Klein, FuR 2009, 321 (324); Schürmann, FamRB 2008, 375 (381); Gießler, FPR 2006, 421 (426). 4 Zöller/Feskorn, § 56 FamFG Rz. 2. 5 Musielak/Borth, § 56 FamFG Rz. 11, 12. 6 Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, § 56 FamFG Rz. 2. 7 Wendl/Dose/Schmitz, § 10 Rz. 450. 8 BT-Drucks. 16/6308, S. 202; Roßmann, § 246 Rz. 28; Dose, Rz. 468.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
467
Zu beachten ist allerdings, dass die Rechtswirkung der anderweitigen Entscheidung in der Hauptsache, die die einstweilige Anordnung außer Kraft setzt (§ 56 Abs. 1 S. 1 FamFG), auch erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten kann. Dies kommt vor allem dann in Betracht, wenn ein Fall des § 148 FamFG vorliegt, wenn also eine Hauptsacheentscheidung in einer Scheidungsfolgesache getroffen wurde, die erst mit der Rechtskraft der Scheidung wirksam wird.1
468
Für Antragsverfahren wird in § 56 Abs. 2 FamFG in vier aufgeführten Fällen das zusätzliche Außerkrafttreten einer einstweiligen Anordnung geregelt. Dabei handelt es sich um die Rücknahme eines Antrags in der Hauptsache, die rechtskräftige Abweisung des Antrags in der Hauptsache, die übereinstimmende Hauptsachenerledigungserklärung und den anderweiten Eintritt einer Hauptsachenerledigung. Im Fall der Abweisung des Antrages in der Hauptsache besteht Streit im Schrifttum, ob die Vorschrift nur bei einer sachlichen Zurückweisung oder auch bei Unzulässigkeit anzuwenden ist. Die herrschende Meinung steht auf dem Standpunkt, dass ein Außerkrafttreten der einstweiligen Anordnung nicht in Betracht kommt, wenn der Antrag durch Prozessbeschluss als unzulässig abgelehnt worden ist.2 Die Gegenansicht hält es für unerheblich, aus welchem Grund die Zurückweisung des Antrags erfolgt ist.3 Aus dem Wortlaut des Gesetzes – so die Begründung der Gegenansicht – ergebe sich nicht, dass es auf den Grund der Ablehnung ankomme.
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Der herrschenden Meinung ist zu folgen. Aus der Grundregel in § 56 Abs. 1 Satz 1 FamFG ergibt sich, dass der Gesetzgeber auf das Wirksamwerden einer anderen Regelung abstellen wollte. An dieser fehlt es bei einer Zurückweisung des Antrags als unzulässig.
470
Bei der Frage des Außerkrafttretens einer einstweiligen Anordnung, die durch Vergleich über den Getrenntlebendenunterhalt zustande gekommen ist, kommt es – wie bei der Änderung nach § 54 FamFG – darauf an, ob der Vergleich in seinen Wirkungen nur einem Beschluss im einstweiligen Antragsverfahren gleichkommen sollte. Dies ist durch Auslegung zu ermitteln. Ergibt sich dabei, dass die Beteiligten keine endgültige Regelung der Unterhaltsfrage vor und nach der Scheidung erreichen wollten, behält der Vergleich seine Wirkung auch über den späteren Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung hinaus, weil ein regelungsloser Zustand nicht eintreten darf. An einer anderweiten Regelung im Sinne von § 56 FamFG fehlt es aber in einem solchen Fall. Aus dem Vergleich kann deshalb auch nach Rechtskraft der Scheidung weiter vollstreckt werden. Gegenstand des Vergleichs ist dann nicht mehr der Trennungs-, sondern der Nachehelichenunterhalt.4
471
Liegen die in § 56 Abs. 1 und Abs. 2 dargestellten Voraussetzungen vor, führt dies, ohne dass es hierzu einer gerichtlichen Entscheidung bedarf, zum Außerkrafttreten der einstweiligen Anordnung. Das in § 56 Abs. 3 FamFG geregelte Feststellungsverfahren hat nur deklaratorischen Charakter.5 Dennoch sieht das 1 Prütting/Helms, § 148 FamFG Rz. 1; Keidel/Giers, § 56 FamFG Rz. 6; Wendl/Dose/ Schmitz, § 10 Rz. 452. 2 Wendl/Dose/Schmitz, § 10 Rz. 451; Prütting/Helms/Stößer, § 56 FamFG Rz. 6; OLG München FamRZ 1987, 610. 3 Keidel/Giers, § 56 FamFG Rz. 8; MünchKomm.ZPO/Soyka, § 56 FamFG Rz. 2; Johannsen/Henrich/Büte. § 56 FamFG Rz. 6. 4 OLG Hamm, FF 2013, 79 mit Anm. Wilinski. 5 Wendl/Dose/Schmitz, § 10 Rz. 456; Johannsen/Henrich/Büte, § 56 FamFG Rz. 15.
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Gesetz in § 56 Abs. 3 Satz 1 FamFG vor, dass auf Antrag eines Beteiligten das Außerkrafttreten der einstweiligen Anordnung durch Beschluss festzustellen ist. Für die Entscheidung ist das Gericht zuständig, das im einstweiligen Anordnungsverfahren im ersten Rechtszug zuletzt entschieden hat. Da der Beschluss den Vollstreckungsorganen zur Klarstellung dient, ab wann die Vollstreckung nicht mehr betrieben werden kann, ist die genaue Angabe des Zeitpunkts und der Umfang des Außerkrafttretens erforderlich.1 Der Beschluss ist mit der Beschwerde anfechtbar (§ 56 Abs. 3 S. 2 FamFG). Hin- 472 sichtlich des Charakters der Beschwerde ist ursprünglich überwiegend die Ansicht vertreten worden, dass es sich um eine Beschwerde im Sinne von § 58 FamFG handele, die innerhalb eines Monats nach Zustellung einzulegen sei. Das ist damit begründet worden, dass es sich um eine Endentscheidung im Feststellungsverfahren nach § 63 Abs. 1 FamFG handele.2 Dem ist in zunehmendem Maße entgegengehalten worden, dass im Hinblick 473 auf den Charakter des einstweiligen Anordnungsverfahrens als Eilverfahren auch im Falle des § 56 Abs. 3 FamFG die Zweiwochenfrist des § 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zu gelten habe.3 Eine weitere Streitfrage hat sich insoweit ergeben, als unklar ist, ob die Zweiwo- 474 chenfrist nur im Falle des Erlasses eines Beschlusses nach § 56 Abs. 3 FamFG, nicht dagegen bei Zurückweisung des diesbezüglichen Antrags zu gelten habe.4 Diese Streitfrage hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I, S. 2418) dadurch geklärt, dass § 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG dahin neu formuliert worden ist, dass Endentscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung generell innerhalb von zwei Wochen mit der Beschwerde anzufechten sind. Damit steht fest, dass vom 1. Januar 2013 an sowohl bei Stattgabe als auch bei Ablehnung eines Antrags nach § 56 Abs. 3 FamFG eine Beschwerde innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des Beschlusses eingelegt werden muss. Wird in einem Beschluss nach § 56 Abs. 3 FamFG das Außerkrafttreten der 475 einstweiligen Anordnung festgestellt, bleibt es grundsätzlich bei der Kostenregelung der getroffenen Entscheidung. Eine neue Kostenentscheidung ist in der Regel in dem Beschluss nach § 56 FamFG nicht erforderlich, da besondere Kosten für das Verfahren nicht entstehen.5 Allerdings kann das in den Fällen, in denen die einstweilige Anordnung außer Kraft getreten ist, weil der Antrag in der Hauptsache zurückgenommen oder abgewiesen wurde (§ 56 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FamFG) zu unbilligen Ergebnissen führen, so dass zu erwägen ist, im Hauptsacheverfahren einen Antrag auf Abänderung der Kostenentscheidung nach § 54
1 Musielak/Borth, § 56 FamFG Rz. 14. 2 Prütting/Helms/Stößer, § 56 FamFG Rz. 11; Zöller/Feskorn, § 56 FamFG Rz. 7, Keidel/ Giers, § 56 FamFG Rz. 11. 3 OLG Zweibrücken, FamRZ 2011, 987 (988); Schwonberg, § 56 FamFG Rz. 25. 4 Nur bei Erlass: Prütting/Helms/Abramenko, § 63 FamFG Rz. 4; Zöller/Feskorn, § 63 FamFG Rz. 3; Keidel/Sternal, § 63 FamFG Rz. 14; a.A.: OLG Zweibrücken FamRZ 2011, 492. 5 Keidel/Giers, § 54 FamFG Rz. 12.
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FamFG zuzulassen.1 Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber eine Schadensersatzpflicht des im einstweiligen Anordnungsverfahren erfolgreichen Antragstellers ausgeschlossen hat (vgl. § 119 Abs. 1 Satz 2 FamFG). 9. Verfahrenskostenhilfe 476
Nach § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG sind in Unterhaltssachen die Vorschriften des FamFG über die Verfahrenskostenhilfe nicht anzuwenden. Vielmehr gelten gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG die Allgemeinen Bestimmungen der ZPO und damit die Vorschriften über das Prozesskostehilfeverfahren nach §§ 114 ff. ZPO.
477
Nach § 57 S. 1 FamFG sind Entscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung nicht anfechtbar. Unter die in § 57 S. 2 FamFG aufgeführten Ausnahmen fallen Familienstreitsachen nicht. Hat das Familiengericht die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in einer Unterhaltsstreitsache abgelehnt, weil die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg habe, ist diese Entscheidung nicht mit einem Rechtsmittel anfechtbar, weil im Verfahrenskostenhilfeverfahren der Beschwerderechtszug nicht weiter gehen kann, als der Hauptsacherechtszug.2 Der Ausschluss der Möglichkeit einer Anfechtung durch § 57 S. 1 FamFG wirkt sich insoweit auch auf das Verfahrenskostenhilfeverfahren aus.
478
Hat das Familiengericht dagegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen fehlender Bedürftigkeit des Antragstellers abgelehnt, kann diese Entscheidung gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (§§ 567 bis 572 ZPO) angegriffen werden.3 Die Anwendung der §§ 127 Abs. 2 und Abs. 3, 567–572 ZPO erstreckt sich auch auf Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe wegen Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung und die Verweigerung der Beiordnung eines Rechtsanwaltes.4 10. Kostenentscheidung
479
Nach § 51 Abs. 4 FamFG ist über die Kosten der einstweiligen Anordnung nach den allgemeinen Vorschriften zu entscheiden. Dies ist eine Folge der Selbstständigkeit des einstweiligen Anordnungsverfahrens. Unter den Allgemeinen Vorschriften sind grundsätzlich die §§ 91 ff. ZPO zu verstehen. Für Unterhaltssachen enthält das FamFG in § 243 eine spezielle Regelung, nach der das Familiengericht nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten zu entscheiden hat. Hinsichtlich der dabei insbesondere zu berücksichtigenden Umstände wird auf die Ausführungen unter den Rz. 111, 97 ff. Bezug genommen.
480
Diese Grundsätze sind auch auf Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung anwendbar.5 Der Beschluss, durch den eine einstweilige Anordnung erlas1 Prütting/Helms/Stößer, § 56 FamFG Rz. 12; Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, § 56 FamFG Rz. 25. 2 BGH, NJW 2005, 1659 = FamRZ 2005, 790; BGH, FamRZ 2011, 1138 (1139); KG, FamRZ 2013, 1326. 3 BGH, FamRZ 2011, 1138 (1139); BGH, FamRZ 2011, 1933. 4 Prütting/Helms/Stößer, § 76 FamFG Rz. 11a. 5 Prütting/Helms/Bömelburg, § 243 FamFG Rz. 6; Musielak/Borth/Grandel, § 243 FamFG Rz. 1.
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sen wird, muss somit eine Kostenentscheidung enthalten; dabei sind die Kosten zwischen den Beteiligten nach Maßgabe der Aufstellung in § 243 FamFG aufzuteilen.1 Im Hinblick darauf, dass in der obergerichtlichen Rechtsprechung über längere 481 Zeit heftig darüber gestritten worden ist, mit welchem Rechtsbehelf eine isolierte Kostenentscheidung angegriffen werden kann – Beschwerde nach § 58 FamFG oder sofortiger Beschwerde nach den §§ 567 ff. ZPO – stellt sich zunächst die Frage, ob eine isolierte Kostenentscheidung im Fall einer einstweiligen Anordnung überhaupt einem Rechtsbehelf unterliegt. Nach § 57 S. 1 FamFG sind Entscheidungen über den Erlass einer einstweiligen 482 Anordnung in Familiensachen nicht anfechtbar. Zu den in § 57 S. 2 FamFG aufgezählten Ausnahmen gehören Unterhaltssachen nicht. Das hat zur Folge, dass einige Oberlandesgerichte aus § 57 S. 1 FamFG die Unanfechtbarkeit von Neben- und Zwischenentscheidungen herleiten, zum Teil ohne dies näher zu begründen.2 Auch im Schrifttum wird diese Schlussfolgerung jedenfalls für eine isolierte Kostenentscheidung gezogen.3 Soweit hierfür eine Begründung gegeben wird, wird überwiegend darauf hingewiesen, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Rechtsschutz in einem Nebenverfahren nicht über den Rechtszug in der Hauptsache hinausgehen kann.4 Während insoweit keine besonderen Schwierigkeiten bestehen, ist dies anders, wenn eine isolierte Kostenentscheidung getroffen werden muss, etwa weil die Hauptsache ohne gerichtliche Entscheidung zwischen den Beteiligten geregelt werden konnte, über die Kosten aber gestritten wird.5 Die Tatsache, dass nach § 57 S. 1 FamFG Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Unterhaltssachen nicht anfechtbar sind6, löst die Probleme, die nach streitloser Hauptsacheerledigung im erstinstanzlichen Verfahren auftreten, nicht. In seiner Entscheidung vom 28.9.2011 – XII ZB 2/117 hat der BGH sich dafür 483 ausgesprochen, dass isolierte Kostenentscheidungen in Familienstreitsachen, die nach streitloser Hauptsacheregelung ergehen, mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar seien (§§ 567 ff. ZPO). Diesem Beschluss lag jedoch ein anderer Sachverhalt zugrunde. Anhängig war eine Hauptsache, die mit einem Vergleich beendet worden war, ohne dass die Beteiligten sich über die Kosten geeinigt hatten. Eine einstweilige Anordnung war in dem Verfahren nicht ergangen. Durch die Entscheidung des BGH ist somit die umstrittene Frage, ob in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eine isolierte Kostenentscheidung mit einem Rechtsmittel angreifbar ist, nicht geklärt worden.8 1 Prütting/Helms/Bömelburg, § 243 FamFG Rz. 32. 2 KG, FamRZ 2011, 577; OLG Zweibrücken, FamRZ 2012, 50; OLG Frankfurt, FamRZ 2013, 569. 3 Musielak/Borth/Grandel: Familiengerichtliches Verfahren, 4. Aufl., § 57 FamFG Rz. 14; Bork/Jacoby/Schwab/Löhnig/Heiß FamFG, § 57 FamFG Rz. 1; Keidel/Giers, § 57 Rz. 3; Büte, FamRZ 2013, 505 (506). 4 BGH, FamRZ 2005, 790 (791) mit weiteren Nachweisen. 5 Beispiele bei Prütting/Helms/Bömelburg, § 243 FamFG Rz. 31–33, FN 5. 6 Vgl. OLG Hamm, FuR 2013, 598 mit Hinweis auf die Zulässigkeit einer sofortigen Beschwerde nach § 127 Abs. 2 S. 2 2. Halbs. ZPO für den Fall, dass das Familiengericht in einem Fall über die Verfahrenskostenhilfe ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen des Bedürftigen verneint hat. 7 BGH, FamRZ 2011, 1933 mit Anm. Schlünder, S. 1936. 8 KG, FamRZ 2014, 592; ebenso: Prütting/Helms/Bömelburg, § 243 FamFG, Rz. 32b.
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Zuzustimmen ist der in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum vertretenen Ansicht, die eine isolierte Kostenentscheidung, die in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ergangen ist, für nicht anfechtbar hält.1 11. Anderweitiger Rechtsschutz gegenüber der einstweiligen Anordnung im ordentlichen Verfahren
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Einstweilige Anordnungen bieten, da sie nur vorläufige Regelungen treffen, den Beteiligten keine Sicherheit, dass sie Bestand haben. Der Gläubiger kann sich nicht darauf verlassen, dass ihm der zuerkannte Unterhalt verbleibt. Andererseits hat der Schuldner, der sich ungerechtfertigt durch die einstweilige Anordnung belastet fühlt, wegen der fehlenden Anfechtungsmöglichkeit (§ 57 Satz 1 FamFG) nur die Möglichkeit, nach § 54 Abs. 1 FamFG einen Antrag auf Aufhebung oder Abänderung der einstweiligen Anordnung zu stellen. Ferner kann er nach § 52 Abs. 2 FamFG den Gläubiger zwingen, das Hauptsacheverfahren einzuleiten, wenn dieses noch nicht anhängig ist.
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Diese Umstände werfen die Frage auf, ob den Beteiligten Möglichkeiten einzuräumen sind, im ordentlichen Verfahren eine bestandskräftige Entscheidung herbeizuführen. Dabei ist es für den Schuldner besonders wichtig, inwieweit er einen negativen Feststellungsantrag nach § 256 ZPO stellen kann. Umgekehrt hat der Gläubiger, der weder eine einstweilige Anordnung erwirkt noch mit dem Änderungsantrag nach § 54 FamFG seinen Unterhaltsanspruch durchgesetzt hat, ein rechtliches Interesse daran, einen Leistungsantrag anzubringen.2
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Während die letztere Möglichkeit außer Zweifel steht, ist die Frage, ob der Unterhaltsschuldner gegen die einstweilige Anordnung einen negativen Feststellungsantrag stellen kann, umstritten. Die Mehrheit des Schrifttums bejaht die Zulässigkeit eines solchen Antrags.3 Soweit dabei das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses in Frage gestellt wird, wird auch dieses bejaht. Die gegenteilige Auffassung wird nur von einer Minderheit vertreten.4 Uneinigkeit im Schrifttum ist auch insofern festzustellen, als ein Teil der Autoren einen Vorrang der sich aus dem FamFG ergebenden Möglichkeiten befürwortet. Richtiger dürfte es sein, zumindest dann, wenn sich die dem Erlass der einstweiligen Anordnung zu Grunde liegenden tatsächlichen Verhältnisse geändert haben, sogleich einen negativen Feststellungsantrag als zulässig anzusehen.5 S. dazu auch Rz. 397 ff.
1 KG, FamRZ 2014, 592; OLG Naumburg, FamRZ 2011, 577; KG, FamRZ 2011, 577; KG, FamRZ 2011, 576; Zöller/Feskorn, § 57 FamFG Rz. 3; OLG Naumburg, FamRZ 2014, 59, LS. 2 Musielak/Borth, § 54 FamFG Rz. 13; KG, FuR 2014, 49 für den Fall der Verfahrenskostenhilfe im Verfahren der einstweiligen Anordnung; OLG Bremen, FuR 2014, 51. 3 Roßmann, § 246 FamFG Rz. 47, 51; Roßmann, ZFE 2010, 86 (89); Keidel/Giers, § 246 FamFG Rz. 8 und § 56 FamFGRz. 4; Schwonberg, § 246 FamFGRz. 18; Musielak/Borth, § 56 FamFG Rz. 7 und § 246 FamFG Rz. 16. 4 Thomas/Putzo, § 46 Rz. 18; Gerhardt, FA-FamR, 9. Aufl., VI Rz. 839. 5 Johannsen/Henrich/Büte, § 54 FamFG Rz. 12; Keidel/Giers, § 54 FamFG Rz. 9; Baumbach/Lauterbach, ZPO, § 56 FamFG Rz. 5.
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Der 19. Deutsche Familiengerichtstag hat in seinen Empfehlungen an die 488 Rechtsberatung und Rechtsprechung empfohlen, dem Verpflichteten neben den Rechten aus den §§ 54 Abs. 1 und 52 Abs. 2 FamFG auch einen negativen Feststellungsantrag einzuräumen.1 Diesem Vorschlag sollte insbesondere die Rechtsprechung folgen. Nach Inkrafttreten des FamFG ist dies bisher nur vereinzelt geschehen, ohne dass dabei eine eingehende Auseinandersetzung mit der Problematik erfolgt ist.2 Will der Schuldner der einstweiligen Anordnung nachträglich entstandene 489 (rechtshemmende oder rechtsverzichtende) Einwendungen gegen den in der einstweiligen Anordnung titulierten Anspruch geltend machen, kann er dieses Ziel mit einem Vollstreckungsabwehrantrag nach § 120 Abs. 1 FamFG, § 767 ZPO verfolgen (s. auch Rz. 388 ff.). Auch nach Inkrafttreten des FamFG besteht kein sachlicher Grund, den Schuldner insoweit auf das Abänderungsverfahren nach § 54 Abs. 1 und Abs. 2 FamFG zu beschränken. Der Schuldner ist im Fall einer einstweiligen Anordnung nicht weniger schutzwürdig als bei einer Endentscheidung zum Unterhalt, wenn er sich nur auf Einwendungen der in § 767 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO genannten Art berufen will.3 Diese Auffassung hat der Bundesgerichtshof zu der bis zum 31. August 2009 geltenden Rechtslage vertreten; der Gesetzgeber wollte den Rechtsschutz der Beteiligten bei der gesetzlichen Neuregelung nicht einschränken. Zu beachten ist allerdings, dass gemäß § 767 Abs. 2 ZPO Einwendungen nur zu- 490 lässig sind, wenn sie nach mündlicher Verhandlung entstanden sind. Hat keine mündliche Verhandlung stattgefunden, kommt es auf den Zeitpunkt des Erlasses der einstweiligen Anordnung an.4 Einstweilen frei.
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12. Rückforderung überzahlten Unterhalts im Fall der einstweiligen Anordnung Da die einstweilige Anordnung nur eine vorläufige Regelung in einem summari- 492 schen Verfahren darstellt, die nicht mit einem Rechtsbehelf angefochten werden kann, ergibt sich nicht selten im Unterhaltsverfahren, dass dem Gläubiger ein Unterhaltsanspruch in der vorläufig festgesetzten Höhe tatsächlich nicht zusteht. Will der Schuldner deshalb überzahlten Unterhalt zurückverlangen, hat er nach der ständigen Rechtsprechung des BGH5 einen Bereicherungsanspruch, der aber wegen § 818 Abs. 3 BGB meist keinen Erfolg hat, weil der Gläubiger sich darauf berufen darf, dass er den gezahlten Unterhalt verbraucht hat. Den Gläubiger trifft auch keine Schadensersatzpflicht gemäß § 945 ZPO. § 119 Abs. 1 Satz 2 FamFG ordnet die entsprechende Anwendung des § 945 ZPO nur für die Familienstreitsachen des § 112 Nrn. 2 und 3 FamFG an, nicht aber für Unterhaltssachen (§ 112 Nr. 1 FamFG). Damit hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass den Unterhaltsschuldner, der in Erfüllung einer einstweiligen
1 Empfehlungen des Vorstands, A. IV. 1a), FamRZ 2011, 1921 (1922). 2 OLG Thüringen FF 2012, 48 m. Anm. Soyka; AG Rosenheim, NJW-RR 2012, 904 = FamRZ 2012, 1823, ohne eine klare Stellungnahme. 3 BGH, FamRZ 1983, 355. 4 Van Els, FPR 2012, 483. 5 BGH, NJW 2000, 740 ff.
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Anordnung zu viel Unterhalt gezahlt hat, keinen Schadensersatzanspruch hat. Das wird im Schrifttum zwar zum Teil kritisch betrachtet1; die klare gesetzliche Regelung ist indessen zu beachten. 493
Durch das FamFG ist die Vorschrift des § 241 FamFG in das Gesetz eingefügt worden, die eine verschärfte Haftung bei Anwendung des Bereicherungsanspruchs auf Rückzahlung überzahlten Unterhalts enthält. Bei der Anwendung des § 818 Abs. 4 BGB wird danach auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Herabsetzungsantrags abgestellt.
494
Schon bald nach Inkrafttreten des FamFG hat im Schrifttum eine lebhafte Diskussion darüber eingesetzt, ob auch dann, wenn auf Grund einer einstweiligen Anordnung eine Überzahlung von Unterhalt eingetreten ist, die verschärfte Haftung nach § 241 FamFG eintritt. Die Befürworter einer Anwendung von § 241 FamFG berufen sich zum Teil auf eine analoge Heranziehung auf das Abänderungsverfahren nach § 54 FamFG.2 Andere Autoren betonen die prozessökonomischen Grundsätze im Hinblick darauf, dass eine Anwendung des Hauptverfahrens erspart werden sollte.3 Wieder andere stellen auf die vergleichbare Interessenlage ab.4 Die Gegenmeinung (vgl. auch Rz. 380 ff., 384), die eine Anwendung von § 241 FamFG auf Grund einer einstweiligen Anordnung überzahlten Unterhalts ablehnt,5 befindet sich in der Minderheit. Sie stellt darauf ab, dass die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung mangels einer Lücke im Gesetz nicht gegeben seien, in den speziellen Vorschriften zur einstweiligen Anordnung in den §§ 246 ff. FamFG ein Bezug auf § 241 FamFG fehle und im Übrigen die Interessenlage nicht vergleichbar sei.
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Da mit einer obergerichtlichen Klärung der Streitfrage nicht zu rechnen ist (§ 70 Abs. 4 FamFG), empfiehlt es sich, der Mehrheit der im Schrifttum vertretenen Auffassung zu folgen und § 241 FamFG auch auf die Rückzahlung von Unterhalt, der auf Grund einer einstweiligen Anordnung entrichtet werden musste, anzuwenden. Nach Inkrafttreten des FamFG ist dies bisher nur vereinzelt geschehen, ohne dass dabei eine Auseinandersetzung mit der Problematik erfolgt ist.6
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Praxishinweis: Um den durch eine Überzahlung von Unterhalt aufgrund einer einstweiligen Anordnung eintretenden Nachteil möglichst gering zu halten, hat der Schuldner das Recht, ein Verfahren auf Rückzahlung der überzahlten Beträge zu beantragen, um frühzeitig die Voraussetzungen des § 818 Abs. 4 BGB zu schaffen (s. dazu Kap. H Rz. 84 ff.).
1 Horndasch/Viefhues/Roßmann, § 246 FamFG Rz. 81 ff. und § 119 FamFG Rz. 9. 2 Schlünder, FamRZ 210, 2038 (2040); Gießler/Soyka, Rz. 158. 3 Johannsen/Henrich/Büte, § 54 FamFG Rz. 15; Roßmann, ZfE 2008, 245 (250); Klein, FuR 2009, 241 (249); Schulte-Bunert/Weinreich/Klein, § 241 FamFG Rz. 4; Schulte-Bonert/Weinreich/Schwonberg, § 56 FamFG Rz. 16. 4 Bömelburg, FF 2010, 96113 und in Prütting/Helms/Bömelburg, § 241 FamFG Rz. 19; Götsche/Viefhues, ZfE 2009, 124 (134). 5 Dose, Einstweiliger Rechtsschutz in Familiensachen, Rz. 465, 529; Götz, NJW 2010, 897 (900); Thomas/Putzo/Hüßtege, § 241 FamFG Rz. 2; Zöller/Feskorn, § 56 FamFG Rz. 8; anders dagegen Zöller/Lorenz, § 241 FamFG Rz. 4. 6 OLG Thüringen, FF 2012, 48 m. Anm. Soyka; AG Rosenheim, NJW-RR 2012, 904 = FamRZ 2012, 1823; ohne eine klare Stellungnahme.
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XVI. Einstweiliger Rechtsschutz
13. Sondertatbestände der einstweiligen Anordnung Die Vorschrift des § 247 FamFG sieht vor, dass in der besonderen Lage vor und 497 nach der Geburt eines Kindes dessen Unterhalt sowie der der Mutter durch einstweilige Anordnung gesichert werden soll (vgl. hierzu Rz. 522 ff. und Kap. D Rz. 111 ff.). Durch die Vorschrift des § 248 FamFG wird § 246 FamFG insoweit ergänzt, dass ein Mann, dessen Vaterschaft nach § 1600d Abs. 2 und 3 BGB vermutet wird, im Wege einstweiliger Anordnung auf Unterhalt von Mutter und Kind in Anspruch genommen werden kann (vgl. hierzu Rz. 517 ff.). 14. Das Arrestverfahren Nach § 119 Abs. 2 FamFG kann das Familiengericht auch in Familienstreitsa- 498 chen den Arrest anordnen. Für Unterhaltssachen bedeutet dies, dass neben der einstweiligen Anordnung auch der persönliche oder der dingliche Arrest zulässig ist. Dabei sind die Vorschriften der §§ 916 bis 934 und der §§ 943 bis 945 ZPO entsprechend anwendbar (§ 119 Abs. 2 Satz 2 FamFG). Praktische Bedeutung hat das Arrestverfahren vor Inkrafttreten des FamFG in Unterhaltssachen kaum gehabt. Dies könnte künftig anders werden.
499
Klargestellt worden ist, dass es sich beim Arrestverfahren wie bei der einstweili- 500 gen Anordnung um eine Familienstreitsache handelt.1 Zu beachten ist, dass der Arrest der Sicherung künftiger Unterhaltsansprüche 501 dienen soll. Wegen § 926 Abs. 1 ZPO besteht eine Sicherungsmöglichkeit erst dann, wenn der zu sichernde Anspruch in der Hauptsache anhängig gemacht werden kann. Für nachehelichen Unterhalt hat dies zur Folge, dass ein Arrest erst nach Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens in Betracht kommt.2 Streitig ist, ob im Fall der Ablehnung eines Antrages auf Erlass eines dinglichen 502 Arrestes ohne mündliche Verhandlung eine Beschwerde nach den §§ 58 ff. FamFG oder eine sofortige Beschwerde nach den §§ 567 ff., 922 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 119 Abs. 2 S. 2 FamFG das zutreffende Rechtsmittel ist. Die erste Ansicht wird damit begründet, dass der ablehnende Beschluss als Endentscheidung i.S. von § 58 FamFG anzusehen sei.3 Vorzuziehen ist die gegenteilige Auffassung, die auch überwiegt.4 Insbesondere das Argument von Helms überzeugt, dass es systemgerecht sei, gegen gerichtliche Entscheidungen, die auf der Grundlage von Vorschriften der ZPO ergangen sind, auch die entsprechenden Rechtsmittel der ZPO anzuwenden.5
1 2 3 4
OLG Stuttgart, FamRZ 2012, 324. Prütting/Helms, § 119 FamFG Rz. 6, vgl. auch Cirullies, FamRZ 2012, 1017 ff. OLG Karlsruhe, FamRZ 2011, 234; OLG München, FamRZ 2011, 746. KG, NJW-RR 2013, 708; KG, FamFR 2013, 251, bespr. von Kreutz; KG, FamRZ 2013, 1673 (1675) mit ausführlicher Begründung; OLG Oldenburg, NJW-RR 2012, 902; OLG Frankfurt, NJW-RR 2012, 902; Prütting/Helms, § 119, Rz. 9; OLG Koblenz; FamRZ 2013, 1602. 5 In der Fußnote 2 im Kommentar von Prütting/Helms § 119 sind die inzwischen ergangenen weiteren Entscheidungen mehrerer Oberlandesgerichte aufgeführt worden, die zu dem gleichen Ergebnis kommen.
Griesche
717
K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
503
Ist die Ablehnung des Arrests hingegen aufgrund mündlicher Verhandlung erfolgt, befürwortet das Schrifttum die Anwendung von § 58 FamFG.1 Auch dies ist zu befürworten, weil insoweit die Beschwerde als Pendant zur Berufung anzusehen ist.
504
Im Fall der Stattgabe des Arrestantrages ist der zutreffende Rechtsbehelf der Widerspruch (§ 924 ZPO).
505
Seit Inkrafttreten des FamFG beschäftigt sich die obergerichtliche Rechtsprechung auch mehr mit dem Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass eines Arrestes, insbesondere damit, ob ein Arrestgrund besteht. So hat das Kammergericht in einer ausführlichen Entscheidung dazu Stellung genommen, ob allein die Veräußerung eines Grundstücks die Annahme eines Arrestgrundes rechtfertigen könne,2 es hat dies nur bei Vorliegen besonderer Umstände bejaht.
XVII. Verfahrensrechtliche Besonderheiten beim Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes und seiner Mutter 506
Für die Regelung von Unterhaltsansprüchen des nichtehelichen Kindes und seiner Mutter enthält das FamFG Besonderheiten. Noch vor der rechtskräftigen Feststellung der Vaterschaft hat das minderjährige Kind die Möglichkeit, den mutmaßlichen Vater auf Zahlung des Mindestunterhalts in Anspruch zu nehmen, wenn ein Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft anhängig ist (§ 237 FamFG). Während der Anhängigkeit eines solchen Verfahrens kann das Familiengericht Regelungen zum Unterhaltsanspruch des Kindes und seiner Mutter auch durch einstweilige Anordnung treffen (§ 248 FamFG). Beide Vorschriften normieren eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Unterhaltsansprüche gegen den Erzeuger des Kindes erst geltend gemacht werden können, wenn dessen Vaterschaft rechtsverbindlich feststeht (§§ 1594 Abs. 1 und 1600d Abs. 4 BGB).
507
Vor der Geburt eines Kindes erlaubt § 247 FamFG – unabhängig von der Anhängigkeit eines Vaterschaftsfeststellungsverfahrens – im Wege der einstweiligen Anordnung die Festlegung seines Unterhaltsanspruchs für die ersten drei Lebensmonate und die Regelung des Unterhaltsanspruchs der nicht verehelichten Mutter nach § 1615l BGB für 6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Geburt des Kindes. Auch in diesen Verfahren muss die Vaterschaft für das Kind rechtlich nicht feststehen. Gemäß § 247 Abs. 2 Satz 2 FamFG reicht die Vaterschaftsvermutung nach § 1600d Abs. 2 und 3 BGB.
508
Praktisch bedeutsam ist nur das Verfahren auf Zahlung des Mindestunterhalts gemäß § 237 FamFG, welches sachlich dem früheren Annexverfahren nach § 653 ZPO a.F. entspricht. Die Jugendämter machen von der Möglichkeit, parallel zur Vaterschaftsfeststellung Unterhalt in Höhe des Mindestunterhalts festsetzen zu lassen, durchaus Gebrauch. Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 248 FamFG (früher § 641d ZPO) sind dagegen sehr selten. Und die einstweilige Anordnung nach § 247 FamFG dürfte wie ihre Vorgängerin nach § 1615o
1 Prütting/Helms, § 119 FamFG Rz. 9; Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg; § 119 FamFG Rz. 19; Dose, Einstweiliger Rechtsschutz in Familiensachen, Rz. 441. 2 KG, FamRZ 2013, 1673 (1675).
718 Griesche/Rasch
XVII. Verfahrensrechtliche Besonderheiten beim Unterhaltsanspruch
BGB a.F. in der Praxis bedeutungslos bleiben. Der Grund für das unterschiedliche Gewicht der einzelnen Regelungsmöglichkeiten liegt auf der Hand. Der notwendige sofortige Schutz des nichtehelichen Kindes und seiner Mutter wird durch sozialrechtliche Ansprüche wie z.B. Mutterschaftsgeld, Elterngeld, Unterhaltsvorschuss nach dem UVG wesentlich besser gewährleistet als durch eine vorläufige gerichtliche Regelung, die gegen einen zahlungsunwilligen Schuldner erst vollstreckt werden muss. 1. Verfahren auf Vaterschaftsfeststellung in Verbindung mit dem Antrag auf Zahlung von Mindestunterhalt gemäß § 237 FamFG E 31
Antrag auf Vaterschaftsfeststellung und Zahlung von Mindestunterhalt gemß § 237 FamFG
An das Amtsgericht
509
– Familiengericht –
Ort, Datum Antrag
des minderjhrigen Kindes …, geboren am …, … (Anschrift, Staatsangehçrigkeit) vertreten durch das Jugendamt als Beistand – Antragsteller – weitere Beteiligte: 1. (Name, Anschrift, Staatsangehçrigkeit) – Antragsgegner – 2. (Name, Anschrift, Staatsangehçrigkeit) – Kindesmutter – wegen Vaterschaftsfeststellung und Verpflichtung zum Unterhalt in Hçhe des Mindestunterhalts Es wird beantragt, dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen und wie folgt zu beschließen: 1. Es wird festgestellt, dass der Antragsgegner der Vater des Antragstellers ist. 2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller eine dynamisierte und zum Ersten eines jeden Monats im Voraus fllige Unterhaltsrente zu zahlen, und zwar fr die Zeit ab … (dem Tag seiner Geburt) den Mindestunterhalt der ersten Altersstufe, fr die Zeit ab … (Monatserster vor dem 6. Geburtstag) den Mindestunterhalt der zweiten Altersstufe, fr die Zeit ab … (Monatserster vor dem 12. Geburtstag) den Mindestunterhalt der dritten Altersstufe nach § 1612a Abs. 1 Satz 3 BGB jeweils abzglich des hlftigen Kindergeldes fr ein erstes Kind.
Rasch
719
K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
Begrndung: Der Antragsteller wurde am … von der Beteiligten zu 2 … geboren (Geburtsregister Nr. … des Standesamts …). Die Mutter des Antragstellers ist ledig. Sie hatte in der gesetzlichen Empfngniszeit vom … bis … ausschließlich mit dem Antragsgegner Geschlechtsverkehr. Beweis: Zeugnis der Beteiligten zu 2 Der Antragsgegner ist der Vater des Antragstellers. Beweis: Abstammungsgutachten Der Antragsgegner ist mit Schreiben des Jugendamtes vom … aufgefordert worden, die Vaterschaft anzuerkennen und Auskunft zur Berechnung des Kindesunterhalts zu erteilen. Das Schreiben ist dem Antragsgegner am … zugegangen. Beweis: Schreiben des Jugendamts vom … und Zustellungsnachweis vom …, beides in Fotokopie als Anlagen 1 und 2 beigefgt. Der Antragsgegner hat auf dieses Schreiben nicht reagiert. Die Vaterschaft des Antragsgegners ist daher gemß § 1600d BGB gerichtlich festzustellen. Als Vater ist der Antragsgegner seinem Kind nach §§ 1601 ff. BGB unterhaltsverpflichtet. Er ist im Verfahren nach § 237 FamFG zur Zahlung von Unterhalt in Hçhe des Mindestunterhalts gemß den Altersstufen nach § 1612a Abs. 1 Satz 3 BGB unter Bercksichtigung des Kindergeldes zu verpflichten. Dieses Verfahren kann nach § 179 Abs. 1 Satz 2 FamFG mit dem Abstammungsverfahren verbunden werden. Der Antragsteller behlt sich vor, hçheren Unterhalt im Wege der Abnderung nach § 240 FamFG zu verlangen. Es wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass auch der Antragsgegner auf das Abnderungsverfahren nach § 240 FamFG zu verweisen ist, wenn er behaupten sollte, den geforderten Unterhalt nicht zahlen zu kçnnen. Der Einwand mangelnder Leistungsfhigkeit ist im vorliegenden Verfahren gemß § 237 Abs. 3 Satz 3 FamFG nicht zu bercksichtigen. Verfahrenskostenhilfe wird beantragt, weil sowohl im Abstammungsverfahren als auch im Unterhaltsverfahren einem minderjhrigen Beteiligten Kosten auferlegt werden kçnnen. Dies ist nur in Kindschaftsverfahren ausgeschlossen (§ 81 Abs. 3 FamFG). Das antragstellende Kind hat kein Einkommen und kein Vermçgen. Die Mutter, bei der das Kind lebt, wird einen eigenen Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe stellen und eine Erklrung ber ihre persçnlichen und wirtschaftlichen Verhltnisse einreichen. Beglaubigte und einfache Abschrift anbei. Unterschrift
510
§ 237 FamFG eröffnet die Möglichkeit, bereits vor Feststellung der Vaterschaft die Zahlung von Unterhalt für das nichteheliche Kind zu beantragen. Der Antrag auf Zahlung von Mindestunterhalt ist jedoch nur zulässig, wenn das Kind minderjährig und ein Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft nach § 1600d BGB anhängig ist (§ 237 Abs. 1 FamFG).
511
Das Kindesunterhaltsverfahren nach § 237 FamFG ist ein selbstständiges Familienstreitverfahren und nicht notwendigerweise Teil des Abstammungsverfah-
720 Rasch
XVII. Verfahrensrechtliche Besonderheiten beim Unterhaltsanspruch
rens. § 179 Abs. 1 Satz 2 FamFG erlaubt jedoch die Verbindung einer Unterhaltssache nach § 237 FamFG mit dem Verfahren auf Feststellung des Bestehens der Vaterschaft. Auch dann bleibt das Verfahren aber Unterhaltsstreitsache, auf das die Vorschriften der ZPO entsprechend anzuwenden sind und nicht etwa diejenigen des Abstammungsverfahrens, welches sich nur nach den Normen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit richtet.1 Die Verbindung der Verfahren wird dadurch erleichtert, dass für die Unterhaltssache nach § 237 FamFG das Gericht ausschließlich zuständig ist, bei dem das Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft im ersten Rechtszug anhängig ist (§ 237 Abs. 2 FamFG). Sie empfiehlt sich, weil die Endentscheidung über den Unterhalt erst wirksam wird, wenn die Vaterschaft rechtskräftig feststeht (§ 237 Abs. 4 FamFG). Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit des Unterhaltsausspruchs ist nicht vorgesehen. Falls eine sofortige Zwangsvollstreckung nötig sein sollte, kann eine vorläufige Regelung des Unterhalts durch einstweilige Anordnung nach § 248 FamFG erwirkt werden (vgl. Rz. 517). Kindesunterhalt ist rückwirkend ab Geburt zuzusprechen, weil das Kind aus 512 rechtlichen Gründen daran gehindert ist, vor der rechtskräftigen Feststellung der Vaterschaft seinen Unterhaltsanspruch durchzusetzen (§ 1613 Abs. 2 Nr. 2a BGB). Den Schutz des Vaters vor Unterhaltsforderungen, auf die er sich bislang in seiner Lebensführung nicht einstellen konnte, wird durch § 1613 Abs. 3 BGB gewährleistet. Soweit die volle oder die sofortige Erfüllung der Unterhaltsforderung für den Vater eine unbillige Härte bedeuten würde, kann er Erlass, Teilerlass, Ratenzahlung oder eine Stundung rückständiger Unterhaltsbeträge erwirken (§ 1613 Abs. 3 Satz 1 BGB). Im Verfahren nach § 237 FamFG kann Unterhalt nur bis zur Höhe des Mindest- 513 unterhalts und gemäß den Altersstufen nach § 1612a BGB, vermindert oder erhöht um kindbezogene Leistungen wie das Kindergeld, verlangt werden (§ 237 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Es wird weder der konkrete Bedarf des Kindes anhand der wirtschaftlichen Verhältnisse des zum Barunterhalt herangezogenen Vaters noch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen geprüft. Das Kind kann zwar einen geringeren Unterhalt als den Mindestunterhalt verlangen (§ 237 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Doch im Übrigen kann in diesem Verfahren weder eine Herabsetzung noch eine Erhöhung des Unterhalts verlangt werden (§ 237 Abs. 3 Satz 3 FamFG). § 237 FamFG soll es dem minderjährigen Kind ermöglichen, in einem einfachen Verfahren schnell einen ersten Vollstreckungstitel gegen den Vater zu erhalten.2 Auch der Einwand fehlender Leistungsfähigkeit, der Verwirkung, der Erfüllung oder der Einwand des gesetzlichen Forderungsübergangs ist ausgeschlossen.3 Der Unterhaltsanspruch ist später – bei Bedarf – im Rahmen des Abänderungs(Korrektur-)Verfahrens nach § 240 FamFG genau zu bestimmen (s. Rz. 576 ff.).
1 BT-Drucks. 16/6308, S. 257. Dies ist der Grund, weshalb der Gesetzgeber das Verfahren nach § 237 FamFG – anders als die Vorgängervorschrift § 653 ZPO a.F. – nicht als Annex des Abstammungsverfahrens ausgestaltet hat. Denn auf die früheren sog. Kindschaftsverfahren nach § 640 a.F. ZPO waren grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften der ZPO anzuwenden. Erst mit Inkrafttreten des FamFG sind die Abstammungsverfahren zu reinen FGG-Verfahren geworden. 2 BGH, FamRZ 2003, 1095. 3 OLG Dresden, FamRZ 2003, 161; BGH, FamRZ 2003, 1095 (beide noch zu §§ 653, 654 ZPO a.F. m.w.N.).
Rasch
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
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Das Verfahren nach § 237 FamFG wird nicht dadurch unzulässig, dass der Vater im Lauf des Abstammungsverfahrens außergerichtlich die Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter anerkennt.1 Vielmehr ist – wie bei der Feststellung der Vaterschaft durch das Gericht – ohne weiteres Zuwarten über den geltend gemachten Unterhaltsanspruch zu entscheiden. Entgegen der Auffassung des OLG Hamm darf das Unterhaltsverfahren in diesem Fall nicht als ein vom Abstammungsverfahren unabhängiges Hauptsacheverfahren gemäß den allgemeinen Regeln fortgeführt werden, in dem die Einschränkungen des § 237 Abs. 3 FamFG nicht mehr gelten.2 Nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers sollen minderjährige Kinder möglichst schnell einen ersten Vollstreckungstitel erhalten.3 Es steht in Widerspruch zu dieser Intention, in einem nach § 237 FamFG parallel zum Vaterschaftsfeststellungsverfahren eingeleiteten, ggf. mit diesem verbundenen Verfahren den Erlass eines Vollstreckungstitels hinauszuschieben, bis die erhobenen Einwendungen gegen den Unterhaltsanspruch wie z.B. (gegenwärtig oder früher) fehlende Leistungsfähigkeit, Erfüllung, Verwirkung etc. geklärt sind. Eine solche Handhabung ist für das Kind nicht von Vorteil,4 sondern von Nachteil – sowohl was die Schnelligkeit bei der Beschaffung eines Vollstreckungstitels angeht als auch in Bezug auf das nachträglich hervorgerufene Kostenrisiko bei der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs nach § 237 FamFG.
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Im Rahmen des Korrekturverfahrens nach § 240 FamFG können alle Einwendungen zum Grund und zur Höhe des Unterhalts erhoben werden. Dabei setzt eine rückwirkende Herabsetzung des festgesetzten Unterhalts voraus, dass der Antrag des Vaters nach § 240 FamFG innerhalb eines Monats nach Rechtskraft der Unterhaltsentscheidung gemäß § 237 FamFG gestellt wird (§ 240 Abs. 2 FamFG). Wird der Antrag erst später gestellt, ist eine rückwirkende Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs zwar nicht ausgeschlossen, kommt aber nur ab dem Ersten des Monats in Betracht, der auf ein Auskunfts- oder Verzichtsverlangen des Vaters gegenüber seinem Kind nachfolgt. Auch kann in diesem Fall kann die Herabsetzung des Unterhalts nicht für eine Zeit verlangt werden, die mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegt.
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Û
Praxishinweis: Ist die Vaterschaft samt Unterhaltsverpflichtung gemäß § 237 FamFG festgestellt und Beschwerde gegen die Endentscheidung nicht beabsichtigt, sollte sich der Vater im Hinblick auf die Monatsfrist des § 240 Abs. 2 FamFG schnellstens mit den gesetzlichen Vertretern des Kindes (Mutter, Jugendamt) oder deren Verfahrensbevollmächtigten in Verbindung setzen, um den nach den individuellen Verhältnissen tatsächlich geschuldeten laufenden und rückständigen Unterhalt zu errechnen und eine entsprechende Vereinbarung mit der Gegenseite zu schließen. Hierbei sollte der Vater auch alle Umstände vortragen, die gemäß § 1613 Abs. 3 BGB einen Erlass, Teilerlass oder eine Stundung rückständiger Unterhaltsbeträge wegen unbilliger Härte rechtfertigen!
1 Prütting/Helms/Bömelburg, § 237 FamFG Rz. 4. 2 OLG Hamm, FamRZ 2012, 146 (nur LS). 3 BGH, FamRZ 2003, 1095. Vgl. auch das Vereinfachte Verfahren in §§ 249 ff. FamFG mit seiner Beschränkung von Einwendungen und der nachträglichen Korrektur gem. § 240 FamFG. 4 So aber Prütting/Helms/Bömelburg, § 237 FamFG Rz. 4.
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XVII. Verfahrensrechtliche Besonderheiten beim Unterhaltsanspruch
2. Einstweilige Anordnung nach § 248 FamFG Ist ein Verfahren der Mutter oder des minderjährigen Kindes auf Feststellung der 517 Vaterschaft nach § 1600d BGB, § 169 Nr. 1 FamFG anhängig, kann das insoweit zuständige Familiengericht (§ 248 Abs. 2 FamFG) auf Antrag den Unterhaltsanspruch des Kindes und den Unterhaltsanspruch der Mutter durch einstweilige Anordnung regeln (§ 248 FamFG). Es kann bestimmen, dass der Mann Unterhalt zu zahlen oder für den Unterhalt Sicherheit zu leisten hat (§ 248 Abs. 4 FamFG). Der Anspruch auf Unterhalt ist glaubhaft zu machen, d.h. zum einen muss die 518 Vaterschaft des Antragsgegners glaubhaft gemacht werden, zum anderen die Unterhaltsbedürftigkeit des Kindes bzw. der Mutter. Im ersten Punkt hilft die Vaterschaftsvermutung des § 1600d Abs. 2 Satz 1 BGB, die nach § 248 Abs. 3 FamFG entsprechend gilt: Im Hinblick auf diese Vermutung reicht es zur Glaubhaftmachung der Vaterschaft aus, wenn die Mutter eidesstattlich versichert, sie habe mit dem Antragsgegner in der gesetzlichen Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt. Des Weiteren müssen als Unterhaltsvoraussetzungen – wie stets –, die Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers und die Leistungsfähigkeit des zum Unterhalt Verpflichteten glaubhaft gemacht werden. Weitere Voraussetzung für den Erlass der einstweiligen Anordnung ist deren 519 Notwendigkeit, ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden ist dagegen nicht erforderlich (vgl. Rz. 410 zu § 246 FamFG). Diese Notwendigkeit entfällt nicht schon dann, wenn die Mutter des Kindes oder Verwandte das Kind unterhalten können.1 Wegen ihres subsidiären Charakters haben auch Leistungen nach dem UVG und Sozialhilfe grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Das nichteheliche Kind bzw. seine Mutter gehen bei der einstweiligen Anord- 520 nung möglicherweise ein erhebliches Risiko ein; denn § 248 Abs. 5 Satz 2 FamFG enthält nach dem Vorbild des § 945 ZPO eine verschuldensunabhängige Pflicht zum Schadensersatz: Wird das Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft zurückgenommen oder rechtskräftig abgewiesen, so hat derjenige, der die einstweilige Anordnung erwirkt hat, dem Mann den Schaden zu ersetzen, der jenem aus der Vollziehung der einstweiligen Anordnung entstanden ist. Zum Inhalt und zum Verfahren der einstweiligen Anordnung nach § 248 FamFG 521 wird auf die Darstellung der einstweiligen Anordnung unter Rz. 432 ff., zum Unterhaltsanspruch nach § 1615l BGB auf Kap. D Rz. 5 ff. verwiesen. 3. Einstweilige Anordnung nach § 247 FamFG Nach § 247 Abs. 1 FamFG kann im Wege der einstweiligen Anordnung bereits 522 vor der Geburt des Kindes die Verpflichtung zur Zahlung des für die ersten drei Monate dem Kinde zu gewährenden Unterhalts (inklusive der Säuglingserstausstattung) sowie des der Mutter nach § 1615l Abs. 1 BGB zustehenden Betrages geregelt werden. Die Regelung des Unterhalts für die Mutter erfasst den Zeitraum von 6 Wochen vor bis 8 Wochen nach der Geburt des Kindes und kann sich auch auf weitere Kosten der Schwangerschaft und der Entbindung erstrecken. In Betracht kommt auch die Anordnung, dass der Unterhaltsbetrag nach § 247
1 A.A. Prütting/Helms/Bömelburg, § 248 FamFG Rz. 10.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
Abs. 1 FamFG zu einem bestimmten Zeitpunkt vor der Geburt des Kindes zu hinterlegen ist (§ 247 Abs. 2 Satz 3 FamFG). S. dazu auch Kap. D Rz. 8 ff. 523
Antragstellerin kann nach § 247 Abs. 2 Satz 1 FamFG die Mutter sein, obwohl sie vor der Geburt des Kindes noch nicht Inhaberin der elterlichen Sorge sein kann. Dies vermeidet die Notwendigkeit, einen Pfleger zu bestellen.1 Antragsteller kann aber auch das Jugendamt als Beistand sein (§ 1712 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
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Zum Inhalt und zum Verfahren der einstweiligen Anordnung nach § 247 FamFG wird auf die Darstellung der einstweiligen Anordnung unter Rz. 432 ff., 429 f., zum Unterhaltsanspruch der Mutter eines nichtehelichen Kindes auf Kap. D Rz. 5 ff. verwiesen.
XVIII. Vereinfachtes Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger 525
In dem Bestreben, die unterhaltsrechtliche Position der minderjährigen Kinder zu stärken, hat das KindUG2 zum 1.7.1998 mit dem vereinfachten Verfahren ein verfahrenstechnisch neues Instrument zur Festsetzung des Unterhalts von Minderjährigen geschaffen. Dieses Verfahren, welches das FamFG beibehalten hat, soll dazu beitragen, Unterhaltsansprüche von Minderjährigen schnell und wirkungsvoll durchzusetzen. Es handelt sich um ein schematisiertes Verfahren, das in 1. Instanz dem Rechtspfleger übertragen ist (§ 25 Nr. 2c RPflG).
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Im vereinfachten Verfahren zur erstmaligen Festsetzung des Kindesunterhalts (§§ 249 ff. FamFG), welches anstelle eines streitigen Unterhaltsverfahren durchgeführt werden kann,3 hat das minderjährige Kind die Möglichkeit, das 1,2fache des Mindestunterhalts (§ 249 Abs. 1 FamFG) als monatlichen Unterhalt festsetzen zu lassen, ohne das Einkommen des Unterhaltspflichtigen darlegen und beweisen zu müssen. Will der Unterhaltsverpflichtete dagegen einwenden, er sei nur eingeschränkt oder auch gar nicht leistungsfähig, muss er anhand eines Formulars im Einzelnen Auskunft über seine Einkünfte und sein Vermögen erteilen sowie seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse offen legen (§ 252 Abs. 2 Satz 3 FamFG). Außerdem hat er zu erklären, inwieweit er zur Unterhaltszahlung bereit ist und dass er sich insoweit zur Erfüllung des Unterhaltsanspruchs verpflichtet (§ 252 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Anderenfalls wird der Unterhalt in der beantragten Höhe festgesetzt (§ 253 FamFG).
527
Û
Praxishinweis: Das vereinfachte Verfahren stellt den nicht oder nur eingeschränkt leistungsfähigen Unterhaltsschuldner vor die Wahl, entweder umfassend Auskunft über seine Einkünfte, sein Vermögen sowie über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu erteilen oder zur Zahlung des beantragten Unterhalts verpflichtet zu werden. Denn der Unterhaltsschuldner kann sich auf seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit nur berufen, wenn er zugleich seiner Auskunftspflicht gegenüber dem Unterhaltsberechtigten vollständig nachkommt. Dieser Aspekt ist ein wesentlicher Vorteil des vereinfachten Verfahrens. Er sollte bedacht werden, wenn die
1 BT-Drucks. 16/6308, S. 260. 2 KindUG vom 6.4.1998, BGBl. I, S. 666. 3 BT-Drucks. 13/7338, S. 37.
724 Rasch
XVIII. Vereinfachtes Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger
Entscheidung ansteht, in welcher Form der Unterhaltsanspruch eines minderjährigen Kindes geltend gemacht werden soll – durch streitiges Verfahren oder mithilfe des vereinfachten Verfahrens. Gegenüber dem schwerfälligen Stufenverfahren nach § 254 ZPO könnte sich das vereinfachte Verfahren jedenfalls oft als die zweckmäßigere Vorgehensweise anbieten, wenn kein höherer Unterhalt als der 1,2-fache Satz des Mindestunterhalts in Betracht kommt. Die Bezeichnung „Vereinfachtes Verfahren“ sollte nicht dazu verführen, das 528 Verfahren für einfach zu halten. Vielmehr gebieten die rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens nach überwiegender Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung bei Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe die Beiordnung eines Anwalts sowohl für den Antragsteller (s. Rz. 546) als auch für den Antragsgegner (s. Rz. 555), obwohl grundsätzlich kein Anwaltszwang herrscht (§§ 257, 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG, § 78 Abs. 3 ZPO). 1. Vereinfachtes Verfahren zur Festsetzung des Unterhalts minderjähriger Kinder Für das vereinfachte Verfahren gemäß §§ 249 ff. FamFG besteht Formularzwang 529 (§ 259 Abs. 2 FamFG). Die Formulare sind zum 1.9.2009 mit der 4. VO zur Änderung der Kindesunterhalt-Formularverordnung vom 17.7.2009 (BGBl. I, S. 2134), berichtigt am 7. Oktober 2009 (BGBl. I, S. 3557), neu gefasst worden. Sie bestehen aus dem „Antrag auf Festsetzung von Unterhalt“ nebst einem Merkblatt mit Ausfüllhinweisen und dem Formular für die „Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt“. Die Beteiligten müssen sich dieser Formulare bedienen. Die Vordrucke können aus dem Internet kostenfrei heruntergeladen werden.1 a) Statthaftigkeit des vereinfachten Verfahrens Im vereinfachten Verfahren nach §§ 249 ff. FamFG können die Unterhalts- 530 ansprüche aller minderjährigen Kinder, die nicht im Haushalt des in Anspruch genommenen Elternteils leben, geregelt werden, sofern der mit dem vereinfachten Verfahren erstrebte Unterhalt das 1,2fache des jeweiligen Mindestunterhalts nach § 1612a BGB nicht übersteigt (§ 249 Abs. 1 FamFG). Die Zahlbeträge bei einem Höchstbetrag von 120 % des jeweiligen Mindest- 531 unterhalts gemäß § 1612a BGB belaufen sich nach Abzug des hälftigen Kindergeldes für die Zeit ab 1.1.2014 auf – in der 1. Altersstufe auf 381 Euro (120 %) – 92 Euro (1/2 Kindergeld) = 289 Euro; – in der 2. Altersstufe auf 437 Euro (120 %) – 92 Euro (1/2 Kindergeld) = 345 Euro; – in der 3. Altersstufe auf 512 Euro (120 %) – 92 Euro (1/2 Kindergeld) = 420 Euro. Das vereinfachte Verfahren steht nur zur Verfügung, wenn das Kind nicht im 532 Haushalt des in Anspruch genommenen Elternteils lebt. Lebt das Kind im
1 Stichwort: Kindesunterhalt-Formularverordnung; auch unter www.gesetze-im-internet. de/bundesrecht/kinduvv/gesamt.pdf.
Rasch
725
K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
Wechsel bei dem einen und dem anderen Elternteil, kann der Barunterhaltsanspruch des Kindes nicht im vereinfachten Verfahren festgesetzt werden.1 533
Das vereinfachte Verfahren steht nur für die erstmalige Titulierung von Unterhaltsansprüchen zur Verfügung.2 Es ist nicht statthaft, wenn bereits ein Gericht über den Unterhaltsanspruch des Kindes entschieden hat, ein gerichtliches Verfahren über den Unterhaltsanspruch anhängig ist oder ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Unterhaltstitel vorliegt (§ 249 Abs. 2 FamFG). Denn das stark schematisierte vereinfachte Verfahren, das Einwendungen des Unterhaltsschuldners nur in begrenztem Umfang zulässt, eignet sich nicht dazu, Urteile oder bestehende Unterhaltstitel zu überprüfen. Aus diesem Grund findet das vereinfachte Verfahren auch dann nicht statt, wenn zuvor ein Unterhaltsantrag als unbegründet abgewiesen wurde.3 Der Antrag auf Durchführung des vereinfachten Verfahrens bleibt jedoch zulässig, wenn der Unterhaltspflichtige ein vollstreckbares Unterhaltsanerkenntnis erst abgibt, nachdem ihm das Gericht den Antrag oder die Mitteilung über die Einleitung des Verfahrens zugestellt hat (§ 249 Abs. 2 FamFG). Ansonsten hätte es der Unterhaltsschuldner in der Hand, das vereinfachte Verfahren und damit seine Auskunftspflicht nach § 252 Abs. 2 FamFG zu unterlaufen, indem er nach Einleitung des Verfahrens vor dem Jugendamt oder einem Notar einen vom Antrag nach unten abweichenden Unterhaltstitel errichtet.4
534
Streit besteht in der Rechtsprechung zu der Frage, ob ein Kind seinen Unterhalt im vereinfachten Verfahren festsetzen lassen kann, wenn ein Titel zugunsten der Unterhaltsvorschusskasse über den rückständigen und künftigen Unterhalt des Kindes existiert. Der wohl überwiegende Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung hält die Festsetzung zugunsten des Kindes für möglich, weil der bestehende Unterhaltstitel lediglich die Unterhaltsansprüche erfasst, die infolge von Unterhaltsvorschussleistungen nach § 7 Abs. 1 UVG übergegangen sind.5 Demgegenüber wird aber auch der Standpunkt eingenommen, es liege bereits ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel vor, dem Kind könne nach § 727 Abs. 1 ZPO – kostengünstig – eine Rechtsnachfolgeklausel erteilt werden.6 b) Form und Inhalt des Antrags
535
Für den Antrag auf Festsetzung des Minderjährigenunterhalts muss das eingeführte Antragsformular verwandt werden. Ausgenommen vom Formularzwang nach § 259 Abs. 2 FamFG sind lediglich die Kommunen, das Land, welches Unterhaltsvorschuss geleistet hat und die in § 1607 Abs. 2 und 3 BGB genannten Verwandten, die auf sie übergegangene Unterhaltsansprüche im vereinfachten Verfahren geltend machen (§ 1 Abs. 2 KindUFV).
1 OLG Celle, FamRZ 2003, 1475; Zöller/Lorenz, § 249 FamFG Rz. 3; Prütting/Helms/Bömelburg, § 249 FamFG Rz. 13. 2 van Els, Rpfleger 2000, 297 (299). 3 Zöller/Lorenz, § 249 FamFG Rz. 7; Musielak/Borth, § 249 Rz. 5; OLG München, FamRZ 1999, 450 (451); OLG Stuttgart, OLGR 2000, 142 (143). 4 OLG München, FamRZ 2001, 1076. 5 OLG Stuttgart, FamRZ 2013, 646 m. Anm. Giers; OLG Düsseldorf, FamRZ 2012, 1909; OLG Hamm, FamRZ 2012, 910; OLG Schleswig, FamRZ 2008, 1092. 6 OLG Koblenz, FamRZ 2006, 1689; OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 1796.
726 Rasch
XVIII. Vereinfachtes Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger
E 32
Antrag auf Festsetzung von Unterhalt 536
Rasch
727
K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
537
Im Musterantrag fordert die getrennt lebende Ehefrau und Mutter des minderjährigen Kindes als gesetzliche Verfahrensstandschafterin rückständigen und laufenden Kindesunterhalt. Die folgenden Erläuterungen beziehen sich auf die Randnummern des amtlichen Vordrucks.
538
Zu Nr. 1. Der Festsetzungsantrag ist an das Amtsgericht – Familiengericht – zu richten, in dessen Bezirk das Kind oder der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG). Diese ausschließliche Zuständigkeit besteht ohne Rücksicht auf die Anhängigkeit einer Ehesache (§ 232 Abs. 1 Nr. 1 FamFG).
539
Zu Nrn. 2.–6. Nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 FamFG muss der Antrag auf Unterhaltsfestsetzung die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Verfahrensbevollmächtigten enthalten, damit Zustellung wie Vollstreckung möglich sind. Die Stellung des minderjährigen Kindes ist im vereinfachten Verfahren dieselbe wie im ordentlichen Verfahren, so dass auf die Ausführungen unter Rz. 37 ff. verwiesen werden kann. Anwaltliche Vertretung ist im vereinfachten Verfahren nicht notwendig (§§ 257, 114 Nr. 6 FamFG). Fachliche Beratung durch Rechtsanwälte oder das Jugendamt wird aber im amtlichen Merkblatt zum Festsetzungsantrag mehrfach empfohlen. Zur Beiordnung, s. Rz. 528, 546.
540
Zu Nr. 7. Im Antragsformular wird unterschieden zwischen dem dynamisierten, gemäß den Altersstufen nach § 1612a Abs. 1 Satz 3 BGB veränderlichen Unterhalt (Spalte 1) und dem statischen, d.h. gleich bleibenden bezifferten Unterhaltsbetrag (Spalte 2). Zahlt der Unterhaltsschuldner keinen Unterhalt, empfiehlt es sich – wie im Musterantrag –, sowohl für den laufenden als auch für den rückständigen Unterhalt den dynamisierten Unterhalt zu verlangen.1 Auszufüllen ist in diesem Fall nur die Spalte 1 des Vordrucks. Es verschafft zwar Klarheit, den beantragten Unterhalt gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO soweit wie möglich zu beziffern und erst den künftigen, noch veränderlichen Unterhalt in dynamisierter Form geltend zu machen. Die damit verbundenen Berechnungen sind aber aufwendig und fehlerträchtig, zumal sie bei längeren Zeiträumen die Veränderungen der Tabellensätze, zuweilen auch eine veränderte Altersstufe des Kindes berücksichtigen müssen.
541
Erbringt der Unterhaltsschuldner gleichbleibend oder sporadisch Zahlungen auf den Unterhalt, wird empfohlen, den künftigen Unterhalt als dynamisierten Unterhalt gemäß den Altersstufen nach § 1612a Abs. 1 Satz 3 BGB in der Spalte 1 des Vordrucks zu beantragen und den rückständigen Unterhalt betragsmäßig (vor Anrechnung des Kindergelds) als statischen Unterhalt in Spalte 2 einzutragen.2 Die bislang gezahlten Unterhaltsbeträge sind in der Spalte 3 in einer Summe zusammengefasst anzugeben. Um Rückfragen des Gerichts zu vermeiden, sollte dem Antrag zur näheren Erläuterung auf einem besonderen Blatt die genaue Berechnung des Rückstands beigefügt werden.
1 Münchener Prozessformularbuch/Vossenkämper, Form. J.II.2 Anm. 7, der generell dazu rät, bei Unterhaltsforderungen für die Vergangenheit ab 1.7.1998 und für die Zukunft möglichst nur den dynamisierten Unterhalt zu wählen. 2 So auch Nr. 7 der amtlichen Ausfüllhinweise.
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XVIII. Vereinfachtes Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger
Im vereinfachten Unterhaltsverfahren können die gesetzlichen Verzugszinsen 542 von derzeit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, die ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Festsetzungsantrags auf den zu dieser Zeit rückständigen Unterhalt gezahlt werden müssen, beantragt und festgesetzt werden1 (Kap. A Rz. 372 ff.). Betrifft der Antrag auf Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren 543 Unterhaltsbeträge, die vor dem Inkrafttreten des UÄndG am 1.1.2008 fällig geworden sind und nach der Regelbetrag-Verordnung errechnet werden, können diese entweder als fester Betrag in der Spalte „Unterhalt gleichbleibend“ oder mit den vor dem Inkrafttreten gültigen Vordrucken beantragt werden (§ 4 Abs. 2 KindUFV). Zu Nr. 8. Die Angabe des monatlichen Bruttoeinkommens des Kindes soll dem 544 Antragsteller vor Augen führen, dass er bei der Berechnung der Unterhaltshöhe unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen des Kindes zu berücksichtigen hat.2 Der Unterhaltsschuldner kann anhand dieser Angabe prüfen, ob Unterhalt in der beantragten Höhe geschuldet ist. Letztlich entspricht es dem Bedürfnis materieller Gerechtigkeit, den Unterhaltsschuldner, der selbst zu umfassender Auskunft herangezogen wird, auch über die materielle Situation des Unterhaltsberechtigten zu unterrichten.3 Zu Nr. 9. Hier sind die vollen Kindergeldbeträge zu nennen. Anzugeben ist auch, 545 um das wievielte gemeinschaftliche Kind es sich handelt, weil nach § 1612b Abs. 2 BGB Zählkindervorteile von nicht gemeinschaftlichen Kindern unberücksichtigt bleiben. Zu Nr. 10. Dem Antragsteller ist unter den Voraussetzungen des § 114, 115 ZPO 546 Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen. Trotz fehlenden Anwaltszwangs wird auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts in der obergerichtlichen Rechtsprechung überwiegend befürwortet. Wie in allen Unterhaltssachen erscheint auch im vereinfachten Verfahren eine anwaltliche Vertretung regelmäßig erforderlich (§ 121 Abs. 2 ZPO). Allein die Frage, ob und in welchem Umfang ein Anspruch gegen den Unterhaltspflichtigen geltend gemacht werden kann, setzt die Beratung durch eine im Unterhaltsrecht erfahrene Person voraus.4 Nicht zuletzt wirft das Ausfüllen des Antragsvordrucks im Hinblick auf die Behandlung von rückständigem Unterhalt Probleme auf. Zu Nr. 11. Die Mitteilung, dass der Antragsgegner am 14. Januar 2014 zur Aus- 547 kunft und Unterhaltszahlung aufgefordert worden ist, ermöglicht die Überprüfung des angegebenen Unterhaltsrückstands. Dieser ist hier zutreffend mit 1 050 Euro angegeben, er errechnet sich am 24. April 2010 mit (4 Monate × 345 Euro) abzgl. gezahlter 330 Euro.
1 2 3 4
BGH, FamRZ 2008, 1428 m. Anm. Vossenkämper. BT-Drucks. 14/7349, S. 25. BT-Drucks. 14/7349, S. 25. OLG München, FamRZ 1999, 792; OLG Bamberg, NJW-FER 2000, 216; OLG Hamm, FamRZ 2001, 1155; OLG Brandenburg, FamRZ 2002, 1199; a.A. KG, FamRZ 2000, 762 mit ablehnender Anm. Kuhnigk.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
548
Wird die Festsetzung von Kosten beantragt, sind die Anwaltskosten in einer anzufügenden Aufstellung (in zweifacher Ausfertigung) näher darzulegen. Die Gerichtskosten (0,5 Entscheidungsgebühr nach Nr. 1210 KV-FamGKG) werden von Amts wegen hinzugesetzt.
549
Im Musterbeispiel beträgt der Streitwert 5 190 Euro (laufender Unterhalt gemäß § 51 Abs. 1 FamGKG: 12 × 345 Euro, zuzüglich Unterhaltsrückstand gemäß § 51 Abs. 2 Satz 3 FamGKG von 1 050 Euro). Dementsprechend errechnen sich die Anwaltskosten wie folgt:
550
Beispiel zur Aufstellung der Anwaltskosten: 1,3 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV-RVG (Wert: 5 190 Euro) Pauschale gem. Nr. 7002 VV-RVG 19 % MwSt
460,20 Euro 20,00 Euro 91,24 Euro 571,43 Euro
551
Festgesetzt werden auf Antrag nur die Kosten des vereinfachten Verfahrens. Ausgeschlossen von der Kostenfestsetzung ist der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts gegen seinen Auftraggeber nach Nr. 2400 VV-RVG, der auf vorgerichtlicher Tätigkeit des Anwalts beruht.1 Diese Kosten gehören nicht zu den verfahrensbezogenen und damit erstattungsfähigen Kosten des vereinfachten Verfahrens. Die Rahmengebühr, die je nach Umfang und Schwierigkeit der zu vergütenden Tätigkeit zwischen 0,5 bis 2,5 der Gebühren beträgt und nach Nr. 2402 bei einem Schreiben einfacher Art sogar auf 0,3 der vollen Gebühr beschränkt sein kann, eignet sich auch nicht für eine Klärung im vereinfachten Verfahren, welches der Festsetzung von Unterhalt vorbehalten ist. Die Erstattungsfähigkeit der vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten ist mithin in einem gesonderten Verfahren geltend zu machen und dort nach materiell-rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen.
552
Zu Nr. 12. Die Erklärungen beruhen auf § 250 Abs. 1 Nr. 8 und 9 FamFG (zur Statthaftigkeit des vereinfachten Verfahrens) sowie auf § 250 Abs. 1 Nr. 12 FamFG (zur Aktivlegitimation im Hinblick auf evtl. Sozialleistungen).
553
Entspricht der Antrag nicht den in §§ 249 und 250 Abs. 1 FamFG bezeichneten gesetzlichen Voraussetzungen, weist der Rechtspfleger den Antrag zurück (§ 250 Abs. 2 FamFG). Diese Zurückweisung ist nicht anfechtbar (§ 250 Abs. 2 Satz 3 FamFG). Der Antragsteller kann aber gegen die Entscheidung des Rechtspflegers die fristgebundene Erinnerung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG erheben. Hilft der Rechtspfleger der Erinnerung nicht ab (§ 11 Abs. 2 Satz 2 RPflG), entscheidet der Familienrichter des Amtsgerichts abschließend und ohne Rechtsmittelfähigkeit (§ 11 Abs. 2 Satz 3 RPflG). Der Antragsteller kann jedoch einen neuen, nachgebesserten Antrag stellen.
554
Besteht kein Anlass zur Zurückweisung, stellt der Rechtspfleger den Antrag zu, wobei er dem Antragsgegner zugleich die Hinweise nach § 251 FamFG erteilt, insbesondere die Belehrung, dass über den Unterhalt ein vollstreckbarer Festsetzungsbeschluss ergehen kann, wenn der Antragsgegner nicht innerhalb eines
1 BGH, FamRZ 2005, 604 (für § 118 BRAGO); KG, JurBüro 2006, 84; OLG Koblenz, MDR 2005, 838.
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XVIII. Vereinfachtes Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger
Monats Einwendungen in der vorgeschriebenen Form erhebt (§ 251 Abs. 1 Nr. 3 FamFG). Sind vereinfachte Verfahren anderer Kinder des Antragsgegners bei dem Gericht anhängig, hat es die Verfahren zum Zweck gleichzeitiger Entscheidung zu verbinden (§ 250 Abs. 3 FamFG).1 c) Einwendungen des Antragsgegners Will sich der Antragsgegner gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt zur 555 Wehr setzen, muss er seine Einwendungen gemäß § 252 FamFG in dem amtlich eingeführten, in drei Abschnitte gegliederten Einwendungsvordruck vorbringen.2 Ansonsten werden seine Einwendungen als nicht erhoben behandelt.3 Der Antragsgegner kann die Einwendungen ohne anwaltliche Hilfe erheben, die Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist im vereinfachten Verfahren nicht vorgeschrieben (§§ 257, 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG, § 78 Abs. 3 ZPO). Doch halten die Obergerichte eine anwaltliche Vertretung zumeist für geboten und ordnen dem Antragsgegner einen Anwalt bei, wenn im Übrigen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe vorliegen.4 Es ist dem Antragsgegner nicht erlaubt, sogleich die Durchführung des streiti- 556 gen Verfahrens nach § 255 FamFG zu beantragen. Der Übergang zum normalen Unterhaltsverfahren ist nur eröffnet, wenn und soweit der Antragsgegner beachtliche Einwendungen nach § 252 FamFG erhoben, d.h. vor allem die mit diesen Einwänden verbundenen Auskünfte erteilt und die erforderlichen Verpflichtungserklärungen abgegeben hat (§ 255 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Das streitige Verfahren darf nicht dazu benutzt werden, die mit den Einwendungen i.S.v. § 252 FamFG verbundenen Verpflichtungen insbesondere zur Auskunft, zu umgehen.
1 2 3 4
OLG Celle, FamFR 2011, 254 (Hennemann). OLG Karlsruhe, FamRZ 2001, 107; OLG Koblenz, FamRZ 2001, 1079. OLG Köln, FamRZ 2012, 1822; OLG Frankfurt, FamRZ 2012, 1821. OLG Hamm, FamRZ 2011, 1745; OLG Oldenburg, FamRZ 2011, 917.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
E 33
Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt: Erster Abschnitt des Formulars
557
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XVIII. Vereinfachtes Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger
Dem Antragsgegner sind zunächst die in § 252 Abs. 1 ZPO aufgezählten, im Vor- 558 druck unter den Buchstabe n A–E geführten Einwendungen eröffnet. Sie richten sich gegen die Zulässigkeit des Verfahrens (Einwand A), gegen den Zahlungsbeginn (Einwand B) sowie gegen Fehler bei der Berechnung der Unterhaltshöhe (Einwand C und D). Diese Einwendungen sind in der Regel auf eher formalisierte, schnell feststellbare Punkte beschränkt.1 Es können aber auch tatsächlich oder rechtlich schwierige Probleme aufgeworfen werden. So betrifft der Einwand des Antragsgegners, er habe mit dem Kind bis zu einem bestimmten Zeitpunkt noch in einem Haushalt gelebt, unmittelbar die Statthaftigkeit des Verfahrens.2 Nicht immer schnell und eindeutig zu lösen sind auch Einwendungen gegen die Befugnis zur Führung des vereinfachten Verfahrens (z.B. aufgrund der Obhut des Kindes oder bei rechtswidrig gewährten öffentlich-rechtlichen Leistungen).3 Zum Prüfungsumfang des Rechtspflegers s. Rz. 569. Wenn sich der Antragsgegner sofort zur Erfüllung des beantragten Unterhalts- 559 anspruchs verpflichtet, kann er ferner geltend machen, dass er keine Veranlassung zur Antragstellung gegeben hat (Einwand E) und es der Billigkeit entspricht, die Kosten nach § 243 Nr. 4 FamFG i.V.m. § 93 ZPO dem Antragsteller aufzuerlegen. Praktisch wichtig sind aber vor allem die anderen Einwendungen nach § 252 560 Abs. 2 FamFG. Diese sind nur zulässig, wenn der Antragsgegner bestimmte Auflagen erfüllt. Wendet der Antragsgegner Erfüllung ein (Einwand F), muss er zugleich erklären, inwieweit er geleistet hat, und sich verpflichten, einen darüber hinausgehenden Unterhaltsrückstand zu begleichen (§ 252 Abs. 2 Satz 2 FamFG).4 Den praktisch wichtigsten der möglichen Einwände, den Einwand eingeschränkter oder fehlender Leistungsfähigkeit (Einwand G), kann der Antragsgegner nur erheben, wenn er zugleich im 2. Abschnitt des Formulars im Detail Auskunft erteilt über seine Einkünfte, sein Vermögen und seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und diese Auskünfte belegt (§ 252 Abs. 2 Satz 3 FamFG). Insoweit wird auf den vollständigen Einwendungsvordruck, der auch den umfangreichen und ins Einzelne gehenden Fragenkatalog des 2. Abschnitts umfasst, verwiesen.5
Û
Praxishinweis: Im – aus Platzgründen nicht abgedruckten – 2. Abschnitt des 561 Einwendungsformulars werden beim Unterhaltsschuldner sämtliche Informationen abgefragt, die zur Berechnung und Einschätzung von Unterhalt erforderlich sind. Das Formular sieht außer den üblichen Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen weitere Angaben vor: Angaben zu den Personen, denen der Antragsgegner unterhaltsverpflichtet ist (samt deren Anschrift und Einkommensverhältnisse); Angaben zur Höhe der Wohnkosten des Unterhaltsverpflichteten; Angaben zu Vorsorgeaufwendungen; Angaben zu Verbindlichkeiten und außergewöhnlichen Belastungen.
1 Koch/Margraf, Rz. 7358. 2 Prütting/Helms/Bömelburg, § 252 FamFG Rz. 7. 3 Nach der Rspr. führen auch rechtswidrig erbrachte Sozialleistungen zum Übergang des Unterhaltsanspruchs (BGH, FamRZ 1986, 878; BVerwG, FamRZ 1983, 183), was aber in der Literatur angegriffen wird (vgl. Wendl/Dose/Klinkhammer, § 8 Rz. 77 m.w.N.). 4 OLG Frankfurt, FamRZ 2012, 1821. 5 OLG Celle, FamRZ 2012, 1820.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
562
Das Feld H auf dem Formular ist für sonstige Einwendungen des Unterhaltsschuldners vorgesehen. Hier wäre z.B. der Einwand des Antragsgegners, er sei nicht der Vater des Kindes, einzusetzen.1
563
Erhebt der Unterhaltsschuldner Einwendungen nach § 252 Abs. 2 FamFG, nämlich Einwendungen bezüglich seiner Leistungsfähigkeit (Einwand G) oder einen sonstigen, nicht unter § 252 Abs. 1 FamFG fallenden Einwand (Einwand H), ist weiter erforderlich, dass sich der Antragsgegner darüber erklärt, ob und inwieweit er sich zu Unterhaltszahlungen verpflichtet (§ 252 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Das amtliche Formular weist deshalb unter den Rubriken G und H ausdrücklich darauf hin, dass der 3. Abschnitt des Formulars auszufüllen ist.
564
E 34
Verpflichtungserklrung des Antragsgegners zur Zahlung von Unterhalt: Dritter Abschnitt des Formulars
565
1 OLG Köln, FamRZ 2012, 1822.
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XVIII. Vereinfachtes Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger
Schwierig ist die Verwendung des Formulars, wenn der Antragsgegner meint, er 566 sei mangels Leistungsfähigkeit zu keiner Unterhaltszahlung verpflichtet. Hierzu muss er sich nach § 252 Abs. 2 Satz 1 FamFG ausdrücklich erklären. Das amtliche Formular, das der Antragsgegner benutzen muss, enthält indes keinerlei Erklärung dieses Inhalts. Vielmehr weist das amtliche Formular im 1. und im 3. Abschnitt darauf hin, dass der Antragsgegner in diesem Fall im Rahmen seiner Verpflichtungserklärung eine „0“ in das zugehörige Betragsfeld eintragen soll (s. obiger Mustertext). Deshalb ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei insgesamt fehlender Leistungsfähigkeit keine Erklärung gemäß § 252 Abs. 2 Satz 1 FamFG abzugeben ist,1 sie zumindest formlos erfolgen könne.2 Es dürfe nicht zu Lasten des Antragsgegners gehen, wenn er eine im Vordruck nicht vorgesehene Erklärung unterlasse.3 Der Antragsgegner hat nach § 251 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZPO eine Frist von einem 567 Monat, um Einwendungen zu erheben. Diese Frist ist jedoch keine Ausschlussfrist. Der Rechtspfleger hat Einwendungen – auch wenn sie verspätet bei Gericht eingehen – zu berücksichtigen, solange der Festsetzungsbeschluss nicht verfügt ist (§ 252 Abs. 3 FamFG).4 Das ist noch nicht der Fall, wenn der Rechtspfleger den Beschluss unterzeichnet hat, auch noch nicht, wenn er ihn dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle übergeben und damit erlassen hat (§ 38 Abs. 3 FamFG).5 Vielmehr ist ein schriftlich gefasster Beschluss gemäß § 252 Absatz 3 FamFG erst dann verfügt, wenn das Gericht die unterschriebene Entscheidung aus seiner Verfügungsgewalt entlassen hat, d.h. zu dem Zeitpunkt, in welchem der Urkundsbeamten der Geschäftsstelle für die Zustellung der Entscheidung Sorge getragen hat (erkennbar am sog. Abvermerk).6
Û
Praxishinweis: Es ist dem Unterhaltsverpflichteten dringend zu empfehlen, 568 innerhalb der gesetzten Frist das Einwendungsformular vollständig auszufüllen und einzureichen. Erstinstanzlich unterlassene Einwendungen nach § 252 Abs. 2 FamFG können im Beschwerdeverfahren nicht nachgeholt werden (§ 256 Satz 2 FamFG).
Einwendungen gegen die Zulässigkeit des Verfahrens (§ 252 Abs. 1 Nr. 1 FamFG) 569 und solche gegen die Berechnung der Unterhaltshöhe (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 FamFG) werden daraufhin überprüft, ob sie „nicht begründet“ und dann zurückzuweisen sind (§ 252 Abs. 1 Satz 3 FamFG). Daraus ist abzuleiten, dass sich die Prüfung des Gerichts – in erster Instanz des Rechtspflegers – auf die Schlüssigkeit der erhobenen Einwendungen des Antragsgegners beschränken darf, eine Beweisaufnahme zur Feststellung des wahren Sachverhalts nicht stattzufinden braucht, vielmehr die Frage der Begründetheit im streitigen Verfahren nach
1 OLG Hamm, FamRZ 2006, 211; 2000, 360; OLG Dresden, FamRZ 2000, 1031; OLG Düsseldorf, FamRZ 2001, 765; OLG Brandenburg, FamRZ 2001, 766 (767). OLG Frankfurt, FamRZ 2002, 835. 2 OLG Karlsruhe, FamRZ 2013, 562; OLG Celle, FamRZ 2012, 1820 (m.w.N.); OLG Oldenburg, FamRZ 2012, 997; OLG Bamberg, FamRZ 2001, 108 (109). 3 OLG Düsseldorf, FamRZ 2001, 765. 4 OLG Köln, FamRZ 2000, 680; OLG Köln, FamRZ 2001, 1464. 5 So aber Keidel/Giers, § 252 FamFGRz. 16. 6 Zöller/Lorenz, § 252 FamFG Rz. 14; Prütting/Helms/Bömelburg, § 252 FamFG Rz. 15 unter Hinweis auf die frühere Rspr. zu §§ 648, 652 ZPO.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
§ 255 FamFG oder nach § 240 FamFG geklärt wird.1 Beim Einwand gegen den Zeitpunkt, von dem an Unterhalt gezahlt werden soll, ist der Gesetzgeber noch weiter gegangen. Den Einwand des Antragsgegners, er sei weder durch eine Mahnung noch durch ein (schriftliches) Auskunftsverlangen des Kindes in Verzug gesetzt worden, darf das Gericht sogar zurückzuweisen, wenn ihm der Einwand nicht begründet erscheint, z.B. aufgrund der Annahme, dass ein ordnungsgemäß zur Post gegebener Brief in aller Regel den Empfänger erreicht.2 570
Einwendungen nach § 252 Abs. 2 FamFG (gegen die Leistungsfähigkeit, wegen Erfüllung und sonstige Einwände) überprüft der Rechtspfleger nur unter dem formalen Gesichtspunkt, ob sie in zulässiger Weise – entsprechend den Anforderungen des § 252 Abs. 2 FamFG – erhoben wurden. Dabei hat er auf reine Formularausfüllungsfehler gemäß § 139 ZPO hinzuweisen und dem Antragsgegner insoweit Gelegenheit zur Korrektur zu geben.3 Der Rechtspfleger befindet aber nicht darüber, ob die erhobenen Einwendungen begründet sind. d) Festsetzungsbeschluss oder Übergang in das streitige Verfahren
571
Der Rechtspfleger erlässt den Unterhaltsfestsetzungsbeschluss nach § 253 FamFG, wenn er die Einwände des Antragsgegners im vereinfachten Verfahren für unbeachtlich hält. Sie werden im Beschluss zurückgewiesen.
572
Gelangt der Rechtspfleger zu der Überzeugung, dass ein Einwand des Antragsgegners zu beachten ist, unterbleibt die Festsetzung des Unterhalts. Dies teilt der Rechtspfleger dem Antragsteller samt den erhobenen Einwendungen mit (§ 254 Satz 1 FamFG). Der Antragsteller hat nunmehr Gelegenheit, die Durchführung des streitigen Verfahrens zu beantragen (§ 255 Abs. 1 FamFG). Bleibt diese Möglichkeit ungenutzt, gilt der Antrag auf Festsetzung des Unterhalts im vereinfachten Verfahren nach 6 Monaten als zurückgenommen (§ 255 Abs. 6 FamFG).4
573
Stellt der Antragsteller den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens nach § 255 FamFG, geht das vereinfachte Verfahren in ein normales Unterhaltsverfahren über, für das nunmehr der Familienrichter zuständig ist. Der Rechtsstreit gilt als mit der Zustellung des Festsetzungsantrags rechtshängig geworden (§ 255 Abs. 3 FamFG), es herrscht Anwaltszwang (s. Rz. 60 f.). Einwendungen nach § 252 FamFG gelten als Erwiderung (§ 255 Abs. 2 Satz 2 FamFG). Ist eine Ehesache anhängig, ist das Verfahren an das Gericht der Ehesache abzugeben (§ 232 Abs. 1 FamFG).
574
Hat sich der Antragsgegner verpflichtet, Unterhalt in Höhe eines Teilbetrags zu zahlen, sollte sich der Antragsteller zunächst den anerkannten Betrag im vereinfachten Verfahren titulieren lassen (§ 254 Satz 2 FamFG) und im Übrigen die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragen.5 Für den Fall, dass im fol1 KG, FuR 2006, 132; OLG Stuttgart, JAmt 2003, 322; Keidel/Giers, § 252 FamFG Rz. 3; Wendl/Dose/Schmitz, § 10, Rz. 664 a.E.; zweifeln Prütting/Helms/Bömelburg, § 252 FamFG Rz. 11. 2 BT-Drucks. 13/7338, S. 40 und S. 58. 3 OLG Karlsruhe, FamRZ 2013, 562 (563); 2006, 1548; vgl. auch OLG Hamm, FamRZ 2006, 211. 4 OLG Oldenburg, FamRZ 2013, 563. 5 OLG Naumburg, FamRZ 2007, 1659 (LS) mit Anm. van Els.
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XVIII. Vereinfachtes Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger
genden streitigen Verfahren höhere Unterhaltszahlungen zuerkannt werden, soll das Gericht den Festsetzungsbeschluss für die in der Zukunft liegenden Unterhaltsbeträge aufheben und den Gesamtunterhalt in einem Betrag bestimmen (§ 255 Abs. 4 FamFG). e) Korrekturmöglichkeiten: Beschwerde nach § 256 FamFG und Abänderungsverfahren nach § 240 FamFG aa) Beschwerde (§ 256 FamFG) Ist ein Unterhaltsfestsetzungsbeschluss nach § 253 FamFG erlassen worden, fin- 575 det gegen den Beschluss Beschwerde statt (§ 256 FamFG). Die Beschwerdeschrift ist binnen einer Frist von 1 Monat bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird (§ 64 Abs. 1 FamFG). Die Vertretung durch einen Anwalt ist im Beschwerdeverfahren nicht erforderlich (§§ 257, 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG, § 78 Abs. 3 ZPO).1 Mit der Beschwerde können die in § 252 Abs. 1 FamFG bezeichneten Einwendungen, die Zulässigkeit von erstinstanzlich erhobenen Einwendungen nach § 252 Abs. 2 FamFG sowie die Unrichtigkeit der Kostenentscheidung oder Kostenfestsetzung geltend gemacht werden (§ 256 FamFG). Dies gilt sowohl für den Antragsgegner, als auch für den Antragsteller.2 Erstinstanzlich unterlassene Einwendungen nach § 252 Abs. 2 FamFG kann der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren nicht nachholen (§ 256 Satz 2 FamFG).3 Der Rechtspfleger legt das Rechtsmittel dem OLG als Beschwerdegericht zur Entscheidung vor, er kann der Beschwerde nicht abhelfen (§ 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG). bb) Abänderungsverfahren (§ 240 FamFG) Gegenüber dem rechtskräftig gewordenen Unterhaltsfestsetzungsbeschluss nach 576 § 253 FamFG können die Beteiligten nachträglich noch im Wege eines Korrekturantrags im Abänderungsverfahren gemäß § 240 FamFG vorgehen und verlangen, dass auf höheren Unterhalt oder auf Herabsetzung des festgesetzten Unterhalts erkannt wird. Eine rückwirkende Erhöhung des Kindesunterhalts kann ohne Bindung an eine Antragsfrist verlangt werden. Die Erhöhung kommt aber nur unter den materiellen Voraussetzungen des § 1613 BGB in Betracht. Eine rückwirkende Herabsetzung des festgesetzten Unterhalts ist nur möglich, wenn der Unterhaltsverpflichtete den Abänderungsantrag, für den – wie in allen Unterhaltsstreitverfahren Anwaltszwang besteht4 – innerhalb eines Monats nach Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses gestellt hat, es sei denn, der Unterhaltsverpflichtete hat seinerseits innerhalb der Monatsfrist einen Antrag auf Erhöhung eingereicht. In diesem Fall läuft die Monatsfrist nicht vor Beendigung dieses Verfahrens ab (§ 240 Abs. 2 Satz 2 FamFG). Anders als bei den Abänderungsverfahren gemäß §§ 238, 239 FamFG können die 577 Beteiligten ein Verfahren auf Herab- oder Heraufsetzung des festgesetzten Unterhalts nach § 240 FamFG auf alle einschlägigen materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Gründe stützen. Es ist nicht erforderlich, dass sich die Ver-
1 OLG Brandenburg, FamRZ 2012, 1894. 2 OLG Frankfurt, FamRZ 2012, 1821; auch BGH, FamRZ 2008, 1433 zu § 652 a.F. ZPO. 3 OLG Bremen, FamRZ 2013, 560; OLG Celle, FamRZ 2012, 1820 und FamRZ 2012, 141. 4 Zöller/Lorenz, § 240 FamFG Rz. 6.
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K. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
hältnisse seit dem Festsetzungsbeschluss geändert haben oder dass die Abänderung zu einer wesentlichen Veränderung des Unterhalts führt.1 Beide Beteiligten können mit dem Korrekturverfahren nach § 240 FamFG auch Tatsachen vorbringen, die sie bereits im vereinfachten Verfahren hätten geltend machen können.2 Denn das Verfahren nach § 240 FamFG bildet ein Korrektiv dafür, dass das vereinfachte Verfahren dem Kind schnell zu einem Unterhaltstitel verhelfen soll und deshalb einerseits die Unterhaltsfestsetzung der Höhe nach beschränkt ist, andererseits die Einwendungsmöglichkeiten des Schuldners begrenzt sind. 578
Die Darlegungs- und Beweislast ist bei den Verfahren nach § 240 FamFG ebenso verteilt wie beim Erstverfahren auf Zahlung von Unterhalt. Das Kind hat seinen Bedarf und seine Unterhaltsbedürftigkeit zu beweisen, wenn es mehr als den Mindestunterhalt geltend macht, der in Anspruch genommene Elternteil muss seine mangelnde Leistungsfähigkeit darlegen (Kap. A Rz. 12 ff.).3 Dementsprechend muss das Kind grundsätzlich auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen darlegen, wenn es im Korrekturverfahren einen höheren Unterhalt als den Mindestunterhalt verlangt. Die Beweiserleichterung aus dem vereinfachten Verfahren wird in das Abänderungsverfahren nicht übernommen.4 Es ist jedoch zu beachten, dass sich die Beweislast nach den allgemeinen Grundsätzen dann umkehrt, wenn ein Beteiligter die Beweisführung, insbesondere die Benutzung eines Beweismittels durch den beweispflichtigen Gegner schuldhaft vereitelt oder erschwert.5 Ein solcher Fall liegt vor, wenn der Unterhaltsverpflichtete, der seine Leistungsfähigkeit bestreitet, bereits im vereinfachten Verfahren die ihm abverlangte Auskunft nicht erteilt hat und die geschuldete Auskunft auch im Rahmen des Abänderungsverfahrens nicht von sich aus nachträgt. Der Unterhaltsschuldner erreicht eine Herabsetzung des festgesetzten Unterhalts somit nur dann, wenn er seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse genau darlegt und seine Leistungsunfähigkeit im Einzelnen erläutert.
1 2 3 4 5
Zöller/Lorenz, § 240 FamFG Rz. 1. OLG Koblenz, FamRZ 2001, 1080. Zöller/Lorenz, § 240 FamFG Rz. 1. BGH, FamRZ 2002, 537 (538). BGH, FamRZ 1981, 338.
738 Rasch
L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen Inhaltsübersicht Rz.
Rz.
I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Überblick über die in Betracht kommenden Rechtsbehelfe . . . . . . 1. Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sofortige Beschwerde . . . . . . . . . . . 3. Anschlussbeschwerde . . . . . . . . . . 4. Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . 5. Sonstige Rechtsbehelfe . . . . . . . . .
2 2 5 9 10 12
f) Besonderheiten aufgrund einer im Verbund ergangenen Endentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Rechtsmittelverzicht, Rücknahme und Erweiterung der Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Gang des Beschwerdeverfahrens . . 135 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 a) Auswirkungen des FamFG auf das Wiedereinsetzungsverfahren. 153 b) Zweck der Vorschriften der §§ 233 bis 238 ZPO . . . . . . . . . . . 154 c) Sachlicher Geltungsbereich der §§ 233 ff. ZPO . . . . . . . . . . . . . . . 157 d) Zulässigkeitsvoraussetzungen des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand . . . . . 158 aa) Die Fristversäumung . . . . . . 159 bb) Antragstellung . . . . . . . . . . . 162 cc) Wiedereinsetzungsfrist . . . . 165 e) Angabe und Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen . 183 f) Nachholung der versäumten Verfahrenshandlung nach § 236 ZPO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 g) Begründetheit des Wiedereinsetzungsantrages . . . . . . . . . . . . . 188 aa) Fehlendes Verschulden an der Fristversäumung. . . . . . . 188 bb) Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch . . . . . 193 Entscheidung des Beschwerdegerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . 195 b) Ausnahme von einer eigenen Sachentscheidung des Beschwerdegerichts. . . . . . . . . . . . . 198 c) Form und Inhalt des Beschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 d) Erlass der Endentscheidung . . . . 205 e) Wirksamwerden der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 f) Rechtsbehelfsbelehrung . . . . . . . 219 g) Beschwerde gegen Teilentscheidungen des Familiengerichts . . . 220 Anhörungsrüge. . . . . . . . . . . . . . . . . 224
III. Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . 1. Zulässigkeit der Beschwerde . . . . . a) Statthaftigkeit der Beschwerde . b) Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschwerdeberechtigung . . . . . . . . 3. Einlegung der Beschwerde . . . . . . . a) Form der Einlegung der Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschwerdefrist . . . . . . . . . . . . . c) Ort der Einlegung der Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Empfangsmöglichkeiten . . . . . . e) Inhalt der Beschwerdeschrift . . f) Beschwerde und Antrag auf Verfahrenskostenhilfe . . . . . . . . 4. Beschwerdebegründung . . . . . . . . . a) Einreichung der Beschwerdebegründung – Formalien . . . . . . b) Begründungsfrist . . . . . . . . . . . . c) Empfänger der Beschwerdebegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdebegründung . . . 5. Zurückweisung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln . . . . . . . . . . . 6. Anschlussbeschwerde . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einlegung der Anschlussbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Form und Inhalt der Anschlussbeschwerdeschrift . . . . . . . . . . . d) Auswirkungen der Einführung der Vorschrift des § 137 Abs. 2 Nr. 2 FamFG auf die Beschwerdeinstanz. . . . . . . . . . . . . aa) Bestimmung des Zeitpunkts der mündlichen Verhandlung . . . . . . . . . . . . . bb) Feststellung der Zeit für die Einreichung einer Folgesache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anschlussbeschwerdefrist . . . .
7. 8. 9.
13 13 13 24 33 37 37 43 49 57 59 60 67 67 74 86 87 10. 89 91 91 98 100
103 106 107 117
11.
IV. Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . 229 1. Zulassung der Rechtsbeschwerde als Voraussetzung der Statthaftigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
Griesche
739
L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen
2. 3. 4. 5.
Voraussetzungen der Zulassung . . Form der Rechtsbeschwerde . . . . . Beschwerdefrist . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Begründung der Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Entscheidung über die Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Rz.
230 232 233
2. Sofortige Beschwerde in Unterhaltsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 a) Sofortige Beschwerde gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 b) Weitere Fälle der sofortigen Beschwerde in Unterhaltssachen . 263 c) Rechtsmittel gegen isolierte Kostenentscheidungen . . . . . . . . 265
235 237
V. Sofortige Beschwerde . . . . . . . . . . . 240 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . 240
I. Einleitung 1
Nachdem das FamFG seit mehreren Jahren in Kraft ist, haben sich – wie nicht anders zu erwarten war – auch im Rechtsmittelverfahren Streitfragen entwickelt. Vom Schrifttum ist der Gesetzgeber verschiedentlich aufgefordert worden, zumindest die wesentlichen Probleme durch Gesetzesänderungen zu lösen. Dem ist der Gesetzgeber aber nur in relativ geringem Umfang gefolgt, so dass der BGH Gelegenheit hatte, seiner sich aus den §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 574 Abs. 2 ZPO ergebenden Aufgaben gerecht zu werden. Dies ist ihm weitgehend gelungen.
II. Überblick über die in Betracht kommenden Rechtsbehelfe 1. Beschwerde 2
Zentrales Rechtsmittel in Unterhaltssachen ist die Beschwerde, die die Funktion der Berufung übernommen hat (§ 113 Abs. 1 Satz 2, 58 FamFG). Sie richtet sich gegen Beschlüsse des Familiengerichts, soweit hierdurch der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird (§ 58 Abs. 1 Satz 1 FamFG).
3
Die Beschwerde ist innerhalb einer Frist von einem Monat, beginnend mit der schriftlichen Bekanntgabe der Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses, beim erstinstanzlichen Gericht einzulegen (§§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 FamFG).
4
Die Zulässigkeit der Beschwerde hängt davon ab, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 Euro übersteigt oder das erstinstanzliche Gericht die Beschwerde zugelassen hat (§ 61 Abs. 1 Satz 2 FamFG). An die Zulassung der Beschwerde ist das Beschwerdegericht gebunden (§ 61 Abs. 3 Satz 2 FamFG). 2. Sofortige Beschwerde
5
In Abschnitt 5 des FamFG (§§ 58 bis 75), der sich mit den Rechtsmitteln befasst, ist die Zulässigkeit einer sofortigen Beschwerde nicht vorgesehen. Gleichwohl ist auch dieser Rechtsbehelf von praktischer Bedeutung, weil das FamFG auf eine entsprechende Anwendung der Vorschriften der ZPO verweist. Dies gilt insbesondere in Bezug auf Zwischen- und Nebenentscheidungen, die der Endentscheidung vorangegangen sind. Diese sind allerdings nur selbständig anfechtbar, wenn dies im Gesetz geregelt ist. Fehlt eine ausdrückliche Regelung der Anfechtbarkeit, kann das Beschwerdegericht nur im Rahmen der Endentscheidung über die Beschwerde überprüfen, ob dem erstinstanzlichen Gericht Fehler unter740 Griesche
II. Überblick über die in Betracht kommenden Rechtsbehelfe
laufen sind (§ 58 Abs. 2 FamFG). Auf das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde finden die Vorschriften der §§ 567 bis 572 ZPO entsprechende Anwendung. Für Unterhaltssachen kommen insbesondere die Zurückweisung eines Ableh- 6 nungsgesuchs (§§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 46 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO), die Verhängung eines Ordnungsmittels gegen einen ausgebliebenen Beteiligten (§§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO), die Berichtigung eines Beschlusses (§§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 319 Abs. 3 Halbs. 2 ZPO), Beschlüsse im Verfahrenskostenhilfeverfahren (§§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamG, 127 Abs. 2 ZPO) und die Aussetzung des Verfahrens (§§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamG, 252 ZPO) in Betracht. Die Frist für die sofortige Beschwerde beträgt im Allgemeinen zwei Wochen 7 (§ 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine Ausnahme hiervon gilt im Fall der Verfahrenskostenhilfe, der in Unterhaltssachen eine erhebliche Bedeutung zukommt; soweit eine sofortige Beschwerde nach § 127 Abs. 2 ZPO zulässig ist, ist hierfür eine Monatsfrist vorgesehen. Die Einzelheiten hinsichtlich der Einlegung der sofortigen Beschwerde und der 8 Berechnung der Beschwerdefrist ergeben sich aus der Verweisung auf § 569 ZPO. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Rz. 234 ff. Bezug genommen. 3. Anschlussbeschwerde Ist ein Beschluss von einem der am Unterhaltsverfahren Beteiligten mit der Be- 9 schwerde angefochten worden, so räumt § 66 FamFG dem anderen Beteiligten die Möglichkeit ein, sich der Beschwerde anzuschließen. Dies geschieht nach § 66 Satz 1 Halbs. 2 FamFG durch Einreichung einer Beschwerdeanschlussschrift beim Beschwerdegericht. Da das Rechtsmittel nicht an eine Frist gebunden ist, kann es bis zur Erledigung der Hauptsache angebracht werden. 4. Rechtsbeschwerde Das Rechtsmittel dient der Überprüfung der Rechtsanwendung durch den Bun- 10 desgerichtshof. Es ist nur statthaft, wenn es vom Beschwerdegericht zugelassen worden ist (§ 70 Abs. 1 FamFG). An die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberlandesgericht ist der Bundesgerichtshof gebunden (§ 70 Abs. 2 FamFG). Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtssache von grundsätzli- 11 cher Bedeutung ist oder eine Entscheidung durch den BGH zur Fortbildung des Rechts bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Sie ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzureichen (§ 71 Abs. 1 Satz 1 FamFG). 5. Sonstige Rechtsbehelfe – Versäumnisentscheidungen sind mit einem Einspruch nach den §§ 330 ff. 12 ZPO anzugreifen, da § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG in Ehe- und Familienstreitsachen allgemein auf die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor den Landgerichten verweist und somit keine Besonderheiten gelten.
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741
L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen
– Gegen eine Anerkenntnisentscheidung kann eine Beschwerde damit begründet werden, dass ein Anerkenntnis nicht vorgelegen habe (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 307 ZPO). – Berichtigung oder Ergänzung der Endentscheidung: Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG gelten die §§ 42, 43 und 44 FamFG, in denen die vorstehenden Fälle geregelt worden sind, in Familienstreitsachen nicht. Anzuwenden sind deshalb die §§ 319, 321, 321a ZPO. – Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Auch hierauf sind nicht die §§ 17, 18 FamFG anzuwenden, sondern die §§ 233, 234 ZPO (§§ 113 Abs. 1 Satz 1, 117 Abs. 5 FamFG). Ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ist im Gesetz nicht vorgesehen, wenn dem Gesuch entsprochen wird (§ 238 Abs. 3 ZPO). Im umgekehrten Fall ist das Rechtsmittel zulässig, das gegen die Hauptsachenentscheidung gegeben ist.1
III. Beschwerdeverfahren 1. Zulässigkeit der Beschwerde a) Statthaftigkeit der Beschwerde 13 Nach § 58 Abs. 1 FamFG findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen End-
entscheidungen der Familiengerichte die Beschwerde statt; hierzu gehören die Familienstreitsachen und damit auch die Unterhaltssachen (§ 112 Nr. 1 FamFG). Der Begriff der Endentscheidung erfasst nicht nur solche, die das Unterhaltsverfahren endgültig beenden. Denn nach der Legaldefinition in § 38 Abs. 1 FamFG fallen unter diesen Begriff auch solche, durch die der Verfahrensgegenstand nur teilweise erledigt wird (die früheren Teilurteile). Diese kommen in der Praxis vor allem in Betracht, wenn der Unterhaltsgläubiger im Wege des Stufenantrags vorgeht und nacheinander eine Entscheidung auf Auskunftserteilung, auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und auf Zahlung herbeiführen will. 14
Û
Praxishinweis: Teilentscheidungen sind nicht nur im Fall eines Stufenverfahrens zulässig, sondern können auch ergehen, wenn unmittelbar die Zahlung von Unterhalt verlangt wird.2 Dennoch ist insoweit vom Erlass einer Teilentscheidung abzuraten. Selbst wenn die Zulässigkeit vom Gericht zutreffend bejaht worden ist, tritt meist eine Verzögerung des gesamten Verfahrens ein, weil der durch die Teilentscheidung Benachteiligte hiergegen Beschwerde einlegen kann und das Verfahren dann zugleich in der ersten und der zweiten Instanz anhängig ist und zum Teil nicht gefördert werden kann.
15 Auch ein Verbundbeschluss (§ 142 Abs. 1 FamFG), in dem mit der Scheidung
über eine Folgesache Unterhalt entschieden wird, ist mit der Beschwerde anfechtbar. Ebenso sind vom Scheidungsverfahren abgetrennte Folgesachen zum Unterhalt, in denen eine End- oder Teilentscheidung ergeht, selbständig anfechtbar. In welchem Umfang die Verbundentscheidung angegriffen werden soll, insbesondere ob sich die Beschwerde auch gegen die Scheidung selbst richtet, bedarf jeweils der Klarstellung. Die Entscheidung dürfte davon abhängen, wie 1 Zöller/Greger, § 238 ZPO Rz. 7. 2 Vgl. OLG Celle, FamFR 2013, 184, besprochen von Tauhrig: Fall einer unzulässigen vertikalen Teilentscheidung.
742 Griesche
III. Beschwerdeverfahren
dringend der Unterhalt nach der Rechtskraft der Scheidung benötigt wird. Denn wird z.B. die Scheidung nicht mit der Folgesache nachehelicher Unterhalt zusammen angefochten, erwächst die Scheidung in Rechtskraft, während die Folgesache noch rechtshängig bleibt. Insoweit kann für den Unterhaltsbedürftigen eine Regelungslücke beim Unterhalt entstehen, weil ab Rechtskraft der Scheidung Trennungsunterhalt nicht mehr geschuldet wird und für den nachehelichen Unterhalt kein Titel besteht. Zur Regelungsdauer des Unterhalts durch eine einstweilige Anordnung wird auf Kap. K Rz. 410 ff. verwiesen. Wendet sich der Rechtsmittelführer gegen einen erstinstanzlichen Scheidungs- 16 ausspruch, steht der Zulässigkeit eines Antrags auf Aufhebung und Zurückverweisung der Sache nicht schon der Umstand entgegen, dass er nach dem Inhalt der Beschwerdebegründung dem Scheidungsbegehren seines Ehegatten in der Sache nicht entgegengetreten ist und die Ehe nicht aufheben will. Denn wird vom Familiengericht einem Scheidungsantrag zu Unrecht vor der Entscheidung über eine Folgesache stattgegeben, schafft dies eine selbständige Beschwer, die mit der Erstbeschwerde gegen den Scheidungsbeschluss beanstandet werden kann.1 Der Antrag auf Aufhebung und Zurückweisung hat in einem solchen Fall das 17 Ziel, zugleich mit dem Scheidungsausspruch über die Folgesache – z.B. Unterhalt – zu befinden. Dadurch wird der Verbund gestärkt und der Vorschrift des § 137 Abs. 1 FamFG Rechnung getragen. Aus der Auslegung der Begründungsschrift muss sich immer ergeben, inwieweit 18 die erstinstanzliche Entscheidung angegriffen wird und welche Änderungen begehrt werden. Das ist schon deshalb erforderlich, weil die Einlegung eines Rechtsmittels nicht zwangsläufig bedeutet, dass eine völlige Abänderung gefordert wird. Nichtssagende Verweise auf den Sachvortrag der ersten Instanz sind unzureichend, wenn nicht konkret hervorgehoben wird, was in der Rechtsbehelfsinstanz vorgetragen werden soll. Ebenso überflüssig und falsch ist die verbreitete Unsitte, in der Begründungsschrift den gesamten Sachverhalt zu schildern. Der Rechtsanwalt kann davon ausgehen, dass das OLG den Akteninhalt kennt. Er sollte sich darauf beschränken, bestimmte materiell- und verfahrensrechtliche Fehler zu benennen, die seiner Ansicht nach dem erstinstanzlichen Gericht anzulasten sind. Hierzu ist dann allerdings ein konkreter Sachvortrag erforderlich, und gegebenenfalls sollte auch die damit zusammenhängende rechtliche Würdigung vorgenommen werden.
Û
Praxishinweis: Trotz der zitierten Rechtsprechung, die auf prozessualen Er- 19 wägungen beruht, sollte die Beschwerdebegründung einen förmlichen Sachantrag enthalten, da hierdurch Unklarheiten vermieden werden und die Notwendigkeit einer Auslegung entfällt.
Der Sachantrag sollte den genauen Betrag des geforderten laufenden monatli- 20 chen Unterhalts und den Zeitpunkt des Beginns der Unterhaltszahlungen bezeichnen, einen etwa geforderten Unterhaltsrückstand in einer einheitlichen Summe angeben, wobei auch der Zeitraum, in dem der Rückstand aufgelaufen sein soll, zu benennen ist. Bei mehreren Unterhaltsgläubigern muss der Unterhalt – einschließlich der Rückstände – auf jeden der Gläubiger aufgeteilt werden. Ebenso sollten Elementar-, Vorsorge- und Krankenversorgungsunterhalt ge1 BGH, FamRZ 2008, 2268; BGH, FamRZ 2013, 1879, 1880 m. Anm. Heiter, S. 1882 = FamFR 2013, 515 besprochen von Bastian-Holler.
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743
L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen
trennt werden. Bei Auskunftsbegehren sind der Auskunftszeitraum, die Einkunftsarten sowie die vorzulegenden Belege genau zu bezeichnen. 21 In der Beschwerdebegründung müssen die Umstände dargelegt werden, aus de-
nen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben sollen. Ist z.B. die Endentscheidung auf mehrere Gründe gestützt worden, muss der Beschwerdeführer sich mit den Teilen befassen, deren Richtigkeit er angreifen will.1 Wesentlich ist ferner, die tatsächlichen Grundlagen des erstinstanzlichen Beschlusses von den rechtlichen Erwägungen zu trennen; dies wird häufig in Rechtsmittelbegründungen nicht hinreichend beachtet. 22 Obwohl in § 117 FamFG auf § 520 Abs. 3 ZPO nicht Bezug genommen worden
ist, empfiehlt es sich, beim Aufbau der Beschwerdebegründung die einzelnen in der ZPO aufgeführten Positionen in dieser Reihenfolge abzuhandeln.2 23 Bei einem teilbaren Verfahrensgegenstand – etwa wenn nur die Abweisung eines
Teils der zuerkannten Unterhaltsrente mit der Beschwerde angegriffen werden soll –, muss die Beschwerdebegründung klar zu erkennen geben, welche Rechtsfehler hinsichtlich des streitig gebliebenen Teils der erstinstanzlichen Endentscheidung beanstandet werden. b) Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen 24 Nach § 61 Abs. 1 und 2 FamFG hängt die Zulässigkeit der Beschwerde in ver-
mögensrechtlichen Angelegenheiten, also auch in Unterhaltssachen, davon ab, dass entweder der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder dass bei einem geringeren Beschwerdewert das Gericht des ersten Rechtszuges die Beschwerde zugelassen hat. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich, dass es nicht auf den Beschwerdewert als Geschäftswert des Verfahrens, sondern auf den des Beschwerdegegenstandes ankommt. Der Begriff des Beschwerdegegenstandes erfasst den Teil der Beschwer, dessen Beseitigung durch den Rechtsmittelführer mit dem Rechtsbehelf angestrebt wird. Der Beschwerdegegenstand kann daher die Beschwer nicht übersteigen; er kann indessen geringer sein.3 Maßgebend ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde; bei einer Steigerung des Wertes bis zur mündlichen Verhandlung ist die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs gegeben.4 Wie der Wert des Beschwerdegegenstandes zu bemessen ist, wird im FamFG nicht geregelt. Durch § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG wird für Familienstreitsachen auf die Vorschriften der ZPO und damit auch auf die §§ 3 ff. ZPO verwiesen. In Unterhaltsverfahren bestimmt sich der Wert nach § 9 ZPO. Ist allein der Zahlungsanspruch Gegenstand des Verfahrens, wird der Wert meist erreicht werden. Denn nach § 9 Satz 1 ZPO wird der Wert nach dem 31/2-fachen Jahresbetrag berechnet. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird daher schon bei einem Streit um einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 14,29 Euro (42 × 14,29 = 618 Euro) überschritten.5 Dabei sind bis zur Einreichung des Antrags aufgelaufene Rückstände diesem Betrag noch hinzuzurech-
1 2 3 4 5
BGH, NJW 1998, 3126. Garbe/Ulrich/Klees-Wambach, § 12 Rz. 31. Schulte-Bunert/Weinreich/Unger, § 61 FamFG Rz. 6. BGH, NJW-RR 2005, 717 (715); Schulte-Bunert/Weinreich/Unger, § 61 FamFG Rz. 7. Garbe/Ulrich/Klees-Wambach, § 12 Rz. 31.
744 Griesche
III. Beschwerdeverfahren
nen. Dass wegen eines geringeren monatlichen Beitrages ein Unterhaltsverfahren anhängig gemacht wird, dürfte in der Praxis nicht vorkommen. Praktische Bedeutung hat die Erreichung des Wertes dagegen, wenn allein um 25 die Auskunftserteilung gestritten wird, die der Berechnung des Unterhalts dienen soll und – vor allem –, wenn es beim Stufenverfahren um die erste oder zweite Stufe geht. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH bemisst sich im Fall der Einlegung ei- 26 nes Rechtsbehelfs gegen die Auferlegung einer Auskunftserteilung die Beschwer nach dem Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Für die Bewertung dieses Interesses kommt es, soweit ein besonderes Geheimhaltungsinteresse nicht besteht, auf den Zeit- und Arbeitsaufwand an, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft verursacht. Dabei ist im Normalfall der persönliche Zeitaufwand des Schuldners maßgebend.1 Bei der Bewertung des Zeitaufwandes ist auf die Stundensätze zurückzugreifen, die der Auskunftspflichtige als Zeuge in einem Zivilprozess erhielte.2 Kosten für die Hinzuziehung von Hilfspersonen, etwa eines Steuerberaters, spielen nur dann eine Rolle, wenn die Notwendigkeit dargetan und im Einzelnen glaubhaft gemacht wird. Dabei sind die Kosten der Hilfsperson dann zu berücksichtigen, wenn sie zwangsläufig entstehen.3 Ist der Schuldner verurteilt worden, „den Jahresabschluss, bestehend aus Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnungen und Bilanzerläuterungen“ zu belegen, ist dies dahin zu verstehen, dass er diese Unterlagen vorzulegen, nicht aber herzustellen hat.4 Meist wird der Beschwerdewert durch diese Kosten nicht erreicht werden. Bei einer Verurteilung zur Auskunftserteilung über die Einkünfte aus nichtselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit sowie aus Vermietung und Verpachtung hat der BGH die Zulässigkeit eines Rechtsmittels verneint, weil der Schuldner nur die monatlichen Gehaltsabrechnungen, eine Gewinn- und Verlustrechnung, die Bilanzen sowie die Steuererklärungen und -bescheide vorzulegen brauche. Seine Tätigkeit beschränke sich auf die Zusammenstellung bereits vorhandener Unterlagen bzw. der Fertigung von Fotokopien, was keine Hilfe Dritter erfordere.5 Anders entschieden hat der BGH allerdings in einem Fall, in dem der Schuldner 27 nicht nach dem Kalenderjahr, sondern für einen hiervon abweichenden Zeitraum Auskunft zu erteilen hatte und hierfür durch einen Steuerberater neue Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Bilanzen anfertigen lassen musste, wobei die Einkünfte und das Vermögen des Verurteilten einen erheblichen Umfang hatten.6 Diese Sonderfälle machen deutlich, dass die Rechtsprechung nur bei außergewöhnlichem Aufwand, der mit erheblichen Kosten infolge Hinzuziehung 1 2 3 4 5 6
BGHZ (GSZ) Bd. 128, 85 (87 ff.) = NJW 1995, 664 ff.; zuletzt BGH, NJW 2009, 2218. BGH, FamRB 2013, 143. BGH, NJW-RR 2007, 724. BGH, NJW 2007, 1461 (1462). BGH, FF 2009, 2223. BGH, NJW-RR 2009, 794 (795); vgl. auch: BGH, NJW 2009, 2018 m. Anm. Born: In diesem Fall musste der Schuldner von einem Sachkundigen Listen über Sonderabschreibungen, Unternehmensinventar, Pachtverträge und Immobiliengesellschaften, an denen er beteiligt war, über einen länger zurückliegenden Zeitraum anfertigen lassen; ebenso OLG Thüringen, FamRZ 2009, 65, in einem Fall der Auslegung des Titels dahingehend, dass ein Steuerberater eine Bilanz sowie eine Gewinn- und Verlustrechnung erst anzufertigen hatte.
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L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen
von sachkundigen Dritten verbunden ist, den Wert des Beschwerdegegenstandes mit mehr als 600,00 Euro angenommen hat. Eine Änderung seiner restriktiven Rechtsprechung ist hierin nicht zu erblicken. 28 Soweit neben den entstandenen Kosten auch noch ein Geheimhaltungsinteresse
des zur Auskunftserteilung Verpflichteten in Betracht kommt, muss dieser substantiiert darlegen und erforderlichenfalls glaubhaft machen, dass ihm durch die Erteilung der Auskunft ein konkreter Nachteil droht.1 Dabei stellt der BGH strenge Anforderungen, so dass eine Werterhöhung wegen des Vorliegens eines Geheimhaltungsinteresses im Allgemeinen zu verneinen sein wird. Ebenso hat der BGH im Fall einer zwischen dem Auskunftspflichtigen und seinem Arbeitgeber vereinbarten Verschwiegenheitspflicht geurteilt.2 29 Für den Antragsteller, der mit seinem Antrag auf Auskunftserteilung abgewiesen
worden ist, ist das wirtschaftliche Interesse am Ausgang des Unterhaltsverfahrens für die Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstandes maßgebend. Dieser bemisst sich in der Regel nach einem Bruchteil des voraussichtlichen Unterhaltsanspruchs.3 Der BGH hat die Annahme des Berufungsgerichts, dass ein Viertel des vollen sich aus § 9 ZPO ergebenden Wertes angemessen sei, gebilligt.4 Dass diese Handhabung im Allgemeinen dazu führt, den Wert für den Antragsteller höher anzusetzen, hat der BGH ausdrücklich für richtig gehalten, auch wenn das zur Folge hat, dass dem Antragsgegner häufiger der Zugang zur Rechtsmittelinstanz versagt bleibt. Der Gleichheitsgrundsatz werde hierdurch nicht verletzt. 30 Die Bemessung des Gegenstandswerts auf einen 600,00 Euro übersteigenden
Wert gilt – anders als vor Inkrafttreten des FamFG – auch für die Anfechtbarkeit von Kosten- und Auslagenentscheidungen. Dies hat der Gesetzgeber damit begründet, dass es keinen wesentlichen Unterschied für die Beschwer eines Beteiligten mache, ob er sich gegen eine Kosten- oder Auslagenentscheidung oder gegen eine ihn wirtschaftlich belastende Entscheidung in der Hauptsache wende.5 31 Geht der Streit nur um die Verpflichtung der Richtigkeit einer eidesstattlichen
Versicherung, bemisst sich der Wert des Beschwerdegegenstandes danach, welchen Aufwand an Zeit und Kosten die Abgabe der Versicherung erfordert.6 Wenn die eidesstattliche Versicherung dazu dient, die erteilte Auskunft zu erhärten, wird der für die Abgabe maßgebliche Zeit- und Kostenaufwand regelmäßig dem für die Erteilung der vorangegangenen Auskunft entsprechen.7 Allerdings muss im Einzelfall geprüft werden, ob dem zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung Verpflichteten die Beiordnung eines Rechtsanwalts gestattet werden muss. Das ist dann der Fall, wenn der Tenor einer Entscheidung nicht hinreichend bestimmt genug gefasst ist, so dass Zweifel über seinen Inhalt und Umfang zu klären sind, oder wenn die sorgfältige Erfüllung des titulierten Anspruchs Rechtskenntnisse voraussetzt. Ist die Beiziehung eines Rechtsanwalts
1 2 3 4 5 6 7
BGH, NJW 1999, 3049; BGH, FamRZ 2005, 1064 (1065). BGH, NJW 2005, 3349 = FamRZ 2005, 1986. BGH, NJW FER 1999, 250. BGH, NJW 1997, 546. BGH, FamRZ 2007, 1461 (1462). BGHZ 128, 85 = NJW 1995, 664 ff. BGH, NJW 1992, 2020; BGH, FamRZ 2005, 1066; 2013, 783.
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III. Beschwerdeverfahren
erforderlich, sind die Anwaltskosten dem zu berücksichtigendem Kostenaufwand hinzuzusetzen.1 Durch § 61 Abs. 2, 3 FamFG wird für vermögensrechtliche Angelegenheiten, in 32 denen der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro nicht übersteigt, die Zulassungsbeschwerde geregelt. Sie kommt nach Abs. 3 in Betracht, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts, bzw. die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Beschwerdegerichts erfordert. Die Beschwerde ist an die Zulassung gebunden (§ 61 Abs. 4 FamFG). Für Unterhaltssachen ist das nicht neu, denn die Regelung entspricht dem bis zum 31.8.2008 maßgebenden § 511 Abs. 2–4 ZPO, der eine im Wesentlichen gleiche Möglichkeit vorsah. Ein näheres Eingehen auf die Voraussetzungen der Zulassungsbeschwerde erübrigt sich, da auch die Zulassungsberufung in der Praxis keine besondere Rolle gespielt hat. Veröffentlichte Rechtsprechung liegt nicht vor. 2. Beschwerdeberechtigung Nach § 59 Abs. 1 FamFG ist beschwerdeberechtigt, wer in seinen Rechten beein- 33 trächtigt ist. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt,2 werden durch § 59 Abs. 1 und 2 FamFG die entsprechenden Absätze von § 20 FGG ersetzt. Das Vorliegen einer Beschwerdeberechtigung setzt im Unterhaltsverfahren vo- 34 raus, dass ein Beteiligter nicht voll das erreicht hat, was er angestrebt hat (sogenannte materielle Beschwer). Dabei kommt es darauf an, dass rein materiell ein oder beide Beteiligte ihr Ziel verfehlt haben. So ist z.B. der Antragsteller nicht beschwert, wenn ihm der geltend gemachte Anspruch zuerkannt worden ist, das Gericht diesen aber rechtlich anders eingeordnet hat, als der Antragsteller dies gesehen hatte. Die dann gegebene formale Beschwer reicht nicht aus, um den Rechtsbehelf als zulässig anzusehen.3 Eine Beschwer kann nicht dadurch herbeigeführt werden, dass nach Erlass der Endentscheidung etwas Zusätzliches gefordert wird. Wird der Antrag auf Zahlung von Unterhalt als unzulässig oder als zurzeit unbegründet abgewiesen, beschwert dies den Antragsteller, aber auch den Antragsgegner, wenn dieser die endgültige Abweisung des Antrags als unbegründet beantragt hatte.4 Überwiegend verneint wird die Beschwer, wenn der Antrag als unbegründet und nicht als unzulässig zurückgewiesen wird, weil die Sachabweisung weiter reicht als die Zurückweisung als unzulässig.5 Auf Seiten des Antragsgegners ist weiter umstritten, ob das Vorliegen einer for- 35 mellen Beschwer erforderlich ist. Dies ist nicht anzunehmen; eine materielle Beschwer reicht aus, d.h., der Antragsgegner kann Beschwerde einlegen, wenn er zu Unterhaltszahlungen verpflichtet worden ist, und zwar auch, wenn er dem nicht widersprochen hat.6 Weil auf die materielle Beschwer abzustellen ist, ist sogar gegen eine Anerkenntnisentscheidung ein Rechtsmittel des Antragstellers 1 2 3 4
BGH, FamRZ 2013, 783 (784). BT-Drucks. 16/6308, S. 204. BGHZ 50, 261 (263 f.). BGH, NJW 2000, 2988 (2989); BGH, NJW 1959, 436; BAG, NJW 1987, 514; hinsichtlich des Antragsgegners streitig, a.A. Musielak/Ball, 7. Aufl., § 511 ZPO Rz. 23. 5 BAG, MDR 1986, 961; s. aber: Zöller/Heßler, Vor §§ 511 ZPO Rz. 20. 6 Ausführlich: Prütting/Helms/Abramenko, § 59 FamFG Rz. 17 f.; Zöller/Heßler Vor § 511 ZPO Rz. 19.
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zulässig.1 Wird der Unterhalt befristet zuerkannt, können beide Beteiligte hierdurch beschwert sein, und zwar der Unterhaltsberechtigte durch die Befristung, der Verpflichtete durch die Zahlung bis zum Ablauf der Frist. 36 Die Beschwer muss spätestens bei Ablauf der Beschwerdefrist bestehen. Wird
die Forderung freiwillig erfüllt, entfällt die Beschwer; etwas anderes gilt nur dann, wenn zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlt wird, was etwa durch den Vorbehalt „zur Vermeidung der Vollstreckung“ zum Ausdruck gebracht werden kann. 3. Einlegung der Beschwerde a) Form der Einlegung der Beschwerde 37 Die Beschwerde ist durch einen Schriftsatz, der als Beschwerdeschrift bezeich-
net wird, bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird (§ 64 Abs. 1 FamFG). In Unterhaltssachen ist die Möglichkeit, die Beschwerde durch Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen, ausgeschlossen worden. Dies ist allerdings erst durch das „FamFG-Reparaturgesetz“2 nachträglich bestimmt worden, indem § 64 Abs. 2 Satz 2 FamFG eingefügt worden ist. Der Grund hierfür war, dass es für die Beschwerdeinstanz bei dem nach § 114 Abs. 1 FamFG schon für die erste Instanz angeordneten Anwaltszwang bleiben sollte, und zwar auch bei Einlegung des Rechtsmittels.3 38 Die Beschwerdeschrift muss von dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers
unterzeichnet werden (§ 64 Abs. 2 Satz 4 FamFG). Soweit die genannte Bestimmung auch die Unterschrift durch den Beschwerdeführer selbst genügen lässt, gilt dies nicht für Familienstreitsachen, da es mit dem Anwaltszwang nicht vereinbar wäre. 39 Als Unterschrift lässt der BGH nach dem Sprachgebrauch und dem Zweck der
Formvorschrift einen die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden Schriftzug gelten, der sich – ohne lesbar sein zu müssen – als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt.4 Bei der Prüfung der Unterschrift nach diesen Grundsätzen hält der BGH die Anlegung eines großzügigen Maßstabs für geboten;5 allerdings ist eine volle Unterschrift zu leisten, die Verwendung einer Abkürzung oder einer Paraphe genügt nicht.6 In einer Entscheidung vom 11.4.2013 hat der VII. Senat des BGH eine Unterschrift, die aus zwei leicht bogenförmigen Strichen, die schleifenförmig am unteren Ende zusammengelaufen und am oberen Ende sich kreuzend ausgelaufen waren, nicht als Unterschrift anerkannt.7 Allerdings hat der BGH Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, weil die Unterschrift zuvor von anderen Gerichten stets als gültig anerkannt worden war. Dies hat
1 BGH, FamRZ 2013, 1218 Rz. 9, BGH, NJW 1992, 1513 (1514). 2 BGBl. I 2009, S. 2449. 3 Musielak/Borth, § 64 FamFG Rz. 5; BT-Drucks. 16/12717, S. 69; Prütting/Helms/Feskorn, § 117 FamFG Rz. 17. 4 Ständige Rechtsprechung, z.B. BGH, FamRZ 2006, 116 (117); BGH, FamRZ 2006, 119. 5 BGH, NJW 1997, 3380; FamRZ 2006, 119. 6 BGH, NJW 1982, 1467; BGH, FamRZ 2006, 119. 7 BHG, NJW 2013, 1966 m. Anm. Kossek.
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III. Beschwerdeverfahren
der BGH zum Anlass genommen, trotz Beanstandung der Unterschrift Wiedereinsetzung zu gewähren. Die mit einem Kürzel „i.A.“ versehene Unterschrift eines Rechtsanwalts führt 40 grundsätzlich nicht zu der Annahme, dass der Unterzeichner die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelschrift übernehmen will; vielmehr ist davon auszugehen, dass er dem Gericht gegenüber als Bote auftritt.1 Etwas anderes gilt dann, wenn die Unterschrift von einem Rechtsanwalt stammt, der als Mitglied der mandatierten Anwaltssozietät zum Kreis der Verfahrensbevollmächtigten zählt. Das ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Rechtsanwalt, der die Schrift unterzeichnet hat, auf dem Briefkopf der Sozietät mit aufgeführt ist.2 Weist der Beschäftigte bei der Unterzeichnung einer Rechtsmittelschrift durch den Zusatz „im Auftrag“ auf das Bestehen eines behördeninternen Weisungsverhältnisses hin, ist daraus nicht herzuleiten, dass er nur als Erklärungsbote handeln und die fachliche und rechtliche Verantwortung für den Inhalt des von ihm unterzeichneten Schriftsatzes nicht übernehmen wolle. Die vom BGH zur Unterzeichnung durch einen Rechtsanwalt entwickelte Rechtsprechung gilt in diesem Fall nicht.3 Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ersetzt die beglaubigte Abschrift einer 41 Rechtsmittelschrift die Urschrift, wenn der Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten den Beglaubigungsvermerk handschriftlich vollzogen hat.4 Unerheblich ist, ob die Einreichung der beglaubigten Abschrift primär den Zweck hatte, dem Gegner die Überzeugung der Übereinstimmung von Urschrift und beglaubigter Abschrift zu verschaffen.5
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Praxishinweis: Trotz der Großzügigkeit des BGH hinsichtlich der Anerken- 42 nung einer Unterschrift macht die Tatsache, dass immer wieder höchstrichterliche Entscheidungen sich mit dieser Frage befassen müssen, deutlich, dass manche Rechtsanwälte keine ausreichende Sorgfalt walten lassen. Ein „Strich“ ist keine Unterschrift. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass nach einem Bericht von Bernau6 von Mai 2012 bis Mai 2013 der BGH knapp 70 Entscheidungen über die Wiedereinsetzung zu treffen hatte. Der Autor hat seine Zusammenfassung der Rechtsprechung des BGH zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit dem Satz abgeschlossen: „Die Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung ist und bleibt für die Kanzleiorganisation und die Vermeidung von Haftungsfällen unabdingbar.“ Dies ist ein Ratschlag, den alle Rechtsanwälte ernst nehmen sollten.
b) Beschwerdefrist Die Beschwerde muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt werden, 43 soweit nicht ausnahmsweise eine andere Regelung gilt (§ 63 Abs. 1 FamFG). Obwohl der in der ZPO enthaltene Begriff „Notfrist“ nicht verwendet wird, kann 1 2 3 4 5 6
BGH, NJW 2003, 2028; BGH, FamRZ 2007, 1638; BGH NJW-RR 2012, 1269. BGH, NJW 1993, 2056; BGH, NJW-RR 2012, 1269; BGH, NJW 2013, 237. BGH, FamRZ 2013, 1962 (1963). BGH, NJW, 1993, 446. BGH, NJW 2012, 1738. NJW 2013, 2001 (2006).
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die Frist weder durch eine Verfügung des Gerichts noch durch Parteivereinbarung verlängert oder verkürzt werden.1 44 Nach § 63 Abs. 3 S. 1 FamFG beginnt die Frist mit der schriftlichen Bekanntgabe
des Beschlusses an die Beteiligten zu laufen. Dem Wortlaut der Vorschrift ist nicht zu entnehmen, in welcher Form die schriftliche Bekanntgabe zu erfolgen hat, insbesondere ob es einer förmlichen Zustellung bedarf. Im Schrifttum wird darauf hingewiesen, dass die Regelungen des FamFG hierzu nicht eindeutig sind.2 Da nach § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG in Familienstreitsachen u.a. die Bestimmung des § 41 FamFG nicht anzuwenden ist, kommen die darin vorgesehenen Regelungen nicht in Betracht. Vielmehr gelten die allgemeinen Vorschriften der ZPO und die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor den Landgerichten entsprechend (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG). 45 Hieraus hat der BGH in zwei Entscheidungen die Konsequenz gezogen, dass Ent-
scheidungen in Familienstreitsachen nach den §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 311 Abs. 2 ZPO zu verkünden sind.3 In der ersten Entscheidung hat der BGH der Paragraphenkette noch § 329 Abs. 1 S. 1 ZPO hinzugefügt, während dies in der zweiten Entscheidung nicht geschehen ist. Daraus ist aber nicht herzuleiten, dass durch den zweiten Beschluss des BGH die im Schrifttum umstrittene Frage, ob in Familienstreitsachen der Vollzug der urteilsersetzenden Endentscheidungen aus § 317 Abs. 1 S. 1 ZPO oder aus4 § 329 Abs. 1 ZPO herzuleiten ist. Dass die erste Entscheidung durch die zweite korrigiert werden sollte, ist dem Wortlaut des Beschlusses nicht zu entnehmen. Aus den Entscheidungen des BGH ergibt sich nur, dass der Erlass eines Beschlusses i.S. von § 38 Abs. 3 FamFG die dort genannten Voraussetzungen erfüllen muss. Ist dies der Fall, liegt kein Beschlussentwurf, sondern eine Endentscheidung vor.5 Der Nachweis für die erfolgte Verkündung ist gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V. mit den §§ 165 S. 1, 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO durch Protokollierung zu führen. 46 Der Beschluss ist den Beteiligten nach den genannten Vorschriften der ZPO
förmlich zuzustellen, da sonst die Bekanntgabe i.S. von § 63 Abs. 3 S. 1 FamFG und damit die Rechtzeitigkeit der Beschwerde nicht festgestellt werden kann. 47 Der Ansicht, eine förmliche Zustellung sei entbehrlich, kann auch aufgrund der
Regelung des § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG nicht zugestimmt werden. Nach dieser Bestimmung beginnt die Beschwerdefrist spätestens nach Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses, wenn die schriftliche Bekanntgabe an einen Beteiligten nicht bewirkt werden kann. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber an § 517 2. Halbs. ZPO anknüpfen.6 Was mit dem Begriff „Erlass“ gemeint ist, ergibt sich aus der Legaldefinition des § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG. 48 Die Bekanntgabe kann durch Zustellung nach den §§ 166–195 ZPO bewirkt
werden. Umstritten ist dabei, welche Folgen eine fehlerhafte Zustellung hat.7 1 Prütting/Helms/Abramenko, § 63 FamFG Rz. 2; Schürmann, FuR 2010, 425 (431). 2 Musielak/Borth, § 41 FamFG Rz. 8, § 116 FamFG Rz. 3. 3 BGH, FamRZ 2012, 106 m. Anm. Heiter, FamRZ 2012, 206; BGH, FamRZ 2012, 1287, 1289 m. Anm. Löhnig. 4 a.A. z.B. Prütting/Helms, § 116 FamFG Rz. 17 FN 5. 5 BGH, FamRZ 2012, 1287 (1289). 6 BT-Drucks. 16/6308, S. 206. 7 Vgl. einerseits: Prütting/Helms/Abramenko, § 63 FamFG Rz. 11, andererseits: Keidel/ Sternal, FamFG, § 63 FamFG Rz. 27, 43.
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III. Beschwerdeverfahren
Der BGH hat sich dafür ausgesprochen, dass die Beschwerdefrist des § 63 Abs. 3 S. 2 FamFG auch nach Ablauf der fünfmonatigen Frist in Gang gesetzt wird, wenn die Zustellung mit Mängeln behaftet war.1 Dies leitet der BGH zutreffend daraus her, dass der Anwendungsbereich des § 63 Abs. 3 S. 2 FamFG nicht auf die Fälle beschränkt werden dürfe, in denen die Bekanntgabe an einen Beteiligten erreicht werden könne, da dann bei einer fehlerhaften Zustellung eine formelle Rechtskraft überhaupt nicht herbeizuführen sei. Dies sei indessen mit dem Zweck der Vorschrift nicht zu vereinbaren. c) Ort der Einlegung der Beschwerde Die Beschwerdeschrift kann nur bei dem Erstgericht, das die Endentscheidung 49 erlassen hat, eingelegt werden (§ 64 Abs. 1 FamFG). Darin unterscheidet sich das FamFG von der ZPO, die eine Einlegung beim Rechtsmittelgericht vorschreibt (§ 519 ZPO). Zweck der abweichenden Regelung ist eine Beschleunigung des Verfahrens.2 Da in Familienstreitsachen eine Abhilfe nach § 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG nicht in Betracht kommt, ist eine Beschleunigung indessen gar nicht zu erreichen.3 Vorteile hat die Einlegung des Rechtsmittels beim Erstgericht indessen deshalb, weil dieses unmittelbar aus seinem Register feststellen kann, ob ein Rechtsbehelf eingelegt worden ist. Ist dies der Fall, können die Akten sogleich mit der Beschwerdeschrift an das Oberlandesgericht weitergeleitet werden. Eines Rechtskraftzeugnisses bedarf es nicht mehr.4 Geht die Beschwerde selbst entgegen der Vorschrift des § 64 Abs. 1 FamFG bei 50 einem anderen Gericht ein, so ist sie unzulässig. Wie das unzuständige Gericht sich in diesem Fall dann zu verhalten hat, wenn bei Eingang der Beschwerde die Rechtsmittelfrist noch nicht abgelaufen ist, wird nicht einheitlich gesehen. Nach der Rechtsprechung des BGH darf der Beschwerdeführer sich darauf verlassen, dass die Rechtsmittelschrift noch rechtzeitig an das zuständige Rechtsmittelgericht weitergeleitet wird. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass bei einer Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang dieses Ziel noch erreichbar ist.5 Eine Rechtspflicht zu einem solchen Vorgehen trifft das unzuständige Gericht aber nicht.6 Leitet das angerufene Gericht die Beschwerde weiter, bedarf es dabei keiner besonderen Beschleunigung, wie etwa der Beauftragung eines besonderen Wachtmeisters.7 Eben so wenig trifft das unzuständige Gericht die Verpflichtung, den Beteiligten oder dessen Verfahrensbevollmächtigten durch Telefonat oder Telefax von der Einreichung des Rechtsbehelfs beim falschen Gericht zu unterrichten.8 Die Verantwortung für die Wahl des richtigen Gerichts liegt bei den Rechtsanwälten, zumal sie nach § 39 FamFG durch die Rechtsbehelfsbelehrung hierauf ausdrücklich aufmerksam gemacht worden sind. Ist das „andere Gericht“ das Beschwerdegericht, muss auch dieses die Beschwerdeschrift an das Familiengericht zurückschicken, um die Verwerfung der Beschwerde als unzulässig zu vermeiden. Für die Fristwahrung ist der Eingang beim erstinstanzli1 2 3 4 5 6 7 8
BGH, FamRZ 2013, 1566 = NJW 2013, 3310. BT-Drucks. 16/6308, S. 206. Musielak/Borth, § 64 FamFG Rz. 2. Schürmann, FamRB 2009, 24 (25). BGH, FamRZ 2012, 623; 2013, 436. Müther, FamRZ 2010, 1952 (1953, 1955). Prütting/Helms/Abramenko, § 64 FamFG Rz. 3. BVerfG, FamRZ 2011, 827; BGH, FamRZ 2013, 779; 2013, 1384 (1385).
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chen Gericht maßgebend.1 Konnte allerdings das angerufene Gericht seine Unzuständigkeit „ohne weiteres“ bzw. „leicht und einwandfrei“ erkennen, so ist die Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang zu erwarten. Versäumt es entsprechende Maßnahmen mit der Folge, dass die Rechtsmittelfrist verstreicht, so ist dem Rechtsmittelführer auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.2 51 Durch das Gesetz zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess
und zur Änderung anderer Vorschriften vom 5.12.2012 (BGBl I S. 2418) ist § 64 Abs. 1 FamFG durch folgenden Satz 2 ergänzt worden: „Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde sind bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten werden soll.“ Damit ist die in Rechtsprechung und Schrifttum umstrittene Frage, bei welchem Gericht ein isolierter Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine einzulegende Beschwerde einzureichen ist, gesetzlich geklärt worden. Die Gesetzesänderung gilt seit dem 1.1.2013. 52 Ein nach Entscheidung über das Gesetz zu stellender Antrag auf Wiedereinset-
zung wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist ist innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist beim OLG einzureichen.3 53 Nach der ursprünglichen Fassung von § 64 Abs. 2 FamFG konnte die Beschwer-
deschrift auch durch Niederlegung zur Geschäftsstelle eingelegt werden. Durch das Reparaturgesetz ist dies jedoch für Ehe- und Familienstreitsachen geändert worden, indem in § 64 Abs. 2 FamFG ein weiterer Satz eingefügt worden ist, durch den diese Möglichkeit ausgeschlossen worden ist, um zu verhindern, dass die Beteiligten ohne Rechtsanwalt Beschwerde einlegen können. 54 Sind im Rubrum der Beschwerdeschrift die Parteien als „Beteiligte“ (§ 113
Abs. 5 Nr. 5 FamFG) bezeichnet und enthält die Beschwerdeschrift die Angabe, das Rechtsmittel werde „namens des Antragsgegners“ eingelegt, ist sie unzulässig, wenn bis zum Ablauf der Beschwerdefrist nicht deutlich wird, welcher der in der Beschwerdeschrift aufgeführten Beteiligten der Antragsgegner ist. Dass der Gegner hierüber informiert ist, beseitigt einen solchen Mangel in der Beschwerdeschrift nicht. Denn dies ermöglicht es dem Gericht nicht, den Beschwerdeführer zu erkennen und die Beschwerdeschrift dem Gegner zuzustellen. Der Antragsgegner des Beschwerdeverfahrens muss einwandfrei feststehen; um durch Zustellung ein Verfahrensrechtsverhältnis in zweiter Instanz zu begründen, muss seine Anschrift eindeutig ermittelbar sein. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn eine Anschrift der Mutter des Antragsgegners im Ausland angegeben und gleichzeitig vorgetragen wird, dass der Antragsgegner sich bei ihr aufhalte.4
1 Schürmann, FamRB 2009, 24 (25) Fn. 12; zum Verfahren bei Weiterleitung an das zuständige Gericht vgl. auch BGH, FamRZ 2011, 1649; 2012, 623; FamRB 2013, 142 m. Anm. Ahn-Roth. 2 BGH, FamRZ 2013, 1385: Das OLG hatte auf den Eingang einer an das Amtsgericht adressierten Beschwerdeschrift eine Wiedervorlage nach einer Woche verfügt mit dem Zusatz: „Eingang der Beschwerde beim Amtsgericht“ = FuR 2013, 649. 3 BGH, FamRZ 2011, 1649. 4 OLG Hamm, FamRZ 2013, 1998.
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III. Beschwerdeverfahren
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Praxishinweis: Der BGH hat wiederholt betont, dass ein Berufungsschrift- 55 satz bei der Unterzeichnung daraufhin zu kontrollieren ist, ob er den gesetzlichen Anforderungen des § 517 ZPO entspricht. Ist dies nicht der Fall, hat er die Versäumung der Berufungsfrist als verschuldet angesehen, so dass auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden konnte. Für die Beschwerdeschrift nach § 64 FamFG kann nichts anderes gelten. Besondere Vorsicht ist somit geboten.1
Nicht erforderlich ist, dass in der Beschwerdeschrift die ladungsfähige Anschrift 56 des Beschwerdeführers angegeben wird.2 Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein Antragsteller, nachdem seine ursprünglich richtig angegebene Anschrift sich geändert hat, diese verschweigt und auch in der Beschwerdeinstanz ein Verfahren aus dem Verborgenen führt, um sich einer möglichen Kostenpflicht zu entziehen. Dasselbe ist anzunehmen, wenn eine gerichtliche Anfrage nach der Anschrift des Beschwerdeführers unbeantwortet bleibt und die Angabe von Gründen verweigert wird. Dies kann ein rechtsmissbräuchliches Verhalten darstellen und die Annahme der Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs rechtfertigen.3 d) Empfangsmöglichkeiten In § 64 Abs. 2 FamFG wird nur von einer Beschwerdeschrift gesprochen, so dass 57 die Einhaltung der Schriftform ausreicht. In der Praxis bedienen sich die Rechtsanwälte in zunehmendem Maße moderner technischer Hilfsmittel. Die Verwendung von Telegramm, Fernschreiben, Telefax und Textdateien sind teils schon seit Längerem zugelassen.4 Allerdings hat der BGH im Fall der Verwendung eines Telefax in Übereinstimmung mit der überwiegenden Ansicht im Schrifttum zunächst die Auffassung vertreten, dass ein Schriftsatz erst in dem Zeitpunkt bei Gericht eingegangen sei, in dem das Telefaxgerät des Gerichts ihn vollständig ausgedruckt habe. Im Hinblick auf die fortschreitende technische Entwicklung, die seit dem 1.8.2001 auch durch die Einfügung des § 130a ZPO in das Gesetz Beachtung gefunden hat, hält der BGH jetzt nicht mehr an seiner Ansicht fest und stellt nunmehr darauf ab, ob die gesendeten Signale noch vor Ablauf des letzten Tages der Frist vom Telefax des Gerichts vollständig empfangen (gespeichert) worden sind.5 Wird in diesem Fall vor Fristablauf der Text nur unvollständig übermittelt, hat das Beschwerdegericht zu prüfen, ob der vom Telefaxgerät für das Gericht empfangene Teil den Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Rechtsbehelf genügt.6 Eine eingescannte Unterschrift des Verfahrensbevollmächtigten in einem bestimmten Schriftsatz entspricht allerdings nicht den sich aus § 130 Nr. 6 ZPO ergebenden Formerfordernissen, wenn der Schriftsatz mit Hilfe eines normalen Faxgerätes und nicht unmittelbar aus dem Computer versandt wurde.7 Das Bundesverfassungsgericht hat es zugelassen, dass die Gerichte bei verfahrensbestimmenden Schriftsätzen eine eingescannte Unterschrift bei einem Computerfax genügen lassen, während sie bei einem her1 BGH, MDR 2010, 828; FamRZ 2011, 281. 2 BGH, FamRZ 2006, 116; BGH, FamRZ 2009, 1130 (1131) = FamRB 2009, 243 m. Anm. Stößer. 3 BGH, FamRZ 2009, 1130 (1131); s. auch Born, FPR 2008, 368 f. 4 Vgl. die Entwicklung in der Entscheidung des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes in BGHZ Bd. 144, 160 = NJW 2000, 2340. 5 BGH, NJW 2006, 2263 = FamRZ 2006, 1193; BGH, FamRZ 2006, 1835. 6 BGH, FamRZ 2006, 1835. 7 BGH, NJW 2006, 3784; OLG Celle, FamRZ 2012, 1894.
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L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen
kömmlichen Telefax am Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift auf dem Original festhalten. Hierin bestehe weder ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip noch gegen den Gleichheitsgrundsatz.1 58 Wird die Beschwerdeschrift nicht durch Verwendung technischer Hilfsmittel
übermittelt, erbringt weiterhin der auf der Beschwerdeschrift angebrachte Eingangsstempel des Gerichts den Nachweis der Rechtzeitigkeit im Sinne von § 418 Abs. 1 ZPO. Der nach § 418 Abs. 2 ZPO zulässige Gegenbeweis kann bei einem Einwurf der Beschwerde in einen Nachtbriefkasten des Gerichts nur geführt werden, wenn zuvor das Gericht die zur Aufklärung erforderlichen Maßnahmen ergreift, indem es dienstliche Äußerungen der für die Leerung des Nachtbriefkastens zuständigen Beamten einholt.2 Den Nachweis des rechtzeitigen Eingangs der Beschwerdeschrift bei Gericht hat letztlich der Beschwerdeführer zu erbringen. Der Nachweis ist im Wege des Freibeweises zu führen, so dass auch eine eidesstattliche Versicherung zulässig und üblich ist.3 Sendet der Verfahrensbevollmächtigte des in der ersten Instanz unterlegenen Beteiligten ein an ihn gerichtetes Empfangsbekenntnis nicht zurück, ist hieraus auf seine fehlende Empfangsbereitschaft zu schließen. Anders ist zu entscheiden, wenn in diesem Fall ein Rechtsbehelf eingelegt und in der Beschwerdeschrift auf die Beschlussausfertigung Bezug genommen wird.4 e) Inhalt der Beschwerdeschrift 59 Durch § 64 Abs. 2 Satz 3 FamFG wird vorgeschrieben, welche Angaben der
Schriftsatz enthalten muss. Einmal muss der Beschluss, gegen den sich der Rechtsbehelf richten soll, genau bezeichnet werden. Dies wird im Allgemeinen durch Angabe des Gerichts, des Aktenzeichens und des Datums des Erlasses der Entscheidung geschehen.5 Erforderlich ist ferner, dass genau kenntlich gemacht wird, wer Beschwerdeführer ist. Dabei ist zu beachten, dass durch die Endentscheidung beide Beteiligte belastet sein können. Sind auf einer Seite mehrere Personen am Verfahren beteiligt – meistens wird dies bei den Antragstellern der Fall sein –, muss nicht jeder durch die Entscheidung in seinem Begehren benachteiligt worden sein. Deshalb ist es besonders wichtig, in der konkreten Beschwerdeschrift den Beschwerdeführer so genau zu bezeichnen, dass keine Irrtümer entstehen können. Etwaige Unklarheiten führen zur Unzulässigkeit der Beschwerde.6 Schließlich ist klarzustellen, was mit dem Rechtsbehelf erreicht werden soll. Die Verwendung des Wortes „Beschwerde“ ist zweckmäßig, aber nicht unbedingt erforderlich.7 Deutlich werden muss vor allem, dass eine Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung begehrt wird. Die Stellung von Anträgen in der Beschwerdeschrift ist noch nicht notwendig, denn der Umfang der beabsichtigten Anfechtung muss bei Einreichung der Beschwerdefrist noch nicht feststehen.8 Hat das Familiengericht die Entscheidung auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende Erwägungen gestützt, muss die Be1 2 3 4 5 6 7 8
BVerfG, NJW 2007, 3117 f. BGH, FamRZ 2005, 106. BGH, NJW 1996, 2038. BGH, NJW 2007, 3223. Prütting/Helms/Abramenko, § 64 FamFG Rz. 15. KG, NJW-RR 2004, 331 (332). Schürmann, FamRB 2009, 24 (26); Prütting/Helms/Abramenko, § 64 FamFG Rz. 16. BGH, FamRZ 2009, 1408 (1409).
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III. Beschwerdeverfahren
schwerdebegründung jeden tragenden Einzelpunkt angreifen. Geschieht dies nicht, ist die Beschwerde unzulässig.1Auch eine nur floskelhafte Begründung reicht nicht aus.2 f) Beschwerde und Antrag auf Verfahrenskostenhilfe Die Beschwerde ist bedingungsfeindlich; aus diesem Grund ist nach absolut 60 herrschender Meinung die Einlegung einer bedingten Berufung unzulässig.3 Für eine Beschwerde nach dem FamFG kann nichts anderes gelten. Deshalb darf die Einlegung der Beschwerde auch nicht von der Bewilligung der beantragten Verfahrenskostenhilfe abhängig gemacht werden. Unzulässig ist es, wenn ein als Beschwerdebegründung bezeichneter und unterschriebener Schriftsatz und ein Schriftsatz mit einem Verfahrenskostenhilfeantrag eingereicht werden und in dem Gesuch auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe der Hinweis auf die Beschwerde in der Weise enthalten ist, dass die Einlegung der Beschwerde von der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe abhängig gemacht wird.4 Deshalb muss der Rechtsanwalt alles vermeiden, was den Eindruck erwecken könnte, er wolle eine „künftige“ Verfahrenshandlung lediglich ankündigen und erst nach der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe tatsächlich ein Rechtsmittel einlegen.5 Allerdings ist der BGH wegen der schwerwiegenden Folgen eines bedingten und 61 damit unzulässigen Rechtsbehelfs meist großzügig verfahren und hat nur dann die Unzulässigkeit bejaht, wenn die Auslegung der verwendeten Formulierungen keine andere Handhabung zugelassen hat.6 Als zu verwendende und unbedenkliche Formulierungen hat der BGH angegeben: Die Bezeichnung als „Entwurf einer Berufungsschrift“, die Erklärung, dass „nach Gewährung der Prozesskostenhilfe Berufung eingelegt werde“, den Hinweis auf „eine beabsichtigte Berufung“ sowie die Erklärung, es handele sich um eine „vorbereitete Berufungsschrift“.7
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Praxishinweis: Trotz der gewissen Großzügigkeit der höchstrichterlichen 62 Rechtsprechung darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der BGH den Rechtsmittelführer immer wieder ermahnt, alles zu vermeiden, was die Annahme eines bedingten Rechtsmittels zwingend gebietet. Das sollten Rechtsanwälte, die verbindlich Beschwerde einlegen und gleichzeitig Verfahrenskostenhilfe beantragen wollen, unbedingt beachten. Es muss vermieden werden, Abhängigkeiten zwischen der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe und der Einlegung der Beschwerde herzustellen.8
Zulässig ist es, innerhalb der Beschwerdefrist unter Beifügung der erforderlichen 63 Belege einen Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe einzureichen 1 BGH, NJW 2013, 174, m.w.N. 2 OLG Saarbrücken, FamRZ 2011, 745: Darlegung des Einkommens des Unterhaltspflichtigen mit dem Zusatz, dass dieser danach leistungsfähig sei. 3 Ständige Rechtsprechung, zuletzt BGH, FamRZ 2005, 1537; BGH, NJW 2006, 693 (694). 4 BGH, FamRZ 2005, 1537; BGH, FamRZ 2004, 1553 (1554); BGH, FamRZ 2006, 400. 5 BGH, FamRZ 2009, 1408 (1409). 6 BGH, NJW-RR 2001, 789; BGH, FamRZ 2004, 1553 (1554); BGH, FamRZ 2006, 400; BGH, FamRZ 2009, 1408 (1409). 7 BGH, FamRZ 2006, 400; FamRZ 2009, 1408 f. 8 Vgl. BGH, FamRZ 2011, 29.
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L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen
und die Einlegung der Beschwerde bis zur Entscheidung über den Verfahrenskostenhilfeantrag zurückzustellen.1 In diesem Fall muss das Beschwerdegericht zunächst über den Verfahrenskostenhilfeantrag entscheiden. Geschieht dies erst nach Ablauf der Beschwerdefrist, ist dem Antragsteller im Fall der Gewährung der Verfahrenskostenhilfe auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Das Gleiche gilt im Fall der Versagung, wenn der Antragsteller nicht mit der Ablehnung wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen musste. Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt in diesen Fällen nicht vor der Bekanntgabe der Entscheidung über den Verfahrenskostenhilfeantrag.2 Ist hingegen Beschwerde unbedingt eingelegt und der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe erst im Verlauf des Beschwerdeverfahrens gestellt worden, so darf das OLG zunächst in der Hauptsache entscheiden, denn es ist grundsätzlich zulässig, Verfahrenskostenhilfe auch nach Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache rückwirkend zu bewilligen.3 64 Umstritten ist jedoch, ob und inwieweit bei der nachfolgenden Entscheidung
die vom OLG in der Hauptsache vertretene Rechtsauffassung auch für die Beurteilung der Rechtslage im VKH-Verfahren verbindlich ist. Nach der Auffassung des BGH ist bei einer nachträglichen Entscheidung über ein VKH-Gesuch die Rechtskraft der Beurteilung der Rechtslage in der Hauptsache verbindlich.4 Dem stehe nicht entgegen, dass grundsätzlich die Rechtskraft einer Entscheidung in der Hauptsache nur im Verhältnis zwischen den Beteiligten des Beschwerdeverfahrens gelte. Denn die Rechtskraft diene auch der Sicherung des Rechtsfriedens und lasse keine abweichenden Entscheidungen zur selben Streitfrage zu. Ausnahmen seien nur zulässig, wenn zweifelhafte Rechtsfragen zu klären seien oder wenn die Entscheidung über das VKH-Gesuch vom Gericht verzögert worden sei und sich infolge dessen die Grundlage für die Beurteilung der Erfolgsaussicht zum Nachteil der antragstellenden Partei verzögert habe. 65 Die Entscheidung des BGH ist nicht nur auf Zustimmung gestoßen.5 Die Argu-
mente, die gegen die Rechtsauffassung des BGH vorgebracht werden, sind nicht ohne Überzeugungskraft. Für die Praxis ist es allerdings angebracht, dem BGH zu folgen. E 35
Verfahrenskostenhilfeantrag fr eine beabsichtigte Beschwerde nach § 58 FamFG in einer Unterhaltsstreitsache
66 An das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg
– Familiengericht – In der Unterhaltssache der … – Antragstellerin und Beschwerdefhrerin –, 1 2 3 4 5
BGH, NJW 1993, 732. BGH, FamRZ 2011, 881 = NJW-RR 2011, 995; BGH, NJW-RR 2012, 308. BGH, FamRZ 1982, 58. BGH, FamRZ 2012, 964. Vgl. vor allem die Anm. Zimmermann, FamRZ 2012, 966.
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III. Beschwerdeverfahren
Verfahrensbevollmchtigter: Rechtsanwalt… gegen den … – Antragsgegner und Beschwerdegegner –, Verfahrensbevollmchtigter: Rechtsanwalt … Die Antragstellerin beabsichtigt, gegen den Beschluss des Amtsgerichts TempelhofKreuzberg – Familiengericht – in vom Gericht unter dem Aktenzeichen … am … zugestellten Beschluss Beschwerde einzulegen. Eine Kopie des angefochtenen Beschlusses ist beigefgt. Es wird beantragt, der Antragstellerin fr das beabsichtigte Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts … zu bewilligen. Nach einer positiven Entscheidung ber das Verfahrenskostenhilfegesuch wird die Antragstellerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versumung der Beschwerdefrist nachreichen. Begrndung 1. Hinsichtlich der Verfahrenskostenhilfebedrftigkeit wird auf die erstinstanzlich berreichte Erklrung zu den Einkommens- und Vermçgensverhltnissen der Antragstellerin nebst eingereichten Belegen verwiesen. Vernderungen haben sich inzwischen nicht ergeben. 2. Die angefochtene Endentscheidung des Familiengerichts entspricht nicht der Rechtslage und wird nach dem mit der beabsichtigten Beschwerde zu verfolgenden Antrag abzundern sein. Es folgt die Darlegung der Grnde, mit denen die Endentscheidung des Familiengerichts angefochten werden soll. Rechtsanwalt
4. Beschwerdebegründung a) Einreichung der Beschwerdebegründung – Formalien Nach § 65 Abs. 1 FamFG soll die Beschwerde begründet werden. Die Ausgestal- 67 tung als Sollvorschrift gilt indessen nicht für Ehe- und Familienstreitsachen. Denn nach § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG „hat“ der Beschwerdeführer zur Begründung der Beschwerde einen bestimmten Sachantrag zu stellen und diesen zu begründen. Diese Regelung entspricht den bisher für Berufungen in Unterhaltssachen geltenden Regeln. Auf diese Weise soll weiterhin gewährleistet werden, dass das Beschwerdeverfahren ausreichend vorbereitet wird. Der Beschwerdeführer soll veranlasst werden, die Beurteilung durch das Familiengericht überprüfen zu lassen; deshalb soll er darauf hinweisen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen er die getroffene Endentscheidung für unzutreffend hält.1 Hierfür reicht es nicht aus, die erstinstanzliche Entscheidung mit formelhaften 1 BGH, NJW-RR 2002, 209 (210).
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L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen
Wendungen zu rügen und im Übrigen auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen.1 68 Die Beschwerdebegründung kann bereits in der Beschwerdeschrift enthalten
sein. Hat der Beschwerdeführer – wie in den meisten Fällen – hiervon keinen Gebrauch gemacht, muss er einen Schriftsatz einreichen, in den die in § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO im Einzelnen aufgeführten Berufungsgründe aufgenommen werden. Die Vorschrift des § 520 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO gilt in Unterhaltssachen entsprechend (§ 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG). 69 Verfolgt der Beschwerdeführer mit dem Rechtsmittel nur das Ziel, dass das be-
reits in der ersten Instanz erreichte Ergebnis anders begründet wird, ist die Beschwerde in Ermangelung einer Beschwer unzulässig.2 70 Die Beschwerdebegründungsschrift muss eigenhändig von dem Verfahrens-
bevollmächtigten des Beschwerdeführers unterschrieben worden sein.3 Hierfür gelten die gleichen Grundsätze wie für die Einreichung der Rechtsbehelfsschrift, vgl. dazu die Rz. 43 ff. Auch die Beschwerdebegründung kann durch Telegramm, Fernschreiben, Telefax und Textdatei eingelegt werden.4 71 Vor Inkrafttreten des FamFG haben sich in der Praxis Schwierigkeiten ergeben,
die meist darauf zurückzuführen waren, dass der Berufungskläger mehrere Schriftsätze eingereicht oder auf andere Urkunden Bezug genommen hatte, ohne dass klargeworden war, wodurch die Berufung begründet werden sollte. Überwiegend betrafen diese Fälle die Verbindung von Rechtsmittelbegründung und Prozesskostenhilfeanträgen, aber auch in anderem Zusammenhang hat sich dem BGH die Frage gestellt, ob ein Schriftsatz, der andere Anträge enthielt, gleichzeitig als Berufungsbegründung ausgelegt werden konnte. Diese Problematik wird auch nach der Änderung des Rechtsbehelfsverfahrens auftreten, zumal ein Verweis auf die strengen Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO im § 117 Abs. 1 FamFG fehlt. 72
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Praxishinweis: Es ist anzuraten, sich nicht darauf zu verlassen, dass im Wege der Auslegung von anderen Urkunden z.B. Schriftsätzen im VKH-Verfahren von den Gerichten die Zulässigkeit der Beschwerdebegründung bejaht wird. Vorzuziehen ist die Einreichung einer eindeutigen Beschwerdebegründung, die die Merkmale des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO enthält und von einem Rechtsanwalt ordnungsgemäß unterzeichnet worden ist. Die Inkaufnahme einer gewissen Mehrarbeit dient der Vermeidung unnötiger Risiken.
73 Eine andere Handhabung kommt nur dann in Betracht, wenn ein armer Beteilig-
ter nach Einlegung der Beschwerde und Einreichung eines Antrags auf Verfahrenskostenhilfe mit der Beschwerdebegründung abwartet, bis die Entscheidung über das Verfahrenskostenhilfegesuch vorliegt. Nach einer Entscheidung des BGH5 ist dies sogar zulässig, ohne einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zu stellen. 1 2 3 4
BGH, NJW 1999, 3784; BGH, NJW 2000, 1576. OLG Celle, FamRZ 2011, 744. BGH, FamRZ 2005, 1573 (1574) mit zahlreichen w.N. S. die Entwicklung in der Entscheidung des gemeinsamen Senats der Gerichtshöfe des Bundes in BGHZ Bd. 144, 160 = NJW 2000, 2340. 5 BGH, MDR 2005, 1430.
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III. Beschwerdeverfahren
b) Begründungsfrist Die Frist zur Begründung der Beschwerde beträgt zwei Monate und beginnt mit 74 der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses (§ 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG). Damit schließt die Regelung an die für die Berufung geltende Vorschrift des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO an. Was unter der schriftlichen Bekanntgabe zu verstehen ist, ist – ebenso wie in § 63 Abs. 1, 3 FamFG – im Gesetz nicht geregelt worden. Damit stellt sich auch hier, ebenso wie bei der Frist zur Einlegung der Beschwerde, die Frage, ob eine formlose Bekanntmachung ausreicht oder eine förmliche Zustellung erforderlich ist. Nach hier vertretener Auffassung muss die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Beschlusses begründet werden.1 Denn nur dann ist die Einhaltung der Frist sicher festzustellen.2 Insoweit wird auf die Ausführungen unter Rz. 43 ff. verwiesen. Ein Problem stellt sich allerdings noch hinsichtlich des Beginns der Fünf- 75 monatsfrist, bis zu deren Ablauf die Beschwerde spätestens begründet werden kann. In diesem Punkt unterscheiden sich § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG (Einlegung der Beschwerde) und § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG (Begründung der Beschwerde). Beide Vorschriften verweisen zwar auf den Erlass des Beschlusses, ein Begriff, der in § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG erläutert worden ist. In § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG wird aber darauf abgehoben, dass die schriftliche Bekanntgabe an einen Beteiligten nicht bewirkt werden konnte, während § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG nur auf den Zeitpunkt des Erlasses der Endentscheidung abstellt. Hieraus leitet insbesondere Maurer3 her, dass in § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur der Fall gemeint sein kann, in dem ein Beschluss einem Beteiligten nicht bekannt gemacht werden konnte. Dem ist der XII. Zivilsenat durch Entscheidung vom 10.7.20134 nicht gefolgt. Danach beginnt im Interesse der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit die Beschwerdefrist des § 63 Abs. 3 S. 2 FamFG auch dann zu laufen, wenn die Zustellung mit Mängeln behaftet war. Zur Begründung für seine Ansicht führt der BGH aus, dass die gegenteilige Ansicht zur Folge habe, dass die Rechtskraft der Entscheidung zu keinem Zeitpunkt eintreten könne. Dies sei mit dem Zweck der Vorschrift nicht zu vereinbaren. Der Lauf der Begründungsfrist wird jedenfalls spätestens mit dem Tag in Gang gesetzt, an dem der Beschluss der Geschäftsstelle übergeben oder an dem die Beschlussformel verlesen wurde und der auf der Endentscheidung vermerkt worden ist (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG). Da in § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG auch auf § 520 Abs. 2, 3 ZPO verwiesen wird, 76 kann die Begründungsfrist auf Antrag durch den Vorsitzenden des Familiensenats verlängert werden. Der Verlängerungsantrag unterliegt der Schriftform und muss vor Fristablauf bei Gericht eingegangen sein.5 Er muss inhaltlich erkennen lassen, dass eine Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist ange-
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Ebenso Schürmann, FuR 2009, 130 (138); Maurer, FamRZ 2009, 465 (472). So auch Schürmann, FamRB 2009, 24. FamRZ 2009, 465 (472). BGH, FamRZ 2013, 1566 (1567); anders Prütting/Helms/Abramenko, § 63 FamFG Rz. 11 mit näherer Begründung, dem die Entscheidung des BGH aber noch nicht bekannt sein konnte. 5 BGH, NJW 1982, 1651; BGH, NJW 1992, 842.
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strebt wird. Entsteht Streit über den Eingang des Antrags, wird eine Beweisaufnahme erforderlich. 77 Die Entscheidung obliegt allein dem Vorsitzenden nach seinem freien, nicht
nachprüfbaren Ermessen.1 Gibt der Vorsitzende dem Antrag statt, obwohl es an einer Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt, ist die Verlängerung gleichwohl wirksam. Denn einer von einem verfassungsgemäß bestellten Gericht getroffenen Entscheidung fehlt es nicht an der Wirksamkeit, weil sie nicht im Einklang mit dem Gesetz steht.2 Anders liegt es dann, wenn die Begründungsfrist bereits abgelaufen war. Eine rechtskräftige Entscheidung kann nicht durch den Vorsitzenden des Beschwerdegerichts beseitigt werden. Deshalb geht eine dennoch gewährte Verlängerung ins Leere.3 78 Dem ersten Verlängerungsantrag kann der Vorsitzende ohne Anhörung des Geg-
ners stattgeben, wenn er die Verlängerung auf einen Monat begrenzt und das Verfahren durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Beschwerdeführer erhebliche Gründe darlegt (§ 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Einem solchen Antrag wird in der Regel entsprochen, weil der Begriff „erhebliche Gründe“ sehr weit ausgelegt wird. Als erheblicher Grund sind z.B. anerkannt worden: Arbeitsüberlastung, Erkrankung des Personals, Urlaub des Verfahrensbevollmächtigten, Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Beweismaterial, Notwendigkeit einer Rücksprache mit dem Mandanten, Vergleichsverhandlungen.4 Da eine nähere Begründung für die Fristverlängerung nicht verlangt wird, ist eine Ablehnung des ersten Antrags kaum vertretbar. Deshalb wird vom Bundesverfassungsgericht eine Ablehnung auch als Verstoß gegen das Gebot der Gewährung eines fairen Verfahrens gewertet,5 so dass immer ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist, wenn der Antrag doch abgelehnt worden sein sollte. 79 Die Verlängerung muss ausdrücklich vom Vorsitzenden verfügt werden; eine
stillschweigende Fristverlängerung gibt es nicht.6 Ob eine schriftliche Mitteilung an den Beschwerdeführer erforderlich ist, wird im Schrifttum unterschiedlich gesehen7. Die Rechtsprechung des BGH ist hierzu nicht ganz eindeutig. Er hat allerdings angenommen, dass die telefonische Mitteilung durch den Vorsitzenden ausreiche, weil dieser damit ein schutzwürdiges Interesse des Antragstellers begründet habe.8 Dem halten Zöller/Heßler zu Recht entgegen, dass bei einer solchen Handhabung Hörfehler zu Unklarheiten führen könnten.9 80
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Praxishinweis: Zur Vermeidung von Missverständnissen ist zu empfehlen, dass der Vorsitzende seine Entscheidung über den Verlängerungsantrag schriftlich absetzt, unterschreibt und die Übermittlung einer Abschrift an den Antragsteller veranlasst. Eine förmliche Zustellung ist allerdings nicht erforderlich. Ob es zweckmäßig ist, die derzeit angewandte Praxis – telefo-
Zimmermann, § 117 ZPO Rz. 11; Musielak/Ball, § 520 ZPO Rz. 9. Ständige Rechtsprechung des BGH, z.B. NJW 1999, 286 (287). BGH, NJW 1992, 842. Musielak/Ball, § 520 ZPO Rz. 8. Ständige Rechtsprechung, NJW 2001, 812; auch der BGH, zuletzt BGH, NJW 2010, 1610. BGH, NJW-RR 1990, 67. Bejahend: Musielak/Ball, § 520 ZPO Rz. 11; Zöller/Heßler, § 520 ZPO Rz. 17a; verneinend: Baumbach/Hartmann, § 520 ZPO Rz. 12. BGH, NJW 1998, 1155 (1156); im Ergebnis ebenso BGH, FamRZ 1994, 302. Zöller/Heßler, § 520 ZPO Rz. 18.
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III. Beschwerdeverfahren
nischer Hinweis der Geschäftsstelle an den Verfahrensbevollmächtigten, die Verlängerung sei gewährt worden – beizubehalten, ist fraglich. Sie birgt die Gefahr, dass Irrtümer entstehen können. Das ist zu vermeiden, wenn sich der Vorsitzende vorbehielte, die Mitteilung seiner Entscheidung allein zu übernehmen. Eine weitere Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist kann nach § 520 81 Abs. 2 Satz 2 ZPO nur mit Einwilligung des Gegners angeordnet werden. Auf welche Weise das Gericht Kenntnis von der vorliegenden Einwilligung des Gegners erhält, ist nicht entscheidungserheblich. Deshalb bedarf die Einwilligung nicht der Schriftform. Sie kann auch vom Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers eingeholt und gegenüber dem Gericht anwaltlich versichert werden.1 Dennoch gehört zu einem vollständigen zweiten Verlängerungsantrag die Darlegung der Einwilligung des Gegners, da nur so ein berechtigtes Vertrauen auf die Bewilligung der Verlängerung geweckt werden kann.2 Der Anwalt darf auch nicht darauf vertrauen, dass der Vorsitzende selber ermitteln werde, vor allem dann nicht, wenn der Fristverlauf kurz bevor steht.3 Zwar kommt es in der Praxis nicht selten vor, dass der Vorsitzende bemüht ist, das Vorliegen der Einwilligung zu klären. Der Rechtsanwalt kann dies aber nicht voraussetzen.4 Der bloße Hinweis auf laufende Vergleichsverhandlungen reicht nicht aus, um die nach § 520 Abs. 2 S. 2 ZPO notwendige Einwilligung des anderen Beteiligten in die zweite Verlängerung der Beschwerdeverlängerungsfrist darzutun.5 Liegt eine Einwilligungserklärung des Gegners vor, sollte der Vorsitzende die be- 82 antragte Fristverlängerung gewähren, etwa dann, wenn die Beteiligten übereinstimmend erklären, dass sie weitere Zeit benötigten, um aussichtsreiche Vergleichsverhandlungen zu führen. Soweit die Ansicht vertreten wird, der Vorsitzende sei bei seiner Entscheidung an die Einwilligung gebunden,6 kann dem nicht gefolgt werden, denn die Entscheidung trifft auch in diesem Fall der Vorsitzende nach seinem freien Ermessen. Bei fehlender Einwilligung wird die Verlängerung nur ganz ausnahmsweise in 83 Betracht kommen, wenn sie auch nicht ganz auszuschließen ist. Zu bedenken ist, dass Verlängerungsanträge nicht selten nur sehr pauschal und mit fadenscheinigen Begründungen gestellt werden (z.B. „große Arbeitsbelastung“ oder „Urlaub“). Vor allem, wenn mehrere Rechtsanwälte sich in einer Kanzlei zusammengeschlossen haben, wird in solchen Fällen eine Fristverlängerung kaum in Betracht kommen.
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Praxishinweis: Ein auf § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO gestützter Antrag muss bei 84 fehlender Einwilligung des Gegners sehr viel eingehender begründet werden als dies gegenwärtig häufig geschieht. Ein solcher Antrag muss auch das gewünschte Fristende angeben, wobei die Länge der Frist gleichfalls näher zu erläutern ist.
BGH, FamRZ 2005, 1082; BGH, FamRZ 2006, 2020 (2021). BGH, FamRZ 2005, 1082 (1083); BGH, NJW-RR 2005, 865 (866). BGH, NJW-RR 2005, 865 (866). S. aber in einem Ausnahmefall: BGH, FamRZ 2006, 1020 (1021). BGH v. 26.7.2012 – III 2 B 57/11 = FamRZ 2012, 1563 (LS). OLG Zweibrücken, NJW 2003, 3211.
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L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen
85 Nach § 222 Abs. 2 ZPO endet eine Frist, deren Ende auf einen Sonntag, einen
allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend fällt, mit Ablauf des nächsten Werktages. Die Vorschrift bezieht sich sowohl auf sogenannte berechnete Fristen als auch auf datierte Fristen.1 Soweit im Schrifttum vereinzelt Zweifel daran geäußert worden sind, ob dies auch dann gelte, wenn eine datierte Frist auf einen Sonnabend fällt, sind diese vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich ausgeräumt worden. c) Empfänger der Beschwerdebegründung 86 In der ursprünglichen Fassung des FamFG war nicht geregelt worden, an wen
die Beschwerdebegründung zu richten war. Dies führte zu Diskussionen über den Adressaten der Beschwerdebegründung.2 Durch Art. 8 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht vom 30.7.20093 ist in § 117 Abs. 1 ein Satz 2 FamFG eingefügt worden, nachdem die Begründung beim Beschwerdegericht einzureichen ist. Damit ist die Übereinstimmung mit dem Berufungsrecht herbeigeführt worden (§ 520 Abs. 3 Satz 1 ZPO). d) Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdebegründung 87 § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG statuiert eine allgemeine Begründungspflicht für Be-
schwerden, so dass die von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdebegründung im Wesentlichen angewendet werden können.4 88 Die Beschwerdebegründung muss einen bestimmten Sachantrag enthalten. Nach
ständiger Rechtsprechung des BGH zum Berufungsrecht führt das Fehlen eines Sachantrages allerdings nicht zur Unzulässigkeit der Berufung, wenn sich dem Inhalt der Begründungsschrift insgesamt entnehmen lässt, dass der Berufungskläger sein erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt.5 Der BGH meint gleichfalls, dass „es nicht unbedingt eines ausdrücklich formulierten Antrags bedürfe“, er empfiehlt aber gleichwohl dem Berufungskläger „in seinem Interesse“, einen Sachantrag zu stellen.6 Häufig wird beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen. In den meisten Fällen ist damit nicht der Fall des § 538 Abs. 2 ZPO gemeint. Der BGH lässt eine solche Formulierung dennoch als ausreichend gelten, weil in einem solchen Begehren die Weiterverfolgung des bisher Verlangten zu entnehmen sei.7 5. Zurückweisung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln 89 Schon nach bisherigem Recht (§§ 615, 621d ZPO) war der Ausschluss neuer An-
griffs- und Verteidigungsmittel in Unterhaltssachen gegenüber dem normalen
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BVerfG, FamRZ 2013, 1876. Vgl. z.B. Schürmann FuR 2009, 130 (138) und FamRB 2009, 24 (27). BGBl. I, S. 2449. Prütting/Helms/Feskorn, § 117 FamFG Rz. 23; BT-Drucks. 16/6308, S. 225. Musielak/Ball, § 520 ZPO Rz. 20. Ständige Rechtsprechung, zuletzt BGH, NJW 2006, 2705 = FamRZ 2006, 1029. Ständige Rechtsprechung, zuletzt BGH, NJW 2006, 2705 = FamRZ 2006, 1029.
762 Griesche
III. Beschwerdeverfahren
Zivilprozess stark eingeschränkt. Der Grund hierfür war, dass in Unterhaltssachen sich Einkommens- und Vermögensverhältnisse häufig ändern. Um solche Änderungen bereits im Rechtsmittelverfahren berücksichtigen zu können und nicht erst in einem weiteren einzuleitenden Abänderungsverfahren, hat schon der Gesetzgeber des ZPO-Reformgesetzes es für geboten gehalten, die Rechtsmittelinstanz in Familienstreitsachen als volle zweite Tatsacheninstanz auszugestalten.1 Deshalb waren vor allem die §§ 530, 531 ZPO nicht anwendbar. Diese Beschränkung der Präklusion ist auf das FamFG übertragen worden (§ 115 FamFG). Eine Präklusion kommt danach nur dann in Betracht, wenn die Zulassung der Angriffs- oder Verteidigungsmittel nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Verfahrens verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht. Dass beide Voraussetzungen erfüllt sind, kommt in der Praxis relativ selten vor. Es können deshalb insbesondere auch solche Tatsachen, die vom Familiengericht mit zutreffender Begründung zurückgewiesen worden sind, in der Beschwerdeinstanz erneut vorgebracht werden. Die Verspätungsrüge wird daher in Unterhaltssachen meistens keine Aussicht auf Erfolg haben.2 E 36
Beschwerde nach § 58 FamFG in einer Unterhaltsstreitsache
An das
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Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg in Berlin – Familiengericht – In der Unterhaltssache Des … – Antragsgegners und Beschwerdefhrers –, Verfahrensbevollmchtigter: Rechtsanwalt … gegen die … – Antragstellerin und Beschwerdegegnerin –, Verfahrensbevollmchtigte: Rechtsanwltin … wird namens und in Vollmacht des Antragsgegners gegen den Beschluss des Familiengerichts vom … Aktenzeichen … zugestellt am … Beschwerde eingelegt. Eine Kopie des angefochtenen Beschlusses ist beigefgt. Es wird beantragt, 1. den angefochtenen Beschluss dahin abzundern, dass der Antragsgegner verpflichtet wird, an die Antragstellerin mtl. 250 Euro ab … zu zahlen, 2. die Vollstreckung aus dem angefochtenen Beschluss bis zur Entscheidung in der Beschwerdeinstanz auszusetzen. 1 BT-Drucks. 16/6308, S. 225. 2 Garbe/Ulrich/Klees-Wambach, Rz. 136.
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L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen
Begrndung Der angefochtene Beschluss ist nach Maßgabe des Beschwerdeantrags abzundern, weil dieser in tatschlicher und rechtlicher Hinsicht der Sach- und Rechtslage nicht entspricht. … (Es folgen die inhaltlichen Ausfhrungen zur Begrndung der Beschwerde). Der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung rechtfertigt sich daraus, dass dem Antragsgegner durch die Vollstreckung ein nicht zu ersetzender Nachteil entstehen wrde, denn … Der Beschwerdewert betrgt mehr als 600 Euro. Rechtsanwalt Zugleich wird beantragt anzuordnen, dass die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses ausgesetzt wird (§ 64 Abs. 3 FamFG): … (Es folgt die Begrndung der Anfechtung der Beschwerde). Dem Beschwerdefhrer wrde ein schwerer, nicht wieder gut zu machender Nachteil entstehen, wenn die angefochtene Entscheidung vor Abschluss des Rechtsmittelverfahrens durchgesetzt werden wrde. Deshalb ist die Vollziehung des Beschlusses auszusetzen. Dieser Antrag wird wie folgt begrndet: … (Es folgt die Begrndung des Eilantrages). Rechtsanwalt
6. Anschlussbeschwerde a) Allgemeines 91 Durch die Neuregelung der Anschlussbeschwerde in § 66 FamFG hat sich für
Unterhaltsverfahren insofern nichts geändert, als – wie schon seit 2002 – nur noch die Möglichkeit besteht, sich der Beschwerde eines anderen Beteiligten anzuschließen, ohne selbst einen Rechtsbehelf einlegen zu müssen; es bleibt also dabei, dass nur noch ein unselbständiges Rechtsmittel zulässig ist.1 Das Schicksal der Anschlussbeschwerde bleibt somit weiterhin von dem der Beschwerde abhängig. Die Anschließung setzt deshalb voraus, dass eine zulässige Beschwerde eingelegt worden ist.2 92 Will der Beschwerdegegner die Abhängigkeit von der Beschwerde des anderen
Beteiligten vermeiden, muss er, wenn die Beschwerdefrist noch nicht verstrichen ist und die sonstigen Voraussetzungen für die Statthaftigkeit eines Rechtsbehelfs vorliegen, selbst Beschwerde einlegen. 93
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Praxishinweis: Für die Entscheidung zwischen der Einlegung einer eigenen Beschwerde oder nach der Anschlussbeschwerde ist dem Beschwerdegegner eine besonders sorgfältige Abwägung anzuraten. Er muss bedenken, dass der Beschwerdeführer durch Rücknahme der Beschwerde die Anschlussbeschwerde zu Fall bringen kann, zum selben Ergebnis führt eine gerichtliche Entscheidung, durch die die Beschwerde als unzulässig verworfen wird (§ 66 Satz 2 FamFG). Deshalb sollte der Beschwerdegegner, wenn er durch die
1 Schulte-Bunert/Unger, 2. Aufl., § 66 FamFG Rz. 2. 2 Zöller/Feskorn, § 66 FamFG Rz. 2.
764 Griesche
III. Beschwerdeverfahren
Erstentscheidung beschwert ist, sich nicht auf die Anschlussbeschwerde beschränken, sondern selbst Beschwerde einlegen. Ist der Rechtsmittelschrift nicht eindeutig zu entnehmen, ob der Beschwerde- 94 gegner eine selbständige Beschwerde einlegen oder sich nur der Beschwerde des Beschwerdeführers anschließen will, ist durch Auslegung zu ermitteln, für welche der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten er sich entscheiden will. Dabei ist im Zweifel das als gewollt anzusehen, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der richtig verstandenen Interessenlage entspricht.1 Ein während der Beschwerdefrist eingelegtes zulässiges Rechtsmittel kann deshalb im Zweifel, selbst wenn es als Anschlussbeschwerde bezeichnet wurde, als selbständige Beschwerde zu deuten sein, wenn aus weiteren Umständen herzuleiten ist, dass ein selbständiges Rechtsmittel gewollt war.2 Nach Ablauf der Beschwerdefrist wird es sich in der Regel um eine Anschluss- 95 beschwerde handeln, denn sie kann in Unterhaltssachen noch bis zur letzten mündlichen Verhandlung eingelegt werden. Die Anschlussbeschwerde setzt keine Beschwer voraus. Deshalb kann der Be- 96 schwerdegegner, selbst wenn er in der ersten Instanz voll obsiegt hat, Anschlussbeschwerde mit dem Ziel einer Erweiterung des zuvor Angestrebten einlegen.3 Der Rechtsbehelf ist nicht bedingungsfeindlich. Er kann somit auch hilfsweise 97 für den Fall eingelegt werden, dass der Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde erfolglos bleibt.4 Ebenso ist eine bedingte Anschlussbeschwerde zulässig, wenn sie lediglich von einem innerprozessualen Vorgang abhängt. Begründet wird dies vor allem damit, dass die unselbständige Anschlussbeschwerde kein Rechtsmittel im eigentlichen Sinn, sondern lediglich ein Antrag innerhalb eines vom Rechtsmittelführer eingelegten Rechtsbehelfs sei.5 b) Einlegung der Anschlussbeschwerde Die Anschließung erfolgt durch Einreichung einer Anschlussschrift beim Be- 98 schwerdegericht (§ 66 Satz 1 Halbs. 2 FamFG). Sie ist auch dann noch zulässig, wenn der Anschlussbeschwerdeführer auf die Beschwerde verzichtet hat oder die Beschwerdefrist verstrichen ist (§ 66 Abs. 1 Halbs. 1 FamFG). Anders als nach der für die Beschwerde geltenden Vorschrift des § 61 Abs. 1 FamFG braucht ein Beschwerdewert nicht erreicht zu werden.6 Ob die Anschlussbeschwerde auch durch Erklärung zur Niederschrift der Ge- 99 schäftsstelle eingelegt werden kann, wird in § 66 FamFG nicht geregelt. Im Schrifttum wird dies zum Teil bejaht und mit einer entsprechenden Anwendung von § 64 Abs. 2 FamFG begründet.7 Dabei wird indessen übersehen, dass § 64
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BGH, NJW-RR 1996, 1210 (1211); BGH, FamRZ 2003, 95. BGH, NJW 2011, 1455. Zöller/Feskorn, § 66 FamFG Rz. 10. BGH, NJW-RR 1986, 874 (875 ff.); BGH, WM 1997, 1155 (1157). BGH, NJW 1981, 1790; BGH, NJW 1984, 1240 (1241); BGH, NJW-RR 1989, 1099. Zöller/Feskorn, § 66 FamFG Rz. 2. Zöller/Feskorn, § 66 FamFG Rz. 6; Prütting/Helms/Abramenko, § 66 FamFG Rz. 9.
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L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen
Abs. 2 FamFG durch das Reparaturgesetz geändert worden ist. In der geänderten Fassung wird durch § 64 Abs. 2 Satz 2 FamFG u.a. auch in Unterhaltssachen die Einlegung der Beschwerde durch Niederschrift bei der Geschäftsstelle ausgeschlossen. Hierdurch soll verhindert werden, dass die Einlegung eines Rechtsmittels ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts möglich ist. Dies muss in gleicher Weise auch für die Einlegung der Anschlussbeschwerde gelten. c) Form und Inhalt der Anschlussbeschwerdeschrift 100
Die Vorschrift des § 66 FamFG enthält hierzu keinerlei Regelung. Auch in § 117 Abs. 2 FamFG wird nicht auf § 524 Abs. 3 ZPO verwiesen. Dennoch wird im Schrifttum überwiegend angenommen, dass die Anschlussbeschwerdeschrift die Form einer Beschwerdeschrift haben müsse, die durch § 64 Abs. 2 Satz 3 und 4 FamFG geregelt wird.1 Die Anschlussbeschwerde muss somit den angefochtenen Beschluss bezeichnen und zum Ausdruck bringen, dass hiergegen Anschlussbeschwerde eingelegt werde. Sie muss ferner vom Verfahrensbevollmächtigten unterzeichnet werden. Die Unterschrift des Anschlussbeschwerdeführers selbst reicht wegen des bestehenden Anwaltszwangs dagegen nicht aus.
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Mit einer Anschlussbeschwerde soll ein der Beschwerde vergleichbares Ziel erreicht werden, so dass die Einhaltung der gleichen Form gerechtfertigt sein dürfte. Ob auch eine Begründung der Anschlussbeschwerde erforderlich ist, könnte dagegen zweifelhaft sein, weil diese zwar für die Beschwerde in § 117 Abs. 1 FamFG geregelt ist, für die Anschlussbeschwerde hingegen nicht.2 Ob dies mit einem Redaktionsversehen zu erklären ist,3 erscheint fraglich. Dennoch wird im Schrifttum mehrheitlich bejaht, dass die Anschlussbeschwerde einen bestimmten Sachantrag und eine konkrete Begründung enthalten sollte.4 Dem ist zuzustimmen. Ohne konkreten Sachantrag und ohne eine Begründung kann das Beschwerdegericht nicht beurteilen, was genau der Anschlussbeschwerdeführer erreichen will. Das sieht auch Maurer so, der die Gegenansicht vertritt.5 Sein Vorschlag, dem Anschlussbeschwerdeführer unter Fristsetzung aufzugeben, den Rechtsbehelf zu begründen, wird bei Nichtbefolgung der Auflage zwar keine verfahrensrechtlichen Konsequenzen haben, aber ein Haftungsrisiko für den Anwalt begründen.
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Praxishinweis: Den Rechtsanwälten ist zu raten, trotz der rechtlichen Probleme in der Anschlussbeschwerde – nach Möglichkeit schon in der Beschwerdeschrift, vgl. § 524 Abs. 3 Satz 1 ZPO – Sachanträge zu formulieren und die Gründe vorzutragen, die das Begehren rechtfertigen sollen, damit das Gericht sich damit auseinandersetzen kann. Unterbleibt das, kann es negative Folgen für die Endentscheidung und damit für den Mandanten haben.
1 Prütting/Helms/Abramenko, § 66 FamFG Rz. 8; Zöller/Feskorn, § 66 FamFG Rz. 6; Schulte-Bunert/Unger, § 66 FamFG Rz. 18. 2 So Maurer, FamRZ 2009, 465 (468). 3 Zöller/Feskorn, § 66 FamFG Rz. 9; Prütting/Helms/Feskorn, § 117 FamFG Rz. 37. 4 Zöller/Feskorn, § 66 FamFG Rz. 9; Prütting/Helms/Feskorn, § 117 FamFG Rz. 37; in Garbe/Ulrich/Klees-Wambach, Rz. 145; Schulte/Bunert/Unger, § 66 FamFG Rz. 18. 5 Maurer, FamRZ 2009, 465 (468).
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III. Beschwerdeverfahren
d) Auswirkungen der Einführung der Vorschrift des § 137 Abs. 2 Nr. 2 FamFG auf die Beschwerdeinstanz In der seit Inkrafttreten des FamFG verstrichenen Zeit hat sich herausgestellt, 103 dass die in das Gesetz aufgenommene Vorschrift des § 137 Abs. 2 FamFG zu fristgebundenen Möglichkeiten der Herstellung eines Verbundes zwischen der Scheidung und Folgesachen eine Fülle von Streitfragen ausgelöst hat, die die Oberlandesgerichte und inzwischen auch den BGH beschäftigt haben. Insbesondere in Unterhaltssachen hat sich dies praktisch ausgewirkt. Inhaltlich entspricht § 137 FamFG weitgehend der vor dem 1.9.2009 geltenden 104 Vorschrift des § 623 a.F. ZPO. Der gravierende Unterschied besteht darin, dass die Familiensachen nach Abs. 2 Nr. 1–4 spätestens zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug von einem Beteiligten anhängig gemacht werden müssen. Durch die Einführung dieser Frist wollte der Gesetzgeber vermeiden, dass bestimmte Folgesachen nicht mehr – wie früher – noch am letzten Terminstag der mündlichen Verhandlung des ersten Rechtszugs geltend gemacht werden können.1 Denn die zuvor geltende Regelung hatte ein taktisch motiviertes kurzfristiges Anhängigmachen von Folgesachen ermöglicht und damit dem Gericht die Möglichkeit genommen, sich ausreichend auf den Termin vorzubereiten, mit der Folge einer Verzögerung der Entscheidung sowohl in der Scheidungssache selbst als auch in den Folgesachen (§ 142 Abs. 1 FamFG).2 Offenbar hatte der Gesetzgeber die Fülle von Streitfragen, die aufgrund der Einführung der 2-Wochenfrist entstanden sind, nicht vorausgesehen. Durch Beschluss vom 31.3.20123 hat der BGH einen großen Teil der Streitfragen 105 geklärt, so dass insoweit auf die unterschiedlichen Auffassungen, die von den Oberlandesgerichten und im Schrifttum vertreten worden waren, nicht mehr eingegangen werden muss. aa) Bestimmung des Zeitpunkts der mündlichen Verhandlung Die Streitfrage, auf welchen Zeitpunkt bei der Berechnung der 2-Wochenfrist in 106 dem häufig vorkommenden Fall, dass über die Scheidung mehrfach mündlich verhandelt worden ist, abgestellt werden sollte, hat der BGH dahin entschieden, dass im § 137 Abs. 2 FamFG die letzte mündliche Verhandlung gemeint sei, in der der gesamte Scheidungsverbund, also die Scheidungssache selbst und sämtliche Folgesachen entscheidungsreif sind und eine einheitliche Endentscheidung ergehen kann (§ 142 Abs. 1).4 bb) Feststellung der Zeit für die Einreichung einer Folgesache Ein weiterer Streitpunkt war, wie viel Zeit das Gericht den Beteiligten nach An- 107 beraumung des Termins einzuräumen habe, um die Einreichung einer Folgesache vorzubereiten. Dazu hat der BGH ausgeführt, dass das Familiengericht bei der Terminsbestimmung zu beachten habe, dass es den beteiligten Ehegatten 1 BT-Drucks. 16/6308, S. 374 Nr. 43; Keidel/Weber, § 137 FamFG Rz. 19. 2 Bork/Jacoby/Schwab/Löhnig, § 137 FamFG Rz. 6. 3 BGH, FamRZ 2012, 863 mit Anm. Heiter = NJW 2012, 1734, jetzt auch BGH, FamRZ 2013, 1300 = NJW 2013, 2199 = FamRB 2013, 320. 4 Keidel/Weber, § 137 FamFG Rz. 20; OLG Hamm, NJW-RR 2011, 84 = FamRZ 2010, 291 m.w.N.
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L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen
möglich sein müsse, nach Zugang der Ladung unter Einhaltung der 2-Wochenfrist eine Folgesache anhängig zu machen. Zur Vorbereitung dieses Antrags müsse Ihnen zusätzlich entsprechend der Ladungsfrist eine Woche zur Verfügung stehen. Bei der Berechnung dieser Frist ist nicht von einem bestimmten Ereignis aus in die Zukunft, sondern vom Termin der mündlichen Verhandlung aus rückwärts zu rechnen. 108
Aus dieser Rechtsprechung des BGH ergibt sich, dass bei Zugang der Ladung weniger als 2 + 1 Woche die Beteiligten noch Folgesachen anhängig machen können, um die Frist einzuhalten. Bedarf es hierfür noch einer Klärung, kann der davon Betroffene eine Terminsverlegung beantragen.
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Dem hat das Familiengericht zu entsprechen, auch wenn der Beteiligte nur behauptet, dass er noch weitere Ermittlungen anstellen müsse.1 Wird die Frist des § 137 Abs. 2 FamFG eingehalten, ohne dass das Familiengericht dies erkennt, und deshalb die Scheidung ausspricht, ist diese Endentscheidung als unzulässige Teilentscheidung verfahrensfehlerhaft zustande gekommen mit der Folge, dass sie nach § 117 Abs. 2 FamFG in Verbindung mit § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aufzuheben und an das Familiengericht zurückzuverweisen ist.2
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Praxishinweis: Bei der Frist des § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG handelt es sich um eine sogenannte „Rückwärtsfrist“. Diese Fristen sind im BGB nicht ausdrücklich geregelt worden; bei der Berechnung werden die §§ 187–189 BGB angewendet, auf die in § 222 ZPO verwiesen wird. Um eine Folgesache rechtzeitig in den Verbund einzuführen, müssen zwischen dem Tag des Eingangs der Folgesache und dem anberaumten Termin 14 volle Tage liegen, Rechenbeispiel nach BGH, FamRZ 2013, 1300 = NJW 2013, 2199: Auf den Scheidungsantrag der Ehefrau ist Termin auf den 20.1.2011 anberaumt worden. Die Ladung zu diesem Termin ist der Ehefrau am 31.12.2010 zugestellt worden. Im Termin hat die Ehefrau einen Stufenantrag auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt eingereicht. Der Termin zur mündlichen Verhandlung führt zu einem rückwärts gerichteten Beginn der Frist gemäß § 187 BGB und endet um 00:00 Uhr des seiner Benennung entsprechenden Wochentages. Vom Termintag (20.1.2011) hätte der Schriftsatz in der Folgesache nachehelicher Unterhalt zur Wahrung der Frist vor dem 6.1.2011 (00:00 Uhr), also am 5.1.2011 eingehen müssen. Da der BGH den beteiligten Ehegatten zum Zwecke der Vorbereitung zusätzlich eine der Ladungsfrist entsprechende Frist von einer Woche einräumt, hätte die Ladung zum Termin der Ehefrau spätestens am 29.12.2010 zugestellt werden müssen. Das ist nicht der Fall (Zustellung am 31.12.2010) Ein weiteres Berechnungsbeispiel ergibt sich aus MüKo-ZPO/Heiter, 2. Aufl. 2013, § 137 FamFG.
1 Heiter, FamRZ 2012, 867 (868). 2 Musielak/Borth, § 137 Rz. 49.
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III. Beschwerdeverfahren
Bei der Berechnung der Frist ist zu beachten, dass diese nicht mit dem Ablauf 111 des Tages, sondern mit dem Beginn des jeweiligen Terminstages, also vor 00:00 Uhr endet.1 Durch die Entscheidung des BGH vom 21.3.20122 ist ein großer Teil der Streit- 112 fragen zur Auslegung des § 137 Abs. 2 FamFG geklärt und eine Grundlage für die künftige Rechtsprechung geliefert worden. Allerdings bleiben noch einige offene Probleme. Vor allem ist unklar, ob die Ein- 113 reichung eines Antrags auf Verfahrenskostenhilfe zur Wahrung der Frist des § 137 Abs. 2 ausreicht. Überwiegend wird dies bejaht.3 Der herrschenden Meinung ist zu folgen, wenn auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift Argumente dagegen sprechen können. Dem Gebot der Gleichstellung des Unbemittelten mit dem Leistungsfähigen sollte der Vorrang eingeräumt werden.4 Wird der erste Termin auf Antrag einer oder beider Beteiligten mehrfach verlegt, 114 muss nach Auffassung des OLG Hamm die Wochenfrist zur Vorbereitung eines Folgesachenantrages vor Beginn der Frist des § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG nur vor dem zuerst ordnungsgemäß angesetzten Termin, nicht aber bezüglich eines (mehrfach) verlegten Verhandlungstermins gewahrt werden.5 Mit der Entscheidung des BGH vom 21.3.2012 stehe dies in Einklang, weil der BGH sich mit der erstmaligen Festsetzung eines Termins befasst und es sich auch nicht um einen Fortsetzungstermin (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 136 Abs. 3, 332, 370 ZPO) gehandelt habe. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Vorschrift des § 137 Abs. 2 FamFG ist 115 nach der Rechtsprechung des BGH6, dass die Beteiligten einen Anspruch auf Terminsverlegung haben.7 Das gilt jedenfalls dann, wenn die Beteiligten noch Folgesachen anhängig machen wollen und die ihnen hierfür verbleibende Frist nicht ausreicht. Werden die Folgesachen vor dem oder im Termin noch anhängig gemacht, bedarf es keiner Terminsverlegung; die Folgesachen werden dann Bestandteil des Verbundes. Dem Gegner muss noch ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt werden.8 Entscheidet das Familiengericht, ohne diese Form zu beachten, liegt eine unzulässige Teilentscheidung vor; auf das Rechtsmittel des hierdurch Benachteiligten ist der Beschluss aufzuheben. Das Verfahren beginnt dann gemäß § 117 Abs. 2 S. 1 FamFG i.V.m. § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 ZPO nicht neu, sondern es wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich befand, als die Verhandlung vor Erlass der angefochtenen Entscheidung geschlossen wurde.9
1 OLG Braunschweig, FamRZ 2012, 892; OLG Dresden, NJW-Spezial 2013, 70; Palandt/ Ellenberger, § 187 BGB Rz. 4. 2 BGH, FamRZ 2012, 863. 3 OLG Oldenburg, FamRZ 2012, 656; OLG Hamm, NJW 2012, 240; KG, NJW 2012, 240; OLG Bamberg, BeckRS 2011, 04739, bespr. v. Reineke, FamFR 2011, 164; FamFR 2011, 164; Prütting/Helms, § 137 FamFG Rz. 50; a.A. Zöller/Lorenz, § 137 FamFG Rz. 27; Keidel/Weber § 137 FamFG Rz. 16. 4 So jetzt auch: Thomas/Putzo/Hüßtege, § 137 FamFG Rz. 20. 5 OLG Hamm, FamRZ 2013, 965. 6 BGH, FamRZ 2012, 863; 2013, 1300. 7 Ebenso: OLG Stuttgart, FamRZ 2011, 1083 (1084). 8 Kemper, FamRZ 2011, 27 (29). 9 BGH, NJW 2001, 146; BGH, FamRZ 2012, 863 (866).
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L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen
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Im Hinblick auf die nicht einfache Berechnung ist den Rechtsanwälten zu raten, einen Antrag nicht bis auf den letzten Tag aufzuschieben, sondern den Antrag einige Tage vor dem errechneten Fristablauf einzureichen.1 e) Anschlussbeschwerdefrist
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Nach §§ 117 Abs. 2 FamFG, 524 Abs. 2 Satz 3 ZPO kann die Anschließung an das Rechtsmittel des Gegners bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht erfolgen; eine Frist besteht somit nicht. Das war allerdings im Schrifttum und der obergerichtlichen Rechtsprechung lange umstritten, weil nicht klar war, wie die Vorschrift des § 524 Abs. 2 Satz 3 ZPO in Unterhaltsverfahren auszulegen war. Durch Urteil vom 28.1.20092 hat der BGH die Rechtsfrage dahin geklärt, dass die Anschlussbeschwerde unbefristet zulässig sei und dass dabei auch neue Tatsachen, die erst nach Erlass der Erstentscheidung entstanden seien, geltend gemacht werden dürften. In der Begründung hat der BGH auf die zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht geltenden Vorschriften des FamFG verwiesen, insbesondere auf § 66 FamFG, durch den die Anschlussbeschwerde nicht zeitlich befristet worden sei. Ebenso hat der BGH hervorgehoben, dass der Gesetzgeber des FamFG habe erreichen wollen, in Unterhaltssachen die sich ständig verändernden tatsächlichen Verhältnisse in einem Verfahren abschließend zu klären. Damit dürfte die Rechtsfrage entschieden sein. f) Besonderheiten aufgrund einer im Verbund ergangenen Endentscheidung
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Bei einer im Verbund ergangenen Endentscheidung ergibt sich aus der Zusammenfassung von Scheidungsausspruch und den Erkenntnissen in den Folgesachen grundsätzlich die Zulässigkeit von Anschlussbehelfen gegen die verschiedenen Teile der Verbundentscheidung. Das bedeutet z.B., dass der Rechtsmittelgegner im Wege der Anschließung auch eine vom Rechtsmittelführer nicht angegriffene Folgesache der Überprüfung durch das Beschwerdegericht zuführen kann, und zwar auch dann noch, wenn die Frist für ein eigenes Rechtsmittel bereits verstrichen ist.3 Darüber hinaus räumt die Vorschrift des § 145 FamFG generell den Ehegatten und Drittbeteiligten das Recht ein, während des Beschwerdeverfahrens in einer Verbundsache den Angriff auf andere Folgesachen als die zunächst angefochtenen auszudehnen.4 Voraussetzung ist, dass eine Verbundentscheidung nach § 142 FamFG ergangen ist, die von einem der Ehegatten hinsichtlich der Ehescheidung selbst und/oder einer Folgesache mit der Beschwerde angefochten worden ist. Damit können Teile der Entscheidung, die bisher nicht in die Beschwerdeinstanz gelangt waren, soweit sie eine andere Familiensache betreffen, entweder durch Erweiterung des Rechtsmittels oder im Wege der Anschließung an das Rechtsmittel zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gemacht werden. Da hierdurch der Eintritt der Rechtskraft, insbesondere auch der Scheidungsausspruch, hinausgezögert wird, hat der Gesetzgeber in § 145 Abs. 1 FamFG diese Möglichkeit befristet, und zwar muss die Anfechtung innerhalb eines Monats nach Zustellung der Rechtsmittelbegründung erfolgen.
1 2 3 4
So auch Viefhues, FF 2013, 398 (399) in einer Anm. zu BGH, FamRZ 2013, 1300. BGH, FamRZ 2009, 579 m. Anm. Schürmann = FPR 2009, 170 m. Anm. Koritz. BGH, NJW 1986, 1494 = FamRZ 1986, 455. Prütting/Helms, § 145 FamFG Rz. 1; BGH, FamRZ 1998, 1024 = NJW 1998, 2679.
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III. Beschwerdeverfahren
Die in § 145 FamFG – nach altem Recht § 629a Abs. 3 ZPO – begründete Mög- 119 lichkeit, bei einer Verbundentscheidung eine andere Familiensache in das Rechtsmittelverfahren einzubeziehen, dürfte in der Praxis in Unterhaltssachen zwar keine große Bedeutung haben, kann im Einzelfall aber dennoch vorkommen. Auf Grund der Regelung im § 145 FamFG kann es geschehen, dass einer der Ehe- 120 gatten, der sich am Beschwerdeverfahren zuvor nicht beteiligt hatte, z.B. auf den Angriff des anderen gegen den Scheidungsausspruch mit der Anschlussbeschwerde in der Folgesache des nachehelichen Unterhaltes reagiert und diese in das Rechtsmittelverfahren einführt. Zu beachten ist bei der Anschließung nach § 145 Abs. 1 FamFG – in Abgrenzung zur allgemeinen Anschlussbeschwerde nach § 66 FamFG – dass sie verschiedene Gegenstände betrifft, d.h. sie bezieht sich auf andere Familiensachen als diejenigen, die mit dem Hauptrechtsmittel angegriffen wurden. Betrifft z.B. das Hauptrechtsmittel den Ehegattenunterhalt und die Anschließung den Kindesunterhalt, ist § 145 Abs. 1 FamFG einschlägig, denn es handelt sich um verschiedene Gegenstände. Gleiches gilt für die Unterhaltsansprüche mehrerer Kinder.1 Einheitliche Gegenstände sind hingegen Elementar- und Vorsorgeunterhalt, so dass z.B. nach Anfechtung der Folgesache nachehelicher Unterhalt durch den Unterhaltspflichtigen, der Unterhaltsberechtigte, der einen erhöhten Vorsorgeunterhalt beansprucht, ebenfalls Beschwerde in der Hauptsache oder Anschlussbeschwerde nach § 66 FamFG erheben kann. Die an sich nach § 145 Abs. 1 FamFG zulässige Anschließung durch einen Dritt- 121 beteiligten scheidet im Unterhaltsrecht aus, da es an der erforderlichen Gegnerstellung fehlt.2 7. Rechtsmittelverzicht, Rücknahme und Erweiterung der Beschwerde Weil insbesondere hinsichtlich eines Rechtsmittelverzichts vor Inkrafttreten 122 des FamFG Voraussetzungen und Umfang zum Teil streitig waren,3 hat der Gesetzgeber in § 67 FamFG den Verzicht und die Rücknahme der Beschwerde neu geregelt.4 Die Vorschrift gilt auch für Unterhaltssachen, da die §§ 113, 117 FamFG keine abweichenden Regelungen enthalten.5 Die Beschwerde wird unzulässig, wenn der Beschwerdeführer hierauf nach Be- 123 kanntgabe des Beschlusses durch Erklärung gegenüber dem Gericht verzichtet hat (§ 67 Abs. 1 FamFG). Der Wortlaut des Gesetzes steht insofern nicht in Einklang mit den Gesetzesmaterialien, als danach auch ein vor Erlass des Beschlusses erklärter Verzicht dieselben Folgen haben sollte. Da der Gesetzgeber indessen diesen Weg nicht gegangen ist, hat ein vor Bekanntgabe des Beschlusses erklärter Verzicht nicht die Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs zur Folge.6 Die Bekanntgabe des Beschlusses erfolgt in Unterhaltssachen durch Zustellung an den Gegner (Kap. K Rz. 247).
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Zöller/Lorenz, § 145 FamFG Rz. 5. Musielak/Borth, § 145 FamFG Rz. 5. Zöller/Feskorn, § 67 FamFG Rz. 1. BT-Drucks. 16/6308, S. 207. Zöller/Feskorn, § 67 FamFG Rz. 1. Zöller/Feskorn, § 67 FamFG Rz. 4; Prütting/Helms/Abramenko, § 67 FamFG Rz. 2; Maurer, FamRZ 2009, 465 (468).
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L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen
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Hinsichtlich der Form der Verzichtserklärung besteht im Schrifttum die einheitliche Auffassung, dass eine Form nicht vorgeschrieben und deshalb auch eine formlose Erklärung wirksam sei.1 Für die durch § 67 Abs. 1 FamFG geregelte Verzichtserklärung ist wegen § 114 Abs. 1 FamFG jedoch die Abgabe durch einen Rechtsanwalt erforderlich.2
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Der Adressat, an den die Verzichtserklärung zu richten ist, wird durch § 67 Abs. 1 FamFG nur allgemein bestimmt, da von „dem Gericht“ die Rede ist. Übereinstimmend wird angenommen, dass die Verzichtserklärung sowohl an das erstinstanzliche Gericht als auch an das Beschwerdegericht adressiert werden kann.3
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Aus § 67 Abs. 3 FamFG geht hervor, dass der Rechtsmittelverzicht auch gegenüber einem anderen Beteiligten – im Unterhaltsverfahren ist dies der Gegner des Verfahrens – abgegeben werden kann. Die Folgen sind allerdings insofern anders, als die Unzulässigkeit der Beschwerde nur eintritt, wenn der Gegner sich darauf beruft, also eine entsprechende Einrede erhebt. Ein weiterer wesentlicher Unterschied besteht darin, dass es auf den Zeitpunkt des Verzichts nicht ankommt. Ebenso ist in diesem Fall die Form des Verzichts belanglos.
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Erheblich ist dagegen sowohl für einen Verzicht nach Abs. 1 als auch für einen solchen nach Abs. 3, dass die Erklärung eindeutig sein muss. Zwar ist eine Auslegung grundsätzlich zulässig4; wegen der einschneidenden Folgen des Verzichts ist indessen Zurückhaltung geboten und nur ein eindeutiger Verzicht als solcher zu werten.5
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Der Verzicht ist auch im Fall des § 67 Abs. 3 FamFG eine einseitige Erklärung, die nicht der Zustimmung des Gegners bedarf. Er ist unwiderruflich und kann auch nicht wegen Willensmängeln angefochten werden.6
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Neben der in § 67 Abs. 3 FamFG geregelten einseitigen Verzichtserklärung sind auch Vereinbarungen zwischen den am Verfahren Beteiligten zulässig. Dessen bedarf es schon deshalb, weil der Rechtsmittelverzicht nicht selten von Zugeständnissen der anderen Seite abhängig gemacht wird. Eine solche Vereinbarung kommt nach allgemeinen Regeln über den Abschluss eines Vertrages zustande; sie ist zu jedem Zeitpunkt zulässig, bedarf keiner Form und ist bei Vorliegen von Willensmängeln anfechtbar. Sie entfaltet Bedeutung für das Beschwerdeverfahren nur dann, wenn einer der Beteiligten einen entsprechenden Tatsachenvortrag zur Kenntnis des Gerichts bringt.
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Nach § 67 Abs. 2 FamFG kann auch auf die Anschlussbeschwerde verzichtet werden, nachdem das Hauptrechtsmittel eingelegt worden ist; davor ist ein Verzicht unzulässig. Dieser Verzicht kann nur gegenüber dem Gericht abgegeben werden, und zwar wegen des Anwaltszwangs durch einen Rechtsanwalt.7
1 Musielak/Borth, § 67 FamFG Rz. 2; Prütting/Helms/Abramenko, § 67 FamFG Rz. 3. 2 Zöller/Feskorn, § 67 FamFG Rz. 2; Maurer, FamRZ 2009, 465 (469); Garbe/Ulrich/KleesWambach, Rz. 59. 3 Zöller/Feskorn, § 67 FamFG Rz. 2; Prütting/Helms/Abramenko, § 67 FamFG Rz. 4. 4 BGH, FamRZ 2007, 1631. 5 BGH, NJW 2006, 3498. 6 BGH, NJW 2006, 3498; BGH, FamRZ 1986, 1089. 7 Zöller/Feskorn, § 67 FamFG Rz. 6.
772 Griesche
III. Beschwerdeverfahren
Durch § 67 Abs. 4 FamFG wird auch die Rücknahme der Beschwerde geregelt. 131 Dabei wird durch das Gesetz ausdrücklich nur der letzte Zeitpunkt, bis zu dem die Beschwerde zurückgenommen werden kann – der Erlass der Beschwerdeentscheidung –, bestimmt; außerdem wird angeordnet, dass die Rücknahme durch Erklärung gegenüber dem Gericht zu erfolgen hat. Mit dem Gericht ist sowohl das Beschwerdegericht als auch das erstinstanzliche Gericht gemeint.1 Auch diese Erklärung unterliegt in Unterhaltssachen dem Anwaltszwang. Einer Zustimmungserklärung des Gegners bedarf die Rücknahme nicht; sie ist bedingungsfeindlich. Die Folge der Rücknahme der Beschwerde ist der Verlust des Rechtsmittels. Sie 132 tritt mit dem Zugang des Rücknahmeschriftsatzes bei Gericht ein. Zulässig ist auch eine Rücknahme zu Protokoll. Als Verfahrenshandlung kann die Rücknahme weder widerrufen noch angefochten werden. Dass die Beschwerde nach ihrer Einlegung noch erweitert werden kann, ist im 133 FamFG nicht ausdrücklich geregelt worden. Dies ergibt sich indessen grundsätzlich schon daraus, dass eine solche Möglichkeit auch im normalen Zivilprozess besteht, wobei dort die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO erfüllt sein müssen.2 Da § 531 Abs. 2 ZPO in Unterhaltssachen nicht anzuwenden ist (§ 115 Satz 2 FamFG), geht die Zulassung einer Erweiterung der Beschwerde sogar noch weiter. Es müssen nur die Voraussetzungen des § 115 Satz 1 FamFG erfüllt sein. Außerdem darf sich die Beschwerde nicht darauf beschränken, allein ein bisher nicht geltend gemachtes Begehren in das Verfahren einzuführen.3 Die Erweiterung des Rechtsbehelfs muss allerdings grundsätzlich bis zum Ablauf der Beschwerdefrist erfolgen. Danach kann der Beschwerdeantrag nur noch ausgedehnt werden, soweit sich die Erweiterung auf die nach § 117 Abs. 1 FamFG fristgerecht vorgebrachten Anfechtungsgründe stützt.4 Insbesondere sind im Lauf des Beschwerdeverfahrens eingetretene tatsächliche Veränderungen – etwa in den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Beteiligten – zu berücksichtigen, damit nicht ein Abänderungsverfahren notwendig wird (vgl. Rz. 89, 116). Unzulässig ist ein Rechtsmittel allerdings dann, wenn es den in der Vorinstanz 134 erhobenen Klageanspruch nicht weiter verfolgt, sondern lediglich einen neuen, zuvor nicht geltend gemachten Anspruch in das Verfahren einbeziehen will. Denn es fehlt in diesem Fall an der Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Eine bloße Erweiterung der verfolgten Ansprüche kann nicht das alleinige Ziel eines Rechtsmittels sein.5 8. Gang des Beschwerdeverfahrens Der Gang des Beschwerdeverfahrens wird grundsätzlich in § 68 FamFG geregelt. 135 Für Familienstreitsachen gelten indessen zum Teil Besonderheiten. So wird in § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG auf die §§ 520 Abs. 2 Satz 2 und 3 sowie § 522 Abs. 1 Satz 1, 2 und 4 ZPO verwiesen. Die Vorschrift des § 68 Abs. 2 FamFG, die sich
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Zöller/Feskorn, § 67 FamFG Rz. 7. Musielak/Ball, § 520 ZPO Rz. 36. Prütting/Helms/Feskorn, § 117 FamFG Rz. 26. Prütting/Helms/Feskorn, § 117 FamFG Rz. 27 m.w.N. BGH, FamRZ 2012, 785; BGH, NJW 2001, 226; OLG Schleswig, FamRZ 2012, 1075.
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L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen
grundsätzlich mit den Zulässigkeitsvoraussetzungen befasst, gilt insoweit nicht. 136
Aufgrund der Verweisung in § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG hat das Beschwerdegericht, nachdem ihm die Sachakten zugeleitet worden sind, zunächst von Amts wegen die Zulässigkeit der Beschwerde zu prüfen (§ 522 Abs. 1 ZPO). Nach dieser Vorschrift hat sich die Prüfung auf die Statthaftigkeit des Rechtsmittels und die Einhaltung von Form und Frist zu erstrecken. Außerdem müssen die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen – wie die Beschwerdeberechtigung des Beschwerdeführers, der Wert der Beschwer, das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses, usw. – gegeben sein. Obwohl das Gesetz die Prüfung von Amts wegen vorschreibt, folgt hieraus nicht die Anordnung der Amtsermittlung; vielmehr müssen die Beteiligten – soweit dies nicht aus den Akten ersichtlich ist – die Tatsachen, aus denen sich die Zulässigkeit ergibt, vortragen und die erforderlichen Nachweise erbringen.1 Fehlt es an einer der Zulässigkeitsvoraussetzungen, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen (§ 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Dies kann aufgrund mündlicher Verhandlung geschehen; notwendig ist das nicht. Üblicherweise wird das Rechtsmittel durch Beschluss als unzulässig verworfen. Ein solcher Beschluss darf erst ergehen, wenn die Unzulässigkeit endgültig feststeht. Ist zum Beispiel noch ein Wiedereinsetzungsverfahren wegen der Fristversäumung anhängig, darf eine Verwerfung noch nicht erfolgen.
137
Trotz des Wortlauts in § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO („ist zu verwerfen“) bedeutet dies nach allgemeiner Meinung nicht, dass eine Beschwerde unbedingt als unzulässig verworfen werden muss. Kommt das Beschwerdegericht nach Prüfung zu der Auffassung, dass der Rechtsbehelf nach dem eigenen tatsächlichen Vorbringen des Beschwerdeführers auch unbegründet ist, kann es von einer Verwerfung absehen und eine endgültige Sachentscheidung treffen. Aus § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO ergibt sich nur, dass einer unzulässigen Beschwerde nicht stattgegeben werden darf.2 Dies folgt aus Gründen der Prozessökonomie. Dem Beschwerdeführer entstehen keine Nachteile, wenn das Unterhaltsverfahren sachlich durch Zurückweisung als unbegründet erledigt wird.3 Da ein Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO mit der Rechtsbeschwerde angegriffen werden kann, würde eine Verwerfung das Verfahren verzögern, ohne dass dies dem Beschwerdeführer etwas nutzt.
138
Steht die Zulässigkeit der Beschwerde fest, so hatte das Beschwerdegericht nach altem Recht zu prüfen, ob das Rechtsmittel nach § 522 Abs. 2 ZPO durch unanfechtbaren Beschluss wegen Aussichtslosigkeit zurückgewiesen werden konnte. Diese Möglichkeit ist mit Inkrafttreten des FamFG entfallen, denn § 117 Abs. 2 FamFG verweist nicht auf die entsprechende Anwendung des § 522 Abs. 2 ZPO. Das hat der Gesetzgeber damit begründet, dass das durch § 522 Abs. 2 ZPO angestrebte Ziel künftig aufgrund der Regelung des § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG erreicht werde, weil danach bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen das Beschwerdegericht von einer mündlichen Verhandlung oder von sonstigen Verfahrenshandlungen absehen könne. Der Bundesrat hatte im Gesetzgebungsverfahren gegen diese im Regierungsentwurf vorgesehene Regelung Stellung ge1 Musielak/Ball, § 522 ZPO Rz. 5. 2 Prütting/Helms/Abramenko, § 68 FamFG Rz. 16; Musielak/Ball, § 572 ZPO Rz. 11; Musielak/Borth, § 68 FamFG Rz. 4. 3 Prütting/Helms/Abramenko, § 68 FamFG Rz. 16.
774 Griesche
III. Beschwerdeverfahren
nommen und sich für die Beibehaltung des § 522 Abs. 2 ZPO ausgesprochen.1 Die Bundesregierung hat jedoch an der beabsichtigten Regelung festgehalten2, die damit Gesetz geworden ist. In Unterhaltssachen kann deshalb ab 1.9.2009 ein Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht mehr ergehen, wenn neues Recht anzuwenden ist. Allerdings sind insbesondere im Schrifttum Stimmen laut geworden, die den 139 Ausschluss von § 522 Abs. 2 ZPO entschieden ablehnen und sogar die Auffassung vertreten, dass § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG deutlich die materielle Gerechtigkeit gefährde.3 Andere Autoren lehnen zwar die Anwendung von § 522 Abs. 2 ZPO ab, halten aber die freiwillige Übernahme der Form des § 522 Abs. 2 ZPO durch die Praxis für zulässig.4 Diesen Ansichten kann nicht zugestimmt werden. In Ermangelung einer Verweisung im FamFG auf § 522 Abs. 2 ZPO kommt auch eine freiwillige Übernahme der in der ZPO getroffenen Regelung nicht in Betracht.5 Diese Auffassung wird auch von Herr in einem umfassenden Aufsatz zur Problematik geteilt6, wobei der Autor auch auf die Nachteile der gesetzlichen Regelung eingeht, die indessen hingenommen werden müssen. In der Rechtsprechung wird teilweise praktiziert, in Anwendung von § 68 Abs. 3 140 S. 2 FamFG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, wenn die Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht erfordert und die Beteiligten zuvor auf die beabsichtigte Beschwerdezurückweisung und die Gründe hierfür unter Fristsetzung zur Stellungnahme hingewiesen wurden. Dabei werden die strengen Voraussetzungen des Beschlussverfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO sinngemäß angewendet, entweder durch ausdrücklichen Bezug auf § 522 Abs. 2 ZPO oder ohne dessen Benennung.7
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Praxishinweis: Dass der Gesetzgeber – wie von Herr erhofft – künftig tätig 141 wird, ist nicht zu erwarten. Die Rechtsprechung sollte unter Anwendung von § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG alles tun, um falsche Ergebnisse zu vermeiden und dabei insbesondere auch in der Beschwerdeinstanz eine mündliche Verhandlung stattfinden lassen. Wenn das Beschwerdegericht ausnahmsweise von einer mündlichen Verhandlung Abstand nehmen will, muss es diese Handhabung in den Gründen seiner Entscheidung ausführlich darlegen.8
Hat das Gericht der I. Instanz schwerwiegende Verfahrensvorschriften verletzt, 142 muss das Beschwerdegericht den betreffenden Teil des Verfahrens oder das gesamte Verfahren wiederholen. Das gilt insbesondere dann, wenn der durch die
1 BT-Ds 14/4722, S. 97. 2 BT-Ds 16/6308, S. 412. 3 Bassenge/Roth/Gottwald, § 68 FamFG Rz. 19; Hoppenz/Gottwald, § 68 FamFG Rz. 20; Schürmann, FamRB 2009, 24 (28). 4 Borth, FamRZ 2012, 764 (766); Büte, Zwei Jahre FamFG, was ist streitig, wo liegen die Risiken, S. 59. 5 Hoppenz/Walter, § 177 FamFG Rz. 11; Griesche, FamRB 2011, 154. 6 Herr, FF 2013, 147 ff.; verwiesen wird ferner auf die ausführlichen Darlegungen in Musielak/Borth, § 117 FamFG Rz. 21. 7 OLG Karlsruhe, FamRZ 2011, 232 unter Bezugnahme auf § 522 Abs. 2 ZPO; OLG Köln, FamRZ 2013, 393 (L.S.); weitere Zitate bei Herr, FF 2013, 147, 149. 8 BGH, FamRZ 2011, 805 (806).
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L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen
erstinstanzliche Entscheidung Benachteiligte kein ausreichendes rechtliches Gehör gefunden hat.1 143
Das weitere Verfahren bestimmt sich gemäß § 68 Abs. 3 FamFG in erster Linie nach den Vorschriften des erstinstanzlichen Verfahrens. Für Unterhaltssachen bedeutet dies, dass die allgemeinen Vorschriften der ZPO anzuwenden sind (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Das hat einmal zur Folge, dass Beschwerde und Beschwerdebegründung den anderen Beteiligten – in Unterhaltssachen ist dies der Beschwerdegegner – vom OLG zuzustellen sind. Das Verfahren richtet sich nach dem Beibringungsgrundsatz. Das Gericht hat das zu überprüfen, was sich aus den Sachanträgen der Beteiligten ergibt. Nach § 528 ZPO i.V.m. § 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG ist es an die Beschwerdeanträge gebunden. Das Oberlandesgericht darf nicht mehr und nichts anderes zuerkennen, als dem Beschwerdeführer zugesprochen worden ist.2
144
Die Anwendbarkeit der Vorschriften der ZPO erfährt durch § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG erhebliche Einschränkungen. So kann das Beschwerdegericht von einzelnen Verfahrenshandlungen absehen, und hierzu gehört auch die mündliche Verhandlung. Voraussetzung dafür ist stets, dass die Verfahrenshandlungen im ersten Rechtszug vorgenommen worden sind und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse erwartet werden können. Wenn das Beschwerdegericht von einer dieser Maßnahmen Gebrauch machen will, muss es die Beteiligten zuvor darauf hinweisen (§ 117 Abs. 3 FamFG). Die Möglichkeit, nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG vorzugehen, soll nach Ansicht des Gesetzgebers der effizienten Nutzung gerichtlicher Ressourcen in der Beschwerdeinstanz dienen, weil z.B. unnötige doppelte Beweisaufnahmen vermieden werden können.3 Dieses Beispiel in der Gesetzesbegründung mag in der Mehrzahl der Fälle zutreffen. Ob das aber auch in Bezug auf die mündliche Verhandlung gilt, ist gerade in Unterhaltssachen mehr als fraglich. Dieser Punkt ist im Schrifttum auch auf Kritik gestoßen.4 Insbesondere Feskorn5 zählt eine Reihe von Gründen auf, die die Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung in Unterhaltssachen grundsätzlich bedenklich erscheinen lassen. Dennoch ergibt sich aus veröffentlichten Entscheidungen von Oberlandesgerichten, dass diese zum Teil von der Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung Gebrauch machen, ohne die Gründe von einer solchen Handhabe kenntlich zu machen. Dies entspricht weder den Absichten des Gesetzgebers noch den Interessen der Beteiligten. Insbesondere ist eine zweite mündliche Verhandlung in der Beschwerdeinstanz erforderlich, wenn die tatsächlichen Fragen schwierig sind und einer ausführlichen Erörterung mit den Beteiligten bedürfen.6 Auf die Bedeutung der tatsächlichen Fragen für die Endentscheidung ist im Zusammenhang mit der Notwendigkeit einer zweiten mündlichen Verhandlung zu achten.
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Praxishinweis: Rechtsanwälte sollten überlegen, ob sie auf den nach § 117 Abs. 3 FamFG erforderlichen gerichtlichen Hinweis der vorgesehenen Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung widersprechen. Allenfalls
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BGH, FamRZ 2011, 805 (806). FamVerf/Große-Boymann, § 1 Rz. 510. BT-Drucks. 16/6308, S. 207. Prütting/Helms/Feskorn, § 117 FamFG Rz. 49; Schürmann, FamRB 2009, 24 (28); Rasch, FPR 2006, 426 (427); Maurer, FamRZ 2009, 465 (477). 5 Prütting/Helms/Feskorn, § 117 FamFG Rz. 49. 6 Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, Art. 6 Rz. 66.
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III. Beschwerdeverfahren
in tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Fällen könnte ein Verzicht auf eine mündliche Verhandlung angebracht sein. Eher ist ein Verzicht auf einzelne Verfahrenshandlungen – etwa die Wieder- 146 holung einer Beweisaufnahme – zu erwägen. Wird indessen mit der Beschwerde die Beweiswürdigung gerügt und neigt das Beschwerdegericht zu einer von der ersten Instanz abweichenden Würdigung der bereits erhobenen Beweise, wird eine Wiederholung der Beweisaufnahme kaum zu vermeiden sein. Von einem Verzicht auf die mündliche Verhandlung oder einzelne Verfahrens- 147 handlungen sollte generell Abstand genommen werden, wenn in der Beschwerdeinstanz neue entscheidungserhebliche Tatsachen vorgetragen worden sind oder eine Änderung der Sachlage eingetreten ist.1 Findet eine mündliche Verhandlung statt, ist diese nach § 70 GVG in Unterhaltssachen nicht öffentlich. Das Gericht hat aber die Möglichkeit, die Öffentlichkeit zuzulassen, muss indessen einen Widerspruch eines Beteiligten beachten. Die Entscheidung über die Beschwerde kann dem Einzelrichter übertragen werden (§ 68 Abs. 4 FamFG). Das gilt auch für Unterhaltssachen.2 Durch den Hinweis auf § 526 ZPO wird klargestellt, dass die Voraussetzungen dieser Bestimmung vorliegen müssen. Allerdings sollte das Beschwerdegericht im Hinblick auf die gravierenden Auswirkungen der Entscheidung in einem Unterhaltsverfahren auf beide Beteiligte von der Übertragung auf den Einzelrichter eher zurückhaltend Gebrauch machen.3 Hat das Beschwerdegericht durch Beschluss einem seiner Mitglieder die Ent- 148 scheidung als Einzelrichter übertragen, so muss dieser das Vorliegen der Voraussetzungen des § 568 ZPO beachten. Entscheidet er in einer Sache, der er grundsätzliche Bedeutung beimisst und deshalb die Rechtsbeschwerde zulässt, so verstößt er damit gegen das Gebot des gesetzlichen Richters mit der Folge, dass seine Entscheidung aufzuheben ist.4 Will das Beschwerdegericht das Rechtsmittel wegen Versäumung der Beschwer- 149 de- oder der Beschwerdebegründungsfrist als unzulässig verwerfen, so muss es zuvor dem Beschwerdeführer durch einen Hinweis hierauf rechtliches Gehör gewähren und ihm die Möglichkeit geben, sich zu der Fristversäumung zu äußern und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen.5 Die Pflicht hierzu ergibt sich unmittelbar aus Art. 103 GG. Versäumt das Gericht diese Hinweispflicht, ist der Verwerfungsbeschluss allein aus diesem Grund rechtsfehlerhaft und aus diesem Grund aufzuheben. Veränderungen während des Beschwerdeverfahrens
150
Nach § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB kann während des Getrenntlebens der Eltern sowie bei Anhängigkeit einer Ehesache zwischen ihnen Unterhaltsansprüche eines gemeinschaftlichen Kindes ein Elternteil gegen den anderen nur im eigenen Na-
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Prütting/Helms/Abramenko, § 68 FamFG Rz. 29. Schürmann, FamRB 2009, 24 (27). Schürmann, FuR 2009, 138; Schürmann, FamRB 2009, 24 (27). BGH, NJW 2003, 1254 mit grundlegender Anm. Haesstjens, NJW 2003, 2884, sowie zur Zuständigkeit des Einzelrichters generell: Feskorn, NJW 2003, 856; BGH, FamRB 2013, 289. 5 BGH, NJW-RR 2007, 1718 = FamRZ 2007, 1725; BGH, FamRZ 2010, 882; BGH, FamRZ 2013, 1569; BGH, NJW-RR 2012, 441.
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L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen
men geltend machen. Hierzu befugt ist der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet (Kap. K Rz. 37 ff.). 151
Ändert sich die Sachlage während der Anhängigkeit eines Beschwerdeverfahrens dadurch, dass das Kind das 18. Lebensjahr vollendet und damit volljährig wird, so steht nach der neueren Rechtsprechung des BGH dem Kind das Recht zu, in das Verfahren einzutreten. Hierzu gezwungen ist es jedoch nicht.1 Der BGH begründet dies unter anderem mit der sich aus den §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 269 Abs. 3 ZPO für das Kind ergebenden ungünstigen Kostenfolge. Dieser Begründung sind insbesondere Baumann, aber auch Borth entgegengetreten.2 Zu weiteren Einzelheiten s. Kap. K Rz. 59.
152
Lehnt das volljährige Kind seinen Eintritt in das laufende Verfahren ab, kann der bisherige Verfahrensbeauftragte seinen unzulässig gewordenen Antrag in der Hauptsache für erledigt erklären. 9. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand a) Auswirkungen des FamFG auf das Wiedereinsetzungsverfahren
153
Durch die Vorschriften der §§ 10 bis 19 FamFG wurden die zuvor verstreuten Regelungen zur Wiedereinsetzung zusammengefasst und außerdem der Anwendungsbereich erweitert.3 Das gilt indessen nur für Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Auf Ehe- und Familienstreitsachen sind die §§ 17 ff. FamFG nicht anzuwenden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG), so dass sich das Verfahren nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG nach den allgemeinen Vorschriften der ZPO richtet. Durch § 117 Abs. 5 FamFG wird außerdem im Fall der Versäumung der Fristen zur Begründung der Beschwerde und der Rechtsbeschwerde zusätzlich die Geltung der §§ 233 und 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO angeordnet, um klarzustellen, dass eine Wiedereinsetzung auch in diesen Fällen möglich sei.4 b) Zweck der Vorschriften der §§ 233 bis 238 ZPO
154
Nach § 230 ZPO hat die Versäumung einer Verfahrenshandlung grundsätzlich zur Folge, dass der Beteiligte mit der vorzunehmenden Verfahrenshandlung ausgeschlossen wird. Dies hat gravierende Konsequenzen, die vor allem dann, wenn der Beteiligte oder sein Verfahrensbevollmächtigter die Versäumung nicht verschuldet haben, mit der materiellen Gerechtigkeit in Widerspruch stehen können. Um die Einzelfallgerechtigkeit verwirklichen zu können, hat der Gesetzgeber mit dem Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung die Möglichkeit eröffnet, den in Art. 19 Abs. 4 GG verankerten Justizgewährungsanspruch dann zu erhalten, wenn die uneingeschränkte Durchsetzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit zu unannehmbaren Ergebnissen führen würde.
155
Das Bundesverfassungsgericht hat für die Rechtsanwendung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung schon frühzeitig die Ansicht vertreten, dass die Anforderungen an die Wiedereinsetzung nicht überspannt werden dürften, um die
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BGH, FamRZ 2013, 1378 = FamRB 2013, 347. Baumann und Borth, FamRZ 2013, 1718 f. Prütting/Helms/Ahn-Roth, § 17 FamFG Rz. 1. Musielak/Borth, § 117 FamFG Rz. 6.
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III. Beschwerdeverfahren
verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantien des Art. 19 Abs. 4 GG zu garantieren.1 Hieran hält das Gericht in ständiger Rechtsprechung fest.2 Gleichwohl stellt der BGH an die Sorgfaltspflichten des Rechtsanwalts zur Einhaltung der Rechtsmittelfristen strenge Anforderungen.3
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Praxishinweis: Den Rechtsanwälten ist zu empfehlen, sich im Einzelfall 156 streng an das zu halten, was der BGH fordert, um Rechtsnachteile für den von ihm vertretenen Beteiligten zu vermeiden. Das setzt eine genaue Kenntnis der Rechtsprechung voraus, was im Hinblick auf die Vielzahl der immer wieder neu ergehenden höchstrichterlichen Entscheidungen nicht einfach einzuhalten ist.
c) Sachlicher Geltungsbereich der §§ 233 ff. ZPO Nach § 233 ZPO kommt das Wiedereinsetzungsverfahren in Betracht, wenn 157 Rechtsbehelfs- und Rechtsbehelfsbegründungsfristen, z.B. für die Beschwerde, die sofortige Beschwerde und die Rechtsbeschwerde sowie die Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung nach § 234 Abs. 1 ZPO versäumt worden sind. Eine analoge Anwendung der §§ 233 ff. ZPO auf andere Fristen wird überwiegend abgelehnt.4 d) Zulässigkeitsvoraussetzungen des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags hängt von folgenden Vorausset- 158 zungen ab: – Fristversäumung (§ 233 ZPO), – Antragstellung (§ 234 ZPO), – Wiedereinsetzungsfrist (§§ 234, 236 Abs. 1 ZPO), – Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO), – Nachholung der versäumten Verfahrenshandlung (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). aa) Die Fristversäumung Ob eine Frist versäumt ist, richtet sich nach den für den Rechtsbehelf maß- 159 gebenden Vorschriften. Die Fristversäumnis kann durchaus zweifelhaft sein, weil es einmal darauf ankommt, ob und wann eine gerichtliche Entscheidung zugestellt worden ist, ferner darauf, wann ein fristgebundener Schriftsatz bei Gericht eingegangen ist.5 Bestehen Zweifel, ob eine Fristversäumnis tatsächlich vorliegt, empfiehlt es sich, hinsichtlich der Wiedereinsetzung einen Hilfsantrag
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BVerfG, Bd. 42, 128, 130 = NJW 1976, 1255. BVerfG, NJW 2004, 2583. Musielak/Grandel, § 233 ZPO Rz. 1; Odersky, NJW 1989, 1 (3). Zöller/Greger, § 233 ZPO Rz. 8; MüKo-ZPO/Gehrlein, § 233 ZPO Rz. 16; Stein/Jonas/ Roth, § 233 ZPO Rz. 11; a.A. für Rechtsbehelfe, die einem Rechtsmittel ähnlich sind und deren Verweisung für die Betroffenen einschneidende Wirkung hat: OLG Düsseldorf, FamRZ 2006, 215 (216). 5 M. Born, NJW 2005, 2042 (2043); M. Born, NJW 2009, 2179 ff. mit Beispielen.
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L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen
zu stellen. Das ist zulässig,1 und hierdurch lässt sich eine Zurückweisung eines Wiedereinsetzungsantrags als unzulässig vermeiden. 160
Ist streitig, wann eine gerichtliche Entscheidung dem Beteiligten zugegangen ist, wird der Beweis hierfür durch Empfangsbekenntnis des Verfahrensbevollmächtigten erbracht.2 Allerdings kann die Gegenseite den Beweis für die Unrichtigkeit des Empfangsbekenntnisses führen,3 im Hinblick auf die Beweisnot der Gegenseite dürfen aber keine überspannten Anforderungen gestellt werden.
161
Auch der Eingang der Rechtsbehelfsschrift und der Rechtsmittelbegründung beim Gericht bedarf des vollen Beweises. Der Eingangsstempel des Gerichts erbringt zwar den Nachweis für den Zeitpunkt des Eingangs des Schriftsatzes (§ 418 Abs. 1 ZPO). Nach § 418 Abs. 2 ZPO ist aber auch in diesem Punkt der Beweis der Unrichtigkeit der durch den Stempel bezeugten Tatsachen möglich.4 bb) Antragstellung
162
Zur Einleitung eines Wiedereinsetzungsverfahrens ist nach § 236 Abs. 1 ZPO grundsätzlich die Einreichung eines entsprechenden Antrags erforderlich, der in der Form den Vorschriften entsprechen muss, die für die versäumte Verfahrenshandlung gelten. Zu richten ist der Antrag an das Gericht, dem die Entscheidung über die nachgeholte Verfahrenshandlung zusteht, in Unterhaltssachen also das Oberlandesgericht. Ein Wiedereinsetzungsantrag muss nicht ausdrücklich so benannt werden. Es reicht aus, wenn er konkludent in einem Schriftsatz enthalten ist.5
163
Eines Wiedereinsetzungsantrags, und zwar auch in konkludenter Form, bedarf es nicht, wenn die versäumte Verfahrenshandlung innerhalb der Frist des § 234 ZPO nachgeholt worden ist und die tatsächlichen Voraussetzungen der Wiedereinsetzung offenkundig oder aktenkundig sind (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO).6 Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass im Fall der Nachholung einer unterbliebenen Verfahrenshandlung ein Formmangel eines Antrags auf Wiedereinsetzung nichts schadet. Es müssen indessen alle Tatsachen und Daten für das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsfalls ohne Mitwirkung des Beteiligten den Akten zu entnehmen sein, und es muss feststehen, dass der Beteiligte das Verfahren fortsetzen will.7
164
Ob im letzteren Fall das Gericht von Amts wegen tätig werden muss oder ob dies in seinem pflichtgemäßen Ermessen steht, ist umstritten.8 Der Wortlaut
1 BGH, NJW 2003, 2460; 2008, 3501 (3502). 2 BGH, FamRZ 2009, 110; BVerfG, NJW 2001, 1563. 3 BGH, NJW 2006, 1206 (1207); BGH, VersR 2008, 512 (513); BGH, FamRZ 2009, 110 (111): Behauptetes Schreibversehen bei der Unterschrift des Empfangsbekenntnisses reicht aus. 4 Vgl. BGH, NJW 2008, 3501 f. für den Fall der Einreichung einer Rechtsmittelschrift unter Benutzung eines Nachtbriefkastens des Gerichts; BGH, FuR 2010, 171: Vernehmung des Rechtsanwalts als Zeuge. 5 BGH, NJW 2006, 1518. 6 BGH, NJW-RR 2004, 408 (409); BGH, FamRZ 2011, 30. 7 BGH, NJW 1975, 928; BAG, NJW 1989, 2708; Vollkommer, ZZP 1989, 209. 8 Für das Bestehen einer Rechtspflicht: Zöller/Greger, § 236 ZPO Rz. 5; Musielak/Grandel, § 236 ZPO Rz. 8; Stein/Jonas/Roth, § 236 ZPO Rz. 14; a.A. BAG, NJW 1989, 2708.
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des Gesetzes in § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO („kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden“) spricht für eine Ermessensentscheidung, aber auch die Mehrheitsmeinung im Schrifttum lässt sich begründen. cc) Wiedereinsetzungsfrist Nach § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO beträgt die Wiedereinsetzungsfrist grundsätzlich 165 zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses. Das gilt jedoch nur für die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsbehelfs. Bei Versäumung der Frist zur Begründung des Rechtsbehelfs greift § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO ein, der eine Frist von einem Monat vorschreibt. Unmittelbar bezieht sich diese Vorschrift allerdings nur auf die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde in Zivilsachen. Für Familienstreitsachen sieht § 117 Abs. 5 FamFG indessen die entsprechende Anwendung der §§ 233, 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO vor. Aufgrund dessen gelten in Familienstreitsachen unterschiedliche Fristen bei Versäumung der Frist zur Einlegung und zur Begründung des Rechtsbehelfs.1 Im Schrifttum wird die Bestimmung des § 117 Abs. 5 FamFG zum Teil für überflüssig gehalten, weil aufgrund von § 113 Abs. 1 FamFG ohnehin klar sei, dass die §§ 17 ff. FamFG nicht anwendbar seien. Dies trifft indessen nicht zu. Schon aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass § 117 Abs. 5 FamFG der Klarstellung dient, dass eine Wiedereinsetzung auch bei Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde in Familienstreitsachen gilt.2 Eine solche Klarstellung ist im Hinblick darauf, dass § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO allein auf das Wiedereinsetzungsverfahren im Zivilprozess zugeschnitten ist, durchaus sinnvoll, weil damit keine Zweifel entstehen können, dass die Ausdehnung der Wiedereinsetzungsfrist auf einen Monat auch in Familienstreitsachen gelten soll.3 Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben 166 ist (§ 234 Abs. 2 ZPO). Das ist dann der Fall, wenn die Ursache, die den Rechtsmittelführer an der Begründung des Rechtsmittels gehindert hat, entfallen ist. Zum gleichen Ergebnis führt der Wegfall der Entschuldbarkeit, dass die Frist nicht eingehalten werden konnte. Ein Hindernis ist im Sinn von § 234 Abs. 2 ZPO behoben, wenn das Fortbestehen der Ursache der Verhinderung nicht mehr unverschuldet ist.4 Dabei ist nicht nur der Wegfall der Entschuldbarkeit des Beteiligten selbst, sondern auch seines gesetzlichen Vertreters, seines Verfahrensbevollmächtigten oder eines Korrespondenzanwalts maßgebend. Der Fristbeginn tritt z.B. dann ein, wenn der Verfahrensbevollmächtigte des Be- 167 teiligten aus einer gerichtlichen Mitteilung entnehmen kann, dass die Rechtsbehelfsbegründung verspätet beim Gericht eingegangen ist.5 Ebenso ist zu entscheiden, wenn der Anwalt bei der Vorlage der Handakten den Fristablauf unschwer erkennen kann, selbst wenn er davor hierüber nicht informiert war.6 Das Hindernis kann auch schon vor Ablauf der Frist behoben sein; dann wird 168 die Frist zur Wiedereinsetzung noch vor Ablauf der Hauptfrist in Gang gesetzt.7 1 2 3 4 5 6 7
Musielak/Borth, § 117 ZPO Rz. 7. BT-Drucks. 16/6308, S. 225. Im Ergebnis ebenso Prütting/Helms/Feskorn, § 117 FamFG Rz. 75. BGH, NJW-RR 2004, 282 f. BGH, NJW 1992, 2098; Zöller/Greger, § 234 Rz. 5b. BGH, NJW 1997, 1079; BGH, NJW-RR 1990, 830. BGH, NJW 1994, 2831.
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Nach § 234 Abs. 3 ZPO hat der Beteiligte, der eine Wiedereinsetzung begehrt, nach Ablauf eines Jahres, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, keinen Anspruch auf einen Wiedereinsetzungsantrag mehr. Die Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO hat als Höchstfrist für den Antrag auf Wiedereinsetzung absoluten Charakter und verfolgt den Zweck, eine unangemessene Verzögerung von Prozessen zu verhindern und den Eintritt der Rechtskraft zu gewährleisten.1 Eine Ausnahme gilt dann, wenn die Ursache der Fristüberschreitung nicht in der Sphäre der Beteiligten liegt, sondern vom Gericht veranlasst worden ist.2 Besondere Probleme bei der Prüfung, ob die Frist eingehalten worden ist, entstehen dann, wenn Zustellungen im Ausland vorgenommen worden sind.3
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In der Praxis spielen Fragen der Wiedereinsetzung eine besondere Rolle, wenn sie im Zusammenhang mit einem Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe auftreten. Dabei sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden: – Die arme Partei hat zunächst nur Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde beantragt, ohne zugleich den Rechtsbehelf einzulegen. – Das Verfahrenshilfegesuch wird mit der Einlegung der Beschwerde verbunden, ohne dass der Rechtsbehelf zugleich begründet wird.
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In beiden Fällen entfällt mit der Zustellung der Entscheidung über das Verfahrenshilfegesuch das Hindernis, und zwar unabhängig vom Ergebnis der Entscheidung, und die Frist zur Einreichung des Wiedereinsetzungsgesuchs wird in Gang gesetzt (§ 234 Abs. 2 ZPO). Damit entsteht für den Verfahrensbevollmächtigten des armen Beteiligten Handlungsbedarf.
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In der ersten Fallvariante muss bei völliger Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe innerhalb von zwei Wochen die Beschwerde eingelegt werden (§ 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ist die Rechtsbehelfsfrist zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen, was meistens der Fall sein wird, muss zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden.
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Bei vollständiger Verweigerung der Verfahrenskostenhilfe gilt das gleiche, wenn der arme Beteiligte auf eigene Kosten das Beschwerdeverfahren durchführen will. Der BGH räumt dem Beteiligten in diesem Fall noch eine kurze Überlegungsfrist ein, bis zu deren Ablauf die Verhinderung andauert. Denn das der Fristwahrung entgegenstehende Hindernis ist dann nicht mehr die Mittellosigkeit des Beteiligten, sondern die ausstehende Entscheidung über das Verfahrenskostenhilfegesuch.4 Das Problem besteht nur darin, dass die Dauer der Überlegungsfrist von den Gerichten nicht einheitlich bemessen wird. Meist wird ein Zeitraum von zwei bis drei Tagen angenommen;5 aber auch ein Zeitraum von drei bis fünf Tagen wird befürwortet.6 In letzter Zeit neigt der BGH zu einer restriktiveren Bemessung der Überlegungsfrist.7
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Praxishinweis: Im Hinblick auf die schwankende Rechtsprechung bei der Bemessung der Überlegungsfrist ist den Rechtsanwälten anzuraten, bei der No-
BGH, NJW 2013, 1684. BGH, NJW-RR 2008, 878; 2004, 1651 = FamRZ 2004, 1478. BGH, NJW 2012, 2588; BGH, NJW-RR 2013, 1459; Bernau, NJW 2013, 2001 ff. Grandel, FF 2009, 300 (301). BGH, FamRZ 2006, 1269; BGH, NJW 2001, 2262. BGH, NJW-RR 2009, 789; BGH, WM 2009, 262. BGH, NJW 2009, 854 (855); BGH, FamRZ 2007, 801.
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III. Beschwerdeverfahren
tierung der Frist im Fristenkalender die kürzeste Frist in Ansatz zu bringen und vorsichtshalber eine Vorfrist zu notieren, weil sich aus Hinweisen des Gerichts ergeben könnte, dass mit einer sehr kurzen Überlegungsfrist gerechnet werden muss.1 Wird vom Gericht versäumt, mit dem Beschluss über die Gewährung von VKH 175 zugleich über die nachgesuchte Beiordnung eines Rechtsanwalts zu befinden, beginnt die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag erst mit der Bekanntgabe des Beschlusses, mit dem ein Anwalt beigeordnet wird.2 Wird dem Verfahrenskostenhilfegesuch teilweise stattgegeben, muss der betrof- 176 fene Beteiligte innerhalb der Zweiwochenfrist die Beschwerde einlegen und Wiedereinsetzung beantragen. Eine zusätzliche Überlegungsfrist wird nicht gewährt, weil der Rechtsbehelf unabhängig von einem bestimmten Antrag eingelegt werden kann, eine Zeit für besondere Überlegungen somit nicht benötigt wird.3 Im zweiten Fall (Verbindung des Verfahrenskostenhilfegesuchs mit der Ein- 177 legung der Beschwerde) gilt § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO; die Frist zur Einreichung des Wiedereinsetzungsgesuchs beträgt danach einen Monat. Nach der Rechtsprechung des BGH beginnt die Frist auch in diesem Fall mit der Bekanntgabe der Entscheidung über die Verfahrenskostenhilfe. In diesem Punkt sind im Schrifttum zunächst unterschiedliche Ansichten vertreten worden. Zum Teil ist angenommen worden, dass von der Mitteilung des Beschlusses über die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe an eine zweimonatige Frist für die Nachholung der Begründung des Rechtsmittels in Lauf gesetzt wird.4 Der BGH ist, nachdem vorübergehend von verschiedenen Senaten unterschiedliche Ansichten vertreten worden sind, dem nicht gefolgt. In der Grundsatzentscheidung vom 19.6.20075 hat der XI. Zivilsenat des BGH – XI ZB 40/06 – angenommen, dass für die Nachholung der Rechtsbehelfsbegründung die Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO in Lauf gesetzt werde. Dabei ist er davon ausgegangen, dass vor der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe nicht die Mittellosigkeit des armen Beteiligten das Hindernis für die Einreichung der Rechtsbehelfsbegründung sei, sondern die fehlende Entscheidung über die Wiedereinsetzung. Anderenfalls sei die mittellose Partei genötigt, den Rechtsbehelf zu begründen, bevor sie wisse, ob ihr Wiedereinsetzung gewährt werde.6 Die Entscheidung ist im Schrifttum zum Teil auf massive Kritik gestoßen.7 Diese Kritik ist nicht ganz unberechtigt. Auf die Einzelheiten kann indessen hier nicht eingegangen werden. Für die anwaltliche Praxis ist allein bedeutsam, dass der BGH bisher von der Grundsatzentscheidung nicht abgegangen ist, sondern nur einige Ergänzungen vorgenommen hat. So macht er einen Unterschied für den Fall der Rechts1 Vgl. das Beispiel in BGH, NJW 2009, 854 (855). Der BGH hat zu der Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO keine zusätzliche Überlegungsfrist gewährt, weil der arme Beteiligte einem gerichtlichen Hinweis entnehmen konnte, dass er nicht mit einer Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe rechnen konnte. 2 BGH, FamRZ 2014, 550 = MDR 2014, 363. 3 BGH, NJW-RR 1993, 451; Musielak/Grandel, § 234 ZPO Rz. 5. 4 Stein/Jonas/Roth, § 234 ZPO Rz. 13; Schultz, NJW 2004, 2329 (2334). 5 BGH, NJW 2007, 3354 = ZZP 2008, 107 mit kritischer Anm. Saenger, S. 112 ff. 6 BGH, NJW 2007, 3354 (3356) = FamRZ 2007, 1640. 7 Prütting/Gehrlein/Milger, § 234 ZPO Rz. 8 ff.; Zöller/Greger, § 234 ZPO Rz. 7a, 8a; Musielak/Grandel, § 236 ZPO Rz. 6; HK-ZPO/Saenger, 3. Aufl., § 234 ZPO Rz. 6 f.; Grandel, FF 2009, 300 (302 ff.); Nemes, FuR 2008, 465 ff.
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beschwerde. Hierfür soll für die Einlegung und die Begründung eine einheitliche Frist laufen, die ab Bekanntgabe der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe beginnt.1 Für den Fall, dass die arme Partei zur Begründung einer Rechtsbeschwerde innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist nicht in der Lage ist, weil ihr die Gerichtsakten nicht zur Verfügung gestellt werden können, lässt der BGH eine angemessene Verlängerung der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu.2 178
Inzwischen hat sich auch der XII. Zivilsenat des BGH mit der Streitfrage befasst und es dabei dahingestellt sein lassen, ob die Frist bereits mit der Bekanntgabe des die Verfahrenskostenhilfe bewilligenden Beschlusses oder erst mit der Mitteilung der Wiedereinsetzungsentscheidung in Lauf gesetzt wird.3 Jedenfalls sei – so hat der XII. Zivilsenat in dieser Entscheidung ausgeführt – nach § 236 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO eine Wiedereinsetzung zu erwägen, wenn die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen glaubhaft gemacht und innerhalb der Antragsfrist vorgetragen worden seien.
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Der am Schluss der Entscheidung erwähnte Hinweis darauf, dass zwei weitere Senate des BGH die Ansicht des XI. Zivilsenats4 in obiter dicta übernommen haben5, lässt es als wahrscheinlich erscheinen, dass auch der XII. Zivilsenat, wenn die Entscheidung davon abhängt, auf den Beginn der Frist im Zeitpunkt der Mitteilung der Wiedereinsetzungsentscheidung abstellen wird. Sicher ist dies allerdings nicht, weil der XII. Zivilsenat damit von einer ebenfalls in einem obiter dictum im Beschluss vom 11.6.20086 vertretenen Ansicht abweichen würde.
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Praxishinweis: Für die Rechtsanwälte, die für einen mittellosen Beteiligten gegen eine Entscheidung einen Rechtsbehelf einlegen wollen, stellt sich im Hinblick auf die gravierenden Bedenken gegen die Rechtsprechung des BGH eine nur schwer lösbare Aufgabe. Um sicher zu gehen, bleibt ihnen nur die Möglichkeit, entweder nur Verfahrenskostenhilfe für die Einlegung und Begründung der Beschwerde zu beantragen oder den Rechtsbehelf einzulegen und zu begründen, verbunden mit dem Antrag auf Verfahrenskostenhilfe7. Da kaum ein Rechtsanwalt bereit sein wird, die gesamte Vorbereitung des Rechtsbehelfs auf sein eigenes Kostenrisiko zu übernehmen, empfiehlt sich die Einreichung lediglich eines Gesuchs auf Verfahrenskostenhilfe, obwohl auch dieses begründet werden sollte und somit Arbeit geleistet werden muss, ohne dass der Anwalt sicher sein kann, hierfür ein Honorar zu erhalten. Allerdings muss in diesem Fall bedacht werden, dass im Fall der Beschränkung auf die Einlegung eines Verfahrenskostenhilfegesuchs nach ständiger Rechtsprechung des BGH8 Wiedereinsetzung wegen Ablaufs der Rechtsmittel- oder der Rechtsmittelbegründungsfrist nur dann bewilligt wird, wenn der Antragssteller vernünftigerweise nicht mit einer Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe mangels Bedürftigkeit rechnen musste. An dieser
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BGH, WM 2008, 1715. BGH, NJW-RR 2008, 146 (147). BGH, NJW 2013, 471 (472). BGH, NJW 2007, 3354 = FamRZ 2007, 1640. BGH, NJW-RR 2008, 1306 und BGH, NJW 2008, 3500. BGH, NJW-RR 2008, 1313; ebenso OLG Zweibrücken, FamRZ 2012, 1238 in einer Unterhaltssache. 7 So auch Schneider, NJW 2008, 2856 f. in einer Anmerkung zu einer BGH-Entscheidung: NJW 2008, 2855, obwohl der Autor der BGH-Rechtsprechung zustimmt. 8 BGH, FamRZ 2009, 318; FamRZ 2008, 368; FamRB 2010, 140.
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III. Beschwerdeverfahren
Voraussetzung fehlt es, wenn im Verlauf des Verfahrens aufgrund gerichtlicher Hinweise Zweifel erweckt werden, ob mit einer Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gerechnet werden kann. Die Frist beginnt dann schon vor den in § 234 Abs. 1 ZPO genannten Zeitpunkten.1 Dieses Risiko muss in die Überlegung, wie vorzugehen ist, einbezogen werden.2 Probleme ergeben sich ferner dann, wenn ein mittelloser Beteiligter durch einen 181 Rechtsanwalt vertreten wird, dieser unbeschränkt eine Beschwerde einlegt und die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe beantragt. Fügt der Anwalt dem Verfahrenskostenhilfegesuch vor Ablauf der Begründungsfrist eine vollständige als „Entwurf“ bezeichnete und nicht unterschriebene Beschwerdebegründungsschrift bei, so stellt sich die Frage, ob der mittellose Beteiligte noch glaubhaft machen kann, dass der Anwalt nicht bereit gewesen sei, die Beschwerde ohne Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zu begründen. Der BGH hat zunächst in einer vom Schrifttum kritisierten Entscheidung vom 6.5.2008 in einem solchen Fall den Kausalzusammenhang zwischen Mittellosigkeit und Fristversäumung verneint und keine Wiedereinsetzung gewährt.3 In einer späteren Entscheidung vom 29.3.2012 hat ein anderer Zivilsenat des BGH4 anders entschieden und Wiedereinsetzung bewilligt, nachdem der Beteiligte glaubhaft gemacht hatte, dass der tätig gewordene Rechtsanwalt sich geweigert hatte, ohne die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe die Beschwerde ordnungsgemäß und fristgerecht weiter zu bearbeiten.5 Der letzteren Entscheidung ist jedenfalls dann zu folgen, wenn die Fakten ergeben, dass der Beteiligte durch das Verhalten seines Anwaltes in die missliche Situation geraten war. Das ergibt sich auch daraus, dass es sich bei dem zu entscheidenden Problem um eine Sachverhalts- und nicht um eine Rechtsfrage handelt, die das Gericht im Wiedereinsetzungsverfahren auf Grund der für die Wahrscheinlichkeitsfeststellung i.S.v. § 236 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 ZPO gebotenen Prüfung der Fallumstände zu beantworten hat.6 Gemäß § 234 Abs. 3 ZPO ist nach Ablauf eines Jahres seit Beendigung der ver- 182 säumten Frist ein Wiedereinsetzungsantrag endgültig unzulässig. Hiergegen ist keinerlei Einwand möglich, insbesondere kann wegen Versäumung dieser Frist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt werden. Eine Ausnahme ist nur dann zu machen, wenn die Verzögerung der Entscheidung ausschließlich auf ein zögerliches Verfahren des Gerichts zurückzuführen ist.7 e) Angabe und Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen Innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist müssen die Tatsachen vorgetragen werden, 183 die die Wiedereinsetzung rechtfertigen sollen. Nach § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO muss bereits der Antrag auf Wiedereinsetzung diese Angaben enthalten. Allerdings reicht es aus, wenn die Tatsachen innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist 1 BGH, FamRZ 2009, 217; FamRB 2010, 140; OLG Oldenburg, FamRZ 2009, 1167. 2 Vgl. auch Nickel, FamRB 2010, 141. 3 BGH, NJW 2008, 2855 mit Anm. Schneider, der dem BGH nur im Ergebnis, nicht aber in der Begründung, zustimmt. 4 BGH, NJW 2012, 2041. 5 Vgl. zu diesem Problem auch: Zimmermann, FamRZ 2008, 1521 (1522); Engels, AnwBl. 2008, 720; Bernau, NJW 2013, 2001 (2003). 6 BGH, NJW 2013, 2041 (2042). 7 BVerfG, NJW 2004, 2149; BGH, NJW 2004, 1478 (1479).
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vorgebracht werden.1 Ein späteres Nachschieben nach Ablauf der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO ist dagegen unzulässig.2 Nur erkennbar unklares und unvollständiges Vorbringen, dessen Aufklärung nach § 139 ZPO geboten war, darf nach Fristablauf noch erläutert und ergänzt werden.3 184
Anzugeben sind alle Tatsachen, aus denen sich die Zulässigkeit und Begründetheit der Wiedereinsetzung ergeben soll. Hierzu gehören die versäumte Frist, das zur Versäumung führende Hindernis, der Grund für das fehlende Verschulden (§ 233 ZPO) sowie der Wegfall des Hindernisses. Der Ablauf der Ereignisse ist im Zusammenhang so zu schildern, dass gegebenenfalls eine Beweisaufnahme hierüber möglich ist.4 Allgemeine Floskeln und unsubstantiierte Angaben reichen nicht aus. Lediglich offenkundige oder aktenkundige Fakten brauchen nicht vorgetragen zu werden.
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Bei der Glaubhaftmachung dieser Tatsachen ist die Einhaltung einer Frist nicht erforderlich, denn nach dem Gesetzestext genügt es, dass sie „im Verfahren“ vorliegt, also bis zur Entscheidung über das Gesuch, wobei auch noch das Beschwerdeverfahren einzubeziehen ist.5 Es reicht aus, dass die überzeugende Wahrscheinlichkeit des vorgetragenen Geschehensablaufs begründet wird. Ein vollständiger Beweis kann im Wiedereinsetzungsverfahren nicht gefordert werden.6 Meistens werden eidesstattliche Versicherungen zur Glaubhaftmachung eingereicht. Diese sind zwar nach § 294 ZPO ausreichend; sie müssen aber eine vollständige eigene Schilderung enthalten, die von der Person stammen muss, die den Geschehensablauf wahrgenommen hat. Eine Bezugnahme auf Angaben oder Schriftsätze Dritter – z.B. des den Beteiligten vertretenden Verfahrensbevollmächtigten – reicht nicht, obwohl das in der Praxis noch immer häufig vorkommt.7 Entzieht sich der geschilderte Vorgang der eigenen Wahrnehmung des Verfassers der eidesstattlichen Versicherung, ist das Beweismittel gleichfalls ungeeignet.8 Wenn dem Gericht die eidesstattliche Versicherung eines Rechtsanwalts als Beweismittel nicht ausreicht, muss es auf dessen Vernehmung als Zeuge hinwirken.9 f) Nachholung der versäumten Verfahrenshandlung nach § 236 ZPO
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Nach § 236 Abs. 2 Satz 2 1. Halbs. ZPO ist innerhalb der Antragsfrist die versäumte Verfahrenshandlung nachzuholen. Der Hinweis auf die Antragsfrist bereitet im Regelfall keine Probleme, da damit die Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO gemeint ist.
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Unter der nachzuholenden Verfahrenshandlung ist bei Versäumung einer Rechtsmittelbegründungsfrist ausschließlich die Rechtsmittelbegründung selbst 1 2 3 4 5 6 7 8
BGH, NJW 2002, 2107 (2108). BGH, NJW 2002, 2180 (2181); BGH, NJW 2000, 365; Zöller/Greger, § 236 ZPO Rz. 6a. BGH, NJW 2007, 3212; BGH, NJW 2002, 2107 (2108). BGH, NJW 2002, 2180. BGH, NJW 1996, 1682; Zöller/Greger, § 236 Rz. 7. BGH, NJW 1996, 1682; BGH, NJW-RR 2009, 1366; BGH, NJW 2001, 2336 (2337). BGH, NJW 1988, 2045; BGH, NJW 1996, 1662; Zöller/Greger, § 294 ZPO Rz. 4. BGH, NJW 2004, 3491 (3492): Eidesstattliche Versicherung eines Rechtsanwalts, der über das Verhalten seines Büropersonals berichtet; vgl. auch BGH, NJW 2007, 1457; BGH, FamRZ 2010, 726. 9 BGH, FamRZ 2009, 110, BGH, FuR 2010, 171.
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zu verstehen. Die Einreichung eines Antrags auf Fristverlängerung erfüllt die Anforderungen an die Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsverfahrens nicht.1 Eine innerhalb der Beschwerdefrist wegen eines Formmangels unwirksam eingelegte Beschwerde muss mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung als Verfahrenshandlung nicht wiederholt werden, wenn aus einer bei den Akten befindlichen Beschwerdebegründung klar hervorgeht, welcher Beschluss von welchem Beteiligten mit welchem Ziel angefochten wird. Die Nachholung der Beschwerde wäre in einem solchen Fall eine unnütze Förmelei.2 g) Begründetheit des Wiedereinsetzungsantrages aa) Fehlendes Verschulden an der Fristversäumung Nach § 233 ZPO ist die Kernfrage jedes Wiedereinsetzungsverfahrens, ob der Be- 188 teiligte ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war. Dabei stehen in der Praxis im Mittelpunkt die Fälle, in denen Vertretern des Beteiligten, insbesondere dem Verfahrensbevollmächtigten, ein Verschuldensvorwurf gemacht wird. Bei dem nach § 85 Abs. 2 ZPO der Partei anzurechnenden anwaltlichen Verschulden wendet die Rechtsprechung im Allgemeinen strenge Grundsätze an. Eine Fristversäumung ist dann verschuldet, wenn sie für einen pflichtbewussten Rechtsanwalt abwendbar gewesen wäre. Dabei wird nicht mehr „die äußerste nach den Umständen mögliche Sorgfalt“, sondern die „übliche Sorgfalt eines ordentlichen Rechtsanwalts“ gefordert.3 Dennoch muss sich die höchstrichterliche Rechtsprechung bis in die jüngste 189 Gegenwart sehr häufig mit Fällen befassen, in denen den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten ein Fehlverhalten vorgeworfen wird, und nicht selten wird ein Verschulden an der Fristversäumnis auch bejaht. Ein Eingehen auf Einzelheiten dieser Rechtsprechung würde den Rahmen der Darstellung sprengen. Insoweit muss auf die Großkommentare zu § 233 ZPO verwiesen werden. Die wesentlichen Komplexe lassen sich unter folgenden Schlagworten zusammenfassen: – Allgemeine Organisationsmängel im Büro der Verfahrensbevollmächtigten, – Form und Inhalt der Anweisungen des Anwalts an sein Büropersonal, – Fehler bei der Überwachung von Fristen, – Unzureichende Anforderungen an die Ausgangskontrolle, – Mängel bei der Zustellung (insbesondere durch Telefax und E-Mail), – Fehler bei der Einlegung und Begründung von Rechtsbehelfen, – Verhalten im Fall der Erkrankung des Verfahrensbevollmächtigten eines Beteiligten. Hinzuweisen ist auf die durch das FamFG eingeführte Rechtsbehelfsbelehrung 190 (§ 39 FamFG). Diese dient in erster Linie dem Schutz der rechtsunkundigen Beteiligten an der 191 Versäumung der Frist. Ist dieser indessen durch einen Rechtsanwalt oder eine 1 BGH, NJW 1999, 3051 mit zahlreichen w.N.; BGH, FamRZ 2006, 1754. 2 BGH, NJW 2000, 3286; BGH, NJW 2002, 3636. 3 BGH, NJW 1985, 1710; BAG AP § 233 Nr. 12; Zöller/Greger, § 233 ZPO Rz. 13.
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sach- und rechtskundige Behörde vertreten, kommt eine Wiedereinsetzung in der Regel nicht in Betracht, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung fehlt oder fehlerhaft ist.1 Zwar muss die fehlende oder fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung für die Fristversäumung kausal sein. Bei einem Rechtsanwalt oder einer sach- und rechtskundigen Behörde ist aber zu erwarten, dass die sich aus § 39 FamFG ergebenden Folgen bekannt sind. Deshalb ist ein Rechtsirrtum verschuldet. Der BGH hat bei der Beurteilung der Folgen einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung eine restriktive Haltung eingenommen.2 E 37
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Formulierungsvorschlag zur Beschwerde und zum Wiedereinsetzungsantrag
An das Kammergericht – Senat fr Familiensachen in Berlin –
Ort, Datum
Beschwerde und Wiedereinsetzungsantrag In der Familiensache des … – Antragsteller und Beschwerdefhrer –, – Verfahrensbevollmchtigter: Rechtsanwalt … gegen … – Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin –, – Verfahrensbevollmchtigter: Rechtsanwalt … lege ich im Namen und in Vollmacht des Antragstellers gegen den am … verkndeten und am … zugestellten Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg Aktenzeichen … –, von dem ich eine Fotokopie beifge, Beschwerde ein und beantrage, dem Antragsteller fr die am … abgelaufene Frist zur Einlegung der Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewhren. Den Antrag auf Wiedereinsetzung begrnde ich wie folgt: Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg ist dem Verfahrensbevollmchtigten des Antragstellers am … zugestellt worden. Hiergegen hat dieser am … Beschwerde eingelegt. Eine Nachfrage nach dem Eingang der Beschwerdeschrift hat ergeben, dass diese nicht bei Gericht eingegangen war. Der Verlust des Schriftsatzes (Beschwerdeschrift) beruht nicht auf einem Verschulden des Antragstellers bzw. seines Verfahrens1 BGH, NJW-RR 2010, 1297 = FamRZ 2010, 1425; BGH, NJW 2012, 453; 2013, 1308: zum Fall eines juristisch qualifizierten Behördenvertreters mit Befähigung zum Richteramt. 2 BGH, FamRZ 2011, 1728; BGH, NJW-RR 2007, 1071; BGH, FamRZ 2011, 1389; Heiter in Anm. zu BGH, FamRZ 2012, 623 ff. (627 f.).
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III. Beschwerdeverfahren
bevollmchtigten, so dass dem Antragsteller wegen Versumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewhren ist. Der Verfahrensbevollmchtigte des Antragstellers hat die Beschwerdeschrift nach Unterzeichnung selbst in einen Briefumschlag getan und diesen am … in einen çffentlichen Briefkasten eingeworfen. Der Brief war ordnungsgemß frankiert und mit der richtigen Anschrift des Gerichts versehen worden. Das Schriftstck ist damit rechtzeitig abgesandt worden und htte am Tage des Ablaufs der Beschwerdefrist bei Gericht eingegangen sein mssen. Auf die Zuverlssigkeit der Post durfte sich der Verfahrensbevollmchtigte des Antragstellers verlassen, zumal keinerlei Umstnde bekannt geworden sind, die auf Unregelmßigkeiten bei der Postbefçrderung htten schließen lassen. Den Verfahrensbevollmchtigten trifft am Verlust der Beschwerdeschrift damit kein Verschulden. Zur Glaubhaftmachung der vorstehenden Ausfhrungen wird eine eidesstattliche Versicherung des Verfahrensbevollmchtigten des Antragstellers beigefgt. Die Begrndung der Beschwerde folgt in einem besonderen Schriftsatz. Rechtsanwalt
bb) Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch In § 238 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist vorgesehen, dass über das Wiedereinsetzungs- 193 gesuch und die nachgeholte Verfahrenshandlung gemeinsam verhandelt wird. Der Gesetzestext (der Antrag ist mit dem Verfahren zu verbinden) legt die Annahme nahe, dass jedenfalls grundsätzlich so verfahren werden soll. Geschieht dies, hat im Allgemeinen eine mündliche Verhandlung stattzufinden, auf die durch Beschluss über die Verfahrenshandlung und das Wiedereinsetzungsgesuch entschieden wird. Wird die Wiedereinsetzung versagt, bleibt auch das Rechtsmittel ohne Erfolg, da dieses dann unzulässig ist. Im umgekehrten Fall ist eine Aufnahme der Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch in den Tenor des Beschlusses nicht erforderlich, da nach § 238 Abs. 3 ZPO eine Anfechtung ohnehin nicht zulässig ist. Es empfiehlt sich aber, kurz auf die Gründe im Beschluss einzugehen.1 In der Praxis wird meistens von der Möglichkeit des § 238 Abs. 1 Satz 2 ZPO Ge- 194 brauch gemacht, wonach das Gericht das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken kann. Ob es im Ermessen des Gerichts steht, welchen Weg es wählt,2 kann dahinstehen. Jedenfalls dient es der Beschleunigung, zunächst das Wiedereinsetzungsverfahren zu erledigen und dabei auf eine mündliche Verhandlung zu verzichten, was zulässig ist. Die Ablehnung der Wiedereinsetzung kann mit dem Rechtsmittel angegriffen werden, das gegen die Hauptsachenentscheidung gegeben ist (§ 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Wird der Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Beschwerde als unzulässig verworfen, ist das in § 522 Abs. 1 ZPO genannte Rechtsmittel zulässig. Ein Beschluss, durch den Wiedereinsetzung gewährt wird, kann mit einem Rechtsmittel nicht angegriffen werden (§ 238 Abs. 3 ZPO), und zwar auch dann nicht, wenn der Anspruch der Gegenpartei auf rechtliches Gehör verletzt worden ist oder die Entscheidung formfehlerhaft zustande gekommen ist.3 Die 1 Musielak/Grandel, § 238 ZPO Rz. 4. 2 Musielak/Grandel, § 238 ZPO Rz. 1. 3 Musielak/Grandel, § 238 ZPO Rz. 6 f.
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Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens trägt der Antragsteller, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind (§ 238 Abs. 4 ZPO). Hat die Beschwerde Erfolg, weil es einer Wiedereinsetzungsentscheidung nicht bedurfte, ist § 238 Abs. 4 ZPO nicht anwendbar.1 10. Entscheidung des Beschwerdegerichts a) Grundsätzliches 195
Ist das Beschwerdeverfahren durchgeführt worden, hat das Beschwerdegericht in der Sache selbst zu entscheiden (§ 69 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Für die Entscheidung gelten die Vorschriften über den Beschluss im ersten Rechtszug entsprechend (§§ 69 Abs. 3, 116 Abs. 1 FamFG). Aufgrund dieser Verweisung ist bei vollständiger Erledigung des Verfahrensgegenstandes durch Beschluss zu entscheiden (§ 38 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Hinsichtlich Rubrum und Tenor muss der Beschluss den Anforderungen des § 38 Abs. 2 FamFG entsprechen; er hat also die Beteiligten, ihre gesetzlichen Vertreter und Verfahrensbevollmächtigten, den Beschwerdesenat des Oberlandesgerichts und die Namen der mitwirkenden Richter sowie den Tenor des Beschlusses zu bezeichnen.
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Aufgrund der sich aus § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO ergebenden Verweisung auf § 528 ZPO darf in Unterhaltssachen die erstinstanzliche Entscheidung nur insoweit abgeändert werden, als der Beschwerdeführer dies beantragt hat (Verbot der reformatio in peius2). Hält das Beschwerdegericht den Rechtsbehelf für unbegründet, hat es die Beschwerde zurückzuweisen. Das Verbot der reformatio in peius schließt es nicht aus, dass das Beschwerdegericht die erstinstanzliche Entscheidung zwar im Ergebnis, nicht aber in der Begründung billigt. Insbesondere kommen in der Praxis bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs nicht selten Abweichungen gegenüber der Entscheidung des Familiengerichts vor.3
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Der Tenor muss eine Kostenentscheidung enthalten, die gemäß § 243 FamFG nach anderen Kriterien zu bestimmen ist als im Zivilprozess. Schließlich muss über die Zulassung der Rechtsbeschwerde befunden werden, was – jedenfalls bei einer positiven Entscheidung – ebenfalls in den Tenor aufgenommen werden sollte.4 b) Ausnahme von einer eigenen Sachentscheidung des Beschwerdegerichts
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Bevor es sich mit der Sache selbst befasst, hat das Beschwerdegericht die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs zu prüfen. Obwohl dies – anders als im Fall der Rechtsbeschwerde (§ 572 Abs. 2 ZPO) – im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt ist, hat das Beschwerdegericht auch ohne eine Rüge des Rechtsmittelgegners von Amts wegen darüber zu befinden, ob alle Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind. Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, hat das Gericht die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen (§ 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG i.V.m. § 522 Abs. 1 ZPO). Hierfür bedarf es keines Termins zur mündlichen Verhandlung.5 Eine Sachentscheidung im Sinne von § 69 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist in diesem Fall nicht getrof1 2 3 4 5
BGH, NJW 2006, 693; Zöller/Greger, § 238 ZPO Rz. 11. Zöller/Feskorn, § 69 FamFG Rz. 14. Prütting/Helms/Feskorn, § 117 FamFG Rz. 64. Prütting/Helms/Feskorn, § 117 FamFG Rz. 67. Prütting/Helms/Feskorn, § 117 FamFG Rz. 62.
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III. Beschwerdeverfahren
fen worden. Dass das Beschwerdegericht auch eine Sachentscheidung treffen kann, wenn die Beschwerde nicht nur unzulässig, sondern auch offensichtlich unbegründet ist, ist unter Rz. 135 ff. ausgeführt worden. Eine weitere Ausnahme vom Grundsatz des § 69 Abs. 1 Satz 1 FamFG ergibt 199 sich aus § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Darin wird u.a. auf § 538 Abs. 2 ZPO verwiesen. Nach dieser Bestimmung kann auf Antrag eines Beteiligten die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und Zurückverweisung des Verfahrens an das Familiengericht ausgesprochen werden, soweit eine weitere Verhandlung in der Sache notwendig ist. Das wird allerdings nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen. Eine Aufhebung und Zurückverweisung ist etwa zu erwägen, wenn das Verfahren im ersten Rechtszug an einem wesentlichen Mangel leidet und deshalb eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme erforderlich wird (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). So hat das OLG Saarbrücken die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben, weil dieses das rechtliche Gehör eines Beteiligten dadurch verletzt hatte, dass es den Kern des Vorbringens verkannt und einen wesentlichen Teil des Vorbringens übersehen hatte.1 Ist ein unzulässiger Teilbeschluss erlassen worden, bedarf es keines Antrags eines Beteiligten auf Aufhebung und Zurückverweisung, weil das Interesse an einer einheitlichen Führung des Verfahrens in einer Instanz überwiegt.2 Ist die Sache zurückverwiesen worden, muss das Familiengericht grundsätzlich 200 seiner neuen Entscheidung die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts zugrunde legen (§ 69 Abs. 1 Satz 4 FamFG). Das gilt nur dann nicht, wenn sich in dem weiteren Verfahren ein neuer Sachverhalt ergibt, der zu einer anderen rechtlichen Beurteilung nötigt.3 Ergreift die Aufhebung die Abweisung des Scheidungsantrags, schreibt § 146 201 Abs. 1 FamFG die Zurückverweisung an das Gericht vor, bei dem noch eine Folgesache anhängig ist. c) Form und Inhalt des Beschlusses Trifft das Beschwerdegericht – entsprechend der Grundregel des § 69 Abs. 1 202 Satz 1 FamFG – eine Sachentscheidung, hat es diese zu begründen (§ 69 Abs. 2 FamFG). Über den Inhalt der Begründung enthält das Gesetz keine Regelung. Insbesondere wird nicht angeordnet, dass die Begründung eine Wiedergabe des Sachverhalts enthalten muss. Ebenso ist die Anwendung des § 313a Abs. 4 Nr. 4 ZPO nicht vorgeschrieben worden. Gleichwohl sollte das Beschwerdegericht bei der Abfassung der Begründung den 203 weiteren Ablauf beachten. Hat es die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen, muss es die für die Entscheidung maßgebenden Tatsachen kurz darstellen, weil der BGH diese seiner Rechtsfindung zugrunde zu legen hat. Wenn auch eine Aufteilung nach Tatbestand und Entscheidungsgründen nicht vorgeschrieben ist, empfiehlt es sich, die Schilderung der Tatsachen an den Anfang der Gründe zu stellen, da dies die Grundlage der folgenden Rechtsausführungen ist. Auf jeden Fall ist zu berücksichtigen, dass in Unterhaltssachen nach § 238 FamFG ei1 OLG Saarbrücken, NJW-RR 2003, 873. 2 BGH, NJW 1985, 2029. 3 Musielak/Borth, § 69 FamFG Rz. 4.
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ne Änderung gerichtlicher Entscheidungen zulässig ist, wenn sich aufgrund späterer Ereignisse die zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Um ein Abänderungsverfahren zuverlässig durchführen zu können, müssen der Beschwerdeentscheidung die richtigen Fakten und rechtlichen Erwägungen zu entnehmen sein.1 Wenn dies den genannten Anforderungen entspricht, genügt auch eine Bezugnahme auf konkret bezeichnete Aktenbestandteile, wie etwa auf das Protokoll einer durchgeführten Beweisaufnahme.2 Eine Bezugnahme auf den Akteninhalt generell ist allerdings nicht ausreichend. 204
Eine völlige Abstandnahme von einer Begründung ist zulässig, wenn die Entscheidung aufgrund eines Anerkenntnisses, eines Verzichts oder bei Säumnis einer der Beteiligten ergangen ist oder wenn alle Beteiligten nach einer mündlichen Bekanntgabe auf Rechtsmittel verzichtet haben (§§ 69 Abs. 3, 38 Abs. 4 FamFG). d) Erlass der Endentscheidung
205
Ergeht die Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung, kann sie durch Verlesen des Tenors verkündet werden; Dies ist in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen. In diesem Fall kann auch die Begründung der Entscheidung in der Sitzungsniederschrift vermerkt werden (§ 117 Abs. 4 FamFG). Die Bestimmung lehnt sich an § 540 Abs. 1 S. 2 ZPO an.3 Nicht erforderlich ist, dass die Verkündung unmittelbar am Schluss der mündlichen Verhandlung stattfindet; es können zwischenzeitlich noch andere Sachen verhandelt werden und die Entscheidung kann „am Schluss der Sitzung“ ergehen.4 Aus § 38 Abs. 2, 3 FamFG ergibt sich, welche Bestandteile die Endentscheidung enthalten muss, wenn sie den Beteiligten übermittelt wird.
206
Die Übermittlung wird im Abs. 3 als Erlass bezeichnet. Die im § 38 Abs. 2, 3 aufgezählten Merkmale lassen darauf schließen, dass die Entscheidung einer Verkündung bedarf, sodass dem Erlass im Regelfall eine mündliche Verhandlung vorangegangen sein muss. In diesem Sinne hat der BGH in zwei im Jahre 2012 ergangenen Grundsatzbeschlüssen auch entschieden.5 Dass eine Verkündung nach mündlicher Verhandlung stattzufinden hat, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§§ 117 Abs. 4, 142 Abs. 3 FamFG).
207
Unklar bleibt aber weiter die im Schrifttum umstrittene Frage, ob in Familienstreitsachen die Vorschriften über die Verlautbarung von Urteilen (§ 317 ZPO) oder von Beschlüssen (§ 329 ZPO) maßgebend sind. Auch die Befürworter der ersten Auffassung räumen ein, dass die Frage nach dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes sich nicht klar beantworten lässt.6 Mag in der ersten Instanz noch mehr für die Anwendung des § 310 ZPO sprechen, so gilt dies nicht ohne Weiteres in der Beschwerdeinstanz. Denn insoweit können die Oberlandesgerichte auch entscheiden, ohne dass eine mündliche Verhandlung stattgefun1 2 3 4 5
Zöller/Feskorn, § 69 FamFG Rz. 5. Zöller/Feskorn, § 69 FamFG Rz. 5. BT-Drucks. 16/6308, S. 225. BGH, NJW 2004, 1389. BGH, FamRZ 2012, 106 m. Anm. Heiter, FamRZ 2012, 2006; BGH, FamRZ 2012, 1287 m. Anm. Löhnig. 6 Prütting/Helms, § 116 FamFG Rz. 14.
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III. Beschwerdeverfahren
den hat (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG). Zwar ist dies im Regelfall wenig wünschenswert, so ist aber nicht zu übersehen, dass Oberlandesgerichte so verfahren, auch wenn damit der Gesetzeszweck im Einzelfall verfehlt werden dürfte. Im Hinblick darauf, dass in zweiter Instanz Endentscheidungen ohne mündliche 208 Verhandlung ergehen können, wird im Schrifttum überwiegend angenommen, dass § 113 Abs. 3 S. 2 FamFG auch für urteilsersetzende Entscheidungen nicht auf § 117 ZPO, sondern auf § 329 ZPO verweist.1 Die gegenteilige Auffassung wird vor allem daraus hergeleitet, dass es sich bei einem Beschluss in einer Familienstreitsache zwar um eine Entscheidung handele, die mit dem Etikett eines Beschlusses versehen worden sei, der aber nach den Maßstäben der ZPO auf einem Urteilsverfahren beruhe.2 Vorzuziehen ist die Auffassung, die den Erlass der Entscheidung in einer Familienstreitsache ausschließlich aus der Vorschrift des § 329 ZPO herleitet. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Gesetzgeber in der Begründung anlässlich der Einfügung des § 142 Abs. 3 durch das Ref. VAFR 9 vom 3.4.2009 in das FamFG von § 329 Abs. 1 ZPO ausgegangen ist.3 In seiner Entscheidung vom 19.10.2011 – XII ZB 250/11 -4. hat auch der BGH jedenfalls hinsichtlich der Verkündung der Entscheidung auf § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. §§ 311 Abs. 2 S. 1, 329 Abs. 1 S. 1 ZPO verwiesen. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber für alle Endentscheidungen, über die das Familiengericht zu befinden hat, nicht mehr durch Urteil, sondern durch Beschluss zu entscheiden hat (§§ 38 Abs. 1 S. 1, 116 Abs. 1 FamFG). Das ist nicht nur, wie teilweise geäußert wird, eine systematische Regelung, sondern nach dem klaren Wortlaut verbindlich. Es besteht auch kein Grund, anstelle von § 329 ZPO Vorschriften, die für Urteile gelten (etwa § 317 ZPO), heranzuziehen. Der Gesetzgeber wollte durch das FamFG die Rechtsmaterien der freiwilligen 209 Gerichtsbarkeit und des Familienverfahrensrechts zu einer umfassenden und geschlossenen systematischen Kodifikation zusammenführen. In § 329 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 und Abs. 3 enthält die ZPO Vorschriften, die den Erlass einer Entscheidung auch in Unterhaltsstreitsachen ermöglichen. Unzutreffend ist die von einigen Autoren vertretene Auffassung, der BGH habe 210 in zwei Entscheidungen5 festgestellt, dass für „urteilsersetzende Endentscheidungen“ in Ehe- und Familienstreitsachen nicht auf § 329 ZPO; sondern direkt auf die ZPO-Urteilsvorschriften verwiesen worden sei.6 Einmal nimmt die erste Entscheidung des BGH ausdrücklich auf § 329 Abs. 1 S. 1 ZPO Bezug, so dass hieraus die gegenteilige Ansicht hergeleitet werden könnte. In der zweiten Entscheidung ist dieser Hinweis zwar unterblieben. Auch daraus ergibt sich indes nicht, dass der BGH die Anwendung der Urteilsvorschriften insgesamt in einer Unterhaltstreitsache befürworten wollte. Aus dem Zusammenhang beider Be1 Zöller/Vollkommer, § 329 ZPO Rz. 4, 12; Baumbach/Hartmann, § 329 ZPO Rz. 3; Zöller/Feskorn, § 38 FamFG Rz. 16; Bahrenfuss/Blank, FamFG, 2. Aufl., § 113 Rz. 3; Roßmann, FuR 2012, 286; Metzger, FamRZ 2010, 703 (704); Griesche, FamRB 2010, 340 (342). 2 Prütting/Helms, § 116 FamFG Rz. 12, 17; Musielak/Borth, § 41 FamFG Rz. 8; MünchKomm.FamFG/Heiter/Henjes, § 142 FamFG Rz. 26. 3 BT-Drucks. 16/10144, S. 93 vgl. hierzu: Musielak/Borth, § 41 FamFG Rz. 8, FN 12; Griesche, FamRB 2012, 219. 4 BGH, FamRZ 2012, 106 = NJW 2012, 1 ff. 5 BGH, FamRZ 2012, 106; FamRZ 2012, 1287 (1289). 6 So Prütting/Helms, § 116 FamFG Rz. 17.
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schlüsse folgt vielmehr, dass der BGH sich nur mit der Verkündung einer Endentscheidung, die nach einer mündlichen Verhandlung ergeht, befasst hat. Aufgrund welcher Überlegungen der BGH in der zweiten Entscheidung die Vorschrift des § 329 ZPO nicht erwähnt hat, ist zwar nicht ausdrücklich gesagt worden. Dass der BGH damit eine Anwendung über die Zustellung von Urteilen – insbesondere von § 317 ZPO – befürworten wollte, ist nicht erkennbar. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus den Ausführungen in Tz. 17 des Beschlusses. Die darin enthaltene Bezugnahme auf das Urteil des BGH vom 12.3.2004 (FamRZ 2004, 1187) macht deutlich, dass der BGH sich auch in Tz. 17 nur zu den Folgen einer infolge Unterbleibens der Verkündung einer fehlerhaften Entscheidung äußern wollte. Ein Anhaltspunkt dafür, dass damit einer Anwendung der Urteilsvorschriften in Unterhaltssachen zugestimmt werden sollte, ist nicht vorstellbar. 211
Entscheidet sich das Oberlandesgericht in einem Beschwerdeverfahren davon abzusehen, eine mündliche Entscheidung nicht anzuberaumen, ist die urteilsersetzende Entscheidung nicht zu verkünden, sondern gemäß § 38 Abs. 3 S. 3 FamFG durch Übergabe an die Geschäftsstelle zu erlassen.
212
Die Notwendigkeit, in diesem Fall eigens einen Verkündungstermin anzuberaumen, ergibt sich weder aus dem FamFG noch aus den entsprechend anwendbaren ZPO-Vorschriften, da der Beschluss nicht aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergeht (§ 329 Abs. 1 S. 1 ZPO, auf dessen Anwendung der BGH ausdrücklich hinweist).1 Es wäre auch widersprüchlich, wenn das FamFG dem Gericht in Ehesachen und Familienstreitsachen einerseits erlauben würde, auf eine mündliche Verhandlung im Beschwerdeverfahren zu verzichten, um es anderseits zu einer Terminierung zwecks Verkündung der Entscheidung entsprechend § 310 Abs. 1 ZPO anzuhalten.2 Die Verkündung eines Urteils in einem nach Schluss der mündlichen Verhandlung sofort anzuberaumenden und fristgebundenen Termin (§ 310 Abs. 1 ZPO) dient auch der Durchsetzung des Mündlichkeitsprinzips (§ 128 Abs. 1 ZPO), an dem das FamFG in zweiter Instanz bei Ehesachen und Unterhaltsstreitsachen eben nicht durchgängig festhält.
213
Û
Das Verhandlungsprotokoll sollte, wenn so verfahren wird, lauten: Entscheidung am Schluss der Sitzung. Nachdem weitere Sachen verhandelt worden sind, sollte das Protokoll wie folgt fortgesetzt werden: Bei Wiederaufruf der Sache am Schluss der Sitzung erschien für die Beteiligten niemand. Es wurde folgender Beschluss verkündet: 1. Voller Tenor des Beschlusses einschließlich der Nebenentscheidung, 2. tatsächliche Feststellungen, 3. kurze rechtliche Begründung für die getroffene Entscheidung.
1 BGH, FamRZ 2012, 106 (LS und Tz. 13), bestätigend BGH, FamRZ 2012, 1287 (Tz. 15); Zöller/Feskorn, § 38 FamFG Rz. 16; Griesche, FamRB 2010, 340 (343). 2 Auf diese Frage geht Prütting/Helms, § 116 FamFG Rz. 12, 16 und 17 nicht ein, demzufolge die Verweisung in § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG bei urteilsersetzenden Entscheidungen direkt auf die ZPO-Vorschriften zum Urteil und nicht indirekt über § 329 ZPO Bezug nimmt.
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III. Beschwerdeverfahren
Hat das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen, ist es nicht rat- 214 sam, diese Form der Bekanntmachung zu wählen, weil wegen Zeitmangels es leicht dazu kommen kann, dass wesentliche Punkte übersehen werden.1 Ob ein Beschluss in einer Unterhaltssache – entsprechend einer im Zivilprozess 215 weitgehend verbreiteten üblichen Handhabung – auch in einem späteren Verkündungstermin verkündet werden darf, lässt sich weder aus dem Gesetzestext noch aus der Gesetzesbegründung herleiten. Im Schrifttum wird unter Bezugnahme auf § 310 ZPO die Zulässigkeit eines Verkündungstermins bejaht.2 Der verneinenden Auffassung ist zu folgen. Eines Verkündungstermins bedarf es nicht, weil nach den §§ 113 Abs. 1 Satz 2, 38 Abs. 3 FamFG der Beschluss auch durch Übergabe an die Geschäftsstelle bekannt gemacht werden kann. Mit dem Verlesen des Tenors nach der mündlichen Verhandlung oder durch Übergabe an die Geschäftsstelle ist die Entscheidung im Sinne von § 38 Abs. 3 Satz 2 FamFG erlassen. Allerdings muss der Beschluss dann den Beteiligten noch schriftlich zugestellt werden, wobei sich wiederum die schon unter III. 3. b) (Rz. 45) erörterte Frage stellt, ob dies nach § 329 ZPO oder in entsprechender Anwendung von § 317 ZPO zu geschehen hat. Auf die Ausführungen dazu unter III. 3. b) (Rz. 45) wird verwiesen. e) Wirksamwerden der Entscheidung Da die Anwendung der Vorschrift des § 40 FamFG durch § 113 Abs. 1 Satz 1 216 FamFG ausgeschlossen worden ist, werden auch Beschwerdeentscheidungen nach § 116 Abs. 3 Satz 1 FamFG erst mit Rechtskraft wirksam. Wird der Unterhaltsanspruch im Verbund geltend gemacht, tritt die Wirksamkeit der Entscheidung nach § 148 FamFG mit Rechtskraft des Scheidungsausspruchs in Kraft. Hat das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen und gelangt das Verfahren insoweit noch vor den BGH, kann sich das Verfahren längere Zeit hinziehen. Dies wirkt sich indessen nicht zum Nachteil des Unterhaltsgläubigers aus, dem eine Unterhaltsrente zuerkannt worden ist. Endentscheidungen in Familienstreitsachen bedürfen keiner Vollstreckbarkeitserklärung. Will der Gläubiger die Zwangsvollstreckung betreiben, setzt dies allerdings voraus, dass das Gericht nach § 116 Abs. 3 Satz 2 FamFG die sofortige Wirksamkeit anordnet, was es in Unterhaltssachen tun soll, wenn die Endentscheidung eine Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt enthält.3 Ein Antrag ist hierfür nicht erforderlich. Dem kann der Schuldner auch nach Erlass der Erstentscheidung während des Beschwerdeverfahrens entgegentreten, indem er glaubhaft macht, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde (§ 120 Abs. 2 Satz 3 FamFG). Die Entscheidung trifft das Gericht auf einen Antrag des Schuldners, die Zwangsvollstreckung einzustellen oder zu beschränken. Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts findet nach Maßgabe der dies- 217 bezüglichen Vorschriften des Buches 1 Abschnitt 5 Unterabschnitt 2 die Rechtsbeschwerde statt. Da die Rechtsbeschwerde den gleichen inhaltlichen und formellen Voraussetzungen wie die Revision nach § 543 ZPO unterliegt, bedurfte 1 Prütting/Helms/Feskorn, § 117 FamFG Rz. 69. 2 Schürmann, FuR 2009, 130 (135); anders: Schürmann, FamRB 2009, 24 (29); ebenso Zöller/Feskorn, § 38 FamFG Rz. 16; Rasch, FPR 2010, 150 (151), allerdings mit anderer Begründung. 3 Prütting/Helms, § 116 FamFG Rz. 29.
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es nach Auffassung des Gesetzgebers keiner Nichtzulassungsbeschwerde1, weil in Familiensachen die Rechtsbeschwerde bereits nach § 26 Nr. 9 EGZPO bis zum 1.1.2010 ausgeschlossen gewesen sei. Das Schrifttum zieht aus den Gesetzesmaterialien ebenfalls die Schlussfolgerung, dass eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht stattfinde2; zum Teil wird die Argumentation des Gesetzgebers aber – zu Recht – kritisch gesehen.3 Auch in der Anwaltschaft ist die Regelung des Gesetzgebers auf Kritik gestoßen.4 218
Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob die Möglichkeit besteht, eine vom Familiengericht unterlassene Entscheidung über die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit nach § 116 Abs. 3 S. 2 und 3 FamFG nachzuholen. Soweit hierzu in Rechtsprechung und Schrifttum Stellungnahmen vorliegen, wird überwiegend angenommen, dass im Fall der Versäumung der Entscheidung eine Nachholung in entsprechender Anwendung von § 120 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit den §§ 716, 321 ZPO zulässig sei.5 Hergeleitet wird dies auch aus der Vorschrift des § 64 Abs. 3 FamFG. Der bisher überwiegenden Ansicht ist zu folgen, da anderenfalls die Interessen des Gläubigers nicht hinreichend berücksichtigt werden. f) Rechtsbehelfsbelehrung
219
Obwohl die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde nach den vorstehenden Ausführungen nicht angefochten werden kann, hat das Beschwerdegericht seine Entscheidung mit einer Rechtsbehelfsbelehrung nach § 39 FamFG jedenfalls dann zu versehen, wenn es die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. Die Rechtsbeschwerde nach § 10 Abs. 4 FamFG darf nur durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden. g) Beschwerde gegen Teilentscheidungen des Familiengerichts
220
Nach § 58 Abs. 1 FamFG findet die Beschwerde nur gegen im ersten Rechtszug erlassene Endentscheidungen statt. Unter diesen Begriff fallen nach § 38 Abs. 1 FamFG aber auch Beschlüsse, durch die der Verfahrensgegenstand nur teilweise erledigt wird. Somit unterliegt der Anfechtung auch ein Teilbeschluss.
221
In Unterhaltssachen kommt ein Teilbeschluss besonders häufig dann vor, wenn der Unterhaltsgläubiger über die zur Berechnung seines Anspruchs erforderlichen Tatsachen nicht ausreichend informiert ist und deshalb gegen den Schuldner im Stufenverfahren vorgehen muss (§ 254 ZPO). Normalerweise werden das Auskunftsbegehren mit dem Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und einem der Höhe nach noch unbekannten Zahlungsanspruch, der deshalb unbestimmt gefasst werden muss, verbunden. Der Antragsteller muss dann stufenweise vorgehen, und das Gericht hat über jede Stufe gesondert zu verhandeln und durch Teilbeschluss zu entscheiden. 1 2 3 4 5
BT-Drucks. 16/6308, S. 225. Abramenko in Prütting/Helms, § 70 FamFG Rz. 11 m.w.N. Zöller/Feskorn, § 70 Rz. 5. Rakete-Dombek, FF 2009, 265. OLG Bamberg, FamRZ 2013, 481 (482); Keidel/Sternal, § 64 FamFG Rz. 58a; Prütting/ Helms, § 116 FamFG Rz. 30; aA OLG Karlsruhe, BeckRS 2013, 15818 und BeckRS 2013, 15872; sowie in einem umfassenden Aufsatz zur Problematik: Heiß, FamFR 2013, 460 ff., ferner Kap M.
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III. Beschwerdeverfahren
E 38
Formulierungsvorschlag fr den Antrag in einem Beschwerdeverfahren gegen eine Teilentscheidung
…
222
beantrage ich, 3. den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin Auskunft zu erteilen ber sein in der Zeit vom 1. Juli 2013 bis zum 30. Juni 2014 erzieltes Brutto- und Nettoeinkommen einschließlich aller Sonderzuwendungen, wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Spesen, Auslçsungen sowie vermçgenswerte Leistungen des Arbeitgebers und fr den genannten Zeitraum erteilte Gehaltsbescheinigungen vorzulegen, 4. die Richtigkeit und Vollstndigkeit seiner Auskunft an Eides statt zu versichern, 5. den Antragsgegner zu verpflichten, an die Antragstellerin ab 1. Juli 2013 eine nach Auskunftserteilung zu beziffernde monatliche Unterhaltsrente zu zahlen.
Hinsichtlich der Anträge in einem Stufenverfahren wird auf die Ausführungen 223 in Kap. K verwiesen. 11. Anhörungsrüge Das FamFG enthält zwar eine Vorschrift, die die Voraussetzungen und die 224 Durchführung der Anhörungsrüge regelt (§ 44 FamFG); auf Unterhaltssachen findet diese Bestimmung indessen keine Anwendung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Insoweit gilt vielmehr § 321a ZPO. Danach ist die Anhörungsrüge statthaft, wenn die Endentscheidung unanfechtbar ist. Im Beschwerdeverfahren liegen diese Voraussetzungen dann vor, wenn das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat. Da das Gesetz eine Nichtzulassungsbeschwerde jedenfalls in Unterhaltssachen nicht vorsieht, kann der von einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör betroffene Beteiligte sofort von der Möglichkeit des § 321a ZPO Gebrauch machen. Neben der Ausschöpfung aller Rechtsbehelfe setzt die Anwendung von § 321a 225 ZPO voraus, dass das Gericht den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 321a Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Diese gesetzliche Bestimmung bereitet in der Praxis nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kann nur ein Verstoß des Gerichts gegen das durch Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Recht auf rechtliches Gehör gerügt werden. Das schließt es aus, dass Verstöße gegen andere Grundrechte die Zulässigkeit der Anhörungsrüge rechtfertigen können. Dies sieht auch die überwiegende Mehrheit in Rechtsprechung und Schrifttum so.1 Dennoch wird auch die gegenteilige Ansicht vertreten und damit begründet, dass insoweit das Rechtsinstitut der Gegenvorstellung heranzuziehen sei.2 Am ehesten überzeugt 1 BGH, NJW 2008, 2126 (2127); BGH, NJW-RR 2009, 144; BFH, NJW 2007, 2576; Zöller/ Vollkommer, § 321a Rz. 3a; Musielak, § 321a Rz. 6. 2 BSG, 2006, 860; BGH, NJW-RR 2007, 1295; BFH, NJW 2006, 861; a.A. jetzt BFH, NJW 2008, 543; das BVerfG, NJW 2003, 829 (830), verneint zwar nicht die Zulässigkeit einer Gegenvorstellung, knüpft hieran aber nicht die Monatsfrist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde nach § 93 Abs. 1 BVerfGG.
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L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen
eine Lösung des Problems, die eine möglichst großzügige Auslegung des Begriffs des rechtlichen Gehörs zulässt. Verschiedene, das Prozessrecht prägende Verfassungsprinzipien, wie der Anspruch auf ein faires Verfahren und der Grundsatz der Waffengleichheit, lassen sich aus dem Begriff des rechtlichen Gehörs herleiten.1 226
Die Rüge muss schriftlich erhoben und an das Gericht adressiert werden, dessen Gehörsverletzung gerügt wird. Der Schriftsatz hat die substantiierte Darlegung zu enthalten, worin der betroffene Beteiligte die Gehörsverletzung erblickt und weshalb die Verletzung als entscheidungserheblich anzusehen ist. Die Frist beträgt zwei Wochen und beginnt im Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Verletzung des rechtlichen Gehörs. Das kann durch die Zustellung der Beschwerdeentscheidung geschehen, muss es aber nicht. Entscheidend ist vielmehr die subjektive Kenntnis des Betroffenen von der Verletzung des rechtlichen Gehörs.2
227
Das Gericht hat zunächst die Zulässigkeit und dann die Begründetheit der Rüge zu prüfen. Werden beide Fragen bejaht, hat das Gericht das Verfahren fortzusetzen, wobei es nicht darauf ankommt, ob es noch mit denselben Richtern besetzt ist, die ursprünglich entschieden haben. Der neu zu verhandelnde Teil beschränkt sich auf den Streitgegenstand, der von der Gehörsrüge betroffen ist (§ 321a Abs. 5 Satz 1 ZPO). In der neuen Entscheidung hat das Gericht darüber zu befinden, ob die bisherige Entscheidung aufrechterhalten wird.
228
Kommt das Gericht zum Ergebnis, dass die Rüge unbegründet sei, ist sie durch einen unanfechtbaren Beschluss zurückzuweisen.3 Der Beschluss ist kurz zu begründen.
IV. Rechtsbeschwerde 1. Zulassung der Rechtsbeschwerde als Voraussetzung der Statthaftigkeit 229
Nach § 70 Abs. 1 FamFG ist die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug zugelassen hat. Durch die Vorschrift werden sowohl Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit als auch Ehe- und Familienstreitsachen erfasst. In den letzteren Fällen ersetzt die Rechtsbeschwerde die Revision. Der Text von § 70 Abs. 1 FamFG ist insofern missverständlich, als – abgesehen von den durch Abs. 3 erfassten Fällen – daraus hergeleitet werden könnte, dass eine ausdrückliche gerichtliche Entscheidung stets für die Zulassung des Rechtsmittels erforderlich sei. Dies trifft indessen nicht zu, da gegen einen Verwerfungsbeschluss des Oberlandesgerichts wegen Unzulässigkeit der Beschwerde (§ 117 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) die Rechtsbeschwerde auch ohne Zulassung statthaft ist.4 Aus § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO lässt sich zwar die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nicht herleiten, weil hierauf im FamFG nicht verwiesen 1 Musielak, § 321a ZPO Rz. 6a; Stein/Jonas/Leipold, vor § 128 ff. ZPO Rz. 14, 113 ff. 2 BVerfG, NJW 2007, 2242; durch diese Entscheidung des BVerfG ist eine in Rechtsprechung und Schrifttum zuvor heftig umstritten gewesene Frage zu Gunsten der betroffenen Beteiligten gelöst worden, vgl. Schnabl, NJW 2007, 2244. 3 Musielak, § 321a ZPO Rz. 12. 4 Zöller/Feskorn, § 70 FamFG Rz. 16; Prütting/Helms/Feskorn, § 117 FamFG Rz. 73 mit Einschränkungen sowie mit Kritik am Gesetzgeber.
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IV. Rechtsbeschwerde
wird. Da § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG jedoch eine Verweisung auf § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO enthält, kann die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ohne Zulassung nicht in Zweifel gezogen werden. 2. Voraussetzungen der Zulassung Nach § 70 Abs. 2 FamFG ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Sache 230 entweder grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung durch den BGH als notwendig erscheinen lässt. Der Begriff „Fortbildung des Rechts“ ist erfüllt, wenn der Einzelfall Veranlassung bietet, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzuzeigen oder Gesetzeslücken zu schließen.1 Mit dem Begriff „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ wollte der Gesetzgeber nicht nur divergierende Entscheidungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, sondern auch solche Fälle erfassen, in denen das Vertrauen in die Rechtsprechung deshalb Schaden nehmen kann, weil der angefochtene Beschluss Fehler aufweist, die im Interesse einer geordneten Rechtsprechung nicht bestehen bleiben sollten. Dabei darf es sich allerdings nicht um Fehler im Einzelfall handeln, sondern der Fehler muss darüber hinausgehende symptomatische Bedeutung haben.2 An die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist der BGH gebunden (§ 70 Abs. 2 231 Satz 2 FamFG). 3. Form der Rechtsbeschwerde Die Rechtsbeschwerde ist durch einen Schriftsatz einzulegen, der den Beschluss, 232 gegen den das Rechtsmittel gerichtet wird und die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde, enthalten muss (§ 71 Abs. 1 FamFG). Die Rechtsbeschwerdeschrift ist zu unterschreiben; ihr soll eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift des angefochtenen Beschlusses beigefügt werden (§ 71 Abs. 1 Satz 3 FamFG). Die Unterschrift ist von einem beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt zu leisten. Für die in § 114 Abs. 3 FamFG aufgeführten Behörden und juristischen Personen des öffentlichen Rechts darf anstelle eines Rechtsanwalts ein Volljurist, der nicht Anwalt sein muss, auftreten (§ 114 Abs. 3 Satz 2 FamFG). 4. Beschwerdefrist Nach § 71 Abs. 2 Satz 1 FamFG ist die Rechtsbeschwerde binnen einer Frist von 233 einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. Hinsichtlich des Beginns der Frist kann auf die Ausführungen unter III Rz. 43 ff. verwiesen werden. Besonderheiten gelten nicht. Da die Fristen für die Einlegung der Rechtsbeschwerde – ebenso wie die für die 234 Begründung des Rechtsmittels – mit der schriftlichen Bekanntgabe gleichzeitig in Lauf gesetzt werden, kommen beide Fristen zum selben Zeitpunkt zum Ab-
1 BGH, NJW 2002, 3029; BGH, NJW-RR 2003, 132; BGH, NJW-RR 2003, 1074; BGH, NJW 2004, 289. 2 Zöller/Heßler, § 543 ZPO Rz. 13 f.
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schluss. Dies hat zur Folge, dass hinsichtlich der Rechtsbeschwerde die Begründungsfrist gegenüber der Beschwerde halbiert wird (Beschwerdebegründung: 2 Monate, § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG), ein Ergebnis, das zu Recht als wenig überzeugend bezeichnet worden ist.1 Zu korrigieren ist dies nur, wenn der Rechtsmittelführer von der Möglichkeit Gebrauch macht, eine Fristverlängerung zu beantragen (§ 71 Abs. 2 Satz 3 FamFG, § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 ZPO). Ferner ist zu beachten, dass es sich um getrennte Fristen handelt, so dass ein Wiedereinsetzungsantrag nicht ohne Weiteres beide Fristen erfassen muss. 5. Inhalt der Begründung der Rechtsbeschwerde 235
Die Anforderungen an die Begründung der Rechtsbeschwerde sind in § 71 Abs. 3 FamFG geregelt. Sie entsprechen denen der Revisionsbegründung (§ 551 Abs. 3 ZPO). Es muss somit angegeben werden, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts angefochten wird; in den Rechtsbeschwerdeantrag ist ferner aufzunehmen, dass der Beschluss des Oberlandesgerichts aufgehoben werden soll. Ferner sind die Gründe der Rechtsbeschwerde im Einzelnen aufzuführen.
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Durch § 72 FamFG wird – ebenfalls in Übereinstimmung mit dem Revisionsrecht – angeordnet, dass die Rechtsbeschwerde nur darauf gestützt werden kann, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht. Die Legaldefinition des Begriffs der Gesetzesverletzung in § 72 Abs. 1 Satz 2 FamFG ist § 546 ZPO entnommen worden. 6. Entscheidung über die Rechtsbeschwerde
237
Ist der BGH davon überzeugt, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht vorliegen und das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat, kann er ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss die Rechtsbeschwerde zurückweisen (§ 74a Abs. 1 FamFG). Die Beteiligten müssen unter Angabe der Gründe auf diese Absicht des Gerichts hingewiesen werden. Sie müssen die Gelegenheit haben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist hierzu Stellung zu nehmen (§ 74a Abs. 2 FamFG). Die Vorschrift beruht darauf, dass der BGH an die Zulassung des Rechtsmittels gebunden ist und deshalb die Möglichkeit haben soll, das durch § 74 FamFG grundsätzlich vorgeschriebene Verfahren nicht einzuhalten.
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Hält der BGH die Voraussetzungen des § 74a Abs. 1 FamFG nicht für gegeben, muss er in Unterhaltssachen grundsätzlich Termin anberaumen und aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden.2 Die Entscheidung ergeht aufgrund der in § 74 Abs. 4 FamFG enthaltenen Verweisung gemäß § 38 FamFG durch begründeten Beschluss. In besonderen Fällen kann auch auf die Begründung verzichtet werden.3 Aus Gründen der Prozessökonomie soll der BGH in der Sache selbst entscheiden, wenn diese entscheidungsreif ist.4 Fehlt es an der Entscheidungsreife, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht, bei Vorliegen besonderer Gründe, an das Familiengericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG). 1 2 3 4
Zöller/Feskorn, § 71 FamFG Rz. 6; Prütting/Helms/Abramenko, § 71 FamFG Rz. 16. Zöller/Feskorn, § 74a FamFG Rz. 1. Zöller/Feskorn, § 74 FamFG Rz. 6. Prütting/Helms/Abramenko, § 74 FamFG Rz. 29.
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V. Sofortige Beschwerde
Ist die Rechtsbeschwerde unbegründet, so ist sie durch einen Beschluss zurück- 239 zuweisen. Das gilt auch, wenn der angefochtene Beschluss zwar eine Rechtsverletzung enthält, die Entscheidung aber aus anderen Gründen richtig ist (§ 74 Abs. 2 FamFG).
V. Sofortige Beschwerde 1. Grundsätzliches Die Rechtsmittel der Beschwerde und der Rechtsbeschwerde richten sich aus- 240 schließlich gegen eine Endentscheidung der Gerichte im Sinne von § 38 Abs. 1 FamFG. Neben- und Zwischenentscheidungen sind im Allgemeinen nicht selbständig anfechtbar, sondern können, wenn überhaupt, nur zusammen mit der Hauptsachenentscheidung auf ihre Richtigkeit überprüft werden.1 Hiervon lässt das FamFG indessen Ausnahmen zu, indem an verschiedenen Stellen die Einlegung einer sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 ZPO vorgesehen ist. Dabei hat der Gesetzgeber eine kurze 14-tägige Beschwerdefrist, die Entscheidung durch den Einzelrichter sowie ein weitgehend entformalisiertes Rechtsmittelverfahren vorgeschrieben, in welchem auch neue Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen sind.2 2. Sofortige Beschwerde in Unterhaltsverfahren Das FamFG enthält keine eigenen Vorschriften zur Statthaftigkeit des Rechts- 241 mittels der sofortigen Beschwerde. Die Anfechtung von nicht instanzbeendenden Beschlüssen lässt sich aus der je- 242 weiligen Bezugnahme auf die ZPO herleiten. Damit soll gewährleistet werden, dass die Statthaftigkeit des Rechtsmittels gegen die auf der Grundlage der ZPO getroffenen Zwischen- und Nebenentscheidungen dieselbe ist wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten.3 Deshalb sind derartige Entscheidungen nach überwiegender Ansicht – entspre- 243 chend dem vor Inkrafttreten des FamFG geltenden Recht – grundsätzlich nicht mit dem Rechtsmittel der Beschwerde anfechtbar.4 Etwas anderes gilt dann, wenn das Gesetz eine abweichende Regelung enthält (§ 58 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 FamFG). Die Fälle, in denen durch sofortige Beschwerde in Unterhaltsstreitigkeiten Zwischen- und Nebenentscheidungen isoliert anfechtbar sind, weil dies im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist, sind unter II. 2. (Rz. 5) zusammengestellt worden. Hierauf wird Bezug genommen. Fehlt im Gesetz eine solche Verweisung auf die §§ 567 ff. ZPO, ist ein Rechtsmittel nicht zulässig. Dies ist im Gesetz zum Teil ausdrücklich angeordnet worden.5 Enthält das Gesetz hinsichtlich einer Zwischen- oder Nebenentscheidung keine Regelung über deren Anfechtung, kommt eine solche nicht in Betracht.6 Allerdings begründet der BGH in einigen Fällen die Zulassung der sofortigen Beschwerde u.a. damit, dass 1 2 3 4
BT-Drucks. 16/6308, S. 203; Prütting/Helms/Abramenko, § 58 FamFG Rz. 17. BT-Drucks. 16/6308, S. 203. BT-Drucks. 16/6308, S. 203. OLG Köln, FamRZ 2011, 397; Zöller/Feskorn, ZPO, 29. Aufl., § 58 Rz. 8; BT-Drucks. 16/6308, S. 203. 5 Zöller/Feskorn, ZPO, 30. Aufl., § 58 Rz. 10. 6 OLG Frankfurt, FamRZ 2013, 1672.
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L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen
der Gesetzgeber Ehe- und Familienstreitigkeiten weitergehend den Verfahrensmaximen der ZPO unterstellen wollte und ein Gleichklang im Rechtsmittelsystem zwischen nichtstreitigen Familiensachen einerseits und Ehe- und Familienstreitsachen andererseits hergestellt werden sollte.1 Dem OLG Frankfurt2 ist aber darin zu folgen, dass jedenfalls generell die Statthaftigkeit einer sofortigen Beschwerde davon abhängt, dass das Gesetz eine Verweisung auf die §§ 567 ff. ZPO enthält. Ob im Übrigen der BGH generell in den genannten Entscheidungen die Zulässigkeit einer sofortigen Beschwerde bejahen wollte, ist mehr als zweifelhaft.3 244
Unklar ist, ob – entsprechend § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO – die sofortige Beschwerde bei dem erstinstanzlichen Gericht oder dem Beschwerdegericht einzulegen ist oder ob – wie in § 64 Abs. 1 FamFG vorgesehen ist – eine Zuständigkeit des Familiengerichts begründet werden sollte.4 Tätig geworden ist der Gesetzgeber indessen nur im Bereich der Beschwerde; durch das Gesetz zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess vom 5.12.20125 ist die Vorschrift des § 64 Abs. 1 durch einen Satz 2 ergänzt worden, nach dem Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde bei dem Gericht einzulegen sind, dessen Entscheidung angefochten werden soll.
245
Diese Ergänzung des Gesetzes lässt sich jedoch auf die sofortige Beschwerde gegen Neben- und Zwischenentscheidungen schon deshalb nicht übertragen, weil das FamFG keine grundsätzliche Regelung für eine sofortige Beschwerde enthält. Zudem war dem Gesetzgeber das Problem bekannt.6 § 64 Abs. 1 FamFG ist deshalb nicht anzuwenden. a) Sofortige Beschwerde gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe
246
Zu den Fällen, in denen auf die ZPO Bezug genommen wird, gehören Entscheidungen über die Verfahrenskostenhilfe. Wie schon nach dem zuvor geltenden Recht sind die Oberlandesgerichte auch seit der Geltung des FamFG mit diesem Komplex am häufigsten beschäftigt. Für Unterhaltsstreitverfahren bestimmt § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG, dass die §§ 76–78 FamFG nicht anzuwenden sind, und § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG verweist auf die entsprechende Anwendung der Allgemeinen Vorschriften der ZPO (Buch 1 der ZPO, §§ 1–252), zu denen die Regelungen über die Prozesskostenhilfe in den §§ 114–127 ZPO gehören. Dabei tritt nach § 113 Abs. 5 FamFG an die Stelle der Bezeichnung „Prozesskostenhilfe“ die Bezeichnung „Verfahrenskostenhilfe“. Nach § 127 Abs. 2 ZPO sind Entscheidungen, durch die Verfahrenskostenhilfe ganz oder teilweise abgelehnt wird, mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.
1 2 3 4
BGH, FamRZ 2011, 1138; 2011, 1933 (1935). FamRZ 2013, 1672. Vgl. BGH, FamRZ 2012, 619. Vgl. Schürmann, FamRB 2009, 24 (30), der eine Klarstellung durch den Gesetzgeber für wünschenswert hält. 5 BGBl. I 2012 Nr. 57, S. 2418. 6 Gutjahr im Verfahrenshandbuch über die Verfahrenskostenhilfe, 2. Aufl., Rz. 78, hatte für den Fall der Anfechtung eines Beschlusses über die Verfahrenskostenhilfe die Einlegung des Rechtsbehelfs beim Familiengericht empfohlen. Dem hat der Gesetzgeber entsprochen, für die sofortige Beschwerde hingegen nicht.
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V. Sofortige Beschwerde
Die Beschwerdefrist beträgt – abweichend von § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO – statt 247 zwei Wochen einen Monat, um dem bedürftigen Antragsteller annähernd gleiche Voraussetzungen zu verschaffen, die derjenige hat, der nicht auf Verfahrenskostenhilfe angewiesen ist.1 Der Lauf der Frist beginnt für den Antragsteller mit der Zustellung der ablehnenden Entscheidung (§§ 329 Abs. 2 Satz 2, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO), spätestens nach dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Beschlusses.2 Hat keine Verkündung stattgefunden, beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des 248 Beschlusses.3 Ist der Beschluss weder verkündet noch zugestellt worden, läuft keine Beschwerdefrist.4
Û
Praxishinweis: Es empfiehlt sich, die sofortige Beschwerde stets beim Amts- 249 gericht einzulegen, da dies zur Beschleunigung des Verfahrens führt. Einmal hat dieses nach § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO darüber zu entscheiden, ob es dem Rechtsmittel abhelfen will (§ 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Abhilfemöglichkeit wird nicht durch § 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG ausgeschlossen, weil diese Bestimmung nur den Fall einer Beschwerde gegen eine Endentscheidung erfasst. Geschieht das, ist das Beschwerdeverfahren erledigt. Anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen.
Eine sofortige Beschwerde ist nicht zulässig, wenn die erste Instanz VKH wegen 250 fehlender Erfolgsaussicht abgelehnt hat und der Streitwert der Hauptsache 600,00 Euro nicht übersteigt (§ 127 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO). Maßgebend ist dabei der Wert der gesamten Hauptsache. Im Hinblick auf die Bestimmung des Streitwerts in Unterhaltssachen wird die Zulässigkeit eines Rechtsmittels kaum einmal scheitern (vgl. die Ausführungen unter Rz. 24). Die sofortige Beschwerde ist – unabhängig vom Streitwert der Hauptsache – immer zulässig, wenn der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nur mit der Begründung abgelehnt worden war, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers eine Bewilligung nicht zuließen. Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift eingelegt 251 (§ 569 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt werde. Das Rechtsmittel soll begründet werden (§ 571 Abs. 1 ZPO). Auch wenn dies nicht zwingend erforderlich ist,5 sollte dem Rechtsmittel zu entnehmen sein, welches Ziel der Beschwerdeführer erreichen will und in welchen Punkten er die Entscheidung der Vorinstanz für unrichtig hält. Danach ergeht die Abhilfeentscheidung durch das Familiengericht, bei der auch neues Vorbringen berücksichtigt werden kann (§ 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Wird der Beschwerde abgeholfen, ergeht ein entsprechender Beschluss, der nicht begründet werden muss.
1 Musielak/Borth, § 76 FamFG Rz. 4. 2 Musielak/Fischer, § 127 ZPO Rz. 17; BGH, FamRZ 2006, 939 (940); Zöller/Geimer, § 127 ZPO Rz. 6; Gutjahr, Verfahrenshandbuch, § 1, IV Rz. 77. 3 Zöller/Geimer, § 127 ZPO Rz. 31; Zöller/Heßler, § 569 ZPO Rz. 4; OLG Hamm, FamRZ 2006, 1551 f. 4 Zöller/Geimer, § 127 ZPO Rz. 31; Büttner, FPR 2002, 499; Götsche, FamRZ 2009, 383 (388). 5 Gutjahr, Verfahrenshandbuch, § 1, IV Rz. 86.
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L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen
252
Bei teilweiser oder vollständiger Ablehnung der Abhilfe, sind die Akten dem Oberlandesgericht vorzulegen. Dieses entscheidet grundsätzlich durch den Einzelrichter (§ 568 ZPO). Der Einzelrichter hat eine umfassende Prüfungsbefugnis. Sie erstreckt sich darauf, ob das Familiengericht zu Recht die Verfahrenskostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit oder mangelhafter Erfolgsaussicht zutreffend abgelehnt hat1. Hält das Beschwerdegericht die erstinstanzliche Entscheidung für richtig, weist es das Rechtsmittel durch begründeten Beschluss zurück.
253
Hiergegen ist Rechtsbeschwerde nur dann zulässig, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Die Zulassung darf nicht vom Einzelrichter ausgesprochen, sondern muss dem gesamten Spruchkörper übertragen werden.2
254
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt nur in Betracht, wenn es um Fragen der Verfahrenskostenhilfe oder der persönlichen Voraussetzungen der Bewilligung geht.3
255
Diese Einschränkung ist vom BGH nach Einführung der Rechtsbeschwerde (2001) entwickelt worden. In Rechtsstreitigkeiten, in denen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe davon abhängt, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten, wurde die Zulassung der Rechtsbeschwerde dagegen verneint.4
256
In der Vergangenheit war streitig, worauf sich die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde gründet, denn die Rechtsbeschwerde ist sowohl in den §§ 70–75 FamFG als auch in den §§ 574–577 geregelt und § 113 Abs. 1 FamFG verweist nicht explizit auf die Rechtsmittelvorschriften der ZPO. Im Schrifttum ist deshalb zum Teil die Auffassung vertreten worden, dass die Statthaftigkeit einer Rechtsbeschwerde gegen eine Entscheidung in Verfahrenskostenhilfesachen sich seit Inkrafttreten des FamFG einheitlich nach den §§ 70 ff. FamFG richte.5
257
Auch der BGH hatte anfangs die Ansicht geäußert, dass § 70 FamFG Grundlage der Anfechtung einer Beschwerdeentscheidung in einer Zwischen- oder Nebenentscheidung sei.6 Die Entscheidungen enthalten keine Begründung für die Anwendung von § 70 FamFG, was auch im Schrifttum kritisiert worden ist.
258
Obwohl der BGH in dem Beschluss vom 18.5.2011 – XII ZB 265/10 – FamRZ 2011, 1138 die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde noch ohne Begründung auf § 70 FamFG stützt, hat er dann aber entschieden, dass sich das Rechtsmittel gegen die Zurückweisung eines Verfahrenskostenhilfeantrages – wie vor Inkrafttreten des FamFG – nach den §§ 567–572 ZPO richte.7
259
Nach § 127 Abs. 2 ZPO finde gegen andere als die Prozesskostenhilfe bewilligende Entscheidungen die sofortige Beschwerde statt. Dass im FamFG auf die zuge1 2 3 4
Zöller/Geimer, § 127 ZPO Rz. 36. Zöller/Heßler, § 574 ZPO Rz. 9b. BGH, FamRZ 2004, 1633 f.; BGH, FamRZ 2007, 1720 (1721). BGH, NJW 2003, 1126 = FamRZ 2003, 671; BGH, FamRZ 2004, 1633; BGH, NJW-RR 2005, 1018; BGH, VersR 2006, 718. 5 Götsche, FamRZ 2009, 383 (388); Bruns, FamFR 2009, 33 (37). 6 BGH, FamRZ 2010, 1425 Tz. 3; BGH, FamRZ 2011, 1138 Tz. 6; beide Entscheidungen stammen vom XII. Zivilsenat, die zweite betrifft VKH in einer Unterhaltssache. 7 BGH, FamRZ 2011, 1138.
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V. Sofortige Beschwerde
hörigen Vorschriften der §§ 567 ff. ZPO nicht verwiesen worden sei, beruhe ersichtlich auf einem redaktionellen Versehen des Gesetzgebers. Denn durch das FamFG seien die Familienstreitsachen weitergehend den Verfahrensmaximen der ZPO unterstellt worden. Selbst in den Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit seien durch § 76 Abs. 2 FamFG Verfahren der Verfahrenskostenhilfe die §§ 567–572 ZPO für anwendbar erklärt worden. Nach dem Gesamtinhalt dieser Entscheidung steht fest, dass durch das FamFG 260 sich nichts am Verfahrenskostenhilfeverfahren geändert hat. Das hat der XII. Zivilsenat inzwischen nochmals dadurch bestätigt, dass er seine ursprünglich vertretene Auffassung, § 70 FamFG könne Grundlage der Anfechtung einer Nebenoder Zwischenentscheidung sein, ausdrücklich aufgegeben hat.1 Damit ist die Rechtslage endgültig geklärt. Eine Rechtsbeschwerde ist in Unterhaltssachen nur dann zulässig, wenn das Beschwerdegericht sie nach § 574 Abs. 1 S. 2 ZPO zugelassen hat. Eine Zulassung nach § 574 Abs. 1 S. 1 ZPO entfällt, weil eine entsprechende gesetzliche Bestimmung fehlt. Die Staatskasse ist am Verfahren der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe 261 nicht beteiligt. Nach den §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 127 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 ZPO kann sie die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe mit der sofortigen Beschwerde angreifen, wenn sie geltend machen will, dass der armen Partei Anwaltskosten hätten auferlegt oder aus dem Vermögen zu zahlende Beträge hätten festgesetzt werden müssen. In der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum war lange umstrit- 262 ten, ob der Staatskasse gegen eine Entscheidung des Gerichts nach § 120 Abs. 4 ZPO a.F. ein Beschwerderecht gemäß § 120 Abs. 3 ZPO zusteht. Die Vorschrift des § 120 Abs. 4 ist durch die PKH-Reform von 2013 entfallen (vgl. Kap. K zur geänderten VKH bei zuvor ratenfrei bewilligter oder gegen Aufhebung einer zuvor angeordneten Zahlungspflicht). Auf Grund der Entscheidung des XII. Zivilsenats des BGH vom 8.5.2013 – XII ZB 282/122 – steht indessen nunmehr fest, dass ein Beschwerderecht der Staatskasse gegen alle Entscheidungen des Gerichts, die von einem Unvermögen der Beteiligten ausgeht, die Kosten des Verfahrens aufzubringen, besteht. b) Weitere Fälle der sofortigen Beschwerde in Unterhaltssachen Die sofortige Beschwerde gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe ist 263 zwar der Fall, der die Familiengerichte am häufigsten beschäftigt, daneben kommen aber noch weitere Zwischen- und Nebenentscheidungen in Betracht, aufgrund deren ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zulässig ist. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um – die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss, durch den das gegen einen Richter gerichtete Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt wird (§ 46 ZPO), – die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung, durch die die Aussetzung des Verfahrens angeordnet oder abgelehnt wird (§ 252 ZPO), 1 BGH, FamRZ 2012, 619. 2 BGH, NJW-RR 2012, 441 = FamRB 2013, 321 m. Anm. Nickel = FuR 2013, 585 m. Anm. Soyka.
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L. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen
– die sofortige Beschwerde gegen einen Beschluss, durch den ein Ordnungsmittel gegen einen Beteiligten wegen Nichterscheinens festgesetzt wird (§ 141 Abs. 3 ZPO), – die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung wegen eines Schreibfehlers, eines Rechnungsfehlers oder ähnlicher offenbarer Unrichtigkeiten der Endentscheidung zurückgewiesen worden ist (§ 319 Abs. 3 ZPO). 264
Dagegen ist ein Beschluss, durch den eine Ergänzung einer Endentscheidung ausgesprochen wird, zwar in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar (§ 42 Abs. 3 Satz 2 FamFG). In Eheund Familienstreitsachen gilt zur Anwendung von § 113 Abs. 1 FamFG die Vorschrift des § 319 ZPO.1 c) Rechtsmittel gegen isolierte Kostenentscheidungen
265
Vor Inkrafttreten des FamFG war die isolierte Anfechtung einer Kostenentscheidung generell nicht zulässig; eine Überprüfung kam nur in Betracht, wenn sich das Rechtsmittel zugleich gegen die Hauptsache gerichtet hat (§§ 99 Abs. 1 ZPO, 20a FGG). Durch das FamFG ist in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit das Kostenrecht in den §§ 80 ff. ZPO neu geregelt worden. Dabei hat der Gesetzgeber eine dem § 20a FGG a.F. entsprechende Regelung bewusst nicht getroffen, um das Verbot einer Anfechtung der isolierten Kostenentscheidung insoweit aufzuheben.2
266
Die Auswirkungen dieser Neuregelungen auf die Kostenentscheidung in Eheund Familienstreitsachen, insbesondere die Frage, nach welchen Rechtsvorschriften sich die isolierte Anfechtung einer Kostenentscheidung und die Anfechtung einer isolierten Kostenentscheidung im Unterhaltsstreitverfahren richtet, sind in den ersten Jahren sowohl in der obergerichtlichen Rechtsprechung, als auch im Schrifttum heftig umstritten gewesen.
267
Durch die Entscheidung des BGH vom 28.9.2011 – XII ZB 2/113 ist jetzt eine Klärung aller Streitfragen eingetreten. Unter Abwägung der ausgetauschten Argumente hat sich der BGH dafür ausgesprochen, dass isolierte Kostenentscheidungen in Ehe- und Familienstreitsachen, die nach streitloser Regelung der Hauptsache notwendig werden, mit der sofortigen Beschwerde anzufechten sind (§§ 567 ff. ZPO).
268
Dies begründet der BGH mit einer systematischen Auslegung, die für eine entsprechende Anwendung der ZPO-Vorschriften und damit für die sofortige Beschwerde als das statthafte Rechtsmittel gegen isolierte Kostenentscheidungen spreche. Die Anwendung der ZPO-Vorschriften folge auch daraus, dass das Gesetz in Unterhaltsstreitverfahren abweichend von den allgemeinen Kostenvorschriften im FamFG (§ 80 FamFG mit § 243 FamFG) eine spezielle Kostenregelung hat und im Übrigen auf die allgemeinen Vorschriften der ZPO verwiesen
1 Zöller/Feskorn, § 42 FamFG Rz. 1. 2 BT-Drucks. 16/6308, S. 168; Prütting/Helms/Feskorn, § 81 FamFG Rz. 32. 3 BGH, FamRZ 2011, 1933 m. Anm. Schlünder, S. 1936 = NJW 2011, 3654 = MDR 2011, 1439.
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V. Sofortige Beschwerde
hat. Ferner fänden sich im FamGKG Regelungen, die auf die §§ 91a Abs. 2, 99 Abs. 2 und 269 Abs. 5 ZPO Bezug nähmen, was nur sinnvoll sei, wenn diese Rechtsmittel auch zulässig seien. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Familienstreitverfahren weitgehend den Verfahrensmaximen der ZPO habe unterstellen wollen.1 Im Schrifttum hat die Entscheidung des BGH Zustimmung gefunden2, aller- 269 dings nur im Ergebnis. Einzelne Punkte der Begründung sind heftig kritisiert worden. Für die Praxis ist wesentlich, dass die unhaltbare Unklarheit durch die Entscheidung des BGH beseitigt worden ist. Zu beachten ist allerdings, dass zwischen der sofortigen Beschwerde gegen eine 270 Kostenentscheidung, auf die sich die vorstehenden Ausführungen beziehen, und einer Kostenentscheidung, die zusammen mit der Hauptsache ergangen ist, unterschieden werden muss. Beabsichtigt der in der Hauptsache unterlegene Beteiligte, nur die Kostenentscheidung mit einem Rechtsmittel anzugreifen, stehen dem die Vorschriften der §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 99 Abs. 1 ZPO entgegen.3 Fraglich bleibt, ob – entsprechend der Vorschrift des § 61 Abs. 1 FamFG – der 271 Wert des Verfahrensgegenstandes 600 Euro überschreiten muss, um die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen eine isolierte Kostenentscheidung zu begründen. Bömelburg4 entnimmt der Entscheidung des BGH vom 28.11.2011, dass die Mindestbeschwer – entsprechend der Vorschrift des § 57 Abs. 2 FamGKG – bei 200,01 Euro und nicht bei 600 Euro liegt. Dieses Resultat ist allerdings bereits aus § 567 Abs. 2 ZPO herzuleiten, weil danach gegen Entscheidungen über Kosten die Beschwerde nur zulässig ist, wenn der Wert der Beschwer des Gegenstandes 200 Euro übersteigt.5 Im Hinblick auf diese Stellungnahme des Gesetzgebers sollte die Zulässigkeit der Anfechtbarkeit einer isolierten Kostenentscheidung in Unterhaltssachen bejaht und als das zulässige Rechtsmittel die sofortige Beschwerde angesehen werden. Allerdings stellt sich dann die weitere Frage, ob bei einer Anfechtung einer iso- 272 lierten Kostenentscheidung mit der sofortigen Beschwerde die Mindestbeschwer nach § 57 Abs. 2 FamGKG bei 200,01 Euro anzunehmen ist oder ob § 61 Abs. 1 FamFG gilt (600 Euro). Im Schrifttum ist dies streitig.6 Logisch ist die Anwendung von § 57 Abs. 2 FamGKG, wenn die Rechtsgrundlage für die Anfechtung der isolierten Kostenentscheidung nicht aus § 58 Abs. 1 FamFG hergeleitet wird.
1 BGH, FamRZ 2011, 1933 Rz. 14 ff. 2 Schlünder, FamRZ 2011, 1936; Streicher, FamRZ 2012, 749 (761); Prütting/Helms/Bömelburg, § 243 FamFG Rz. 32, 32a; OLG Hamm, FamRZ 2012, 1829, LS. 3 Schlünder, FamRZ 2011, 1936; Streicher, FamRZ 2011, 509 (521 ff.). 4 Prütting/Helms/Bömelburg, § 243 FamFG Rz. 33. a.A. unter Hinweis auf OLG- Entscheidungen Büte, FamFR 2013, 505 (507); 600 E. 5 Wendl/Dose/Schmitz, § 10 Rz. 602; Hoppenz/Herr, § 243 FamFG Rz. 6; FA-FamR/Geißler Kap. 1 Rz. 740 und 741. 6 Vgl. Bömelburg, FPR 2010, 153, 158.
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen Inhaltsübersicht Rz. I. Auswirkungen des FamFG auf das Zwangsvollstreckungsverfahren . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vollstreckungsschutz bei Endentscheidungen nach § 120 Abs. 2 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vollstreckungsschutzantrag nach § 120 Abs. 2 S. 2 FamFG. . c) Nicht zu ersetzender Nachteil . d) Vollstreckungsschutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anwaltszwang . . . . . . . . . . . . . . 3. Vollstreckungsrechtliche Auswirkungen abändernder oder aufhebender Beschlüsse (§ 120 Abs. 1 FamFG, §§ 775 und 717 Abs. 3 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vollstreckungsrechtsbehelfe . . . . . 5. Rechtsbehelfsbelehrung . . . . . . . . . 6. Terminologie in der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen der Zwangsvollstreckung . 1. Arten der Zwangsvollstreckung . . 2. Vollstreckungsorgane . . . . . . . . . . . a) Gerichtsvollzieher . . . . . . . . . . . b) Vollstreckungsgericht . . . . . . . . c) Verfahrensgericht . . . . . . . . . . . . 3. Antrag auf Einleitung der Zwangsvollstreckung. . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzung: Titel, Zustellung, Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwaltszwang als Ausnahme . 4. Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Vollstreckungstitel als Grundlage der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übersicht der Vollstreckungstitel . 2. Genaue Bezeichnung der Parteien des Vollstreckungsverfahrens . . . . 3. Bestimmtheit des Tenors des Titels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auslegung des Titels . . . . . . . . . c) Beispiele zu den Anforderungen an die Bestimmtheit der Tenorierung im Vollstreckungstitel . aa) Zahlungstitel . . . . . . . . . . . .
Rz. bb) Dynamische Unterhaltstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Titel auf Vornahme von Handlungen . . . . . . . . . . . . . . dd) Vorlage von Belegen . . . . . . . ee) Beschlüsse nach § 235 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Bestimmtheit der Leistungspflicht bei mehreren Schuldnern bzw. Gläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 3 3 6 12 14 16
18 21 22 25 29 29 30 31 35 37 38 39 40 41
42 42 44 45 45 46 49 49
62 65 72 74
76
IV. 1. 2. 3. 4.
Die Vollstreckungsklausel . . . . . . . 79 Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Einfache Vollstreckungsklausel . . . 99 Qualifizierte Vollstreckungsklausel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Titelergänzende Klausel . . . . . . . 104 b) Titelübertragende Klausel . . . . . 108 aa) Voraussetzungen der Erteilung der Klausel . . . . . . . . . . 110 bb) Titelübertragende Klauseln bei gesetzlichem Forderungsübergang (§ 94 SGB XII, § 33 SGB II, § 7 UVG, § 7 BAföG) . . . . . . . . . 115 5. Antrag auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung (§ 733 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . 122 6. Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen über die Erteilung der Vollstreckungsklausel . . . . . . . . . . . . . . 123
V. Die Zustellung des Vollstreckungstitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 VI. Weitere Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . 127 1. Eintritt eines Kalendertages . . . . . . 127 2. Fristen für den Beginn der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 VII. Die Vollstreckungsmöglichkeiten bei einem Titel auf Zahlung von Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 1. Kriterien für die Auswahl der Vollstreckungsart . . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Die Mobiliarvollstreckung (Verfahren, Durchführung) . . . . . . . . . . 140 3. Die Immobiliarvollstreckung (Verfahren, Durchführung) . . . . . . . 148
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen Rz. 4. Die Pfändung und Überweisung von Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sicherung der Zwangsvollstreckung durch Vorpfändung . . . . . . . a) Zweck der Vorpfändung . . . . . . b) Voraussetzungen der Vorpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Durchführung der Vorpfändung d) Wirkungen der Vorpfändung . . . e) Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . 6. Sicherung der Zwangsvollstreckung durch Eintragung einer Sicherungshypothek . . . . . . . . . . . . . VIII. Pfändungsschutz bei der Pfändung von Arbeitseinkommen (Begriff des Arbeitseinkommens) . . . . . . . . 1. Pfändung von Arbeitseinkommen a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . b) Begriff des Arbeitseinkommens (§ 850 ZPO). . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pfändungsschutz bei Vollstreckung in Arbeitseinkommen . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . b) Der Kreis der privilegierten Unterhaltsgläubiger. . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätzliches. . . . . . . . . . bb) Rangfolge der Unterhaltsberechtigten (§ 850d Abs. 2 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zugehörigkeit zum unpfändbaren Einkommen . . . c) Notwendiger Unterhaltsbedarf im Sinne von § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zu berücksichtigende Unterhaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . e) Begrenzung des Freibetrages des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . f) Die Vorratspfändung (§ 850d Abs. 3 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Pfändungsschutz für Kontoguthaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zweck der Einführung eines Pfändungsschutzkontos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Aufstockung des Basispfändungsschutzes . . . . . . . . . . . dd) Begründung des Pfändungsschutzkontos . . . . . . . . . . . . ee) Das Problem des „Monatskontos“ . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Rz.
157 172 172 174 175 177 180 183
188 188 188 192
h) i)
196 196 198 198 201 206 212 220 231 238 240 240 244 245 246 255
j) k) l)
ff) Festsetzung des pfändungsfreien Betrages . . . . . . . . . . . . 261 gg) Pfändung durch mehrere Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . 271 hh) Anwendung der Vorschrift des § 765a ZPO . . . . . . . . . . . 272 ii) Gebühren für Errichten und Führung eines P-Kontos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 jj) Zusammenstellung der Tätigkeit des Vollstreckungsgerichts im Fall des § 850k ZPO . . . . . . . . . . . . . 277a kk) Unpfändbarkeit von Kontoguthaben auf dem Pfändungsschutzkonto (§ 850l ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 Änderungen des unpfändbaren Betrags (§ 850f ZPO) . . . . . . . . . . 285 Pfändungsschutz bei sonstigen Vergütungen (§ 850i ZPO) . . . . . 294 aa) Grundsätzliches . . . . . . . . . . 294 bb) Abgrenzung zum Arbeitseinkommen . . . . . . . . . . . . . . 296 Pfändung verschleierten Arbeitseinkommens (§ 850h ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Pfändung von Sozialleistungen . 308 Berechnung des pfändbaren Einkommens (§ 850e ZPO) . . . . 315
IX. Pfändung der Altersvorsorge von Freiberuflern und Selbständigen . . 317 X. Rechtsbehelfe gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 XI. Änderung der Unpfändbarkeitsvoraussetzungen (§ 850g ZPO) . . . . 323 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . 323 2. Voraussetzungen der Änderung . . . 324 3. Gang des Verfahrens . . . . . . . . . . . . 326 XII. Die Zwangsvollstreckung aus einem Titel auf Auskunft und/oder auf Vorlage von Belegen . . . . . . . . . 332 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . 332 2. Das Zwangsgeldverfahren nach § 888 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 3. Das Verfahren nach Überweisungsbeschluss (§ 883 ZPO) . . . . . . 341 4. Das Verfahren auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (§ 889 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
I. Auswirkungen des FamFG auf das Zwangsvollstreckungsverfahren
I. Auswirkungen des FamFG auf das Zwangsvollstreckungsverfahren 1. Einleitung In Familienstreitsachen folgt die Vollstreckung auch nach Inkrafttreten des 1 FamFG gemäß § 120 Abs. 1 FamFG nach den Vorschriften der ZPO über die Zwangsvollstreckung (§§ 704 bis 898 ZPO). Allerdings ergeben sich vor allem aus der Neuregelung der sofortigen Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit von Endentscheidungen in § 120 Abs. 2 FamFG bedeutsame Änderungen. Die wichtigsten Änderungen im Überblick:
2
– Endentscheidungen sind Beschlüsse (nicht mehr Urteile), die sofort vollstreckbar sind, sofern ihre sofortige Wirksamkeit angeordnet ist, §§ 120 Abs. 2, 116 Abs. 2 S. 2 und S. 3 FamFG.1 – Schuldnerschutzmaßnahmen sind die vollständige Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung. Sie richten sich nach § 120 Abs. 2 FamFG i.V.m. §§ 707 Abs. 1, 719 Abs. 1 ZPO. Die §§ 708 bis 713 ZPO gelten nicht mehr, die §§ 714 bis 720a ZPO nur mit Einschränkungen. – Schuldnerschutzmaßnahmen nach § 120 Abs. 2 FamFG i.V.m. §§ 707 Abs. 1, 719 Abs. 1 ZPO werden nur auf Antrag angeordnet. – Der Schuldner hat einen ihm drohenden, nicht zu ersetzenden Nachteil glaubhaft zu machen. – Entscheidungen über einen Antrag nach § 120 Abs. 2 FamFG sind nicht anfechtbar (§ 120 Abs. 1 FamFG i.V.m. den §§ 707 Abs. 2 Satz 2, 719 Abs. 1 Satz 1 ZPO).2 – Die Zwangsvollstreckung aus einem Titel wird grundsätzlich nur auf Antrag des Gläubigers eingeleitet. – Anträge an den Gerichtsvollzieher und das Vollstreckungsgericht unterliegen nicht dem Anwaltszwang. Anwaltszwang besteht hingegen, wenn das Verfahrensgericht (Familiengericht) als Vollstreckungsgericht tätig werden soll (§ 114 Abs. 1 FamFG), also wenn die Zwangsvollstreckung aus einem Titel auf Auskunftserteilung und/oder auf Vorlage von Belegen beantragt wird. Für Anträge auf Erteilung der Vollstreckungsklausel sowie Anträge gegen die Vollstreckungsklausel, die vom Rechtspfleger bearbeitet werden, besteht kein Anwaltszwang. – Titel, aus denen die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann, sind: – Beschlüsse nach § 38 FamFG (§ 116 Abs. 1 FamFG), Teilbeschlüsse (z.B. bei Verpflichtungen auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (§§ 888, 889 ZPO); – die in § 794 ZPO aufgeführten Titel, zu denen auch ein Anwaltsvergleich (§ 794 Abs. 1 Ziffer 4b) gehört, Urkunden des Jugendamts nach den §§ 59, 60 SGB VIII; – einstweilige Anordnungen, durch die die Zahlung von Unterhalt oder eines Kostenvorschusses geregelt sowie Unterhalt vor Geburt eines Kindes und 1 Prütting/Helms/Bömelburg, § 231 FamFG Rz. 28. 2 Prütting/Helms, § 120 FamFG Rz. 11; Griesche, FamRB 2009, 258 (263); a.A. SchulteBunert, Rz. 10 zu § 120: entsprechende Anwendung der §§ 732, 796, 793 ZPO.
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
bei Feststellung der Vaterschaft festgesetzt werden kann (§§ 246, 247, 248 FamFG); – Festsetzungsbeschlüsse im vereinfachten Verfahren für den Unterhalt Minderjähriger (§ 253 FamFG). 2. Vollstreckungsschutz bei Endentscheidungen nach § 120 Abs. 2 FamFG a) Systematik 3
Aufgrund der Regelung des § 120 Abs. 2 S. 1 ZPO sind Endentscheidungen in Unterhaltsstreitsachen mit ihrer Wirksamkeit vollstreckbar. Allerdings tritt die Wirksamkeit erst mit der Rechtskraft ein.
4
Um dem Gläubiger dennoch eine möglichst baldige Vollstreckung zu ermöglichen, hat der Gesetzgeber in § 116 Abs. 3 S. 2, 3 FamFG vorgesehen, die sofortige Wirksamkeit anzuordnen; in Unterhaltssachen soll dies sogar geschehen. Dadurch wird dem Gläubiger, der auf die vom Familiengericht zuerkannten Unterhaltsleistungen dringend angewiesen ist, die Möglichkeit geschaffen, die Vollstreckung sofort einzuleiten (s. dazu Kap. K, Rz. 253 ff.).
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Auf der anderen Seite bedurfte es einer Regelung des Schuldnerschutzes, um auch dessen Interessenlage zu berücksichtigen. Gegenüber der erstinstanzlichen Zuerkennung von Unterhalt hat der Schuldner nach § 120 Abs. 2 S. 2 FamFG das Recht, einen Antrag auf Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung zu stellen. In den Fällen des § 707 Abs. 1 ZPO (Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Wiederaufnahme des Verfahrens, Gehörsrüge nach § 321a ZPO) kann die Vollstreckung unter denselben Voraussetzungen eingestellt oder beschränkt werden (§ 120 Abs. 2 S. 3 FamFG). Das Gleiche gilt nach § 120 Abs. 2 S. 3 FamFG für den Fall der Einlegung einer Beschwerde oder eines Einspruchs (§ 719 Abs. 1 ZPO). b) Vollstreckungsschutzantrag nach § 120 Abs. 2 S. 2 FamFG
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Dass der Vollstreckungsschutzantrag nach § 120 Abs. 2 S. 2 FamFG vor Erlass der erstinstanzlichen Endentscheidung gestellt werden sollte, bedarf keiner näheren Begründung. Umstritten ist indessen, ob der Antrag, wenn er in der ersten Instanz nicht gestellt worden ist, noch im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden kann. Zum Teil wird von den OLG und auch im Schrifttum eine solche Möglichkeit verneint.1 Begründet wird dies vor allem damit, dass kein Raum mehr für eine Prüfung der inhaltlichen Voraussetzungen einer Einstellung der Zwangsvollstreckung in der zweiten Instanz bestehe, wenn sich die Sach- und Rechtslage gegenüber der ersten Instanz nicht geändert habe.
7
Mehrheitlich wird dagegen angenommen, dass der Antrag nach § 120 Abs. 2 S. 2 FamFG auch dann noch gestellt werden könne, wenn der Schuldner in der ersten Instanz von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe. Begründet wird dies einmal damit, dass der Unterhaltspflichtige vor Abschluss der ersten Instanz nicht beurteilen könne, ob und in welcher Höhe er zu Unterhaltszahlungen verpflichtet werden wird. Außerdem wird angenommen, dass die revisi1 OLG Hamm, FamRZ 2011, 1678; OLG Frankfurt, FamRZ 2012, 576 = NJW-RR 2011, 1303; Bork/Jacoby/Schwab/Löhning, § 120 FamFG Rz. 12.
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I. Auswirkungen des FamFG auf das Zwangsvollstreckungsverfahren
onsrechtlichen Überlegungen des BGH zu § 719 ZPO nicht auf das Beschwerdeverfahren als zweite Tatsacheninstanz zu übertragen seien. Schließlich wird auch damit argumentiert, dass der Zwang zu einem Antrag schon in der ersten Instanz auf eine Formalie und eine Befassung des Amtsgerichts mit einem in der Sache nicht weiterführenden Gesuch hinauslaufe, da es über den Antrag nicht anders als in der Hauptsache entscheiden werde.1 Zu folgen ist der herrschenden Meinung, dass ein Ausschluss des Schuldner- 8 schutzantrags in der Beschwerdeinstanz bei Unterbleiben eines entsprechenden Antrags in der ersten Instanz nicht zu rechtfertigen ist. Dabei muss der Antrag vor Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden, falls eine solche stattfindet.2 Allerdings kommt eine Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstre- 9 ckung nicht mehr in Betracht, wenn die Unterhaltsstreitsache vor das Rechtsbeschwerdegericht gelangt und der Unterhaltspflichtige zuvor keinen Antrag nach § 120 Abs. 2 FamFG gestellt hatte. Der BGH hat seine Rechtsprechung zu § 719 ZPO3 auch auf Ehe- und Familienstreitsachen ausgedehnt.4 Der 20. Deutsche Familiengerichtstag hat angesichts der unklaren Gesetzeslage 10 dem Gesetzgeber vorgeschlagen, durch entsprechende Ergänzung des § 120 Abs. 2 FamFG klarzustellen, dass ein Antrag auf Beschränkung/Einstellung der Vollstreckung gemäß § 120 Abs. 2 FamFG auch erstmals im Beschwerdeverfahren gestellt werden kann.
Û
Praxishinweis: Schuldnerschutzanträge nach § 120 Abs. 2 FamFG, die bis 11 zum Ende der mündlichen Verhandlung gestellt werden können, sollten schon in die Antragserwiderung mit aufgenommen werden, um ein Versäumnis zu vermeiden, da sonst aus allen erstinstanzlichen Endentscheidungen die Zwangsvollstreckung sofort nach Bekanntgabe des Beschlusses uneingeschränkt betrieben werden kann.
c) Nicht zu ersetzender Nachteil In der Sache selbst setzt die Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstre- 12 ckung voraus, dass der Unterhaltspflichtige im Erkenntnisverfahren einen nicht zu ersetzenden Nachteil durch die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit und damit die vor Rechtskraft mögliche Vollstreckung glaubhaft macht.5 Die Glaubhaftmachung kann mit den sich aus § 294 Abs. 1 ZPO ergebenden Beweismitteln, also auch durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung, erfolgen.
1 OLG Bremen, FamRZ 2011, 322; OLG Hamburg, FamRB 2012, 279 m. Anm. Großmann; Prütting/Helms, § 120 FamFG Rz. 11; Keidel/Weber, § 120 FamFG Rz. 14 f.; Rake, FPR 2013, 159 (161); Sitzmann in Kroiß/Seiler: FamFG, § 120 Rz. 29; SchulteBunert/Weinreich, § 120 FamFG Rz. 4a; Bahrenfuss/Blank, § 120 FamFG Rz. 5; Musielak/Borth, § 120 FamFG Rz. 4. 2 Prütting/Helms, § 120 FamFG Rz. 10. 3 BGH, NJW-RR 2002, 1650; 2006, 1088 = FamRZ 2006, 1107 (LS); BGH, FamRZ 2011, 884. 4 BGH, FamRZ 2013, 109 (113); 2013, 1299 = FamRB 2013, 285 m. Anm. Schlünder, S. 286. 5 Musielak/Borth, § 120 Rz. 3; Lenz, NJW-Spezial 2013, 388.
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
13 Umstritten ist, ob das Vorliegen eines nicht zu ersetzenden Nachteils bereits
dann anzunehmen ist, wenn der Schuldner nicht mehr mit der Rückzahlung des Pfandbetrags rechnen kann, weil der Gläubiger mittellos ist.1 Dieser Ansicht ist zu folgen. Dass Rückforderungsansprüche bestehen können, ist die häufige Folge einer Zwangsvollstreckung. Soweit von einem Teil der Rechtsprechung der Begriff eines unersetzlichen Nachteils noch enger ausgelegt wird, etwa bei Annahme eines nichtreparablen Schadens infolge des Verlustes der Existenzgrundlage, übersteigt dies den durch § 120 Abs. 2 FamFG bezweckten Schuldnerschutz. Ein unersetzlicher Nachteil im Sinne von § 120 Abs. 2 FamFG ist daher dann anzunehmen, wenn der dauerhafte Verlust einer nichtgeschuldeten Geldsumme droht.2 d) Vollstreckungsschutzmaßnahmen 14 Die Vorschrift des § 120 Abs. 1 FamFG enthält keine Regelung, aus der sich her-
leiten lässt, dass die Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden darf. Das gilt sowohl für den Gläubiger als auch für den Schuldner. Soweit gelegentlich die Ansicht vertreten wird, dass wenigstens eine Sicherheitsleistung angeboten werden könne,3 steht dies in Widerspruch zur herrschenden Meinung und lässt sich mit der Entstehungsgeschichte des Gesetzes nicht vereinbaren.4 15 Ein Vorschlag des 20. Deutschen Familiengerichtstags geht dahin, klarzustellen,
dass zum Ausgleich der schutzwürdigen Interessen von Unterhaltsgläubiger und Unterhaltsschuldner im Rahmen des § 120 Abs. 2 FamFG auch die Einstellung gegen Sicherheitsleistung zulässig ist.5 e) Anwaltszwang 16 In Familienstreitsachen besteht für die erste und die zweite Instanz Anwalts-
zwang (§§ 113 Abs. 1, 114 Abs. 1 FamFG). Ausnahmen hiervon sind im § 114 Abs. 4 FamFG im Einzelnen aufgeführt worden. Inwieweit dies auch für die Zwangsvollstreckung gilt, ist dem Gesetz unmittelbar nicht zu entnehmen. Soweit die Frage im Schrifttum überhaupt behandelt wird, wird eine Übertragung auf das Vollstreckungsrecht bejaht.6 17 Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 9.8.20127 geprüft, ob einem Beteilig-
ten, der die Zwangsvollstreckung aus einem Unterhaltstitel betreibt, wegen der 1 BGH, NJW-RR 2007, 1138; Zöller/Herget, § 707 ZPO Rz. 9; Prütting/Helms, § 120 FamFG Rz. 7; Griesche, FamRB 2009, 258 (261, FN 41 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). 2 So auch: OLG Bremen, FamRZ 2011, 322 (323); Lenz, NJW-Spezial 2013, 388 (389); Eschenbruch/Schürmann/Menne/Roßmann, Kap. 3 Rz. 523. 3 Giers, FamRB 2009, 87 (88); OLG Rostock, FamRZ 2011, 1679; Gerhardt/von HentschelHeinegg/Klein/Perleberg-Kölbel, 18. Kap. Rz. 3536. 4 Schulte-Bunert, FuR 2013, 146 (147); Lenz, NJW-Spezial 2013, 388 (389); Griesche, FamRB 2009, 258 (261) und FamRB 2012, 93 ff.; Bassenge/Roth, 12. Aufl., § 120 FamFG Rz. 6; MünchKomm.ZPO/Fischer, § 120 FamFG Rz. 8 und 11; Ruck, FuR 2013, 159 (162); Prütting/Helms, § 120 FamFG Rz. 8; a.A. Keidel/Weber, § 120 FamFG Rz. 16. 5 Empfehlungen an die Gesetzgebung, VIII Vollstreckungsrecht, FamRZ 2013, 1948 (1950). 6 Schulte-Bunert, FuR 2013, 146 (147). 7 BGH, NJW-RR 2012, 1153 = FuR 2012, 512.
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I. Auswirkungen des FamFG auf das Zwangsvollstreckungsverfahren
sich aus § 850d ZPO ergebenden Schwierigkeiten ein Rechtsanwalt beizuordnen ist. Daraus ist indes nicht herzuleiten, dass der BGH grundsätzlich das Bestehen eines Anwaltszwangs für die Vollstreckung aus einem Unterhaltstitel ablehnt. Die getroffene Entscheidung ist in einem VKH-Verfahren ergangen, und insoweit greift die Ausnahmeregel des § 114 Abs. 4 Nr. 5 FamFG ein. Dem BGH ist auch insoweit zuzustimmen, als er grundsätzlich die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 121 Abs. 2 ZPO wegen rechtlicher Schwierigkeiten bejaht, wenn in der Vollstreckung das Vorliegen der Voraussetzungen des § 850d ZPO geprüft werden muss. Allerdings ist im Einzelfall jeweils auf die bestehende Problematik einzugehen. Außerdem kann in Ausnahmefällen bei juristisch vorgebildeten und wirtschaftlich erfahrenen Gläubigern von der Beiordnung eines Rechtsanwalts abgesehen werden.1 3. Vollstreckungsrechtliche Auswirkungen abändernder oder aufhebender Beschlüsse (§ 120 Abs. 1 FamFG, §§ 775 und 717 Abs. 3 ZPO) Obwohl in Familienstreitsachen Entscheidungen einer Vollstreckbarkeitserklä- 18 rung nicht bedürfen und grundsätzlich eine Einstellung des Vollstreckungsverfahrens nur bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 120 Abs. 2 S. 2, 3 FamFG in Betracht kommt, sind Fälle denkbar, in denen auch in einer Unterhaltssache die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 775 Abs. 1 ZPO anzuordnen ist. Entschieden hat dies der BGH im Zusammenhang mit dem Erlass eines Versäumnisbeschlusses, in dem das Familiengericht die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung sowohl wegen des laufenden Unterhalts als auch wegen eines größeren Unterhaltsrückstands angeordnet hatte. Nach Einspruch des Schuldners hat das Familiengericht die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit hinsichtlich des Unterhaltsrückstands aufgehoben. Damit war insoweit die Vollstreckbarkeit des Titels nach § 120 Abs. 1 FamFG entfallen. War inzwischen aufgrund der Endentscheidung des Familiengerichts auch hinsichtlich des Unterhaltsrückstands ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen worden, ist dieser auf entsprechenden Antrag des Schuldners nach § 775 Nr. 1 ZPO einzustellen oder zu beschränken.2 Die nach § 775 Nr. 1 ZPO notwendige Vorlage einer „vollstreckbaren Entschei- 19 dung“ hat der BGH mit der Generalverweisung in § 120 Abs. 1 FamFG auf die Vorschriften des 8. Buches der ZPO und damit auch auf § 775 Abs. 1 ZPO begründet. § 120 Abs. 1 FamFG findet auch dann Anwendung, wenn in einer Familien- 20 streitsache ein Anspruch aus § 717 Abs. 3 S. 2 ZPO geltend gemacht, wenn also die Rückzahlung von Beträgen begehrt wird, die im Hinblick auf die drohende Vollstreckung aus einem Beschwerdebeschluss des OLG geleistet wurden.3 Gem. § 120 Abs. 1 FamFG erfolgt die Zwangsvollstreckung in Familienstreitsachen nach den Vorschriften der ZPO über die Zwangsvollstreckung. Damit ist auch § 717 ZPO anzuwenden. Ein Antrag nach § 717 Abs. 3 S. 2 ZPO kann auch noch in der Beschwerdeinstanz gestellt werden; in diesem Fall kann er aber nur auf einem neuen oder ungeklärten Sachverhalt beruhen.4 Ist die Hauptsache oh1 2 3 4
BGH, NJW 2003, 3136; FamRZ 2006, 856; NJW 2006, 1204. BGH, NJW 2013, 3585 = FamRB 2013, 397 m. Anm. Schlünder/Fischer. BGH, NJW 2013, 161 (165) = FamRZ 2013, 109 (113). BGH, NJW 1994, 2095.
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
nehin zurückzuverweisen, so erfasst dies auch den Antrag nach § 717 Abs. 3 S. 2 ZPO. 4. Vollstreckungsrechtsbehelfe 21 Da durch § 120 Abs. 1 FamFG die Bestimmungen der ZPO für entsprechend an-
wendbar erklärt worden sind, sind eine sofortige Beschwerde (§ 793 ZPO), eine Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO), ein Vollstreckungsabwehrantrag (§ 767 ZPO) sowie ein Drittwiderspruchsantrag (§ 771 ZPO) zulässig. Dabei kommt dem Vollstreckungsabwehrantrag in der Praxis eine besondere Bedeutung zu, z.B. wenn trotz Rechtskraft der Scheidung weiterhin aus einem Titel, durch den der Getrenntlebendenunterhalt zuerkannt worden ist, vollstreckt wird.1 5. Rechtsbehelfsbelehrung 22 Durch das FamFG ist erstmals in Zivilsachen eine allgemeine Rechtsbehelfs-
belehrung für alle Entscheidungen, die die Instanz eines Verfahrens abschließen, gesetzlich vorgeschrieben worden (§ 39 FamFG). Diese erstreckt sich auf das Zwangsvollstreckungsverfahren.2 Von der Belehrungspflicht sind auch die in den FamFG-Verfahren vorgesehenen ordentlichen Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen, Einspruch, Widerspruch und Erinnerung erfasst. Allerdings hat sich das Schrifttum mit der Notwendigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung in Entscheidungen, die im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens ergehen, nur wenig beschäftigt. 23 In § 39 FamFG ist nach der Absicht des Gesetzgebers indessen für alle Entschei-
dungen, die in FamFG-Verfahren ergehen, eine Rechtsbehelfsbelehrung eingeführt worden.3 Ein Grund, Entscheidungen im Zwangsvollstreckungsverfahren auszunehmen, ist nicht ersichtlich. 24 Im Übrigen ergibt sich das auch daraus, dass in § 39 FamFG die Erinnerung aus-
drücklich erwähnt worden ist und eine Rechtsbehelfsbelehrung auch dann geboten ist, wenn Zwischen- und Nebenentscheidungen mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden.4 6. Terminologie in der Zwangsvollstreckung 25 Nach § 113 Abs. 5 FamFG wird für Ehesachen und Familienstreitsachen, auf die
gemäß Abs. 1 Satz 2 die Vorschriften der ZPO anzuwenden sind, bestimmt, dass bei der Terminologie an die Stelle der ZPO die in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit üblichen Bezeichnungen treten. Zweck der Regelung ist die Vereinheitlichung der Begriffe bei der Anwendung des FamFG.5 Dabei enthält das Gesetz keine abschließende Aufzählung der anzuwendenden Begriffe, sondern nur Beispiele. Um die Grundidee einer einheitlichen Begrifflichkeit zu verwirklichen, ist es erforderlich, möglichst alle im Gesetz verwendeten Begriffe anzupassen.6 1 2 3 4
Schulte-Bunert, FuR 2013, 148; Eschenbruch/Schürmann/Menne, Kap. 3 Rz. 527. BT-Drucks. 16/6308, S. 196; Bahrenfuss/Blank, § 120 FamFG Rz. 2. BT-Drucks. 16/2308, S. 196. Schulte-Bunert/Weinreich/Oberheim, § 39 FamFG Rz. 11 und § 45 FamFG Rz. 15; Bumiller/Harders, § 39 FamFG Rz. 3. 5 BT-Drucks. 16/6308, S. 223. 6 Schael, FamRZ 2009, 7; Schulte-Bunert/Weinreich, § 113 FamFG Rz. 19.
816 Griesche
II. Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen der Zwangsvollstreckung
Dass auch der Gesetzgeber dieses Ziel verfolgt, ergibt sich aus dem sog. Reparaturgesetz vom 30.7.2009 (BGBl. I 2449), durch das in dem in den §§ 149, 242 FamFG ursprünglich verwendete Wort „Prozesskostenhilfe“ in „Verfahrenskostenhilfe“ geändert worden ist.1 Auch für zusammengesetzte Begriffe kann nichts anderes gelten, so dass künftig 26 von Verfahrensfähigkeit, Verfahrensverbindung, Verfahrensstandschaft, Verfahrensvollmacht, Antragsänderung, Antragsrücknahme, Stufenantragsschrift und dergleichen zu sprechen sein wird.2 Zu erwägen ist allenfalls, ob Begriffe, deren Verwendung sprachlich ungewöhnlich klingt – z.B. Widerantrag statt Widerklage – vermieden werden sollten, obwohl auch dies eine Frage der Gewöhnung sein dürfte. Auffällig ist, dass das Schrifttum sich bisher mit der Terminologie im Zwangs- 27 vollstreckungsrecht nur wenig beschäftigt hat. Nur Begriffe, wie „Vollstreckungsabwehrklage“ tauchen auf. Dennoch kann kein Zweifel daran bestehen, dass im Fall der Zwangsvollstreckung nach § 120 Abs. 1 FamFG die geänderte Terminologie ebenfalls anzuwenden ist, da kein Grund ersichtlich ist, das Ziel der Vereinheitlichung auf diesem Gebiet unberücksichtigt zu lassen. Fraglich kann allerdings sein, ob die Begriffe „Gläubiger“ und „Schuldner“ weiterhin verwendet werden sollten. Zur Verwechslung Anlass gebende Ausdrücke müssen vermieden werden,3 so dass die naheliegende Bezeichnung „Antragsteller“ und „Antragsgegner“ nicht benutzt werden sollte. Auch für den am Verfahren zu beteiligenden Drittschuldner ist eine vergleich- 28 bare Bezeichnung der Freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht ersichtlich. Als Fazit ergibt sich, dass es insoweit bei den bisher gebräuchlichen Ausdrücken wird bleiben müssen (Gläubiger, Schuldner, Drittschuldner).
II. Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen der Zwangsvollstreckung 1. Arten der Zwangsvollstreckung Von den fünf Arten der Zwangsvollstreckung kommen in Unterhaltssachen vor 29 allem die Folgenden in Betracht: – Die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen (Mobiliarvollstreckung, §§ 803 ff. ZPO), – die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen (Immobiliarvollstreckung, §§ 864 ff. ZPO), – die Zwangsvollstreckung in Forderungen (Forderungsvollstreckung §§ 828 ff. ZPO), – die Vollstreckung zur Einwirkung der Herausgabe von Sachen und von Handlungen und Unterlassungen (Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Vorlage von Belegen, §§ 883 ff., 887, 888 ZPO),
1 Vgl. Kemper, FUR 2009, 295 (297 f.); vor der gesetzlichen Änderung hat Schael, FamRZ 2009, 7 (9) aus den §§ 149, 242 die Fortgeltung des Begriffs „Prozesskostenhilfe“ hergeleitet. 2 Schael, FamRZ 2009, 7 (8). 3 Schael, FamRZ 2009, 7.
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
– die Vollstreckung der Verpflichtung auf Abgabe einer Willenserklärung (Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, § 889 ZPO). 2. Vollstreckungsorgane 30 Die Durchführung der Zwangsvollstreckung obliegt dem:
a) Gerichtsvollzieher 31 Durch das am 1.1.2013 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Sachaufklärung
in der Zwangsvollstreckung (BGBl. I, 2258) ist das Aufgabengebiet des Gerichtsvollziehers bei der Beitreibung von Geldforderungen grundlegend erweitert worden. Ziel der Neuregelung ist es, dem Gläubiger ohne den Umweg über eine Pfändung Informationen über das verwertbare Vermögen des Schuldners und Verwertungsmöglichkeiten zu verschaffen. Hierbei hat ihm der Gerichtsvollzieher behilflich zu sein. Grundlage für das Tätigwerden des Gerichtsvollziehers ist weiterhin ein Auftrag des Gläubigers und die Übergabe des vollstreckbaren Titels.1 In dem Vollstreckungsauftrag müssen die vom Gläubiger erwarteten Maßnahmen genau bezeichnet werden. 32 Ist der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort des Schuldners dem Gläu-
biger nicht bekannt, muss dieser nicht – wie bisher – Ermittlungen anstellen; er kann vielmehr diese Aufgabe dem Gerichtsvollzieher übertragen (§ 755 Abs. 1 ZPO). Was der Gerichtsvollzieher hierbei zu unternehmen hat, ist in § 755 Abs. 2 ZPO geregelt worden.2 33 Aus § 802a Abs. 2 ergibt sich, welche Befugnisse dem Gerichtsvollzieher bei der
Erledigung seiner Aufgaben zugewiesen worden sind: a) Versuch einer gütlichen Bereinigung (§ 802b) Diese Bemühung sollte der Gerichtsvollzieher stets zu seinen Aufgaben rechnen, auch wenn er vom Gläubiger einen entsprechenden Auftrag nicht erhalten hat.3 b) Einholung einer Vermögensauskunft (§ 802c) Die Vermögensauskunft des Schuldners ist die wesentliche Neuerung. Sie hat die frühere eidesstattliche Versicherung abgelöst. Wichtig ist vor allem, dass sich der Gläubiger auf diese Weise von Anfang an darüber informieren kann, ob und inwieweit vollstreckbares Vermögen des Schuldners vorhanden ist. Dies versetzt ihn in die Lage, dem Vollstreckungsverfahren eine bestimmte Richtung zu geben. Bisher musste er erst einen Pfändungsbeschluss erwirken, um auf diese Weise zu erfahren, inwieweit Aussichten bestanden, eine zuerkannte Geldforderung auch beizutreiben. Dies ist jetzt nicht mehr nötig. Das Verfahren zur Abnahme des Vermögensverzeichnisses ist in § 802f geregelt; was sich aus der Vermögensauskunft ergeben muss, besagt § 802c Abs. 2. Die Richtigkeit seiner Auskunft hat der Schuldner an Eides statt zu versichern (§ 802c Abs. 3). Unter Umständen wird die Erteilung einer erneuten Vermögensauskunft erforderlich (§ 802d). 1 HK-ZPO/Kemper, § 802a ZPO Rz. 8. 2 Vgl. im Einzelnen: Vollkommer, NJW 2012, 3681 (3682). 3 HK-ZPO/Kemper, § 802a ZPO Rz. 8.
818 Griesche
II. Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen der Zwangsvollstreckung
c) Vermögensauskunft durch den Gerichtsvollzieher bei (bestimmten) Dritten (§ 802l) Neu ist auch die Regelung des § 802l ZPO, nach der der Gerichtsvollzieher bei bestimmten Stellen eine Vermögensauskunft über den Schuldner einholen kann. Voraussetzung hierfür ist, dass der Schuldner seiner Pflicht zur Erteilung einer Vermögensauskunft nicht nachkommt oder nach der vorliegenden Auskunft eine Befriedigung des Gläubigers nicht zu erwarten ist. Bevor der Gläubiger von der Möglichkeit des § 802l ZPO Gebrauch macht, muss zunächst ein Verfahren nach § 802c ZPO durchgeführt werden. Die von den Dritten erlangten Informationen hat der Gerichtsvollzieher unverzüglich an den Gläubiger weiterzuleiten; dieser darf die Daten nur zum Zwecke der Zwangsvollstreckung verwenden. d) Betreiben der Pfändung und Verwertung körperlicher Sachen e) Durchführung der Vorpfändung (§ 845 ZPO) Die Neuregelung durch das Sachaufklärungsgesetz ist vom Schrifttum überwie- 34 gend begrüßt worden, wobei zum Teil euphorische Formulierungen verwendet worden sind („Sprung vom 19. ins 21. Jahrhundert“)1 Nicht zu verkennen ist, dass auch kritische Stimmen laut geworden sind.2 Inwieweit das Sachaufklärungsgesetz die angestrebten Erleichterungen und eine Beschleunigung des Verfahrens möglich machen, kann sich erst in der Praxis erweisen. Ein Fakt steht allerdings jetzt schon fest. Die Kompetenzerweiterung der Rechte des Gerichtsvollziehers beseitigt den Umstand, dass weiterhin auch andere Vollstreckungsorgane mit der Durchführung der Vollstreckung befasst bleiben (Vollstreckungsgericht und Verfahrensgericht) nicht.3 Die Aufteilung auf verschiedene Vollstreckungsorgane wird auch künftig Verfahrensverzögerungen zur Folge haben. Ob sich dies durch eine weitere Reform, die eine Verbindung von Sachaufklärung und Pfändung zum Ziel haben sollte, beseitigt werden kann, sollte zumindest überlegt werden. b) Vollstreckungsgericht Hauptaufgaben des Vollstreckungsgerichts sind die Zwangsvollstreckung wegen 35 Geldforderungen in Forderungen und andere Vermögensrechte sowie die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen nach dem Zwangsversteigerungsgesetz. Beim Vollstreckungsgericht ist nach § 889 ZPO auch die eidesstattliche Versicherung abzugeben. Das nach § 802 ZPO ausschließlich zuständige Vollstreckungsgericht ist das 36 Amtsgericht, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung stattfinden soll, dabei hängt die örtliche Zuständigkeit von der Art der Zwangsvollstreckung ab. In der Regel ist dies das Amtsgericht am Wohnsitz des Schuldners (§ 764 Abs. 2 ZPO). Auch die örtliche Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts über die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung richtet sich nach dem Wohnsitz (Aufenthaltsort) des Schuldners (§ 889 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei wird das Vollstreckungsgericht nicht als Familiengericht tätig, weil die Rechtsanwendung die Kenntnisse des 1 Würdinger, JZ 2011, 177 (183, 187); Vollkommer, NJW 2012, 3681; Giers, FamRB 2013, 62 (66). 2 Vor allem von Mroß, DGVZ 2013, 41; Mroß, DGVZ 2013, 69 ff.; Mroß, DGVZ 2010, 18; Mroß, DGVZ 2012, 169. 3 Würdinger, JZ 2011, 177 (185).
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819
M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
Zwangsvollstreckungsrechts und nicht familienrechtliche Spezialkenntnisse erfordert.1 Das gleiche gilt für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nach § 889 ZPO und den Herausgabeanspruch nach § 836 Abs. 3 ZPO.2 Hieran ändert sich durch das FamFG nichts. c) Verfahrensgericht 37 Das Verfahrensgericht der ersten Instanz – in Unterhaltssachen also das Famili-
engericht – ist vor allem mit der Zwangsvollstreckung von Handlungen und Unterlassungen befasst (§§ 887 ff. ZPO). Hierzu zählen die Titel auf Auskunftserteilung und/oder Rechnungslegung sowie die Titel auf Vorlage von Belegen. Ferner hat es die Vollstreckungsklausel nach den §§ 724 ff. ZPO zu erteilen und umzuschreiben. Schließlich ist es für Anträge aus dem Bereich der Zwangsvollstreckung in erster Instanz zuständig (Vollstreckungsabwehrverfahren nach § 767 ZPO, Drittwiderspruchsverfahren, § 771 ZPO, Anträge auf Erteilung der Vollstreckungsklausel, § 731 ZPO sowie Anträge gegen die Vollstreckungsklausel, § 768 ZPO). 3. Antrag auf Einleitung der Zwangsvollstreckung 38 Vollstreckungsverfahren werden grundsätzlich nur auf Antrag des Gläubigers
eingeleitet. Der Antrag ist an das zuständige Vollstreckungsorgan zu richten. a) Voraussetzung: Titel, Zustellung, Klausel 39 Der Antrag auf Durchführung der Zwangsvollstreckung setzt gem. § 750 Abs. 1
ZPO voraus einen Titel, der dem Gegner bereits zugestellt worden (§ 750 ZPO) und mit einer Vollstreckungsklausel versehen ist. b) Anwaltszwang als Ausnahme 40 Bei Anträgen an den Gerichtsvollzieher und das Vollstreckungsgericht besteht
kein Anwaltszwang. Anders ist die Rechtslage, wenn das Verfahrensgericht tätig werden soll. Da vor dem Verfahrensgericht in Unterhaltssachen gem. § 114 Abs. 1 FamFG auch in der ersten Instanz Anwaltszwang in selbständigen Familienstreitsachen besteht, wirkt sich dies auch auf das Vollstreckungsverfahren aus. Soll das Verfahrensgericht als Vollstreckungsorgan tätig werden, muss sich der Gläubiger für die Einreichung des Antrags eines Rechtsanwalts bedienen.3 Dabei ist jedoch zu differenzieren: Ist für die Bearbeitung des Antrags der Richter zuständig (z.B. für Anträge zur Zwangsvollstreckung von Titeln auf Auskunftserteilung nach § 888 ZPO), besteht Anwaltszwang. Ist der Rechtspfleger für die Bearbeitung zuständig (z.B. bei Klauselerteilungen nach § 727 ZPO), gilt
1 Prütting/Helms, § 111 FamFG Rz. 40 unter Hinweis auf die ständige Rspr. des BGH und der OLG. 2 OLG Frankfurt, FamRZ 2004, 129. 3 Prütting/Helms, § 114 FamFG Rz. 7 f.
820 Griesche
III. Der Vollstreckungstitel als Grundlage der Zwangsvollstreckung
kein Anwaltszwang (§ 13 RPflG). Ebenso sind nach § 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG i.V.m. § 78 Abs. 3 2. Alt. ZPO Verfahrenshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, anwaltsfrei. In der Praxis betrifft dies vor allem das vereinfachte Verfahren zur Festsetzung von Unterhalt Minderjähriger (§§ 249 ff. FamFG), einschließlich der aus einem solchen Titel betriebenen Zwangsvollstreckung.1 Denn nach § 257 FamFG i.V.m. § 114 Abs. 2 Nr. 6 FamFG i.V.m. § 78 Abs. 3 ZPO können Anträge und Erklärungen zum vereinfachten Verfahren vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Geht der Antrag bei dem zuständigen Vollstreckungsorgan ein, hat es die formalen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung und ihre Zulässigkeit zu prüfen; die Rechtmäßigkeit und Richtigkeit des zu vollstreckenden Titels muss unterstellt werden.2 4. Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe Wird für die Durchführung der Zwangsvollstreckung Verfahrenskostenhilfe be- 41 nötigt, ist für das Vollstreckungsverfahren bei dem für die Vollstreckung zuständigen Gericht ein Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zu stellen. Eine zuvor im Erkenntnisverfahren bewilligte Verfahrenskostenhilfe erstreckt sich nicht auf das Vollstreckungsverfahren. Insoweit besteht nach § 114 Abs. 4 Nr. 5 FamFG für das gesamte Verfahren kein Anwaltszwang.3
III. Der Vollstreckungstitel als Grundlage der Zwangsvollstreckung 1. Übersicht der Vollstreckungstitel Vollstreckungstitel sind alle Titel, die in Unterhaltssachen als Grundlage der 42 Zwangsvollstreckung in Betracht kommen. Dies sind: – Beschlüsse (Endentscheidungen) nach § 38 FamFG (§ 116 Abs. 1 FamFG) über zu zahlenden Unterhalt, Auskunftserteilung etc. Dies können auch Teilbeschlüsse sein, die z.B. in Stufenverfahren ergehen wegen Verpflichtungen auf Auskunftserteilung, Vorlage von Belegen, Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (§ 889 ZPO). – die in § 794 ZPO aufgeführten Titel, zu denen vor allem gerichtliche oder notariell beurkundete Vergleiche, Anwaltsvergleiche sowie Urkunden des Jugendamts nach den §§ 59, 60 SGB VIII zählen. – einstweilige Anordnungen, durch die die Zahlung von Unterhalt oder eines Kostenvorschusses geregelt, sowie Unterhalt vor Geburt eines Kindes und bei Feststellung der Vaterschaft festgesetzt werden kann (§§ 246, 247, 248 FamFG). – Festsetzungsbeschlüsse im vereinfachten Verfahren für den Unterhalt Minderjähriger (§ 253 FamFG). Nachfolgend werden die Voraussetzungen dargestellt, die an einen Titel zu stel- 43 len sind, damit aus ihm die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann.
1 Hütter/Kodal, FamRZ 2009, 917 (918). 2 Gottwald, Vorbem. Rz. 29. 3 Anders insofern: Schael, FamRZ 2009, 8.
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
2. Genaue Bezeichnung der Parteien des Vollstreckungsverfahrens 44 Sind am Unterhaltsverfahren auf der Gläubiger- und/oder der Schuldnerseite
mehrere Personen beteiligt, darf die Vollstreckung nur beginnen, wenn die Beteiligten, für die oder gegen die die Vollstreckung stattfinden soll, in dem Titel oder in der beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet worden sind (§ 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO). 3. Bestimmtheit des Tenors des Titels a) Grundsätze 45 Jedes Vollstreckungsorgan, dem ein Titel zur Durchführung der Zwangsvollstre-
ckung vorgelegt wird, muss von Amts wegen überprüfen, ob dieser zur Vollstreckung geeignet ist. Daran fehlt es, wenn der vollstreckbare Anspruch nicht hinreichend bestimmt bezeichnet worden ist.1 Der Titel muss deshalb den zu vollstreckenden Anspruch inhaltlich so genau formuliert angeben, dass auch für einen Dritten erkennbar ist, was der Gläubiger von dem Schuldner nach dem Ausspruch im Titel verlangen kann. Die Vollstreckungsorgane müssen allein aufgrund des Wortlauts des Titels ohne Zuhilfenahme anderer Urkunden die Vollstreckung durchführen können.2 b) Auslegung des Titels 46 Wenn die Fassung des Tenors Anlass zu Zweifeln gibt, muss versucht werden,
durch Auslegung den wahren Sinn zu ermitteln.3 Bei Beschlüssen nach § 38 FamFG ist die Begründung zur Auslegung heranzuziehen. Andere tatsächliche oder rechtliche Umstände sind dagegen nicht verwendbar;4 deshalb darf auch nicht auf den aus den Akten ersichtlichen Vortrag der Beteiligten zurückgegriffen werden.5 Die gegenteilige Ansicht ist deshalb bedenklich, weil der vollstreckungsrechtliche Grundsatz der Bestimmtheit des Vollstreckungstitels nicht in erster Linie den Interessen der Beteiligten dient. Er beruht vielmehr wesentlich auf dem öffentlichen Interesse an eindeutig bestimmten Grundlagen der Zwangsvollstreckung. Im Ergebnis resultiert er aus dem Gebot der Gesetz- und Rechtmäßigkeit aller staatlichen Maßnahmen.6 47 Auch gerichtliche Vergleiche (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und gerichtliche oder
notarielle Urkunden (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) sind bei nicht zweifelsfreiem Inhalt nach diesen Grundsätzen auszulegen. Maßgebend sind allein der protokollierte Inhalt des gerichtlichen Vergleichs oder die Angaben in der notariellen Urkunde. Auf andere Umstände als gesetzliche Vorschriften kann nicht zurückgegriffen werden. Bei Vergleichen besteht Einvernehmen, dass die zugrunde lie-
1 BGH, NJW 1986, 1440. 2 Zöller/Herget, § 704 ZPO Rz. 4; Musielak/Lackmann, § 704 ZPO Rz. 6. 3 BGHZ 122, 16 (17 f.); OLG Nürnberg, Rpfleger 1990, 307 (308); Zöller/Stöber, § 704 ZPO Rz. 5; Gottwald, § 704 Rz. 7. 4 BGHZ 122, 16 (18); BGHZ 142, 388 (391); Stöber, Die Forderungspfändung, 16. Aufl., Rz. 5. 5 Zöller/Stöber, § 704 ZPO Rz. 4; a.A. OLG Köln, FamRZ 1992, 1446; Musielak/Lackmann, § 704 ZPO Rz. 6; Stein/Jonas/Münzberg, vor § 704 ZPO Rz. 27. 6 OLG Hamm, NJW 1974, 652; OLG Nürnberg, Rpfleger 1990, 308.
822 Griesche
III. Der Vollstreckungstitel als Grundlage der Zwangsvollstreckung
genden Akten nicht zur Bestimmung des Vergleichsinhalts ausgewertet werden dürfen.1 Bei notariellen Urkunden muss der zu zahlende Betrag ziffernmäßig festgelegt worden sein oder sich ohne weiteres nach den in der Urkunde enthaltenen Angaben berechnen lassen.2 Führt die Auslegung des Titels mangels Bestimmtheit nicht zum Ziel, kann die 48 Vollstreckung nicht stattfinden. Die Vollstreckungsorgane sind nicht befugt, die Unklarheiten zu beseitigen, da ihnen hierzu die Legitimation fehlt. Der Schuldner kann auch nicht darauf verwiesen werden, Rechtsbehelfe im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens einzulegen.3 Der Mangel kann vielmehr durch Einreichung eines neuen Antrags behoben werden, wobei in Rechtsprechung und Literatur teils ein Feststellungsantrag befürwortet, teils einem Leistungsantrag der Vorzug gegeben wird.4 Vorzuziehen ist der Feststellungsantrag, dessen Zulässigkeit nicht verneint werden kann5 und der diejenigen Probleme vermeidet, die bei Einreichung eines Leistungsantrages auftreten können.6 c) Beispiele zu den Anforderungen an die Bestimmtheit der Tenorierung im Vollstreckungstitel aa) Zahlungstitel Bei einem Leistungsbeschluss, der auf Zahlung von Unterhalt gerichtet ist, 49 muss der Tenor die Höhe der monatlich zu entrichtenden Unterhaltsrente sowie den Beginn der Unterhaltszahlungen genau angeben. Gleiches gilt für Unterhaltsvereinbarungen aus notariellen Urkunden. Formuliert werden kann zum Beispiel wie folgt: „Der Antragsgegner ist verpflichtet, an die Antragstellerin ab 1.5.2010 eine monatliche jeweils im Voraus, spätestens bis zum Dritten eines Monats, zahlbare Unterhaltsrente von 200 Euro sowie einen Unterhaltsrückstand für die Zeit vom 1.1.–30.4.2010 in Höhe von insgesamt 1 000 Euro nebst 5 % über dem Basiszinssatz zu zahlen.“
50
Wird dem Unterhaltsgläubiger ein verzinslicher Unterhaltsrückstand zuer- 51 kannt, so ist die hinsichtlich der Zinsen verwendete Formulierung „5 % über dem Basiszinssatz“ auch dann bestimmt genug, wenn dies in einem gerichtlichen Vergleich geschieht, weil das Vollstreckungsorgan die Klausel dahin zu verstehen hat, dass der gesetzliche Zinssatz gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 247 BGB gemeint ist.7 Unwirksam, weil nicht hinreichend bestimmt, ist die Vereinbarung des folgen- 52 den Erhöhungsmodus:
1 KG, MDR 1989, 77 = NJW-RR 1988, 1406; OLG Koblenz, JurBüro 2002, 551; OLG Stuttgart, Rpfleger 1997, 446; Zöller/Stöber, § 794 ZPO Rz. 14a. 2 BGHZ 22, 54 (56) = NJW 1957, 23; BGH, DNotZ 1971, 223; BGHZ 88, 62 = NJW 1983, 2262; BGH, DNotZ 1995, 770 = NJW 1995, 1162. 3 BGHZ 122, 16 (17 f.); OLG Nürnberg, Rpfleger 1990, 307 (308); Zöller/Stöber, § 704 ZPO Rz. 5; Gottwald, § 704 ZPO Rz. 7. 4 BGHZ 122, 16 (18); BGHZ 142, 388 (391); Zöller/Stöber, § 704 ZPO Rz. 5. 5 MünchKomm.ZPO/Krüger, § 704 ZPO Rz. 8. 6 Vgl. z.B. Stein/Jonas/Münzberg, § 704 Rz. 31. 7 BAG, MDR 2003, 273; OLG Hamm, NJW 2005, 2238; ebenso für die früher geltende Klausel: 2 % über dem jeweiligen Zinssatz der Deutschen Bundesbank“: BGHZ 22, 54.
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
53 „Der Antragsgegner verpflichtet sich, an die Antragstellerin ab 1.5.2010 für das gemeinsame Kind M, geb. am …, eine monatliche … Unterhaltsrente i.H.v. 244 Euro zu zahlen. Die Unterhaltsrente soll sich nach Maßgabe der Düsseldorfer Tabelle erhöhen.“
54 D.h., im Falle der Erhöhung der Werte der DT ist der Titel nicht geeignet für die
Vollstreckung des Erhöhungsbetrags, denn aus der Tabelle lässt sich nicht ohne Weiteres der zukünftig geschuldete gesetzliche Unterhalt ablesen.1 Das Gleiche gilt für Vereinbarungen, dass ein Drittel des jeweiligen Nettoeinkommens als Unterhalt geschuldet werde, da auch insoweit eine Bestimmbarkeit des Unterhalts nicht möglich ist.2 Wird die automatische Anpassung an die jeweils geltende Fassung der Düsseldorfer Tabelle begehrt, kann ein dynamisierter Unterhaltstitel geschaffen werden (vgl. Kap. K Rz. 279 ff. und Kap. A Rz. 255 ff.). 55 Sog. Anrechnungsklauseln können sogar zur Unwirksamkeit des gesamten Ti-
tels führen, weil die Höhe des insgesamt noch geschuldeten und notfalls zu vollstreckenden Unterhalts in Frage gestellt wird.3 Diese Gefahr besteht, wenn formuliert wird wie folgt: 56 „… die Parteien sind sich darüber einig, dass vom Kläger für den Zeitraum Juli 1998 bis einschließlich Juni 2002 geleistete Unterhaltszahlungen in Anrechnung zu bringen seien.“
57 Der 2. Zivilsenat des OLG Zweibrücken hat dies zwar für hinreichend bestimmt
gehalten,4 dem kann jedoch nicht zugestimmt werden. Auch wenn die Beweislast beim Schuldner liegt, begründet dies keine Bestimmtheit des Titels. Aufgabe des Vollstreckungsorgans ist es gerade nicht, Beweis darüber zu erheben, wegen welcher Beträge die Vollstreckung betrieben werden darf. Anrechnungsklauseln stellen deshalb nur dann die Wirksamkeit des Titels nicht in Frage, wenn in der Vereinbarung klargestellt wird, dass es sich insoweit nur um eine materiell-rechtliche Vereinbarung außerhalb des Vollstreckungstitels geschaffen werden sollte.5 58 Beispiel einer Vereinbarung in einer notariellen Urkunde 1. X verpflichtet sich, an Y einen Unterhaltsrückstand für die Zeit von Januar – Dezember 2009 von insgesamt 20 000 Euro zu zahlen. Er unterwirft sich hinsichtlich dieses Betrags der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. 2. Soweit X in 2009 bereits Unterhalt auf die Rückstände gezahlt haben sollte, sollen diese auf den nach Ziffer 1 geschuldeten Betrag angerechnet werden. X wird Y die anzurechnenden Beträge bis zum … mitteilen und durch Kontoauszüge belegen. Sollte Y gleichwohl den nach Ziffer 1 geschuldeten Betrag in voller Höhe vollstrecken, behält sich X vor, die derzeit nicht bezifferbaren Beträge mit der Zwangsvollstreckungsgegenklage geltend zu machen.
59 Enthält der Schuldtitel eine Wertsicherungsklausel, so ist er vollstreckbar, wenn
die Klausel auf einen vom Statistischen Bundesamt erstellten Preisindex für Ver-
1 OLG Koblenz, FamRZ 1987, 1291; LG/AG Düsseldorf, DGVZ 1981, 92. 2 LG Berlin, Rpfleger 1974, 29. 3 BGH, NJW 2006, 695 (697 f.); OLG Zweibrücken, 5. Zivilsenat, FamRZ 2003, 692; OLG Zweibrücken, 6. Zivilsenat, OLG-Report, 2002, 307. 4 OLG Zweibrücken, FamRZ 2003, 691 unter Berufung auf OLG Köln, NJW-RR 1998, 431; OLG Saarbrücken, NJW 1988, 3100 (3101). 5 BGH, NJW 1996, 2165 (2166); BGH, NJW 2006, 695 (698).
824 Griesche
III. Der Vollstreckungstitel als Grundlage der Zwangsvollstreckung
braucherpreise Bezug nimmt. Denn dieser Index wird u.a. im Bundesanzeiger und im Internet veröffentlicht, so dass sich der geschuldete Betrag zuverlässig errechnen lässt.1 60
Beispiel Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin ab 1.5.2010 für die Dauer von 10 Jahren eine monatliche, jeweils im Voraus spätestens bis zum fünften eines Monats zahlbare Unterhaltsrente in Höhe von 500 Euro zu zahlen. Die zu zahlende Unterhaltsrente soll in ihrer Höhe abhängig sein von der Entwicklung des vom statistischen Bundesamt festgestellten Verbraucherpreisindex für Deutschland, der im April 2010 X betrug. Sollte sich der für den Monat April 2010 ermittelte Index erhöhen oder verringern, so soll sich auch die zu zahlende Rente im gleichen Verhältnis erhöhen oder vermindern. Eine Veränderung der Rente kommt jedoch erst dann in Betracht, wenn eine Veränderung des Indexes zu einer Veränderung der zuletzt geschuldeten Rente um 10 oder mehr Prozent führen würde. Die veränderte Rente ist sodann von dem auf das Eintreten der Voraussetzung folgenden Monatsersten an zu zahlen.
Eine Klausel, die z.B. an die Entwicklung der Beamtengehälter anknüpft, dürfte 61 den Anforderungen an die Bestimmtheit hingegen nicht genügen.2 bb) Dynamische Unterhaltstitel Dynamische Unterhaltstitel, die auf Zahlung eines Prozentsatzes des Mindest- 62 unterhalts für minderjährige Kinder einer bestimmten Altersstufe abzüglich des Kindergeldanteils verpflichten, genügen den Anforderungen an die Bestimmtheit, wenn im Titel neben dem Prozentsatz und der Bezugsgröße Mindestunterhalt (bis 31.12.2007 Regelbetrag) für den Abzugsposten Kindergeld mit angegeben wird, für das wievielte Kind das Kindergeld gewährt wird, denn die Höhe des Kindergeldes ist gestaffelt je nach Anzahl der Kinder (s. Kap. A Rz. 274). 63
Beispiel Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin …, geboren am …, zu Händen der Kindesmutter jeweils monatlich im Voraus ab … eine monatliche Unterhaltsrente von 170 % des jeweiligen gesetzlichen Mindestunterhalts der Altersstufe 3 abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein zweites Kind zu zahlen.
Zu beachten ist bei der Vollstreckung eines Titels auf Zahlung von Kindesunter- 64 halt, dass nach § 244 FamFG der Unterhaltsschuldner nicht einwenden kann, der Gläubiger sei nicht mehr minderjährig. § 244 FamFG, der dem früheren § 798a ZPO entspricht, soll dem Kind die Zwangsvollstreckung aus einem bestehenden dynamisierten Unterhaltstitel auch nach Eintritt der Volljährigkeit erleichtern, damit es nicht gezwungen ist, sich trotz fortbestehender Bedürftigkeit einen neuen Titel zu erstreiten.3 Dem Schuldner bleibt es unbenommen, die Abänderung zu beantragen, wenn sich die Verhältnisse geändert haben sollten. Für eine entsprechende Anwendung von § 244 FamFG auf statische Unterhaltstitel besteht kein Anlass, da der Eintritt der Volljährigkeit regelmäßig ihre
1 BGH, NJW-RR 2005, 366 = FamRZ 2005, 437; BGH, NJW 2004, 649 = FamRZ 2004, 531. 2 Zenker, FamRZ 2006, 1248 (1249). 3 Zöller/Lorenz, § 244 FamFG Rz. 1.
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825
M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
Wirksamkeit nicht beeinflusst, es sei denn, sie sind gewollt und explizit befristet worden auf die Dauer der Minderjährigkeit.1 cc) Titel auf Vornahme von Handlungen 65 Nicht unerhebliche Schwierigkeiten bereitet die Zwangsvollstreckung in Unter-
haltssachen häufig, wenn Titel auf Auskunftserteilung und/oder Vorlage von Belegen durchgesetzt werden sollen. Denn insoweit fehlt es öfter an der erforderlichen Bestimmtheit. Soweit ein Anspruch auf Auskunftserteilung gerichtlich geltend gemacht wird, muss bereits im Erkenntnisverfahren bei der Formulierung des Sachantrags dem Erfordernis der Bestimmtheit entsprochen werden (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), um späteren Schwierigkeiten bei der Zwangsvollstreckung vorzubeugen. 66 Zwar wird eine großzügige Auslegung des Titels durch die Vollstreckungsorgane
angezeigt sein, gleichwohl wird es nicht immer gelingen, Unklarheiten zu beseitigen, wobei die Schwierigkeiten bei gerichtlichen Vergleichen und notariellen Urkunden noch größer sind, da der sonstige Akteninhalt bei der Titelauslegung nicht herangezogen werden darf. Der Gläubiger hat in einem solchen Fall dann nur die Möglichkeit, beim Verfahrensgericht einen Feststellungsantrag zu stellen mit dem Ziel, eine verbindliche Klärung des Inhalts der titulierten Leistungspflicht zu erreichen und für den Fall, dass die Auskunftspflicht unvollständig tituliert ist, einen ergänzenden Leistungsantrag zu stellen. 67 Es ist ferner darauf zu achten, dass dem Schuldner die Erfüllung möglich sein
muss.2 Der Schuldner muss zwar alles ihm Zumutbare tun, um die geschuldete Handlung vorzunehmen.3 Hierfür hat der Schuldner substantiiert und nachprüfbar vorzutragen, was er unternommen hat; hat er dies getan, trägt jedoch der Gläubiger die Beweislast, dass die Leistung doch möglich sei.4 68 Erfüllt der zur Leistung einer Auskunft verpflichtete Unterhaltsschuldner seine
Pflichten nicht, ist er im Wege der Zwangsvollstreckung dazu anzuhalten. Da die Auskunft nur vom Schuldner selbst erteilt werden kann (unvertretbare Handlung), ist die Vollstreckung nach § 888 ZPO vorzunehmen. Ausschließlich zuständig ist das Verfahrensgericht des ersten Rechtszuges, also das Familiengericht, §§ 802 ZPO, 113 Abs. 1 FamFG). Das gilt auch, wenn das Verfahren im Rechtsbehelfszug anhängig ist. 69 Die Zwangsvollstreckung wird durch die Verhängung eines Zwangsgeldes (er-
satzweise von Zwangshaft) oder durch die Anordnung von Zwangshaft vorgenommen. Die Zwangsmittel müssen nicht angedroht werden (§ 888 Abs. 2 ZPO). Die Einleitung der Zwangsvollstreckung setzt einen entsprechenden Antrag des Gläubigers voraus.5 Im Fall der Ablehnung des Antrags kann sich der Gläubiger hiergegen mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde wenden 1 BGH, FamRZ 2005, 2066; OLG Brandenburg, FamRZ 2004, 1888; OLG Hamm, FamRZ 2006, 48 m. Anm. Otten; Zöller/Stöber, § 798a ZPO Rz. 3; Griesche, FamRB 2008, 310 (314 mit zahlreichen w.N.). 2 OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 63 (64); OLG Celle, MDR 1998, 923 (924); OLG Hamm, FamRZ 1997, 1094; anders insofern: Büttner, FamRZ 1992, 629 (630). 3 OLG Köln, NJW-RR 1992, 633 (634); OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 63 (64). 4 Zöller/Stöber, § 888 ZPO Rz. 11 m.w.N. 5 BGH, FamRZ 1983, 578 (579).
826 Griesche
III. Der Vollstreckungstitel als Grundlage der Zwangsvollstreckung
(§ 793 ZPO). Das Gleiche gilt für den Schuldner, wenn ein Zwangsmittel verhängt worden ist.1 Greift der Einwand des Schuldners, die Leistung sei bereits erfüllt, durch, kom- 70 men Zwangsmittel nicht mehr in Betracht.2 Denn Voraussetzung für die Festsetzung von Zwangsmitteln ist, dass die Handlung vom Schuldner noch vorgenommen werden kann. Der Schuldner kann, wenn der Titel vom Gläubiger nicht freiwillig herausgegeben wird, dies im Wege des Vollstreckungsabwehrantrags auch gerichtlich verlangen.3 Ist die Auskunft unvollständig, kann der Gläubiger, ohne erneut klagen zu müs- 71 sen, Ergänzung verlangen.4 Streiten die Parteien darüber, ob die Auskunft ordnungsgemäß erteilt worden ist, ist das im Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu klären.5 Die Vollstreckung erfolgt dann nach § 889 ZPO. Zuständig ist das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht, und zwar der Rechtspfleger (§ 20 Nr. 17 RPflG).6 dd) Vorlage von Belegen Nach § 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB erstreckt sich die Pflicht zur Auskunftserteilung 72 darauf, dass auf Verlangen Belege, insbesondere Bescheinigungen des Arbeitgebers vorgelegt werden müssen (s. Kap. J Rz. 34 ff.). Der Anspruch darauf ist besonders zu titulieren.7 Soweit der Schuldner im Besitz der Belege ist, richtet sich die Zwangsvollstreckung nach § 883 ZPO auf Herausgabe der Belege. Ist die Herausgabe Teil einer umfassenden Verpflichtung auf Auskunftserteilung 73 und Vorlage von Belegen,8 steht dem Gläubiger insoweit jedoch ein Wahlrecht zu, entweder sowohl hinsichtlich der Auskunft als auch der Belege nur nach § 888 ZPO (Verhängung eines Zwangsgeldes und von Zwangshaft) oder bzgl. der Belege den Weg über § 883 ZPO (Herausgabe der Belege) und der Auskunft nach § 888 ZPO vorzugehen. Ansonsten ergeben sich hier für die Vollstreckung bei ungenügender Bestimmtheit dieselben Schwierigkeiten, die bereits vorstehend unter Rz. 46 ff. erörtert worden sind. Denn um einen bestimmten vollstreckungsfähigen Titel zu schaffen, müssen die Belege gleichfalls im Einzelnen so genau bezeichnet werden, dass sie bei der Vollstreckung erfasst werden können.9 Eine Verurteilung zur Vorlage „entsprechender Beweisurkunden“ entbehrt der Bestimmtheit.10
1 Zöller/Stöber, § 888 ZPO Rz. 15. 2 BGHZ 161, 67 = NJW 2005, 367 = MDR 2005, 351 für den Fall des § 887 ZPO; für den Fall des § 888 ZPO kann aber nichts anderes gelten; Zöller/Stöber, § 888 ZPO Rz. 11; OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 63 (64); KG, FamRZ 2008, 1094 (1095). 3 Prütting/Helms/Stößer, § 95 FamFG Rz. 13. 4 Griesche, FamRB 2008, 310 (317 m.w.N.). 5 Griesche, FamRB 2008, 310 (317 m.w.N.), aber strittig, vgl. z.B. Baumbach/Hartmann, § 888 ZPO Rz. 8 zu (Vollstreckungsabwehrantrag). 6 Prütting/Helms/Stößer, § 96 FamFG Rz. 31. 7 OLG Düsseldorf, FamRZ 1978, 717; OLG München, FamRZ 1996, 307. 8 Büttner, NJW 1992, 628 (632). 9 BGH, FamRZ 1983, 454. 10 BGH, FamRZ 1989, 731 (732); ebenso die Formulierung, „der Schuldner solle seine Auskunft in geeigneter Weise belegen“: OLG Zweibrücken, FamRZ 2004, 1224 LS.
Griesche
827
M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
ee) Beschlüsse nach § 235 FamFG 74 Durch das FamFG ist die verfahrensrechtliche Auskunftspflicht der an einem
Unterhaltsverfahren Beteiligten neu geregelt (§ 235 FamFG) und außerdem eine Auskunftspflicht Dritter gegenüber der zuvor bestehenden Regelung (§ 643 ZPO a.F.) erheblich erweitert worden (§ 236 FamFG). Zu den Voraussetzungen und zum Inhalt s. Kap. K Rz. 192 ff. 75 Diese Anordnungen des Gerichts sind – soweit sie sich gegen die Beteiligten
richtet – nach § 235 FamFG weder selbständig anfechtbar, noch mit Zwangsmitteln durchsetzbar (§ 235 Abs. 4 FamFG). Soweit sich die Anordnung gegen Dritte richtet, sind sie für die Beteiligten ebenfalls nicht anfechtbar (§ 236 Abs. 5 FamFG). Für Dritte gilt dies hingegen nicht, ihnen steht nach §§ 236 Abs. 4 FamFG i.V.m. § 390 ZPO die sofortige Beschwerde als Rechtsbehelf zur Verfügung. ff) Bestimmtheit der Leistungspflicht bei mehreren Schuldnern bzw. Gläubigern 76 Sind am Unterhaltsverfahren auf der Gläubiger- und/oder der Schuldnerseite
mehrere Personen beteiligt, muss dem Titel genau zu entnehmen sein, von wem welche Unterhaltsleistung beansprucht wird. Dass die Vollstreckung nur beginnen darf, wenn die Beteiligten, für die oder gegen die sie stattfinden soll, in dem Titel oder in der beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet worden sind, ergibt sich aus § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO. 77 Für mehrere Gläubiger und Schuldner muss bei teilbarer Leistung – diese Vo-
raussetzung liegt bei Unterhaltsansprüchen immer vor – im Titel auch das Beteiligungs- oder Haftungsverhältnis enthalten sein. Auf der Gläubigerseite kommt die Beteiligung mehrerer Personen insbesondere dann in Betracht, wenn Ehegatten- und Kindesunterhalt geltend gemacht wird. Enthält der Titel nur einen Pauschalbetrag ohne Aufschlüsselung nach den einzelnen Berechtigten, ist er unwirksam und kann auch keine Grundlage für ein Abänderungsverfahren sein.1 78 Hat allerdings die getrenntlebende oder geschiedene Ehefrau den Kindesunter-
halt als Verfahrensstandschafterin im eigenen Namen geltend gemacht, so ist jedenfalls ein gerichtlicher Vergleich auch dann wirksam, wenn er keine Aufschlüsselung enthält, auf wen welcher Unterhaltsbetrag entfällt. Der gesamte Unterhalt ist dann allein an die Ehefrau zu zahlen.2 Dies muss indessen dem Titel klar zu entnehmen sein. Die Auslegungsregel, dass im Zweifel mehrere Gläubiger oder Schuldner zu gleichen Teilen berechtigt sind,3 ist auf Unterhaltssachen nicht anzuwenden.4
1 2 3 4
OLG Zweibrücken, FamRZ 1986, 1237; Zöller/Stöber, § 704 ZPO Rz. 11. OLG Oldenburg, FamRZ 1990, 899; Zöller/Stöber, § 704 ZPO Rz. 11. Musielak/Lackmann, § 704 ZPO Rz. 10. Zur Unwirksamkeit eines Vollstreckungstitels aufgrund von Mängeln der Formulierung s. Griesche, FamRB 2008, 310 ff., in dem umfassend Fehlerquellen bei der Zwangsvollstreckung von Unterhaltstiteln erörtert werden; Musielak/Lackmann, § 704 ZPO Rz. 6a.
828 Griesche
IV. Die Vollstreckungsklausel
IV. Die Vollstreckungsklausel 1. Grundsätzliches Voraussetzung einer jeden Zwangsvollstreckung ist die Vorlage einer vollstreck- 79 baren Ausfertigung des Titels. Die Vollstreckungsklausel ist notwendiger Bestandteil einer vollstreckbaren Ausfertigung und lautet (§ 725 ZPO): „Vorstehende Ausfertigung wird dem (Bezeichnung des Antragstellers) zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt“ Ort Datum
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle
Dabei wird die Klausel der vollständigen oder abgekürzten Ausfertigung des Be- 80 schlusses bzw. eines Titels nach § 794 ZPO am Schluss beigefügt, vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle unterschrieben und mit dem Gerichtssiegel versehen. Erst die Vollstreckungsklausel begründet i.d.R. den Anspruch des Gläubigers auf 81 ein Tätigwerden der Vollstreckungsorgane. Auch aus den in § 794 ZPO genannten Vollsteckungstiteln wie z.B. den gerichtlich protokollierten oder notariell beurkundeten Vergleichen, im vereinfachten Verfahren erlassenen Unterhaltsfestsetzungsbeschlüssen etc. findet grundsätzlich die Zwangsvollstreckung immer nur aufgrund einer vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels statt (§ 795 i.V.m. §§ 724 bis 793 ZPO in entsprechender Anwendung).1 Die Vollstreckungsorgane haben nach Erteilung der Klausel nur noch zu prüfen, 82 ob die vollstreckbare Ausfertigung von dem zuständigen Beamten und formgerecht erteilt ist, nicht aber die Rechtmäßigkeit des Titels, bzw. der Klauselerteilung.2 Keine Vollstreckungsklausel benötigen
83
– Kostenfestsetzungsbeschlüsse, die nach den §§ 795a, 105 ZPO auf einen Titel gesetzt werden und dann mit dem Haupttitel eine Einheit bilden, – einstweilige Anordnungen gemäß § 53 FamFG Abs. 1 i.V.m. §§ 119 Abs. 1 Satz 1, 246 bis 248 FamFG, – Vollstreckungsbescheide (§ 796 Abs. 1 ZPO), sofern nicht die Zwangsvollstreckung für einen anderen als den im Titel bezeichneten Gläubiger erfolgen soll3 – Arrestbefehle – Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, denn insoweit handelt es sich bereits um Vollstreckungsmaßnahmen in das Vermögen des Schuldners, deren Erlass einen vollstreckbaren Titel voraussetzt (§ 829 ff. ZPO). Für die Erteilung der Vollstreckungsklausel sind – auch für Titel nach § 794 84 ZPO – die Vollstreckungs- und Verfahrensgerichte (s. Rz. 36 und Rz. 37) gem. §§ 795, 794, 724 ff. ZPO zuständig. Dies gilt auch für Anwaltsvergleiche (§ 796a
1 Baumbach/Hartmann, § 795 ZPO Rz. 4. 2 Hintzen/Wolf, Rz. 3.51; Gottwald, Zwangsvollstreckung, Vorbemerkung vor den §§ 724 ff. ZPO Rz. 2. 3 Prütting/Helms/Bömelburg, § 246 FamFG Rz. 17.
Griesche
829
M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
ZPO), möglich ist insoweit allerdings auch die Vollstreckbarerklärung durch den Notar (§ 796c Abs. 1 ZPO). Ausnahmen gelten für notarielle Urkunden und Jugendamtsurkunden: Vollstreckbare Ausfertigungen notarieller Urkunden erteilt der die Urkunde verwahrende Notar (§ 797 Abs. 3 ZPO). Vollstreckbare Ausfertigungen der Urkunden der Jugendämter über die Zahlungspflicht von Kindesunterhalt erteilt das für die Beurkundung der Verpflichtungserklärung zuständige Jugendamt nach § 60 Nr. 1 SGB VIII. 2. Verfahren 85 Die Vollstreckungsklausel wird nur auf Antrag erteilt, der nicht formbedürftig
ist und auch mündlich gestellt werden kann. Antragsberechtigt ist der Gläubiger oder sein vertretungsberechtigter Bevollmächtigter (§ 79 Abs. 2 ZPO), nicht dagegen ein im Titel begünstigter Dritter. Hat jemand in Verfahrensstandschaft einen Titel erwirkt, so bleibt er antragsberechtigt, solange er die Unterhaltsforderung nicht an einen Dritten abgetreten hat.1 Der typische Fall des in Verfahrensstandschaft erlangten Titels im Unterhaltsverfahren ist der, dass ein getrenntlebender Elternteil nach § 1629 Abs. 3 BGB im eigenen Namen gegen den anderen Elternteil erwirkt.2 Zu den Voraussetzungen s. Kap. K Rz. 41 ff. E 39
Antrag auf Vollstreckungsklausel
86 In Sachen
Lehmann ./. Lehmann berreiche ich in der Anlage Vollmacht sowie eine Ausfertigung des Beschlusses des Familiengerichts … vom … und beantrage die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Beschlusses fr die Antragstellerin zum Zwecke der Zwangsvollstreckung wegen Unterhalts fr das am … geborene Kind … Rechtsanwalt
87 Hat die Kindesmutter in Verfahrensstandschaft für das minderjährige Kind Kin-
desunterhalt im Streitverfahren beantragt, so ist erst mit Beendigung der Verfahrensstandschaft eine Titelumschreibung auf das Kind bzw. dessen Rechtsnachfolger möglich. Die Verfahrensstandschaft endet mit der Rechtskraft der Scheidung, die noch während der Minderjährigkeit des Kindes eintreten kann, sie endet immer mit Eintritt der Volljährigkeit des Kindes. Endet die Verfahrensstandschaft während der Minderjährigkeit des Kindes, ist der bisher berechtigte Elternteil weiter berechtigt, die Klausel für sich zu beantragen. Sollte das Kind einen entsprechenden Antrag stellen, wird dem Antrag nach § 727 ZPO stattzugeben sein. Um jedoch der Gefahr einer Doppelvollstreckung vorzubeugen, ist in dem Fall der Schuldner zuvor anzuhören (§ 733 ZPO).3
1 BGH, NJW 1984, 806; Hintzen/Wolf, Rz. 3.60. 2 BGH, NJW 1991, 833; NJW 1991, 940 f., NJW 1984, 806; KG, FamRZ 1984, 505; OLG Hamburg, FamRZ 1984, 927; LG Kleve, FamRZ 2007, 1663. 3 OLG Hamm, FamRZ 2000, 1590; Hochgräber, FamRZ 1996, 272.
830 Griesche
IV. Die Vollstreckungsklausel
In Rechtsprechung und Schrifttum war umstritten, ob nach Eintritt der Volljäh- 88 rigkeit des Kindes der bisher als Gläubiger der Forderung berechtigte Elternteil weiterhin aus einem vorhandenen Titel die Zwangsvollstreckung beantragen kann oder nur noch das Kind und welche Anforderungen bei der Klauselerteilung zu stellen sind. Durch eine 2013 ergangene Entscheidung des BGH1 ist die Streitfrage geklärt worden. Das Kind kann danach als Antragsteller in das Verfahren nur im Wege des gewillkürten Beteiligtenwechsels eintreten. Ob es dies will, hängt von seinem Willen ab. Tut es dies nicht, bleibt es weiterhin am Verfahren unbeteiligt und kann mit Kosten nicht belastet werden. Will es das Verfahren fortführen, kann es dies ohne Zustimmung des Antragsgegners tun. Der ehemalige Verfahrensstandschafter hat nur die Möglichkeit, das Verfahren 89 einseitig in der Hauptsache für erledigt zu erklären, weil mit der Verfahrensbefugnis eine Zulässigkeitsvoraussetzung nachträglich entfallen ist. Entscheidet sich das Kind zur Fortsetzung des Verfahrens, kann es den vom frü- 90 heren Verfahrensstandschafter erstrittenen Titel auf sich umschreiben lassen.2 Die Entscheidung des BGH hat – abgesehen von der Kostenfolge im Fall der An- 91 tragsrücknahme –3 im Schrifttum bisher Zustimmung gefunden. Vor Eintritt der Volljährigkeit ist die Umschreibung auf das Kind möglich, wenn 92 die Verfahrensstandschaft durch die Rechtskraft eins anhängigen Scheidungsverfahrens endet (§ 120 Abs. 1 FamFG, § 727 ZPO).4 Zuständig für die Erteilung der einfachen Vollstreckungsklausel nach § 724 93 ZPO ist immer der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Gerichts erster Instanz; ist das Verfahren in einer höheren Instanz anhängig, ist deren Urkundsbeamter zur Erteilung der Vollstreckungsklausel berufen (§ 724 Abs. 2 ZPO). Der Urkundsbeamte leitet den Antrag jedoch zur Bearbeitung an den Rechtspfleger weiter, wenn die Erteilung einer qualifizierten Klausel, das sind titelergänzende Klauseln (§ 726 Abs. 1 ZPO), sowie titelumschreibende oder übertragende Klauseln (§§ 727 bis 729 ZPO) beantragt wird. Insoweit besteht nach § 20 Nr. 12 RPflG eine Zuständigkeit des Rechtspflegers. Die Beachtung der unterschiedlichen Zuständigkeit von Urkundsbeamten der 94 Geschäftsstelle (UdG) und Rechtspfleger wird zwar von einem Teil der Rechtsprechung und der Literatur für zwingend gehalten mit der Folge, dass eine vom falschen Vollstreckungsorgan erteilte Klausel unwirksam sei und nicht Grundlage einer Zwangsvollstreckung sein könnte.5 Der BGH ist dem aber nicht gefolgt.6 Nach der Rechtsprechung des BGH hat der UdG einen eingegangenen Antrag auf Erteilung einer Vollstreckungsklausel zwar daraufhin zu überprüfen, ob darin Vollstreckungsbedingungen im Sinne von § 726 Abs. 1 ZPO enthalten
1 BGH, FamRZ 2013, 1378. 2 Zöller/Stöber, § 724 ZPO Rz. 3, § 727 ZPO Rz. 13. 3 Baumann, FamRZ 2013, 1718; Borth, FamRZ 2013, 1718; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 243 FamFG Rz. 4; Zöller/Herget § 243 FamFG Rz. 7. 4 OLG Hamm, InVo 2001, 257; Musielak/Lackmann, § 724 ZPO Rz. 5. 5 OLG Hamm, MDR 1987, 682; KG, Jur. Büro 1999, 601; Jungbauer, Jur. Büro 2002, 285; Gottwald, Zwangsvollstreckung, § 726 ZPO Rz. 7 mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 6 BGH, NJW-RR 2012, 1146; BGH, NJW-RR 2012, 1148; FamRZ 2013, 127 (128).
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
sind. Kommt er aber dabei zu einem unzutreffenden Ergebnis und erteilt er eine einfache Klausel nach § 724 ZPO, so ist dies zwar fehlerhaft, es führt aber nicht zur Unwirksamkeit der Klausel. Denn der Fehler ist nicht so schwerwiegend, dass ohne eine Überprüfung, die nach § 732 ZPO vorzunehmen wäre, eine Vollstreckung nicht auf der Grundlage einer vom falschen Vollstreckungsorgan erteilten Klausel fortgesetzt werden dürfte. Deshalb darf die Erteilung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auch nicht mit der Begründung verweigert werden, die vom UdG und nicht vom Rechtspfleger erteilte Klausel sei nicht verwertbar. Geschieht dies dennoch, kann der Gläubiger, ohne einen weiteren Antrag zu stellen, erneut den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beantragen.1 95 Ausdrücklich angeordnet ist die Zuständigkeit des Urkundsbeamten der Ge-
schäftsstelle nach § 795b ZPO, der seit 31.12.2006 in Kraft ist, für den Fall, dass ein gerichtlicher Vergleich für vollstreckbar erklärt werden soll, der vor einem deutschen Gericht geschlossen worden ist und dessen Wirksamkeit ausschließlich vom Eintritt einer sich aus der Verfahrensakte ergebenden Tatsache abhängt. Diese Regelung kommt in Unterhaltssachen zum einen dann zum Tragen, wenn ein widerruflicher Prozessvergleich geschlossen worden ist und der Widerruf nur gegenüber dem Gericht erklärt werden darf.2 Das Gleiche gilt, wenn Eheleute zum Unterhalt eine Scheidungsfolgenvereinbarung für den Fall der Rechtskraft der Scheidung getroffen haben und sich die Rechtskraft des Scheidungsurteils aus der Akte ergibt.3 96 § 795b ZPO wurde vom Gesetzgeber eingeführt mit dem Ziel der Vereinfachung
des Verfahrens, d.h. es sollte für die Bearbeitung nicht mehr der Rechtspfleger sondern der Urkundsbeamte dann zuständig sein, wenn sich die Wirksamkeit des Vergleichs ohne Urkundenbeweis bereits aus dem Akteninhalt ergibt. § 795b ZPO ist deshalb auch eng auszulegen, d.h. bei einem Widerrufsvergleich muss das Vorliegen der Voraussetzungen direkt aus der Verfahrensakte hervorgehen. Das kann nur dadurch erreicht werden, dass in dem Vergleich festgehalten wird, dass der Widerruf ausschließlich gegenüber dem Gericht erklärt werden darf. Hierauf sollte bei Abschluss des Vergleichs geachtet werden, um den Vorteil der vereinfachenden Bearbeitung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nutzen zu können.4
1 BGH, NJW-RR 2012, 1148 f. 2 Zöller/Stöber, § 795b ZPO Rz. 3. 3 Der Nachweis, dass die Scheidung rechtskräftig ist, kann durch einen bei den Akten befindlichen mit Rechtskraftvermerk versehenen Scheidungsbeschluss geführt werden, so dass die Erfüllung der Voraussetzungen des § 726 Abs. 1 ZPO problemlos möglich ist. Demgegenüber muss nach § 795b ZPO der rechtskräftige Scheidungsbeschluss in den Akten des Scheidungsverfahrens vorhanden sein. Auch die Rechtskraft des Beschlusses muss sich aus den Akten ergeben; insofern ist die Regelung des § 795b ZPO strenger als die des § 726 Abs. 1 ZPO (Baumbach/Hartmann, § 795b ZPO Rz. 3; Fölsch, MDR 2007, 123 f.; Zöller/Stöber, § 795b ZPO Rz. 3; Sandhaus, Rpfleger 2008, 236. 4 Zu den Einzelheiten – insbesondere auch zu den Rechtsbehelfen im Fall von Beanstandungen der am Vollstreckungsverfahren Beteiligten – vgl. den Aufsatz von Sandhaus, Rpfleger 2008, 236 ff.; ferner Fölsch, MDR 2007, 121 (124); von Preuschen, NJW 2007, 321 (323 f.).
832 Griesche
IV. Die Vollstreckungsklausel
E 40
Beispiel fr den Antrag1
An das Amtsgericht/FamG
97
In Sachen …/… (Langrubrum) Az.: … beantrage ich, eine vollstreckbare Ausfertigung des am … geschlossenen Vergleichs zu erteilen. Die dem Antragsgegner gem. Ziffer … des Vergleichs vorbehaltene Widerrufsfrist ist am … abgelaufen. Ein Widerruf wurde mir bisher nicht zugestellt. Dass ein Widerruf nicht erfolgt ist, ist durch die Verfahrensakte offenkundig und bedarf keines urkundlichen Nachweises i.S.v. § 726 Abs. 1 ZPO. Fr die Klauselerteilung ist gemß § 795a ZPO der Urkundsbeamte zustndig. Unterschrift
Die Prüfung der formellen Voraussetzungen für die Erteilung einer vollstreck- 98 baren Ausfertigung einer notariellen Urkunde im Sinne von § 794 Nr. 5 ZPO obliegt dem Notar, der die Urkunde verwahrt (§ 797 Abs. 2 ZPO). Dieser ist aber ebenfalls nicht zu einer Beurteilung des sachlich rechtlichen Bestehens des titulierten Anspruchs befugt.2 Ausnahmsweise darf der Notar die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung ablehnen, wenn durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen oder für ihn sonst offenkundig ist, dass der materiell-rechtliche Anspruch nicht (mehr) besteht.3 Bei Jugendamtsurkunden erteilt der für die Errichtung der Urkunde zuständige Bearbeiter des Jugendamts die vollstreckbare Ausfertigung. 3. Einfache Vollstreckungsklausel Von einer einfachen Klausel spricht man, wenn Grundlage allein die Vorschrift 99 des § 724 ZPO ist, wenn also kein Fall des § 726 Abs. 1 und der §§ 727 ff. ZPO vorliegt. Der Inhalt der Klausel ergibt sich aus § 725 ZPO. Danach lautet die Klausel: „Vorstehende Ausfertigung wird dem usw. (Bezeichnung der Partei) zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt“. Der Wortlaut ist zwar nicht zwingend, sollte aber aus Gründen der einheitlichen Handhabung stets verwendet werden. Der Schuldner ist vor Erteilung der einfachen Klausel nicht zu hören (Rück- 100 schluss aus § 730 ZPO). Sein Anspruch auf rechtliches Gehör wird durch das ihm zustehende Rechtsmittel der Erinnerung gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel (§ 732 ZPO) hinreichend gewahrt.4
1 Nachgebildet dem Muster 59.7 aus Vorwerk/Giers, Das Prozessformularbuch, 9. Aufl., Kap. 59. 2 OLG Düsseldorf, DNotZ 1991, 536; OLG Frankfurt, InVo 1997; OLG Oldenburg, OLGZ 1994, 499. 3 OLG Frankfurt, OLGZ 1994, 501 (502) und InVo 1997, 302 (303); BayObLG, InVo 1998, 52. 4 Hintzen/Wolf, Rz. 3.72.
Griesche
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
101
Gerät der Schuldner während des Klauselerteilungsverfahrens in Insolvenz, wird dieses nicht nach § 240 ZPO unterbrochen. Auch wird die Erteilung der Vollstreckungsklausel hierdurch nicht nach § 89 Abs. 1 InsO unzulässig, weil dieses Verfahren lediglich eine die Zwangsvollstreckung vorbereitende Maßnahme ist und von dem Vollstreckungsverbot nicht erfasst wird.1 4. Qualifizierte Vollstreckungsklausel
102
In einer Reihe von Fällen treten nach Schaffung des Titels Umstände ein, die im Erkenntnisverfahren bzw. bei Errichtung der Urkunde noch keine Berücksichtigung finden konnten, deren Vorliegen aber im Verfahren auf Erteilung der Vollstreckungsklausel festgestellt werden soll. Das Hinzukommen zusätzlicher Tatsachen macht es erforderlich, dass dies bei der Erteilung der Klausel zu beachten ist. Für derartige Fälle wird der Begriff der qualifizierten Klausel verwendet, für deren Bearbeitung nicht der Urkundsbeamte sondern der Rechtspfleger zuständig ist (§ 20 Nr. 12 RPflG). Insoweit gilt, dass die weiteren Voraussetzungen für die Klauselerteilung nach den §§ 726–729 ZPO durch öffentliche (§ 415 ZPO) oder öffentlich beglaubigte Urkunden (§ 129 BGB) vom Gläubiger nachzuweisen sind, sofern sie nicht offenkundig sind.
103
Die qualifizierte Klausel lautet dann: „Vorstehende Ausfertigung wird Benjamin X., als Rechtsnachfolger des Gläubigers Y zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt“. a) Titelergänzende Klausel
104
Eine titelergänzende Klausel wird u.a. erforderlich, wenn nach dem Inhalt des Titels der Anspruch oder seine Vollstreckbarkeit aufschiebend bedingt oder ungewiss befristet ist. Das ist z.B. dann der Fall, wenn ein gerichtlich protokollierter Vergleich unter Widerrufsvorbehalt geschlossen wurde und der Widerruf nicht gegenüber dem Gericht zu erklären war. Dann muss der nach § 20 Nr. 12 RPflG funktionell zuständige Rechtspfleger nicht nur das Vorliegen der Voraussetzungen des § 724 ZPO, sondern zusätzlich prüfen, ob die in § 726 ZPO genannten Umstände erfüllt sind. Ist der Widerruf gegenüber dem Gericht zu erklären, ist der Urkundsbeamte nach § 795b ZPO zuständig.
105
Betrifft das Klauselerteilungsverfahren eine vollstreckbare Urkunde nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO und hat ein Vertreter des Schuldners die Unterwerfungserklärung abgegeben, so muss auch die Vollmacht des Vertreters überprüft werden. Die Klausel darf in diesem Fall nur erteilt werden, wenn auch die Vollmacht durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen wird.
106
Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Frage, ob die von einem Vertreter in einer notariellen Urkunde abgegebene Unterwerfungserklärung wirksam ist, allein im Klauselerteilungsverfahren und nicht im Zwangsvollstreckungsverfahren zu prüfen.2 Die Frage der Wirksamkeit der Vollmacht ist Grundlage für das Entstehen der Unterwerfungserklärung als Vollstreckungstitel.
1 BGH, NJW 2008, 918 = Rpfleger 2008, 209. 2 BGH, NJW 2012, 3518; 2010, 2041.
834 Griesche
IV. Die Vollstreckungsklausel
Wird die Vollstreckung aus einem wegen Unwirksamkeit der Vollmacht nicht 107 vollstreckbaren Titel betrieben, kann der Schuldner sich hiergegen mit einer Einwendung nach § 732 ZPO wehren. Die Vollstreckungsklausel ist dann vom Vollstreckungsgericht aufzuheben. b) Titelübertragende Klausel Nach § 750 Abs. 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn die 108 Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Beschluss oder in dem vollstreckbaren Titel namentlich genannt worden sind. Dies sind meist die Personen, die das Unterhaltsverfahren betrieben haben. Das Gesetz lässt es aber zu, dass vorhandene Titel auf Rechtsnachfolger übertra- 109 gen werden. Hierzu ist die Erwirkung einer titelübertragenden Klausel erforderlich (§§ 727 ff. ZPO). Die Rechtsnachfolge kann auf tatsächlichen Umständen, auf Gesetz, Vertrag oder Hoheitsakt beruhen.1 In Unterhaltsstreitverfahren sind typische Fälle der gesetzliche Forderungsübergang nach § 94 SGB XII; § 32 SGB II; § 37 BAföG, der Wegfall der Prozessstandschaft nach § 1629 Abs. 3 BGB etc., die nachfolgend unter Rz. 115 ff. behandelt werden. aa) Voraussetzungen der Erteilung der Klausel Die Rechtsnachfolge muss bei Beschlüssen und Prozessvergleichen nach 110 Rechtshängigkeit, bei den übrigen Titeln nach deren Entstehung, z.B. nach Erstellung der notariellen Urkunde, stattgefunden haben. Das ergibt sich aus der in § 727 Abs. 1 ZPO enthaltenen Bezugnahme auf § 325 ZPO. Eine Titelumschreibung auf den Rechtsnachfolger des im Titel angegebenen Gläubigers kann insoweit verlangt werden, als der Beschluss gegen den Rechtsnachfolger nach § 325 ZPO wirksam ist, und das ist nur dann der Fall, wenn und soweit die Rechtsnachfolge nach Rechtshängigkeit eingetreten ist.2 Im Fall der Rechtsnachfolge auf Seiten des Schuldners ist ein Urkundenbeweis 111 nicht erforderlich, wenn der neue Schuldner im Rahmen der nach § 730 ZPO durchzuführenden Anhörung ausdrücklich der Rechtsnachfolge zustimmt und auch sein Einverständnis zur Erteilung der Nachfolgeklausel erklärt (§ 288 ZPO).3 Bei einem Wechsel auf der Gläubigerseite ist ein qualifizierter Nachweis durch 112 öffentlich beglaubigte Urkunden entbehrlich, wenn der bisherige Gläubiger mit der Erteilung der Klausel an den neuen Gläubiger einverstanden ist und der Schuldner die Rechtsnachfolge zugesteht (§ 288 ZPO). Nicht ausreichend ist das Schweigen des Schuldners bei der Anhörung, denn es hat keine Geständniswirkung. § 138 Abs. 3 ZPO gilt insoweit nicht.4 Tritt die Rechtsnachfolge erst nach Beginn des Klauselerteilungsverfahrens ein, 113 ist eine Fortsetzung erst möglich, wenn dem Schuldner eine Ausfertigung des
1 Schuschke/Walker, § 727 ZPO Rz. 3. 2 BGHZ 120, 387 (392); OLG Düsseldorf, InVO 1998, 26; Hintzen/Wolf, Rz. 3.106. 3 OLG Bamberg, JurBüro 1992, 195; OLG Saarbrücken, JurBüro 1991, 726; OLG Schleswig, JurBüro 1993, 176; Zöller/Stöber, § 727 ZPO Rz. 20. 4 BGH, MDR 2006, 52 = NJW-RR 2005, 1716.
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
Titels zugestellt wird, aus dem sich die geänderte Rechtsposition auf der Gläubigerseite ergibt. Denn über den Wortlaut des § 750 Abs. 1 ZPO hinaus muss nicht nur bei Beginn der Zwangsvollstreckung, sondern während der gesamten Dauer des Verfahrens die zutreffende Zusammensetzung der auf der Gläubigerseite handelnden Personen feststehen.1 Deshalb müssen dem Schuldner die Klausel, die den neuen Gläubiger benennt, und die ihrer Erteilung zugrunde liegenden Urkunden zugestellt worden sein (§ 750 Abs. 2 ZPO).2 114
Gelingt dem Rechtsnachfolger des Gläubigers der Nachweis der Rechtsnachfolge in der vorgeschriebenen Form nicht, hat dies zur Folge, dass er die Klausel nicht erhält. Er muss dann beim Verfahrensgericht des ersten Rechtszuges, also beim Familiengericht, einen Antrag nach § 731 ZPO auf Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung stellen. In diesem Verfahren kann er dann alle Beweismittel verwenden. Hierbei handelt es sich um einen Feststellungsantrag, der darauf zu richten ist, dass dem Antragsteller aus einem im Einzelnen zu bezeichnenden Schuldtitel eine Klausel erteilt werden soll. Ob daneben ein Leistungsverfahren zulässig ist oder insoweit das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, ist umstritten; der BGH bejaht die Zulässigkeit eines Leistungsverfahrens.3 bb) Titelübertragende Klauseln bei gesetzlichem Forderungsübergang (§ 94 SGB XII, § 33 SGB II, § 7 UVG, § 7 BAföG)
115
Erbringen öffentliche Leistungsträger Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII oder Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II (s. dazu Kap. H Rz. 29 ff.) gehen Unterhaltsansprüche, die den Leistungsempfängern nach dem BGB zustehen, auf den Leistungsträger bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen für den Leistungszeitraum über (§ 94 SGB XII und § 33 SGB II). Sind die Bedürftigen im Besitz eines Unterhaltstitels gegen einen Dritten, können die leistenden Behörden diesen nach § 727 Abs. 1 ZPO auf sich umschreiben lassen. Die Bewilligung und Gewährung von Sozialleistungen können sie durch Vorlage der entsprechenden Bescheide, also durch öffentliche Urkunden, nachweisen. Der mögliche Ausschlussgrund des § 94 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII bzw. § 33 Abs. 2 Satz 3 SGB II – mögliche Leistungsunfähigkeit des Unterhaltsschuldners – braucht vom Träger der Leistungen nicht nachgewiesen zu werden.4
116
Allerdings kommt eine Titelumschreibung nach § 727 ZPO nur für solche Ansprüche in Betracht, die der neue Gläubiger nach Rechtshängigkeit des dem Titel zugrunde liegenden Verfahrens erworben hat. Ist der Erstellung des Titels keine Rechtshängigkeit vorangegangen – z.B. bei einer vollstreckbaren Urkunde –, ist auf den Tag der Titelerrichtung abzustellen.5 Bei einer einstweiligen Anordnung ist zu differenzieren: Ist dem Erlass des Titels keine Rechtshängigkeit vorangegangen, kommt es auf den Tag des Erlasses an. Im Fall einer Zustellung des 1 BGH, Rpfleger 2007, 331 (332 m.w.N.). 2 Hintzen, Rpfleger 2005, 452 (453). 3 BGH, NJW 1987, 2863; ebenso RGJB 25, 764; LG Berlin, JurBüro 1995, 219; LG Osnabrück, JurBüro 1991, 1401; Zöller/Stöber, § 731 ZPO Rz. 7; a.A. Stein/Jonas/Münzberg, § 731 ZPO Rz. 6; Schuschke, § 727 ZPO Rz. 35. 4 OLG Stuttgart, FamRZ 2008, 290 = Rpfleger 2008, 144 mit zahlreichen w.N. aus der Rspr. zu der vor Inkrafttreten der SGB II und SGB XII geltenden Vorschrift des § 91 BSHG, die in der obergerichtlichen Rspr. heftig umstritten war; Cirullies, Vollstreckung in Familiensachen, Rz. 63. 5 BGHZ 160, 387 ff.
836 Griesche
IV. Die Vollstreckungsklausel
Antrags wird hierdurch das Rechtsverhältnis zum Antragsgegner begründet; dann ist dieser genau bestimmbare Zeitpunkt der, der der Rechtshängigkeit vergleichbar ist, maßgebend.1 Werden Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt, geht der titu- 117 lierte Anspruch des Kindes in diesem Umfang gemäß § 7 UVG des Gesetzes auf das Land über, und der Titel kann nach § 727 ZPO umgeschrieben werden (s. dazu Kap. H Rz. 14 ff.).2 Der Forderungsübergang findet auch dann statt, wenn der Leistungsträger einen Unterhaltsvorschuss gezahlt hat, obwohl die Voraussetzungen des § 7 UVG nicht vorgelegen haben. Die Umschreibung des Titels hat auch in diesem Fall stattzufinden.3 Hat umgekehrt die Unterhaltsvorschusskasse nach § 7 Abs. 1, Abs. 4 UVG ei- 118 nen Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den barunterhaltspflichtigen Elternteil erwirkt, so ist umstritten, ob nach Beendigung der Leistungen durch die Behörde der Titel auf das unterhaltsberechtigte Kind umgeschrieben und dem Kind eine Vollstreckungsklausel erteilt werden darf. Zu folgen ist der Ansicht, die dies ablehnt. Die Regelung des § 7 Abs. 1 und 4 UVG enthält keinen Fall der gesetzlichen Verfahrensstandschaft.4 Eine Klage des Trägers der Unterhaltsvorschusskasse ist auf Ansprüche gerichtet, die später insoweit auf ihn übergehen, als Leistungen erbracht worden sind. Die Leistungen hat der Träger der Unterhaltsvorschusskasse bei der Zwangsvollstreckung nach § 726 ZPO nachzuweisen.5 Das Kind wird aber nicht Rechtsnachfolger des Trägers der Unterhaltsvorschusskasse. Auch eine analoge Anwendung von § 727 ZPO kommt nicht in Betracht.6 Weitere Fälle des Rechtsübergangs auf den neuen Gläubiger nach Forderungsübergang kraft Gesetzes sind zB. geregelt in § 37 BAföG, § 187 SGB III, früher § 141m AFG, § 1607 Abs. 2 Satz 2 BGB. Keine Rechtsnachfolge liegt vor, wenn der Titelgläubiger einen Dritten lediglich ermächtigt, im eigenen Namen zu vollstrecken (isolierte Vollstreckungsstandschaft).7 E 41
Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung
An das
119
Amtsgericht … Aktenzeichen: … Ort, Datum In Sachen Land Berlin ./. Lehmann 1 KG, FamRZ 2009, 1002. 2 OLG Zweibrücken, FamRZ 2000, 964; OLG Düsseldorf, FamRZ 1997, 826; OLG Oldenburg, FamRZ 1982, 923, Schuschke, § 727 ZPO Rz. 10. 3 BGH, FamRZ 1986, 878; OLG Karlsruhe, FamRZ 2008, 1447 (1458). 4 OLG Schleswig, FamRZ 2008, 1092; a.A. OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 1796; OLG Stuttgart, FamRZ 2006, 1769; zweifelnd: Cirullies, Rz. 60. 5 Insoweit zustimmend: OLG Stuttgart, FamRZ 2006, 1769. 6 OLG Schleswig, FamRZ 2008, 1092; a.A. OLG Koblenz, FamRZ 1989; Cirullies, Rz. 60, die sich aber allein auf Gründe der Prozessökonomie berufen. 7 BGH, NJW 1985, 809; BGH, NJW-RR 1992, 61; BGH, NJW 1993, 1396; a.A. OLG Dresden, NJW-RR 1996, 444.
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
berreiche ich in der Anlage Vollmacht sowie vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses des Familiengerichts … vom … und beantrage die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Beschlusses fr das Land Berlin – Unterhaltsvorschusskasse – zum Zwecke der Zwangsvollstreckung in Hçhe der geleisteten Unterhaltszahlungen von 7 500,00 Euro fr das am … geborene Kind … Die Rechtsnachfolge und die erfolgten Zahlungen sind nachgewiesen durch a) die Vorlage des Bewilligungsbescheides ber Vorschussleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz vom … b) Aufstellung ber die geleisteten Zahlungen fr die Zeit vom … bis zum … in Hçhe von 7 500,00 Euro in Form der berweisung auf das Konto bei der … Bank, Konto-Nr. … c) Dienstliche Versicherung des … ber die Richtigkeit der vorbezeichneten Aufstellung. d) Schriftliche Besttigung der gesetzlichen Vertreterin des unterhaltsberechtigten Kindes ber Zeit und Hçhe der nach dem Unterhaltsvorschussgesetz empfangenen Betrge. Rechtsanwalt
120
Bei Umschreibung des Titels nach § 37 BAföG muss das Land in der durch § 727 Abs. 1 ZPO vorgeschriebenen Form auch nachweisen, in welcher Höhe auf den Bedarf des Auszubildenden das Einkommen und das Vermögen der Eltern nach dem BAföG anzurechnen ist.1
121
Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH ist die Umschreibung des Titels auf den Erben zulässig.2 Dies gilt auch für gerichtliche Vergleiche. Er hat dies u.a. mit Gründen der Prozessökonomie begründet und das Gegenargument, dass die Ansprüche gegen den ursprünglich Unterhaltspflichtigen und gegen den Erben nicht identisch seien, ausdrücklich abgelehnt. 5. Antrag auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung (§ 733 ZPO)
122
Für den Gläubiger kann sich ein besonderes Interesse an der Erteilung einer weiteren Ausfertigung ergeben. Dies kann z.B. auf dem Verlust der ersten Ausfertigung beruhen oder dass an mehreren Orten oder durch verschiedene Vollstreckungsorgane zur selben Zeit vollstreckt werden muss.3 Dasselbe gilt dann, wenn der Gläubiger behauptet, eine vollstreckbare Ausfertigung nicht erhalten zu haben.4 Die Beweislast für den Tatsachenvortrag obliegt dem Gläubiger, wobei an die Glaubhaftmachung keine strengen Anforderungen zu stellen sind.5 Vor der Erteilung ist der Schuldner nach § 733 ZPO anzuhören. Die Anhörung dient seinem Schutz, um ihn nicht der Gefahr einer doppelten Vollstreckung auszusetzen. Dieses Schutzes bedarf es allerdings nicht, wenn die zuerst erteilte Ausfertigung zurückgegeben wird. Dann gelten für die Erteilung einer neuen 1 OLG Stuttgart, FamRZ 1995, 489; Zöller/Stöber, § 727 ZPO Rz. 31. 2 BGH, FamRZ 1995, 164 (165 f.); BGH, NJW 2004, 2896 = FamRZ 2004, 1546. 3 OLG Rostock, OLGR 2001, 485; Hintzen/Wolf, Rz. 3 194; Gottwald, § 733 Rz. 4 mit Aufzählung weiterer Fälle eines berechtigten Interesses des Gläubigers. 4 OLG München, FamRZ 2013, 485; OLG Schleswig, SchlHA 1981, 81. 5 OLG Saarbrücken, MDR 2008, 48; Zöller/Stöber, § 733 ZPO Rz. 12.
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V. Die Zustellung des Vollstreckungstitels
Ausfertigung die Regeln der §§ 724 ff. ZPO einschließlich der dort enthaltenen Bestimmungen über die funktionelle Zuständigkeit.1 6. Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen über die Erteilung der Vollstreckungsklausel Dem Gläubiger steht gegen die Verweigerung der Vollstreckungsklausel die be- 123 fristete Erinnerung nach § 573 Abs. 1 ZPO zu, wenn der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Entscheidung getroffen hat, ansonsten die sofortige Beschwerde (§ 11 RPflG, § 567 Abs. 1 ZPO) oder – wenn dem Gläubiger die nach den §§ 726, 727 ZPO erforderlichen Nachweise für die Erteilung einer qualifizierten Vollstreckungsklausel fehlen – der Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel nach § 731 ZPO. Gegen die Ablehnung der Erteilung der Vollstreckungsklausel durch einen Notar kann der Gläubiger Beschwerde nach § 54 BeurkG einlegen. Ist die Vollstreckungsklausel erteilt worden, kann der Schuldner hiergegen mit 124 der Klauselerinnerung (§ 732 ZPO) vorgehen oder den – in der Praxis seltenen – Klauselgegenantrag (§ 768 ZPO) stellen.
V. Die Zustellung des Vollstreckungstitels Neben dem Vorhandensein eines vollstreckbaren Titels und der Vollstreckungs- 125 klausel hängt der Beginn der Zwangsvollstreckung davon ab, dass der Titel bereits zugestellt worden ist oder gleichzeitig zugestellt wird (§ 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Vorschrift gilt für jedes Vollstreckungsorgan und für alle Vollstreckungsarten. Im Rahmen der Vollstreckung ist die Zustellung durch den Gläubiger nach § 750 Abs. 1 S. 2 1. HS ZPO ausreichend.2 Für die Zustellung von Endentscheidungen in Unterhaltsstreitverfahren gelten 126 nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG die allgemeinen Vorschriften der ZPO, d.h. die Beschlüsse sind von Amts wegen zuzustellen § 329 Abs. 2 S. 2, bzw. Abs. 3 ZPO. Die Zustellung erfolgt, soweit ein Verfahrensbevollmächtigter bestellt ist, an diesen (§ 172 ZPO). Insoweit gilt nicht die in § 15 FamFG geregelte Bekanntgabe durch formlose Mitteilung, sondern maßgebend sind die zwingenden Vorschriften über die Zustellung nach §§ 166 ff. ZPO.3 Die Zwangsvollstreckung ist auch möglich nach Zustellung im Parteibetrieb (§ 750 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Dies gilt auch für sonstige Beschlüsse, wie z.B. Kostenfestsetzungsbeschlüsse und Beschlüsse nach § 278 Abs. 6 ZPO (über einen Vergleich). Da auch die Vollstreckungstitel nach § 794 ZPO zugestellt werden müssen (§ 795 ZPO), erfolgt die Zustellung ebenfalls nach Maßgabe des § 750 ZPO, d.h. im Parteibetrieb, durch Zustellung zur Post. Jugendamtsurkunden können durch Aushändigung einer beglaubigten Abschrift zugestellt werden (§§ 62 Abs. 2 BeurkG, § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII).
1 Hintzen/Wolf, Rz. 3.198. 2 Schulte-Bunert, FuR 2013, 146. 3 Borth, FamRZ 2009, 157 (160); Gutjahr, Verfahrenshandbuch, Rz. 429.
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
VI. Weitere Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung 1. Eintritt eines Kalendertages 127
Hängt die Fälligkeit des zuerkannten Anspruchs vom Eintritt eines Kalendertages ab, darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn der Kalendertag abgelaufen ist (§ 751 Abs. 1 ZPO). Vollstreckungsvoraussetzung ist, dass die Fälligkeit bei einer Verurteilung zu künftigen Leistungen (§§ 257, 259 ZPO), insbesondere für wiederkehrende Leistungen,1 an einen Kalendertag geknüpft ist.
128
Der Kalendertag muss bestimmt oder mithilfe des Kalenders bestimmbar sein; eine bloße Berechenbarkeit reicht nicht aus.2 Dies wird bei der Zuerkennung von Unterhalt im Allgemeinen auch beachtet, weil das Fälligkeitsdatum in Unterhaltstiteln grundsätzlich genannt wird. Nach § 751 Abs. 1 ZPO kann die Vollstreckung einer am 1. eines jeden Monats fälligen Unterhaltsrente am 2. des Monats beginnen. Ist der genannte Kalendertag ein Sonnabend, Sonntag oder Feiertag, darf die Vollstreckung erst an dem Tag einsetzen, der auf den nächsten Werktag folgt; § 193 BGB gilt entsprechend.3
129
Beispiel Fälligkeitstag: Karfreitag, der 18.4.2014; Vollstreckungsbeginn: Dienstag, der 22.4.2014, der erste Tag nach den Osterfeiertagen.
2. Fristen für den Beginn der Vollstreckung 130
Nach § 798 ZPO darf u.a. aus Unterhaltsbeschlüssen nach § 794 Abs. 1 Nr. 2a ZPO sowie aus einer notariellen Urkunde nach § 794 Nr. 5 ZPO die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn der Schuldtitel mindestens zwei Wochen vorher zugestellt worden ist. § 798 ZPO ist unabdingbar, und die Wartefrist kann vom Gericht weder verkürzt noch verlängert werden. Zweck der Vorschrift ist, dem Schuldner eine Gelegenheit einzuräumen, einen fälligen und titulierten Anspruch während der Frist zu erfüllen.
131
Allerdings ist die Vollstreckungsmaßnahme bei Nichtbeachtung der Frist nicht unwirksam. Bei Ablauf der Wartefrist wird der Mangel geheilt, und in diesem Zeitpunkt entsteht ein Pfändungspfandrecht.4
VII. Die Vollstreckungsmöglichkeiten bei einem Titel auf Zahlung von Unterhalt 1. Kriterien für die Auswahl der Vollstreckungsart 132
Von den fünf verschiedenen Vollstreckungsarten kommen nur 3 für die Vollstreckung von Unterhaltsforderungen in Betracht: – die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen (Mobiliarvollstreckung, §§ 803 ff. ZPO),
1 2 3 4
Baumbach/Hartmann, § 751 ZPO Rz. 3. Hintzen/Wolf, Rz. 3229. Hintzen/Wolf, Rz. 3291; Baumbach/Hartmann, § 751 ZPO Rz. 4. OLG Hamm, NJW 1974, 1516; Gottwald, Zwangsvollstreckung, § 798 Rz. 3.
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VII. Die Vollstreckungsmöglichkeiten bei einem Titel auf Zahlung von Unterhalt
– die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen (Immobiliarvollstreckung, §§ 864 ff. ZPO), – die Zwangsvollstreckung in Forderungen (Forderungspfändung §§ 828 ff. ZPO) mit oder ohne Überweisungsbeschluss. Welche Vollstreckungsart gewählt werden soll, um die Unterhaltsansprüche 133 durchzusetzen, muss der Unterhaltsberechtigte genau überlegen. Dabei hängt die Entscheidung maßgeblich davon ab, ob aus dem Titel ein Unterhaltsrückstand zu vollstrecken ist oder wegen eines laufenden Unterhalts vollstreckt werden soll. Will der Gläubiger einen Anspruch auf wiederkehrende Leistungen verwirklichen, geht sein vorrangiges Interesse dahin, dass der Unterhalt regelmäßig durch die Vollstreckung beigetrieben werden kann und vermieden werden muss, dass immer von neuem Vollstreckungsorgane eingeschaltet werden müssen. Diesem Bedürfnis entspricht am ehesten die Forderungspfändung. Der entscheidende Vorteil der Forderungspfändung ist, dass künftige Forderungen gepfändet werden können und die Pfändung fortwirkt, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und innerhalb von neun Monaten wieder aufgenommen wird (§§ 832, 833 ZPO).1 Die letztere Möglichkeit kommt zwar nur bei der Vollstreckung in das Arbeitseinkommen in Betracht, diese stellt aber in der Praxis den üblichen Weg der Durchsetzung der Forderung dar, denn das Arbeitseinkommen ist in der Mehrzahl der Fälle ohnehin der am ehesten greifbare Vermögenswert. Jedenfalls sind die hierfür notwendigen tatsächlichen Feststellungen am leichtesten zu treffen. Die Nachteile der Forderungspfändung sind ein sehr differenzierter Pfändungs- 134 schutz für den Schuldner sowie das nicht vorhersehbare Verhalten des Drittschuldners. Die Sachpfändung ist eher geeignet, wenn wegen Unterhaltsrückständen zu vollstrecken ist. Dabei vollstreckt der Gerichtsvollzieher in das bewegliche Vermögen des Schuldners. Bei einem nicht unerheblichen Unterhaltsrückstand bietet sich auch die Immo- 135 biliarvollstreckung an, wenn dem Schuldner ein Grundstück gehört und es noch nicht mit Grundpfandrechten überbelastet ist (§ 864 ff. ZPO). Eine Vollstreckung in unbewegliches Vermögen, die nicht nur zur Sicherung, 136 sondern auch zur Befriedigung führen soll, wird aber meist schon deshalb ausscheiden, weil Grundbesitz nur relativ selten vorhanden und außerdem das Verfahren zu langwierig ist und sich für Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen nicht eignet. Bei der Abwägung zwischen den Vor- und Nachteilen einer Sach- und einer For- 137 derungspfändung spricht für die Durchsetzung laufender Unterhaltsansprüche mehr für die Forderungspfändung. Insbesondere bei Bestehen eines Titels über einen größeren Unterhaltsrückstand 138 kommt allerdings auch eine Kombination zwischen Sach- und Forderungspfändung in Betracht, wobei versucht werden sollte, den Rückstand im Wege der Sachpfändung beizutreiben, wenn sich feststellen lässt, dass der Schuldner im Besitz eines Wertgegenstandes ist, der nicht dem Pfändungsschutz des § 811 Abs. 1 ZPO unterliegt. 1 Gottwald, Zwangsvollstreckung, Vorbemerkungen, Rz. 72.
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
139
Ein weiteres Sicherungsmittel ist eine Vorpfändung nach § 845 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die die Wirkung eines Arrestes hat, wenn innerhalb eines Monats nach Benachrichtigung an den Drittschuldner die Pfändung der Forderung bewirkt wird (§ 845 Abs. 2 ZPO). Hiervon sollte immer Gebrauch gemacht werden, wenn wegen einer Geldforderung aus einem Zahlungstitel in Geldforderungen, Herausgabe- und Übereignungsansprüche sowie in sonstige Vermögensrechte die Vollstreckung betrieben werden soll.1 2. Die Mobiliarvollstreckung (Verfahren, Durchführung)
140
Die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen erfolgt durch Pfändung (§ 803 Abs. 1 ZPO). Sie dient der Sicherstellung des gepfändeten Gegenstandes aus dem Vermögen des Schuldners mit dem Ziel der Verwertung zugunsten des Gläubigers.
141
Die Vollstreckung obliegt dem Gerichtsvollzieher, der im Auftrag des Gläubigers tätig wird (§ 753 ZPO). Soweit sich die beweglichen Sachen im Gewahrsam des Schuldners befinden, erfolgt die Pfändung durch Inbesitznahme durch den Gerichtsvollzieher (§ 808 Abs. 1 ZPO). Mit Ausnahme von Geld, Kostbarkeiten und Wertpapieren verbleiben die Gegenstände im Gewahrsam des Schuldners. Die Wirksamkeit der Pfändung wird dadurch bedingt, dass sie durch Anlegung von Siegeln oder die Pfändung auf sonstige Weise ersichtlich gemacht wird (§ 808 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Bei seiner Tätigkeit ist der Gerichtsvollzieher als Organ der Rechtspflege in eigener Verantwortung befugt, die einzelnen Vollstreckungsmaßnahmen durchzuführen.2 Zwischen ihm und dem Gläubiger besteht ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis.
142
In Unterhaltssachen obliegt dem Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung in bewegliche Gegenstände wegen der Geldforderung und die Wegnahme beweglicher Sachen (§ 883 Abs. 1 ZPO), z.B. von Urkunden wegen eines Anspruchs auf Auskunftserteilung, bzw. auf Rechnungslegung. Ferner hat der Gerichtsvollzieher Hilfstätigkeiten im Rahmen der Vollstreckung durch andere Organe auszuführen, wie etwa die Wegnahme von Urkunden nach § 836 Abs. 3 Satz 3 ZPO.
143
Der Gläubiger hat dem Gerichtsvollzieher alle Urkunden zu überlassen, die zur Durchführung der Zwangsvollstreckung erforderlich sind, namentlich den vollstreckbaren Titel nebst Klausel und den Nachweis über dessen Zustellung. Ist diese noch nicht erfolgt, so ist sie durch den Gerichtsvollzieher nachzuholen. Dieser muss das Vorliegen aller förmlichen Vollstreckungsvoraussetzungen überprüfen, nicht dagegen materiell-rechtliche Fragen.
144
Der Pfändungsakt erfolgt durch Inbesitznahme der im Gewahrsam des Schuldners oder einen zur Herausgabe bereiten Dritten befindlichen gepfändeten Gegenstände. Dabei hat er die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 811, 811a ZPO zu beachten. Aufgrund der Pfändung tritt eine Verstrickung der gepfändeten Gegenstände ein; außerdem entsteht ein Pfändungspfandrecht, wenn die gepfändeten Sachen sich im Eigentum des Schuldners befinden. Ist dies nicht der Fall, wird kein Pfändungspfandrecht begründet,3 was allerdings der Verwertung nicht entgegensteht, so dass der Ersteher bei der Versteigerung Eigentümer wird. Dies 1 Hintzen/Wolf, Einleitung 1.42; Gottwald, § 845 Rz. 2. 2 Musielak/Lackmann, § 753 ZPO Rz. 3. 3 Hasselblatt/Sternal/Weber, Beck’sches Formularbuch Zwangsvollstreckung, G 1.2.
842 Griesche
VII. Die Vollstreckungsmöglichkeiten bei einem Titel auf Zahlung von Unterhalt
begründet allerdings keinen Anspruch auf den Erlös des bei der Versteigerung erzielten Betrages, dieser fällt vielmehr dem Eigentümer der Sache zu. Die Mobiliarvollstreckung wird beendet durch öffentliche Versteigerung, die 145 vom Gerichtsvollzieher vorgenommen wird (§ 814 ZPO). Bei der Versteigerung wird der Gerichtsvollzieher als Beamter tätig, wobei er allerdings bestimmte Weisungen des Gläubigers befolgen muss.1 Das Eigentum am Versteigerungserlös hat der Gerichtsvollzieher dem Ersteher durch privat rechtsgestaltenden Hoheitsakt zu übertragen. E 42
Antrag auf Vornahme der Zwangsvollstreckung in bewegliches Vermçgen
An das
146
Amtsgericht XY – Gerichtsvollzieherverteilungsstelle – In der Zwangsvollstreckungssache … (volles Rubrum) beantrage ich namens und in Vollmacht des Glubigers, fr diesen in das Vermçgen des Schuldners wegen einer Forderung auf rckstndigen Unterhalt aus dem Beschluss des Familiengerichts … vom (genaue Bezeichnung des Titels) in Hçhe von … Euro nebst Zinsen in Hçhe von … Euro sowie Kosten in Hçhe von (Bezifferung der Verfahrenskosten und der Vollstreckungskosten) die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Ferner wird beantragt, dem Schuldner eine Abschrift des Vollstreckungstitels mit Kostenfestsetzungsbeschluss zuzustellen. Die gesamte zu vollstreckende Forderung ergibt sich aus folgender Aufstellung: … Es folgen bestimmte Weisungen des Verfahrensbevollmchtigten des Glubigers, die sich insbesondere aus den §§ 806a, 806b ZPO ergeben. Dem Antrag sind folgende Urkunden beigefgt: … Rechtsanwalt
Gegen Verstöße bei der Vornahme der Pfändung können sich Gläubiger und 147 Schuldner mit der Erinnerung nach § 766 ZPO zur Wehr setzen. Dasselbe Recht steht einem Dritten zu, wenn sich der gepfändete Gegenstand in seinem Besitz befunden hat.2 Diesen Rechtsbehelf hat der Schuldner, wenn der Gerichtsvollzieher eine Pfändungsbeschränkung nach § 811 ZPO nicht beachtet hat. Ebenso hat der Gläubiger das Recht der Erinnerung gegen die Ablehnung eines Pfän-
1 Musielak/Becker, § 814 ZPO Rz. 4. 2 Musielak/Becker, § 808 ZPO Rz. 23.
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dungsantrags.1 Schließlich sind auch Fehler im Verwertungsverfahren mit der Erinnerung zu rügen. 3. Die Immobiliarvollstreckung (Verfahren, Durchführung) 148
Ist der Schuldner Eigentümer eines noch belastbaren Grundstücks, so kann der Gläubiger beim Zwangsvollstreckungsgericht einen Antrag auf Zwangsversteigerung stellen (§ 15 ZVG). Örtlich zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück belegen ist (§ 1 Abs. 1 ZVG). Für den Versteigerungsantrag müssen das angerufene Gericht, Name und Anschrift des Gläubigers und des Schuldners, das Grundstück, die Forderung, wegen der die Vollstreckung betrieben werden soll und der vollstreckbare Titel angegeben sowie ein bestimmter Antrag gestellt werden. Dem Antrag sind die für den Beginn der Vollstreckung erforderlichen Urkunden beizufügen (§ 16 ZVG). Dazu gehören vor allem der Vollstreckungstitel, ein Grundbuchzeugnis (§ 17 Abs. 2 ZVG) oder ein beglaubigter Grundbuchauszug (§ 12 GBO). Funktionell zuständig für die Bearbeitung des Antrags ist der Rechtspfleger (§ 3 Nr. 1i RPflG).
149
Ergibt die Prüfung des Antrags auf Versteigerung, dass alle Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt sind und keine Vollstreckungshindernisse bestehen (§ 28 ZVG), ordnet das Gericht durch einen Beschluss die Zwangsversteigerung an (§ 15 ZVG). Dieser Beschluss ist dem Schuldner (Eigentümer) förmlich zuzustellen. Die Zustellung erfolgt gemäß § 3 ZVG von Amts wegen, und zwar im Normalfall durch Einschreiben mit Rückschein. Der Gläubiger erhält den Beschluss formlos. Mit der Zustellung des Anordnungsbeschlusses an den Schuldner wird die Beschlagnahme des Grundstücks wirksam (§ 22 Abs. 1 Satz 1 ZVG). Die Beschlagnahme lässt nach § 23 Abs. 1 ZVG ein relatives Veräußerungsverbot entstehen, um den Anspruch des Gläubigers auf Befriedigung aus dem Versteigerungserlös sicherzustellen.2
150
Da der Schuldner vor Anordnung der Zwangsversteigerung nicht gehört wird, kann er hiergegen Erinnerung gemäß § 766 ZPO einlegen, über die nach den §§ 3, 3a, 20 Nr. 17 RPflG der Richter zu entscheiden hat. Vor dessen Entscheidung hat der Rechtspfleger aber die Möglichkeit der Abhilfe.
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Gegen eine negative richterliche Entscheidung steht dem Schuldner das Recht der sofortigen Beschwerde nach § 793 ZPO zu, über die das Landgericht zu entscheiden hat. Der Gläubiger hat bei einer für ihn ungünstigen Entscheidung sofort das Recht der sofortigen Beschwerde (§ 11 Abs. 1 RPflG in Verbindung mit § 793 Abs. 1 ZPO).
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Entfaltet der Anordnungsbeschluss volle Wirksamkeit, hat das Vollstreckungsgericht den Grundstückswert zu ermitteln und festzusetzen, den Versteigerungstermin zu bestimmen und bekannt zu machen sowie den Termin vorzubereiten. Für die Wertfestsetzung wird im Allgemeinen ein Sachverständiger hinzugezogen werden müssen.
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Die Versteigerung wird durch das Vollstreckungsgericht ausgeführt (§ 35 ZVG). Der Versteigerungstermin soll erst nach der Beschlagnahme des Grundstücks und den Mitteilungen des Grundbuchamts durch Beschluss bestimmt werden 1 Musielak/Becker, § 811 ZPO Rz. 33. 2 Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 19. Aufl., § 23 ZVG Rz. 2.
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VII. Die Vollstreckungsmöglichkeiten bei einem Titel auf Zahlung von Unterhalt
(§ 36 Abs. 1 ZVG). Über den Inhalt der Terminsbestimmung enthält § 37 ZVG nähere Anordnungen. Was dann weiter beachtet werden muss, ergibt sich aus den §§ 39, 40, 41 ZVG. Die Bestimmungen über den Ablauf der Versteigerung enthalten die §§ 44 bis 65 154 ZVG. Beendet wird das Versteigerungsverfahren durch den Zuschlagsbeschluss (§ 81 ZVG). Der wesentliche Inhalt des Zuschlagsbeschlusses ergibt sich aus § 82 ZVG. Durch den Zuschlag wird der Ersteher Eigentümer des Grundstücks (§ 90 Abs. 1 ZVG). Sowohl gegen den Zuschlag als auch gegen die Versagung des Zuschlags ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben (§ 96 ZVG i.V.m. § 11 RPflG). Hierauf finden die Vorschriften der ZPO Anwendung, insbesondere § 569 ZVG. Wer beschwerdeberechtigt ist, ergibt sich aus § 97 ZVG. Die Verteilung des Erlöses findet auf der Grundlage eines Teilungsplans in ei- 155 nem Verteilungstermin statt. E 43
Antrag auf Versteigerung
An das
156
Amtsgericht … – Vollstreckungsgericht – Antrag auf Zwangsversteigerung wegen persçnlicher Forderung In der Zwangsvollstreckungssache … (volles Rubrum) beantrage ich namens und in Vollmacht des Glubigers zu dessen Gunsten in den oben bezeichneten Grundbesitz wegen einer persçnlichen Forderung in Hçhe von … Euro, nebst … Zinsen hieraus seit dem … aus dem Beschluss des Familiengerichts, … (genaue Bezeichnung) die Zwangsversteigerung wegen folgender Betrge: Hauptforderung nebst … Zinsen
… Euro
festgesetzte Kosten nebst … Zinsen hieraus seit dem
… Euro
Kosten des Titelerwerbs
… Euro
bisherige Zwangsvollstreckungskosten
… Euro
anzuordnen. In der Anlage berreiche ich einen beglaubigten Grundbuchauszug, aus dem sich ergibt, dass der Schuldner Eigentmer des Grundbesitzes ist. Darber melde ich die Kosten des Anordnungsbeschlusses wie folgt an: Gerichtskosten
… Euro
Rechtsanwaltskosten
… Euro
fr die weiter entstehenden Kosten, insbesondere fr die Terminswahrnehmung werden pauschal zunchst
… Euro
angemeldet Rechtsanwalt
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
4. Die Pfändung und Überweisung von Forderungen 157
Grundlage der Pfändung einer Geldforderung ist die Vorschrift des § 829 ZPO. Danach erfolgt die Pfändung aufgrund eines an das Vollstreckungsgericht zu richtenden Antrags des Gläubigers. Zuständig ist das Amtsgericht, bei dem der Schuldner im Inland seinen allgemeinen Wohnsitz hat. Im Antrag sind die am Verfahren Beteiligten – einschließlich des Drittschuldners – sowie die zu pfändende Forderung nach Anspruchsgrund und Höhe so genau darzustellen, dass die Angaben in den Pfändungsbeschluss übernommen werden können.1
158
Bei der Pfändung aus einem Titel auf wiederkehrende Leistungen, also auch auf Zahlung von Unterhalt, müssen der monatliche Unterhaltsbetrag und die Zeit, für die Unterhalt gefordert wird, genannt werden. Enthält der Titel einen Unterhaltsrückstand, ist dieser gleichfalls anzugeben.
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Nach § 829 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO hat der Pfändungsbeschluss den Inhalt, dass dem Drittschuldner verboten wird, an den Schuldner zu zahlen, und dem Schuldner geboten wird, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung zu enthalten.
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Über das Pfändungsgesuch entscheidet der Rechtspfleger des Vollstreckungsgerichts (§ 20 Nr. 17 RPflG) durch Beschluss, der im Allgemeinen nicht begründet werden muss. Vor der Entscheidung ist der Schuldner nicht zu hören (§ 834 ZPO). Dadurch soll verhindert werden, dass er von der drohenden Zwangsvollstreckung Kenntnis erlangt und sich durch Manipulationen der Forderung der Zwangsvollstreckung entzieht.2 Eine Ausnahme gilt nur im Fall von nach § 850b ZPO bedingt pfändbaren Bezügen (§ 850b Abs. 3 ZPO), auf die hier indessen nicht weiter eingegangen werden soll.
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In dem Pfändungsbeschluss muss die zu pfändende Forderung nach ihrem Rechtsgrund und ihrer Höhe so genau festgelegt werden, dass aufgrund dessen eine Überweisung möglich ist.3 Bei verständiger Auslegung muss unzweifelhaft feststehen, welche konkrete Forderung Gegenstand der Vollstreckung ist. Bei der Pfändung wegen titulierter Unterhaltsansprüche muss dem Pfändungsbeschluss ferner zu entnehmen sein, dass dem Schuldner die nach § 850d ZPO pfandfreien Bezüge belassen werden. Deshalb hat der Rechtspfleger vor Erlass des Beschlusses nicht nur das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung, sondern auch die Pfändbarkeit der Forderung und die Pfändungsfreigrenzen zu prüfen.4 Den unpfändbaren Einkommensteil setzt der Rechtspfleger des Vollstreckungsgerichts im Pfändungsbeschluss betragsmäßig (Sockelbetrag sowie Freibetrag für vorgehende Berechtigte) bestimmbar fest. Ein Blankettbeschluss ist hier nicht zulässig.5
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Der Antrag des Gläubigers muss die Ansprüche des Schuldners so genau bezeichnen, dass die Identität der Forderung unzweifelhaft festgestellt werden kann. Es muss auch für Dritte erkennbar sein, welche Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner Gegenstand der Pfändung sein soll. Deshalb muss der 1 2 3 4 5
Gottwald, Zwangsvollstreckung, § 829 ZPO Rz. 23. OLG Köln, MDR 1988, 683; Hintzen/Wolf, Rz. 6.41. BGH, MDR 1991, 1201; BGH, NJW 1988, 2543; BFH, NJW 1990, 2645. BGH, NJW 1988, 2543; BGH, MDR 1981, 1201; BFH, NJW 1990, 2645. Zöller/Stöber, § 850d ZPO Rz. 13; Stöber, Rz. 927, 1121 f.; Große-Boymann, FUR 2006, 101 (104); LG Berlin, Rpfleger 1965, 82.
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VII. Die Vollstreckungsmöglichkeiten bei einem Titel auf Zahlung von Unterhalt
Rechtsgrund der gepfändeten angeblichen Forderung wenigstens in allgemeinen Grundrissen angegeben werden.1 Erfolgt die Vollstreckung nur wegen eines Teilbetrages aus einem Titel, der verschiedene Forderungen zum Gegenstand hat, muss sich ergeben, wegen welcher der Forderungen vollstreckt werden soll.2 Wird in dem Antrag des Gläubigers auf angeheftete Anlagen verwiesen, in denen die gepfändete Forderung bezeichnet worden ist, wird dem Erfordernis der Bestimmtheit Genüge getan, wenn in dem Pfändungsbeschluss auf diese Anlagen verwiesen wird, ohne dass die Anlagen die Unterschrift des Rechtspflegers tragen müssen.3 Möglich ist die Pfändung mehrerer Forderungen des Schuldners. Dabei können in dem Pfändungsformularantrag bei Forderungen des Schuldners gegen Banken bis zu drei Geldinstitute benannt werden, bei denen der Schuldner Konten unterhält.4 Die Unterhaltung von bis zu drei örtlichen Bankverbindungen ist noch als üblich anzusehen. Bei einer Überschreitung dieser Zahl ist der Antrag auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses allerdings wegen fehlender Bestimmtheit abzulehnen.5 Wirksam wird die Pfändung mit der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an 163 den Drittschuldner (§ 829 Abs. 3 ZPO). Diese muss vom Gläubiger veranlasst werden, und zwar im Parteibetrieb, damit dieser auch nach Erlass des Beschlusses die Herbeiführung der Pfändung noch in der Hand behält. Zunächst muss der Beschluss dem Drittschuldner zugestellt werden (§ 829 Abs. 2 Satz 1 ZPO), wobei die Ausführung dem Gerichtsvollzieher obliegt (§§ 191, 192 Abs. 1 ZPO). Danach nimmt der Gerichtsvollzieher, ohne dass es eines weiteren Antrages be- 164 darf, die Zustellung an den Schuldner vor (§ 829 Abs. 2 Satz 2 BGB). Auf diese Weise erhält der Schuldner, der bisher nach § 834 ZPO an dem Verfahren nicht beteiligt war, Kenntnis von der Pfändung und erlangt somit die Möglichkeit, Einwendungen gegen die Zwangsvollstreckung vorzubringen. Die Pfändung hat die Beschlagnahme der Forderung zur Folge und lässt ein Pfän- 165 dungspfandrecht für den Gläubiger entstehen. Nach § 832 ZPO erstreckt sich im Fall der Pfändung von Gehaltsforderungen diese auch auf die nach der Pfändung fällig werdenden Bezüge. Das stellt eine Arbeitserleichterung für den Gläubiger und eine Kostenersparnis für den Schuldner dar, da – abweichend von der Regel, dass nur fällige Beträge gepfändet werden dürfen – durch einen Pfändungsakt eine Vollstreckung auch für später fällig werdende Bezüge eintritt. Durch § 833 ZPO wird diese Wirkung noch weiter ausgedehnt. Nach Abs. 1 166 Satz 2 der Vorschrift wird durch die Pfändung eines Diensteinkommens auch das Einkommen betroffen, das der Schuldner infolge der Versetzung in eines anderes Amt, der Übertragung eines neuen Amtes oder eine Gehaltserhöhung bezieht. Die Verwendung des Wortes „Dienstbezüge“ bedeutet keine Beschränkung auf im öffentlichen Dienst tätige Beschäftigte. Sie gilt vielmehr auch für einen in einem privaten Arbeitsverhältnis tätigen Arbeiter oder Angestellten, sofern dieser in einem dauernden Beschäftigungsverhältnis arbeitet.6 Ändert 1 BGH, NJW 2001, 2976; BGH, NJW-RR 2003, 1437; BGH, NJW 2007, 3132 (3133); BGH, NJW 2008, 3147 m. Anm. Würdinger. 2 BGH, NJW-RR 2003, 1437; BGH, NJW 2008, 3147. 3 BGH, NJW-RR 2008, 1164. 4 BGH, FamRZ 2004, 872. 5 OLG München, DB 1990, 1916; LG Hannover, JurBüro 1985, 789. 6 Gottwald, Zwangsvollstreckung, § 833 ZPO Rz. 2.
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
sich allerdings der Dienstherr, gilt die Regelung nicht (§ 833 Abs. 1 Satz 2 ZPO), weil ein neuer Dienstherr nicht an die Pfandverstrickung gebunden sein kann. Dagegen ist § 833 Abs. 1 Satz 2 ZPO im Fall der Betriebsübernahme nach § 613a BGB nicht anzuwenden, weil hierdurch keine Änderung des Dienstherrn erfolgt.1 Ebenso wird eine Betriebsübertragung – etwa durch Umwandlung einer oHG in eine KG – behandelt.2 Wird ein Arbeitsverhältnis bis zu einer Dauer von neun Monaten unterbrochen, erstreckt sich die Pfändung auch auf den nach Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses gezahlten Lohn (§ 833 Abs. 2 ZPO). Hierdurch werden vor allem die Fälle von saisonbedingten Unterbrechungen eines Arbeitsverhältnisses geregelt.3 167
Bei der Beurteilung der Rechtsstellung von Gläubiger und Schuldner nach der Pfändung haben sich in Rechtsprechung und Schrifttum keine wesentlichen Probleme ergeben. Dagegen werden Rechte und Pflichten des Drittschuldners zum Teil nicht einheitlich gesehen. So vertritt der BGH die Ansicht, dass der Drittschuldner, der in Unkenntnis der Pfändung die Erfüllungshandlung vorgenommen hat, nach Kenntniserlangung nicht verpflichtet sei, den Eintritt des Leistungserfolges durch aktives Handeln zu verhindern.4 War die gepfändete Forderung im Zeitpunkt der Pfändung abgetreten, entfaltet der Pfändungsbeschluss keine Wirkung. Daran ändert sich grundsätzlich auch durch eine Rückabtretung nichts. Etwas anderes gilt nur im Fall der Vorausabtretung nach § 832 ZPO.5 Allerdings entsteht das Pfandrecht an der gepfändeten Lohnforderung erst im Augenblick der Rückabtretung.
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Durch den Pfändungsbeschluss erlangt der Gläubiger zwar ein Pfandrecht, aber nicht die Befriedigung seines Unterhaltsanspruchs. Hierzu bedarf es der Pfandverwertung, die durch den Erlass eines Überweisungsbeschlusses eintritt (§ 835 ZPO). Auch für die Überweisung ist der Rechtspfleger des Vollstreckungsgerichts zuständig.
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In der Praxis werden Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gleichzeitig beantragt und erlassen; in diesem Fall kommt eine vorherige Anhörung des Schuldners nicht in Betracht.
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Zu unterscheiden ist zwischen einer Überweisung zur Einziehung und einer solchen an Zahlungsstatt. Im ersten Fall geht die Forderung nicht auf den Gläubiger über; sie verbleibt vielmehr dem Schuldner, der Gläubiger erwirbt nur das Recht, die Forderung im eigenen Namen geltend zu machen und vom Drittschuldner die Erfüllung der geschuldeten Leistung anzunehmen. Bei der Überweisung an Zahlungsstatt geht die Forderung – wie im Fall der Abtretung – auf den Gläubiger über, und zwar mit der Zustellung des Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner. Wählt der Gläubiger diese Form der Überweisung, trägt 1 2 3 4
LAG Hamm, DB 1976, 440. Schuschke/Walker, § 833 ZPO Rz. 3. Gottwald, Zwangsvollstreckung, § 833 ZPO Rz. 4. BGH, NJW 1989, 905; Der Drittschuldner hatte in Unkenntnis einer Lohnpfändung eine Überweisung an den Schuldner vorgenommen, die er vor Abbuchung noch hätte widerrufen können. Dass er das nicht getan hat, hat der BGH gebilligt, jedenfalls für den Fall einer nur einmaligen Überweisung; ebenso: Gottwald, § 829 ZPO Rz. 62; Baumbach/ Hartmann, § 829 ZPO Rz. 80; Brehm, JZ 1989, 299; a.A.: Stöber, Rz. 565a; Zöller/Stöber, § 829 ZPO Rz. 19; Stein/Jonas/Münzberg, § 829 ZPO Rz. 101; Seibert, WM 1984, 523. 5 BAG, NJW 1993, 2699; BGH, NJW 1976, 1990; Hintzen/Wolf, Rz. 6.93.
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VII. Die Vollstreckungsmöglichkeiten bei einem Titel auf Zahlung von Unterhalt
er das Risiko der Uneinbringlichkeit. Deshalb gehen Gläubiger in der Praxis diesen Weg nur dann, wenn die Einbringlichkeit nicht zweifelhaft ist.1 Der Regelfall ist die Überweisung zur Einziehung. E 44
Antrag auf Erlass eines Pfndungs- und berweisungsbeschlusses wegen einer Unterhaltsforderung
An das
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Amtsgericht … – Vollstreckungsgericht – In der Zwangsvollstreckungssache … (volles Rubrum) zeige ich an, dass ich die Glubigerin vertrete. Namens und in Vollmacht der Glubigerin beantrage ich den Erlass eines Pfndungs- und berweisungsbeschlusses. Die vollstreckbaren Ausfertigungen des Unterhaltstitels und des Kostenfestsetzungsbeschlusses sowie die Zustellungsnachweise werden mit der Bitte um Rckgabe im Original beigefgt. Es wird gebeten, die Zustellung an den Drittschuldner und den Schuldner durch den Gerichtsvollzieher zu vermitteln, und zwar an den Drittschuldner mit der Aufforderung zur Abgabe der Erklrung gemß § 840 ZPO. Die notwendige Anzahl beglaubigter Abschriften ist beigefgt. Die Voraussetzungen fr den Erlass eines Pfndungs- und berweisungsbeschlusses ohne die Beschrnkungen nach § 850c ZPO liegen vor. Die Glubigerin betreibt wegen bevorrechtigter Unterhaltsansprche, die ihr als eine der in § 850d ZPO aufgefhrten Personen zusteht, die Zwangsvollstreckung. Auch fr die berjhrigen Unterhaltsansprche ist eine Zwangsvollstreckung des Arbeitseinkommens des Schuldners ohne die Beschrnkungen des § 850c ZPO zulssig. Der Schuldner hat sich der Zwangsvollstreckung absichtlich entzogen, weil er sich lngere Zeit ohne Angabe der Anschrift im Ausland aufgehalten und dadurch die Durchsetzung der Unterhaltsansprche verhindert hat. Rechtsanwalt
5. Sicherung der Zwangsvollstreckung durch Vorpfändung a) Zweck der Vorpfändung Hat der Gläubiger einen vollstreckbaren Titel erwirkt, sind aber nicht alle Vo- 172 raussetzungen für eine Zwangsvollstreckung vorhanden, etwa, weil die Vollstreckungsklausel noch nicht erteilt worden ist, kann er ein konkretes Interesse daran haben, sich dagegen zu sichern, dass sein bevorstehender Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt wird. Allerdings kommt eine Vorpfändung nur in Betracht, wenn die nachfolgende 173 Vollstreckung durch einen Pfändungsbeschluss des Vollstreckungsgerichts er-
1 Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rz. 583 mit Fn. 5 f.
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
folgt; dies ist der Fall z.B. bei einer Vollstreckung in eine Geldforderung, wozu auch der Anspruch auf das Arbeitseinkommen des Schuldners zählt (§§ 850 ff. ZPO), und in andere Vermögensrechte (§ 857 ZPO),1 nicht hingegen in Wertpapiere. b) Voraussetzungen der Vorpfändung 174
Wesentlich ist das Vorhandensein eines vollstreckbaren Titels, der sich noch nicht im Besitz des Gläubigers befinden muss.2 Ebenso wenig muss die Vollstreckungsklausel erteilt und der Titel zugestellt worden sein (§ 845 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Der Ablauf der Wartefrist der §§ 750 Abs. 3, 798 ZPO ist gleichfalls nicht erforderlich.3 c) Durchführung der Vorpfändung
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Die Vorpfändung ist eine private Maßnahme des Gläubigers ohne Beteiligung des Vollstreckungsgerichts.4 Sie erfolgt dadurch, dass der Gläubiger dem Schuldner und dem Drittschuldner eine private schriftliche Mitteilung darüber zustellen lässt, dass die Pfändung bevorsteht und der Drittschuldner aufgefordert wird, nicht an den Schuldner zu zahlen, sowie der Schuldner, sich jeder Verfügung über die Forderung zu enthalten (§ 845 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dem Drittschuldner muss die Mitteilung förmlich zugestellt werden; anderenfalls ist die Vorpfändung unwirksam.5 Deshalb ist im Gesetz die Hinzuziehung des Gerichtsvollziehers vorgesehen, der die Zustellung im Parteibetrieb nach den §§ 191 ff. ZPO vorzunehmen hat. Die Zustellung besteht in der Übergabe einer beglaubigten Abschrift der zuzustellenden Benachrichtigung an den Drittschuldner. Allerdings muss der Gerichtsvollzieher vom Gläubiger ausdrücklich beauftragt worden sein (§§ 845 Abs. 1 S. 2, 802a Abs. 2 Nr. 5 ZPO), wobei dies schriftlich oder mündlich geschehen kann.6 Aus Gründen der Rechtssicherheit ist die Schriftform vorzuziehen. Der Gerichtsvollzieher hat die Voraussetzung zu prüfen. Fehlt es an einem Merkmal, muss er die Vorpfändung ablehnen.
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Der Form nach muss die Benachrichtigung die Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner ebenso eindeutig bezeichnen wie bei der Pfändung selbst. Denn die Vorpfändung wirkt wie eine Beschlagnahme der Forderung.7 d) Wirkungen der Vorpfändung
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Die Zustellung der Benachrichtigung an den Drittschuldner hat die Wirkung eines Arrestes (§ 930 ZPO), sofern die Pfändung der Forderung innerhalb eines Monats bewirkt wird (§ 845 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Benachrichtigung dem Drittschuldner zugestellt wird (§ 845 Abs. 2
1 2 3 4 5
Zöller/Stöber, § 845 ZPO Rz. 1; Gottwald, § 845 ZPO Rz. 2. LG Frankfurt, Rpfleger 1983, 32; Gottwald, § 845 ZPO Rz. 5; Hintzen/Wolf, Rz. 6.80. BGH, NJW 1982, 1002; LG Frankfurt/M., Rpfleger 1983, 32. Hintzen/Wolf, Rz. 6.78; Gottwald, § 845 Rz. 6. OLG Koblenz, DGVZ 1984, 58; LG Hechingen, DGVZ 1986, 188; LG Marburg, JurBüro 1983, 1573; Stöber, Rz. 800b; Zöller/Stöber, § 845 ZPO Rz. 3; Hintzen/Wolf, Rz. 6.80; Gottwald, § 845 Rz. 7. 6 Zöller/Stöber, § 845 ZPO Rz. 4. 7 BGH, NJW 2001, 2976 = MDR 2001, 1133; OLG Düsseldorf, MDR 1974, 409.
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VII. Die Vollstreckungsmöglichkeiten bei einem Titel auf Zahlung von Unterhalt
Satz 2 ZPO). Es tritt somit die Arrestvollziehung mit der Forderungspfändung ein. Begründet wird ein Pfandrecht, aber keine Einziehungsbefugnis. Die Wirksamkeit der Pfändung wird auf den Zeitpunkt der Vorpfändung rückdatiert. Die Vorpfändung ist auch bei einer beabsichtigten Vollstreckung in das Arbeitseinkommen des Schuldners zulässig. Sie erfasst dann auch die künftig fällig werdenden Gehaltsansprüche des Schuldners. Allerdings muss die Benachrichtigung über die Pfändungsbeschränkungen der §§ 850a, 850c und 850f ZPO informieren.1 Wenn die Pfändung unterbleibt oder nicht innerhalb der Monatsfrist oder nicht formgerecht vorgenommen wird, entfällt ihre Wirkung.2 Auch eine einstweilige Einstellung hat eine entsprechende Wirkung.3 Wenn dies 178 noch einen praktischen Sinn haben sollte, muss der Gläubiger in einem solchen Fall eine erneute Vorpfändung vornehmen, eine wiederholte Vorpfändung ist jedenfalls zulässig.4
Û
Praxishinweis: Den Rechtsanwälten ist bei Beantragung der Pfändung nach 179 erfolgter Vorpfändung anzuraten, auf die Wahrung der Frist des § 845 Abs. 2 Satz 1 ZPO sorgsam zu achten. Der hinzugezogene Gerichtsvollzieher und das Vollstreckungsgericht müssen ferner darauf aufmerksam gemacht werden, dass die beantragten Vollstreckungsmaßnahmen im Vollzug einer Vorpfändung durchzuführen sind. Die einzuhaltende Frist ist dabei genau anzugeben. Eine Nichtbeachtung kann Schadensersatzansprüche auslösen.5
e) Rechtsbehelfe Alle an der Vorpfändung Beteiligten – Gläubiger, Schuldner, Drittschuldner – 180 können mit der Erinnerung nach § 766 ZPO geltend machen, dass die Maßnahme fehlerhaft sei. Über die Erinnerung entscheidet das für den Wohnsitz des Schuldners zuständige Vollstreckungsgericht (§ 828 Abs. 2 ZPO). Hält das Vollstreckungsgericht die Beanstandung für gerechtfertigt, hebt es die 181 Vorpfändung auf.6 Nach den §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO entfallen dann die Wirkungen der Vorpfändung. Diese Entscheidung kann der Gläubiger mit der sofortigen Beschwerde nach § 793 ZPO angreifen. Allerdings wird zum Teil das Rechtsschutzinteresse des Gläubigers an der sofortigen Beschwerde verneint, weil eine auf die Erinnerung aufgehobene Vorpfändung auch bei erfolgreicher sofortiger Beschwerde des Gläubigers nicht wieder aufleben kann.7 Wird die Erinnerung zurückgewiesen, hat der Erinnerungsführer – Schuldner oder Drittschuldner – ebenfalls die Möglichkeit, hiergegen sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO einzulegen.
1 2 3 4 5 6 7
Stöber, Rz. 948. Zöller/Stöber, § 845 ZPO Rz. 5. OLG Jena, InVo 2001, 452; Stöber, Rz. 8805. Hintzen/Wolf, Anm. 6.82; Zöller/Stöber, § 845 ZPO Rz. 6. OLG Hamm, InVo 1998, 229. Gottwald, Zwangsvollstreckung, § 845 ZPO Rz. 17; Stöber, Rz. 811. OLG Köln, MDR 1989, 464 = NJW-RR 1989, 1406; Zöller/Stöber, § 845 ZPO Rz. 8.
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
E 45
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Formulierungsvorschlag fr Ankndigung der Vorpfndung (§ 845 ZPO)
1. Muster fr Schreiben an den Drittschuldner Ort, Datum Sehr geehrter Herr Schulz, mein Mandant, K. Mller, kann als Glubiger von Herrn F. Mller, dem Schuldner aufgrund des Urteils des Familiengerichts … vom … Aktenzeichen … und des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom … nachfolgende Betrge verlangen: 1. Unterhaltsrckstand
… Euro
2. eine laufende monatliche Unterhaltsrente vom 1. Juli 2007 an i.H.v. monatlich nebst 5 % Zinsen ber dem Basiszinssatz hinsichtlich des Unterhaltsrckstandes seit dem 30. Juni 2007 sowie hinsichtlich der laufenden Unterhaltsrente, jeweils vom 1. eines Monats an
… Euro 719
3. festgesetzte Zinsen seit dem … aus …
… Euro
4. bisherige Vollstreckungskosten
… Euro
Wegen dieser Forderungen steht die Pfndung der Forderungen des Schuldners, Herrn F. Mller, gegen Sie als seinem Arbeitgeber, auf Zahlung aller Bezge an Arbeitseinkommen bevor. Zugleich mit der Pfndung wegen der flligen Unterhaltsansprche des Glubigers wird auch das knftig fllig werdende Arbeitseinkommen wegen der jeweils fllig werdenden Unterhaltsansprche gepfndet werden. Dem Schuldner, der keine laufenden Unterhaltsverpflichtungen anderen Personen gegenber zu erfllen hat, werden von seinem Nettoeinkommen fr seinen notwendigen Unterhalt monatlich … Euro netto pfandfrei belassen werden. Grundlage der Berechnung der danach pfndbaren Teile des Arbeitseinkommens ist das nach Maßgabe des § 850e Nr. 1 ZPO zu bestimmende Nettoeinkommen des Schuldners. Von den nach § 850a Nrn. 1, 2 und 4 ZPO genannten Bezgen (Mehrarbeitsstundenvergtung, Urlaubsgeld und bliche Jahreszuwendungen sowie Treuegelder, Weihnachtsvergtung) wird dem Schuldner lediglich die Hlfte des nach § 850a ZPO pfndbaren Betrages verbleiben. Ich benachrichtige Sie hiermit namens und in Vollmacht des Glubigers als Drittschuldner gem. § 845 ZPO mit der Aufforderung, die zu pfndenden Einkommensteile nicht mehr an den Schuldner zu zahlen. Diese Benachrichtigung hat nach der genannten Vorschrift die Wirkung eines Arrestes. Zugleich verstndige ich hiervon den Schuldner mit der Aufforderung, sich jeder Verfgung ber die zu pfndende Forderung, insbesondere der Einziehung derselben, zu enthalten. Mit freundlichen Grßen Rechtsanwalt
852 Griesche
VII. Die Vollstreckungsmöglichkeiten bei einem Titel auf Zahlung von Unterhalt
2. Muster eines Zustellungsauftrags (Vorpfndung) An den Herrn Gerichtsvollzieher beim Amtsgericht M. Adresse Eilige Zustellung zwecks Vorpfndung! Sehr geehrte Damen und Herren, namens und in Vollmacht meines Mandanten, Herrn K. Mller, bitte ich Sie in der Zwangsvollstreckungsangelegenheit gegen Herrn F. Mller die in dreifacher Ausfertigung beigefgte Pfndungsankndigung Herrn F. Mller, dem genannten Schuldner und dem Drittschuldner Herrn Schulz in … (genaue Anschrift) umgehend zuzustellen und die Zustellungsnachweise baldmçglichst an mich zu bersenden. Mit freundlichen Grßen Rechtsanwalt
6. Sicherung der Zwangsvollstreckung durch Eintragung einer Sicherungshypothek Wegen einer titulierten Unterhaltsforderung kann der Gläubiger die Durchset- 183 zung seiner Ansprüche außerdem sichern, indem er auf ein dem Schuldner gehörendes Grundstück eine Zwangshypothek eintragen lässt. Die Voraussetzungen hierfür ergeben sich aus § 867 ZPO. Vorliegen muss zunächst ein Antrag des Gläubigers auf Eintragung der Zwangshypothek beim Grundbuchamt, in dessen Bezirk das zu belastende Grundstück gelegen ist (§ 867 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit den §§ 1, 2 GBO). Die Einhaltung der Schriftform ist erforderlich; zulässig ist auch eine Niederschrift bei der Geschäftsstelle, § 13 Abs. 1 GBO. Der Antrag ist nicht an das Vollstreckungsgericht, sondern an das Grundbuchamt zu richten.1 Dem Grundbuchamt sind die förmlichen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nachzuweisen. Mit der Eintragung im Grundbuch entsteht die Zwangshypothek (§ 867 Abs. 1 184 Satz 2 ZPO). Gegen die Ablehnung seines Antrags steht dem Gläubiger die einfache nicht 185 fristgebundene Beschwerde zu (§§ 11 RPflG, 71 GBO).2 Der Schuldner kann gegen die Eintragung der Zwangshypothek die Beschwerde einlegen mit dem Ziel, einen Amtswiderspruch nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO einzutragen oder wegen inhaltlicher Unzulässigkeit der Zwangshypothek ihre Löschung nach § 350 Abs. 1 Satz 2 GBO vorzunehmen (§§ 11 Abs. 1 RPflG, 71 Abs. 2 GBO). Dagegen sind die Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO sowie die sofortige 186 Beschwerde nach § 793 ZPO ausgeschlossen. Dies ergibt sich aus den besonderen Sicherheitserfordernissen des Grundbuchwesens im Hinblick auf einen möglichen gutgläubigen Erwerb der Zwangshypothek nach § 892 BGB.3
1 Musielak/Becker, § 867 ZPO Rz. 2. 2 Gottwald, Zwangsvollstreckung, 5. Aufl., § 867 ZPO Rz. 25. 3 Schuschke/Walker, § 867 Rz. 28; Zöller/Stöber, § 867 ZPO Rz. 24.
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
E 46 187
Antrag auf Eintragung einer Zwangshypothek
An das Amtsgericht … – Grundbuchamt – In der Zwangsvollstreckungssache … (volles Rubrum) zeige ich an, dass ich die Glubigerin anwaltlich vertrete. Namens und in Vollmacht der Glubigerin beantrage ich gemß § 867 ZPO, zugunsten der Glubigerin eine Zwangshypothek als Sicherungshypothek auf folgendem Grundstck einzutragen: Amtsgericht … Grundbuch von … Gemarkung … Blatt … Flur … Flurstck …, und zwar wegen folgender Forderungen der Glubigerin: – Hauptforderung
… Euro
– Zinsen hieraus i.H.v. … Prozentpunkten ber dem Basiszinssatz nach § 247 BGB fr den Zeitraum von … bis … gemß anliegender Forderungsaufstellung
… Euro
– weitere Zinsen i.H.v. … Prozentpunkten ber dem Basiszinssatz, hçchstens i.H.v. 20 %, ab dem …
… Euro
– Kosten des Unterhaltsverfahrens gemß Kostenfestsetzungsbeschluss des Familiengerichts … vom …
… Euro
– Zinsen hieraus i.H.v. … Prozentpunkten ber dem Basiszinssatz fr den Zeitraum bis … gemß anliegender Forderungsaufstellung
… Euro
– weitere Zinsen i.H.v. … Prozentpunkten ber dem Basiszinssatz, hçchstens in Hçhe von 20 %, ab dem …
… Euro
Begrndung Aufgrund des in vollstreckbarer Ausfertigung (mit Rechtskraftvermerk) als Anlage beigefgtem rechtskrftigen Beschluss des Familiengerichts vom … (Geschftszeichen …) steht der Glubigerin gegen die Schuldnerin ein Anspruch auf Zahlung i.H.v. … Euro nebst Zinsen von … Prozentpunkten ber dem Basiszinssatz seit dem … zu. Der Titel ist der Schuldnerin am … zugestellt worden. Der Zustellungsnachweis ist als Anlage beigefgt. Die Hauptforderung ist insgesamt zur Zahlung fllig. Die Wartefristen gemß § 750 Abs. 3 ZPO sind eingehalten. Die Vollstreckung ist nicht von weiteren Voraussetzungen abhngig. Die Schuldnerin ist Eigentmerin des im Antrag bezeichneten Grundstcks. Vollstreckungshindernisse stehen nicht entgegen. Ich bitte, umgehend antragsgemß zu entscheiden.
854 Griesche
VIII. Pfändungsschutz bei der Pfändung von Arbeitseinkommen
Die gemß § 867 Abs. 1 Satz 2 ZPO von Amts wegen zu bercksichtigenden Kosten der Eintragung berechnen sich wie folgt: … (Berechnung der Kosten). Rechtsanwalt
VIII. Pfändungsschutz bei der Pfändung von Arbeitseinkommen (Begriff des Arbeitseinkommens) 1. Pfändung von Arbeitseinkommen a) Grundsätzliches Das Einkommen ist häufig die einzige wesentliche Einnahmequelle des Unter- 188 haltsschuldners, das er deshalb auch benötigt, um seinen Lebensunterhalt und den seiner Familie zu sichern. Andererseits steht auch dem Unterhaltsgläubiger in einem solchem Fall im Allgemeinen nichts anderes zur Durchsetzung seiner titulierten Unterhaltsansprüche zur Verfügung. Die Alternative ist nicht selten die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel, und zwar sowohl durch den Schuldner als auch durch den Gläubiger. Um diesen Konflikt zu lösen, hat der Gesetzgeber einerseits den Pfändungsschutz detailliert – zum Teil auch kompliziert – geregelt, andererseits den Gläubiger eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs gegenüber anderen Gläubigern besser gestellt, indem das Arbeitseinkommen des Schuldners stärker in Anspruch genommen werden darf, wenn Unterhaltsansprüche geltend gemacht werden. Jedenfalls ist die Lohnpfändung die am häufigsten vorkommende Forderungspfändung. Trotz der verstärkten Pfändungsschutzregeln verspricht sie am ehesten Erfolg, weil viele Schuldner ein Arbeitseinkommen beziehen. Die sich hierbei ergebenden Probleme sollen deshalb dargestellt werden, wobei die Einschränkungen der Pfändbarkeit in den Mittelpunkt der Erörterungen gestellt werden. Auch die Rente und andere Sozialleistungen sind pfändbar, nicht nur Lohn und 189 Gehalt. Doch in echte Not sollen Schuldner nicht geraten. Deshalb gibt es Pfändungsfreigrenzen, die den Zugriff der Gläubiger begrenzen. Zum 1.7.2013 wurden diese Freigrenzen turnusmäßig, d.h. im Abstand von zwei Jahren, jeweils zum 1.7. erhöht – allerdings nur um 1,57 % und damit deutlich unter der Inflationsrate. Wie viel den Schuldnern mindestens vom Einkommen bleibt, hängt von der Höhe 190 des Nettoeinkommens und der Zahl der Personen ab, für die der Betroffene unterhaltspflichtig ist. Nach den zum 1.7.2013 einheitlich um 1,57 % erhöhten Pfändungsfreigrenzen müssen beispielsweise einem Alleinstehenden im Regelfall monatlich mindestens 1 045,04 Euro bleiben. Vorher waren es 1 028,89 Euro. Das monatliche Nettoeinkommen ist unpfändbar bei Alleinstehenden bis 1 045,04 Euro bei einer Unterhaltspflicht gegenüber 1 Person 2 Personen 3 Personen 4 Personen 5 Personen
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bis 1 438,34 Euro bis 1 657,46 Euro bis 1 876,58 Euro bis 2 095,70 Euro bis 2 314,82 Euro Griesche
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b) Begriff des Arbeitseinkommens (§ 850 ZPO) 192
Die Vorschrift des § 850 Abs. 1 ZPO enthält die Grundregel, dass in Geld zahlbares Arbeitseinkommen nur nach Maßgabe der §§ 850a bis 850l ZPO gepfändet werden kann. Was zum Arbeitseinkommen gehört, ist in § 850 Abs. 2 bis 4 ZPO geregelt worden. Hinzu kommen die zwar grundsätzlich nach § 850a ZPO unpfändbaren Bezüge, die aber gegenüber Unterhaltsgläubigern zum Teil doch der Pfändung unterliegen. Schließlich enthält § 850b ZPO eine Aufzählung der bedingt pfändbaren Bezüge.
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Die im Gesetz in diesen Vorschriften enthaltenen Formulierungen zeigen auf, dass der Begriff des „Arbeitseinkommens“ weit auszulegen ist. Entscheidend ist, dass das Geld für regelmäßig wiederkehrende Vergütungen für unselbständige Dienste gezahlt wird, die dazu bestimmt sind, die Lebensgrundlage des Dienstleistenden zu sichern.1 Ob es sich um Haupt- oder Nebentätigkeiten handelt, welche Dienste geleistet werden und ob dem Arbeitsverhältnis deutsches oder ausländisches Recht zugrunde liegt, ist belanglos.2
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Dass auch Alters- und Versorgungsbezüge eines unselbständig tätig gewesenen Arbeitnehmers zum Arbeitseinkommen im Sinne des Gesetzes zählen, ergibt sich aus § 850 Abs. 2, Abs. 3b ZPO. Dabei ist die in § 850 Abs. 2 ZPO enthaltene Aufzählung der Dienst- und Versorgungsbezüge nicht vollständig. Es werden dort nur Beispiele erwähnt, die die Auslegung erleichtern sollen.3 Allgemein anerkannt ist z.B., dass Einkünfte von Freiberuflern, die für berufsständische Einrichtungen tätig sind – etwa Rechtsanwälte, Steuerberater, Notare, Ärzte – als Arbeitseinkommen anzusehen sind.4 Ebenso ist entschieden worden hinsichtlich der Ansprüche von Handelsvertretern auf Fixum und auf Provision,5 der Dienstbezüge eines Vorstandsvorsitzenden einer AG und des Geschäftsführungsgehalts eines Gesellschafters.6
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In all diesen Fällen lässt sich eine Art von Abhängigkeitsverhältnis zwischen demjenigen, der die Dienste leistet, und einer Organisation begründen. Das ist indessen nicht möglich, soweit ein selbständig Erwerbstätiger, der frei von jedem Abhängigkeitsverhältnis ist und je nach Auftragslage Arbeiten verrichtet, die er von verschiedenen Auftraggebern erhält. In diesen Fällen ist § 850 Abs. 2 ZPO nicht anzuwenden. Dennoch werden im Schrifttum auch Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit als unter § 850 Abs. 2 ZPO fallend gewertet, ohne dies näher zu begründen.7
1 2 3 4
BGH, NJW-RR 2004, 644; BGH, Rpfleger 1986, 144. Gottwald, Zwangsvollstreckung, § 850 ZPO Rz. 5. Baumbach/Hartmann, § 850 ZPO Rz. 3. Hintzen/Wolf, Rz. 6.87; Zöller/Stöber, § 850 ZPO Rz. 9 (bei einem Kassenarzt hat der BGH, NJW 2005, 1505 = MDR 2005, 954, auch das Honorar gegen einen Privatpatienten unter § 850 Abs. 2 ZPO eingeordnet). 5 BGH, NJW 1962, 1221; BayObLG, NJW 2003, 2181. 6 OLG Düsseldorf, MDR 1970, 934. 7 Z.B. Gottwald, Zwangsvollstreckung, § 850 Rz. 4; a.A. LG Frankfurt/O., Rpfleger 2002, 322; OLG Frankfurt, VersR 1996, 614.
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VIII. Pfändungsschutz bei der Pfändung von Arbeitseinkommen
2. Pfändungsschutz bei Vollstreckung in Arbeitseinkommen a) Grundsätzliches Durch die Vorschrift des § 850c ZPO wird der Maßstab festgelegt, nach dem 196 Gläubiger generell das Arbeitseinkommen des Schuldners pfänden dürfen, wie der pfändungsfrei zu belassende Teil zu berechnen ist und was an den Gläubiger ausgezahlt werden kann und darf. Die Spezialregelung des § 850d ZPO schränkt den Pfändungsschutz des Schuld- 197 ners ein, wenn der Gläubiger zu den im Einzelnen aufgezählten Personen gehört, die wegen eines ihnen zustehenden Unterhaltsanspruchs die Zwangsvollstreckung betreiben. Im Regelfall wird der Pfändungszugriff gegenüber § 850c ZPO erweitert.1 Dies findet seine Rechtfertigung darin, dass der unterhaltsberechtigte Gläubiger auf das, was ihm im Erkenntnisverfahren zuerkannt worden ist, im Allgemeinen zur Sicherung seiner Existenz dringend angewiesen ist. Da er die Nichterfüllung seines Unterhaltsanspruchs durch den Schuldner nicht zu vertreten hat, muss ein weitreichender Zugriff auf das Arbeitseinkommen ermöglicht werden. Allerdings darf dabei das zumutbare Maß nicht überschritten werden. Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass auch der Schuldner nicht soweit in Anspruch genommen werden darf, dass er selbst auf öffentliche Mittel angewiesen ist. b) Der Kreis der privilegierten Unterhaltsgläubiger aa) Grundsätzliches In § 850d Abs. 1 ZPO ist im Einzelnen aufgezählt worden, wer zu den privile- 198 gierten Gläubigern gehört. Dabei ist zu beachten, dass die laufenden und künftigen Unterhaltsansprüche, mit Einschränkungen auch Unterhaltsrückstände, bevorzugt werden. Die Aufzählung in § 850d Abs. 1 erfasst alle Verwandten in gerader Linie 199 (§§ 1601 ff. BGB), bei den Kindern werden auch Adoptivkinder berücksichtigt (§§ 1754, 1770 BGB), nicht dagegen Stief- und Pflegekinder. Da § 1601 BGB auch eine Unterhaltspflicht zwischen Verwandten absteigender Linie begründet, sind Kinder ihren Eltern gegenüber unterhaltspflichtig, wenn diese ihren Bedarf nicht selbst decken können. Keine Unterhaltspflicht besteht zwischen Verwandten in der Seitenlinie, also zwischen Geschwistern und Verschwägerten. Zu den unter § 850d Abs. 1 ZPO fallenden Ansprüchen gehören auch solche 200 zwischen getrennt lebenden und geschiedenen Ehegatten sowie der Anspruch der Mutter oder des Vaters auf Unterhalt vor und nach der Entbindung eines Kindes (§§ 1615l, 1615n BGB). Ansprüche auf Haushalts- und Taschengeld im Fall des Zusammenlebens der Ehegatten spielen in der Praxis nur eine untergeordnete Rolle. bb) Rangfolge der Unterhaltsberechtigten (§ 850d Abs. 2 ZPO) Durch die genannte Vorschrift wird zur Bestimmung der Rangfolge von mehre- 201 ren Pfändungsgläubigern auf die §§ 1609 BGB, 16 LPartG verwiesen. Den ersten 1 Büttner, FamRZ 1994, 1433 (1435 f.); Behr, Rpfleger 2005, 498.
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Rang nehmen minderjährige Kinder und ihnen nach § 1603 Abs. 2 S. 2 gleichgestellte privilegierte volljährige unverheiratete Schüler, die noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben, ein. Dabei genießen den Vorrang nicht nur laufende, sondern auch rückständige Ansprüche, letztere unter der Voraussetzung des § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO, für die Zeit bis zu einem Jahr vor dem Antrag auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses. 202
Volljährige behinderte Kinder sind den minderjährigen und den privilegierten volljährigen Kindern nicht gleichgestellt worden. Die Erwägungen des Gesetzgebers im Rahmen der Vorbereitung des Kindesunterhaltsgesetzes von 1998 sind nicht verwirklicht worden.1 Insoweit ist das mit der Neuordnung der Rangfolge durch das Unterhaltsänderungsgesetz von 2007 verfolgte Ziel – einer Stärkung des Kindesunterhaltes – nicht verwirklicht worden, obwohl auch ein schwerbehinderter Volljähriger zu den wirtschaftlich schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft gehören kann.
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Den zweiten Rang nehmen Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Fall einer Scheidung unterhaltsberechtigt wären, sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer ein. Auf diese Weise wird der zentrale Gedanke der Neuregelung der Rangverhältnisse fortgesetzt, indem nicht auf die Ehe, sondern auf die Betreuungsbedürftigkeit von Kindern abgehoben wird.2 Dabei wird nur die Betreuungsbedürftigkeit von gemeinsamen Kindern berücksichtigt, wobei es sich auch um Adoptivkinder handeln kann. Erfasst werden auch volljährige behinderte Kinder, obwohl diese selbst nicht in den ersten Rang von § 1609 BGB eingeordnet worden werden.3 Allerdings ist in diesem Fall eine Einstufung des betreuenden Elternteils in den zweiten Rang nur zulässig, soweit dies der Billigkeit entspricht (§ 1570 Nr. 1 S. 2 BGB).4 Wegen der herausragenden Bedeutung des Kindeswohls stehen auch Unterhaltsansprüche aus § 1615l im zweiten Rang.5
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Für die zweite Alternative des § 1609 Nr. 2 BGB – Ehe von langer Dauer – kommt es nicht darauf an, ob der Ehegatte oder der geschiedene Ehegatte Kinder betreut haben. Ein langes Zusammenleben vor der Ehe ist ebenfalls nicht zu berücksichtigen.6 Wann eine lange Ehedauer vorliegt, hat der Gesetzgeber bewusst nicht konkret geregelt.7 Es kommt dabei auf die individuellen Verhältnisse an, wobei beispielhaft nach der Gesetzesbegründung primär das Lebensalter bei der Eheschließung und bei der Scheidung, die Dauer der Betreuung gemeinschaftlicher Kinder sowie der Grad wirtschaftlicher Verpflichtungen und Abhängigkeiten zu werten sind.
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Alle übrigen Ansprüche von Ehegatten gegeneinander auf Familien-, Trennungsund nachehelichen Unterhalt sind in den dritten Rang eingestuft worden. Den 1 Palandt/Brudermüller, § 1609 BGB Rz. 10; Menne, FamRZ 2006, 504 f.; a.A. AG Pankow/Weißensee, FamRZ 2005, 2012. 2 Schürmann, FamRZ 2008, 313 (316); Willutzki, ZKJ 2006, 334 (336). 3 Schürmann, FamRZ 2008, 313 (316); BGH, FamRZ 2010, 802 (805) m. Anm. Viefhues, S. 805 f. 4 Palandt/Brudermüller, § 1609 BGB Rz. 17. 5 BT-Drucks. 16/1830, S. 32; allerdings nicht unstreitig: vgl. Göppinger/Wax/Maurer Rz. 1356. 6 Palandt/Brudermüller, § 1609 Rz. 19. 7 Schürmann, FamRZ 2008, 313 (318).
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vierten Rang nehmen volljährige nichtprivilegierte Kinder in Ausbildung oder Studium ein, aber auch wegen einer Behinderung nicht oder nur beschränkt erwerbstätige Kinder. Soweit die Angehörigen dieser Gruppe durch eine Ausbildungsvergütung, BAföG oder andere sozialpolitische Vorschriften Zuwendungen beziehen, ist zu berücksichtigen, dass die Unterhaltspflichtigen infolge des Übergangs der Ansprüche auf die Zuwendenden im Allgemeinen nicht von einer Inanspruchnahme befreit sind. cc) Zugehörigkeit zum unpfändbaren Einkommen Die weiteren Ränge – vier, Kinder, die nicht unter Nr. 1 fallen, fünf, Enkelkinder 206 und weitere Abkömmlinge, sechs, Eltern und sieben, weitere Verwandte der aufsteigenden Linie; unter ihnen gehen die näheren den entfernteren vor – bedürfen keiner näheren Erörterung. Die in § 850b Abs. 1aufgeführten Renten und rentenähnlichen Bezüge sind 207 grundsätzlich für alle Gläubiger, auch für Gläubiger eines Unterhaltsanspruchs, unpfändbar. Hiervon enthält Abs. 2 der Vorschrift eine Ausnahme. Diese gilt, wenn die Zwangsvollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen sowie wegen Forderungen und andere Vermögensrechte des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird. In diesen in der Praxis seltenen Fällen ist ausnahmsweise eine Pfändung zulässig, wenn dies nach den Umständen des Falles, insbesondere der Art des beizutreibenden Anspruchs mit der Höhe der Bezüge der Billigkeit entspricht. Dabei werden Unterhaltsansprüche bei der Abwägung ebenso bevorzugt wie im Fall der Pfändung wegen eines Anspruchs aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung (§ 850f Abs. 2 ZPO). Grund hierfür ist in beiden Fällen, dass der Schuldner bis zur Grenze seiner Leistungsfähigkeit einstehen soll.1 Zu berücksichtigen sind die gesamten Einkommensverhältnisse des Schuldners, 208 er darf durch die Pfändung nicht sozialbedürftig nach SGB XII werden.2 Die Pfändung hat nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften zu erfolgen. Bei Vollstreckung wegen eines Unterhaltsanspruchs gelten die sich aus § 850d ZPO ergebenden Folgen. Im Pfändungsbeschluss sind die nicht pfändbaren Teile der Bezüge genau zu bezeichnen. Ob der prozessuale Kostenerstattungsanspruch des Unterhaltsgläubigers gegen 209 den Unterhaltsschuldner aus einem Unterhaltsverfahren unter das Vollstreckungsprivileg des § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO fällt, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. Der BGH hat die Frage verneint, weil die Vollstreckungsprivilegierung nur gesetzliche Unterhaltsansprüche des Gläubigers umfasse und der Kostenerstattungsanspruch eigenständig entstehe und nicht zu den Unterhaltsansprüchen gehöre. Mit dagegen vorgebrachten Argumenten hat der BGH sich ausführlich auseinandergesetzt. Die Streitfrage kann damit als geklärt angesehen werden.3 Zu den Unterhaltsansprüchen des bevorrechtigten Personenkreises gehören auch 210 die Forderungen auf Verfahrenskostenvorschuss, unabhängig vom Gegenstand 1 Zöller/Stöber, § 850f Rz. 15. 2 Zöller/Stöber, § 850b Rz. 15. 3 BGH, FamRZ 2009, 1483 = FamFR 2009, 20 m. zust. Anm. Erdrich = BGH, NJW-RR 2009, 1441.
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des zu finanzierenden Rechtsstreits, sowie auf den Sonderbedarf.1 War Gegenstand des Verfahrens ein Anspruch auf rückständigen Unterhalt, so besteht das sich aus § 850d ZPO ergebende Privileg nach Abs. 1 Satz 4 der Vorschrift nicht für Rückstände, die länger als ein Jahr vor dem Antrag auf Erlass des Pfändungsbeschlusses fällig geworden sind, es sei denn, der Schuldner hat sich seiner Zahlungspflicht absichtlich entzogen. Dabei wird überwiegend angenommen, dass nicht der Gläubiger für sein Vorrecht auch an überjährigen Forderungen Tatsachen darzulegen habe, sondern der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen einer Absicht trägt.2 Absichtlich entzogen hat sich der Schuldner seiner Zahlungsverpflichtung auch dann, wenn er durch ein zweckgerichtetes Vorgehen – in Betracht kommt auch ein Unterlassen – die zeitnahe Realisierung der Unterhaltsschuld verhindert oder zumindest wesentlich erschwert hat.3 211
Die Verwirklichung dieses Merkmals ist bereits dann gegeben, wenn der Schuldner ihm zur Verfügung stehende Mittel für andere Zwecke verwendet. Weil es sich bei dem Tatbestandsmerkmal „absichtlich“ um eine innere Tatsache handelt, kommt der Schuldner seiner Darlegungslast nur nach, wenn er Tatsachen vorträgt, die die Annahme rechtfertigen, dass er sich seiner Zahlungspflicht nicht absichtlich entzogen hat. Dies mag im Einzelfall nicht leicht sein, trägt aber dem Umstand Rechnung, dass der Gläubiger die Gründe des Verhaltens des Schuldners nicht kennt und zur Aufklärung insoweit nicht beitragen kann.4 c) Notwendiger Unterhaltsbedarf im Sinne von § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO
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Die Besserstellung der privilegierten Unterhaltsgläubiger wirkt sich einmal dahin aus, dass das Einkommen des Schuldners ohne die sich aus § 850c ZPO ergebenden Beschränkungen pfändbar ist, insbesondere ist die Tabelle zu § 850c ZPO nicht anzuwenden. Ferner werden von der Pfändung die nach § 850a Nr. 1, 2 und 4 ZPO unpfändbaren Teile des Arbeitseinkommens erfasst (§ 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO).5
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Allerdings muss dem Schuldner auch in diesen Fällen so viel belassen werden, dass er nicht gezwungen ist, staatliche Hilfe zu beantragen, bzw. ein Insolvenzverfahren einzuleiten. Deshalb bestimmt § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO, dass dem Schuldner das belassen werden muss, was er für seinen eigenen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden Berechtigten bedarf.
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Für die Ermittlung des notwendigen Unterhalts i.S. von § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO hat der BGH Grundsätze entwickelt, die an den notwendigen Lebensunterhalt, wie er sich aus dem 3. und 11. Kapitel des SGB XII ergibt, anknüpfen.6 Hierdurch wird das Existenzminimum eines Menschen festgelegt. Die Regelleistung 1 Zöller/Stöber, § 850 ZPO Rz. 3; Gottwald, Zwangsvollstreckung, § 850d Rz. 2; Baumbach/Hartmann, § 850d ZPO Rz. 3; Hintzen/Wolf, Rz. 6 163; aber ebenfalls nicht unstreitig: vgl. z.B. LG Essen, Rpfleger 1960, 250; LG Bremen, FamRZ 1970, 407. 2 BGH, NJW-RR 2005, 718, 719 = FamRZ 2005, 440; Hintzen/Wolf, Rz. 6 162; Zöller/Stöber, § 850d ZPO Rz. 5a. 3 BGH, FamRZ 1989, 150; BGH, 2005, 440 (441). 4 Zöller/Stöber, § 850d ZPO Rz. 5; Gottwald, Zwangsvollstreckung, § 850d ZPO Rz. 12; KG, MDR 1986, 767. 5 Zöller/Stöber, § 850d Rz. 6; Baumbach/Hartmann, § 850d ZPO Rz. 12. 6 BGH, NJW-RR 2008, 733; BGH, NJW-RR 2011, 706 = MDR 2011, 127.
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VIII. Pfändungsschutz bei der Pfändung von Arbeitseinkommen
(seit dem 1.1.2011 Regelbedarf gem. § 27a Abs. 2 SGB XII, s. dazu Kap. A Rz. 111 ff.) ist Bestandteil des untersten Netzes der sozialen Sicherung, in die auch im Wege der Zwangsvollstreckung nicht eingegriffen werden darf.1 Gesichert werden damit laufende Aufwendungen für Nahrung, Wohnung, Hausrat, Heizung, Energie zur Anschaffung notwendiger Kleidung, von Gebrauchsgegenständen, Mittel zur Berufsausübung, in vertretbarem Umfang ein Taschengeld, insbesondere zur Aufrechterhaltung der Beziehungen zur Umwelt und zur Teilnahme am kulturellen Leben.2 Bezieht der Schuldner ALG II, soll sich der notwendige Bedarf ebenfalls nach 215 dem SGB XII richten. Zum Verhältnis zu SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende) hat der BGH offen gelassen,3 inwieweit im Einzelfall auch auf die Bestimmungen des SGB II zurückgegriffen werden könne. Hinsichtlich der Höhe der Regelbedarfe ergeben sich insofern keine Unterschiede, denn nach der geltenden Rechtslage besteht für die Bemessung der Regelbedarfe Deckungsgleichheit mit denen des SGB XII. Seit der Reform des SGB II und des SGB XII werden seit dem 1.1.2011 die Regelbedarfe des SGB II, die ein zentraler Baustein des Leistungsangebotes des SGB II und in mehrere Bedarfsstufen eingeteilt sind, jeweils den Regelbedarfen des SGB XII zum 1.1. eines Jahres gem. § 20 Abs. 5 SGB II angepasst (s. dazu Kap. A Rz. 111 ff.). Ist der Schuldner erwerbstätig, besteht nach § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII die Ver- 215a günstigung, dass ihm die mit der Erzielung von Einkommen verbundenen Ausgaben zu belassen sind.4 Außerdem hat dem berufstätigen Schuldner entsprechend § 82 Abs. 3 SGB XII ein pauschalierter Besserstellungszuschlag in angemessener Höhe zu verbleiben, indem nur ein Teil seines Einkommens von der Hilfe zum Lebensunterhalt abgesetzt wird und der übrige Teil ihm allein verbleibt. Die Höhe ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu bestimmen und muss deshalb vom Vollstreckungsgericht ausdrücklich festgesetzt werden. Der Höchstsatz des Besserstellungszuschlags beträgt 50 %. Die Kosten für die Unterkunft (§ 35 SGB XII) werden im Allgemeinen mit der 216 tatsächlich zu zahlenden Miete zu berücksichtigen sein, soweit diese als angemessen anzusehen ist. Die Kosten für die Heizung (§ 38 Abs. 4 SGB XII) entsprechen den tatsächlichen Aufwendungen, wobei die Kosten für den Strom im Grundbedarf enthalten sind.5 Sie sind regional unterschiedlich. Der allgemeine Regelbedarf (§ 27a SGB XII) beträgt ab 1.1.2014 391 Euro im Monat, und zwar für Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind. Beim Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft mit einem Ehegatten sind 90 % des Eckregelsatzes in Ansatz zu bringen. Lassen sich auf diese Weise die Kosten für Unterkunft und Heizung nicht hin- 217 reichend feststellen, sind die Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten zugrunde zu legen. Dabei ist vorrangig das ortsübliche Mietpreisniveau, wie es sich aus einem qualifizierten Mietspiegel (§ 558d 1 Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 1.10.2003, BT-Drucks. 15/1636, S. 7 unter Hinweis auf die BT-Drucks. 15/1514, S. 52; BGH, FamRZ 2003, 1466 = NJW 2003, 2918. 2 Stein/Jonas/Brehm, § 850d ZPO Rz. 20; Musielak/Becker, § 850d ZPO Rz. 5 f.; Zöller/ Stöber, § 850d ZPO Rz. 7. 3 BGH, NJW-RR 2008, 733 = MDR 2008, 530. 4 Zöller/Stöber, § 850d ZPO Rz. 7 mit einer Reihe von Beispielen. 5 LG Mönchengladbach, JurBüro 2006, 40 (41).
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BGB), einem Mietspiegel (§ 558c BGB) oder unmittelbar aus einer Mietdatenbank (§ 558e BGB) ableiten lässt, heranzuziehen.1 Zu berücksichtigen ist ferner die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Bemessung der Kosten der Unterkunft.2 218
Eine konkrete Berechnung des pfändungsfreien Betrages setzt somit voraus, dass das Zahlenwerk im Einzelfall festgestellt wird.
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Das Vermögen des Schuldners (§ 90 SGB XII) spielt im Rahmen der Forderungspfändung keine Rolle. d) Zu berücksichtigende Unterhaltspflichten
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Zu dem Freibetrag, der dem Schuldner zur Bestreitung seines eigenen notwendigen Unterhalts belassen werden muss, kommt das hinzu, was er dem vollstreckenden Gläubiger gegenüber vorrangigen Unterhaltsberechtigten an Unterhalt leistet (§ 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO). Dabei ist es nach der genannten Vorschrift notwendig, dass der Schuldner an den bevorrechtigten Gläubiger den Unterhalt tatsächlich zahlt, wobei es nicht darauf ankommt, ob dies freiwillig oder im Wege der Zwangsvollstreckung geschieht.3 Bedeutungslos ist, in welcher Form – Geldleistung oder Naturalunterhalt – der Unterhalt des bevorrechtigten Gläubigers gedeckt wird. Berücksichtigt wird nur der laufende Unterhalt, also der letzte vor Erlass des Pfändungsbeschlusses fällig gewordene und der sich daran anschließende.
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Längere Zeit war umstritten, ob bei der Bestimmung des pfandfreien Betrags nach § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO gesetzliche Unterhaltspflichten in Höhe des vollen dem Unterhaltsberechtigten zustehenden Unterhalts zu berücksichtigen sind oder nur in Höhe des vom Schuldner tatsächlich geleisteten Betrags. In seiner Grundsatzentscheidung vom 5.8.2010 – VII ZB 110/09 – hat der BGH sich dafür ausgesprochen, den gesamten geschuldeten Unterhalt des Unterhaltsberechtigten bei der Bestimmung des pfandfreien Betrags in Ansatz zu bringen.4 Nach der Vorschrift des § 850d Abs. 1 S. 2, so hat der BGH ausgeführt, sollen dem Unterhaltsschuldner die Mittel belassen werden, deren er zur Deckung seines eigenen notwendigen Unterhalts sowie des Bedarfs vorrangiger und gleichberechtigter Unterhaltsberechtigter benötigt. Diese Entscheidung, der das Schrifttum gefolgt ist,5 hat für die Praxis zur Folge, dass der Rechtspfleger sich nicht mehr damit begnügen darf, den vom Schuldner an andere Berechtigte tatsächlich gezahlten Unterhalt in Ansatz zu bringen; vielmehr muss er den gesetzlichen Unterhaltsanspruch der nach § 850d Abs. 1 S. 1 ZPO Berechtigten konkret ermitteln.6
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Aus § 850d Abs. 1 S. 2 HS 2 ZPO geht hervor, dass der Zugriff auf die nach § 850a ZPO grundsätzlich unpfändbaren Bezüge nur teilweise gepfändet werden dürfen. Von der Pfändung erfasst werden die im § 850a Nr. 1, 2, 4 ZPO auf1 2 3 4
BGH, NJW 2003, 2918; NJW-RR 2009, 1459 (1460). BSG, NJW 2010, 699 ff. LG Berlin, DAVorm 1976, 661; Zöller/Stöber, § 850d ZPO Rz. 8. BGH, FamRZ 2010, 1654 (1655) = MDR 2010, 1214 m. zust. Anm. Schlünder, FamRZ 2010, 1656. 5 Musielak/Becker, § 850d ZPO Rz. 7; Zöller/Stöber, § 850d ZPO Rz. 2; Stein/Jonas/ Brehm, § 850d ZPO Rz. 23. 6 Schlünder, FamRZ 2010, 1656.
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VIII. Pfändungsschutz bei der Pfändung von Arbeitseinkommen
gezählten Bezüge (§ 850 Abs. 1 S. 1). Ein Teil davon muss dem Schuldner zusätzlich zum notwendigen Unterhalt belassen werden. Dem Schuldner müssen danach verbleiben: 1/4 der Mehrarbeitsvergütung (Nr. 1) sowie mindestens 1/2 von Urlaubs-, Treue- (Nr. 2) und Weihnachtsgeld (Nr. 4). Das Vollstreckungsgericht kann dem Schuldner auf dessen Antrag auch mehr belassen, wenn die Voraussetzungen des § 850f Abs. 2 ZPO vorliegen.1 Die Bezüge nach § 850a Nr. 3, 5–8 können auch von Unterhaltsgläubigern nicht gepfändet werden. Das sich aus § 850d ZPO ergebende Vorrecht gilt zeitlich unbegrenzt. Für Unter- 223 haltsrückstände enthält § 850d Abs. 1 S. 4 indessen eine Einschränkung: Rückstände, die länger als ein Jahr vor dem Antrag auf Erlass des Pfändungsbeschlusses fällig geworden sind, sind nicht nach Abs. 1 privilegiert. Ist nach Lage der Verhältnisse nicht anzunehmen, dass der Schuldner sich seiner Zahlungspflicht absichtlich entzogen hat, steht dem Gläubiger nur ein Pfändungsrecht im Rahmen des § 850c ZPO zu.
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Praxishinweis: Die dargestellte Rechtsprechung des BGH zur Ermittlung des 224 notwendigen Unterhalts hat sowohl für den Rechtspfleger des Vollstreckungsgerichts als auch für den den Schuldner vertretenden Rechtsanwalt eine erhebliche Mehrarbeit zur Folge. Denn künftig darf nicht mehr der leicht feststellbare tatsächliche Zahlbetrag in die Berechnung eingestellt werden. Vielmehr ist der geschuldete Unterhalt zu ermitteln. Den Rechtsanwälten ist dringend anzuraten, umfassend auch zum Unterhaltsanspruch der Verwandten des Schuldners vorzutragen und die Höhe zu berechnen. Nur auf diese Weise können Nachteile für den Mandanten vermieden werden.
Haben der vollstreckende Gläubiger und der zu berücksichtigende Unterhalts- 225 berechtigte den gleichen Rang, so sind beide „gleichmäßig“ zu befriedigen. Dabei sind die gesetzlichen Unterhaltsansprüche der gleichrangig Unterhaltsberechtigten nach materiellem Recht zu ermitteln und danach der über dem notwendigen Unterhalt des Schuldners nach Abzug der den bevorrechtigten Gläubigern verbleibende Betrag zu quoteln. Andere Methoden der Aufteilung – etwa die Bemessung nach Kopfteilen oder die Heranziehung der Sätze des Sozialhilferechts – sind zur Erreichung des vom Gesetzgeber vorgegebenen Ziels der „gleichmäßigen Befriedigung“ der gleichberechtigten Unterhaltsgläubiger ungeeignet.2 In der Praxis haben sich bisher keine Schwierigkeiten ergeben, soweit es um die 226 neue Rangfolge für den Kindesunterhalt ging. Anders verhält es sich hinsichtlich des zweiten Ranges, in den Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Fall einer Scheidung wären, sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer einzuordnen sind. Bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer sind auch Nachteile im Sinne des § 1578b Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 BGB zu berücksichtigen. Die sich hieraus ergebende Problematik in der Zwangsvollstreckung hat Recht- 227 sprechung und Schrifttum in der Zeit nach Inkrafttreten des UÄndG zunächst 1 Musielak/Becker, § 850d ZPO Rz. 9; Zöller/Stöber, § 850d ZPO Rz. 6, 9. 2 Ebenso OLG Frankfurt, NJW-RR 2000, 220 (220) = FamRZ 2000, 614 (617); OLG Köln, FamRZ 1994, 53 (54); Stöber, Rz. 1100 und 1129; Zöller/Stöber, § 850d ZPO Rz. 11a; Büttner, FamRZ 1994, 1433 (1436).
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
nur wenig beschäftigt. Inzwischen liegen Stellungnahmen von Rechtsprechung – auch des BGH – und Schrifttum vor, in denen die maßgeblichen Fragen erörtert worden sind; auch die Lösung ist vom BGH festgelegt worden.1 228
Zunächst ist davon auszugehen, dass ein Gläubiger, der sich auf die nach § 850d ZPO ergebende Privilegierung berufen will, dem Vollstreckungsorgan einen Titel vorlegen muss, aus dem sich – gegebenenfalls im Wege der Auslegung – die Qualifikation des zu Grunde liegenden Anspruchs als Unterhaltsanspruch der im § 850d Abs. 1 S. 1 genannten Art ergibt.
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Hierzu hat der BGH entschieden, dass das Vollstreckungsgericht nicht zu prüfen habe, ob der Zwangsvollstreckung ein Unterhaltsanspruch der in § 850d Abs. 1 S. 1 ZPO genannten Art zugrunde liegt. Insoweit ist das Vollstreckungsgericht an die entsprechenden Feststellungen des Zivilgerichts gebunden. Unproblematisch ist dieser Nachweis, wenn der Gläubiger schon im Erkenntnisverfahren durch entsprechenden Antrag darauf hinwirkt, dass die Verpflichtung des Schuldners zur Zahlung von Unterhalt in den Titel aufgenommen wird. In der Praxis ist dies indessen häufig nicht der Fall. Insbesondere kommt es öfter vor, dass der Gläubiger ein Mahnverfahren einleitet, weil das ihm ermöglicht, auf einfachem und kostengünstigem Weg zu einem Vollstreckungsbescheid zu gelangen, aus dem die Vollstreckung betrieben werden kann. Ein Vollstreckungsbescheid entspricht indessen nicht den Anforderungen an einen Titel, durch den die Privilegierung des Gläubigers nachgewiesen werden kann. Dies hat der BGH zunächst zu der sich aus § 850f Abs. 2 ZPO ergebenden Erweiterung des Vollstreckungsschutzes entschieden.2 Später hat er dieselben Grundsätze auf die nach § 850d ZPO privilegierte Zwangsvollstreckung ausgedehnt.
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Anders als im Fall des § 850f Abs. 2 ZPO kommt hinzu, dass die Rangfolge mehrerer Berechtigter zu prüfen ist (§ 850d Abs. 2 ZPO). Dies obliegt dem Vollstreckungsgericht. Es hat die Aufgabe, bei der Bemessung des dem Schuldner pfandfrei zu belassenden Einkommensanteils zu prüfen, welchen Rang der Schuldner nach § 1609 BGB hat. Insoweit hat der Gesetzgeber dem Vollstreckungsgericht die Bestimmung der materiell-rechtlichen Rangfolge zugewiesen. Dass dies im Fall des § 1609 Nr. 2 BGB (Aufeinandertreffen von Ehegatten und geschiedenen Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer) dem Vollstreckungsgericht erhebliche Probleme bereiten kann, versteht sich von selbst, zumal für geschiedene Ehegatten auch Nachteile im Sinne von § 1578b Abs. 1 S. 2 und 3 zu berücksichtigen sind. e) Begrenzung des Freibetrages des Schuldners
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Auch im Fall des § 850d ZPO ist indessen Voraussetzung für die Berücksichtigung von bevorrechtigten Unterhaltsberechtigten, dass der Schuldner den Unterhalt auch tatsächlich gewährt. Dabei ist insbesondere das Einkommen des Ehegatten zu berücksichtigen, wenn dies dazu führt, dass der Schuldner ihm gegenüber nicht unterhaltspflichtig ist.3 Feste Einkommensgrenzen, bei deren Erreichen die Ehefrau als unterhaltsberechtigte Person ausfällt, lassen sich indes1 BGH, NJW 2013, 239 ff. m. Anm. Ahrens, S. 241. 2 BGH, NJW 2005, 1663 m. Anm. Gaul, NJW 2005, 2894 und Smid, JZ 2006, 393 = FamRZ 2005, 974; BGH, NJW-RR 2011, 791. 3 OLG Celle, FamRZ 1966, 103; Stöber, Rz. 1103.
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VIII. Pfändungsschutz bei der Pfändung von Arbeitseinkommen
sen nicht festlegen. Der BGH lässt auch im Fall der Anwendung von § 850c ZPO die Orientierung an schematischen Berechnungsgrößen nicht zu.1 Die Neufassung des § 1612b BGB durch das UÄndG wirkt sich auf die Vollstre- 232 ckung in das Kindergeld nicht aus. Diese richtet sich vielmehr weiterhin nach § 54 Abs. 5 SGB I. Danach kann Kindergeld nur wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche eines Kindes gepfändet werden, das bei der Festsetzung des Geldes selbst berücksichtigt wird (Zahlkind). Erfasst wird dabei aber auch der Vorteil eines sog. Zählkindes, für das der Leistungsberechtigte kein Kindergeld erhält, das jedoch die Ordnungszahl nach dem Lebensalter des Zählkindes erhöht.2 Dagegen ist das Kindergeld unpfändbar, wenn es um die Vollstreckung gesetzlicher Ansprüche anderer Unterhaltsgläubiger, etwa eines geschiedenen Ehegatten geht.3 Kindergeld in diesem Sinne sind nicht nur Leistungen nach dem BKGG, die nur noch geringe praktische Bedeutung haben, vor allem aufgrund steuerlicher Vorschriften (§§ 62 bis 78 EStG oder nach § 32 Abs. 6 EStG), Zuschläge aus der sozialen Entschädigung (§ 5 SGB I) und vergleichbare Rentenbestandteile (aus der Renten- und aus der Unfallversicherung).4 Das gilt nicht hinsichtlich anderer Zuschläge, die den Kindergeldbezug nicht ausschließen, wie etwa für den Familienzuschlag zum Arbeitslosengeld.5 Fließen dem Unterhaltspflichtigen noch andere Einnahmen zu, die durch die 233 §§ 850a, 850d ZPO nicht erfasst werden, so sind auch sie bei der Bestimmung des pfändungsfreien Freibetrages zu berücksichtigen. Denn andere Einnahmen und geldwerte Vorteile, die dem Schuldner sicher zur Verfügung stehen, mindern den aus seinem Arbeitseinkommen zu deckenden notwendigen Unterhaltsbedarf.6 Im Sozialhilferecht kommt dies im Übrigen gleichfalls zum Ausdruck7 (§§ 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Wenn z.B. der Schuldner mietfrei wohnt, entstehen ihm insofern keine Aufwendungen. Dies kann nicht außer Betracht bleiben.8 Auch übliche Trinkgelder sind zu erfassen.9 Eine gravierende Erweiterung des Begriffs der dem Schuldner zuzurechnenden 234 Einnahmen ergibt sich aus einer Entscheidung des VII. Senats des BGH vom 25.10.2012 – VII ZB 12/10.10 Danach muss das Vollstreckungsgericht bei nicht getrennt lebenden Ehegatten ohne Rücksicht auf gesetzliche Unterhaltsansprüche wegen der aus den §§ 19 Abs. 1, 27 Nr. 1 und 2 SGB XII folgenden Wertentscheidung auch die Einkünfte des Ehegatten in die Prüfung der Bedarfsdeckung des Schuldners mit einbeziehen. Der Beschluss des BGH ist zwar zu § 850f Abs. 2 ZPO ergangen. Er betrifft aber auch die Vollstreckung von Unterhaltstiteln nach § 850d ZPO, da für beide Vorschriften die gleichen Grundsätze gelten.11 1 BGH, NJW-RR 2005, 795; BGH, Rpfleger 2005, 201 m. krit. Anm. Schmidt; BGH, FamRZ 2009, 1137. 2 Hintzen/Wolf, Rz. 6 222; Baumbach/Hartmann, Rz. 83 vor den §§ 704 ff. ZPO; MünchKomm.ZPO/Schmid, § 850d ZPO Rz. 22 ZPO. 3 Stöber, Forderungspfändung, Rz. 1397. 4 Stöber, Forderungspfändung, Rz. 1397. 5 Stöber, Forderungspfändung, Fußnote 1 zur Rz. 1397. 6 Stöber, Forderungspfändung, Rz. 1102. 7 Stöber, Forderungspfändung, Rz. 1102. 8 LG Kleve, FamRZ 1999, 109. 9 LG Osnabrück, JB 1999, 214; Baumbach/Hartmann, § 850d ZPO Rz. 14 ZPO. 10 BGH, NJW 2013, 1370 = FamRZ 2013, 442 m. Anm. Schürmann, S. 444 f. = FamRB 2013, 144 m. Anm. Giers. 11 BGH, FamRZ 2011, 208; Schürmann, a.a.O.; Giers, a.a.O.
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
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Die Entscheidung hat eine weitreichende Bedeutung und weicht von der bisherigen gegenteiligen absolut herrschenden Meinung ab, was der BGH auch ausdrücklich einräumt. Der BGH begründet seine Ansicht damit, dass das Einkommen des Ehegatten nicht zur Befriedigung des Gläubigers herangezogen werde, sondern nur bei der Bedarfsdeckung der Ehegatten Berücksichtigung finde. Dieser Gesichtspunkt sei im Sozialrecht nicht anders zu werten als im Unterhaltsrecht.
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Gegen diese rechtliche Würdigung hat insbesondere Schürmann in seiner Anmerkung zur Entscheidung des BGH Einwendungen erhoben, die im Wesentlichen überzeugen. Eine Vertiefung der Argumente Schürmanns wäre wünschenswert, kann aber im Rahmen eines Handbuches nicht erfolgen. Für die Praxis wird das Einkommen des Ehegatten des Schuldners jedenfalls künftig seinen Einnahmen hinzugerechnet werden müssen.1
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Ausdrücklich gesetzlich festgelegt ist, dass der dem Schuldner zu belassende Teil seines Arbeitseinkommens den Betrag nicht übersteigen darf, der ihm nach § 850c ZPO gegenüber nicht bevorrechtigten Gläubigern zu verbleiben hätte (§ 850d Abs. 1 Satz 3 ZPO). Er darf nicht besser gestellt werden, wenn er einem Unterhaltsgläubiger gegenübersteht, als er im Fall der Pfändung seines Arbeitseinkommens durch einen gewöhnlichen Gläubiger stünde. f) Die Vorratspfändung (§ 850d Abs. 3 ZPO)
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Die Vorschrift lässt es zu, dass bei der Vollstreckung wegen einer Unterhaltsforderung zugleich mit der Pfändung wegen fälliger Ansprüche auch erst künftig ihm zustehendes Arbeitseinkommen wegen der dann jeweils fällig werdenden Forderungen gepfändet und überwiesen werden kann. Auf diese Weise wird dem Umstand Rechnung getragen, dass sich gemäß § 832 ZPO das Pfandrecht auf die nach der Pfändung fällig werdenden Bezüge erstrecken kann, die erst verdient werden müssen. Durch die Vorschrift soll auch verhindert werden, dass die privilegierten Unterhaltsgläubiger in die Lage kommen, staatliche Mittel in Anspruch nehmen zu müssen. Durch eine Vorratspfändung verbessern sich die Chancen des Unterhaltsgläubigers auf Durchsetzung künftig fällig werdender Unterhaltsansprüche, weil mit dem Erlass des Pfändungsbeschlusses zugleich ein Pfändungspfandrecht entsteht und damit die Priorität vor nachfolgenden Pfändungen anderer Gläubiger begründet wird.2
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Die Zulässigkeit der Vorratspfändung setzt voraus, dass zunächst eine fällige Rate gepfändet wird; eine isolierte Vorratspfändung gibt es nicht.3 Der Rückstand rechtfertigt die Annahme der mangelnden Zuverlässigkeit des Schuldners. Deshalb muss die Vorratspfändung aufgehoben werden, wenn der Schuldner irrtümlich in Zahlungsrückstand geraten ist.4 Ebenso ist die Aufhebung geboten, wenn 1 Ob dies – entsprechend der Meinung Schürmanns – auch für andere mit den in der Wohnung der Ehegatten zusammenlebenden Personen gilt, sollte bei einer Entscheidung der Frage jedenfalls mit erörtert werden. Denn eine Beantwortung dieser Frage drängt sich geradezu auf. 2 Büttner, FamRZ 1994, 1433 (1447). 3 OLG Frankfurt, InVo 2001, 65; KG, MDR 1960, 931; Hintzen/Wolf, Rz. 6.177; Zöller/ Stöber, Forderungspfändung, § 850d ZPO Rz. 24. 4 OLG Braunschweig, FamRZ 1994, 1540; Hintzen/Wolf, 6.177; Gottwald, § 850d ZPO Rz. 19.
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VIII. Pfändungsschutz bei der Pfändung von Arbeitseinkommen
alle Rückstände vollständig getilgt sind und mit Sicherheit zu erwarten ist, dass künftig die Zahlungen pünktlich geleistet werden, so dass ein Rückstand nicht mehr entstehen wird.1 Dabei muss aber die künftige pünktliche Erfüllung abgesichert werden, etwa durch Gehaltsabtretung oder Hinterlegung einer Sicherheit. Die Erteilung eines Dauerauftrages reicht jedenfalls nicht aus, da dieser jederzeit widerrufen werden kann.2 g) Pfändungsschutz für Kontoguthaben aa) Einleitung Die Begleichung von Forderungen durch Überweisung auf ein Konto des Gläubi- 240 gers bei einem Kreditinstitut spielt im Wirtschaftsleben eine wesentliche Rolle. Das gilt sowohl in Bezug auf das Arbeitseinkommen eines Arbeitnehmers als auch hinsichtlich Sozialleistungen des Staates (z.B. Kindergeld, Geldleistungen nach dem SGB II und SGB XII). Da der Pfändungsschutz durch die Vorschrift des § 850k a.F. ZPO als unzureichend empfunden wurde, ist durch das am 1.7.2010 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes vom 7.7.20093 eine grundlegende Neuregelung erfolgt. Mittelpunkt der Gesetzesänderung ist die Einführung eines Pfändungsschutzkontos (P- Konto). Der Kunde eines Kreditinstitutes kann mit diesem die Umwandlung eines bestehenden Girokontos in ein P- Konto vereinbaren. Für die Übergangszeit vom 1.7.2010 bis zum 31.12.2011 wurde es dem Schuldner freigestellt, ob er von dem nach Inkrafttreten des Kontopfändungsgesetzes weiter geltenden Pfändungsschutz nach § 850k a.F. ZPO Gebrauch machen oder ein P- Konto begründen wollte.4 Seit dem 1.1.2012 besteht nur noch die Möglichkeit, nach § 850k n.F. ZPO vorzugehen, wenn der Schuldner Pfändungsschutz gegen nach diesem Zeitpunkt erfolgte Pfändungen des Gläubigers in Anspruch nehmen will. Seit dem 1.1.2012 ist ebenso der bis dahin geltende Sonderschutz für Sozialleis- 241 tungen entfallen,5 und auch die Vorschriften der §§ 833a, Abs. 2 Nr. 1, 850l ZPO, 76a EStG, 55 SGB I sind außer Kraft getreten.6 Dies hat zur Folge, dass für Gutschriften von Sozialgeld oder Kindergeld ein 242 Vollstreckungsschutz nicht mehr besteht und diese Leistungen deshalb von einer Kontopfändung erfasst werden.7 Dennoch hat die ab 1.1.2012 geltende Regelung für den Schuldner den Vorteil, 243 dass nunmehr alle Einkünfte, die einem Pfändungsschutz unterliegen, auf einem Konto, dem Pfändungsschutzkonto, zusammengefasst werden und damit die Existenzsicherung für den Schuldner besser geregelt ist. Die bisherige Beschränkung auf den notwendigen Unterhalt ist aufgegeben worden. Infolge der Orientierung in § 850k Abs. 1 ZPO am Grundbetrag aus § 850c Abs. 1 S. 1 ZPO
1 Büttner, FamRZ 1994, 1434 (1438); Gottwald, § 850d ZPO Rz. 19. 2 OLG Frankfurt, InVo 2001, 65; Gottwald, § 850d ZPO Rz. 19; Büttner, FamRZ 1994, 1434 (1438). 3 BGBl. I 2009, 1707. 4 Zöller/Stöber, § 850k ZPO vor Rz. 1. 5 HK/Kemper ZPO, 4. Aufl., § 850k ZPO Rz. 29; Ehlenz, FPR 2012, 168. 6 AG Cloppenburg, ZVI 2012, 72; Musielak/Becker, § 850k ZPO Rz. 1; Struck, ZVI 2010, 335 (336). 7 Ehlenz, FPR 2012, 168.
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
und den Aufstockungsmöglichkeiten nach § 850k Abs. 2, 4 ZPO hat sich das Schutzniveau insgesamt verbessert.1 bb) Zweck der Einführung eines Pfändungsschutzkontos 244
Durch die Einführung eines Pfändungsschutzkontos soll sich der Schuldner vor Maßnahmen des Gläubigers, die ihn in seiner Existenz beeinträchtigen könnten, geschützt werden. Dem dient zunächst der sogenannte Basisbetrag, der derzeit 1 045,04 Euro für einen Ledigen ohne Unterhaltspflichten beträgt; dieser unterliegt der freien Verfügung des Schuldners. Aufrechnung und Verrechnung sind grundsätzlich ausgeschlossen.2 Der Sockelfreibetrag entsteht automatisch, ohne dass es der Mitwirkung des Vollstreckungsgerichts bedarf.3 Anders als nach früherem Recht ist der Grund für die Gutschriften auf dem P- Konto ohne Bedeutung. Insbesondere muss es sich nicht mehr um Arbeitseinkommen handeln; erfasst werden vielmehr alle Zahlungseingänge, z.B. an selbständig Erwerbstätige, freiwillige Zuwendungen Dritter, Leistungen von Sozialträgern sowie Einnahmen aus Miet- und Pachtverträgen. cc) Aufstockung des Basispfändungsschutzes
245
Nach § 850k Abs. 2 ZPO erhöht sich der Basisfreibetrag, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind: a) Wesentlich ist vor allem, wenn der Pfändungsschuldner gesetzliche Unterhaltsverpflichtungen hat. Für den ersten Unterhaltsberechtigten erhöht sich der Basisfreibetrag um 393,30 Euro und für die zweite bis fünfte unterhaltspflichtige Person jeweils um 219,12 Euro. Weitere Unterhaltsberechtigte bleiben unberücksichtigt. Nach der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung ändern sich die maßgeblichen Beträge jeweils zum 1.7. jeden zweiten Jahres. Die derzeit geltenden Beträge laufen bis zum 30.6.2015.4 b) Leben mehrere Personen in einer Bedarfsgemeinschaft, ohne dass unterhaltsrechtliche Beziehungen zwischen Ihnen bestehen, führen Geldleistungen, die nach dem SGB II oder dem SGB XII gewährt werden, gleichfalls zu einer Erhöhung des Basisfreibetrags. Diese Erhöhung ist von der Vorlage einer Bescheinigung gemäß § 850k Abs. 5 S. 2 ZPO abhängig.5 c) Einmalige Sozialleistungen i.S. von § 54 Abs. 2, 3 Nr. 3 SGB I haben gleichfalls eine Erhöhung des Freibetrags zur Folge. Es handelt sich dabei um Geldleistungen zum Ausgleich des durch einen Körper- oder Gesundheitsschaden benötigten Mehraufwands. Diese Regelung soll eine Zweckbindung auch dann sicherstellen, wenn die Gutschrift auf ein Konto erfolgt.6 d) Schließlich sieht das Gesetz im § 850k Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO vor, dass der Sockelbetrag um das Kindergeld und andere Geldleistungen für Kinder erhöht wird. Dies gilt allerdings nicht, wenn das Guthaben eines Pfändungsschutz-
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Prütting/Gehrlein/Ahrens, § 850k ZPO Rz. 3. Musielak/Becker, § 850k ZPO Rz. 2. Prütting/Gehrlein/Ahrens, § 850k ZPO Rz. 13. Bekanntmachung zu § 850c der Zivilprozessordnung; Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2013, BGBl I 2013, 710. 5 Ehlenz, FPR 2012, 168 (170). 6 Zöller/Stöber, § 850k ZPO Rz. 6.
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VIII. Pfändungsschutz bei der Pfändung von Arbeitseinkommen
kontos wegen einer Unterhaltsforderung des Kindes, für das Leistungen gewährt werden oder bei dem es berücksichtigt wird, gepfändet wird. dd) Begründung des Pfändungsschutzkontos Begründet wird das Pfändungsschutzkonto auf Grund einer Vereinbarung zwi- 246 schen Kunden und Kreditinstitut, durch die ein bestehendes Girokonto – kein Sparkonto – in ein P- Konto umgewandelt wird (§ 850k Abs. 7 S. 1 ZPO). Eine solche Vereinbarung kann auf Seiten des Schuldners nur von einer natürlichen Person getroffen werden, wobei sich der Kunde – etwa infolge Minderjährigkeit – eines gesetzlichen Vertreters bedienen kann. Dagegen ist das Auftreten eines rechtsgeschäftlich bestellten Vertreters nicht zulässig.1 Damit verfolgt der Gesetzgeber den Zweck, Missbräuchen durch den Kunden entgegenzuwirken.2 Denn nach § 850k Abs. 8 S. 1 ZPO darf jede natürliche Person nur ein Pfändungsschutzkonto unterhalten. Ob der Ausschluss des Auftretens eines rechtsgeschäftlich bestellten Vertreters geeignet ist, einen Verstoß gegen § 850k Abs. 8 S. 1 ZPO zu verhindern, wird vom Schrifttum zu recht in Zweifel gezogen.3 Eher erreicht man dieses Ziel dadurch, dass nach § 850k Abs. 8 S. 2 ZPO jeder Kunde gegenüber dem Kreditinstitut versichern muss, dass er kein weiteres Pfändungsschutzkonto unterhält. Den Inhalt dieser Versicherung darf das Kreditinstitut Auskunfteien mitteilen, und diese können auf Anfrage andere Banken über das Bestehen eines P- Kontos informieren (§ 850k Abs. 8 S. 4 ZPO). Das Kreditinstitut ist verpflichtet, auf Verlangen des Schuldners ein bestehendes 247 Girokonto in ein Pfändungsschutzkonto umzuwandeln (§ 850k Abs. 7 S. 2). Dieses Recht steht dem Schuldner auch dann noch zu, wenn für das Girokonto bereits Pfändungen zugestellt worden sind.4 Die Voraussetzungen, die in diesem Fall vorliegen müssen, ergeben sich aus § 850k Abs. 1 S. 4 ZPO. Das Gebot, dass der Schuldner nur ein Pfändungsschutzkonto führen darf, gilt 248 auch für Eheleute oder Lebenspartner, die ein gemeinschaftliches „und“- bzw. „oder“- Konto unterhalten.5 Verlangen beide Partner die Umwandlung, wird für jeden ein selbständiges Pfändungsschutzkonto begründet.6 Äußert nur einer der Eheleute diesen Wunsch, wird das Konto in ein Giro- und ein Pfändungsschutzkonto aufgespalten.7 Unterhält der Schuldner kein Girokonto, entfällt die Möglichkeit der Einrich- 249 tung eines P- Kontos.8 Der Gesetzgeber hat daran festgehalten, dass die Kreditwirtschaft nicht verpflichtet werden könne, ein Girokonto einzurichten. Dass dadurch vor allem einkommensschwache Bürger von der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr ausgeschlossen werden, ist eine unerfreuliche Erscheinung. Deshalb normieren Sparkassengesetze und -Verordnungen einiger Bundes-
1 Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rz. 1282, Prütting/Gehrlein/Ahrens, § 850k ZPO Rz. 17. 2 BT-Drucks. 16/1714, S. 21. 3 Vgl. z.B. Prütting/Gehrlein/Ahrens, § 850k ZPO Rz. 17. 4 Romeyko, FamRZ 2012, 349 (350). 5 Prütting/Gehrlein, § 850k ZPO Rz. 20. 6 BT-Drucks. 16/7615 S. 20. 7 Musielak/Becker, § 850k ZPO Rz. 8; Ahrens, NJW 2010, 2001 (2003). 8 Giers, FamRB 2010, 188 (190); Strunk, ZVI 2010, 335 (338).
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länder einen Kontrahierungszwang.1 Eine befriedigende Lösung des Problems wird indessen nicht erreicht. 250
Die Verpflichtung des Schuldners, nur ein Pfändungsschutzkonto zu unterhalten, bedarf der Absicherung und Kontrolle. Zu diesem Zweck hat der Schuldner bei der Umwandlung eines Girokontos zu versichern, dass kein weiteres Pfändungsschutzkonto bei einem anderen Kreditinstitut besteht (§ 850k Abs. 8 S. 2 ZPO). Hierbei handelt es sich um eine gegenüber dem Kreditinstitut bestehende Rechtspflicht. Zwar bedarf diese Versicherung keiner besonderen Form. Dem Kreditinstitut ist indessen anzuraten, auf der Einhaltung der Schriftform zu bestehen. Inhaltlich genügt der Satz: „Ich unterhalte kein anderes Pfändungsschutzkonto.“2 Einer eidesstattlichen Versicherung des Schuldners bedarf es indessen nicht.
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Verhindern lässt sich durch diese Regelung letztlich nicht, dass der Schuldner gegen seine Verpflichtung verstößt. Darum hat der Gläubiger das Recht, beim zuständigen Vollstreckungsgericht zu beantragen, dass nur das von ihm erwählte Konto als Pfändungsschutzkonto verbleibt (§ 850k Abs. 9 S. 2 ZPO). Voraussetzung für einen solchen Antrag des Gläubigers ist, dass der Schuldner mehrere P-Konten unterhält, was der Gläubiger glaubhaft zu machen hat (§ 850k Abs. 9 S. 2 ZPO). Die Glaubhaftmachung nach § 850k Abs. 9 S. 1 ZPO hat der Gläubiger durch Vorlage entsprechender Drittschuldnererklärungen gemäß § 840 Nr. 5 ZPO vorzunehmen.3
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Bei diesem Verfahren ist der Schuldner nicht anzuhören (§ 850k Abs. 9 S. 3 ZPO). Dadurch soll verhindert werden, dass der Schuldner vor der Entscheidung des Gerichts für den Gläubiger nachteilige Verfügungen trifft. Seine Rechte werden dadurch nicht verletzt, weil er nach der Entscheidung des Vollstreckungsgerichts hiergegen Erinnerung einlegen kann.
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Die Entscheidung des Gerichts über die Bestimmung eines Pfändungsschutzkontos muss allen Drittschuldnern zugestellt werden. Nach Wirksamwerden der gerichtlichen Entscheidung kann im Fall der späteren Pfändung durch einen anderen Drittschuldner keine Änderung mehr erfolgen. Denn die anderen Konten des Schuldners haben ihren Charakter als Pfändungsschutzkonto verloren und werden vom Kreditinstitut als Girokonten weitergeführt.4 Liegen mehrere Bestimmungsanträge verschiedener Gläubiger vor, gilt das Prioritätsprinzip.5
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Der Basisbetrag stellt sicher, dass der Schuldner hierüber jeweils bis zum Ende eines Kalendermonats frei verfügen kann.6 Eine Änderung des Sockelfreibetrags erfolgt jeweils zum 1.7. jeden zweiten Jahres.
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Prütting/Gehrlein/Ahrens, § 850k Rz. 15. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 850k ZPO Rz. 93. BT-Drucks. 16/12714, S. 21. Prütting/Gehrlein/Ahrens, § 850k ZPO Rz. 116. Prütting/Gehrlein/Ahrens, § 850k ZPO Rz. 115; a.A. Musielak/Becker § 850k ZPO Rz. 10a: maßgebend sei der Antrag des erstrangigen Gläubigers. 6 Zöller/Stöber, § 850k ZPO Rz. 4.
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ee) Das Problem des „Monatskontos“ Probleme bei der Anwendung des neuen Pfändungsschutzes haben sich anfangs 255 in Fällen ergeben, in denen der Schuldner im Laufe des Monats den ihm zustehenden Freibetrag bereits verbraucht hatte, vor dem Monatsende ihm dann aber auf seinem Schutzkonto weitere Beträge gutgeschrieben wurden. Besondere Schwierigkeiten entstanden dann, wenn die späteren Gutschriften für den Folgemonat bestimmt waren, etwa aus Arbeitseinkommen, Hartz IV-Leistungen, Versorgungsbezügen und Renten (Monatsproblem). Im Schrifttum wurden verschiedene Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen, durch die verhindert werden sollte, dass diese Gutschriften dem Gläubiger zufielen, obwohl sie der Existenzsicherung des Schuldners im Folgemonat zugutekommen sollten. In der Rechtsprechung wurde zur Lösung des Problems überwiegend die Ansicht vertreten, dass ein Pfändungsschutz für den Folgemonat nur durch eine Anwendung des § 765a ZPO erreicht werden könne.1 Da indessen eine zufriedenstellende Lösung des Monatsproblems nicht zu errei- 256 chen war, hat der Gesetzgeber durch das 2. Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der ZPO und der Abgabenordnung vom 12.4.2011 die Gesetzeslücke geschlossen.2 Durch die in das Gesetz eingefügte Vorschrift des § 835 Abs. 4 ZPO sind Sonderrechte für die Pfändung von künftigen Guthaben auf dem Pfändungsschutzkonto geschaffen worden. Nach § 835 Abs. 4 S. 1 ZPO darf der Drittschuldner erst nach Ablauf des nächsten auf die jeweilige Gutschrift von eingehenden Zahlungen folgenden Kalendermonats an den Gläubiger leisten oder den Betrag hinterlegen.3 Im Einzelfall kann das Vollstreckungsgericht – hiervon abweichend – auf Antrag des Gläubigers eine andere Regelung anordnen, wenn bei Anwendung von Satz 1 unter voller Würdigung der Schutzbedürfnisse des Schuldners eine unzumutbare Härte für den Gläubiger eintreten würde (§ 835 Abs. 4 S. 2 ZPO). Ein solcher Fall kann dann entstehen, wenn die sich aus § 835 Abs. 4 S. 1 ZPO ergebende Leistungssperre für den Gläubiger zu einer unzumutbaren Härte führt.4 Im Zweifel ist indessen die Wahrung der Schuldnerinteressen vorrangig, denn die vorzeitige Auszahlung des pfändbaren Betrages soll nach § 835 Abs. 4 S. 2 ZPO die Ausnahme sein. Eine weitere Vervollständigung des Schuldnerschutzes ergibt sich aus dem 257 durch das Gesetz vom 12.4.2011 eingefügten Satz 2 von § 850k Abs. 1 ZPO. Denn danach gehört zum Guthaben im Sinne von Abs. 1 S. 1 auch das Guthaben, das bis zum Ablauf der Frist des § 835 Abs. 4 ZPO nicht an den Gläubiger geleistet oder hinterlegt werden darf. Der Fall, dass der Schuldner in einem Kalendermonat den Pfändungsfreibetrag 258 nicht in voller Höhe verbraucht hat, wird durch § 850k Abs. 1 S. 2 n.F. ZPO in der Weise geregelt, dass der verbliebene Restbetrag auf den Folgemonat übertragen wird. Auf diese Weise wächst der Sockelfreibetrag an. Hat er den Basisbetrag von derzeit 1 045,04 Euro in einem Monat überhaupt nicht in Anspruch genommen, erhöht dieser sich am Anfang des nächsten Kalendermonats um weitere 1 AG Ludwigshafen, ZVI 2010, 354; AG Esslingen, ZVI 2010, 481; LG Essen, Rpfl. 2010, 606 = ZVI 2010, 350; LG Oldenburg, ZVI 2011, 31; anderer Ansicht: AG Leipzig, ZVI 2010, 351. 2 BGBl I, 615 f. 3 Zöller/Stöber, § 835 Rz. 14; Ahrens, ZVI 2011, 183; Becker, NJW 2011, 1317 (1319). 4 Ahrens, NZI 2011, 183 (184).
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1 045,04 Euro, so dass der Schuldner über den doppelten Freibetrag von 2 057,78 Euro verfügen kann. Das bedeutet indes nicht, dass der Schuldner berechtigt ist, auf diese Weise größere Summen „anzusparen“. Die Übertragung auf den Folgemonat kann nur einmal stattfinden; wird der Freibetrag von dem Schuldner nach der Übertragung nicht verbraucht, fällt er dem Gläubiger zu, da er von der Pfändung erfasst wird.1 259
Das ist jedoch nicht unstreitig. Zum Teil wird aus der Formulierung in § 850k Abs. 1 S. 9 ZPO „in dem jeweiligen Kalendermonat“ hergeleitet, dass über den zweimonatigen Freibetrag hinaus ein noch höherer Freibetrag angesammelt werden kann.2 Folgt man dieser Ansicht, führt das zu einer Schlechterstellung des Gläubigers, dessen Vollstreckungsmöglichkeiten unter Umständen zu stark beeinträchtigt werden. Vorzuziehen ist deshalb die Gegenansicht, nach der bei Übersteigen des Pfändungsfreibetrages nach dem zweiten Monat eine Übertragung auf den dritten Monat ausgeschlossen ist.3
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Das Gesetz vom 12.4.2011 enthält keine Überleitungsvorschriften. Deshalb hat der BGH entschieden, dass der Gesetzgeber die Neuregelung auch auf noch nicht abgeschlossene Vorgänge angewendet wissen wollte. Somit gelten die Vorschriften der §§ 835 Abs. 4 S. 1, 850k Abs. 1 S. 2 ZPO auch dann, wenn die Pfändung vor Inkrafttreten des Gesetzes stattgefunden hat.4 Wegen der aus den vorstehenden Gründen auf dem P-Konto eingehenden Beträge hat das Kreditinstitut dem Schuldner Zahlungen zu leisten, soweit eine Bescheinigung des Arbeitgebers, der Familienkasse oder des Sozialleistungsträgers vorliegt, aus der sich ergeben muss, dass das Guthaben nicht von der Pfändung erfasst wird (§ 850k Abs. 5 S. 2 ZPO). ff) Festsetzung des pfändungsfreien Betrages
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Entstehen aus Sicht eines Beteiligten – etwa wegen fehlender Klarheit der vom Schuldner nach § 850k Abs. 5 S. 2 ZPO vorzulegenden Bescheinigung – Zweifel, kann auf Antrag das Vollstreckungsgericht den pfändungsfreien Betrag durch Beschluss festsetzen (§ 850k Abs. 4 ZPO). Beim Arbeitseinkommen braucht das Vollstreckungsgericht den Betrag nicht ziffernmäßig anzugeben, wenn der Bescheinigung des Arbeitgebers die Höhe der Zahlung ausreichend zu entnehmen ist.5 Dagegen dürfen weder in den Bescheinigungen nach § 850k Abs. 5 S. 2 ZPO noch im Beschluss des Vollstreckungsgerichts Unklarheiten vorhanden sein, die eine Bestimmung des pfandfreien Betrages nicht zulassen.6 Ob z.B. im Fall des Bestehens von Unterhaltspflichten der Unterhalt tatsächlich auch gezahlt wird, braucht dagegen vom Kreditinstitut nicht überprüft zu werden. Denn dies würde
1 Zöller/Stöber, § 850k ZPO Rz. 5; Musielak/Becker, § 850k ZPO Rz. 2; Thomas/Putzo/ Seiler, § 850k ZPO Rz. 12, anderer Ansicht: Baumbach/Lauterbach § 850k ZPO Rz. 16, Ahrens, NJW 2010, 2001 (2005); durch eine mehrfach kumulierte Übertragung sollen durch ein sparsames Wirtschaften größere Anschaffungen ermöglicht werden. 2 Baumbach/Lauterbach, § 850k ZPO Rz. 15 f. 3 Zöller/Stöber, § 850k ZPO Rz. 5. 4 BGH, NJW-RR 2011, 1433 = MDR 2011, 1138. 5 BGH, NJW 2012, 78 (80); Musielak/Becker, § 850k ZPO Rz. 5. 6 So etwa die Formulierung „Forderung des Schuldners auf Auszahlung des Kontoguthabens der Drittschuldnerin bezüglich des Gehaltes, das auf das gepfändete Konto überwiesen wird“, anders dazu aber LG Koblenz, ZVI 2011, 258.
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zu einer Überlastung der Banken führen, die vom Gesetzgeber gerade nicht gewollt war.1 Leistungen, die anteilig bereits im Sockelfreibetrag des § 850k Abs. 1 ZPO ent- 262 halten sind, führen nicht zu einer Erhöhung des pfandfreien Betrags. Dies gilt z.B. für das Elterngeld nach dem BEEG, das Erziehungsgeld, das Mutterschaftsgeld oder das Wohngeld.2 Die neue Regelung des Kontopfändungsschutzes darf allerdings nicht dazu füh- 263 ren, dass die Rechte besonders schutzwürdiger Gläubiger – dazu zählen die Gläubiger von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen – beeinträchtigt werden. Deshalb ordnet § 850k Abs. 3 ZPO an, dass an die Stelle der nach Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 Nr. 1 pfändungsfreien Beträge der vom Vollstreckungsgericht im Pfändungsbeschluss belassene Betrag tritt, wenn das Guthaben wegen der im § 850d ZPO bezeichneten Forderungen gepfändet wird. Aus diesem Grund sollte der Gläubiger schon im Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses angeben, dass sich die Pfändung auf den erweiterten Vollstreckungszugriff gem. § 850d ZPO erstrecken soll. Ist wegen eines fehlenden Antrags im Pfändungsbeschluss noch keine Entscheidung über die privilegierte Pfändung getroffen worden, kann der Gläubiger nach § 850k Abs. 4 ZPO vorgehen und eine entsprechende Entscheidung durch das Vollstreckungsgericht herbeiführen. Das P-Kontoguthaben ist dann in Höhe der in der Entscheidung des Gerichts genannten Höhe unpfändbar. Soll der Sockelbetrag um weitere unpfändbare Beträge erhöht werden (§ 850k 264 Abs. 2 S. 1 ZPO), kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Schuldners oder des Gläubigers einen anderen pfändungsfreien Betrag festsetzen (§ 850k Abs. 4 ZPO). Dies kommt z.B. dann in Betracht, wenn der Schuldner von seinem Arbeitgeber Weihnachts- oder Urlaubsgeld bezieht (§ 850a Nr. 2, 4 ZPO). Grundsätzlich hat in einem solchen Fall das Vollstreckungsgericht den pfän- 265 dungsfreien Betrag zu beziffern. Dadurch soll für die Kreditinstitute der mit der Pfändung verbundene Aufwand reduziert werden.3 Das Vollstreckungsgericht muss auch dann tätig werden, wenn der Gläubiger 266 das Arbeitseinkommen des Schuldners gepfändet hat, dieses aber nicht gleichmäßig anfällt, sondern ständig wechselt. Der Freibetrag ist dann gem. § 850k Abs. 4 ZPO durch Bezugnahme auf das vom Arbeitgeber überwiesene pfändungsfreie Arbeitseinkommen festzusetzen.4 In einem solchen Fall kann weder dem Schuldner noch dem Vollstreckungsgericht zugemutet werden, jeden Monat einen Antrag nach § 850k Abs. 4 ZPO stellen bzw. bearbeiten zu müssen.5 Dann ist in dem Beschluss nach § 850k Abs. 4 ZPO der monatliche Freibetrag nicht zu beziffern, sondern durch eine Bezugnahme auf das vom Arbeitgeber überwiesene Arbeitseinkommen festzusetzen.6 Das Vollstreckungsgericht hat dann den pfandfreien Sockelbetrag und zusätzlich den Mehr- oder Aufstockungsbetrag nach Maßgabe des § 850d ZPO zu bestimmen und im Pfändungs1 2 3 4 5 6
BT-Drucks. 16/7615, S. 20. Sudergat, Kontopfändung und P- Konto, S. 182, Rz. 619 f. BT-Drucks. 16/7615, S. 1, 13, 14. BGH, NJW 2012, 79 (80) = Rpfl 2012, 213; Hintzen, Rpfl 2012, 604 (612). BGH, NJW 2012, 79/80 = WM 2011, 2367 = WuB VI D § 850k m. krit. Anm. Sudergat. BGH, a.a.O.; Musielak/Becker, § 850k ZPO Rz. 5.
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beschluss anzugeben. Der insgesamt ermittelte Betrag wird von der Pfändung nicht erfasst.1 Die Regulierung kann im Pfändungsbeschluss etwa wie folgt formuliert werden: „Die Pfändung erfolgt wegen eines privilegierten Unterhaltsanspruchs gem. § 850k Abs. 4 i.V.m. § 850d ZPO. Der Pfändungsschuldner ist neben dem Pfändungsgläubiger noch einem weiteren Kind gegenüber unterhaltspflichtig. Dem Pfändungsschuldner verbleibt folgender Betrag pfandfrei:“
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Aufgrund der Vorschrift des § 850k Abs. 4 ZPO ist nicht nur eine Änderung zugunsten des Schuldners, sondern auch zugunsten des Gläubigers auf dessen Antrag hin zulässig, so dass das Vollstreckungsgericht den pfändungsfreien Betrag herabzusetzen hat. Das kommt etwa dann in Betracht, wenn ein gegenüber dem Schuldner Unterhaltsberechtigter ein eigenes Einkommen bezieht und ihm deshalb kein oder nur ein geringerer Unterhaltsanspruch zusteht. Eine Herabsetzung des Freibetrags kommt in der Praxis allerdings selten vor, weil entsprechende Sachverhaltsänderungen nicht häufig eintreten.
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Sollte dem Gläubiger nicht bekannt sein, ob der Schuldner überhaupt ein P-Konto unterhält, bzw. welches von mehreren Konten dem Schutz aus § 850k ZPO unterliegt, empfiehlt es sich, bei der Antragstellung für künftige Forderungen neben der Vorratspfändung für das P-Konto für andere Konten eine Dauerpfändung zu begehren.2
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Infolge des bereits erwähnten Wegfalls des besonderen Schutzes für Sozialleistungen und das Außerkrafttreten des § 76a EStG und des § 55 SGB I ab 31.12.2011 ist das bis dahin geltende Verrechnungsverbot mit einem Sollsaldo des Berechtigten entfallen. Durch § 850k Abs. 6 ZPO wird indessen sichergestellt, dass bei einer Gutschrift von Sozialleistungen und Kindergeld das Verrechnungsverbot im Wesentlichen bestehen bleibt.3 Der Schuldner kann über diese Leistungen auch dann verfügen, wenn er sich mit seinem Konto im Debet befindet. Die gutgeschriebenen Leistungen hat das Kreditinstitut innerhalb von 14 Tagen nach Gutschrift an den Kontoinhaber auszuzahlen. Allerdings setzt die Verfügung über gutgeschriebene Sozialleistungen und Kindergeld innerhalb der genannten Frist voraus, dass der Kontoinhaber den Freibetrag noch nicht verbraucht hat.4
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Für andere Beträge als das Kindergeld und die Sozialleistungen folgt dagegen aus § 850k Abs. 6 ZPO ein Verrechnungsverbot nicht. gg) Pfändung durch mehrere Gläubiger
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Ist das Pfändungsschutzkonto von einem Gläubiger bereits gepfändet worden und schließt sich ein weiterer Gläubiger der Pfändung an, wird hierdurch der pfändbare Guthabenbetrag nicht berührt.5 Der Anschlusspfändungsgläubiger hat dadurch die gleichen Rechte wie der Erstgläubiger. Sowohl der Basissockelbetrag als auch der Mehr- oder Aufstockungsbetrag verändern sich bei mehrfacher 1 2 3 4 5
Zöller/Stöber, § 850k ZPO Rz. 11. BGH, NJW 2004, 369 (370); Bitter, ZIP 2011, 149 (155). HK-ZPO/Kemper, § 850k ZPO Rz. 29; Thomas/Putzo/Seiler, § 850k ZPO Rz. 34. Ehlenz, FPR 2012, 168 (170). Stöber, Forderungspfändung, Rz. 1290.
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Pfändung nicht. Der Zeitpunkt der jeweiligen Pfändungen ist unerheblich; insbesondere ändert sich der Monatsbetrag nicht. Für das Verhältnis zwischen den pfändenden Gläubigern gilt das Prioritätsprinzip (§ 804 Abs. 3 ZPO). Das früher erworbene Pfandrecht geht vor. Das gilt auch für die erst nach den Pfändungen fällig werdenden Einkommensbeträge.1 hh) Anwendung der Vorschrift des § 765a ZPO Die Frage, ob nach dem 31.12.2011 ein Vorgehen des Schuldners nach § 765a 272 ZPO noch zulässig ist, ist höchstrichterlich bisher nicht eindeutig entschieden worden. Dagegen könnte sprechen, dass seit dem 1.1.2012 der Pfändungsschutz bei der Pfändung eines Guthabens sich ausschließlich nach § 850k ZPO richtet. In der Rechtsprechung der Familiengerichte wird eine solche Schlussfolgerung nicht gezogen. Vielmehr befassen sich Entscheidungen, die nach dem 1.1.2012 ergangen sind, mit dem Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen des § 765a ZPO, ohne auf die Zulässigkeit einzugehen.2 Soweit das Schrifttum sich bisher zu dieser Frage geäußert hat, sind die Stellungnahmen überwiegend nicht ganz eindeutig.3 Zuzustimmen ist der Ansicht, dass auch nach der ab 1.1.2012 geltenden Rechts- 273 lage im Einzelfall auf Antrag eines Beteiligten zu überprüfen ist, ob der vorgetragene Sachverhalt die Anwendung des § 765a ZPO rechtfertigt. Zweck der Anwendung der genannten Vorschrift ist es, den Schuldner in besonderen Härtefällen, die dem allgemeinen Rechtsempfinden widersprechen, vor einer Pfändung zu bewahren. Grundsätzlich muss der Schuldner mit einer Zwangsvollstreckung verbundene Härten in Kauf nehmen. Dies gilt aber dann nicht mehr, wenn die Härte einen Umfang erreicht, der eine Hinnahme als nicht tragbar erscheinen lässt.4 Ein solcher Sachverhalt kann auch dann in Betracht kommen, wenn die Spezialvorschrift des § 850k ZPO eine Aufhebung der Pfändung nicht zulässt. ii) Gebühren für Errichten und Führung eines P-Kontos Die Umwandlung eines Girokontos in ein besonderes Pfändungsschutzkonto ist 274 für das damit befasste Kreditinstitut mit Kosten verbunden. Ob hierfür den Kunden besondere Gebühren in Rechnung gestellt werden dürfen, ist im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens durch Beschluss des Rechtsausschusses verneint worden.5 Dementsprechend enthält das Gesetz keine Vorschrift, die sich mit der Kostenfrage befasst. Nach der Rechtsprechung des BGH darf für die Erfüllung gesetzlicher Pflichten kein Entgelt verlangt werden.6 Allerdings verlangen Banken von ihren Kunden zum Teil den Abschluss einer Zusatzvereinbarung hinsichtlich 1 Stöber, Forderungspfändung, Rz. 779. 2 AG Wilhelmshaven, ZVI 2012, 245; AG Kassel, ZVI 2012, 199; AG Bielefeld, ZVI 2012, 315; AG Cloppenburg, ZVI 2012, 72; nicht ganz eindeutig: AG Schwäbisch Hall, ZVI 2012, 314; ebenso: Musielak/Becker, § 850k Rz. 1. 3 Giers, FamRB 2012, 25 (27) und FamRB 2012, 189 (191); Strunk, ZVI 2010, 335 (336); Ehlenz, FPR 2012, 168 (171). 4 AG Wilhelmshaven, ZVI 2012, 245; AG Kassel, ZVI 2012, 199; AG Bielefeld, ZVI 2012, 315; AG Cloppenburg, ZVI 2012, 72; nicht ganz eindeutig: AG Schwäbisch Hall, ZVI 2012. 5 BT-Drucks. 16/12714, S. 17. 6 BGH, NJW 2000, 651; BGH, NJW-RR 2005, 1135 (1136).
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der Umwandlungslasten.1 Hierauf braucht der Kunde indessen nicht einzugehen. Das Kreditinstitut hat die Umwandlung des Kontos auch dann vorzunehmen, wenn der Kontoinhaber die Zahlung eines Entgeltes ablehnt.2 Verwendet die Bank Allgemeine Geschäftsbedingungen, in denen die Zahlung einer Gebühr für die Umwandlung eines Girokontos vorgesehen ist, so unterliegt diese Klausel nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB der richterlichen Inhaltskontrolle und ist im Bankverkehr mit Verbrauchern nach § 307 Abs. 1 S. 1 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.3 Denn die Bank erbringt hierdurch keine Leistung für den Kunden, sondern wird zur Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung tätig. 275
Die Umwandlung des Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto hat auch nicht zur Folge, dass der Schuldner höhere laufende Gebühren zu entrichten hat. Auch insoweit fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage, die die Erhöhung einer Gebühr rechtfertigen würde.4
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Waren die Gebührenfragen für Pfändungsschutzkonten in den Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzkontos in Rechtsprechung und Schrifttum noch umstritten, hat der XI. Zivilsenat des BGH durch zwei Entscheidungen vom 13.11.20125 grundlegend geklärt, dass alle von Kreditinstituten verwendeten Klauseln der Inhaltskontrolle des § 307 Abs. 3 S. 1 BGB unterliegen. Dabei kommt es nicht auf die im Einzelfall in den Übereinkommen enthaltene Vertragsgestaltung an. Alle in Preis- und Leistungsverzeichnissen enthaltenen Bestimmungen über Kontoführungsgebühren für ein Pfändungsschutzkonto sind im Verkehr mit Verbrauchern nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, wenn der Kunde bei Umwandlung eines schon bestehenden Girokontos in ein P-Konto ein über der für das Girokonto vereinbarten Kontoführungsgebühr liegendes Entgelt zu zahlen hat. Dasselbe gilt, wenn das Kreditinstitut bei der Neueinrichtung eines Pfändungsschutzkontos ein Entgelt verlangt, das über der Kontoführungsgebühr für Neukunden üblicherweise als Gehaltskonto angebotenen Standardkonto mit vergleichbarem Leistungsinhalt liegt. Das Kreditinstitut darf danach keine höheren Gebühren verlangen, als für ein Girokonto mit vergleichbarem Leistungsumfang. Grund- und Bonuspreise sowie Bonus- und Rabattsysteme sind in die Vergleichsberechnung einzubeziehen.6 Soweit in der Zeit vor Erlass der BGH-Entscheidungen Kunden höhere Entgelte gezahlt haben, sind diese nach § 812 Abs. 1 S. 1 erste Alternative BGB zu erstatten.7
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Mit den ausführlich begründeten Entscheidungen des BGH vom 13.11.2012 sind die meisten im Zusammenhang mit Entgelten für eine Kontoführung entstandenen Streitfragen abschließend geklärt worden. Inzwischen hat der IV. Zivilsenat seine Rechtsprechung aus dem November 2012, die sich auf Sparkassen bezog, auch auf Banken ausgedehnt.8 1 Ahrens, NJW-Spezial 2011, 85; Sudergat, ZVI 2010, 445 (448 f.). 2 Ahrens, NJW-Spezial 2011, 85. 3 BGH, NJW 2011, 2640; vgl. auch KG, NJW 2012, 395 ff.; Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rz. 49. 4 Ahrens, NJW-Spezial 2011, 85 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung der Landgerichte; vgl. aber auch: Homann, ZVI 2010, 411 unter 6.3.4. 5 BGH, NJW 2013, 995 ff. = MDR 2013, 117 und BGH, BeckRS 2012, 24814 m. Anm. Ahrens, NJW 2013, 975. 6 Ahrens, NJW 2013, 975 (976); so auch schon KG, NJW 2012, 395. 7 Ahrens, NJW 2013, 975 (976). 8 BGH, NJW 2013, 3163.
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jj) Zusammenstellung der Tätigkeit des Vollstreckungsgerichts im Fall des § 850k ZPO 1. Der wesentlichste Fall des Tätigwerdens des Vollstreckungsgerichts ist der ei- 277a ner Erhöhung oder einer Herabsetzung des Basisbetrags. Nach § 850k Abs. 2 S. 1 Nr. 1a ZPO erhöht sich der Basisbetrag, wenn der Schuldner aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung Unterhalt gewährt. In Betracht kommen insbesondere Kindes- und Ehegattenunterhalt. Bei Leistung des geschuldeten Unterhalts ist der Sockelfreibetrag um die tatsächlich abgeführten Beträge heraufzusetzen. Das Gleiche gilt für Geldleistungen, die der Schuldner für Gelder, die er nach dem SGB II oder dem SGB XII für Personen erhält, mit denen er in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, ohne dass eine Unterhaltspflicht besteht (§ 850k Abs. 2 S. 1 Nr. 1b ZPO). Beitragserhöhend wirken sich weiter einmalige Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 SGB I aus. Schließlich führt auch das Kindergeld oder eine andere Geldleistung für Kinder zu einer Erhöhung des Basisbetrags, wenn es dem Pfändungsschutzkonto gutgeschrieben wird. Den sich aus einer Berücksichtigung der vorstehenden Umstände ergebenden abweichenden pfändungsfreien Betrag hat das Vollstreckungsgericht auf Antrag festzusetzen (§ 850k Abs. 4 S. 1 ZPO). Dabei hat es die in den folgenden Sätzen von Abs. 4 genannten Vorschriften zu beachten. Für die Entscheidung zuständig ist das Vollstreckungsgericht am Wohnsitz des Schuldners, und zwar trifft die Entscheidung der Rechtspfleger. Das Vollstreckungsgericht hat grundsätzlich den pfändungsfreien Betrag zu beziffern.1 Der Beschluss kann von dem Beteiligten, der benachteiligt wird, mit dem Rechtsbehelf der sofortigen Beschwerde angegriffen werden (§§ 793, 567 ff. ZPO) Ebenso wie eine Erhöhung kommt auch eine Herabsetzung des Basisbetrags in Betracht, die gleichfalls dem Vollstreckungsgericht obliegt. Die Fälle einer Herabsetzung ergeben sich aus § 850k Abs. 4 S. 2 ZPO. 2. Ein weiterer Fall, in dem das Vollstreckungsgericht tätig wird, ergibt sich aus § 835 Abs. 4 S. 2 ZPO. Diese Regelung dient der Wahrung der Interessen des Gläubigers, die allerdings nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen dürfte.2 3. Bei der Entscheidung im gerichtlichen Bestimmungsverfahren nach § 850k Abs. 5 S. 4 ZPO richtet sich die Frage, wem das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zusteht, danach, wer dieses Verfahren eingeleitet hat.3 Alle Entscheidungen unterliegen der sofortigen Beschwerde oder der Erinnerung.4 4. Im Fall der Aufhebung von Pfändungsschutzkonten nach § 850k Abs. 9 S. 1 ZPO steht dem antragstellenden Gläubiger das Recht der sofortigen Beschwerde zu. Im Fall der Nichtanhörung des Schuldners ist dieser zur Einlegung der Erinnerung gem. § 766 ZPO berechtigt. Ist er angehört worden, aber mit der getroffenen Entscheidung nicht einverstanden, hat er ein Beschwerderecht nach den §§ 793, 567 ff. ZPO. Die Kreditinstitute haben keinen Rechtsbehelf. 1 Musielak/Becker, § 850k ZPO Rz. 5; die in der Bezifferung anzuwendenden Regelungen sind dieser Rz. gleichfalls zu entnehmen. 2 Zöller/Stöber, § 835 ZPO Rz. 17. 3 Prütting/Gehrlein/Ahrens, § 850k ZPO Rz. 118. 4 Köppen, ZVI 2010, 339 (340).
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5. Muss das Vollstreckungsgericht einen Beschluss nach § 765a ZPO erlassen, weil der Fall durch § 850k ZPO nicht lösbar ist, steht dem hierdurch Benachteiligten gleichfalls ein Beschwerderecht nach den genannten Bestimmungen zu. kk) Unpfändbarkeit von Kontoguthaben auf dem Pfändungsschutzkonto (§ 850l ZPO) 278
Die Vorschrift ist durch das Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes (BGBl 2009 I, S. 1707) mit Wirkung zum 1.1.2012 neu gefasst worden. Sie ergänzt § 850k ZPO. Sie dient dem Schuldnerschutz, indem vorübergehend die Unpfändbarkeit des Kontoguthabens, wenn keine Aussichten einer Vollstreckung bestehen, angeordnet wird.
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Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht bestimmen, dass das Guthaben auf dem Pfändungsschutzkonto für die Dauer von bis zu 12 Monaten der Pfändung nicht unterworfen ist. Voraussetzung ist ein Nachweis durch den Schuldner, dass dem Konto in den letzten sechs Monaten vor Antragstellung ganz überwiegend nur unpfändbare Beträge gutgeschrieben worden sind. Weiter hat der Schuldner glaubhaft zu machen, dass auch innerhalb der nächsten zwölf Monate nur ganz überwiegend nicht pfändbare Beträge zu erwarten sind.
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Der Nachweis ist zum Beispiel durch Vorlage der vollständigen Kontobelege1 oder durch eine Bescheinigung des Kreditinstituts, die eine Aufstellung der in der letzten Zeit gutgeschriebenen Beträge enthalten muss, zu erbringen.2 Der Begriff „ganz überwiegend unpfändbare Beträge“ ist zu ungenau gefasst worden, so dass mit dem Auftreten von Differenzen gerechnet werden muss. Im Schrifttum umstritten ist bereits, ob von dem freizustellenden Konto auszugehen3 oder auf den Pfändungsschutz an der Quelle abzustellen ist.4 Die erste Ansicht verdient den Vorzug, da hierdurch unterschiedliche Maßstäbe auszuschließen sind.
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Die Wirkung eines Beschlusses nach § 850l ZPO beginnt mit dem Erlass (Beschlussdatum) und endet mit dem im Beschluss angegebenen Zeitpunkt, spätestens nach Ablauf von zwölf Monaten.5
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In § 850l S. 2 ZPO ist vorgesehen, dass die Anordnung versagt werden kann, wenn überwiegende Belange des Gläubigers entgegenstehen. Die Interessenabwägung hat besondere Bedeutung, wenn der Gläubiger wegen Ansprüchen aus §§ 850d, 850f Abs. 2 ZPO die Vollstreckung betreibt. Einerseits soll durch die Anwendung von § 850l die Existenzgrundlage des Schuldners geschützt und unnötige Belastungen durch Pfändungen verhindert werden. Andererseits muss auf Seiten des Gläubigers berücksichtigt werden, inwieweit er auf die Vollstreckung angewiesen ist, um nicht seinerseits Sozialleistungen in Anspruch nehmen zu müssen.6
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AG Brühl, Jur. Büro 2011, 270. Zöller/Stöber, § 850l ZPO Rz. 3. Prütting/Gehrlein/Ahrens, § 850l ZPO Rz. 9. Zöller/Stöber, § 850l ZPO Rz. 4. Zöller/Stöber, § 850l ZPO Rz. 6. Prütting/Gehrlein/Ahrens, § 850l ZPO Rz. 23.
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Da die Unterhaltsbedarfe beider Beteiligten grundsätzlich gleichrangig sind, 283 kommt eine Versagung nach § 850l S. 2 nicht in Betracht, weil sie ein überwiegendes Interesse des Gläubigers voraussetzt. Allerdings können andere individuelle Umstände bei der Interessenabwägung zugunsten des Gläubigers sprechen, so dass auch in einem solchen Fall eine Ablehnung des Antrages des Schuldners erfolgen kann. Die Entscheidung trifft der Rechtspfleger des Vollstreckungsgerichts (§ 20 Nr. 17 284 RpflG). Der hierdurch benachteiligte Beteiligte kann gegen die Entscheidung sofortige Beschwerde einlegen (§ 793 ZPO) Können hierdurch besondere Härtefälle nicht beseitigt werden, ist daneben auch die Vorschrift des § 765a ZPO anwendbar.1 h) Änderungen des unpfändbaren Betrags (§ 850f ZPO) Die Vorschrift regelt insgesamt drei Fälle, in denen auf Antrag des Schuldners 285 der unpfändbare Betrag erhöht wird, sowie zwei Fälle, in denen zugunsten und auf Antrag des Gläubigers der unpfändbare Betrag herabgesetzt werden kann (§ 850f Abs. 2 und 3). Nach § 850f Abs. 1 Buchstabe a kann der Schuldner eine Erhöhung des unpfänd- 286 baren Betrags beantragen, wenn sein und der seiner Unterhaltsberechtigten notwendige Lebensunterhalt nicht gedeckt wird. Dadurch soll vermieden werden, dass der Schuldner i.S. des SGB II oder des SGB XII selbst sozialhilfebedürftig wird.2 § 850f Abs. 1 Buchstabe b erfasst den Fall des Entstehens besonderer persönlicher oder beruflicher Gründe. Wenn z.B. infolge lang andauernder Krankheit das Einkommen des Schuldners sich ermäßigt, andererseits die Krankheit besondere Aufwendungen erfordert, kommt die Anwendung dieser Vorschrift in Betracht. Schließlich ist nach § 850f Abs. 1 Buchstabe c der Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners zu berücksichtigen. Wenn der Schuldner gegenüber mehr als 5 Personen unterhaltspflichtig ist – für bis zu 5 Personen sind die Unterhaltspflichten in der Tabelle zu § 850c ZPO berücksichtigt – kommt eine Herabsetzung des pfändungsfreien Betrages in Betracht. Dasselbe gilt, wenn der Gesamtbetrag der Unterhaltsforderungen Dritter einen besonders hohen Aufwand erfordert. Nicht zu beachten ist, dass der Schuldner seine Lebensgefährtin unterhält.3 Eine Herabsetzung des unpfändbaren Betrags zugunsten des Gläubigers ist auf 287 dessen Antrag nach § 850f Abs. 2 vorzunehmen, wenn die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung betrieben wird. Ebenfalls ist der unpfändbare Betrag herabzusetzen, wenn die Pfändung aus Forderungen, die weder nach § 850f Abs. 2 noch nach § 850d privilegiert sind und das Arbeitseinkommen des Schuldners über einem bestimmten Betrag liegt. Dieser beträgt seit dem 1.7.2013 netto 3 166,48 Euro monatlich.4 In der gerichtlichen Praxis spielt der § 850f Abs. 2 ZPO eine besondere Rolle, 288 während Verfahren nach den anderen Fällen jedenfalls dann, wenn die Zwangsvollstreckung wegen einer titulierten Unterhaltsforderung betrieben wird, keine 1 2 3 4
Zöller/Stöber, § 850l ZPO Rz. 11. Thomas/Putzo/Seiler, § 850f ZPO Rz. 3. BGH, FamRZ 2011, 291. Zöller/Stöber, § 850f ZPO Rz. 11.
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größere Bedeutung haben. Als möglicher Straftatbestand kommt vor allem die Verletzung der Unterhaltspflicht (§§ 823 Nr. 2 BGB, 170 StGB) in Betracht. Ein typischer Fall ist die unnötige Aufgabe einer Stellung durch den Schuldner. Diese steht nicht selten im Zusammenhang mit der Absicht, sich der Unterhaltspflicht zu entziehen.1 Der Gesetzgeber hat mit der Einfügung des § 850f Abs. 2 ZPO durch das Gesetz zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen Forderungen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung eine ähnliche Vorzugsstellung verschaffen wollen, wie sie in § 850d ZPO für Unterhaltsansprüche besteht.2 289
Allerdings wird der Zugriff des Gläubigers auf das erweiterte Arbeitseinkommen des Schuldners durch § 850f Abs. 2 HS. 2 ZPO dadurch beschränkt, dass dem Schuldner so viel belassen werden muss, wie er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf. Der Begriff des notwendigen Unterhaltes entspricht dem des unter dem gleichen Wortlaut in § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO verwendeten.3 Hierzu hat der BGH wiederholt entschieden, dass der notwendige Unterhalt i.S. von § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO grundsätzlich mit dem i.S. des 3. und 11. Kapitels SGB XII übereinstimmt.4 Danach dürfen der notwendige Bedarf des Schuldners und damit sein sozialhilferechtliches Existenzminimum nicht unter die Schwelle der Sozialhilfebedürftigkeit absinken.
290
Wird diese Grenze gewahrt, erfasst die Zwangsvollstreckung nach § 850f Abs. 2 ZPO auch einen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen, auf Erstattung von Prozesskosten und Kosten der Zwangsvollstreckung, soweit diese Ansprüche Folgen der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung sind.5 Der Gesetzgeber wollte dem Gläubiger eines Anspruchs aus unerlaubter Handlung eine Vorzugsstellung bei der Vollstreckung in das Arbeitseinkommen des Schuldners einräumen. Insoweit übertrifft die sich aus § 850f ZPO ergebende Privilegierung die dem Gläubiger einer Unterhaltsforderung zustehende, denn dieser kann wegen des Anspruchs auf Kostenerstattung nicht die Zwangsvollstreckung betreiben.6
291
Bei der Anwendung des § 850f Abs. 2 ZPO hat das Vollstreckungsgericht zu prüfen, ob aus dem Titel hervorgeht, dass der Gläubiger die Zwangsvollstreckung wegen einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung betreibt. Das muss sich aus dem Titel ergeben, denn das Vollstreckungsgericht ist an die Entscheidung des Prozessgerichts gebunden.7 Ist Grundlage der Forderung ein Vollstreckungsbescheid, wird im Allgemeinen der notwendige Nachweis nicht aus dem Titel geführt werden können.8 Das Mahnverfahren ist nicht dazu bestimmt, zur Vorbereitung der privilegierten Vollstreckung eines Anspruchs aus unerlaubter Handlung den deliktischen Schuldgrund feststellen zu lassen.9
292
Der Gläubiger muss deshalb, wenn er die Herabsetzung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens des Schuldners erreichen will, auf einen ergänzenden Fest1 2 3 4 5 6 7 8 9
Goebel, DRB 2013, 2 (4). BGH, FamRZ 2011, 208 = NJW-RR 2011, 706, BT-Drucks. 3/415, S. 11. BGH, NJW-RR 2008, 733; 2011, 706; BGH, FamRZ 2013, 442 (443). BGH, FamRZ 2005, 608; BGH, FamRZ 2008, 877 = NJW-RR 2008, 733. BGH, NJW-RR 2011, 791; BGH, WM 2011, 131. BGH, NJW-RR 2009, 1441 = FamRZ 2009, 1483 m. Anm. Erdrich, FamFR 2009, 20. BGH, NJW 1990, 1834; BGH, NJW 2003, 515. BGH, NJW 2003, 515; BGH, NJW 2005, 1663. Stein/Jonas/Brehm, § 850f ZPO Rz. 13.
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stellungsantrag verwiesen werden. Diese Rechtsprechung des BGH hat im Schrifttum nicht nur Zustimmung gefunden,1 sondern ist auch auf entschiedenen Widerspruch gestoßen.2 Folgt man dem BGH – was sich für die Praxis empfiehlt – gelten dieselben 293 Grundsätze für andere Titel, denen gleichfalls der Schuldgrund nicht zu entnehmen ist (Versäumnisbeschluss, vollstreckbare Urkunde nach § 794 Nr. 1, 5 ZPO Anerkennungsbeschluss).3 i) Pfändungsschutz bei sonstigen Vergütungen (§ 850i ZPO) aa) Grundsätzliches Die Vorschrift ist mit Wirkung vom 1.7.2010 in mehrfacher Hinsicht geändert 294 worden. Das bezieht sich einmal sowohl auf die Überschrift als auch auf die Absätze 1 und 2. Absatz 1 bezieht sich jetzt auf nicht wiederkehrend zahlbare Vergütungen für persönliche Arbeiten oder Dienste oder sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind. Gemeint sind damit alle Einnahmen aus einer Tätigkeit nicht abhängig beschäftigter Personen4 oder aus sonst selbständig geleisteten Arbeiten. Hierzu gehören nach der Neufassung auch Vergütungen eines Selbständigen für Dienste und Leistungen, die nicht von ihm allein ausgeführt sein müssen, sondern von in seinem Betrieb oder Unternehmen angestellten Personen.5 Absatz 2 der Vorschrift, die auf die Gewährung von Wohngelegenheiten oder 295 sonstigen Sachbezügen ausgerichtet war, ist aufgehoben worden. Die bisherigen Absätze 3 und 4 sind unverändert geblieben und nunmehr unter den Absätzen 2 und 3 im Gesetz enthalten. bb) Abgrenzung zum Arbeitseinkommen Das wesentliche Merkmal für die Anwendung von § 850i bleibt die Abgrenzung 296 zwischen abhängiger und freiberuflicher Tätigkeit. Maßgebend ist, ob die Arbeit wiederkehrbar ist. Freiberuflich Erwerbstätige sind nicht selbständig tätig, wenn sie überwiegend für einen Auftraggeber tätig sind und immer wieder von ihm beschäftigt werden, ohne eine fortdauernde Anstellung und damit eine Bindung zu vereinbaren. Haben selbständig Erwerbstätige dagegen eine Vielzahl wechselnder Vertragspartner, fehlt es am Merkmal der wiederkehrenden Leistung, und der Schuldner kann Pfändungsschutz nach § 850i ZPO verlangen. Vor allem wird die Tätigkeit von Rechtsanwälten, Ärzten, Tierärzten, Architekten, selbständigen Handelsvertretern, Maklern, Dipl.-Psychologen, Steuer- und Unter-
1 Gaul, Festschrift Gerhard (2004), S. 259; Zur Gesamtproblematik des Feststellungsantrags s. auch: van Els, FPR 2013, 535 ff.; Neugebauer, MDR 2004, 1223; Ahrens, NJW 2003, 1371. 2 Vor allem: Zöller/Stöber, § 850f ZPO Rz. 9. 3 Musielak/Becker, § 850f ZPO Rz. 10. 4 BT-Drucks. 16/7615 S. 16. 5 Zöller/Stöber, § 850i ZPO Rz. 1.
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nehmensberatern, Schriftstellern, freien Journalisten, Krankengymnasten, Notaren und dergleichen erfasst.1 297
Die Vorschrift des § 850i bezieht sich nicht nur auf Unterhaltsforderungen. Bei der Vollstreckung eines Unterhaltsanspruchs sind deshalb die sich aus § 850b ZPO ergebenden Grundsätze zu beachten. Grundsätzlich wird der Pfändungsbeschluss ohne Pfändungsbeschränkung erlassen. Schutz wird nur auf Antrag gewährt; antragsberechtigt sind außer dem Schuldner auch seine unterhaltsberechtigten Angehörigen.
298
Wann und in welcher Höhe dem Schuldner Leistungen zufließen, ist nur aufgrund einer mit gewissen Unsicherheiten behafteten Prognose abzuschätzen. Auch der Vorschrift des § 850f Abs. 1 ZPO ist dabei Rechnung zu tragen. Auslagen des Schuldners können im Rahmen des § 850a Nr. 3 ZPO berücksichtigt werden.2 j) Pfändung verschleierten Arbeitseinkommens (§ 850h ZPO)
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Die Vorschrift des § 850h ZPO dient dem Gläubigerschutz. Es soll verhindert werden, dass durch unlautere Machenschaften das Schuldnereinkommen dem Zugriff des Gläubigers entzogen wird.
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Absatz 1 regelt den Fall, dass Arbeitseinkommen, das einem Dritten zufließt, für Arbeiten, die der Schuldner geleistet hat, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen dem Schuldner zuzurechnen ist. Die Anwendung der Bestimmung hängt einmal davon ab, dass der Schuldner seinem Vertragspartner Arbeiten oder Dienste leistet. Hinzu kommen muss, dass der Empfänger der Dienste sich verpflichtet hat, einem Dritten eine Vergütung zukommen zu lassen, wobei es nicht erforderlich ist, dass ein festes Dienstverhältnis besteht, das über einen längeren Zeitraum hinaus andauern muss. Es genügt ein Anspruch auf eine einmalige Vergütung.3 Ist diese Vergütung aufgrund der getroffenen Vereinbarungen einem Anderen – etwa der Ehefrau des Schuldners – auszuzahlen, so kann der Gläubiger den Anspruch seines Schuldners gegen den Drittschuldner pfänden. Voraussetzung hierfür ist nicht, dass die Beteiligten in Benachteiligungsabsicht gehandelt haben.4
301
Die Pfändung und Überweisung des Anspruchs des Drittberechtigten erfolgt aufgrund des Titels, der dem Gläubiger gegen den Schuldner zusteht. Das Vollstreckungsgericht erlässt den Pfändungsbeschluss ohne Anhörung des Schuldners nach den Angaben des Gläubigers. Gepfändet wird der angebliche Anspruch des Drittberechtigten gegen den Arbeitgeber (Drittschuldner) auf Auszahlung des nach den §§ 850c, 850d, 850f ZPO der Pfändung unterliegenden Teils des Arbeitseinkommens.5
302
In der Praxis weitaus größere Bedeutung hat der Fall des § 850h Abs. 2 ZPO. Die Bestimmung erfasst den Fall, in dem der Schuldner Leistungen unentgeltlich 1 Vgl. z.B. BGH, FamRZ 2008, 2021; BGH, NZI 2003, 389 ff. m. Anm. Kothe, S. 393; BGH, NJW 1986, 2362. 2 BGH, NZI 2003, 389 (392). 3 Baumbach/Hartmann, § 850a ZPO Rz. 3. 4 BAG AP Nr. 12 zu § 850h ZPO. 5 Zöller/Stöber, § 850h ZPO Rz. 2.
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VIII. Pfändungsschutz bei der Pfändung von Arbeitseinkommen
oder gegen eine unverhältnismäßig geringe Vergütung erbringt. Im Verhältnis zum Gläubiger gilt dann eine angemessene Vergütung als geschuldet. Besonders häufig ist der Fall eines verschleierten Arbeitseinkommens unter Ehe- 303 leuten oder Verwandten. Arbeitet z.B. ein vermögensloser, verschuldeter Ehemann im Geschäft seiner Ehefrau, ist im Allgemeinen von einem verschleierten Arbeitsverhältnis im Sinne von § 850h Abs. 2 ZPO auszugehen.1 Ob für die Tätigkeit eine unverhältnismäßig geringe oder eine angemessene Vergütung gezahlt wird, unterliegt der Entscheidung des Tatrichters. Bei der Beurteilung sind alle Umstände des Einzelfalles zu würdigen.2 Das Bundesarbeitsgericht hat es in einem Fall, in dem 75 % der üblichen Vergütung bezahlt worden waren,3 abgelehnt, diese als unverhältnismäßig gering anzusehen. Anders hat das Bundesarbeitsgericht bei im öffentlichen Dienst beschäftigten Lehrkräften entschieden;4 hier hat es 75 % der Vergütung als sittenwidrig angesehen. Festzustellen bleibt, dass dem Tatrichter ein recht weitreichender Beurteilungsspielraum verbleibt, der dem Gläubiger im Einziehungsverfahren ein erhebliches Prozessrisiko aufbürdet.5 Die umstrittene Frage, ob die Pfändung eines verschleierten Arbeitseinkom- 304 mens auch für die Vergangenheit wirkt und fiktiv aufgelaufene Lohn- und Gehaltsrückstände erfasst, hat das Bundesarbeitsgericht jetzt dahingehend entschieden, dass dies nicht in Betracht komme.6 Ebenso höchstrichterlich geklärt ist das in der Praxis oft unterschiedlich beur- 305 teilte Problem, ob und inwieweit dem Schuldner durch die Wahl einer für ihn ungünstigen Steuerklasse eine unter § 850h Abs. 2 ZPO fallende Manipulation anzulasten ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist dies zu bejahen, wenn der Wechsel der Steuerklasse nach der Pfändung vorgenommen worden ist. Ist dies schon vorher geschehen, kommt es darauf an, ob der Schuldner dies nachweislich in Benachteiligungsabsicht getan hat.7 In diesem Fall ist der Schuldner schon im Jahr der Pfändung so zu behandeln, als sei sein Einkommen in der günstigeren Steuerklasse zu versteuern. Anderenfalls hat das erst im Folgejahr zu geschehen. Besonders verbreitet ist der Fall, dass der Schuldner die den Gläubiger benachteiligende Steuerklasse V anstatt der Steuerklasse IV wählt, seine Ehefrau dagegen die Steuerklasse III. Hier ist der Gläubiger auf seinen Antrag so zu stellen, als wenn bei der Berechnung des pfändbaren Betrages durch den Drittschuldner die für den Gläubiger günstigere Steuerklasse IV maßgebend wäre. Dies gilt auch dann, wenn die Ehefrau damit nicht einverstanden ist, weil das nicht zu Lasten des Gläubigers gehen kann.8 Lassen die Angaben des Schuldners in seinem Vermögensverzeichnis den Ver- 306 dacht aufkommen, dass er verschleiertes Arbeitseinkommen bezieht, so hat er 1 LG Halle, JurBüro 2006, 382. 2 BGH, FamRZ 2006, 37 (38); BAG, NJW 2008, 2606 (2607 f.); BAG, NZA 2008, 779 (783). 3 BAG, Urt. v. 22.10.2008 – 10 AZR 703/07, MDR 2009, 228; vgl. auch Ahrens, NJW Spezial 2009, 53 (54). 4 BAG, NZA 2006, 1354. 5 Ahrens, NJW Spezial 2009, 53 (54). 6 BAG, NZA 2008, 779 (783); BAG, NJW 2008, 2606 (2607). 7 BAG, FamRZ 2006, 37; BAG, NJW 2008, 2606 (2608). 8 LG Lüneburg, JurBüro 2009, 211 (212).
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seine Ausführungen auf Fragen des Gläubigers zu vervollständigen.1 Das gilt besonders, wenn die Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung in Frage steht.2 Verfahrensrechtlich pfändet das Vollstreckungsgericht die angebliche Forderung gegen den Drittschuldner allein aufgrund der Angaben des Gläubigers, ohne die Berechtigung des Anspruchs zu überprüfen. Im Pfändungsbeschluss ist die geschuldete Vergütung nicht zu bezeichnen.3 Lehnt der Drittschuldner eine Zahlung ab, muss der Gläubiger ein Einziehungsverfahren durchführen, in welchem er die Voraussetzungen des § 850h ZPO dazulegen und zu beweisen hat.4 307
In seinem Beschluss vom 12.9.2013 – VII ZB 51/125 hat der BGH entschieden, dass das Vollstreckungsgericht grundsätzlich zu prüfen hat, ob die materiellen Voraussetzungen des § 850h Abs. 2 vorliegen. Ob und in welcher Höhe dem Gläubiger eine angemessene Vergütung nach dieser Vorschrift zusteht, hat das Prozessgericht in einem gegen den Drittschuldner einzuleitenden Verfahren zu entscheiden. k) Pfändung von Sozialleistungen
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Durch die Vorschrift des § 54 SGB I wird geregelt, inwieweit sozialstaatliche Zuwendungen entweder gar nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen der Pfändung unterliegen. Auf die Einzelheiten der Absätze 1–3, in denen die Unpfändbarkeit, bzw. die eingeschränkte Pfändbarkeit derartiger Leistungen im Einzelnen aufgeführt worden sind, braucht nicht näher eingegangen zu werden, weil sie in Unterhaltsstreitigkeiten keine Rolle spielen. Nach § 54 Abs. 4 SGB I können Ansprüche auf laufende Geldleistungen wie Arbeitseinkommen gepfändet werden. Das bedeutet, dass in Unterhaltsstreitigkeiten die Ansprüche auf Arbeitslosengeld I grundsätzlich pfändbar sind. Davon ausgenommen sind die Beträge, die zur Sicherung eines menschenwürdigen Daseins im Sinne des Existenzminimums benötigt werden.6 Dies wirkt sich auch aus, wenn der Gläubiger eines Unterhaltsanspruchs Bezüge, die der Schuldner nach dem SGB II oder SGB XII bezieht, pfänden lassen will. Der Regelbedarf, der jedenfalls seit dem 1.1.2011 in beiden Fällen identisch ist, muss dem Schuldner verbleiben und ist deshalb unpfändbar. Die Regelleistung ist Bestandteil des untersten Netzes der sozialen Sicherung, in das im Wege der Zwangsvollstreckung nicht eingegriffen werden kann.7 Deshalb hat der BGH es auch abgelehnt, einen kleineren Betrag für Anschaffungen von der Pfändung auszunehmen.
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Im Pfändungsbeschluss muss das Vollstreckungsgericht den Freibetrag für den Schuldner und seine Unterhaltsverpflichteten zahlenmäßig festlegen.8 Ferner ist die zu pfändende Geldleistung so bestimmt zu bezeichnen, dass ihre Identität geklärt ist (z.B. Art der Sozialleistung).9 Allgemeine Angaben – wie „fortlaufen-
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LG Essen, JurBüro 2008, 666. Zöller/Stöber, § 889 ZPO Rz. 1 ff. Stein/Jonas/Brehm, § 850h ZPO Rz. 39. BAG, NJW 2006, 255; BAG, NZA 2008, 779; Ahrens, NJW Spezial 2009, 53. BGH, FamRZ 2013, 1970. BGH, NJW-RR 2008, 733. BGH, NJW-RR 2011, 706 (707) = FamRZ 2011, 208. Hintzen/Wolf, Rz. 6.219; Stöber, Die Forderungspfändung, 16. Aufl., Rz. 1375. Stöber, Die Forderungspfändung, 16. Aufl., Rz. 1378 m.w.N. in Fn. 40.
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de Geldleistungen nach dem SGB“ oder „Zahlung aller Leistungen der Arbeitsagentur“ und dergleichen – reichen nicht aus. Weist die Konkretisierung der Art der Forderung Mängel auf, ist im Wege der 310 Auslegung zu ermitteln, welche Sozialleistung in welcher Höhe gepfändet werden sollte (genügen würde z.B. die Angabe, dass „Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung“ gepfändet werde).1 Gelingt es auch im Wege der Auslegung nicht, die notwendige Klarheit zu erlangen, muss dem Gläubiger die Möglichkeit eingeräumt werden, sein Gesuch „nachzubessern“. Führt auch dies nicht zum Erfolg, ist der Antrag auf Erlass des Pfändungsbeschlusses abzulehnen. Geldleistungen für Kinder, die als Rentenbestandteil gezahlt werden, fallen 311 nicht unter den Begriff „wie Arbeitseinkommen“ nach § 54 Abs. 4 SGB I. Die Pfändung einer Rente erfasst daher Kinderzuschläge und vergleichbare Rentenbestandteile nicht. Das ist im Pfändungsbeschluss zum Ausdruck zu bringen. Unter § 54 Abs. 4 SGB I fallen die monatlichen Förderungsbeträge aufgrund des BAföG, Arbeitslosengeld, Unterhalts- und Übergangsgeld nach SGB III, Hinterbliebenenrente der gesetzlichen Unfallversicherung und Renten der gesetzlichen Rentenversicherung, Krankengeld und Mutterschaftsgeld. Der Pfändung unterliegen diese Sozialleistungen durch alle Gläubiger, nicht nur 312 durch Gläubiger von Unterhaltsansprüchen. Das Verfahren zur Pfändung einer laufenden Sozialleistung richtet sich nach 313 den Bestimmungen der ZPO über die Zwangsvollstreckung in Geldforderungen (§§ 828 ff. ZPO). Zuständig ist daher der Rechtspfleger (§ 20 Nr. 17 RpflG). Ansprüche aus Dienst- oder Sachleistungen können nicht gepfändet werden 314 (§ 54 Abs. 1 SGB I). Dies gilt nach § 54 Abs. 3 SGB I mit Einschränkungen auch für Ansprüche auf Elterngeld, Betreuungsgeld und Mutterschaftsgeld. l) Berechnung des pfändbaren Einkommens (§ 850e ZPO) Die Vorschrift regelt das Zusammentreffen von mehreren Pfändungsmaßnah- 315 men, die nicht nur das laufende Arbeitseinkommen, sondern auch einmalige Vergütungen (§ 850i ZPO) und verschleiertes Arbeitseinkommen (§ 850h ZPO) betreffen, sich aber auch auf andere gewöhnliche Geldforderungen oder sozialstaatliche Zuwendungen beziehen können. Um in einem solchen Fall das pfändbare Arbeitseinkommen berechnen zu können, muss bei der Ermittlung pfändbarer Anteile jedes Einkommen gesondert betrachtet werden. Auf diese Weise soll der Arbeitgeber geschützt werden, der als Drittschuldner keinen Überblick über die verschiedenen Einkünfte des Schuldners haben kann sowie die unpfändbaren Anteile nicht kennt.2 Auf Antrag eines Beteiligten (§ 850e Nr. 4 Satz 2 ZPO) nimmt das Vollstre- 316 ckungsgericht eine Berechnung vor, bei der auf die Unterhaltsansprüche zunächst die nach § 850d ZPO der Pfändung in erweitertem Umfang unterliegenden Teile des Arbeitseinkommens zu verrechnen sind (§ 850e Nr. 4 Satz 1 ZPO). Dabei soll die Forderung des Unterhaltsgläubigers zunächst durch die gepfände-
1 Stöber, Die Forderungspfändung, 16. Aufl., Rz. 1378b. 2 BAG, NJW 2002, 3121 (3122).
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ten Teile des Arbeitseinkommens getilgt werden, die über die sich aus der Tabelle zu § 850c ZPO ergebenden Beträge hinausgehen.1 Von der Darstellung der Einzelheiten der komplizierten Berechnung wird abgesehen, zumal der durch § 850e ZPO erfasste Fall in der Praxis nicht allzu häufig vorkommt.
IX. Pfändung der Altersvorsorge von Freiberuflern und Selbständigen 317
Auch insofern hat der Gesetzgeber die Rechtsstellung von freiberuflich Tätigen durch das Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge vom 26. März 20072 erheblich verbessert, indem die §§ 851c und 851d in die ZPO eingefügt worden sind.
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Die Voraussetzungen des Pfändungsschutzes sind in § 851c ZPO im Einzelnen geregelt. Liegen diese Voraussetzungen vor, können die Ansprüche auf die laufenden Leistungen, die dem Schuldner auf der Grundlage eines Vorsorgevertrages zufließen, nur wie Arbeitseinkommen gepfändet werden. Dieser Verweis auf das Arbeitseinkommen bedeutet, dass die §§ 850 bis 850i, insbesondere die §§ 850c und 850d ZPO, in vollem Umfang anzuwenden sind.3 Der Unterhaltsgläubiger, der von einem Freiberuflichen Unterhalt zu beanspruchen hat, kann dessen der Altersvorsorge dienende Rücklagen nur nach Maßgabe des § 850d ZPO pfänden. Dieser Pfändungsschutz ist aber nur für solche Verträge gegeben, die der Versorgung des Schuldners oder seiner Hinterbliebenen dienen.
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Die Vorschrift des § 851d ZPO dehnt den Pfändungsschutz auf monatliche Leistungen in Form einer lebenslangen Rente oder monatliche Ratenzahlungen im Rahmen eines Auszahlungsplans nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AltZertG aus. § 851d ZPO soll nach dem Willen des Gesetzgebers laufende Leistungen aus einem Altersvorsorgevermögen im Sinne der §§ 10a, 79 ff. EStG, §§ 1 ff. AltZertG (sog. „Riesterrente“) erfassen.4 Ob die Bestimmung auch auf eine Ratenzahlung aus einer Basisrentenversicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG (sog. „Rürup-Rente“) anzuwenden ist, ist dagegen umstritten, wird aber überwiegend abgelehnt.5
X. Rechtsbehelfe gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss 320
Weist der Rechtspfleger des Vollstreckungsgerichts den Antrag auf Pfändung des Arbeitseinkommens zurück, kann der Gläubiger dies mit der sofortigen Beschwerde angreifen (§ 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 793 ZPO). Wenn durch den Pfändungsbeschluss dem Begehren des Gläubigers nur teilweise stattgegeben wird, etwa weil der dem Schuldner zu belassende Freibetrag höher als beantragt festgesetzt oder der Antrag auf Vorratspfändung abgelehnt worden ist, hat der Gläubiger hiergegen dieselben Rechtsmittel.
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Hintzen/Wolf, Rz. 6.180. BGBl. I 2007, S. 368. Stöber, NJW 2007, 1242 (1245 f.). Kirchhof/Fischer, § 10a EStG Rz. 1 ff.; Stöber, NJW 2007, 1242 (1246). Bejahend: Kirchhof/Fischer, § 10 EStG Rz. 14; Schmidt/Heinicke, EStG, 32. Aufl., § 10 Rz. 83; verneinend: Hasse, VersR 2006, 145 (154, Fn. 75); Musielak/Becker, § 851d ZPO Rz. 3; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 851d ZPO Rz. 3.
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XI. Änderung der Unpfändbarkeitsvoraussetzungen (§ 850g ZPO)
Schuldner und Drittschuldner können mit der Erinnerung nach § 766 ZPO bean- 321 standen, dass der Rechtspfleger seiner Entscheidung unzutreffende Angaben zugrunde gelegt hat, – z.B. dass die Vorratspfändung nicht hätte angeordnet werden dürfen oder dass die Pfändung überjähriger Unterhaltsrückstände nicht zulässig gewesen sei. Der Erinnerung kann der Rechtspfleger abhelfen. Hält er die Erinnerung für begründet, kann er den von ihm erlassenen Pfändungsbeschluss aufheben.1 Anderenfalls hat er die Akten dem Richter des Vollstreckungsgerichts vorzulegen, da insoweit die Entscheidung über die Erinnerung in § 20 Nr. 17 RpflG dem Richter vorbehalten ist. Der Nichtabhilfebeschluss des Rechtspflegers muss erkennen lassen, dass er sich mit den Argumenten gegen den Erlass des Pfändungsbeschlusses befasst hat. Ist dies unterblieben, liegt darin ein schwerer Verfahrensfehler, der zur Aufhebung und Zurückweisung führen kann.2 Der Beschluss des Richters des Vollstreckungsgerichts ist ebenfalls zu begründen. Hinsichtlich der sofortigen Beschwerde gelten die §§ 569 Abs. 1, 571, Abs. 1, 322 572 Abs. 1 ZPO. Über das Rechtsmittel entscheidet das dem Vollstreckungsgericht übergeordnete Landgericht, und zwar der Einzelrichter, wobei § 568 ZPO diesem bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen die Möglichkeit der Übertragung auf die Kammer einräumt. Das Beschwerdegericht ist befugt, selbst einen Pfändungsbeschluss zu erlassen, wenn es die Voraussetzungen bejaht.3
XI. Änderung der Unpfändbarkeitsvoraussetzungen (§ 850g ZPO) 1. Grundsätzliches Die Pfändung des Arbeitseinkommens des Schuldners kann sich über einen län- 323 geren Zeitraum hinaus auswirken, da sie sich auf die künftig fällig werdenden Bezüge erstreckt (§ 832 ZPO), und zwar auch dann, wenn dies im Pfändungsbeschluss nicht ausdrücklich angeordnet worden ist. Da im Lauf der Zeit in den tatsächlichen Verhältnissen, die dem Pfändungsbeschluss zugrunde gelegt worden sind, sehr häufig Veränderungen eintreten, hat der Gesetzgeber dem Rechnung getragen, indem er eine Abänderung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens zulässt (§ 850g Satz 1 ZPO). Das Abänderungsverfahren leitet kein neues Vollstreckungsverfahren ein, sondern setzt das alte Verfahren fort.4 Das bedeutet allerdings nicht, dass ohne konkreten Anlass ein Abänderungsverfahren eine andere Beurteilung von Umständen, die bei Erlass des Pfändungsbeschlusses bereits bekannt waren und zu denen auch Stellung genommen worden ist, bei einer Abänderungsentscheidung anders gewertet werden dürfen. Auch bei Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen, die keiner materiellen Rechtskraft fähig sind, tritt doch eine Innenbindung der Gerichte entsprechend § 318 ZPO ein, die eine abweichende Entscheidung nicht zulässt, wenn in diesem Punkt keine Änderung der Tatsachen eingetreten ist.5
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OLG Rostock, MDR 2006, 538; Rellermeyer, Rpfleger 2007, 131. Stöber, Forderungspfändung, Rz. 724 mit zahlreichen w.N. aus der Rspr. LG Aurich, Rpfleger 1962, 413; Stöber, Rz. 735. BGH, Rpfleger 1990, 308; BGH, NJW-RR 2005, 222 = FamRZ 2005, 198; OLG Köln, FamRZ 1994, 1272. 5 BGH, NJW-RR 2005, 222 = FamRZ 2005, 198.
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887
M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
2. Voraussetzungen der Änderung 324
Der häufigste Fall einer anderweitigen Festsetzung des pfandfreien Betrages ist eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen – wie etwa der Wegfall oder das Hinzukommen eines Unterhaltsberechtigten infolge Tod oder Geburt. Dazu gehören ebenso Änderungen der für das Zusammenrechnen der verschiedenen Einkünfte nach § 850e ZPO maßgebenden Umstände, eine ins Gewicht fallende Verteuerung der Lebenshaltungskosten, z.B. durch eine Verlagerung des Wohnsitzes vom Land in eine Großstadt oder andere Umstände, die sich auf die Höhe des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens des Schuldners auswirken.1
325
Eine Änderungsentscheidung nach § 850g ZPO hat ferner zu ergehen, wenn das Gesetz geändert worden ist, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Gesetzesvorschrift anders ausgelegt hat, um zu einem verfassungskonformen Ergebnis zu gelangen oder wenn sich durch eine höchstrichterliche Entscheidung die rechtlichen Maßstäbe zur Berechnung des pfändungsfreien Betrages vereinheitlicht und teilweise verändert haben.2 In einem solchen Fall können auch Umstände, die bei Erlass des Pfändungsbeschlusses bereits bekannt waren, aber bei der Festsetzung des pfandfreien Betrages keine Beachtung gefunden haben, bei der Abänderung berücksichtigt werden, weil § 850g Satz 1 ZPO keine dem § 323 Abs. 2 ZPO/§ 238 Abs. 2 FamFG vergleichbare Präklusion kennt.3 3. Gang des Verfahrens
326
Antragsberechtigt sind Gläubiger und Schuldner sowie ein Dritter, dem der Schuldner Unterhalt leisten muss, nicht dagegen der Drittschuldner.4 Dieser kann allerdings nach dem Inhalt des früheren Pfändungsbeschlusses mit befreiender Wirkung leisten, bis ihm ein Änderungsbeschluss zugestellt worden ist (§ 850d Satz 2 ZPO).
327
Örtlich zuständig für die Anpassung des Pfändungsbeschlusses an die veränderten Voraussetzungen für die Bemessung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ist das Vollstreckungsgericht, das den Pfändungsbeschluss erlassen hat.5
328
Der Rechtspfleger hat auch über den Antrag zu entscheiden, wenn die vorangegangene Festsetzung des pfändungsfreien Betrages vom Richter des Vollstreckungsgerichts oder vom Beschwerdegericht vorgenommen worden ist. Die Entscheidung ist dem Gläubiger, dem Schuldner, dem Drittschuldner und bei Antragstellung durch einen unterhaltsberechtigten Dritten auch diesem von Amts wegen zuzustellen.6
329
Das Vollstreckungsgericht kann anordnen, dass die Änderung des Pfändungsbeschlusses auf den Zeitpunkt des Eintritts der ändernden Tatsache – z.B. die 1 Stöber, Forderungspfändung, Rz. 1201; Gottwald, § 850g ZPO Anm. 2; Zöller/Stöber, § 850g ZPO Rz. 2. 2 BGH, NJW 1990, 3020 = FamRZ 1990, 1091 (1093); BGH, NJW-RR 2005, 222 = FamRZ 2005, 198 (199). 3 BGH, NJW-RR 2005, 222 = FamRZ 2005, 198; OLG Köln, FamRZ 1994, 1272; Zöller/ Stöber, § 850g ZPO Rz. 2. 4 Stöber, Rz. 1202; Gottwald, § 850g ZPO Rz. 3. 5 BGH, Rpfleger 1990, 308; OLG München, JurBüro 1985, 945. 6 Stöber, Rz. 1205; Gottwald, § 850g ZPO Rz. 4.
888 Griesche
XII. Die Zwangsvollstreckung aus einem Titel auf Auskunft und/oder Rechnungslegung
Geburt eines weiteren Unterhaltsberechtigten – zurückwirkt. Praktische Bedeutung hat dies allerdings nur dann, wenn die Lohnpfändung noch nicht vollzogen worden war.1 Die Entscheidung des Rechtspflegers ist für jeden, der dadurch belastet wird, 330 mit der sofortigen Beschwerde angreifbar (§ 793 ZPO). Einem nicht angehörten Beteiligten soll dagegen der Rechtsbehelf der Erinnerung nach § 766 ZPO zustehen.2 E 47
Antrag auf nderung der Unpfndbarkeitsvoraussetzungen gemß § 850g ZPO
An das
331
Amtsgericht … – Vollstreckungsgericht – Aktenzeichen … Ort, Datum In der Zwangsvollstreckungssache … (volles Rubrum) zeige ich an, dass ich den Glubiger vertrete. Namens und in Vollmacht des Glubigers beantrage ich, den Pfndungs- und berweisungsbeschluss des Amtsgerichts … vom … – Aktenzeichen: … – dahin zu ndern, dass bei der Berechnung des dem Schuldner zu belassenden pfndungsfreien Betrages ab sofort bercksichtigt wird, dass die Ehefrau des Schuldners am … verstorbenen ist und sich damit die Zahl der unterhaltsberechtigten Personen verringert hat. Dies macht eine Herabsetzung des pfndungsfreien Betrages um … Euro auf … Euro erforderlich. Rechtsanwalt
XII. Die Zwangsvollstreckung aus einem Titel auf Auskunft und/oder auf Vorlage von Belegen 1. Grundsätzliches Bei der Zwangsvollstreckung in Unterhaltssachen sind nicht nur Zahlungstitel 332 durchzusetzen. Vielmehr kommen Titel, die der Erfüllung von Ansprüchen auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Herausgabe von Belegen dienen, hinzu. Besonders häufig spielen diese Probleme im Zusammenhang mit Stufenverfahren eine Rolle, in denen der Unterhaltsberechtigte zur Vorbereitung der Geltendmachung seiner Unterhaltsansprüche auf die Mitwirkung des Unterhaltspflichtigen angewiesen ist, da nur diesem die notwendigen Tatsachen hinreichend bekannt sind. Die Grundlage der Vollstreckung aus solchen Titeln ergibt sich aus den §§ 883, 887, 888, 889 ZPO.
1 LG Rostock, JurBüro 2003, 327. 2 Zöller/Stöber, § 850g ZPO Rz. 8; a.A. LG Hagen, JurBüro 1985, 945.
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
2. Das Zwangsgeldverfahren nach § 888 ZPO 333
Hat der Gläubiger einen Titel auf Auskunftserteilung über das Einkommen des Schuldners in einem bestimmten Zeitraum erwirkt, so handelt es sich dabei um eine unvertretbare Handlung, denn die Auskunft kann nur der Schuldner erteilen, dem allein die Fakten bekannt sind und der die erforderlichen Belege besitzt.1 Dass sich der Schuldner dabei u.U. der Hilfe eines Dritten – etwa seines Steuerberaters – bedienen muss, ändert nichts am Charakter der Beurteilung als unvertretbare Handlung. Anders kann es nur dann liegen, wenn der Titel auf Anfertigung einer Bilanz gerichtet ist, die ein Sachverständiger selbständig ohne Hilfe anhand vorhandener Geschäftsbücher und -papiere allein zuverlässig erstellen kann; dann wird eine vertretbare Handlung geschuldet, so dass § 887 ZPO die einschlägige Norm ist.2 Dies ist indessen nur ausnahmsweise der Fall. Ein Titel auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung ist somit grundsätzlich nach § 888 ZPO zu vollstrecken.
334
Wendet der Schuldner im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens ein, er habe den Anspruch, zu dem er verurteilt worden sei, bereits erfüllt, ist dies im Zwangsvollstreckungsverfahren zu berücksichtigen.3
335
Nach § 888 ZPO wird die geschuldete Verpflichtung in der Weise vollstreckt, dass der Schuldner zu der Handlung durch Zwangsgeld (ersatzweise Zwangshaft) oder durch Zwangshaft angehalten wird. Das Verfahren wird durch einen entsprechenden Antrag des Gläubigers eingeleitet. Ausschließlich zuständig ist das Verfahrensgericht erster Instanz, in Unterhaltssachen also das Familiengericht. Das Zwangsmittel ist ohne vorherige Androhung (§ 888 Abs. 2 ZPO) durch Beschluss des Gerichts festzusetzen (§ 891 Satz 1 ZPO). Das Zwangsgeld muss mindestens 5,00 Euro und höchstens 25 000,00 Euro betragen (§ 888 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die Beitreibung erfolgt durch die Gerichtskasse als Einziehungsbehörde zugunsten der Staatskasse.4 Bei der Wahl des Zwangsmittels entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen.5 Zu beachten sind dabei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie die Hartnäckigkeit, mit der der Schuldner sich der Erfüllung seiner Verpflichtung widersetzt. Eine Haft kann nur das letzte Mittel sein. Wird sie angeordnet, gelten seit dem 1.1.2013 gem. § 888 Abs. 1 S. 3 ZPO die Vorschriften des Abschnitts 2 über die Haft entsprechend, d.h. die §§ 802g bis 802i ZPO. Es ergeht ein Haftbefehl des Verfahrensgerichts, der nach § 171 StVollzG zu vollstrecken ist.
336
Der Beschluss muss das Zwangsmittel und die vorzunehmende Handlung genau bezeichnen. Hat der Gläubiger in seinem Antrag die Festsetzung eines Zwangsgeldes in bestimmter Höhe gefordert, darf diese Höhe nicht überschritten werden (§ 308 Abs. 1 ZPO).
337
Gegen den Beschluss des Familiengerichts ist nach § 793 ZPO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statthaft. Für das Beschwerdeverfahren besteht An-
1 OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 63; OLG Rostock, OLGR 2006, 592 (593); Zöller/Stöber, § 888 ZPO Rz. 2. 2 OLG Köln, NJW-RR 1998, 716 und 2003, 33; OLG Zweibrücken, DGVZ 1998, 9 = JurBüro 1998, 105. 3 BGHZ 161, 67 (72); KG, JurBüro 2008, 161. 4 Schulte-Bunert, FÜR 2012, 491 (493). 5 Musielak/Lackmann, § 888 ZPO Rz. 12.
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XII. Die Zwangsvollstreckung aus einem Titel auf Auskunft und/oder Rechnungslegung
waltszwang, weil auch für das Unterhaltsstreitverfahren nach § 114 FamFG eine entsprechende Regelung gilt.1 Das bezieht sich auch auf den Einwand der Erfüllung. Ist aber der Beschluss nach den §§ 888, 891 Satz 1 ZPO bereits rechtskräftig, kann der Schuldner die Erfüllung nur noch im Wege des Vollstreckungsgegenantrags nach § 767 ZPO geltend machen.2 Nach § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO ist der zur Auskunftserteilung verpflichtete Schuld- 338 ner gehalten, dem Gläubiger auch die vorhandenen Urkunden herauszugeben. Eine entsprechende Anordnung ist auf Antrag des Gläubigers in den Pfändungsund Überweisungsbeschluss aufzunehmen.3 Die Herausgabepflicht betrifft u.a. Urkunden, die den Bestand der Forderung beweisen oder sonst der Ermittlung oder dem Nachweis ihrer Höhe, Fälligkeit oder Einredefreiheit dienen. Bei der Pfändung von Arbeitseinkommen des Schuldners gehören hierzu auch Lohnoder Gehaltsbescheinigungen.4 Diese sind als Nebenrechte anzusehen, die keiner gesonderten Neben- oder Hilfspfändung bedürfen.5 Ob im Einzelfall Ansprüche des Schuldners gegen seinen Arbeitgeber auf Lohnabrechnung tatsächlich bestehen, ist im Vollstreckungsverfahren nicht zu überprüfen.6 Allerdings sollte der Gläubiger, wenn er solche Nebenrechte von der Pfändung erfasst sehen will, dies ausdrücklich beantragen; das Vollstreckungsgericht hat dann einen diesbezüglichen klarstellenden Hinweis in den Pfändungsbeschluss aufzunehmen.7 Streitig war geworden, ob sich die Herausgabepflicht nur auf die laufenden Lohn- oder Gehaltsabrechnungen bezieht oder auch auf die letzten drei bis sechs Monate vor Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Der BGH hat sich dafür ausgesprochen, dass außer den laufenden Lohnabrechnungen regelmäßig auch die aus den letzten drei Monaten vor Zustellung des Pfändungsund Überweisungsbeschlusses an den Gläubiger auszuhändigen sind.8 Die Herausgabe der Urkunden kann vom Gläubiger im Wege der Zwangsvollstre- 339 ckung nach § 883 ZPO erwirkt werden (§ 836 Abs. 3 S. 3 ZPO). Die einzelnen herauszugebenden Urkunden sind in den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufzunehmen.9 Die nach § 883 Abs. 1 ZPO durchzuführende Wegnahme der Urkunden erfolgt aufgrund des Überweisungsbeschlusses.10 Umstritten war im Schrifttum und in der obergerichtlichen Rechtsprechung, ob 340 im Fall eines dem Schuldner von einem Dritten – z.B. von einer Bank – gewährten Kontokorrentkredits positive oder negative Salden ergebende Kontoauszüge herauszugeben sind. Der BGH hat die Streitfrage dahingehend entschieden, dass eine Beschränkung der Herausgabepflicht – etwa nur auf Auszüge mit einem positiven Saldo – nicht zulässig ist.11 Das gilt auch dann, wenn zunächst eine um-
1 Zöller/Stöber, § 887 ZPO Rz. 13; Griesche, FamRZ 2012, 495; a.A. OLG Oldenburg, FamRZ 2013, 649. 2 Zöller/Stöber, § 888 ZPO Rz. 15 m.w.N. 3 BGH, NJW-RR 2006, 1567. 4 BGH, NJW-RR 2006, 1576 = FamRZ 2006, 1272; BGH, NJW 2007, 606. 5 BGH, NJW-RR 2012, 434; BGH, NJW-RR 2013, 539; OLG Thüringen, FamRZ 2013, 656. 6 BGH, NJW 2004, 2096 (2097); BGH, NZI 2012, 809; BGH, NJW 2013, 539 (540). 7 BGH, NJW 2013, 539, 540 m.w.N. 8 BGH, NJW 2007, 606 m.w.N. auch zur abweichenden Auffassung. 9 BGH, NJW-RR 2006, 1576; Zöller/Stöber, § 836 Rz. 15. 10 Zöller/Stöber, § 836 Rz. 16. 11 BGH, DGVZ 2012, 95 ff.
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M. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen
fassende Auskunftserteilung verneint worden ist.1 Hat der Schuldner im Einzelfall einen konkreten Anlass zur Annahme, dass sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie auf Geheimhaltung infolge der Herausgabeanordnung nicht gewahrt wird, kann er zunächst durch eine Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO hiergegen vorgehen, um dem Vollstreckungsgericht auf einen Antrag nach § 765a ZPO die Möglichkeit zu verschaffen, eine eventuelle Beeinträchtigung seiner grundlegenden Rechte zu verhindern.2 3. Das Verfahren nach Überweisungsbeschluss (§ 883 ZPO) 341
Ist der vollstreckbare Titel auf Herausgabe einer beweglichen Sache gerichtet, erfolgt die Zwangsvollstreckung nach § 883 ZPO. In Unterhaltssachen kommt diese Bestimmung zur Anwendung, wenn der Anspruch auf Erteilung einer Auskunft durch Vorlage von Urkunden gerichtet ist.3 Die Urkunden sind in diesem Fall dem Gläubiger zu übergeben zur vorübergehenden Überlassung ohne Besitzaufgabe; möglich ist auch nur, dass der Schuldner diesem Einsicht in die Urkunden zu gewähren hat.
342
Etwas anderes gilt dann, wenn die Kenntnisnahme vom Inhalt von Urkunden nur als Nebenpflicht einer umfassenden Auskunftspflicht anzusehen ist. Dann ist die Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO vorzunehmen. Ist der Schuldner zur Rechnungslegung verurteilt worden, kommt § 883 ZPO als Grundlage der Zwangsvollstreckung nicht in Betracht.4 4. Das Verfahren auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (§ 889 ZPO)
343
Ist der Unterhaltsschuldner aufgrund der Vorschriften der §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verurteilt worden, hat er diese Verpflichtung gemäß § 889 Abs. 1 ZPO vor dem Amtsgericht als Vollstreckungsgericht zu erfüllen, in dessen Bezirk er im Inland seinen Wohnsitz hat. Da es sich bei dieser Zuständigkeitsregelung nach § 802 ZPO um eine ausschließliche handelt, scheidet eine Zuständigkeit des Familiengerichts als Verfahrensgericht des ersten Rechtszuges aus.
344
Das Verfahren wird auf Antrag des Gläubigers eingeleitet; die Durchführung obliegt dem Rechtspfleger (§ 20 Nr. 17 RPflG). Dieser bestimmt Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Die Terminsladung ist dem Schuldner persönlich von Amts wegen zuzustellen.
345
Erscheint der Schuldner zu dem Termin nicht oder verweigert er die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, so hat das Vollstreckungsgericht nach § 888 ZPO zu verfahren (§ 889 Abs. 2 ZPO i.V.m. den §§ 888, 891 ZPO).
1 Vgl. BGHZ 165, 53 (58 f.). 2 BGH, DGVZ 2012, 95 (97). 3 OLG Köln, NJW-RR 1988, 1210; OLG Hamm, NJW 1974, 653; OLG Frankfurt, NJW-RR 1992, 171. 4 OLG Köln, NJW-RR 1989, 567.
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N. Unterhaltsansprüche mit Auslandsberührung Inhaltsübersicht Rz. I. 1. 2. 3.
Internationale Zuständigkeit . . . . Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Recht der Europäischen Gemeinschaft – die EuUnthVO . . . . . a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . b) Allgemeine Gerichtsstände (Art. 3 EuUnthVO) . . . . . . . . . . . aa) Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Antragsgegners (Art. 3 lit. a EuUnthVO) . . . . . . . . . . . . . bb) Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Unterhaltsberechtigten (Art. 3 lit b) . . . . . . . . . . . . . . cc) Annexzuständigkeit bei Anhängigkeit einer Statussache (Art. 3 lit c). . . . . . . . . dd) Annexzuständigkeit bei Anhängigkeit eines Verfahrens zur elterlichen Verantwortung (Art. 3 lit d) . . . . . . c) Besondere Gerichtsstände . . . . . aa) Zuständigkeit aufgrund Gerichtsstandsvereinbarung . . bb) Zuständigkeit aufgrund rügeloser Einlassung . . . . . . . . cc) Auffang- und Notzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verfahrensbegrenzung zum Schutz des Unterhaltsberechtigten (Art. 8 EuUnthVO) . . . . . e) Rechtshängigkeit im Ausland . 4. Internationale Übereinkommen . . 5. Autonomes deutsches Recht (nur im einstweiligen Rechtsschutz) . .
II. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23. November 2007 (HUP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . b) Grundzüge . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Regelanknüpfung und Ausnahmen beim Unterhaltsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtswahl. . . . . . . . . . . . . .
1 1 3 4 4 8
9
13 21
23 24 24 25 27 28 30 35 39 43 43
45 45 48 48 50
Rz. cc) Wirkungen des Unterhaltsstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insbesondere: Anwendbares Recht beim Kindes- und Elternunterhalt sowie beim Unterhalt gegenüber Personen unter 21 Jahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Insbesondere: Anwendbares Recht beim Trennungs- und Geschiedenenunterhalt . . . . . . . 3. Völkerrechtliche Vereinbarungen . a) Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973 (HUÜ 73). . . . . . . . . . . b) Weitere völkerrechtliche (multi- oder bilaterale) Abkommen mit kollisionsrechtlichen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unterhaltsbemessung . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berechnungshilfen für die Bemessung des Unterhaltsbedarfs und der Leistungsfähigkeit bei voneinander abweichenden Lebensverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ländergruppeneinteilung . . . . . . b) Statistische Tabellen zum Preisniveau. . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Teuerungsziffern . . . . . . . . . . . . .
52
54 64 69
69
72 73 73
76 77 80 85
IV. Ausländische Unterhaltstitel . . . . . 86 1. Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer Unterhaltstitel . 86 a) Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . 86 b) Anerkennung und Vollstreckbarkeit nach der EuUnthVO . . . 90 aa) Verfahren ohne Exequatur . . 91 bb) Verfahren mit Exequatur . . . 97 c) Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer Unterhaltsentscheidungen nach §§ 108 bis 110 FamFG. . . . . . . . . 103 2. Vollstreckung ausländischer Unterhaltstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 3. Abänderung ausländischer Unterhaltsentscheidungen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
Rasch
893
N. Unterhaltsansprüche mit Auslandsberührung Rz.
Rz.
4. Zugang zum Recht (Zentrale Behörden und Verfahrenskostenhilfe, weitere Kontaktstellen und Informationsmöglichkeiten) . . . . . . . 116 a) Zentrale Behörden . . . . . . . . . . . 116
b) Kosten und Verfahrenskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 c) Weitere Kontaktstellen und Informationsmöglichkeiten . . . . . 119
I. Internationale Zuständigkeit 1. Allgemeines 1
In Unterhaltsstreitigkeiten mit Auslandsberührung – d.h. zumindest ein Beteiligter ist (auch) Ausländer oder hält sich (unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit) im Ausland auf1 – ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen.2 Ist sie gegeben, wenden deutsche Gerichte deutsches Verfahrensrecht an (lex fori). Aus der internationalen Zuständigkeit folgt aber nicht zugleich das in der Sache anzuwendende materielle Recht. Dieses bestimmt sich nach eigenen Kollisionsnormen, z.B. nach dem Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23.11.2007 (HUP); s. Rz. 45 ff. Es gibt keinen automatischen Gleichlauf zwischen der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte und dem anwendbaren materiellen Recht.
2
Beispiel Die in Spanien lebende Ehefrau mit algerischer Staatsangehörigkeit nimmt ihren nach Deutschland verzogenen spanischen Ehemann am Gericht seines Wohnortes auf Unterhalt in Anspruch. Die internationale Zuständigkeit des deutschen Familiengerichts folgt aus Art. 3 lit. a EuUnthVO (s. Rz. 9 ff.), weil der Ehemann in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Auf seine Nationalität kommt es nicht an. In der Sache beurteilt sich der Unterhaltsanspruch der Ehefrau nach spanischem Recht. Gemäß Art. 3 Abs. 1 HUP ist das am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten geltende innerstaatliche Recht maßgebend.
2a Für die Begründung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte reicht
es aus, wenn diese erst im Laufe des Verfahrens eingetreten ist.3 Auch bleibt die einmal begründete internationale Zuständigkeit des Gerichts erhalten, wenn die sie begründenden Umstände (z.B. gewöhnlicher Aufenthalt) im Lauf des Verfahrens wegfallen (perpetuatio fori). 2. Rechtsquellen 3
In Verfahren mit Auslandsbezug ist die internationale Zuständigkeit zunächst anhand der unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft, heute überwiegend nach der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 (EuUnthVO), s. Rz. 4 ff., oder anhand völkerrechtlicher Vereinbarungen, wie z.B. des Lugano-Abkommens (LugÜ 2007), s. Rz. 35 ff., zu prüfen. Diesen Vorrang des supranationalen Rechts stellt § 97 Abs. 1 FamFG ausdrücklich klar. Die Vorschrift, die in ers-
1 Hausmann, IntEuSchR, C, Rz. 21; Mansel/Thorn/Wagner, IPrax 2012, 1/22; ebenso EuGH, C-327/10, NJW 2012, 1199, Tz. 28, 35 (zur EuGVVO). 2 BGH, FamRZ 2009, 677; 1994, 825. 3 BGH, NJW 2011, 2515 = FPR 2013, 55 Tz. 14 ff.; BGH, FamRZ 2007, 720 zu Art. 8 Abs. 1 VO (EG) Nr. 2201/2003.
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I. Internationale Zuständigkeit
ter Linie der Praxis als Hinweis und Warnung dienen soll,1 ist den Regelungen der internationalen Zuständigkeit in §§ 98 ff. FamFG vorangestellt. Soweit EGRecht und bestehende Staatsverträge die internationale Zuständigkeit regeln, verdrängen diese Bestimmungen das innerstaatliche Recht, was speziell in Unterhaltssachen der Normalfall ist, s. Rz. 39. Denn im Geltungsbereich der EuUnthVO bleibt für die Anwendung nationaler Zuständigkeitsregelungen kein Raum. Zur Durchbrechung dieses Prinzips bei einstweiligen Maßnahmen vgl. Rz. 4 und Rz. 40. Nachrangiges Recht enthält auch das Auslandsunterhaltsgesetz (AUG),2 wel- 3a ches anlässlich des Inkrafttretens der EuUnthVO neu gefasst wurde. Es regelt in Deutschland die Durchführung der EuUnthVO und trifft Aus- und Durchführungsbestimmungen zu weiteren wichtigen internationalen Übereinkommen, denen die EU oder die Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AUG). Speziell zur internationalen und örtlichen Zuständigkeit treffen die §§ 25 bis 29 AUG Regelungen, welche diejenigen der EuUnthVO ergänzen. Sie werden nachfolgend jeweils im Zusammenhang mit den einschlägigen Normen der EuUnthVO kommentiert. 3. Das Recht der Europäischen Gemeinschaft – die EuUnthVO a) Anwendungsbereich Für Unterhaltssachen ist die internationale Entscheidungszuständigkeit der Ge- 4 richte in der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 geregelt – abgekürzt als EuUnthVO bezeichnet.3 Die Verordnung findet räumlich in allen Mitgliedstaaten der EU Anwendung – mit Ausnahme der Kapitel III und VII, die in Dänemark nicht angewandt werden4 – und gilt zeitlich für Verfahren, die ab dem 18. Juni 2011 eingeleitet worden sind (Art. 75 i.V.m. Art. 76 Satz 3 EuUnthVO).5 Sie ersetzt in ihrem Anwendungsbereich die Verordnung (EG) Nr. 44/2001,6 wobei sie die internationale Zuständigkeit inhaltlich in ähnlicher Weise wie jene regelt. Die EuUnthVO zeichnet sich aber dadurch aus, dass sie die von den Gerichten der Mitgliedstaaten der EU zu beachtende internationale Zuständigkeit allseitig und 1 BT-Drucks. 16/6308, S. 220. 2 Gesetz zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Verkehr mit ausländischen Staaten vom 23.5.2011 (BGBl. I, 898). 3 Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates v. 18.12.2008 über die gerichtliche Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen, ABl. EU 2009, Nr. L 7 S. 1. Die Verordnung ist abgedruckt bei Zöller, ZPO, Anh. II, H (EuUnterhVO). 4 Zum räumlichen Anwendungsbereich der EuUnthVO, speziell im Verhältnis zum Vereinigten Königreich und Dänemark, vgl. Jayme/Hausmann, EuUnthVO, Fn. 23 und 25 zu den Erwägungsgründen 47 und 48, s. auch ABl. EU 2009, Nr. L 149 S. 73 und S. 80. 5 Nach Art. 76 EuUnthVO findet die Verordnung ab dem 18. Juni 2011 unter der Voraussetzung Anwendung, dass das Haager Protokoll von 2007 (HUP) zu diesem Zeitpunkt in der Europäischen Gemeinschaft anwendbar ist. Diese Voraussetzung war zu jenem Zeitpunkt aufgrund des Beschlusses des Rates vom 30.11.2009 (ABl. EU 2009, Nr. L 331, S. 17) erfüllt, mit dem das HUP innerhalb der EU ab dem 18.6.2011 vorläufig in Kraft gesetzt worden ist. 6 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates v. 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, in Kraft getreten am 1.3.2002, ABl. EG 2001, Nr. L 12 S. 1. Die Verordnung wird vielfach auch „Brüssel I – VO“ genannt oder abgekürzt als EuGVO oder EuGVVO bezeichnet. Sie ist abgedruckt bei Zöller, Anhang I (EuGVVO).
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N. Unterhaltsansprüche mit Auslandsberührung
abschließend bestimmt.1 Sie ist allseitig, weil es für die Anwendung der EuUnthVO keine Rolle spielt, dass der Antragsteller oder der Antragsgegner ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der EU, sondern in einem Drittstaat haben (Art. 3 EuUnthVO). Und sie regelt die internationale Zuständigkeit abschließend, weil sich nach Art. 10 EuUnthVO das Gericht eines Mitgliedstaats von Amts wegen für unzuständig erklärt, wenn es in einer Sache angerufen wird, für die es nach der EuUnthVO nicht zuständig ist. Ein Rückgriff auf nationales Zuständigkeitsrecht ist grundsätzlich ausgeschlossen, er kommt nach Art. 14 EuUnthVO nur beim einstweiligen Rechtsschutz in Betracht (s. Rz. 40 ff.). 5
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Praxishinweis: Muss sich das Gericht nach Art. 10 EuUnthVO für unzuständig erklären, kann es diese Entscheidung im Rahmen der verfahrensrechtlich jeweils gebotenen Maßnahme treffen (z.B. Abweisung des Zahlungsantrages auf Unterhalt, Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe, etc.). Das Gericht kann aber auch über die Zulässigkeit der Anträge gesondert verhandeln und hierüber einen Zwischenbeschluss fassen, der in Betreff der Rechtsmittel als Endentscheidung anzusehen ist (§§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO).2 Die Verweisung an ein ausländisches Gericht kommt nicht in Betracht, sie ist nach der EuUnthVO nicht vorgesehen.
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In sachlicher Hinsicht findet die EuUnthVO nach ihrem Art. 1 Abs. 1 Anwendung auf alle Formen des familienrechtlichen Unterhalts, nämlich auf Unterhaltspflichten, die auf einem Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen.
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Die EuUnthVO gilt für alle gerichtlichen Verfahren, den einstweiligen Rechtsschutz eingeschlossen (Art. 14 EuUntVO). Der Anwendungsbereich der Verordnung erstreckt sich aber auch auf die justizförmige Regelung von Unterhaltsfragen durch bestimmte Verwaltungsbehörden (Art. 2 Abs. 2 EuUnthVO). b) Allgemeine Gerichtsstände (Art. 3 EuUnthVO)
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Die Grundbestimmung der EuUnthVO für die Regelung der internationalen Zuständigkeit, Art. 3 EuUnthVO, sieht vier verschiedene Gerichtsstände vor: Den Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Antragsgegners (Art. 3 lit. a), am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Unterhaltsberechtigten (Art. 3 lit b), eine Annexzuständigkeit bei Anhängigkeit einer Statussache (Art. 3 lit c) oder eines Verfahrens zur elterlichen Verantwortung (Art. 3 lit d). Die Zuständigkeiten sind alternativ, sie stehen in keinem Rangverhältnis. aa) Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Antragsgegners (Art. 3 lit. a EuUnthVO)
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Zuständig für Entscheidungen in Unterhaltssachen ist nach Art. 3 lit. a EuUnthVO das Gericht des Ortes, an dem der Beklagte, d.h. der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Unerheblich ist, wo der Antragsteller ansässig ist. 1 Riegner, FPR 2013, S. 4 ff., unter Punkt 2; Andrae, NJW 2011, 2545; Hausmann, IntEuSchR, C, Rz. 76 und 86; Olsen-Ring in Süß/Ring, § 1 Rz. 136 und 144; Henrich, Rz. 105 und 116; Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Einl. EG-UntVO, Rz. 23. 2 OLG Oldenburg, FamRZ 2013, 481.
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I. Internationale Zuständigkeit
Art. 3 lit. a EuUnthVO greift auch, wenn der Antragsteller nicht in einem Mitgliedstaat der EU, sondern in einem Drittland lebt.1 10
Beispiel Das auf den Philippinen lebende Kind verlangt Unterhalt von seinem in Deutschland wohnenden Vater. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt aus Art. 3 lit. a EuUnthVO. Es ist unerheblich, dass die Philippinen nicht zur EU gehören. Ebenfalls ohne Bedeutung ist die Staatsangehörigkeit der Beteiligten.
Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist in der EuUnthVO weder inhaltlich 11 bestimmt, noch verweist die Verordnung insoweit auf das Recht der Mitgliedstaaten. Der Begriff muss daher in der EU eine autonome und einheitliche Auslegung erfahren, die sich auf den Kontext der Vorschrift und das mit der Regelung verfolgte Ziel stützt.2 Als gewöhnlicher Aufenthalt einer Person ist der Ort anzunehmen, an dem sie den Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse hat. Der gewöhnliche Aufenthalt ist jeweils anhand aller tatsächlichen Umstände im Einzelfall zu ermitteln, wobei Dauer und Beständigkeit, Gründe und Umstände des Aufenthalts zu berücksichtigen sind.3 Eine bestimmte Mindestdauer des Aufenthalts ist für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts weder ausreichend noch erforderlich; bereits der Wille, sich an einem Ort länger niederzulassen, verleiht dem Aufenthalt Beständigkeit.4 12
Beispiele Die 19 Jahre alte T, die im Haushalt der Mutter in Berlin aufgewachsen ist, studiert in Paris, kommt aber in den Semesterferien regelmäßig „nach Hause“. T fehlt der Wille, auf Dauer an ihrem Studienort zu bleiben, sie hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt noch in Berlin und kann dort ein Unterhaltsverfahren gegen ihren in Österreich wohnenden Vater einleiten.5 Die deutsche Ehefrau wohnt in Frankreich, arbeitet aber als Grenzgängerin täglich in Deutschland. Sie will ihren in Kanada lebenden deutschen Ehemann auf Unterhalt in Anspruch nehmen. International zuständig ist das für den Wohnort der Ehefrau zuständige französische Gericht. Entscheidend ist, wo die Ehefrau wohnt, nicht wo sie tagsüber arbeitet.6
bb) Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Unterhaltsberechtigten (Art. 3 lit b) Art. 3 lit. b EuUnthVO erleichtert dem Unterhaltsberechtigten – als der im All- 13 gemeinen schwächeren Partei – die Rechtsverfolgung. Er kann beim Gericht des Ortes klagen, an dem er selbst seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. 14
Beispiel Das in Deutschland lebende Kind verlangt Unterhalt von seinem in den Niederlanden wohnenden Vater. Das Kind kann wählen, ob es den Vater an seinem eigenen Wohnort in 1 Hausmann, IntEuSchR, C, Rz. 22 und 86; Henrich, Rz. 105; Olsen-Ring in Süß/Ring, § 1 Rz. 144; Heger, FPR 2013, 2. 2 EuGH, FamRZ 2011, 617 Rz. 45; Hausmann, IntEuSchR, C, Rz. 88. 3 EuGH, FamRZ 2009, 843 zum gewöhnlichen Aufenthalt eines Kindes nach Art. 8 VO (EG) Nr. 2201/2003. 4 EuGH, FamRZ 2011, 617 (619), Rz. 51 zum gewöhnlichen Aufenthalt eines Kindes nach Art. 8 VO (EG) Nr. 2201/2003. 5 Hausmann, IntEuSchR, C, Rz. 89. 6 Spickhoff, IPrax 1995, 186 (189), m.w.N.
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N. Unterhaltsansprüche mit Auslandsberührung Deutschland (Art. 3 lit. b EuUnthVO) oder an dessen Wohnort in den Niederlanden (Art. 3 lit. a EuUnthVO) gerichtlich belangt. Variante: Das Amt für Ausbildungsförderung will den Vater aus übergegangenem Recht (§ 37 BAföG) in Anspruch nehmen. Anders als das Kind selbst, muss die Behörde die Klage in den Niederlanden erheben. Art. 3 lit. b EuUnthVO greift nicht zugunsten einer Behörde ein, weil Art. 2 Nr. 10 EuUnthVO als unterhaltsberechtigte Person nur eine natürliche Person definiert. Die EuUnthVO bezweckt den besonderen Schutz des Unterhaltsberechtigten, dagegen befindet sich eine öffentliche Einrichtung gegenüber dem Unterhaltspflichtigen nicht in einer unterlegenen Position.1
15 Ein Unterhaltsberechtigter kann nach Art. 3 lit. b EuUnthVO auch dann das Ge-
richt an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort anrufen, wenn der Antragsgegner nicht in einem Mitgliedstaat der EuUnthVO, sondern in einem Drittstaat lebt. Die EuUnthVO sieht in diesem Fall keine Reduktion ihres Anwendungsbereiches vor.2 In dem Erwägungsgrund 15 der EuUnthVO heißt es ausdrücklich, dass dieser Umstand die Anwendung der gemeinschaftlichen Vorschriften über die Zuständigkeit nicht ausschließen soll. Allerdings sollte in der anwaltlichen Praxis mit Bedacht vorgegangen werden, wenn der Gegner des Anspruchsberechtigten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat (z.B. den USA) hat. Es gibt in vielen Ländern Vorbehalte gegenüber einem Gerichtsstand am Wohnort des Gläubigers. Falls der Unterhaltsschuldner nicht über pfändbares Vermögen in einem Mitgliedstaat der EU verfügt, muss sich der Unterhaltsberechtigte über die Vollstreckbarkeit einer an seinem Wohnort ergangenen Unterhaltsentscheidung im Aufenthaltsstaat des Schuldners informieren.3 16 Geregelt sind in Art. 3 lit. a und lit b EuUnthVO sowohl die internationale als
auch die örtliche Zuständigkeit (Doppelfunktionalität). Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm. Mit dem „Gericht des Ortes“, welches zur Entscheidung in den Mitgliedstaaten berufen ist, ist nicht nur die Gerichtsbarkeit des jeweiligen Mitgliedstaates gemeint, sondern es wird das konkrete, örtliche Gericht bezeichnet. Die internationale Zuständigkeit und die örtliche Zuständigkeit sind eins, sie können nicht auseinanderfallen. 17 Europarechtlich problematisch und umstritten ist daher § 28 AUG, die Durch-
führungsvorschrift zu Art. 3 lit. a und lit. b EuUnthVO. § 28 Abs. 1 AUG sieht in diesen beiden Fällen eine Zuständigkeitskonzentration vor. Wenn ein Beteiligter seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland hat, entscheidet über Unterhaltsanträge das Amtsgericht am Sitz des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk der Antragsgegner oder der Berechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.4 In Berlin ist das Amtsgericht Pankow/Weißensee zuständig. Die Landesregierungen können diese Zuständigkeitskonzentration auch auf ein anderes Familiengericht verlagern (§ 28 Abs. 2 AUG). 1 EuGH, FamRZ 2004, 513; vgl. auch OLG Dresden, NJW 2007, 446, beide noch zu Art. 5 Nr. 2 Alt. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001. 2 Hausmann, IntEuSchR, C, Rz. 93 und 86; Heger, FPR 2013, 2. 3 Heger, FPR 2013, 2 weist darauf hin, dass die USA bei der Ratifikation des Haager Übereinkommens über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen vom 23.11.2007 (HUÜ 2007) zum Gläubigergerichtsstand einen Vorbehalt erklären werden. 4 OLG Stuttgart, FamRZ 2013, 559; OLG Frankfurt, FamRZ 2012, 1508, mit Anm. Rauscher, FamFR 2012, 216.
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I. Internationale Zuständigkeit
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Beispiel Die geschiedene Ehefrau lebt in Italien. Sie begehrt von ihrem früheren Ehemann eine Erhöhung des bisherigen Unterhalts und hat den Antrag beim Amtsgericht Ravensburg, in dessen Bezirk der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, eingereicht. Das Amtsgericht hält sich nach § 28 Abs. 1 Satz 1 AUG für unzuständig und regt einen Verweisungsantrag an das Amtsgericht Stuttgart an (bestätigend: OLG Stuttgart, FamRZ 2013, 559).
Der deutsche Gesetzgeber hält § 28 AUG als interne gerichtsorganisatorische 19 Maßnahme, die eine besondere Sachkunde bei der Behandlung von Auslandssachen fördern und kleinere Amtsgerichte entlasten soll, für zulässig.1 Ob dieses Argument als Rechtfertigung der getroffenen Regelung ausreicht, erscheint indes zweifelhaft. Denn Art. 3 lit. a und lit. b EuUnthVO regeln neben der internationalen die örtliche Zuständigkeit, um eine ordnungsgemäße und einheitliche Rechtspflege innerhalb der EU zu fördern (Erwägungsgrund 15 der EuUnthVO). Die Amtsgerichte Karlsruhe und Düsseldorf haben daher die Frage, ob § 28 AUG gegen das vorrangige EU-Recht verstößt, dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.2 Er wird gemäß Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der europäischen Union (AEUV) vorab darüber zu befinden haben, ob § 28 AUG europarechtswidrig ist3 oder – umgekehrt – der europäische Verordnungsgeber mit der Regelung der örtlichen Zuständigkeit im Rahmen der allgemeinen Zuständigkeiten nach Art. 3 EuUnthVO in die nationalen Rechtsordnungen eingegriffen hat, ohne dass dies für die Erreichung der Ziele der Verordnung erforderlich ist.4 Wird eine Ehesache in Deutschland rechtshängig und ist bei einem anderen 20 deutschen Gericht noch eine Unterhaltssache im ersten Rechtszug anhängig, dessen Zuständigkeit auf Art. 3 lit. a oder 3 lit. b EuUnthVO beruht, hat eine Abgabe des Unterhaltsverfahrens an das Gericht der Ehesache zu erfolgen (§ 26 Abs. 2 AUG). Der Verweis in § 26 Abs. 2 AUG auf § 233 FamFG sichert die Zuständigkeitskonzentration beim Gericht der Ehesache, auch wenn sich bei der abzugebenden Unterhaltssache die örtliche Zuständigkeit ursprünglich aus Art. 3 lit. a und b EuUnthVO ergab.5 cc) Annexzuständigkeit bei Anhängigkeit einer Statussache (Art. 3 lit c) Art. 3 lit. c EuUnthVO enthält eine an Statusverfahren anknüpfende Annex- 21 zuständigkeit. Im Falle einer Unterhaltssache, über die als Nebensache zu einem Verfahren in Bezug auf den Personenstand zu entscheiden ist, hat das Gericht zu entscheiden, welches nach seinem Recht für dieses Verfahren zuständig ist, es sei denn, diese Zuständigkeit beruht lediglich auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien. Als Verfahren in Bezug auf den Personenstand (Statusverfahren) kommen hier Scheidungsverfahren, Verfahren auf Aufhebung der Lebens1 BT-Drucks. 17/4887, S. 42; Heger, FPR 2013, S. 1, 3 f.; zustimmend Hausmann, IntEuSchR, C, Rz. 393. 2 AG Karlsruhe, v. 17.6.2013 – 4 F 30/13; Az. EuGH: C-408/13) und AG Düsseldorf (Az. 269 F 107/13; Az. EuGH C-400/13). Vgl. auch OLG Düsseldorf, FamRZ 2014, 583, das § 28 AUG nicht anwendet. 3 Vgl. Rauscher, FamFR 2012, 216 in seiner Kritik an OLG Frankfurt, FamRZ 2012, 1509. 4 So Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Einl. EG-UntVO, Rz. 47 und Art. 3, Rz. 8 und 9. 5 Hausmann, IntEuSchR, C, Rz. 390.
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N. Unterhaltsansprüche mit Auslandsberührung
partnerschaft und Vaterschaftsfeststellungsverfahren in Betracht. Als Nebensache ist der Unterhalt zu entscheiden, wenn er von der Statussache abhängt und im Verbund mit der Statussache geltend gemacht wird.1 Dementsprechend erläutert § 25 AUG die Reichweite dieser Bestimmung dahin, dass die deutschen Gerichte nach Art. 3 lit. c EuUnthVO zuständig sind, wenn Unterhalt im Scheidungs- oder Aufhebungsverbund (d.h. als Folgesache gemäß § 137 FamFG, bzw. gemäß §§ 270, 137 FamFG) geltend gemacht wird (§ 25 Abs. 1 Nr. 1 AUG) und wenn die Unterhaltsforderung mit einem Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft verbunden ist (§§ 179 Abs. 1 Satz 2, 237 FamFG, vgl. Kap. K Rz. 511). 22 Beispiel Die deutschen Eheleute leben in Spanien. Die Ehefrau begehrt die Scheidung, will in Deutschland geschieden werden und zugleich nachehelichen Unterhalt geltend machen. Für die Ehescheidung folgt die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aus Art. 3 Abs. 1b) der VO (EG) 2201/2003 (auch Brüssel IIa – VO genannt)2, wonach für die Ehescheidung die Gerichte des Mitgliedsstaats zuständig sind, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten besitzen. Für den nachehelichen Unterhalt, über den nach § 137 FamFG im Verbund mit der Scheidung zu entscheiden ist, begründet Art. 3 lit. c EuUnthVO die internationale Zuständigkeit des deutschen Scheidungsgerichts. Die Anwendung dieser Norm scheitert nicht an dem Verbot einer (diskriminierenden) „einzig auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien“ beruhenden Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Die Zuständigkeit für die Ehesache folgt nämlich aus dem vorrangig geltenden Art. 3 Abs. 1b) der VO (EG) 2201/2003. Als nationales Recht wird § 98 Abs. 1 Nr. 1 FamFG, der für die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte die deutsche Staatsangehörigkeit nur eines der Beteiligten genügen lässt, verdrängt.3 Variante I: Nachdem die Ehefrau beim Amtsgericht Schöneberg in Berlin (§ 122 Nr. 6 FamFG) das Scheidungsverfahren eingeleitet hat, will sie auch Trennungsunterhalt gerichtlich geltend machen. Die internationale Zuständigkeit eines deutschen Familiengerichts ist nicht gegeben, weil keiner der Beteiligten in Deutschland wohnt. Das Amtsgericht Schöneberg hat auch keine Annexzuständigkeit (st.Rspr. des KG,4 in der Lit. str.5). Anders als von Art. 3 lit. c EuUnthVO vorausgesetzt, ist über den Trennungsunterhalt nicht abhängig von der Scheidung, sondern nur gelegentlich des Statusverfahrens (d.h. des Scheidungsverfahrens) in einem eigenen Verfahren zu entscheiden.6 §§ 105, 232 Abs. 1 Nr. 1 FamFG greifen nicht ein, da die internationale und örtliche Zuständigkeit nach Art. 3 lit. a und lit. b der EuUnthVO geregelt und das autonome Recht verdrängt ist. Variante II: Im Lauf des Scheidungsverfahrens verzieht der Ehemann aus Spanien nach Karlsruhe. Die in Spanien verbliebene Ehefrau kann wählen, ob sie den Trennungsunterhalt in Spanien oder nach Art. 3 lit. a EuUnthVO vor dem Amtsgericht Karlsruhe geltend machen will. 1 Hausmann, IntEuSchR, C, Rz. 100, 101. 2 VO (EG) Nr. 2201/2003 vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung (ABl. EU 2003 Nr. L 338, S. 1). Die Verordnung ist abgedruckt bei Zöller, ZPO, Anhang II, AEuEheVO. 3 Hau, FamRZ 2010, 516 Anm. 14. 4 So bereits KG, FamRZ 1998, 66, noch zu Art. 5 Nr. 2 VO (EG) Nr. 44/2001; eine abweichende Rechtsprechung liegt im Hinblick auf die deutschlandweite Zuständigkeit des Amtsgerichts Schöneberg in diesen Fällen samt der darauf aufbauenden Zuständigkeit des Kammergerichts nicht vor. 5 Wie hier Hausmann, IntEuSchR, C, Rz. 101; Prütting/Helms/Hau, Anhang 3 zu § 110, Rz. 30 bezeichnet die Frage als ungeklärt; a.A. Zöller/Geimer, ZPO, Anhang II, H, EuUnterhVO, Art. 3 Rz. 10, ohne Begründung. 6 Hausmann, IntEuSchR, C, Rz. 101; Hau, FamRZ 2010, 516.
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I. Internationale Zuständigkeit Das Amtsgericht Schöneberg als Gericht der Ehesache ist nicht zuständig. Da die EuUnthVO sowohl die internationale als auch die örtliche Zuständigkeit abschließend regelt, ist für die Anwendung nationaler Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit kein Raum, auch nicht für die Zuständigkeitskonzentration beim Gericht der Ehesache nach §§ 105, 232 Abs. 1 Nr. 1 FamFG. Eine Abgabe des Verfahrens an das Gericht der Ehesache nach §§ 26 Abs. 2 AUG, 233 FamFG scheidet ebenfalls aus. § 233 FamFG betrifft nur den Fall, dass das ursprünglich zuständige Gericht eine Unterhaltssache abzugeben hat, wenn eine Ehesache rechtshängig wird.
dd) Annexzuständigkeit bei Anhängigkeit eines Verfahrens zur elterlichen Verantwortung (Art. 3 lit d) Art. 3 lit. d EuUnthVO enthält eine weitere Annexzuständigkeit, wenn ein Ver- 23 fahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung anhängig ist. Diese Zuständigkeit kommt für Deutschland nicht in Betracht, weil hier eine Verbindung von Kindschaftssachen mit einem Unterhaltsverfahren nicht vorgesehen ist. Die Vorschrift greift aber z.B. in Frankreich, wonach das Gericht im Falle der Aufenthaltsbestimmung für ein Kind gehalten ist, die Umgangskosten auf die Eltern zu verteilen und den Unterhalt entsprechend anzupassen.1 c) Besondere Gerichtsstände aa) Zuständigkeit aufgrund Gerichtsstandsvereinbarung Die EuUnthVO ermöglicht es den Beteiligten, den Gerichtsstand anhand be- 24 stimmter Anknüpfungspunkte (z.B. Staatsangehörigkeit, letzter gemeinsamer Aufenthalt der Eheleute) einvernehmlich zu bestimmen (Art. 4 Abs. 1 EuUnthVO). Die Gerichtsstandvereinbarung bedarf der Schriftform (Art. 4 Abs. 2 EuUnthVO). Die vereinbarte Zuständigkeit ist grundsätzlich ausschließlich (Art. 4 Abs. 1 EuUnthVO). Um den Schutz der schwächeren Partei zu gewährleisten, ist eine solche Wahl des Gerichtsstandes bei Unterhaltspflichten gegenüber minderjährigen Kindern ausgeschlossen (Art. 4 Abs. 3 EuUnthVO). bb) Zuständigkeit aufgrund rügeloser Einlassung Nach Art. 5 EuUnthVO kann die Zuständigkeit des Gerichts eines Mitglied- 25 staats der EU auch durch rügelose Einlassung begründet werden. Eine rügelose Einlassung wird als eine stillschweigende Zuständigkeitsvereinbarung verstanden.2 Dafür reicht die bloße Anzeige der Verteidigungsbereitschaft nicht aus, es genügen aber verfahrensrechtliche Einwendungen oder Einreden (außer der Rüge der internationalen Zuständigkeit), um die Zuständigkeit begründen.3 Eine Einlassung zur Hauptsache ist nicht erforderlich.4 Maßgeblicher Zeitpunkt ist das erste Verteidigungsvorbringen.5 Anders als bei der Zuständigkeit infolge rügeloser Verhandlung nach § 39 ZPO, kann die internationale Zuständigkeit schon mit der ersten schriftlichen Erwiderung begründet werden. Die internationale und örtliche Zuständigkeit durch eine vorbehaltlose Einlassung wird auch dann 1 Junggeburth, FPR 2013, 75 (76). 2 EuGH, NJW 1985, 2893. 3 OLG Frankfurt, NJW-RR 2005, 935 zu Art. 24 VO-EG Nr. 44/2001 (EuGVVO); BAG, TranspR 2010, 310 (313); Zöller/Geimer, Anhang I Art. 24 Rz. 5. 4 Zöller/Geimer, Anhang I Art. 24 Rz. 5. 5 EuGH, IPRax. 1982, 234; BGH, NJW 2011, 2809; Zöller/Geimer, Anhang I Art. 24 Rz. 5.
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begründet, wenn das Gericht auf die Folge einer solchen Einlassung nicht vorab hingewiesen hat.1 Das angerufene Gericht trifft keine Belehrungspflicht. 26
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Praxishinweis: Hat sich der Antragsgegner vor einem nach Art. 3 lit. a oder lit. b EuUnthVO unzuständigen Familiengericht eingelassen, ohne den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen, wird die internationale und örtliche Zuständigkeit dieses Gerichts begründet. Auch eine Verweisung an das nach § 28 AUG zuständige Konzentrationsgericht kommt dann nicht in Betracht.
cc) Auffang- und Notzuständigkeit 27 Die EuUnthVO legt fest, in welchen Fällen das Gericht eines Mitgliedstaates ei-
ne subsidiäre Zuständigkeit ausüben kann. Um Personen, die sich in Drittstaaten aufhalten, die Möglichkeit zu eröffnen, Unterhaltsansprüche vor einem Gericht in einem EU-Mitgliedstaat durchzusetzen, benennt Art. 6 EuUnthVO als Auffangzuständigkeit die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaates der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Parteien. Ferner sieht Art. 7 EuUnthVO eine Notzuständigkeit vor, wenn es unmöglich oder unzumutbar ist, in einem Drittstaat ein Gerichtsverfahren durchzuführen. Erforderlich ist aber ein ausreichender Bezug zu dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts. § 27 AUG legt für diese Fälle die Zuständigkeit des Familiengerichts Amtsgericht Pankow/ Weißensee in Berlin fest. d) Verfahrensbegrenzung zum Schutz des Unterhaltsberechtigten (Art. 8 EuUnthVO) 28 Ist eine Unterhaltsentscheidung in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Ver-
tragsstaat des Haager Übereinkommens von 2007 ergangen, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, so kann der Unterhaltspflichtige außer unter besonderen Umständen, die in Art. 8 Abs. 2 lit. a bis d EuUnthVO aufgelistet sind, kein Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat der EU einleiten, um eine Änderung der Entscheidung oder eine neue Entscheidung zu erreichen, solange die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin in dem Staat hat, in dem die Entscheidung ergangen ist (Art. 8 Abs. 1 EuUnthVO). Vgl. im Näheren Rz. 111. 29 Einstweilen frei.
e) Rechtshängigkeit im Ausland 30 Art. 12 EuUnthVO regelt die Folgen der doppelten Rechtshängigkeit innerhalb
der EU.2 Zu beachten ist, dass die EuUnthVO insoweit nicht wie das deutsche Recht zwischen Anhängig- und Rechtshängigkeit unterscheidet,3 sondern auf die Anrufung des Gerichts abstellt. Dieser Zeitpunkt ist in Art. 9 lit. a und lit. b 1 OLG Rostock, OLGR 2006, 271; Zöller/Geimer, Anhang I Art. D4 Rz. 11. 2 Bei Rechtshängigkeit des Unterhaltsanspruchs in einem sonstigen Staat ist die zeitlich früher eingetretene Rechtshängigkeit nach §§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO, 113 Abs. 1 FamFG zu berücksichtigen, wenn mit der Anerkennung der ausländischen Entscheidung zu rechnen ist (BGH, NJW 1986, 2195). 3 Hausmann, IntEuSchR, C, Rz. 210 und 212.
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I. Internationale Zuständigkeit
EuUnthVO eigens definiert. Danach gilt ein Gericht zu dem Zeitpunkt als angerufen, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück bei Gericht eingereicht worden ist, vorausgesetzt, dass der Kläger es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks an den Beklagten zu bewirken (Art. 9 lit a EuUnthVO). Nach Art. 12 EuUnthVO setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, wenn bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Verfahren wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Beteiligten anhängig gemacht werden. Sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, erklärt sich das später angerufene Gericht zugunsten dieses Gerichts für unzuständig (Art. 12 Abs. 2 EuUnthVO). Nach dem Verständnis des EuGH ist der Begriff der Anspruchsidentität nicht 31 formal auf die gestellten Anträge beschränkt, sondern weit auszulegen.1 Derselbe Anspruch wird geltend gemacht, wenn die Verfahren auf derselben Grundlage beruhen und denselben Gegenstand haben. Die Grundlage des Anspruchs umfasst den Sachverhalt und die Rechtsvorschrift, auf die der Anspruch gestützt wird; der Gegenstand wird im Zweck des Verfahrens gesehen.2 Es genügt, wenn die Verfahren im Kern den gleichen Gegenstand haben, auf eine vollständige Identität der gestellten Anträge kommt es nicht an.3 Nach diesem Maßstab hat das OLG Celle4 eine Identität der erhobenen Ansprü- 32 che in einem Fall angenommen, in dem die Ehefrau bei dem englischen Gericht der Ehesache einen Antrag auf Regelung der Scheidungsfolgen in Form wiederkehrender Leistungen (periodical payment order) zur finanziellen Versorgung gestellt und später in Deutschland Klage auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt erhoben hatte. Demgegenüber stellt die Anhängigkeit eines Verfahrens auf Trennungsunterhalt 33 im Ausland kein Hindernis für ein Verfahren im Inland dar, wenn im Inland nachehelicher Unterhalt verlangt wird.5 Schon mangels derselben Grundlage besteht hier keine Anspruchsidentität. Die beiden Unterhaltsansprüche unterscheiden sich sowohl nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt (Trennung/ Scheidung) als auch hinsichtlich der Rechtsvorschriften, auf die der jeweilige Unterhaltsanspruch gestützt wird. Nicht um denselben Unterhaltsanspruch dürfte es sich auch handeln, wenn im 34 Ausland nur Trennungsunterhalt bis zum Zeitpunkt der Übersiedelung nach Deutschland und in Deutschland für die Zeit danach begehrt wird.6 Die Ansprüche haben zwar ihren Grund in demselben Lebenssachverhalt, nämlich im Getrenntleben der Eheleute und der behaupteten Unterhaltsbedürftigkeit eines Ehepartners.7 Doch beruhen die Unterhaltsansprüche nicht auf derselben Grundlage. Die Rechtsvorschriften, nach denen sich die unterhaltsrechtlichen Folgen des Getrenntlebens beurteilen, weichen aufgrund des gewandelten Unterhaltstatuts 1 EuGH, NJW 1989, 665 – Gubisch Maschinenfabrik; BGH, FamRZ 2013, 1117; Zöller/ Geimer, Anh. I, Art. 27 EuGVVO, Rz. 20. 2 EuGH, Slg. 1994, I-5439 Rz. 38 ff. – Tatry. 3 EuGH, NJW 1989, 665 – Gubisch Maschinenfabrik. 4 OLG Celle, FamRZ 2009, 359. 5 Henrich, Rz. 119. 6 Vgl. KG v. 23.9.2009 – 3 UF 156/08 noch zu Art. 27 EuGVVO, nicht veröffentlicht. 7 Vgl. BGH, FamRZ 2013, 1113 (1116) zur Identität von Leistungs- und Stufenklage.
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N. Unterhaltsansprüche mit Auslandsberührung
voneinander ab. Es kommt hinzu, dass der Gegenstand der Klage, also ihr Zweck, ein anderer ist, wenn Unterhaltspflicht für unterschiedliche Zeiträume durchgesetzt werden soll. Wegen der zeitlichen Zäsur ist letztlich auch die Gefahr ausgeschlossen, dass die Entscheidungen der Gerichte im Ausland und im Inland miteinander unvereinbar sind und ihnen aus diesem Grund nach Art. 21 Abs. 3 EuUnthVO die Vollstreckung verweigert werden könnte. 4. Internationale Übereinkommen 35 Nach Art. 69 Abs. 1 EuUnthVO berührt die Verordnung nicht die Anwendung
der bestehenden internationalen Übereinkommen und Vereinbarungen. Solche Staatsverträge, die unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, haben ebenfalls Vorrang vor nationalem Recht. Praktisch bedeutsam ist das Lugano-Abkommen vom 30. Oktober 2007 (LugÜ 2007).1 36 Die Regelungen des LugÜ 2007 kommen zum Tragen, wenn der Antragsgegner
seinen Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten des Übereinkommens hat.2 Vertragsstaaten des LugÜ 2007 sind die EU, Norwegen, Schweiz und Island; das Abkommen ist am 1.1.2010 für die EU und Norwegen in Kraft getreten, für die Schweiz am 1.1.2011, für Island am 1.5.2011. 37 Nach Art. 2 Abs. 1 LugÜ 2007 sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheits-
gebiet eines Vertragsstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staats zu verklagen. Nach Art. 5 Abs. 2a LugÜ 2007 kann aber eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn es sich um eine Unterhaltssache handelt und der Unterhaltsberechtigte bei dem Gericht klagt, in dessen Bezirk der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 5 Abs. 2a LugÜ 2007). Art. 5 Abs. 2b und 2c LugÜ 2007 enthalten jeweils eine Annexzuständigkeit. Im Falle einer Unterhaltssache, über die im Zusammenhang mit einem Verfahren in Bezug auf den Personenstand zu entscheiden ist, kann hierüber auch das Gericht entscheiden, welches nach seinem Recht für dieses Verfahren zuständig ist, es sei denn, diese Zuständigkeit beruht lediglich auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien (Art. 5 Abs. 2b LugÜ 2007). Gleiches gilt, wenn über den Unterhalt im Zusammenhang mit einem Verfahren zur elterlichen Verantwortung zu entscheiden ist (Art. 5 Abs. 2c LugÜ 2007). 38 Beispiel Das in Konstanz lebende Kind verlangt Unterhalt von seinem in der Schweiz ansässigen Vater. Das Kind kann den Vater an seinem Wohnort in Deutschland gerichtlich belangen. Dies folgt allerdings nicht aus Art. 3 lit. a EuUnthVO, sondern gemäß Art. 69 EuUnthVO aus der entsprechenden Vorschrift in Art. 5 Abs. 2a LugÜ 2007. Die Zuständigkeitskonzentration nach § 28 AUG – Zuständigkeit des Amtsgerichts Karlsruhe – greift nicht ein. Diese Norm bezieht sich ausdrücklich nur auf die Fälle, in denen sich die Zuständigkeit aus Art. 3a und b EuUnthVOergibt. Die Vergünstigung, das Verfahren an dem für seinen gewöhnlichen Aufenthalt zuständigen Gericht führen zu können, bleibt dem Kind mithin erhalten.
1 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30.10.2007 (ABl L 339 vom 21.12.2007), EU ABl. 2009 L 147, S. 5. Dieses Übereinkommen ersetzt nach seinem Art. 69 Abs. 6 dessen Vorgänger, das Lugano-Abkommen vom 16. September 1988. 2 Hausmann, IntEuSchR, C, Rz. 301.
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I. Internationale Zuständigkeit
5. Autonomes deutsches Recht (nur im einstweiligen Rechtsschutz) Im Geltungsbereich der EuUnthVO bleibt in Hauptsacheverfahren für nationale 39 Zuständigkeitsbestimmungen (§§ 98 ff. FamFG) kein Raum.1Es wäre fehlerhaft, hier die internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts in Unterhaltssachen noch anhand von §§ 98 Abs. 2, 103 Abs. 2 FamFG (Verbundzuständigkeit für Folgesachen) oder von § 105 FamFG zu begründen, der die internationale Zuständigkeit nach dem Grundsatz der Doppelfunktionalität an die örtliche Zuständigkeit (§ 232 FamFG) knüpft. Im Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes ist dagegen durch Art. 14 EuUnth- 40 VO der Rückgriff auf nationales Zuständigkeitsrecht eröffnet. Nach dieser Vorschrift können die Gerichte eines Mitgliedstaates die in ihrem Recht vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind, auch dann treffen, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache das Gericht eines anderen Mitgliedstaates aufgrund der EuUnthVO zuständig ist. Art. 14 EuUnthVO stellt klar, dass die Vorschriften der EuUnthVO unmittelbar auch für einstweilige Maßnahmen gelten,2 bestimmt aber, dass hier auch der Rückgriff auf nationales Zuständigkeitsrecht möglich bleibt. Die Regelung wird in der deutschsprachigen Literatur durchweg als Systembruch bezeichnet und als Schwachstelle kritisiert,3 weil die Vorgängernormen – Art. 14 EuUnthVO entspricht wörtlich dem Art. 31 der VO (EG) Nr. 44/2001, dieser wiederum Art. 24 EuGVÜ4 – in den 1990’er Jahren ein massives „forum shopping“ ausgelöst hatten und deshalb vom EuGH in zwei grundlegenden Plenarentscheidungen einschränkend ausgelegt wurden.5 Die Bestrebungen gehen deshalb auch bei Art. 14 EuUnthVO dahin, den Anwendungsbereich der Norm möglichst eng zu fassen. Die Einzelheiten hierzu sind in der Literatur aber nicht geklärt,6 erstinstanzliche Entscheidungen sind – soweit ersichtlich – bislang nicht ergangen, bzw. nicht veröffentlicht worden und eine obergerichtliche Rechtsprechung ist angesichts der Unanfechtbarkeit einstweiliger Anordnungen zum Unterhalt (§ 57 Satz 1 FamFG) nicht zu erwarten. Überträgt man die Rechtsprechung des EuGH zum einstweiligen Rechtsschutz durch ein Gericht, welches in der Hauptsache nicht zuständig ist, uneingeschränkt auf Art. 14 EuUnthVO, dann kann in diesen Fällen eine Zuständigkeit für Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nur beansprucht werden, wenn zwischen dem Gegenstand der beantragten Maßnahme und der gebietsbezogenen Zuständigkeit eine reale Ver1 Riegner, FPR 2013, S. 4 ff., unter Punkt 2; Andrae, NJW 2011, 2545; Hausmann, IntEuSchR, C, Rz. 76 und 86; Olsen-Ring in Süß/Ring, § 1 Rz. 136 und 144; Henrich, Rz. 116; Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Einl. EG-UntVO, Rz. 23. 2 Prütting/Helms/Hau, Anhang 3 zu § 110, Rz. 78.; FA-FamR/Ganz, Kap. 15, Rz. 152. 3 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Einl. EG-UntVO, Rz. 48; Hess, § 6, Rz. 243 und 246; kritisch auch: Prütting/Helms/Hau, Anhang 3 zu § 110, Rz. 78. 4 Brüsseler EWG-Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (BGBl. 1972 II, S. 774) idF des 4. Beitrittsübereinkommen vom 29. November 1996 (BGBl. 1998 II, S. 1412). 5 EuGH, C 391/95 – van Uden; EuGH, C 99/95 – Mietz; Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 14 EG-UntVO, Rz. 13–15; Hess, § 6, Rz. 243. 6 So plädiert Hau dafür, trotz Art. 14 EuUnthVO auch beim einstweiligen Rechtsschutz keinen Rückgriff auf nationales Zuständigkeitsrecht zuzulassen, Prütting/Helms/Hau, Anhang 3 zu § 110, Rz. 78; Hau, FamRZ 2010, 516 (519); gegenteilig Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 36 Rz. 81: Art. 14 verweise nur auf die nationalen Regeln.
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N. Unterhaltsansprüche mit Auslandsberührung
knüpfung besteht (z.B. bei einstweiligen Sicherungsmaßnahmen die Belegenheit eines Vermögensgegenstandes im örtlichen Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts).1 Trifft die Anordnung nicht nur eine Sicherungsmaßnahme, sondern eine Leistungsverfügung muss die Rückzahlung des zugesprochenen Betrages für den Fall einer anderweitigen Entscheidung in der Hauptsache gesichert sein, wobei auch ein Schadensersatzanspruch nicht ausreicht, sondern Sicherheitsleistung gefordert ist.2 41 Diese einschränkende Auslegung von Art. 14 EuUnthVO würde dazu führen,
dass im Ausland lebende deutsche Ehegatten, die beim Amtsgericht Schöneberg das Scheidungsverfahren betreiben, Trennungsunterhalt (auch) nicht im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 246 FamFG durch das Amtsgericht Schöneberg als dem Gericht der Ehesache regeln lassen können. Die internationale Zuständigkeit des Amtsgerichts Schöneberg ist hierfür nicht gegeben, weil – keiner der Beteiligten in Deutschland wohnt, mithin keine internationale Zuständigkeit für die Hauptsache oder den Erlass der einstweiligen Anordnung nach Art. 3 lit a oder lit b EuUnthVO gegeben ist, – für den Trennungsunterhalt keine Annexzuständigkeit nach Art. 3 lit c EuUnthVO besteht (vgl. Variante I des Beispiels in Rz. 22), also auch unter diesem Aspekt keine Zuständigkeit in der Hauptsache nach der EuUnthVO vorliegt, – Sicherheitsleistung bei einer einstweiligen Anordnung nach § 246 FamFG nicht angeordnet wird und Art. 14 EuUntVO somit den Rückgriff auf §§ 105, 232 Abs. 1 Nr. 1, 50 Abs. 1 FamFG nicht zulässt. 42 Als einstweilige Maßnahmen, die bei einem allein nach nationalem Recht zu-
ständigen Gericht beantragt werden können, kommen daher vor allem Sicherungsverfügungen in Betracht, für die ein – nach den Art. 3 bis 7 EuUnthVO nicht zuständiges – deutsches Gericht gemäß Art. 14 EuUntVO seine internationale Zuständigkeit aus §§ 105, 50 Abs. 2 Satz 1 FamFG herleiten kann, wonach über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in besonders dringenden Fällen auch das in der Hauptsache nicht zuständige Amtsgericht entscheiden kann, in dessen Bezirk das Bedürfnis für ein gerichtliches Tätigwerden bekannt wird oder sich die Person oder Sache befindet, auf die sich die einstweilige Anordnung bezieht.
II. Anwendbares Recht 1. Rechtsquellen 43 Für Unterhaltsstreitigkeiten mit Bezug zum Recht eines ausländischen Staates –
zu diesem Begriff s. Rz. 1 – ist nach der Prüfung der internationalen Zuständigkeit des Gerichts das anzuwendende materielle Recht zu bestimmen. Maßgeblich sind hierfür – die unmittelbar anwendbaren Regelungen der Europäischen Union, insbesondere Art. 15 EuUnthVO in Verbindung mit dem Haager Protokoll über das auf
1 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 14 EG-UntVO, Rz. 13. 2 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 14 EG-UntVO, Rz. 13 und 14; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. 246.
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II. Anwendbares Recht
Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23. November 2007 (HUP), Art. 3 Nr. 1c EGBGB, (s. Rz. 45) sowie – Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen, soweit sie unmittelbar anwendbares Recht geworden sind, Art. 3 Nr. 2 EGBGB (s. Rz. 69 ff.). Den Vorrang des supranationalen Rechts gegenüber den Regelungen des deut- 44 schen internationalen Privatrechts stellt Art. 3 EGBGB ausdrücklich klar. Generell sind Regelungen im autonomen deutschen Kollisionsrecht nicht einschlägig, sofern europäisches oder staatvertragliches Internationales Privatrecht maßgeblich ist.1 Speziell für das Unterhaltsrecht gibt es auch keine autonome Kollisionsregel mehr; im Hinblick auf das vorrangige EU-Recht wurde Art. 18 EGBGB, der zuvor das anwendbare Recht in Unterhaltssachen bestimmte, mit Wirkung vom 18. Juni 2011 aufgehoben. 2. Das Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23. November 2007 (HUP) a) Anwendungsbereich Für die Bestimmung des berufenen Rechts in Unterhaltssachen ist in den Mit- 45 gliedstaaten der Europäischen Union (mit Ausnahme Dänemarks und des Vereinigten Königreiches) die praktisch bedeutsamste Quelle das Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23. November 2007 (HUP)2. Am 23. November 2007 wurde das Haager Übereinkommen zur internationalen Durchsetzung von Kindesunterhalt und anderen Formen von Familienunterhalt (HUÜ 2007)3 verabschiedet, dem das Protokoll über das auf Unterhaltsverpflichtungen anwendbare Recht (HUP) beigefügt ist, wobei Übereinkommen und Protokoll getrennt gezeichnet und ratifiziert werden können. Hintergrund dieser Aufteilung war der Widerstand der Staaten des Common Law gegen Kollisionsnormen, die innerstaatliche Gerichte zur Anwendung ausländischen Rechts in Unterhaltssachen verpflichten können.4 Das HUP ist am 8. April 2010 durch die EU als erstem Vertragsstaat5 unterzeichnet und ratifiziert worden, wobei vom Beitritt Dänemark und das Vereinigte Königreich ausgenommen sind.6 Seine vorläufige Anwendung ab dem 18. Juni 2011 wurde bereits durch den Beschluss des Rates vom 30. November 2009 angeordnet.7 Völkerrechtlich ist das Übereinkommen aber erst am 1. August 2013 in Kraft getreten8 und seither aufgrund der Verweisung in Art. 15 EuUnthVO in den Mitgliedstaaten, die durch das HUP gebun1 Palandt/Thorn, EGBGB Art. 3 Rz. 1, 6 und 10. 2 Das Protokoll ist abgedruckt u.a. im Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, S. 2608 ff. 3 Das Übereinkommen ist von der EU unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert (der Text und der Status des Übereinkommens ist abrufbar unter der Internetadresse der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht unter www.hcch.net (Pfad: Überkommen, Nr. 38). 4 Kohler/Pintens, FamRZ 2009, 1529 (1530). 5 Die EU hat das Protokoll als Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration (Art. 24 HUP) unterzeichnet und ratifiziert. 6 Näheres hierzu bei Kohler/Pintens, FamRZ 2009, 1529(1530). 7 ABl. EU, L 331, S. 17. 8 Hierfür war gemäß Art. 25 HUP die Unterzeichnung und Ratifikation des Protokolls durch einen 2. Staat erforderlich, eine Voraussetzung, die mit dem Beitritt der Republik Serbien vom 10.4.2013 zu dem Protokoll erfüllt worden ist. Der Status des Protokolls ist abrufbar unter der Internetadresse der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht unter www.hcch.net (Pfad: Überkommen, Nr. 39).
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N. Unterhaltsansprüche mit Auslandsberührung
den sind, unmittelbar anzuwenden (vgl. auch Art. 3 Nr. 1c EGBGB). Das HUP ist mithin – obwohl ein internationales Übereinkommen – als Teilstück der EuUnthVO dem EU-Recht inkorporiert.1 46 Das HUP ist auch im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten anwendbar.2 Es setzt
keine Gegenseitigkeit voraus, sondern bestimmt das jeweils anwendbare Recht nach Art. 2 HUP mit universellem (allseitigem) Geltungsanspruch. Das Protokoll ist auch dann anzuwenden, wenn das darin bezeichnete Recht dasjenige eines Nichtvertragsstaats ist (Art. 2 HUP). Einschlägig sind jeweils die Sachvorschriften des anwendbaren Rechts, eine Rückverweisung durch Kollisionsrecht ist ausgeschlossen (Art. 12 HUP). 47 In seinem sachlichen Anwendungsbereich regelt das HUP das auf solche Unter-
haltspflichten anzuwendende Recht, die sich aus Beziehungen der Familie, Verwandtschaft, Ehe oder Schwägerschaft ergeben, einschließlich der Unterhaltspflichten gegenüber einem Kind, ungeachtet des Familienstands seiner Eltern (Art. 1 HUP). Als familiärer Unterhaltsanspruch ist auch der Unterhaltsanspruch eines Elternteils zu verstehen, der sich aus der Geburt oder der Betreuung eines gemeinsamen Kindes (z.B. § 1615l BGB) ergibt.3 b) Grundzüge aa) Regelanknüpfung und Ausnahmen beim Unterhaltsstatut 48 Als Grundregel sieht Art. 3 Abs. 1 HUP vor, dass für Unterhaltspflichten grund-
sätzlich das Recht des Staates maßgebend ist, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist im HUP nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des EuGH wird der gewöhnliche Aufenthalt einer Person bestimmt durch die soziale Integration und den Lebensmittelpunkt,4 vgl. auch Rz. 11. Maßgebend sind die faktischen Verhältnisse, auf den Wohnsitz kommt es nicht an.5 Wechselt die unterhaltsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt, so ist vom Zeitpunkt des Aufenthaltswechsels an das Recht des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts anzuwenden; das Unterhaltsstatut nach Art. 3 Abs. 1 HUP ist wandelbar (Art. 3 Abs. 2 HUP). 49 Zu beachten ist, dass das HUP differenzierte Lösungen für unterschiedlich ge-
wichtete Unterhaltsverhältnisse vorsieht. Bei Unterhaltsansprüchen von Kindern gegenüber ihren Eltern, von Personen unter 21 Jahren sowie von Eltern gegenüber ihren Kindern (Art. 4 HUP) wird das sog. Günstigkeitsprinzip betont, d.h. wenn das primär berufene materielle Recht keinen Unterhaltsanspruch vorsieht, erfolgt zugunsten eines etwaigen Unterhaltsanspruchs eine subsidiäre Anknüpfung (s. Rz. 59 und 61). Beim ehelichen und nachehelichen Unterhaltsanspruch soll mithilfe der Einrede in Art. 5 HUP das Recht zur Anwendung gebracht werden, das die engste Beziehung zu der betreffenden Ehe aufweist (s. Rz. 65). Und bei Unterhaltsverhältnissen, die nicht gegenüber einem Kind auf1 Ring/Olsen-Ring in Süß/Ring, § 1 Rz. 216. 2 BGH, FamRZ 2013, 1366; Andrae, Internat. Familienrecht, § 8 Rz. 103. 3 BGH, FamRZ 2011, 97, noch zu dem fast wortgleichen Art. 1 HUÜ 73, m. Anm. Eichel. 4 EuGH, FamRZ 2009, 843 für den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts i.S. von Art. 8 Abs. 1 VO (EG) Nr. 2201/2003. 5 BGH, FamRZ 2001, 412.
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II. Anwendbares Recht
grund einer Eltern-Kind-Beziehung oder zwischen (auch früheren) Ehegatten bestehen, wird gemäß Art. 6 HUP zulasten des Unterhaltsberechtigten eine besondere Möglichkeit der Verteidigung geschaffen. Die auf Unterhalt in Anspruch genommene Person kann dem Anspruch entgegenhalten, dass ein solcher Anspruch weder nach dem Recht ihres Aufenthaltsstaates noch nach dem Recht des Staates besteht, dem die Parteien gemeinsam angehören. bb) Rechtswahl Das HUP lässt eine – eingeschränkte – Rechtswahl zu. Es kennt zwei Arten der 50 Rechtswahl: Für ein einzelnes Gerichtsverfahren gestattet Art. 7 HUP die Wahl der lex fori, als das am Ort des angerufenen Gerichts geltende Recht, wobei die Wahl ausdrücklich (nicht nur konkludent) erfolgen muss. Nach Art. 8 HUP ist eine vorausschauende Rechtswahl möglich, wobei aber nur die in Art. 8a) bis d) HUP im Einzelnen aufgeführten Rechte wählbar sind. Erfolgt die Rechtswahl vor der Einleitung des Verfahrens, müssen die Beteiligten die Wahl in Form einer unterzeichneten schriftlichen Vereinbarung treffen oder auf einem Datenträger erfassen, dessen Inhalt für eine spätere Einsichtnahme zugänglich ist (Art. 7 Abs. 2 HUP, Art. 8 Abs. 2 HUP). Zum Schutz des Unterhaltsberechtigten als der im Allgemeinen schwächeren 51 Partei sind Vorkehrungen bei der Rechtswahl getroffen. Die vorausschauende Wahlmöglichkeit besteht nicht bei der Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem Kind, welches das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, oder gegenüber einem Erwachsenen, der aufgrund einer Beeinträchtigung oder der Unzulänglichkeit seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage ist, seine Interessen zu schützen (Art. 8 Abs. 3 HUP). Dem Schutz des Unterhaltsberechtigten dient auch Art. 8 Abs. 4 HUP, wonach sich ein Unterhaltsverzicht nach dem Unterhaltsstatut im Zeitpunkt der Rechtswahl, und nicht nach dem gewählten Recht beurteilt. Darüber hinaus unterliegen die Wirkungen einer Rechtswahl in jedem Fall einer richterlichen Missbrauchskontrolle (§ 8 Abs. 5 HUP). Das von den Parteien bestimmte Recht ist nicht anzuwenden, wenn seine Anwendung für eine der Parteien offensichtlich unbillige oder unangemessene Folgen hätte, es sei denn, dass die Parteien im Zeitpunkt der Rechtswahl umfassend unterrichtet und sich der Folgen ihrer Wahl vollständig bewusst waren. cc) Wirkungen des Unterhaltsstatuts Das auf die Unterhaltspflicht anzuwendende Recht bestimmt nach Art. 11 HUP 52 insbesondere, – ob, in welchem Umfang und von wem der Unterhaltsberechtigte Unterhalt verlangen kann (Art. 11 lit. a HUP); – in welchem Umfang die berechtigte Person Unterhalt für die Vergangenheit verlangen kann (Art. 11 lit. b HUP); – die Grundlage für die Berechnung des Unterhaltsbetrags und für die Indexierung (Art. 11 lit. c HUP); – wer zur Einleitung eines Unterhaltsverfahrens berechtigt ist unter Ausschluss von Fragen der Prozessfähigkeit und der Vertretung im Verfahren (Art. 11 lit. d HUP);
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N. Unterhaltsansprüche mit Auslandsberührung
– die Verjährungsfristen oder die für die Einleitung eines Verfahrens geltenden Fristen (Art. 11 lit. e HUP); – den Umfang der Erstattungspflicht der verpflichteten Personen, wenn eine öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtung die Erstattung der der berechtigten Person anstelle von Unterhalt erbrachten Leistungen verlangt (Art. 11 lit. f HUP, sog. Begrenzungsstatut). Die Befugnis der öffentlichen Hand, Erstattung von erbrachten Leistungen zu fordern, richtet sich dabei nach Recht ihres Sitzes (Art. 10 HUP, sog. Erstattungsstatut). 53 Die Anwendung des nach dem HUP bestimmten Rechts steht (nur) unter dem
allgemeinen Vorbehalt des „ordre public“. Von der Anwendung des nach dem HUP bestimmten Rechts darf nur abgesehen werden, soweit seine Wirkungen der öffentlichen Ordnung des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich widersprechen (Art. 13 HUP). c) Insbesondere: Anwendbares Recht beim Kindes- und Elternunterhalt sowie beim Unterhalt gegenüber Personen unter 21 Jahren 54 Die kollisionsrechtlichen Regelungen für den Kindes- und Elternunterhalt, so-
wie für Unterhaltsansprüche von Personen unter 21 Jahren (die sich nicht gegen die Eltern und den – früheren – Ehegatten richten) sind gleich, Art. 3 und 4 HUP. Im Folgenden wird der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seine Eltern und von Personen unter 21 Jahren behandelt. Die Ausführungen gelten aber auch für den Elternunterhalt, der nicht eigens dargestellt wird. 55 Der Unterhalt von Kindern, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland
haben, beurteilt sich aufgrund von Art. 3 Abs. 1 HUP nach deutschem Recht. Haben die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, führt die Regelanknüpfung des Art. 3 Abs. 1 HUP dazu, dass für die Unterhaltspflicht des in Deutschland lebenden Elternteils das ausländische Unterhaltsrecht am Aufenthaltsort des Kindes gilt. Allerdings enthält Art. 4 Abs. 3 Satz 1 HUP eine praktisch bedeutsame Sonderregelung: Hat das Kind die zuständige Behörde des Staates angerufen, in dem die verpflichtete Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (d.h. in Deutschland: ein deutsches Gericht), so ist sein Unterhaltsanspruch von vornherein nach der lex fori des angerufenen Gerichts (d.h. nach deutschem Recht) zu beurteilen. 56 Beispiel Die bei der Mutter M in Peru lebenden minderjährigen Kinder verlangen von ihrem in Deutschland wohnenden Vater V vor dem nach Art. 3 lit. a EuUnthVO örtlich zuständigen Amtsgericht laufenden Unterhalt. Der Unterhaltsanspruch der Kinder beurteilt sich nach deutschem Recht, weil die Kinder das Gericht angerufen haben, in dessen Bezirk V seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 4 Abs. 3 Satz 1 HUP). Die Staatsangehörigkeit der Beteiligten spielt für das anwendbare Recht keine Rolle.
57 Die in Art. 3 und 4 HUP bestimmten Anknüpfungsregeln sind auch dann zu be-
achten, wenn sich der Unterhaltspflichtige gegenüber dem Anspruchsteller darauf beruft, weiteren Personen unterhaltspflichtig zu sein. Es handelt sich hierbei nicht um Vor- oder Teilfragen, die im jeweiligen Einzelfall einheitlich anhand desselben Unterhaltstatuts beantwortet werden müssten. Vielmehr ist die Frage, ob und gegenüber wem eine Unterhaltspflicht besteht (Art. 11 lit. a HUP), selbständig anzuknüpfen und anhand des jeweils maßgeblichen materiellen Unterhalts910 Rasch
II. Anwendbares Recht
rechts zu entscheiden (a.A. OLG Nürnberg, IPRax 2012, 551, 552, aber ohne nähere Begründung). 58
Beispiel Der 19jährige Sohn S einer Brasilianerin und eines Deutschen lebt bei der Mutter in Spanien, wo er die staatliche Schule besucht. Er nimmt seinen in Berlin lebenden Vater V vor dem örtlich zuständigen AG Tempelhof-Kreuzberg auf Unterhalt in Anspruch. V wendet sich gegen die Höhe des geltend gemachten Unterhaltsanspruchs u.a. mit der Begründung, er leiste für seine nichteheliche 9 Monate alte Tochter E und deren Mutter – beide wohnhaft in Rumänien – Unterhalt. Der Unterhaltsanspruch von S beurteilt sich nach deutschem Recht, weil S das Gericht angerufen hat, in dessen Bezirk V seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 4 Abs. 3 Satz 1 HUP). Bei der Bemessung des Unterhalts von S ist von einer Unterhaltspflicht des V gegenüber zwei Kindern auszugehen, die einander gleichrangig sind. Denn S steht als privilegiertes volljähriges Kind nach §§ 1609 Nr. 1, 1603 BGB gleichrangig neben der minderjährigen Tochter E. Deren Unterhaltsanspruch richtet sich wegen ihres gewöhnlichen Aufenthalts in Rumänien nach rumänischem Recht. Nach rumänischen Recht haben Eltern ihren Kindern Unterhalt zu gewähren, es wird nicht zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern unterschieden (Art. 107 des rumänischen Familiengesetzbuches, im Folgenden: FGB). Minderjährige Kinder haben Anspruch auf Unterhalt gegenüber ihren Eltern ohne Rücksicht auf den Grund der Bedürftigkeit (Art. 86 Abs. 3 FGB). Der Mutter von E, deren Anspruch sich ebenfalls nach rumänischem Recht richtet, schuldet V allerdings keinen Unterhalt. Insoweit ist der erhobene Einwand des V unerheblich. Variante: Verlegen E und ihre Mutter ihren Lebensmittelpunkt nach Deutschland, richtet sich der Unterhaltsanspruch der beiden gegen V ab der Übersiedlung nach deutschem Recht. Allerdings wäre ein Unterhaltsanspruch der Mutter von E nach § 1615l BGB gegenüber dem Anspruch von S nachrangig (§ 1609 Nr. 1 und 2 BGB).
Hat ein im Ausland lebendes Kind unter 21 Jahren ein deutsches Gericht ange- 59 rufen und steht ihm nach deutschem Recht kein Unterhalt gegen die in Anspruch genommen Person zu, ist das Recht des Aufenthaltsstaates anzuwenden (Art. 4 Abs. 3 Satz 2 HUP). 60
Beispiel Ein in Italien lebendes 10 Jahre altes Kind nimmt seine in Deutschland lebende Schwester vor dem zuständigen deutschen Gericht auf Unterhalt in Anspruch. Im Gegensatz zum deutschen Recht, welches eine Unterhaltsverpflichtung zwischen Geschwistern nicht kennt, sieht das italienische Recht eine solche vor. Nach Art. 433 Nr. 6, 439 Codice civile (Cciv) ist zwischen Brüdern und Schwestern der notdürftige Unterhalt geschuldet. Hierauf kann sich das Kind berufen. Haben die Geschwister beide die italienische Staatsangehörigkeit steht der in Deutschland lebenden Schwester die Einrede nach Art. 6 HUP nicht zur Verfügung. Zwar besteht für sie nach deutschem Recht als dem Recht ihres Aufenthaltsstaates keine Unterhaltspflicht, sie ist ihrer Schwester aber nach dem gemeinsamen Heimatrecht zum Unterhalt verpflichtet.
Kann die berechtigte Person weder nach dem Recht ihres gewöhnlichen Aufent- 61 haltsortes noch nach der lex fori von der verpflichteten Person Unterhalt erhalten, so ist gegebenenfalls das Recht des Staates, dem die Beteiligten gemeinsam angehören, anzuwenden (Art. 4 Abs. 4 HUP).
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62 Beispiel Ein italienisches in Deutschland lebendes Kind kann seine italienische Schwester mit Erfolg vor einem deutschen Gericht auf Unterhalt in Anspruch nehmen. Unerheblich ist, wo die Schwester lebt, ob in Deutschland oder in Italien.
63 Die unter Rz. 60 und 61 genannten hilfsweisen Anknüpfungen erfolgen nur in
den Fällen, in denen das an sich berufene Recht des Berechtigten einen Unterhaltsanspruch dem Grunde nach nicht zulässt. Es reicht nicht aus, wenn nach den besondere Umständen des konkreten Falles (z.B. fehlende Leistungsfähigkeit des Verpflichteten) kein Unterhalt zu gewähren ist.1 d) Insbesondere: Anwendbares Recht beim Trennungs- und Geschiedenenunterhalt 64 Nach der Grundsatzanknüpfung des Art. 3 Abs. 1 HUP kann ein in Deutschland
lebender Ehegatte Unterhalt von dem anderen getrennt lebenden oder geschiedenen Ehepartner stets nach deutschem Recht verlangen, gleichgültig welche Staatsangehörigkeit er hat und gleichgültig, wo der andere Ehegatte lebt und welche Staatsangehörigkeit er hat. Hat der Unterhaltsberechtigte dagegen seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, führt die Regelanknüpfung des Art. 3 Abs. 1 HUP dazu, dass sich die Unterhaltspflicht des in Deutschland lebenden Ehegatten nach dem ausländischen Unterhaltsrecht am Aufenthaltsort des anderen Ehegatten richtet. 65 Beim Unterhalt zwischen Ehegatten und früheren Ehegatten trifft Art. 5 HUP ei-
ne Sonderregelung: Art. 3 HUP – also die Regelanknüpfung des Unterhaltsstatus an den gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten – findet keine Anwendung, wenn einer der Beteiligten sich (einredeweise) dagegen wendet und das Recht eines anderen Staates, insbesondere des Staates des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Eheleute, zu der betreffenden Ehe eine engere Verbindung aufweist. In diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden. Hintergrund dieser Regelung ist das Vertrauen eines Ehegatten in diejenige Rechtsordnung, der sich beide Eheleute während des Bestehens der Ehe unterstellt haben.2 Dabei ist der letzte gemeinsame Aufenthaltsort während der Ehe nur ein Indiz, es kommt auf eine Gesamtabwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls an:3 der Ort der Eheschließung, gemeinsamer Aufenthaltsort während der Ehe, Gründe für einen Aufenthalt im Ausland, tatsächliche Integration im Ausland, die Staatsangehörigkeit der Eheleute und ihrer gemeinsamen Kinder können eine Rolle spielen. Die Regelung in Art. 5 HUP ist von ihrer Intention her gerechtfertigt, es steht aber zu vermuten, dass sie sich in der Praxis als streitträchtig erweist, weil mit ihrer Hilfe schlicht versucht werden dürfte, die Anwendung des für den jeweiligen Ehepartner „günstigsten“ Rechts herbeizuführen. 66
Û
Praxishinweis: Der Zeitpunkt, bis zu dem die Einrede nach Art. 5 HUP erhoben werden kann, ist in Art. 5 HUP nicht benannt, deshalb ergibt er sich aus dem Verfahrensrecht am Ort des erkennenden Gerichtes. In Deutschland kann die Einrede bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erhoben
1 Andrae, Internat. Familienrecht, § 8, Rz. 128; Ring/Olsen-Ring, § 1 Rz. 230. 2 BGH, FamRZ 2013, 1366 (1369), Rz. 44; Dimmler/Bißmeier, FPR 2013, 11 (13); Bonomi, S. 21, Art. 5 Nr. 78. 3 Bonomi, S. 24, Art. 5 Nr. 86; Gruber, FamRZ, 2013, 1374.
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II. Anwendbares Recht
werden.1 Das Gericht ist aber nicht verpflichtet, auf die Möglichkeit einer Einrede nach Art. 5 HUP hinzuweisen.2 Vorsicht ist geboten bei Altverfahren zum nachehelichen Unterhalt: Für Verfah- 67 ren, die vor dem 18. Juni 2011 eingeleitet worden sind, ist jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt das auf die Ehescheidung angewandte Recht für den nachehelichen Unterhalt maßgebend (Art. 8 Abs. 1 HUÜ 1973/§ 18 Abs. 4 EGBGB a.F.). Streitig ist, ob sich der nacheheliche Unterhalt für die Zeit ab dem 18. Juni 2011 weiterhin wie bisher nach dem Scheidungsstatut oder aber gemäß Art. 3 Abs. 1 HUP nach dem Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Unterhaltsberechtigten richtet. Zum Teil wird ein Statutenwechsel im laufenden Verfahren durch die Anwendung anderer Kollisionsnormen abgelehnt.3 Die Gegenmeinung verweist demgegenüber auf Art. 22 HUP, wonach sich der zeitliche Anwendungsbereich des HUP (nur) auf den Zeitraum nach Inkrafttreten des HUP bezieht.4 Der BGH hat die Streitfrage bislang offengelassen.5 In Verfahren auf nachehelichen Unterhalt, die nach dem 18. Juni 2011 eingelei- 68 tet worden sind, bestimmt sich das anwendbare Recht dagegen – und zwar ungeachtet des Art. 22 HUP – auch dann einheitlich nach dem HUP, wenn Unterhalt für die Zeit vor dem 18. Juni 2011 verlangt wird. Das ergibt sich für die Mitgliedstaaten der EU aus Art. 5 Abs. 1 des Beschlusses des Rates vom 30. November 2009, der diese Regelung bei der vorläufigen Inkraftsetzung des HUP in der EU ausdrücklich getroffen hat.6 3. Völkerrechtliche Vereinbarungen a) Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973 (HUÜ 73) Als völkerrechtliche Vereinbarung ist das Haager Übereinkommen über das auf 69 Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973 (HUÜ 73) zu nennen.7 Es ist der Vorgänger des HUP, welches auf ihm aufbaut und es war in Unterhaltssachen bis zur Anwendung des HUP in der EU am 18. Juni 2011 die praktisch bedeutsamste Quelle für die Bestimmung des berufenen Rechts. Seither ist der Anwendungsbereich des internationalen Übereinkommens umstritten, die Abgrenzung zwischen HUÜ 73 und HUP erweist sich als schwierig. Ein Großteil der Literatur verweist auf Art. 18 HUP, wonach das Protokoll (nur) im Verhältnis zwischen seinen Vertragsstaaten das HUÜ 73 ersetzt. Deshalb gelte das HUÜ 73 seit dem 18. Juni 2011 noch im Verhältnis zu den Vertragsstaaten, die zwar dem HUÜ 73 beigetreten, nicht aber Vertragsparteien des HUP geworden sind, mithin im Verhältnis zu Japan, der Schweiz und der Türkei.8 Die Gegen1 BGH, FamRZ 2013, 1366 (1369), Rz. 47. 2 Gruber, FamRZ 2013, 1374. 3 Dimmler/Bißmaier, FPR 2013, 11, 12; Erman/Hohloch, Art. 18 aF EGBGB/UnthProtRz. 1; Coester-Waltjen, IPrax 2012, 528 (529). 4 OLG Celle, FamRZ 2012, 1501; OLG Köln, FamRZ 2012, 1509; Andrae, § 8, Rz. 128; Bonomi, S. 43, Art. 22, Nr. 204, Conti/Bißmaier, FamRBint 2011, 62 (64). 5 BGH, FamRZ 2013, 1366 (1369), Rz. 38. 6 ABl. EU 2009, L 331, S. 17; OLG Celle, FamRZ 2012, 1501; kritisch Rauscher, Int. PrivatR, § 8, Rz. 900. 7 BGBl. II 1986, S. 837. 8 Andrae, Internationales Familienrecht, § 8, Rz. 98; Palandt/Thorn, HUntProt., Rz. 53, 55; Ring/Olsen-Ring in Süß/Ring, Eherecht in Europa, § 1, Rz. 248; Henrich, Rz. 136.
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N. Unterhaltsansprüche mit Auslandsberührung
meinung will das HUP anstelle des HUÜ 73 auch im Verhältnis zu diesen Staaten anwenden, weil das HUÜ 73 durch das – allseitig geltende – HUP (Art. 2 HUP) vor den Gerichten in den durch das Protokoll gebundenen Mitgliedstaaten der EU vollständig verdrängt werde und auch das HUÜ 73 mit seinem Art. 19 eine Öffnungsklausel zugunsten späterer (modernerer) unterhaltsrechtlicher Abkommen enthalte.1 Eine ausreichende völkerrechtliche Legitimation dieser Auffassung ist jedoch nicht ersichtlich. Sie wird insbesondere der ausdrücklichen und gegenüber Art. 2 HUP spezielleren Regelung des Art. 18 HUP nicht gerecht, der den Geltungsbereich des HUP im Verhältnis zum HUÜ 73 eigens festlegt und dabei dem völkerrechtlichen Grundsatz folgt, dass bereits bestehende, staatsvertraglich übernommene Verpflichtungen durch neue internationale Übereinkünfte nicht verletzt werden dürfen. 70 Der Meinungsstreit kann in der Praxis zu bedeutsamen Unterschieden führen.
Zwar verweisen sowohl das HUÜ 73 als auch das HUP grundsätzlich auf das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Unterhaltsberechtigten (Art. 4 Abs. 1 HUÜ 73, Art. 3 HUP), sie weichen aber bei der Anknüpfung für den ehelichen und nachehelichen Unterhalt als auch hinsichtlich der Möglichkeit einer Rechtswahl voneinander ab. Nach Art. 8 Abs. 1 HUÜ 73 ist in einem Staat, in dem eine Ehescheidung ausgesprochen oder anerkannt worden ist, für die Unterhaltspflichten zwischen den geschiedenen Eheleuten das auf die Ehescheidung angewandte Recht maßgebend. Und das HUÜ 73 kennt im Gegensatz zum HUP nicht die Möglichkeit einer Rechtswahl. 71 Beispiel Türkische Eheleute mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland haben sich in der Türkei nach türkischem Recht scheiden lassen, die Scheidung ist in Deutschland anerkannt. Nach der hier vertretenen Auffassung richtet sich der in Deutschland geführte Streit um den nachehelichen Unterhalt der früheren Ehefrau gemäß Art. 8 Abs. 1 HUÜ 73 (Anknüpfung an das Scheidungsstatut) nach türkischem Recht. Würde dagegen vor den deutschen Gerichten das HUÜ 73 vom HUP vollständig verdrängt, wäre der Unterhaltsanspruch der früheren Ehefrau gemäß Art. 3 Abs. 1 HUP (Anknüpfung an das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten) nach deutschem Recht zu beurteilen. Der BGH konnte im Urteil vom 26.6.20132 diese Streitfrage offenlassen und hat sie deshalb nicht gemäß Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der europäischen Union (AEUV) dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.
b) Weitere völkerrechtliche (multi- oder bilaterale) Abkommen mit kollisionsrechtlichen Regelungen 72 Andere völkerrechtliche Vereinbarungen mit kollisionsrechtlichen Regelungen
haben nur geringe praktische Bedeutung. Das Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht von 1956 (HKUntÜ)3 gilt in seinem eingeschränkten Anwendungsbereich (Unterhaltsansprüche von Kindern bis 21 Jahre) nur noch gegenüber Liechtenstein und Macau.4 Und das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen von 1929, wel-
1 Gruber, FamRZ 2013, 1374 (1375); Hausmann, IntEuSchR, C, Rz. 424; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rz. 899; Dimmler/Bißmaier, FPR 2013, 11 (12); vgl. BT-Drucks. 17/4887, S. 53. 2 BGH, FamRZ 2013, 1366. 3 BGBl. 1961 II, S. 1013. 4 Hausmann, IntEuSchR, C, Rz. 425.
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III. Unterhaltsbemessung
ches die ausschließliche Geltung von persischem Sachrecht bestimmt, ist nur zwischen Iranern anzuwenden, die beide keine weitere Staatsangehörigkeit besitzen.1
III. Unterhaltsbemessung 1. Allgemeines In welchem Umfang Unterhalt verlangt werden kann, entscheidet das Unter- 73 haltsstatut (Art. 11 lit. a HUP). Es sind jeweils die Anspruchsvoraussetzungen des maßgeblichen Rechts zu prüfen. Bei der Bemessung des Unterhalts sind jedoch immer die Bedürfnisse des Berechtigten und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen, selbst wenn das anzuwendende Recht etwas anderes bestimmt (Art. 14 HUP). In der Praxis bereitet die Unterhaltsbemessung vielfach Schwierigkeiten. Um 74 die wirtschaftlichen Verhältnisse eines im Ausland lebenden Beteiligten richtig erfassen zu können, ist ein detaillierter Vortrag oft unerlässlich, z.B. wenn es darum geht, das erzielte Einkommen, bzw. Verdienstmöglichkeiten einzuschätzen (lokaler Stellenmarkt, übliches Lohnniveau, bzw. Tariflöhne, ggf. gesetzlicher Mindestlohn) oder den Vorteil mietfreien Wohnens zu bestimmen (Mietspiegel, Zeitungsannoncen, Maklerangaben). Es kann auch erforderlich sein, die Abgaben vom Einkommen anhand des ausländischen Steuersystems oder der dortigen Sozialversicherungssysteme zu überprüfen. Hat der Unterhaltsberechtigte seinen Aufenthalt im Ausland, hängt sein Bedarf 75 nicht nur vom hiesigen Einkommen des Verpflichteten, sondern auch davon ab, welche Geldbeträge der Berechtigte dort benötigt, um ihm den nach der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zustehenden Lebensstandard zu ermöglichen.2 Lebt und arbeitet dagegen der Unterhaltsverpflichtete im Ausland, muss sein dort erzieltes Einkommen und der Selbstbehalt im Hinblick auf unterschiedliche Lebenshaltungskosten korrigiert werden. 2. Berechnungshilfen für die Bemessung des Unterhaltsbedarfs und der Leistungsfähigkeit bei voneinander abweichenden Lebensverhältnissen Wenn es darum geht, den Bedarf und die Leistungsfähigkeit bei im Ausland le- 76 benden Beteiligten zu ermitteln, können die Tabellen und Unterhaltsleitlinien deutscher Gerichte nicht pauschal angewandt werden, weil diese auf die Lebensverhältnisse in Deutschland ausgerichtet sind. In der Praxis gehen die deutschen Gerichte so vor, dass sie den Unterhaltsbetrag, der im Inland unter Verwendung der hiesigen Tabellen und Richtlinien geschuldet wäre, bestimmen hierbei aber das Einkommen des Unterhaltspflichtigen oder den Unterhaltszahlbetrag im Hinblick auf die Unterschiede in der Kaufkraft korrigieren. Dabei behelfen sich die Gerichte auf unterschiedliche Weise.
1 RGBl. 1930 II 1006; BGBl. 1955 II 829. 2 BGH, FamRZ 1987, 682; Unger/Unger, FPR 2013, 19 (21); Krause, FamRZ 2002, 145 ff.
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N. Unterhaltsansprüche mit Auslandsberührung
a) Ländergruppeneinteilung 77 Lebt der Unterhaltsberechtigte im Ausland, wird häufig vom ermittelten Unter-
halt ein Abschlag mit einer Quote vorgenommen, die sich aus der Ländergruppeneinteilung zu § 33a EStG ergibt, welche das Bundesministerium für Finanzen veröffentlicht,1 um ins Ausland fließende Unterhaltsleistungen unter Berücksichtigung der Kaufkraftunterschiede steuerrechtlich angemessen zu bewerten. Dabei sind die Länder in vier Gruppen eingeteilt: Bei Gruppe 1 werden die abzugsfähigen Höchstbeträge in voller Höhe, bei Gruppe 2 zu 3/4, bei Gruppe 3 zu 1/2 und bei Gruppe 4 zu 1/4 angesetzt. Überträgt man dies auf Unterhaltsfälle, so ist der nach der DT ermittelte Bedarf um den entsprechenden Bruchteil zu kürzen.2 Da das Kind an dem höheren Lebensstandard des in Deutschland lebenden Verpflichteten teilhaben soll, wird der Abschlag von den Gerichten oft im Wege der Schätzung zugunsten des Kindes verringert.3 78 Beispiel Das in der Türkei lebende minderjährige Kind verlangt von seinem in Deutschland wohnenden Vater Unterhalt. Bei der Unterhaltsbemessung ist die Düsseldorfer Tabelle heranzuziehen, auch wenn es in der Türkei keine Unterhaltstabellen gibt und der Unterhalt nach freiem Ermessen festgesetzt wird. Den unterschiedlich hohen Lebenshaltungskosten ist durch einen Abschlag beim Unterhaltsbedarf Rechnung zu tragen. Nach dem Stand zum 1.1.2012 ist die Türkei in der Ländergruppeneinteilung der Gruppe 3 zugeordnet. Dies ergäbe einen Abschlag von 1/2. Das OLG München hat im Jahr 2001 anstelle der damals tabellarisch angezeigten Kürzung von 2/3 nur einen Abschlag von einem Drittel vorgenommen.4
79 Die Anpassung des Unterhalts entsprechend der Ländergruppeneinteilung ist
leicht zu handhaben. Neben ihrer Praktikabilität spricht für diese Methode auch die Tatsache, dass die Ländergruppeneinteilung des Bundesministeriums für Finanzen die Länder der Welt (konkret: 202 Länder) umfasst. Andererseits stößt die Anwendung der Ländergruppeneinteilung auf Vorbehalte, weil die Abschläge ein zu grobes Raster für die Bemessung des Unterhalts darstellen und zu wenig flexibel auf Veränderungen der Lebensverhältnisse in den ausländischen Staaten reagieren.5 Die Orientierung anhand der Ländergruppeneinteilung ermöglicht auch keine Korrektur der Unterhaltsbemessung, wenn die Lebenshaltungskosten höher sind als in Deutschland (z.B. in der Schweiz). In diesem Fall gibt die Gruppeneinteilung keinen Maßstab vor, nach dem der Unterhaltsbedarf erhöht oder – auf Seiten des Unterhaltsverpflichteten – das Einkommen nach unten, bzw. der Selbstbehalt nach oben korrigiert werden könnte.
1 BMF-Schreiben vom 4.10.2011, Berücksichtigung ausländischer Verhältnisse: Ländergruppeneinteilung ab 2012, BStBl. I 2011, 961; im Internet abrufbar unter www.bundesfi nanzministerium.de. 2 OLG Stuttgart, FamRZ 1999, 887 f. 3 OLG Zweibrücken, FamRZ 2004, 729; FamRZ 1999, 33 (35); OLG Koblenz, FamRZ 2002, 56 ff. 4 OLG München, FamRZ 2002, 55. 5 Unger/Unger, FPR 2013, 19 (22); OLG Stuttgart, FamRZ 2014, 850; OLG München, FamRZ 2002, 55; OLG Stuttgart, FamRZ 2014, 850; OLG Zweibrücken, FamRZ 1999, 33 (35).
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III. Unterhaltsbemessung
b) Statistische Tabellen zum Preisniveau Um die gegenüber Deutschland unterschiedlichen Lebens- und Preisverhältnis- 80 se zu berücksichtigen, können die statistischen Daten zum internationalen Preisvergleich herangezogen werden. Diese Statistiken beruhen – vereinfacht dargestellt – auf der Ermittlung von Kaufkraftparitäten (KKP, englisch: PPP, Purchasing Power Parities), die in Relation zu den jeweiligen Wechselkursen gesetzt werden.1 Sie geben damit Auskunft darüber, ob und um welchen Prozentsatz die Lebenshaltung in einem Land teurer oder billiger ist als in einem anderen.2 Als Anpassungsmaßstab eignen sich die vom Statistischen Amt der Europäi- 81 schen Union (Eurostat) ermittelten „Vergleichenden Preisniveaus des Endverbrauchs der privaten Haushalte einschließlich indirekter Steuern“.3 Diese Tabelle berücksichtigt die Preise für alle Waren und Dienstleistungen, die von privaten Haushalten konsumiert und bezahlt werden. An der Ermittlung dieser Daten durch Eurostat beteiligen sich derzeit aber lediglich 39 Staaten, neben den Ländern der EU u.a. Norwegen, Schweiz, Serbien, Türkei, USA und Japan. Die veröffentlichten Daten sind auch nicht tagesaktuell, sondern beschreiben einen zurückliegenden Zeitraum. Andererseits bietet die Tabelle einen Überblick über das Preisniveau der verschiedenen Länder in den letzten Jahren (von 2001 bis 2012; Stand: 8/2013). Das OLG Oldenburg4 hat als besonderen Vorteil der Eurostat Tabelle zu den ver- 82 gleichenden Preisniveaus hervorgehoben, dass bei ihrer Verwendung die Umrechnung der jeweiligen Landeswährung in Euro entfällt. Denn Eurostat ermittle die nationalen Durchschnittswerte der Preise, rechne sie in eine einheitliche Währung5 um und setze dann die auf solch einem einheitlichen Preisindex ausgedrückten Kaufkraftparitäten in Relation zu den Wechselkursen. Dabei stelle Eurostat auch auf den durchschnittlichen Devisenkurs im Erhebungszeitraum ab.
1 Die Kaufkraftparität gibt an, wie viele ausländische Geldeinheiten erforderlich sind, um die gleiche Menge Güter bestimmter Qualität im Ausland zu erwerben, die man im Inland für eine Einheit in inländischer Währung erhält. Anhand der Kaufkraftparität allein lässt sich aber nicht erkennen, ob ein Land teurer oder billiger ist als ein anderes. Das ist erst feststellbar, wenn man die Kaufkraftparität mit dem Devisenkurs vergleicht. Ist die Kaufkraftparität in ausländischer Währung größer als der Devisenkurs, ist das Ausland teurer, ist sie kleiner, ist das Ausland billiger. Bis Ende 2009 war es möglich, für den Kaufkraftvergleich die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Tabellen zu den Verbrauchergeldparitäten heranzuziehen. Seither erhebt das Statistische Bundesamt die erforderlichen Daten nicht mehr, die entsprechende Schriftenreihe ist zum 1.1.2010 eingestellt worden. 2 Statistisches Bundesamt, Internationaler Vergleich der Verbraucherpreise – Hinweise zur aktuellen Datenlage – (Stand: April 2011), S. 3 und S. 4. 3 Abrufbar im Internet unter folgendem Pfad: Eurostat/Statistiken/Haupttabellen/Vergleichende Preisniveaus = http://epp.eurostat.ec.europa.eu/tgm/table.do?tab=table&init=1& plugin=1&language=de&pcode=tec00120. 4 OLG Oldenburg, Beschluss vom 19.10.2012 – 11 UF 55/12, FamRZ 2013, 891; nicht rechtskräftig, die zugelassene Rechtsbeschwerde wurde eingelegt (BGH, XII ZB 661/12). 5 Eurostat verwendet eine künstliche Währung, den sog. Kaufkraftstandard im Euroraum, vgl. Statistisches Bundesamt, Internationaler Vergleich der Verbraucherpreise – Hinweise zur aktuellen Datenlage – (Stand: April 2011), S. 4.
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N. Unterhaltsansprüche mit Auslandsberührung
83 Beispiel (nach OLG Oldenburg, FamRZ 2013, 891) Der in der Schweiz lebende Vater V erzielt im Jahr 2010 ein bereinigtes Nettoeinkommen von 5 141,52 CHF. Er wird für diesen Zeitraum von seinen beiden 15 und 14 Jahre alten Kindern, die in Deutschland leben, auf Unterhalt in Anspruch genommen. Nach den von Eurostat mitgeteilten Daten (Stand: 8/2013) lag im Jahr 2010 das Preisniveau in der Schweiz um 147,1 % und in Deutschland um 104,4 % über dem für die EU ermittelten Durchschnittswert. Demnach betrug das Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz 1: 0,709 (104,4/147,1). Im Hinblick auf die Kaufkraft entspricht das in der Schweiz erzielte Einkommen des V damit einem in Deutschland erzielten Einkommen von 3 645, 33 Euro (5 141,52 CFH X 0,709). Der Unterhaltsbedarf der beiden Kinder ist demnach der 7. Einkommensgruppe der DT (3 501 Euro bis 3 900 Euro) zu entnehmen und beträgt 136 % des Mindestunterhalts.
84 Empfohlen wird auch die Statistik der OECD „Comparative Price Levels for
OECD countries“.1 Auch in dieser Statistik wird das Preisniveau in den OECD Staaten – bezogen auf die Konsumausgaben der privaten Haushalte – bereits mit einer Währungsgewichtung dargestellt. In dieser Tabelle, die vertikal zu lesen ist, kann man anhand der Indexdarstellung unmittelbar ablesen, um wie viel Prozent teurer oder billiger die Lebenshaltung gegenüber der in Deutschland (Index = 100) ist. In der Spalte für Deutschland bedeutet ein Index z.B. von 149 für die Schweiz eine um 49 % teurere Lebenshaltung und ein Index von 70 für Korea bedeutet eine um 30 % billigere Lebenshaltung als in Deutschland. c) Teuerungsziffern 85 Für die Kaufkraftanpassung im Unterhaltsrecht nur bedingt geeignet sind die
„Teuerungsziffern für den Kaufkraftausgleich der Auslandsbesoldung in Prozent“, die das Statistische Bundesamt monatlich veröffentlicht.2 Ins Ausland entsandte Beamte und Soldaten erhalten einen Kaufkraftausgleich, der dafür sorgt, dass sie sich mit den Dienstbezügen die gleiche Menge an Waren und Dienstleistungen der Lebenshaltung kaufen können wie im Inland. An Dienstorten mit hohem Preisniveau erhalten sie einen Zuschlag zum Gehalt und bei sehr niedrigen Preisen einen Abschlag. Die Teuerungsziffern bilden mithin nur die Kosten der Lebenshaltung von im Ausland tätigen deutschen Beamten und Soldaten ab, d.h. von Haushalten mit höherem Einkommen und besonderen, nicht immer landestypischen Bedürfnissen. Zudem werden für den zu Grunde liegenden Warenkorb auch Möglichkeiten eines direkten oder vergünstigten Bezugs von Waren und Dienstleistungen eingerechnet, also Beschaffungswege vorausgesetzt, die anderen im Ausland lebenden Personen nicht offenstehen.3 Die Aussagekraft der Teuerungsziffern ist im Hinblick auf die allgemeine Kaufkraft des Euro im Ausland daher nur eingeschränkt, worauf das Statistische Bundesamt selbst ausdrücklich hinweist.4
1 Unger/Unger, FPR 2013, 19, 22; die Tabelle ist im Internet abrufbar unter http://stat s.oecd.org/Index.aspx?datasetcode=cpl. 2 Die Tabelle ist abrufbar im Internet unter www.destatis.de. 3 Statistisches Bundesamt, Internationaler Vergleich der Verbraucherpreise – Hinweise zur aktuellen Datenlage – (Stand: April 2011), S. 2. 4 Statistisches Bundesamt, ebenda.
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IV. Ausländische Unterhaltstitel
IV. Ausländische Unterhaltstitel 1. Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer Unterhaltstitel a) Rechtsquellen Sollen ausländische Unterhaltsentscheidungen in Deutschland durchgesetzt 86 werden, müssen sie hier anerkannt und vollstreckbar sein.1 Die Voraussetzungen hierfür sind unterschiedlichen Rechtsquellen zu entnehmen (vorrangig den Rechtsakten der EU oder völkerrechtlichen Vereinbarungen, ansonsten dem autonomen deutschen Recht). Dabei gestaltet sich die Suche nach der oder den einschlägigen Rechtsquelle(n) häufig als mühselig – insbesondere bei älteren Unterhaltstiteln (vgl. das Beispiel Rz. 98). Denn es gibt etliche völkerrechtliche Vereinbarungen zur Anerkennung und Vollstreckbarkeit von Unterhaltstiteln, die sich untereinander teils unberührt lassen, teils ersetzen und/oder denen unterschiedliche Länder zu verschiedenen Zeitpunkten beigetreten sind. Praktisch bedeutsame Rechtsinstrumente sind:
87
– die EuUnthVO in Verbindung mit dem AUG (§ 1 Abs. 1 Nr. 1a und b AUG) für Titel aus den Mitgliedsstaaten der EU (einschließlich solcher aus Dänemark und dem Vereinigten Königreich), auch für Alttitel, soweit sie in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 fallen (Art. 75 Abs. 2 EuUnthVO), – das LugÜ 20072 für Titel aus Island, Norwegen und der Schweiz, für Altfälle das LugÜ 1988 jeweils in Verbindung mit dem AUG (§ 1 Abs. 1 Nr. 1c AUG und § 1 Abs. 1 Nr. 2b AUG), – das Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen (HUnthVÜ)3 in Verbindung mit dem AUG (§ 1 Abs. 1 Nr. 2a AUG) für Titel aus Albanien, Andorra, Australien, Norwegen, Schweiz, Türkei und Ukraine; da dem HUnthVÜ das Günstigkeitsprinzip zugrunde liegt, können sich bei Titeln aus der Schweiz und aus Norwegen die Anerkennung und Vollstreckung auch nach dem LugÜ 2007 richten.4 Für Unterhaltstitel aus anderen Drittländern richten sich Anerkennung und 88 Vollstreckbarkeit nach bilateralen Staatsverträgen,5 aus Staaten mit einer Empfangs- und Übermittlungsstelle gemäß dem New Yorker UN-Übereinkommen vom 20.6.19566 nach §§ 57, 1 Abs. 1 Nr. 2c AUG und ansonsten nach §§ 108 bis 110 FamFG. Für Unterhaltstitel (also nicht nur für gerichtliche Unterhaltsent-
1 Andrae, Internat. Familienrecht, § 8 Rz. 218. 2 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30.10.2007 (ABl L 339 vom 21.12.2007), EU ABl. 2009 L 147, S. 5. Dieses Übereinkommen ersetzt nach Art. 69 Abs. 6 dessen Vorgänger, das Lugano-Abkommen vom 16. September 1988 (BGBl. 1994, II S. 2658). 3 BGBl. 1986, II S. 826. 4 BGH, FamRZ 2008, 390. 5 Z.B. gibt es Staatsverträge mit Israel (BGBl. II, 1980, S. 925, 1531) und Tunesien (BGBl. II, 1969, S. 889). 6 New Yorker UN-Übereinkommen vom 20.6.1956 über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland (BGBl. 1959 II, S. 150).
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N. Unterhaltsansprüche mit Auslandsberührung
scheidungen) aus Ländern mit verbürgter Gegenseitigkeit – was insbesondere bei den Titeln aus USA und Kanada in Betracht kommt – verweist das AUG ebenfalls auf die Regelungen im FamFG (§§ 64, 1 Abs. 1 Nr. 3 AUG). 89 Im Folgenden werden nur die Vorschriften der EuUnthVO (s. Rz. 90 ff.) und die
Anerkennung und Vollstreckbarerklärungen von gerichtlichen Unterhaltsentscheidungen nach §§ 108 bis 110 FamFG (s. Rz. 103 ff.) behandelt. Eine Darstellung der verschiedenen völkerrechtlichen multi- und bilateralen Verträge würde den Rahmen dieses Kapitels, welches nur Grundprinzipien aufzeigen will, überschreiten. b) Anerkennung und Vollstreckbarkeit nach der EuUnthVO 90 Für die Anerkennung und Vollstreckbarkeit von Unterhaltstiteln, die in einem
Mitgliedstaat der EU geschaffen wurden, unterscheidet die EuUnthVO danach, ob diese Staaten durch das HUP gebunden sind oder nicht. Durch das HUP gebunden sind alle Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme von Dänemark und dem Vereinigten Königreich, s. Rz. 45. Ferner ist von Bedeutung, ob die ausländischen Unterhaltstitel in Verfahren geschaffen wurden, die vor Inkrafttreten der EuUnthVO am 18.6.2011 eingeleitet wurden (Art. 75 Abs. 2 EuUnthVO), was in der Praxis noch häufig der Fall sein wird, weil Unterhaltstitel meist langlebig sind. aa) Verfahren ohne Exequatur 91 Unterhaltsentscheidungen, die in einem durch das HUP gebundenen Mitglied-
staat in einem ab dem 18. Juni 2011 eingeleiteten Verfahren ergangen sind, sowie die in einem solchen Verfahren gebilligten oder geschlossenen gerichtlichen Vergleiche oder ausgestellten öffentlichen Urkunden werden in jedem anderen Mitgliedstaat anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf und ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann (Art. 17 Abs. 1, 48, 75 Abs. 1 EuUnthVO). Es bedarf auch keiner Vollstreckbarerklärung (Art. 17 Abs. 2, 48 EuUnthVO). Das Exequaturverfahren ist für diese Unterhaltstitel, die unter dem Regime des HUP ergangen sind, abgeschafft; sie werden wie inländische Unterhaltstitel behandelt. Anders als nach § 724 ZPO bedarf es jedoch für die Vollstreckung keiner Vollstreckungsklausel (§ 30 Abs. 1 AUG). Die Funktion der vollstreckbaren Ausfertigung übernimmt der ausländische Titel – eine Übersetzung ist nicht erforderlich (Art. 20 Abs. 2 EuUnthVO) – in Verbindung mit dem Auszug aus der Entscheidung, der unter Verwendung des Formblatts nach Art. 20 Abs. 1 lit. b, Anhang I EuUnthVO von dem Gericht, welches die Entscheidung erlassen hat (Ursprungsgericht) erstellt worden ist.1 92 Hatte sich der Antragsgegner – in der Regel der Unterhaltsschuldner – nicht auf
das Verfahren vor dem (ausländischen) Gericht eingelassen, welches die Unterhaltsentscheidung erlassen hat, kann er vor dem zuständigen Gericht des Ursprungsmitgliedstaates, d.h. des Mitgliedstaates, in dem die Entscheidung ergangen ist (Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 EuUnthVO), eine Nachprüfung der Entscheidung
1 Zu den Anforderungen an das Äquivalent zur Vollstreckungsklausel und Kritik an dessen beschränkter Aussagekraft, s. Hess/Spancken, FPR 2013, 27 (28 f.).
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IV. Ausländische Unterhaltstitel
beantragen (Art. 19 EuUnthVO).1 Dort kann er geltend machen, dass ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht so rechtzeitig oder nicht in einer Weise zugestellt worden sei, dass er sich verteidigen konnte oder dass er aufgrund höherer Gewalt oder aufgrund außergewöhnlicher Umstände ohne eigenes Verschulden nicht in der Lage gewesen sei, Einspruch gegen die Unterhaltsforderung zu erheben und dass er nicht die Möglichkeit hatte, gegen die Entscheidung einen Rechtsbehelf einzulegen. Gelingt ihm dieser Nachweis, wird die Entscheidung für nichtig erklärt (Art. 19 Abs. 3 Satz 2 EuUnthVO). Für die Zeit der Prüfung des Rechtsbehelfs nach Art. 19 EuUnthVO kann auf Antrag die Vollstreckung im Vollstreckungsmitgliedstaat, also in dem Mitgliedstaat, in dem die Vollstreckung betrieben wird (Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 EuUnthVO), ausgesetzt werden (Art. 21 Abs. 3 EuUnthVO, § 33 AUG). Zuständig für die Aussetzung ist das Konzentrationsgericht nach § 35 Abs. 1 und 2 AUG (§ 33 Abs. 2 AUG). Im Vollstreckungsmitgliedstaat hat der Schuldner die Möglichkeit, nach Art. 21 93 Abs. 2 EuUnthVO die Verweigerung der Vollstreckung zu beantragen, wenn das Recht auf Vollstreckung entweder nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates oder nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates verjährt ist, wobei die längere Verjährungsfrist gilt. Er kann nach Art. 21 Abs. 3 EuUnthVO auch die Einrede erheben, dass die zu vollstreckende Entscheidung ganz oder teilweise unvereinbar sei mit einer inländischen Entscheidung, einer anzuerkennenden Entscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat oder einer solchen aus einem Drittstaat. Unvereinbar sind zwei Entscheidungen, wenn sich ihre Rechtsfolgen wechselseitig ausschließen.2 Dabei braucht der Streitgegenstand der Entscheidungen nicht derselbe im Sinne der ZPO zu sein, Unvereinbarkeit liegt auch dann vor, wenn die Entscheidungen in ihrem Kern unvereinbar sind.3 Zuständig für ein Verfahren nach Art. 21 EuUnthVO ist das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht, die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach §§ 764 Abs. 2, 802 ZPO (Art. 31 AUG). Ansonsten stehen dem Schuldner im Vollstreckungsstaat die nach innerstaatli- 94 chem Recht eingeräumten Verteidigungsmöglichkeiten gegen die Vollstreckung zu, wie z.B. das Verfahren nach § 767 ZPO, Art. 21 Abs. 1 EuUnthVO. Vgl. hierzu Rz. 109 f. Dabei ist in der Literatur streitig, ob mit dem Vollstreckungsabwehrantrag auch der Verstoß der ausländischen Entscheidung gegen den hiesigen ordre public erfolgreich geltend gemacht werden kann. Ein Teil der Literatur vertritt den Standpunkt, Art. 21 Abs. 1 EuUnthVO lasse eine solche Prüfung zu, sie sei unverzichtbar.4 Andererseits steht diese Prüfung im Widerspruch zu den Zielen der EuUnthVO.5 Der europäische Gesetzgeber hat im Interesse einer schnellen zwangsweisen Durchsetzung von Unterhaltstiteln bewusst auf die Prüfung jeglicher Anerkennungshindernisse verzichtet, statt dessen aber mit Art. 6 HUP (s. Rz. 49) und 14 HUP (s. Rz. 73) im materiellen Recht Bestimmungen zur Harmonisierung unterschiedlicher Unterhaltsrechte getroffen und durch
1 Die konkret im Ausland zuständige Stelle (Gericht, Behörde) kann mit Hilfe des Europäischen Gerichtsatlas für Zivilsachen unter der Online-Quelle http://ec.europa.eu/justi ce_home/judicialatlascivil ermittelt werden. 2 Andrae, Internat. Familienrecht, § 8 Rz. 242. 3 Andrae, Internat. Familienrecht, § 8 Rz. 242. 4 So Heger/Selg, FamRZ 2011, 1101 (1108); Wagner/Beckmann, RIW 2011, 44 (52); Hausmann, IntEuSchR, K, Rz. 101). 5 Andrae, Internat. Familienrecht, § 8 Rz. 232; Hess/Spancken, FPR 2013, 27 (30).
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N. Unterhaltsansprüche mit Auslandsberührung
Art. 19 EuUnthVO einen weiteren Rechtsbehelf zur Wahrung des rechtlichen Gehörs im Ursprungsmitgliedstaat eingeführt. 95 Aus dem Grundsatz, dass Unterhaltstitel bei der Vollstreckung wie inländische
Titel behandelt werden, wenn sie in einem durch das HUP gebundenen Mitgliedstaat in einem ab dem 18. Juni 2011 eingeleiteten Verfahren geschaffen wurden, folgt, dass bei der Durchführung der Vollstreckung das Vollstreckungsorgan jeweils von Amts wegen zu prüfen hat, ob der vollstreckbare Anspruch in dem zu vollstreckenden Titel hinreichend bestimmt bezeichnet ist.1 Ausländische Unterhaltstitel genügen nicht immer den Anforderungen des deutschen Zwangsvollstreckungsrechts an die Bestimmtheit des geschuldeten Unterhaltsbetrages.2 Aus diesem Grund sieht Art. 34 AUG vor, dass der Unterhaltsgläubiger die Konkretisierung, d.h. die Bestimmung des vollstreckungsfähigen Inhalts in einem gesonderten Verfahren beantragen kann, wenn das Vollstreckungsorgan die Zwangsvollstreckung aus dem ausländischen Titel mangels hinreichender Bestimmtheit ablehnt. Allerdings sind einer solchen Konkretisierung Grenzen gesetzt. Inhaltliche Ergänzungen oder Abänderungen des ausländischen Titels darf das Gericht in dem Konkretisierungsbeschluss nicht vornehmen.3 Es gilt das Verbot der „revision au fond“, eine sachliche Nachprüfung der ausländischen Entscheidung ist nicht zulässig (Art. 42 EuUnthVO). 96 Beispiel Ein rumänischer Titel, der „die Zahlung eines Viertels des Arbeitseinkommens des Verpflichteten“ anordnet (vgl. Art. 94 Abs. 3 des rumänischen Familiengesetzbuches) wäre mangels hinreichender Bestimmtheit nicht vollstreckbar. Er könnte nach Art. 34 AUG auch nicht konkretisiert werden. Denn eine Konkretisierung setzt voraus, dass die Grundlagen für die Berechnung des Unterhalts allgemein zugänglich sowie leicht und sicher feststellbar sind, wie dies zum Beispiel bei Indices oder gesetzlichen Grundlagen für Zinsansprüche der Fall ist.4 Eine derartige feste und allgemein zugängliche Bezugsgröße gibt es aber nicht bei einem Titel, der auf einen nicht bezifferten Individuallohn Bezug nimmt (vgl. OLG Köln, FamRZ 2012, 384).
bb) Verfahren mit Exequatur 97 Unterhaltsentscheidungen aus Dänemark oder dem Vereinigten Königreich, die
nicht durch das HUP gebunden sind, sowie Unterhaltsentscheidungen der anderen Mitgliedstaaten der EU, die auf einem vor dem 18. Juni 2011 eingeleiteten Verfahren basieren und in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 fallen (Art. 75 Abs. 2 EuUnthVO),5 werden ebenfalls anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf (Art. 23 Abs. 1 EuUnthVO). Die Unterhaltsentscheidungen müssen aber nach der EuUnthVO für voll1 2 3 4 5
Hausmann, IntEuSchR, K, Rz. 516 f. Vgl. OLG Köln, FamRZ 2012, 384. Hausmann, IntEuSchR, K, Rz. 518. BGH FamRZ 1986, 45; FamRZ 2009, 2069 (2070). Dass die EuUnthVO bei der Anerkennung und Vollstreckung ihre Vorgängerin, die VO (EG) Nr. 44/2001 einbindet, ergibt sich aus der aktuellen – nach zweimaliger Berichtigung (!) – eindeutigen Fassung des Art. 75 Abs. 2 EuUnthVO. Danach bezieht sich der Zusatz „soweit diese Entscheidungen für die Zwecke der Anerkennung und Vollstreckung in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 fallen“ nicht nur auf Art. 75 lit. b, sondern auch auf Art. 75 lit. a EuUnthVO. Die aktuelle Fassung der Norm kann abgerufen werden unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ. do?uri=CONSLEG:2009R0004:20130701:DE:HTML.
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IV. Ausländische Unterhaltstitel
streckbar erklärt werden (Art. 26 EuUnthVO). Diese Regelung gilt sinngemäß auch für gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden, die in den Mitgliedstaaten geschaffen wurden (Art. 48 und 75 Abs. 2 Satz 3 EuUnthVO). 98
Beispiel Gegen den in Berlin-Schöneberg lebenden Unterhaltschuldner soll die am 16. April 2002 von einem österreichischen Gericht getroffene Unterhaltsentscheidung vollstreckt werden. Erforderlich ist eine Vollstreckbarerklärung der österreichischen Entscheidung, zuständig hierfür ist nach § 35 Abs. 1 AUG das Konzentrationsgericht für den Bezirk des Kammergerichts, das AG Pankow-Weißensee. Es finden die Vorschriften in Kapitel IV Abschnitt 2 EuUnthVO (Art. 23 ff. EuUnthV) Anwendung. Der zeitliche Anwendungsbereich der EuUnthVO nach Art. 75 Abs. 1 EuUnthVO ist zwar nicht eröffnet, weil die EuUnthVO am 18. Juni 2011 in Kraft getreten ist und die Entscheidung in einem früher eingeleiteten Verfahren erging. Eröffnet ist jedoch der erweiterte Anwendungsbereich der EuUnthVO nach Art. 75 Abs. 2 lit. a EuUnthVO, weil die Entscheidung in den Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 44/2001 fällt. Das ergibt sich aus der Übergangsvorschrift jener Verordnung, Art. 66 Abs. 2 VO (EG) Nr. 44/2001. Danach wurden Entscheidungen zur Vollstreckung nach der VO (EG) Nr. 44/2001 auch dann zugelassen, wenn sie – wie hier – nach dem Inkrafttreten der Verordnung am 1. März 2002 ergangen sind und die Klage im Ursprungsmitgliedstaat erhoben worden war, nachdem das Brüsseler Übereinkommen oder das Übereinkommen von Lugano sowohl im Ursprungsmitgliedstaat als auch in dem Mitgliedstaat, in dem die Entscheidung geltend gemacht wurde, in Kraft getreten war. Diese Voraussetzungen liegen hier vor: das Brüsseler EWG – Übereinkommen galt in der Fassung des 4. Beitrittsübereinkommens mit Österreich seit 1.1.1999 in beiden Staaten.
Die Vollstreckbarerklärung erfolgt durch richterlichen Beschluss, der – wenn 99 der Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel (Art. 40 AUG) formgerecht gestellt ist – innerhalb von 30 Tagen zu ergehen hat, und zwar ohne Prüfung etwaiger Hindernisse für eine Anerkennung der zu vollstreckenden Entscheidung und ohne rechtliches Gehör für den Antragsgegner (Art. 30 EuUnthVO). Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts ist die Beschwerde zum Oberlandesgericht eröffnet, für den Antragsgegner innerhalb einer Frist von 30 Tagen (Art. 32 Abs. 1 und 5 EuUnthVO i.V.m. § 43 AUG). Dieses hat grundsätzlich innerhalb von 90 Tagen nach seiner Befassung zu entscheiden und darf die Vollstreckbarerklärung nur versagen oder aufheben, wenn Gründe vorliegen, nach denen die zu vollstreckende Entscheidung nicht anerkannt werden kann (Art. 34 Abs. 1 und 2 EuUnthVO).1 Das ist nach Art. 24 EuUnthVO nur dann der Fall, – wenn die Entscheidung gegen den deutschen ordre public verstößt, – wenn dem Antragsgegner, der sich in dem Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Antragsgegner hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte, – wenn die Entscheidung mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die zwischen denselben Parteien in Deutschland ergangen ist, – wenn die Entscheidung mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat zwischen denselben Parteien wegen desselben Anspruchs ergangen ist, sofern die frühere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für eine Anerkennung in Deutschland erfüllt. 1 Vgl. EuGH, Beschluss v. 13.10.2011 – C-139/10, NJW 2011, 3506 (noch zur Vollstreckbarerklärung nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001).
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Mit anderen Einwendungen ist der Unterhaltsschuldner im Vollstreckbarkeitsverfahren ausgeschlossen. Art. 44 AUG a.F., wonach der Schuldner im Beschwerdeverfahren auch Einwendungen gegen den Anspruch selbst insoweit geltend machen durfte, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Erlass der Entscheidung entstanden waren, ist mit Wirkung zum 26.2.2013 aufgehoben worden. Der EuGH1 hatte entschieden, dass die Vorschrift nicht im Einklang mit den vorrangigen Bestimmungen der EU stand.
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Die in der Praxis immer wieder erhobenen rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einwendungen (wie Erfüllung, Verjährung oder Verwirkung) sind nicht schon bei der Vollstreckbarerklärung, sondern im Verfahren der Vollstreckungsabwehr nach §§ 120 Abs. 1 FamFG, 767 ZPO geltend zu machen, § 66 Abs. 1 AUG (s. Rz. 110). Auch der Einwand fehlender, bzw. entfallener Leistungsfähigkeit kann nur außerhalb des Vollstreckbarkeitsverfahrens geltend gemacht werden, nämlich in einem Abänderungsverfahren aufgrund geänderter Umstände.2 Inwieweit dieser Einwand dann auch rückwirkend geltend gemacht werden kann, muss in jenem Verfahren nach den darin geltenden Regeln entschieden werden. Unbeachtlich dürfte auch der Hinweis des Schuldners auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen sein. Soweit es um die Vollstreckbarerklärung eines Titels bezüglich des laufenden, von der Insolvenz nicht betroffenen Unterhalts geht, ist dies eindeutig. Betrifft die Vollstreckbarerklärung aber rückständigen Unterhalt, stellt sich die Frage, ob der Einwand nach § 240 ZPO (Unterbrechung durch Insolvenzverfahren) im Verfahren der Vollstreckbarerklärung überhaupt Anwendung findet, was in der Literatur und Rechtsprechung umstritten ist. Die Unterbrechung des inländischen Vollstreckbarkeitsverfahrens wird zum Teil jedenfalls dann bejaht, soweit es nach Einlegung eines Rechtsbehelfs zweiseitig ausgestaltet ist.3 Die Gegenauffassung verweist darauf, dass es sich bei der Vollstreckbarkeitserklärung nur um eine die Zwangsvollstreckung vorbereitende und sie erst ermöglichende Maßnahme handelt.4 Für die Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile gemäß § 722 ZPO hat der IX. Senat des BGH entschieden, dass dieses Verfahren gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen wird und der Gläubiger seine Forderung zur Insolvenztabelle anzumelden hat.5 Anders als im Rechtsstreit nach § 722 ZPO soll die Vollstreckbarkeitserklärung nach Art. 26 ff. EuUnthVO jedoch in einem beschleunigten Verfahren erfolgen, auch die rechtlich möglichen Einwendungen sind bewusst beschränkt (s. Rz. 99). Es widerspräche daher den europarechtlich vorgegebenen Zielen, wenn bereits die Herstellung der Vollstreckbarkeit einer Entscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat der EU durch die Unterbrechung des Verfahrens verzögert würde.
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Trotz der eingeschränkten Prüfungskompetenz der Gerichte bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel ist es zulässig und geboten, die ausländische Entscheidung auf Antrag des Unterhaltsgläubigers im Exequaturverfahren zu kon1 Vgl. EuGH, Beschluss v. 13.10.2011 – C-139/10, NJW 2011, 3506 (noch zur Vollstreckbarerklärung nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001). 2 BGH, FamRZ 2011, 802 Tz. 13; BGH, FamRZ 2009, 1996. 3 OLG Zweibrücken, NJW-RR 2001, 985; OLG Dresden, DZWIR 2001, 434; weitere Zitate bei BGH, FamRZ 2008, 1749 (1750) Tz. 4. 4 OLG München, FamRZ 2012, 1512; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 32. Aufl., vor Art. 1 EuUnthVO Rz. 28; vgl. auch VII. ZS des BGH, NJW 2008, 918 (zur Erteilung der Vollstreckungsklausel). 5 BGH, FamRZ 2008, 1749.
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kretisieren.1 Denn maßgeblicher Titel für die Zwangsvollstreckung im Inland ist die inländische Vollstreckungsklausel, die dem Bestimmtheitserfordernis des deutschen Zwangsvollstreckungsrechts entsprechen muss.2 Wird eine Konkretisierung vorgenommen, erscheint dies europarechtlich unproblematisch, da mit einer Konkretisierung nur der vollstreckungsfähige Inhalt des Titels zum Zweck der Vollstreckung ermittelt wird und weder die ausländische Entscheidung inhaltlich überprüft, verändert noch die Wirkung des ausländischen Titels im Inland in Frage gestellt wird. Ein Rückgriff auf Art. 34 AUG (s. Rz. 95) im Wege der analogen Anwendung ist nicht erforderlich. c) Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer Unterhaltsentscheidungen nach §§ 108 bis 110 FamFG Unterfällt eine ausländische Unterhaltsentscheidung nicht der EuUnthVO und 103 greifen auch sonst keine völkerrechtlichen Übereinkommen oder bilateralen Staatsverträgen ein (s. Rz. 87 und 88), kommt eine Anerkennung nach den §§ 108, 109 FamFG und Vollstreckbarerklärung nach § 110 Abs. 2 FamFG in Betracht. Nach § 108 Abs. 1 FamFG werden auch solche ausländische Entscheidungen anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Die Entscheidung zum Unterhalt muss jedoch durch Beschluss des Familiengerichts für vollstreckbar erklärt werden (§ 110 Abs. 2 FamFG). Bei diesem Beschlussverfahren handelt es sich nicht um ein Verfahren der Zwangsvollstreckung.3 Verfahrensgegenstand ist aber auch nicht der dem ausländischen Titel zugrunde liegende Anspruch, sondern nur die Herstellung der Vollstreckbarkeit der ausländischen Entscheidung durch rechtsgestaltenden Beschluss.4 Hierbei prüft das Familiengericht etwaige Anerkennungshindernisse (§ 109 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, Abs. 4 FamFG) sowie die formelle Rechtskraft der ausländischen Entscheidung (§ 110 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Die Anerkennung einer ausländischen Unterhaltsentscheidung ist ausgeschlos- 104 sen, – wenn die Gerichte des anderen Staates nach deutschem Recht nicht zuständig sind (§ 109 Abs. 1 Nr. 1 FamFG). Zu fragen ist also spiegelbildlich: Hätte ein deutsches Gericht unter den gegebenen Umständen seine internationale Zuständigkeit bejaht? – wenn einem Beteiligten, der sich zur Hauptsache nicht geäußert hat und sich hierauf beruft, das verfahrenseinleitende Dokument nicht ordnungsgemäß oder nicht so rechtzeitig mitgeteilt worden ist, dass er seine Rechte wahrnehmen konnte (§ 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG); – wenn die Entscheidung mit einer hier erlassenen Entscheidung oder einer anzuerkennenden früheren ausländischen Entscheidung oder wenn das ihr zu Grunde liegende Verfahren mit einem früher hier rechtshängig gewordenen Verfahren unvereinbar ist (§ 109 Abs. 1 Nr. 3 FamFG);
1 Andrae, Internat. Familienrecht, § 8 Rz. 267 ff.; Hess/Spancken, FPR 2013, 27 (28). 2 Andrae, Internat. Familienrecht, § 8 Rz. 267. 3 Prütting/Helms/Hau, § 110, Rz. 20; Andrae, Internat. Familienrecht, § 8 Rz. 289; BGH, FamRZ 2008, 1749 (zu § 722 ZPO). 4 BGH, FamRZ 2008, 1749 (zu § 722 ZPO).
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– wenn die Entscheidung im Ergebnis den deutschen ordre public verletzt (§ 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG). 105
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Die Anerkennung einer ausländischen Unterhaltsentscheidung ist auch dann ausgeschlossen, wenn die Gegenseitigkeit bei der Anerkennung unterhaltsrechtlicher Entscheidungen nicht verbürgt ist (§ 109 Abs. 4 FamFG).1 Eine ausländische Entscheidung wird in Deutschland nur anerkannt, wenn im Ursprungsstaat vergleichbare Entscheidungen deutscher Gerichte anerkannt werden, wobei es ausreicht, dass im Ursprungsstaat im Wesentlichen gleichwertige Anerkennungsbedingungen bestehen.2 Die Prüfung dieser Voraussetzung kann im konkreten Einzelfall erhebliche Probleme bereiten; häufig dürften gutachterliche Feststellungen zum einschlägigen Gesetzes- oder Richterrecht erforderlich sein.3 Länder (auch Teilstaaten und Provinzen eines Bundesstaates), bei denen die Gegenseitigkeit als verbürgt zu gelten hat (förmliche Gegenseitigkeit), werden vom Bundesministerium der Justiz festgestellt und im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht (Art. 1 Abs. 1 Nr. 3 AUG). Es handelt sich um Südafrika, die meisten Provinzen von Kanada und fast alle Bundesstaaten der USA.4
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Praxishinweis: Eine Liste der Länder der Welt, jeweils verbunden mit dem Hinweis, ob Gegenseitigkeit im Sinne von § 109 Abs. 4 FamFG verbürgt ist, ist abgedruckt bei Zöller/Geimer, ZPO, Anhang IV. Geimer weist aber ausdrücklich darauf hin, dass diese Übersicht nur einen „ersten Einstieg“ ermöglichen soll, im Einzelfall jedoch gutachterliche Feststellungen notwendig sind.
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Für das autonome deutsche Recht ist anerkannt, dass der Einwand mangelnder Bestimmtheit der ausländischen Unterhaltsentscheidung oder – nach Erlass dieser Entscheidung entstandene – materiell-rechtliche Einwendungen (etwa Erfüllung, Vergleich, Stundung) bereits bei der Vollstreckbarerklärung zu klären sind.5
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Ausländische (Prozess-)Vergleiche und vollstreckbare Urkunden werden von § 110 FamFG nicht erfasst (anders aber die entsprechenden Unterhaltstitel aus Ländern, bei denen Gegenseitigkeit verbürgt ist, §§ 64, 1 Abs. 1 Nr. 3 AUG). Hier bleibt dem Unterhaltsgläubiger nur die Möglichkeit eines neuen Leistungsantrages in Deutschland. Die Möglichkeit, anstelle eines Antrags auf Vollstreckbarerklärung nach § 110 FamFG einen Leistungsantrag (auf Zahlung des titulierten Betrages) zu stellen, ist aber auch bei Unterhaltsentscheidungen nicht ausgeschlossen. Wenn die Anerkennungsvoraussetzungen nicht zweifelsfrei erfüllt sind oder erforderliche Nachweise nicht vorgelegt werden können, ist der Leistungsantrag der einfachere Weg und daher vorzuziehen.6
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Zur Kritik an dieser Regelung, vgl. Prütting/Helms/Hau, § 109, Rz. 67. Prütting/Helms/Hau, § 109, Rz. 68. Prütting/Helms/Hau, § 109, Rz. 69. Bekanntmachung v. 18.6.2011 über die Feststellung der Gegenseitigkeit für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen nach dem AUG (BGBl. I, S. 1109). 5 Prütting/Helms/Hau, § 110, Rz. 23a m.w.N. 6 H.M. BGH, FamRZ 1987, 370; OLG Zweibrücken, IPRspr. 2005, Nr. 165, S. 450; kritisch Prütting/Helms/Hau, § 110, Rz. 29; Anh zu § 110, Rz. 32.
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IV. Ausländische Unterhaltstitel
2. Vollstreckung ausländischer Unterhaltstitel Sind ausländische Unterhaltstitel im Inland vollstreckbar, werden sie wie inlän- 109 dische Unterhaltstitel behandelt (vgl. auch Art. 41 Abs. 1 Satz 2 EuUnterhVO). Die Vollstreckung bestimmt sich grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln, also nach § 120 FamFG, der wiederum auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Zwangsvollstreckung verweist (vgl. hierzu Kap. M). Für Titel, die in den Anwendungsbereich der EuUnthVO oder das LugÜ 2007 fal- 110 len, ist Art. 66 Abs. 1 AUG zu beachten. Dem Schuldner steht danach das Verfahren nach § 767 ZPO zur Verfügung, wenn er rechtsvernichtende oder -hemmende Einwendungen gegen den Unterhaltsanspruch selbst erhebt. Handelt es sich bei dem Titel um eine gerichtliche Entscheidung, müssen die Einwendungen auf Gründen beruhen, die nach Erlass des Titels entstanden sind. Die internationale und örtliche Zuständigkeit des inländischen Gerichts für den Antrag nach § 767 ZPO richtet sich nach § 35 Abs. 1 und Abs. 2 AUG (§ 66 Abs. 3 AUG). Zuständig ist das Amtsgericht, das für den Sitz des Oberlandesgerichts zuständig ist, in dessen Zuständigkeitsbereich sich der Vollstreckungsschuldner gewöhnlich aufhält oder die Vollstreckung durchgeführt werden soll. In Berlin ist das Amtsgericht Pankow/Weißensee anzurufen. 3. Abänderung ausländischer Unterhaltsentscheidungen in Deutschland Soll ein ausländischer Unterhaltstitel von einem deutschen Gericht abgeändert 111 werden, ist zunächst die internationale Zuständigkeit des Gerichts zu prüfen. Es gelten grundsätzlich dieselben Vorschriften wie für eine erstmalige Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs (s. Rz. 4 ff.). Zu beachten ist aber die Schutzvorschrift in Art. 8 Abs. 1 EuUnthVO, wonach für die Unterhaltsabänderung in der Regel (Ausnahmen: Art. 8 Abs. 2 EuUnthVO) die Gerichte des Ursprungsstaates zuständig sind, solange die berechtigte Person dort weiterhin ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Vgl. Rz. 28. Dass ein ausländischer Unterhaltstitel im Inland abgeändert werden kann, ist 112 hier allgemein akzeptiert. Dies beruht auf der Überlegung, dass mit der Abänderung eines ausländischen Titels nicht in fremde Hoheitsgewalt eingegriffen wird, wenn jener Titel im Inland anerkannt wird und infolgedessen seine Wirkungen nicht nur in den Grenzen des Ursprungstaates entfaltet, sondern wie ein inländischer Titel auch im Inland.1 Überdies zeigen Art. 8 EuUnthVO, der ansonsten überflüssig wäre, als auch Art. 56 lit. f EuUnthVO, dass die Änderung einer Entscheidung, die in einem anderen Staat als dem ersuchten Mitgliedstaat ergangen ist, beantragt werden kann. Die Frage, welcher Rechtsordnung die Abänderungsregelung zu entnehmen ist, 113 hat der BGH bislang noch nicht entschieden.2 Nach der einen Auffassung ist die Abänderung stets an § 238 FamFG (früher § 323 ZPO) zu messen, weil diese Regelung als deutsches Verfahrensrecht von den deutschen Gerichten immer anzuwenden ist (lex fori).3 Nach der anderen Meinung ist die Abänderbarkeit eines Unterhaltstitels dem materiellen Recht zuzurechnen und die Abänderungsregelung der Rechtsordnung zu entnehmen, die als Unterhaltsstatut (d.h. dem anzu1 BGH, FamRZ 1983, 806; OLG Köln, FamRZ 2005, 534. 2 BGH, FamRZ 1992, 1060; BGH, FamRZ 1983, 806. 3 Stein/Jonas, § 323 ZPO, Rz. 23 m.w.N.
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wendenden Sachrecht) berufen ist.1 Vorzuziehen ist die erste Auffassung, zumal das FamFG – durchaus differenzierend – mit § 238 FamFG die Abänderung von gerichtlichen Entscheidungen im Verfahrensrecht belassen und mit § 239 FamFG nur die Abänderung von Vergleichen und Urkunden ausschließlich dem materiellen Recht zugewiesen hat. 114
Mit der Anwendung von § 238 FamFG stehen die konkreten Voraussetzungen und der zulässige Umfang einer Abänderung fest. Wie früher § 323 ZPO ermöglicht auch § 238 FamFG weder eine von der bisherigen Unterhaltsbemessung unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts noch eine abweichende Beurteilung der Verhältnisse, die bereits in dem abzuändernden Titel eine Bewertung erfahren haben. Die Abänderungsentscheidung kann vielmehr nur zu einer den veränderten Verhältnissen entsprechenden Anpassung des Unterhaltstitels führen. Dann aber – und zu diesem Punkt hat der BGH mehrfach eindeutig Stellung bezogen – ist im Rahmen eines Abänderungsverfahrens auch das dem abzuändernden Titel zu Grunde liegende Sachrecht – sei es das inländische oder ein ausländisches – nicht austauschbar, sondern bleibt auch für Art und Höhe der anzupassenden Unterhaltsleistung weiterhin maßgeblich.2 Die Abänderung vollzieht sich mithin im Rahmen dieses Sachrechts entsprechend der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse.3
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Allerdings ist damit noch nichts zu dem Fall gesagt, dass seit Erlass der abzuändernden Entscheidung eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse erfolgt ist, die zu einem Statutenwechsel geführt hat, z.B. weil der Unterhaltsberechtigte in ein anderes Land gezogen ist. Hier scheidet nach der wohl überwiegend vertretenen Meinung in der Literatur eine „Versteinerung“ des Unterhaltsstatuts aus.4 Anwendbar sei das Recht, welches nach dem maßgeblichen Kollisionsrecht dann als Unterhaltsstatut berufen ist. Dies gelte insbesondere im Geltungsbereich des HUP, wonach das Unterhaltsstatut wandelbar ist (Art. 3 Abs. 2 HUP). Auch in diesem Fall muss aber dem Vertrauensschutz der Beteiligten in eine rechtskräftige Unterhaltsentscheidung Rechnung getragen werden – womit es nicht vereinbar wäre, wenn z.B. ein auf Dauer zugesprochener Unterhaltsanspruch der früheren Ehefrau allein aufgrund ihres Aufenthaltswechsels entzogen/befristet werden könnte oder ein zunächst versagter Unterhaltsanspruch zugesprochen werden müsste. Der Grundsatz, dass die Abänderung einer Unterhaltsentscheidung immer unter Wahrung der Grundlagen der Erstentscheidung zu erfolgen hat, lässt keinen Raum für einen Austausch des maßgeblichen Sachrechts. 4. Zugang zum Recht (Zentrale Behörden und Verfahrenskostenhilfe, weitere Kontaktstellen und Informationsmöglichkeiten) a) Zentrale Behörden
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Bei der Verfolgung von Unterhaltsansprüchen über Staatsgrenzen hinweg erweist sich die Einrichtung von Zentralen Behörden (Art. 49 ff. EuUnthVO) als
1 Staudinger/Mankowski, BGB, 2003, Anh I zu Art. 18 EGBGB, Rz. 43; Riegner, FamRZ 2005, 1799. 2 BGH, FamRZ 2012, 281 (283); 1992, 1060; 1983, 806. 3 BGH, FamRZ 2012, 281 (283); 1992, 1060; 1983, 806. 4 Andrae, Internat. Familienrecht, § 8 Rz. 345; Dimmler/Bißmaier, FPR 2013, 11 (13).
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IV. Ausländische Unterhaltstitel
äußerst hilfreich.1 Die Zentralen Behörden prüfen und übermitteln Anträge auf Geltendmachung von Unterhalt im Ausland an ihr jeweiliges ausländisches Pendant („ausgehende Ersuchen“), umgekehrt nehmen sie Anträge aus dem Ausland als Empfangsstellen entgegen und führen im Inland die notwendigen Verfahren zur Realisierung des Unterhaltsanspruchs durch („eingehende Ersuchen“). Dieses System der gegenseitigen Hilfeleistung wurde völkerrechtlich erstmals mit dem New Yorker Übereinkommen von 1956 über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland legitimiert,2 nunmehr ist diese Form der staatlichen Zusammenarbeit bei der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen im Ausland für die EU in der EuUnthVO (Art. 49 bis 63 EuUnthVO) erneut festgeschrieben worden. Dabei haben die Zentralen Behörden zur Erfüllung ihrer Aufgabe weit reichende Befugnisse, z.B. um den Aufenthaltsort der verpflichteten oder der berechtigten Person ausfindig zu machen und einschlägige Informationen über das Einkommen und, wenn nötig, das Vermögen dieser Personen zu erlangen (Art. 51 Abs. 2 EuUnthVO in Verbindung mit §§ 16 und 17 AUG). In Deutschland fungiert das Bundesamt für Justiz als Zentrale Behörde (§ 4 117 AUG).3 Dabei können sich sowohl der Anspruchsteller als auch der Antragsgegner an das Bundesamt für Justiz wenden. Ausgehende Ersuchen nach Art. 56 EuUnthVO sind allerdings durch das Amtsgericht entgegenzunehmen und zu prüfen, welches zum Sitz des Oberlandesgerichts gehört, in dessen Bezirk der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 7 AUG). Ergibt die inhaltliche Vorprüfung der ausgehenden Ersuchen nach § 9 Abs. 1 AUG, dass keine Gründe für die Ablehnung des Antrags bestehen, übersendet das Amtsgericht den Antrag nebst den erforderlichen Anlagen und Übersetzungen an das Bundesamt für Justiz als der deutschen Zentralen Behörde (§ 9 Abs. 3 AUG). b) Kosten und Verfahrenskostenhilfe Die Tätigkeit der Zentralen Behörde ist grundsätzlich kostenfrei (Art. 54 EuUnth- 118 VO). Die Zentrale Behörde darf vom Antragsteller keine Gebühren erheben, außer für außergewöhnliche Kosten, wobei die Kosten für die Feststellung des Aufenthaltsortes der verpflichteten Person nicht als außergewöhnliche Kosten gelten (Art. 54 Abs. 2 und 3 EuUnthVO). Von der kostenfreien Tätigkeit der Zentralen Behörde zu unterscheiden ist die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für gerichtliche Verfahren, die sich gemäß § 20 AUG nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 113 Abs. 1 FamFG, 114 ff. ZPO richtet. Auch bei Gericht gilt allerdings die Besonderheit, dass unentgeltliche Verfahrenskostenhilfe zu leisten ist, soweit es um die Unterhaltspflicht aus einer Eltern-Kind-Beziehung gegenüber einem Kind unter 21 Jahren geht und der Antrag über die Zentrale Behörde gestellt wird (Art. 46 Abs. 1 EuUnthVO). Hier ist Verfahrenskostenhilfe unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Kindes zu bewilligen. Verfahrenskostenhilfe kann nur abgelehnt werden, wenn der Antrag mutwillig oder offensichtlich unbegründet ist (Art. 46 Abs. 2 EuUnthVO, § 22 Abs. 2 AUG). Als weitere Besonderheit ist zu berücksichtigen, dass im Anerkennungs-, Vollstreckbarerklärungsoder Vollstreckungsverfahren dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe zu bewil-
1 Zur Geschichte der Zentralen Behörden s. Veith, FPR 2013, 46 ff. 2 BGBl. 1959 II, S. 150. 3 Adresse: Bundesamt für Justiz, 53094 Bonn.
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N. Unterhaltsansprüche mit Auslandsberührung
ligen ist, wenn er im Ursprungsstaat für das Erkenntnisverfahren ganz oder teilweise Verfahrenskostenhilfe erhalten hat (Art. 47 Abs. 2 EuUnthVO, § 23 S. 1 AUG). c) Weitere Kontaktstellen und Informationsmöglichkeiten 119
Bei der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen im Ausland wird die Inanspruchnahme der Zentralen Behörden, in Deutschland des Bundesamtes für Justiz, 53094 Bonn, häufig von Vorteil sein, zumal sie kostengünstig ist. Erfahrungen sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht bestehen aber auch beim Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht (DIJuF) e.V., Heidelberg1, zu dessen Aufgaben die grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder gegenüber den im Ausland lebenden Unterhaltspflichtigen gehört. Das Institut wird allerdings nur tätig im Auftrag seiner Mitglieder, der Jugendämter, so dass dieses im Einzelfall eingebunden werden muss.
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Eine nützliche Informationsquelle ist die Website des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen (http://ec.europa.eu/civiljustice). Diese Website wird von der Europäischen Kommission verwaltet und unter Mitwirkung der Mitgliedstaaten regelmäßig aktualisiert. Dort findet man zahlreiche Informationen über das Gemeinschaftsrecht, das einzelstaatliche Recht und das internationale Recht.
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Praktisch ist dabei insbesondere der Europäische Gerichtsatlas für Zivilsachen (http://ec.europa.eu/justice_home/judicialatlascivil), der ebenfalls von der Europäischen Kommission entwickelt wurde. Er eröffnet u.a. Zugang zu ausführlichen Informationen über die Gerichte und Behörden, die für die Umsetzung der EuUnthVO in den Mitgliedstaaten zuständig sind. Die verschiedenen Formblätter, die im Gemeinschaftsrecht vorgeschrieben sind, sind hier ebenfalls zu finden. Teil des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen sind auch die Verbindungsrichter/innen, die von den Mitgliedstaaten benannt sind und als Ansprechpartner für ihre Kolleginnen und Kollegen im In- und Ausland zur Verfügung stehen. Deutschland hat speziell für das Gebiet des Familienrechts solche Verbindungsrichterinnen und -richter benannt, die sich insbesondere durch ihre langjährige Erfahrung in grenzüberschreitenden Familienrechtsstreitigkeiten auszeichnen und über entsprechende Sprachkenntnisse verfügen, um zu ihren Kolleginnen und Kollegen im europäischen Ausland Kontakt aufnehmen zu können. Ihre Aufgabe ist es, ihre Kolleginnen und Kollegen bei der Lösung von Problemen zu unterstützen, die bei anhängigen grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten auftreten können. Es geht dabei um praktische Hilfestellung, etwa um die Vermittlung direkter Kontakte zum ausländischen Gericht oder um die Beschaffung von Informationen zum gerichtlichen Verfahren und zur familienrechtlichen Praxis im Ausland.2 Ein Richter, der sich an den Verbindungsrichter wendet, hat dies in geeigneter Weise zu dokumentieren und hierzu rechtliches
1 http://www.dijuf.de. 2 Menne, Verbindungsrichter und internationale Richternetzwerke in der familiengerichtlichen Praxis in Festschrift für Gerd Brudermüller (2014), S. 471 ff. (474).
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IV. Ausländische Unterhaltstitel
Gehör zu geben. Jedoch leisten die Verbindungsrichter keine Rechtsberatung und beantworten insbesondere auch keine Anfragen von Rechtsanwälten oder Verfahrensbeteiligten.1 Der Wortlaut und jeweilige Status der von der Haager Konferenz für Internatio- 122 nales Privatrecht erarbeiteten völkerrechtlichen Vereinbarungen kann unter http://www.hcch.net abgerufen werden. Internationale Normen lassen sich auch mithilfe von http://eur-lex.europa.eu/de/index.htm auffinden.
1 Menne, a.a.O., S. 477.
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O. Übergangsvorschriften Inhaltsübersicht Rz. I. Artikel 111 FGG-Reformgesetz. . . 1. Grundregel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einstweilige Anordnungen . . . . b) Prozesskostenhilfeanträge . . . . 2. Stichtag für Scheidungs- und Folgesachen am 1.9.2010 . . . . . . . . . . II. Übergangsregelungen zum Unterhaltsänderungsgesetz in § 36 EGZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundzüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abänderung titulierter Unterhaltsansprüche (§ 36 Nr. 1 und Nr. 2 EGZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erheblichkeit der Gesetzesänderung für die Unterhaltsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 3 4 4a
4b 5 9 12
Rz. b) Wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung . . . . . . . . . c) Zumutbarkeit der Abänderung . 3. Anpassung dynamischer Kindesunterhaltstitel (§ 36 Nr. 3 EGZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 36 Nr. 3 Satz 4 Buchst. a EGZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 36 Nr. 3 Satz 4 Buchst. b EGZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) § 36 Nr. 3 Satz 4 Buchst. c EGZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) § 36 Nr. 3 Satz 4 Buchst. d EGZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Festgeschriebene Untergrenze des Mindestunterhalts (§ 36 Nr. 4 EGZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16 17 23 25 28 30 31 33
I. Artikel 111 FGG-Reformgesetz Art. 111 FGG-ReformG (1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde, sind weiter die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Auf Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren finden die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften Anwendung, wenn die Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde. (2) Jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ist ein selbständiges Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Satz 1. (3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren in Familiensachen, die am 1. September 2009 ausgesetzt sind oder nach dem 1. September 2009 ausgesetzt werden oder deren Ruhen am 1. September 2009 angeordnet ist oder nach dem 1. September 2009 angeordnet wird, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.
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O. Übergangsvorschriften
(4) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1. September 2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1. September 2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen werden im Fall des Satzes 1 als selbständige Familiensachen fortgeführt. (5) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen ab dem 1. September 2010 die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. 1. Grundregel 1
Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-Reformgesetz enthält den Grundsatz, dass die Einleitung eines Verfahrens entscheidend ist für die Frage, ob altes oder neues Verfahrensrecht Anwendung findet. Ist in einem Unterhaltsverfahren der Unterhaltsantrag bei Gericht bis zum 31.8.2009 eingereicht worden, gilt – für alle Instanzen1 – das bis zu diesem Zeitpunkt gültige Verfahrensrecht.
2
Die Anwendung dieser Grundregel bereitet in Unterhaltsstreitigkeiten Schwierigkeiten in zwei Bereichen: a) Einstweilige Anordnungen
3
Wurde das Hauptsacheverfahren vor dem 1.9.2009 eingeleitet, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung aber erst danach gestellt, so finden nach der einen Meinung die am 1.9.2009 in Kraft getretenen Verfahrens- und Kostengesetze Anwendung, weil das einstweilige Anordnungsverfahren nach dem ab 1.9.2009 gültigen Recht ein selbstständiges Verfahren darstellt (§ 51 Abs. 3 Satz 1 FamFG).2 Nach anderer Auffassung ist dies problematisch, weil dann Hauptsache und einstweilige Anordnung unterschiedlichen Verfahrensordnungen unterliegen. Zu dem nach altem Recht anhängigen Hauptverfahren gehöre nach bisherigem Recht auch die Einschränkung, ein einstweiliges Anordnungsverfahren nur als unselbstständiges Verfahren durchführen zu können. Die anhängige Hauptsache „ziehe“ mithin die einstweilige Anordnung ins alte Recht.3 Den Beteiligten dürfte ein Wahlrecht zustehen, ob sie nach dem 1.9.2009 ein neues, selbstständiges Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bean-
1 Dies war von einem Teil der Literatur bestritten, ist aber durch eine Reihe von Entscheidungen des BGH, FamRZ 2010, 192; FamRZ 2010, 1150; FamRZ 2009, 1994, sowie sämtlicher Obergerichte bestätigt worden. 2 OLG Nürnberg, MDR 2010, 711; Zöller/Geimer, Einl. FamFG Rz. 15; Kemper, FRP 2010, 69, 71. 3 OLG Thüringen, FamRZ 2012, 53; OLG Stuttgart, FamRZ 2010, 1090 (für einstweilige Anordnung von Amts wegen); Keidel/Giers, § 49 FamFG Rz. 6; Schulte-Bunert/Weinreich/Schürmann, Art. 111 FGG-RG Rz. 12; Johannsen/Henrich/Büte, Art. 111 FGG-RG Rz. 7; Götsche, FamRB 2010, 218 (220).
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II. Übergangsregelungen zum Unterhaltsänderungsgesetz in § 36 EGZPO
tragen oder im Rahmen der anhängigen Hauptsache noch eine unselbstständige einstweilige Anordnung erreichen wollen.1 b) Prozesskostenhilfeanträge Ein reines Prozesskostenhilfegesuch stellt keine „Verfahrenseinleitung“ im Sin- 4 ne des Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-Reformgesetz dar. Die frühere Streitfrage ist durch den BGH entschieden worden.2 2. Stichtag für Scheidungs- und Folgesachen am 1.9.2010 Art. 111 Abs. 5 FGG-Reformgesetz sieht vor, dass zum 1.9.2010 alle Versor- 4a gungsausgleichsverfahren, in denen am 31.8.2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, auf das neue Recht umgestellt werden. Dies gilt auch für alle mit dem Versorgungsausgleich im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen. Praktisch hat diese Regelung zur Konsequenz, dass in den meisten Scheidungsverfahren zum 1.9.2010 ein Rechtswechsel zum neuen Verfahrensrecht eingetreten ist, was sich auch auf die Folgesache Unterhalt erstreckt.
II. Übergangsregelungen zum Unterhaltsänderungsgesetz in § 36 EGZPO § 36 EGZPO Für das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21. Dezember 2007 4b (BGBl. I S. 3189) gelten folgende Übergangsvorschriften: 1. Ist über den Unterhaltsanspruch vor dem 1. Januar 2008 rechtskräftig entschieden, ein vollstreckbarer Titel errichtet oder eine Unterhaltsvereinbarung getroffen worden, sind Umstände, die vor diesem Tag entstanden und durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts erheblich geworden sind, nur zu berücksichtigen, soweit eine wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung eintritt und die Änderung dem anderen Teil unter Berücksichtigung seines Vertrauens in die getroffene Regelung zumutbar ist. 2. Die in Nummer 1 genannten Umstände können bei der erstmaligen Änderung eines vollstreckbaren Unterhaltstitels nach dem 1. Januar 2008 ohne die Beschränkungen des § 323 Abs. 2 und des § 767 Abs. 2 der Zivilprozessordnung geltend gemacht werden. 3. Ist einem Kind der Unterhalt aufgrund eines vollstreckbaren Titels oder einer Unterhaltsvereinbarung als Prozentsatz des jeweiligen Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten, gilt der Titel oder die Unterhaltsvereinbarung fort. An die Stelle des Regelbetrags tritt der Mindestunterhalt. An die Stelle des bisherigen Prozentsatzes tritt ein neuer Prozentsatz. Hierbei gilt: a) Sieht der Titel oder die Vereinbarung die Anrechnung des hälftigen oder eines Teils des hälftigen Kindergelds vor, ergibt sich der neue Prozentsatz, indem dem bisher zu zahlenden Unterhaltsbetrag das hälftige Kindergeld hinzugerechnet wird und der sich so ergebende Betrag in Verhältnis zu 1 Für ein Wahlrecht auch Musielak/Borth, FGG-RG Rz. 94. 2 BGH, FamRZ 2012, 767.
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O. Übergangsvorschriften
dem bei Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts geltenden Mindestunterhalt gesetzt wird; der zukünftig zu zahlende Unterhaltsbetrag ergibt sich, indem der neue Prozentsatz mit dem Mindestunterhalt vervielfältigt und von dem Ergebnis das hälftige Kindergeld abgezogen wird. b) Sieht der Titel oder die Vereinbarung die Hinzurechnung des hälftigen Kindergelds vor, ergibt sich der neue Prozentsatz, indem vom bisher zu zahlenden Unterhaltsbetrag das hälftige Kindergeld abgezogen wird und der sich so ergebende Betrag in Verhältnis zu dem bei Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts geltenden Mindestunterhalt gesetzt wird; der zukünftig zu zahlende Unterhaltsbetrag ergibt sich, indem der neue Prozentsatz mit dem Mindestunterhalt vervielfältigt und dem Ergebnis das hälftige Kindergeld hinzugerechnet wird. c) Sieht der Titel oder die Vereinbarung die Anrechnung des vollen Kindergelds vor, ist Buchstabe a anzuwenden, wobei an die Stelle des hälftigen Kindergelds das volle Kindergeld tritt. d) Sieht der Titel oder die Vereinbarung weder eine Anrechnung noch eine Hinzurechnung des Kindergelds oder eines Teils des Kindergelds vor, ist Buchstabe a anzuwenden. Der sich ergebende Prozentsatz ist auf eine Dezimalstelle zu begrenzen. Die Nummern 1 und 2 bleiben unberührt. 4. Der Mindestunterhalt minderjähriger Kinder im Sinne des § 1612a Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs beträgt a) für die Zeit bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahrs (erste Altersstufe) 279 Euro, b) für die Zeit vom siebten bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahrs (zweite Altersstufe) 322 Euro, c) für die Zeit vom 13. Lebensjahr an (dritte Altersstufe) 365 Euro jeweils bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Mindestunterhalt nach Maßgabe des § 1612a Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs den hier festgelegten Betrag übersteigt. 5. In einem Verfahren nach § 621 Abs. 1 Nr. 4, 5 oder Nr. 11 der Zivilprozessordnung können die in Nummer 1 genannten Umstände noch in der Revisionsinstanz vorgebracht werden. Das Revisionsgericht kann die Sache an das Berufungsgericht zurückverweisen, wenn bezüglich der neuen Tatsachen eine Beweisaufnahme erforderlich wird. 6. In den in Nummer 5 genannten Verfahren ist eine vor dem 1. Januar 2008 geschlossene mündliche Verhandlung auf Antrag wieder zu eröffnen. 7. Unterhaltsleistungen, die vor dem 1. Januar 2008 fällig geworden sind oder den Unterhalt für Ehegatten betreffen, die nach dem bis zum 30. Juni 1977 geltenden Recht geschieden worden sind, bleiben unberührt. 1. Grundzüge 5
Die unterhaltsrechtlichen Regelungen nach dem UÄndG sollen einerseits möglichst schnell und umfassend angewendet werden, andererseits soll der Über-
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II. Übergangsregelungen zum Unterhaltsänderungsgesetz in § 36 EGZPO
gang schonend und muss für „Altfälle“ der Vertrauensschutz garantiert sein.1 Auf diesen prinzipiellen Vorgaben beruhen die Übergangsvorschriften zum UÄndG, die in § 36 Nr. 1 bis 7 EGZPO zusammengefasst sind. Danach gilt: Alle Unterhaltsansprüche, die ab dem 1.1.2008 fällig werden, richten sich nach 6 geltendem neuem Recht. Das alte Recht bleibt maßgeblich für solche Unterhaltsleistungen, die vor dem Inkrafttreten des UÄndG fällig geworden sind (§ 36 Nr. 7 EGZPO). § 36 Nr. 1 und Nr. 2 EGZPO lassen grundsätzlich auch die Abänderung beste- 7 hender Unterhaltstitel und Unterhaltsvereinbarungen aufgrund der geänderten Rechtslage zu, aber nur unter eingeschränkten Bedingungen: Umstände, die vor dem 1.1.2008 entstanden und durch das UÄndG erheblich geworden sind, sind nur zu berücksichtigen, soweit eine wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung eintritt und die Änderung dem anderen unter Berücksichtigung seines Vertrauens in die getroffene Regelung zumutbar ist (s. Rz. 9). Die Bestimmung in § 36 Nr. 3 EGZPO regelt die rechnerische Anpassung bestehender dynamischer Kindesunterhaltstitel an das neue Recht kraft Gesetzes (s. Rz. 23). Ausgenommen von der Anpassung an das neue Recht ist der Unterhalt von ehe- 8 maligen Ehepartnern, die noch nach dem bis zum 30.6.1977 geltenden, auf dem Schuldprinzip beruhenden Recht geschieden worden sind (§ 36 Nr. 7, 2. Alt. EGZPO). 2. Abänderung titulierter Unterhaltsansprüche (§ 36 Nr. 1 und Nr. 2 EGZPO) Die Übergangsvorschrift des § 36 Nr. 1 EGZPO geht davon aus, dass eine Ände- 9 rung der Gesetzgebung grundsätzlich die Anpassung eines bestehenden Unterhaltstitels (nach §§ 238, 239 FamFG, früher nach § 323 a.F. ZPO) rechtfertigen kann. Die Regelung stellt klar, dass auch die Gesetzesänderungen durch das UÄndG ein Abänderungsgrund sein können.2 Sie verlangt aber – grundsätzlich einschränkend – eine Einzelfallprüfung und die besondere Berücksichtigung des notwendigen Vertrauensschutzes für sog. „Altfälle“.3 Im Rahmen eines Abänderungsverfahrens berechtigen Umstände, die bereits vor 10 der rechtskräftigen Entscheidung über einen Unterhaltsanspruch oder vor der Errichtung eines vollstreckbaren Titels oder der Unterhaltsvereinbarung entstanden sind, aber nur dann zur Abänderung, wenn sie durch das UÄndG erheblich geworden sind (s. Rz. 12 f.). Zudem muss eine wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung eintreten (s. Rz. 16) und die Änderung dem anderen Teil unter Berücksichtigung seines Vertrauens in die getroffene Regelung zumutbar sein (s. Rz. 17 ff.). Liegen diese Voraussetzungen vor, kann nach § 36 Nr. 2 EGZPO die erstmalige 11 Änderung des vollstreckbaren Unterhaltstitels nach dem Inkrafttreten des Ge-
1 BT-Drucks. 16/1830, S. 32 und S. 33; Menne, FF 2006, 227 (228). 2 BGH, FamRZ 2010, 111 (112, 117). 3 BT-Drucks. 16/1830, S. 32 und S. 33; Menne, FF 2006, 227 (228). Besonders klar herausgearbeitet auch durch das AG Pankow/Weißensee, FPR 2010, 179 mit einer Darstellung der rechtspolitischen Diskussion im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages, vgl. Anm. Borth, FamRB 2010, 105.
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O. Übergangsvorschriften
setzes ohne die Beschränkungen des § 323 Abs. 2 ZPO und § 767 Abs. 2 ZPO geltend gemacht werden. a) Erheblichkeit der Gesetzesänderung für die Unterhaltsregelung 12 Bei einem Abänderungsbegehren ist als erstes zu klären, ob Umstände geltend
gemacht werden, die erst durch das UÄndG für den bereits geregelten oder sonst titulierten Unterhaltsanspruch erheblich geworden sind. Angesichts der erheblichen Einschnitte, die das Unterhaltsrecht durch diese Gesetzesänderung – insbesondere beim Geschiedenenunterhalt – erfahren hat, können viele Fallgestaltungen auftreten. 13 Beispiele Der seit 12 Jahren in zweiter Ehe verheiratete, 78 Jahre alte Unterhaltspflichtige beruft sich auf den Gleichrang, der den Unterhaltsansprüchen seiner jetzigen Ehefrau und der nach 21-jähriger Ehe geschiedenen, 71 Jahre alten früheren Ehefrau nach dem jetzt geltenden § 1609 Nr. 2 BGB zukomme.1 Der Unterhaltspflichtige, der nach 11-jähriger Ehe seit der Scheidung im Jahr 1997 Unterhalt wegen Krankheit (§ 1572 BGB) an seine psychisch schwer kranke, geschiedene Ehefrau zahlt, erstrebt den Wegfall seiner Unterhaltspflicht gemäß § 1578b BGB, was zuvor rechtlich nicht möglich gewesen sei.2 Der Unterhaltspflichtige beruft sich gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau, die den elfjährigen Sohn und die 14-jährige Tochter betreut und einer teilschichtigen Erwerbstätigkeit nachgeht, auf die Vorverlagerung der Erwerbsobliegenheit durch die Neufassung von § 1570 BGB und verlangt den Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung gemäß § 1578b BGB.3
14 Umstände, die durch das neue Unterhaltsrecht keine veränderte rechtliche Be-
wertung erfahren haben, aber bei der zuvor getroffenen Unterhaltsregelung nicht berücksichtigt worden sind, rechtfertigen dagegen keine Abänderung. Ein Abänderungsverfahren dient nicht der Fehlerkorrektur für die bestehende Unterhaltsregelung, sondern lediglich der Anpassung des Titels an veränderte rechtliche Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch. Praktische Bedeutung hat dieser Grundsatz – den § 36 Nr. 1 EGZPO ausdrücklich bestätigt und nicht etwa erweitert4 – vor allem beim nachehelichen Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB, der bereits nach altem Recht gemäß § 1573 Abs. 5 BGB a.F. zeitlich begrenzt werden konnte.5 Insoweit hatte der BGH mit Urteil vom 12.4.2006 entschieden, dass es bei der anzustellenden Billigkeitsabwägung nicht mehr vorrangig auf die Dauer der Ehe ankomme, sondern auf die dem Unterhaltsberechtigten entstandenen ehebedingten Nachteile.6 Eine Unterhaltsregelung, die zeitlich nach dieser Entscheidung getroffen worden ist, ohne die nach dieser Rechtsprechung bereits mögliche Befristung des nachehelichen Unterhalts vorzunehmen, kann im Wege des Abänderungsverfahrens auch für die Zeit ab dem 1.1.2008 nicht
1 2 3 4 5 6
KG, FamRZ 2009, 528. BGH, FamRZ 2010, 1414. OLG Celle, FPR 2009, 594. BGH FamRZ 2010, 111 (117). BGH, FamRZ 2012, 699 Tz. 3. BGH, FamRZ 2006, 1006.
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II. Übergangsregelungen zum Unterhaltsänderungsgesetz in § 36 EGZPO
wegen mangelnder ehebedingter Nachteile der Unterhaltsberechtigten erstmals zeitlich begrenzt werden.1 15
Beispiel Der Unterhaltspflichtige begehrt im Abänderungsverfahren die zeitliche Begrenzung des Aufstockungsunterhalts seiner geschiedenen Ehefrau nach § 1578b BGB, weil diese keine ehebedingten Nachteile erlitten habe.2 Stammt der Unterhaltstitel aus der Zeit vor dem 1.4.2006, kommt eine Befristung des Unterhalts in Betracht.3 Handelt es sich dagegen um einen erst später errichteten Titel, ist der Unterhaltspflichtige mit dem Einwand der Unterhaltsbefristung präkludiert.4 § 36 Nr. 1 EGZPO bietet keine eigenständige Abänderungsmöglichkeit.
b) Wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung Eine Anpassung der bestehenden Unterhaltsregelung an die neue Rechtslage 16 kann ferner nur verlangt werden, soweit eine wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung eintritt. Nach der Gesetzesbegründung ist die Wesentlichkeitsschwelle dabei im Sinne von § 323 Abs. 1 ZPO zu verstehen: In einer Gesamtschau aller Umstände – ggf. auch von der Reform unabhängiger Umstände – ist zu prüfen, in welchem Umfang sich die Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt ändert.5 Ein Anhaltspunkt für eine wesentliche Veränderung gem. § 323 Abs. 1 ZPO ist immer dann gegeben, wenn eine um ca. 10 % erhöhte oder verminderte Unterhaltsrente zu zahlen ist.6 c) Zumutbarkeit der Abänderung Als entscheidendes Kriterium, inwieweit eine bestehende Unterhaltsregelung 17 aus Anlass der Neuregelung an das neue Recht anzupassen ist, erweist sich die in § 36 Nr. 1 EGZPO geforderte Zumutbarkeit der Abänderung – für den Berechtigten, wenn es um eine Minderung und für den Verpflichteten, wenn es um eine Erhöhung der Unterhaltsleistungen geht. Die Regelung, wonach eine Änderung titulierter Unterhaltsansprüche nur zuläs- 18 sig ist, wenn sie dem anderen Teil unter Berücksichtigung seines Vertrauens in die getroffene Regelung zumutbar ist, hat viel Kritik erfahren.7 Denn der unbestimmte Rechtsbegriff der Zumutbarkeit eröffnet den Gerichten einen weiten Spielraum in der für die Praxis überaus bedeutsamen Frage, inwieweit das neue Recht auf bereits bestehende Unterhaltsregelungen erstreckt werden darf. Ande1 BGH, FamRZ 2010, 111 (117); OLG München, FamRZ 2009, 1154 (1155); OLG Stuttgart, FamRZ 2009, 788; OLG Saarbrücken, FamRZ 2009, 783; OLG Bremen, NJW 2008, 3074. 2 BGH FamRZ 2010, 111 ff.; OLG Celle, FamRZ 2009, 530; OLG Frankfurt, FamRZ 2009, 1162. 3 OLG Frankfurt, FamRZ 2009, 1162. 4 BGH FamRZ 2010, 111 ff.; OLG München, FamRZ 2009, 1154 (1155); OLG Stuttgart, FamRZ 2009, 788; OLG Saarbrücken, FamRZ 2009, 783; OLG Bremen, NJW 2008, 3074. 5 BT-Drucks. 16/1830, S. 32 f.; BGH, FamRZ 2012, 1284 Tz. 27; BGH, FamRZ 2010, 111 (117). 6 Baumbach/Hartmann, § 323 ZPO Rz. 37; BGH, FamRZ 1992, 539. 7 Stellungnahmen von Diwell, Klinkhammer, Meysen, Rakete-Dombek, Schwab vor dem Rechtsausschuss, www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/archiv/05_un terhaltsrecht/04_stn/.
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O. Übergangsvorschriften
rerseits ist eine Vertrauensschutzklausel, so vage formuliert sie auch sein mag, verfassungsrechtlich geboten1 und unverzichtbar. Das Vertrauen sowohl von Unterhaltsberechtigten als auch von Unterhaltsverpflichteten, die sich in Anbetracht eines titulierten Unterhaltsanspruchs auf den Fortbestand dieser Regelung eingestellt haben und nun mit einem Abänderungsverlangen konfrontiert werden, ist grundsätzlich schutzwürdig.2 Es muss berücksichtigt werden, dass im familiären Bereich im Vertrauen auf bestehende Unterhaltsregelungen Entscheidungen zur Lebensführung – z.B. (unterlassener) Ortswechsel,3 Verzicht auf Bewerbungen – getroffen werden, die im weiteren Leben der Betroffenen nicht oder nur schwer korrigierbar sind und finanziell nachwirken. 19 Da das UÄndG das größte Abänderungspotential zugunsten des Unterhalts-
pflichtigen birgt, stellt sich in der Praxis die Frage der Zumutbarkeit einer Abänderung vor allem beim Unterhaltsberechtigten.4 Angesichts der weit gefassten Zumutbarkeitsregelung betonen die hierzu ergangenen obergerichtlichen Entscheidungen jeweils unterschiedliche Aspekte in ihren Einzelfallentscheidungen. Bestimmte Fallgruppen haben sich bislang nicht herausgebildet, die veröffentlichten Entscheidungen weisen eine große Bandbreite aus. So schließt das KG im Hinblick auf den gesetzlich vorgesehenen Vertrauensschutz in § 36 Nr. 1 EGZPO (zu Recht) die zeitliche Befristung einer Unterhaltsregelung aus, weil die Unterhaltsberechtigte seit Jahrzehnten Unterhalt beziehe, bereits das Rentenalter erreicht und keine Möglichkeit mehr habe, sich auf das geänderte Unterhaltsrecht einzustellen.5 Das OLG Köln wiederum lässt im Hinblick auf § 36 Nr. 1 EGZPO einen nach der Scheidung seit 2001 zu zahlenden Aufstockungsunterhalt von ca. 1 500 Euro mangels ehebedingter Nachteile innerhalb weniger Monate (stufenweise) entfallen, obwohl die Unterhaltsberechtigte nach den Feststellungen des Gerichts in der Ehe drei gemeinsame Kinder großzog, das Rentenalter fast erreicht hat und keine Möglichkeit besitzt, künftig ihr (ohnehin z.T. nur fiktiv unterstelltes) Einkommen entsprechend zu steigern.6 20 Bei der Prüfung, ob die Anpassung einer bestehende Unterhaltsregelung dem
nachteilig Betroffenen zumutbar ist, sind in einer Gesamtschau alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und umfassend gegeneinander abzuwägen. In der obergerichtlichen Rechtsprechung spielen in der Regel die bisherige Dauer der Unterhaltsregelung und die Dauer der Ehe, die Möglichkeit des Unterhaltsberechtigten, sich im Hinblick auf Alter, Gesundheitszustand, Ausbildung, Berufserfahrung, ehebedingten Nachteile, etc. auf das neue Unterhaltsrecht einzustellen und die wirtschaftlichen Verhältnisse der früheren Eheleute eine Rolle. Es kann aber auch ins Gewicht fallen, wenn der Unterhaltsberechtigte im privaten oder beruflichen Bereich (z.B. durch den Abschluss einer Lebensversicherung) Entscheidungen getroffen hat, an die er gebunden ist. Immer sind auch mögliche Auswirkungen der Unterhaltsregelung auf die Kinder zu bedenken. 1 2 3 4
Schwab, Stellungnahme vor dem Rechtsausschuss, a.a.O., S. 19, 20. BT-Drucks. 16/1830, S. 33. OLG Köln, FPR 2009, 601. Soweit ersichtlich, sind bislang keine Entscheidungen zu § 36 Nr. 1 und 2 EGZPO veröffentlicht, die sich mit einem Erhöhungsverlangen – etwa wegen der geänderten Fassung des § 1615l BGB oder der Vorrangstellung des Kindesunterhalts (§ 1609 Nr. 1 BGB) – befassen. 5 KG, FamRZ 2009, 529. 6 OLG Köln, FPR 2009, 601.
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II. Übergangsregelungen zum Unterhaltsänderungsgesetz in § 36 EGZPO
Die Wertungen des § 36 Nr. 1 EGZPO können auch bei der Auslegung einzelner 21 Unterhaltstatbestände berücksichtigt werden. Namentlich bei der Prüfung der Unbilligkeit nach § 1578b BGB hält es der Bundesgerichtshof für unbedenklich, wenn dem besonderen Vertrauensschutz in einen vor Januar 2008 titulierten Unterhaltsanspruch bereits bei der umfassenden Interessenabwägung Rechnung getragen wird, aufgrund der eine Herabsetzung oder eine Befristung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs angeordnet oder ausgeschlossen wird.1 Das Schutzbedürfnis des Unterhaltsberechtigten kann eine gestufte Anpassung 22 an die neue Rechtslage erforderlich machen. Es kann aber auch ein Absehen jeglicher Anpassung geboten sein. Dies gilt insbesondere, wenn die getroffene Unterhaltsregelung Teil einer umfassenden Trennungs- oder Scheidungsfolgenvereinbarung ist. Denn mit der Beurteilung der Unterhaltslage nach neuem Recht werden Teile des bisherigen Vertrags revidiert, womit im Zweifel der gesamte Vertrag hinfällig wird (§ 139 BGB). Vor allem aber muss bei der Prüfung, ob und ggf. in welchem Umfang eine bestehende Unterhaltsregelung aufgrund der Gesetzesänderung zum 1.1.2008 abzuändern ist, im Ansatz klar sein, dass der Gesetzgeber mit § 36 Nr. 1 EGZPO eine Überleitungsvorschrift geschaffen hat, welche die bei einer Gesetzesänderung grundsätzlich freie Abänderungsmöglichkeit gerade im Hinblick auf das UÄndG ausdrücklich eingeschränkt hat. „Altfälle“ sollten geschützt sein.2 3. Anpassung dynamischer Kindesunterhaltstitel (§ 36 Nr. 3 EGZPO) Nach § 36 Nr. 3 Satz 1 EGZPO werden ein Unterhaltstitel oder eine Unterhalts- 23 vereinbarung kraft Gesetzes in der Weise auf das neue Recht umgestellt, dass die am Regelbetrag orientierten Unterhaltstitel ab dem 1.1.2008 als neue Bezugsgröße den Mindestunterhalt erhalten (§ 36 Nr. 3 Satz 2 EGZPO) und an die Stelle des bisherigen Prozentsatzes ein neuer Prozentsatz tritt (§ 36 Nr. 3 Satz 3 EGZPO). Der Titel oder die Vereinbarung bleiben mithin bestehen. Eine Abänderung ist nicht erforderlich. Die Umrechnung des bisherigen, auf die Regelsätze nach der Regelbetrags-VO 24 bezogenen Prozentsatzes des Unterhalts in einen am Mindestunterhalt orientierten Prozentsatz ist in § 36 Nr. 3 Satz 4 und Satz 5 EGZPO geregelt. Dabei wird in die Umrechnung das Kindergeld mit einbezogen, woraus die nicht ganz unkomplizierte Regelung in § 36 Nr. 3 Satz 4 EGZPO resultiert. a) § 36 Nr. 3 Satz 4 Buchst. a EGZPO § 36 Nr. 3 Satz 4 Buchst. a bezieht sich auf den Fall, dass ein bestehender Unter- 25 haltstitel die Anrechnung des hälftigen oder eines Teils des hälftigen Kindergeldes anordnet, weil der betreuende Elternteil das Kindergeld bezieht (§ 1612b Abs. 1 und Abs. 5 a.F. BGB). In diesem Regelfall wird nach der heute gültigen Regelung des § 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB stets die Hälfte des Kindergelds als bedarfsmindernd vorweg vom Barunterhalt abgezogen. Um den Alttitel auf den neuen Prozentsatz hochzurechnen, ist dem am 1.1.2008 zu zahlenden Unterhaltsbetrag 1 BGH, FamRZ 2012, 197 Tz. 32; FamRZ 2010, 1414 Tz. 32 (jeweils m. Anm. Borth); kritisch dazu MünchKomm.BGB/Maurer, § 1578b Rz. 34; auch Unterhaltsprozess/Menne, Kap. 1, Rz. 2277, FN. 4392. 2 AG Pankow/Weißensee, FPR 2010, 179 m. Anm. Borth, FamRZ 2010, 105.
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also das hälftige Kindergeld hinzuzurechnen und der sich so ergebende Betrag ins Verhältnis zu dem am 1.1.2008 geltenden Mindestunterhalt zu setzen (§ 36 Nr. 3 Satz 4 Buchst. a EGZPO). Wichtig ist dabei, dass sich der an die Stelle des Regelbetrags tretende Mindestunterhalt auf dieselbe Altersstufe wie der Regelbetrag bezieht. Zu beachten ist, dass der Mindestunterhalt i.S.d. § 1612a Abs. 1 BGB für die Zeit vom 1.1 bis zum 31.12.2008 nach § 36 Nr. 4 EGZPO festgelegt war (s. Rz. 33). Der sich ergebende Prozentsatz ist auf eine Dezimalstelle zu begrenzen (§ 36 Nr. 3 Satz 5 EGZPO). Dieser rückwirkend auf den Zeitpunkt 1.1.2008 berechnete Prozentsatz gilt unverändert für die Zukunft. Er findet auch dann Anwendung, wenn das Kind in eine höhere Altersstufe wechselt.1 Danach ist der jeweils aktuelle Unterhaltszahlbetrag zu berechnen. 26 Beispiel Der Alttitel von 8/2007 lautet: Der Beklagte wird verurteilt, an sein Kind …, geb. am …, zu Händen der Kindesmutter jeweils monatlich im Voraus ab … eine Unterhaltsrente von 100 % des jeweiligen Regelbetrags der Altersstufe 1 nach § 2 der Regelbetrag-VO (Ost) zu zahlen. Auf den Unterhalt ist das jeweilige hälftige Kindergeld für ein erstes Kind anzurechnen, soweit dieses zusammen mit dem Unterhalt 135 % des Regelbetrags übersteigt. Die Umrechnung auf den neuen Prozentsatz gliedert sich wie folgt: 1. Schritt: Der am 1.1.2008 zu zahlende Unterhalt beträgt in diesem Fall (Altersstufe 1) 175 Euro, nämlich 186 Euro – 11 Euro anrechenbares Kindergeld (vgl. Berliner Tabelle, Stand: 1.7.2007). 2. Schritt: Dem zu zahlenden Unterhaltsbetrag ist das hälftige Kindergeld hinzuzurechnen: 175 Euro + 77 Euro = 252 Euro 3. Schritt: Der sich ergebende Betrag von 252 Euro ist ins Verhältnis zu dem am 1.1.2008 geltenden Mindestunterhalt zu setzen. Das ist hier der Mindestunterhalt der Altersstufe 1 nach §§ 1612a Abs. 1, 36 Nr. 4 EGZPO in Höhe von 279 Euro. Der sich ergebende Prozentsatz ist auf eine Dezimalstelle zu begrenzen. 252 Euro/279 Euro = 90,3 % 4. Schritt: Der zukünftig zu zahlende Betrag ergibt sich, indem der neue Prozentsatz mit dem Mindestunterhalt (der jeweiligen Altersstufe) vervielfältigt, das Ergebnis auf volle Euro aufgerundet und davon das hälftige Kindergeld abgezogen wird. Ab 1.1.2010 sind mithin tituliert und zu zahlen: (90,3 % von 317 Euro) – 92 Euro = 286,25 (aufgerundet 287) Euro – 92 Euro = 195 Euro. Ab 1.1.2014 – das Kind ist nunmehr in der zweiten Altersstufe – errechnet sich der titulierte Unterhalt mit (90,3 % von 364 Euro) – 92 Euro = 237 Euro.
27 Unabhängig von der schlichten Umrechnung des alten Unterhaltstitels – bei der
nur die Bezugsgrößen des Kindesunterhalts ausgetauscht werden, stellt sich im o.g. Beispiel die Frage, ob mit dem Abänderungsverfahren nach § 239 FamFG eine Erhöhung des Unterhalts verlangt werden soll. Denn der titulierte Unterhaltsbetrag von 237 Euro bleibt um 35 Euro (ca. 15 %) hinter dem Zahlbetrag des Mindestunterhalts von 272 Euro zurück, wie ihn die Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1.1.2011/2013) festlegt; die Wesentlichkeitsgrenze für ein Abänderungsverfahren ist jedenfalls erreicht. Bei der Prüfung, ob das Nettoeinkommen des Unterhaltsverpflichteten eine Erhöhung des Unterhaltszahlbetrags zulässt, darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass die Oberlandesgerichte des Beitrittsgebiets wegen der Angleichung des Unterhaltsniveaus aller Kinder in der Bundesrepublik auch ihre bis 2007 niedrigeren Selbstbehaltssätze angehoben haben.
1 BGH, FamRZ 2012, 1048 (LS und Tz. 19 ff.).
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II. Übergangsregelungen zum Unterhaltsänderungsgesetz in § 36 EGZPO
b) § 36 Nr. 3 Satz 4 Buchst. b EGZPO Diese Vorschrift bezieht sich auf den Fall, dass ein bestehender Unterhaltstitel 28 die Hinzurechnung des hälftigen Kindergelds vorsieht, weil beide Elternteile dem Kind zum Barunterhalt verpflichtet sind (§ 1612b Abs. 2 a.F.BGB). Hier ist der ohne das hälftige Kindergeld zu zahlende Unterhalt zu dem am 1.1.2008 geltenden Mindestunterhalt ins Verhältnis zu setzen. Der zukünftig zu zahlende Unterhaltsbetrag ergibt sich, indem der neue Prozentsatz mit dem Mindestunterhalt der jeweils aktuellen Altersstufe vervielfältigt und dem Ergebnis das hälftige Kindergeld hinzugerechnet wird. Nicht erfasst wird mit dieser Umrechnung der Umstand, dass nach § 1612b BGB 29 das Kindergeld den barunterhaltspflichtigen Eltern nicht hälftig, sondern entsprechend ihren Haftungsanteilen zukommt (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB). Dies wäre im Rahmen der bloß rechnerischen Umstellung des Titels auch unzulässig, zur inhaltlichen Änderung bestehender Unterhaltstitel ist ein Abänderungsverfahren erforderlich. An der Erhebung eines solchen Verfahrens sind die Beteiligten durch die gesetzliche Überleitung des bestehenden Titels nicht gehindert. Das stellt § 36 Nr. 3 Satz 6 EGZPO in Verbindung mit § 36 Nr. 1 und Nr. 2 EGZPO klar. c) § 36 Nr. 3 Satz 4 Buchst. c EGZPO Buchstabe c befasst sich mit den Fällen, in denen das Kindergeld voll angerech- 30 net wird, weil nur der barunterhaltspflichtige Elternteil Anspruch auf Kindergeld hat (§ 1612b Abs. 3 a.F. BGB). Auch hier wird schlicht umgerechnet. Dem Unterhaltszahlbetrag ist das volle Kindergeld hinzuzurechnen und der sich so ergebende Betrag ins Verhältnis zu dem am 1.1.2008 geltenden Mindestunterhalt zu setzen. Der zukünftig zu zahlende Unterhalt ergibt sich, indem der neue Prozentsatz mit dem Mindestunterhalt (der jeweiligen Altersstufe) vervielfältigt und von dem Ergebnis das volle Kindergeld abgezogen wird. d) § 36 Nr. 3 Satz 4 Buchst. d EGZPO Zum Teil problematisch ist allerdings § 36 Nr. 3 Satz 4 Buchst. d EGZPO. Da- 31 nach ist wie nach Buchstabe a zu verfahren, wenn der Titel oder die Vereinbarung weder eine Anrechnung noch eine Hinzurechnung des Kindergelds oder eines Teils des Kindergelds vorsieht. Mit dieser Regelung wird zunächst die Konstellation erfasst, in der eine Anrechnung des Kindergelds wegen § 1612b Abs. 5 a.F. BGB vollkommen unterblieb. Der Unterhaltspflichtige war außerstande, zusammen mit dem hälftigen Kindergeld Unterhalt in Höhe von 135 % des Regelbetrags nach der Regelbetrag-VO zu leisten. Dass in diesen Fällen das hälftige Kindergeld dem bisher zu zahlenden Kindesunterhalt hinzuzurechnen und der sich so ergebende Betrag ins Verhältnis zum Mindestunterhalt zu setzen ist, ist systemgerecht. Denn der Unterhaltsbedarf des Kindes wird künftig um das Kindergeld gemindert, mithin die Hälfte des Kindergelds vom Barunterhaltsbedarf des Kindes bedarfsmindernd abgezogen. Unproblematisch erscheint die Regelung auch insoweit, als sie die Fälle regelt, in denen das Kindergeld nicht an den Barunterhaltspflichtigen ausgezahlt wird. Auch hier ist bei der Umstellung auf den Mindestunterhalt als neuen Anknüpfungspunkt für die Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen, dass nach geltendem Recht der Unterhaltsbarbedarf des Kindes um die Hälfte des Kindergelds gemindert wird. Rasch
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O. Übergangsvorschriften
32 In ihrem Anwendungsbereich zu weit erscheint die Regelung jedoch, wenn der
bestehende Unterhaltstitel bewusst von einer Anrechnung des Kindergelds auf den Kindesunterhalt absieht. Das kommt bei Unterhaltsvereinbarungen nicht selten vor, insbesondere wenn der unterhaltsverpflichtete Elternteil über ein hohes Einkommen verfügt. In einem solchen Fall widerspricht die Umrechnung des Titels nach § 36 Nr. 3 Satz 4 Buchst. d EGZPO, d.h. unter Berücksichtigung des hälftigen Kindergelds, der Vereinbarung der Beteiligten und stellt eine unzulässige inhaltliche Änderung des Unterhaltstitels dar. Man wird diese Fälle von der Anwendung des § 36 Nr. 3 Satz 4 Buchst. d EGZPO ausnehmen und lediglich den nach der Regelbetrags-VO errechneten Unterhaltszahlbetrag als Prozentsatz des Mindestunterhalts ausweisen müssen. 4. Festgeschriebene Untergrenze des Mindestunterhalts (§ 36 Nr. 4 EGZPO) 33 § 36 Nr. 4 EGZPO legt den Mindestunterhalt minderjähriger Kinder für eine
Übergangszeit (vom 1.1. bis 31.12.2008) der Höhe nach fest. Er beträgt nach dieser Vorschrift in der ersten Altersstufe (0 bis 5 Jahre) 279 Euro, in der zweiten Altersstufe (6 bis 11 Jahre) 322 Euro und in der dritten Altersstufe (12 bis 17) 365 Euro. Das sind die Regelbeträge nach § 1 der Regelbetrag-VO (West), wie sie sich aus § 1 der Fünften Verordnung zur Änderung der Regelbetrag-VO vom 5.6.2007 (BGBl. I, 1044) ergeben, erhöht um das hälftige Kindergeld (77 Euro). Diese Beträge wurden als Mindestunterhalt bis zu dem Zeitpunkt festgeschrieben, in dem der Mindestunterhalt nach Maßgabe des § 1612a Abs. 1 BGB den so festgelegten Betrag übersteigen würde. Dies war bereits zum 1.1.2009 der Fall, als der (doppelte) Kinderfreibetrag für Verheiratete auf 3 864 Euro angehoben wurde.
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P. Anhänge Düsseldorfer und Bremer Tabelle I. Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1.1.2013)1, 2 A. Kindesunterhalt Nettoeinkommen des Barunterhaltspflichtigen (Anm. 3, 4)
Altersstufen in Jahren (§ 1612a Abs. 1 BGB) 0–5
6–11
12–17
Prozent- Bedarfskonsatz trollbetrag (Anm. 6)
ab 18
Alle Beträge in Euro 1.
bis 1 500
317
364
426
488
100
800/1000
2.
1 501–1 900
333
383
448
513
105
1 100
3.
1 901–2 300
349
401
469
537
110
1 200
4.
2 301–2 700
365
419
490
562
115
1 300
5.
2 701–3 100
381
437
512
586
120
1 400
6.
3 101–3 500
406
466
546
625
128
1 500
7.
3 501–3 900
432
496
580
664
136
1 600
8.
3 901–4 300
457
525
614
703
144
1 700
9.
4 301–4 700
482
554
648
742
152
1 800
10.
4 701–5 100
508
583
682
781
160
1 900
ab 5 101 nach den Umständen des Falles
Anmerkungen: 1. Die Tabelle hat keine Gesetzeskraft, sondern stellt eine Richtlinie dar. Sie weist den monatlichen Unterhaltsbedarf aus, bezogen auf zwei Unterhaltsberechtigte, ohne Rücksicht auf den Rang. Der Bedarf ist nicht identisch mit dem Zahlbetrag; dieser ergibt sich unter Berücksichtigung der nachfolgenden Anmerkungen. Bei einer größeren/geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter können Ab- oder Zuschläge durch Einstufung in niedrigere/höhere Gruppen angemessen sein. Anmerkung 6 ist zu beachten. Zur Deckung des notwendigen Mindestbedarfs aller Beteiligten – einschließlich des Ehegatten – ist gegebenenfalls eine Herabstufung bis in die unterste Tabellengruppe vorzunehmen. Reicht das verfügbare Einkommen auch dann nicht aus, setzt sich der Vorrang der Kinder im Sinne von Anm. 5 Abs. 1 durch. Gegebenenfalls erfolgt zwischen den erstrangigen Unterhaltsberechtigten eine Mangelberechnung nach Abschnitt C. 1 Sobald die Düsseldorfer Tabelle aktualisiert wird, finden Sie die aktuellen Werte unter www.famrb.de. 2 Die neue Tabelle nebst Anmerkungen beruht auf Koordinierungsgesprächen, die unter Beteiligung aller Oberlandesgerichte und der Unterhaltskommission des Deutschen Familiengerichtstages e.V. stattgefunden haben.
945
P. Anhänge
2. Die Richtsätze der 1. Einkommensgruppe entsprechen dem Mindestbedarf in Euro gemäß § 1612a BGB. Der Prozentsatz drückt die Steigerung des Richtsatzes der jeweiligen Einkommensgruppe gegenüber dem Mindestbedarf (= 1. Einkommensgruppe) aus. Die durch Multiplikation des gerundeten Mindestbedarfs mit dem Prozentsatz errechneten Beträge sind entsprechend § 1612a Abs. 2 S. 2 BGB aufgerundet. 3. Berufsbedingte Aufwendungen, die sich von den privaten Lebenshaltungskosten nach objektiven Merkmalen eindeutig abgrenzen lassen, sind vom Einkommen abzuziehen, wobei bei entsprechenden Anhaltspunkten eine Pauschale von 5 % des Nettoeinkommens – mindestens 50 EUR, bei geringfügiger Teilzeitarbeit auch weniger, und höchstens 150 EUR monatlich – geschätzt werden kann. Übersteigen die berufsbedingten Aufwendungen die Pauschale, sind sie insgesamt nachzuweisen. 4. Berücksichtigungsfähige Schulden sind in der Regel vom Einkommen abzuziehen. 5. Der notwendige Eigenbedarf (Selbstbehalt) – gegenüber minderjährigen unverheirateten Kindern, – gegenüber volljährigen unverheirateten Kindern bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden, beträgt beim nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen monatlich 800 EUR, beim erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen monatlich 1 000 EUR. Hierin sind bis 360 EUR für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten. Der Selbstbehalt kann angemessen erhöht werden, wenn dieser Betrag im Einzelfall erheblich überschritten wird und dies nicht vermeidbar ist. Der angemessene Eigenbedarf, insbesondere gegenüber anderen volljährigen Kindern, beträgt in der Regel mindestens monatlich 1 200 EUR. Darin ist eine Warmmiete bis 450 EUR enthalten. 6. Der Bedarfskontrollbetrag des Unterhaltspflichtigen ab Gruppe 2 ist nicht identisch mit dem Eigenbedarf. Er soll eine ausgewogene Verteilung des Einkommens zwischen dem Unterhaltspflichtigen und den unterhaltsberechtigten Kindern gewährleisten. Wird er unter Berücksichtigung anderer Unterhaltspflichten unterschritten, ist der Tabellenbetrag der nächst niedrigeren Gruppe, deren Bedarfskontrollbetrag nicht unterschritten wird, anzusetzen. 7. Bei volljährigen Kindern, die noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnen, bemisst sich der Unterhalt nach der 4. Altersstufe der Tabelle. Der angemessene Gesamtunterhaltsbedarf eines Studierenden, der nicht bei seinen Eltern oder einem Elternteil wohnt, beträgt in der Regel monatlich 670 EUR. Hierin sind bis 280 EUR für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten. Dieser Bedarfssatz kann auch für ein Kind mit eigenem Haushalt angesetzt werden. 8. Die Ausbildungsvergütung eines in der Berufsausbildung stehenden Kindes, das im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnt, ist vor ihrer Anrechnung in der Regel um einen ausbildungsbedingten Mehrbedarf von monatlich 90 EUR zu kürzen.
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I. Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1.1.2013)
9. In den Bedarfsbeträgen (Anmerkungen 1 und 7) sind Beiträge zur Krankenund Pflegeversicherung sowie Studiengebühren nicht enthalten. 10. Das auf das jeweilige Kind entfallende Kindergeld ist nach § 1612b BGB auf den Tabellenunterhalt (Bedarf) anzurechnen. B. Ehegattenunterhalt I. Monatliche Unterhaltsrichtsätze des berechtigten Ehegatten ohne unterhaltsberechtigte Kinder (§§ 1361, 1569, 1578, 1581 BGB): 1. gegen einen erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen: 3/ 7 des anrechenbaren Erwerbseina) wenn der Berechtigte kein Einkommen hat: kommens zuzüglich 1/2 der anrechenbaren sonstigen Einkünfte des Pflichtigen, nach oben begrenzt durch den vollen Unterhalt, gemessen an den zu berücksichtigenden ehelichen Verhältnissen; 3/ 7 der Differenz zwischen den anreb) wenn der Berechtigte ebenfalls Einkommen hat: chenbaren Erwerbseinkommen der Ehegatten, insgesamt begrenzt durch den vollen ehelichen Bedarf; für sonstige anrechenbare Einkünfte gilt der Halbteilungsgrundsatz; c) wenn der Berechtigte erwerbsgemäß § 1577 Abs. 2 BGB; tätig ist, obwohl ihn keine Erwerbsobliegenheit trifft: 2. gegen einen nicht erwerbstätigen wie zu 1a, b oder c, jedoch 50 %. Unterhaltspflichtigen (z.B. Rentner): II. Fortgeltung früheren Rechts: 1. Monatliche Unterhaltsrichtsätze des nach dem Ehegesetz berechtigten Ehegatten ohne unterhaltsberechtigte Kinder: a) §§ 58, 59 EheG: in der Regel wie I, b) § 60 EheG: in der Regel 1/2 des Unterhalts zu I, c) § 61 EheG: nach Billigkeit bis zu den Sätzen I. 2. Bei Ehegatten, die vor dem 3.10.1990 in der früheren DDR geschieden worden sind, ist das DDR- FGB in Verbindung mit dem Einigungsvertrag zu berücksichtigen (Art. 234 § 5 EGBGB). III. Monatliche Unterhaltsrichtsätze des berechtigten Ehegatten, wenn die ehelichen Lebensverhältnisse durch Unterhaltspflichten gegenüber Kindern geprägt werden: Wie zu I bzw. II 1, jedoch wird grundsätzlich der Kindesunterhalt (Zahlbetrag; vgl. Anm. C und Anhang) vorab vom Nettoeinkommen abgezogen. IV. Monatlicher Eigenbedarf (Selbstbehalt) gegenüber dem getrennt lebenden und dem geschiedenen Berechtigten: unabhängig davon, ob erwerbstätig oder nicht erwerbstätig 1 100 EUR
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P. Anhänge
Hierin sind bis 400 EUR für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten. V. Existenzminimum des unterhaltsberechtigten Ehegatten einschließlich des trennungsbedingten Mehrbedarfs in der Regel: 1. falls erwerbstätig: 2. falls nicht erwerbstätig: VI. 1. Monatlicher notwendiger Eigenbedarf des von dem Unterhaltspflichtigen getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten unabhängig davon, ob erwerbstätig oder nicht erwerbstätig: a) gegenüber einem nachrangigen geschiedenen Ehegatten b) gegenüber nicht privilegierten volljährigen Kindern c) gegenüber Eltern des Unterhaltspflichtigen 2. Monatlicher notwendiger Eigenbedarf des Ehegatten, der in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Unterhaltspflichtigen lebt, unabhängig davon, ob erwerbstätig oder nicht erwerbstätig: a) gegenüber einem nachrangigen geschiedenen Ehegatten b) gegenüber nicht privilegierten volljährigen Kindern c) gegenüber Eltern des Unterhaltspflichtigen
1 000 EUR 800 EUR
1 100 EUR 1 200 EUR 1 600 EUR
880 EUR 960 EUR 1 280 EUR (vergl. Anm. D I)
Anmerkung zu I–III: Hinsichtlich berufsbedingter Aufwendungen und berücksichtigungsfähiger Schulden gelten Anmerkungen A. 3 und 4 – auch für den erwerbstätigen Unterhaltsberechtigten – entsprechend. Diejenigen berufsbedingten Aufwendungen, die sich nicht nach objektiven Merkmalen eindeutig von den privaten Lebenshaltungskosten abgrenzen lassen, sind pauschal im Erwerbstätigenbonus von 1/ 7 enthalten. C. Mangelfälle Reicht das Einkommen zur Deckung des Bedarfs des Unterhaltspflichtigen und der gleichrangigen Unterhaltsberechtigten nicht aus (sog. Mangelfälle), ist die nach Abzug des notwendigen Eigenbedarfs (Selbstbehalts) des Unterhaltspflichtigen verbleibende Verteilungsmasse auf die Unterhaltsberechtigten im Verhältnis ihrer jeweiligen Einsatzbeträge gleichmäßig zu verteilen. Der Einsatzbetrag für den Kindesunterhalt entspricht dem Zahlbetrag des Unterhaltspflichtigen. Dies ist der nach Anrechnung des Kindergeldes oder von Einkünften auf den Unterhaltsbedarf verbleibende Restbedarf. Beispiel: Bereinigtes Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen (M): 1 350 EUR. Unterhalt für drei unterhaltsberechtigte Kinder im Alter von 18 Jahren (K1), 7 Jahren (K2) und 5 Jahren (K3), Schüler, die bei der nicht unterhaltsberechtigten, den Kindern nicht barunterhaltspflichtigen Ehefrau und Mutter (F) leben. F bezieht das Kindergeld.
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I. Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1.1.2013) Notwendiger Eigenbedarf des M: Verteilungsmasse:
1 350 EUR – 1 000 EUR =
Summe der Einsatzbeträge der Unterhaltsberechtigten: 304 EUR (488–184) (K 1) + 272 EUR (364–92) (K 2) + 222 EUR (317–95) (K 3) Unterhalt: K 1: 304 × 350 : 798 = K 2: 272 × 350 : 798 = K 3. 222 × 350 : 798 =
1 000 EUR 350 EUR = 798 EUR 133,33 EUR 119,30 EUR 97,37 EUR
D. Verwandtenunterhalt und Unterhalt nach § 1615l BGB I. Angemessener Selbstbehalt gegenüber den Eltern: mindestens monatlich 1 600 EUR (einschließlich 450 EUR Warmmiete) zuzüglich der Hälfte des darüber hinausgehenden Einkommens, bei Vorteilen des Zusammenlebens in der Regel 45 % des darüber hinausgehenden Einkommens. Der angemessene Unterhalt des mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten bemisst sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (Halbteilungsgrundsatz), beträgt jedoch mindestens 1 280 EUR (einschließlich 350 EUR Warmmiete). II. Bedarf der Mutter und des Vaters eines nichtehelichen Kindes (§ 1615 l BGB): nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils, in der Regel mindestens 800 EUR. Angemessener Selbstbehalt gegenüber der Mutter und dem Vater eines nichtehelichen Kindes (§§ 1615 l, 1603 Abs. 1 BGB): unabhängig davon, ob erwerbstätig oder nicht erwerbstätig: 1 100 EUR. Hierin sind bis 400 EUR für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten. E. Übergangsregelung Umrechnung dynamischer Titel über Kindesunterhalt nach § 36 Nr. 3 EGZPO: Ist Kindesunterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Regelbetrages zu leisten, bleibt der Titel bestehen. Eine Abänderung ist nicht erforderlich. An die Stelle des bisherigen Prozentsatzes vom Regelbetrag tritt ein neuer Prozentsatz vom Mindestunterhalt (Stand: 1.1.2008). Dieser ist für die jeweils maßgebliche Altersstufe gesondert zu bestimmen und auf eine Stelle nach dem Komma zu begrenzen (§ 36 Nr. 3 EGZPO). Der Prozentsatz wird auf der Grundlage der zum 1.1.2008 bestehenden Verhältnisse einmalig berechnet und bleibt auch bei späterem Wechsel in eine andere Altersstufe unverändert (BGH Urteil vom 18.04.12 – XII ZR 66/10 – FamRZ 2012, 1048). Der Bedarf ergibt sich aus der Multiplikation des neuen Prozentsatzes mit dem Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe und ist auf volle Euro aufzurunden (§ 1612a Abs. 2 S. 2 BGB). Der Zahlbetrag ergibt sich aus dem um das jeweils anteilige Kindergeld verminderten bzw. erhöhten Bedarf.
949
P. Anhänge
Es sind vier Fallgestaltungen zu unterscheiden: 1. Der Titel sieht die Anrechnung des hälftigen Kindergeldes (für das 1. bis 3. Kind 77 EUR, ab dem 4. Kind 89,50 EUR) oder eine teilweise Anrechnung des Kindergeldes vor (§ 36 Nr. 3a EGZPO). ðBisheriger Zahlbetrag þ
1 2
KindergeldÞ 100
Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe
¼ Prozentsatz neu
Beispiel für 1. Altersstufe ð196 EUR þ 77 EURÞ 100 ¼ 97; 8% 279 EUR 279 EUR × 97,8 % = 272,86 EUR, aufgerundet 273 EUR Zahlbetrag: 273 EUR ./. 77 EUR = 196 EUR 2. Der Titel sieht die Hinzurechnung des hälftigen Kindergeldes vor (§ 36 Nr. 3b EGZPO). ðBisheriger Zahlbetrag 12 KindergeldÞ 100 Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe
¼ Prozentsatz neu
Beispiel für 1. Altersstufe ð273 EUR 77 EURÞ 100 ¼ 70; 2 % 279 EUR 279 EUR × 70,2 % = 195,85 EUR, aufgerundet 196 EUR Zahlbetrag: 196 EUR + 77 EUR = 273 EUR 3. Der Titel sieht die Anrechnung des vollen Kindergeldes vor (§ 36 Nr. 3c EGZPO). ðZahlbetrag þ 11 KindergeldÞ 100 Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe
¼ Prozentsatz neu
Beispiel für 2. Altersstufe ð177 EUR þ 154 EURÞ 100 ¼ 102; 7 % 322 EUR 322 EUR × 102,7 % = 330,69 EUR, aufgerundet 331 EUR Zahlbetrag: 331 EUR ./. 154 EUR = 177 EUR 4. Der Titel sieht weder eine Anrechnung noch eine Hinzurechnung des Kindergeldes vor (§ 36 Nr. 3d EGZPO). ðZahlbetrag þ 12 KindergeldÞ 100 Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe
¼ Prozentsatz neu
Beispiel für 3. Altersstufe ð329 EUR þ 77 EURÞ 100 ¼ 111; 2% 365 EUR 365 EUR × 111,2 % = 405,88 EUR, aufgerundet 406 EUR Zahlbetrag: 406 EUR ./. 77 EUR = 329 EUR 950
I. Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1.1.2013)
Anhang: Tabelle Zahlbeträge Die folgenden Tabellen enthalten die sich nach Abzug des jeweiligen Kindergeldanteils (hälftiges Kindergeld bei Minderjährigen, volles Kindergeld bei Volljährigen) ergebenden Zahlbeträge. Für das 1. und 2. Kind beträgt das Kindergeld derzeit 184 EUR, für das 3. Kind 190 EUR, ab dem 4. Kind 215 EUR. 1. und 2. Kind
0–5
6–11
12–17
ab 18
%
1.
bis 1 500
225
272
334
304
100
2. 1 501–1 900
241
291
356
329
105
3. 1 901–2 300
257
309
377
353
110
4. 2 301–2 700
273
327
398
378
115
5. 2 701–3 100
289
345
420
402
120
6. 3 101–3 500
314
374
454
441
128
7. 3 501–3 900
340
404
488
480
136
8. 3 901–4 300
365
433
522
519
144
9. 4 301–4 700
390
462
556
558
152
10. 4 701–5 100
416
491
590
597
160
3. Kind
0–5
6–11
12–17
ab 18
%
bis 1 500
222
269
331
298
100
2. 1 501–1 900
238
288
353
323
105
3. 1 901–2 300
254
306
374
347
110
4. 2 301–2 700
270
324
395
372
115
5. 2 701–3 100
286
342
417
396
120
6. 3 101–3 500
311
371
451
435
128
7. 3 501–3 900
337
401
485
474
136
8. 3 901–4 300
362
430
519
513
144
9. 4 301–4 700
387
459
553
552
152
10. 4 701–5 100
413
488
587
591
160
1.
951
P. Anhänge
Ab 4. Kind
0–5
6–11
12–17
ab 18
%
1.
bis 1 500
209,50
256,50
318,50
273
100
2.
1 501–1 900
225,50
275,50
340,50
298
105
3.
1 901–2 300
241,50
293,50
361,50
322
110
4.
2 301–2 700
257,50
311,50
382,50
347
115
5.
2 701–3 100
273,50
329,50
404,50
371
120
6.
3 101–3 500
298,50
358,50
438,50
410
128
7.
3 501–3 900
324,50
388,50
472,50
449
136
8.
3 901–4 300
349,50
417,50
506,50
488
144
9.
4 301–4 700
374,50
446,50
540,50
527
152
10.
4 701–5 100
400,50
475,50
574,50
566
160
952
II. Bremer Tabelle zur Berechnung des Altersvorsorgeunterhalts (Stand: 1.1.2014)
II. Bremer Tabelle zur Berechnung des Altersvorsorgeunterhalts (Stand: 1.1.2014)1, 2 (Beitragssatz 18,9 %) Fortgeführt von Richter am OLG a.D. Werner Gutdeutsch, München Nettobemessungs- Zuschlag in Prozent zur Berechnung grundlage in Euro der Bruttobemessungsgrundlage 1–905
13 %
906–955
14 %
956–1 005
15 %
1 006–1 055
16 %
1 056–1 110
17 %
1 111–1 150
18 %
1 151–1 190
19 %
1 191–1 225
20 %
1 226–1 255
21 %
1 256–1 285
22 %
1 286–1 325
23 %
1 326–1 365
24 %
1 366–1 415
25 %
1 416–1 470
26 %
1 471–1 525
27 %
1 526–1 585
28 %
1 586–1 650
29 %
1 651–1 715
30 %
1 716–1 780
31 %
1 781–1 850
32 %
1 851–1 920
33 %
1 Sobald die Bremer Tabelle aktualisiert wird, finden Sie die aktuellen Werte unter www.famrb.de. 2 Berechnet unter Berücksichtigung von Beitragssätzen von 18,9 % für die Rentenversicherung und 3 % für die Arbeitslosenversicherung, und Lohnsteuer der Klasse 1 ohne Kinderfreibeträge mit Solidaritätszuschlag; zur Anwendung vgl. BGH, FamRZ 1981, 442, 444, 445 = NJW 1981, 1556, 1558, 1559, BGH, FamRZ 1983, 888, 889, 890 = NJW 1983, 2937, 2938, 2939; siehe auch BGH, FamRZ 1985, 471, 472, 473 = NJW 1985, 1347 [LS].
953
P. Anhänge
Nettobemessungs- Zuschlag in Prozent zur Berechnung grundlage in Euro der Bruttobemessungsgrundlage 1 921–1 995
34 %
1 996–2 070
35 %
2 071–2 150
36 %
2 151–2 230
37 %
2 231–2 310
38 %
2 311–2 390
39 %
2 391–2 470
40 %
2 471–2 555
41 %
2 556–2 640
42 %
2 641–2 720
43 %
2 721–2 805
44 %
2 806–2 865
45 %
2 866–2 930
46 %
2 931–2 990
47 %
2 991–3 050
48 %
3 051–3 110
49 %
3 111–3 170
50 %
3 171–3 230
51 %
3 231–3 285
52 %1
3 286–3 345
53 %
3 346–3 400
54 %
3 401–3 460
55 %
3 461–3 525
56 %
3 526–3 590
57 %
3 591–3 655
58 %
3 656–3 725
59 %
1 In den neuen Bundesländern wird bei einer Beitragsbemessungsgrenze von 5 000 t mit einer Nettobemessungsgrundlage von 3 276,62 t und einem Zuschlag von 52,6 % der höchstmögliche Einzahlungsbetrag in die gesetzliche Rentenversicherung von 945 t erreicht.
954
II. Bremer Tabelle zur Berechnung des Altersvorsorgeunterhalts (Stand: 1.1.2014)
Nettobemessungs- Zuschlag in Prozent zur Berechnung grundlage in Euro der Bruttobemessungsgrundlage 3 726–3 910
60 %1
3 911–4 125
61 %
4 126–4 370
62 %
4 371–4 640
63 %
4 641–4 950
64 %
4 951–5 300
65 %
5 301–5 705
66 %
5 706–6 175
67 %
6 176–6 735
68 %
6 736–7 405
69 %
7 406–8 220
70 %
8 221–9 240
71 %
9 241–10 545
72 %
10 546–12 285
73 %
12 286–13 190
74 %
ab 13 191
75 %
III. Link zu den Leitlinien und zu weiteren Materialien Sobald die Leitlinien der Familiensenate oder Oberlandesgerichte zum Unterhalt veröffentlicht werden, finden Sie diese unter www.famrb.de. Dort finden Sie auch weitere Materialien zum Familienrecht, wie z.B. Gesetzesvorhaben, Tabellen, Muster und Formulare.
1 In den alten Bundesländern wird bei einer Beitragsbemessungsgrenze von 5 950 t mit einer Nettobemessungsgrundlage von 3 724,41 t und einem Zuschlag von 59,76 % der höchstmögliche Einzahlungsbetrag in die gesetzliche Rentenversicherung von 1 124 t erreicht. Nach BGH, FamRZ 2007, 117 ist aber auch ein Vorsorgeunterhalt jenseits der Beitragsbemessunggrenze nach den Grundsätzen der Bremer Tabelle zu berechnen.
955
Sachregister Die Ziffern bezeichnen die Randnummern.
Abänderung, gerichtliche Entscheidungen – Ausnahmen K 338 – Begründetheit K 343 – endgültige Regelung K 337 – titulierter Unterhaltsanspruch O 9 ff. – Zeitschranke K 359 ff. – Zulässigkeit K 314 ff. Abänderung, Vergleiche und Urkunden – Anwendungsbereich K 364 ff. – Begründetheit K 367 ff. – einseitige Verpflichtungserklärungen K 376 ff. – Haftung K 380 – Vereinbarungen K 370 ff. – Zeitschranke K 379 – Zulässigkeit K 364 ff. – Zwangsvollstreckungen – Einstellung/Beschränkung K 385 f. Abänderungsverfahren – ausländische Unterhaltstitel in Deutschland N 111 ff. – Begründetheit K 344 ff. – gerichtliche Entscheidungen K 327 ff.; siehe auch Abänderung, gerichtliche Entscheidungen – Gesetzesänderung O 12 ff. – nachträgliche Änderung K 351 ff. – titulierter Unterhaltsanspruch O 12 ff. – Übergangsvorschriften zum Unterhaltsänderungsgesetz O 7 ff. – Überzahlungen H 85 ff. – Unterhaltsanpassung K 357 ff. – Unterhaltsfestsetzungsbeschluss im vereinfachten Verfahren K 571 ff. – Verfahrenswert K 78 f. – Vergleiche und Urkunden K 363 ff.; siehe auch Abänderung, Vergleiche und Urkunden – wesentliche Änderung unterhaltsrelevanter Verhältnisse K 344 ff.; O 16 – Zumutbarkeit O 17 ff. – Zurechnung fiktiven Einkommens A 165 Abfindungen – arbeitsrechtliche E 83 – Ehegattenunterhalt A 105 – Einkommenszuordnung A 102 ff.; F 254 ff. – Minderjährigenunterhalt A 70
Abschreibungen – Ansparabschreibungen A 89 – Gebäude, Abnutzung A 95 – Investitionsabzugsbeträge A 97 – Minderjährigenunterhalt A 94 ff. – Sonderabschreibungen A 96 – Trennungsunterhalt E 131 ff. – Wirtschaftsgüter A 94 Additionsmethode – Bedarfsberechnung bei Trennungsunterhalt E 180 ff. AfA siehe Abschreibungen ALG II siehe Arbeitslosengeld II Alkoholabhängigkeit – Leistungsfähigkeit, Wegfall A 338 – mutwillige Herbeiführung F 477 – Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen F 140 Alleinerziehender Elternteil – Begriff H 2 Alleinverdienerehe – Nacheheunterhaltsberechnung F 343 Alleinvertretungsbefugnis – Eltern für Minderjährige K 39 ff. Allgemeine Schulausbildung B 67 ff. Alters- und Gesundheitsvorsorge – Abzugsposten bei Minderjährigenunterhalt A 88 Altersphasenmodell – Kindesbetreuung, nacheheliche F 108 – Kindesbetreuung, Trennungsphase E 30 f. Altersruhegeld – Minderjährigenunterhalt A 70 Altersteilzeit – prägende eheliche Lebensverhältnisse F 263 – Zurechnung fiktiven Einkommens A 163 ff. Altersunterhalt – Angemessenheit F 118 ff. – Befristung F 129 ff. – Darlegungs- und Beweislast F 123 – Herabsetzung F 129 ff. – kurze Ehedauer F 131 – Regelaltersgrenze F 117 – Ruhestandsregelungen F 115 – Teilzeitarbeit F 127
957
Sachregister
– überobligatorische Erwerbstätigkeit F 114 – Voraussetzungen F 109 ff. Altersversorgung – Altersteilzeit F 263 – zusätzliche A 242; F 309 Altersvorsorgeunterhalt – Beginn E 42 – fiktive Vorsorgeaufwendungen A 243 ff. – Freiberufler/Selbständige M 311 ff. – Getrenntleben E 156, 265 f. – nachehelicher F 367 ff. – Pfändung M 187 f. – für die Vergangenheit E 266; F 378 – zweckwidrige Verwendung F 480 Altfälle – Übergangsvorschriften zum Unterhaltsänderungsgesetz O 1 ff. Änderungsverfahren nach § 54 FamFG – Vollstreckungsaussetzung K 461 Anerkenntnis – vor dem Jugendamt J 27 – notarielles J 28 Anerkenntnis, sofortiges – Kostenentscheidung K 108 Anerkenntnisentscheidung – Beschwerde L 12 Annexzuständigkeit – Statusverfahren, Anhängigkeit N 21 f. – Verfahren zur elterlichen Verantwortung, Anhängigkeit N 23 Anordnung der sofortigen Wirksamkeit – Unterhalt im Verbund K 258 f. Anrechnungsklauseln – in Vollstreckungstiteln M 48 ff. Anschlussbeschwerde – Allgemeines L 91 ff. – Besonderheiten bei Verbundentscheidung L 118 ff. – Einlegung L 98 f. – Form L 100 ff. – Frist L 117 – Inhalt L 100 ff. Anschlussunterhalt – Altersunterhalt, nachehelicher F 126 ff. – bei Krankheit oder Gebrechen F 143 ff. – Teilunterhalt F 11 ff. Ansparabschreibungen A 89 Anspruchsübergang – Verwirkung A 380 Anwaltsvergleich – mit Unterwerfungsklausel J 31
958
Anwaltszwang – Ausnahmen K 63 – Behördenprivileg K 53 – Unterhaltsstreitsachen K 60 ff. – Zwangsvollstreckung M 12, 33 Arbeitseinkommen – Abgrenzung zu sonstige Vergütungen M 290 f. – Alters- und Versorgungsbezüge M 187 f. – Arten M 181 ff. – Begriff M 185 ff. – Freibetrag, Begrenzung M 225 ff. – Kontopfändungsschutz M 234 ff.; siehe auch dort – notwendiger Unterhaltsbedarf M 205 ff. – Pfändungsschutz M 181 ff. – bei Vollstreckung M 189 f. – privilegierte Unterhaltsgläubiger M 191 ff. – Unterhaltspflichten, zu berücksichtigende M 214 ff. – verschleiertes M 293 ff. – Vorratspfändung M 232 f. – Zugehörigkeit zum unpfändbaren Einkommen M 199 ff. Arbeitslosengeld I – Einkommenszuordnung A 107 ff. – Nebentätigkeit, Zumutbarkeit A 177 Arbeitslosengeld II – Anspruchsberechtigung A 115 – Bedarfsgemeinschaften A 117 – Bedürftigkeitsminderung E 200 – Erwerbslosigkeit nach Ausbildung B 106 – Erwerbsobliegenheit A 127 – Fahrtkostenabzug A 225 – Forderungsübergang/Rückgriff des Sozialleistungsträgers H 29 ff.; siehe auch Sozialleistungen, Rückgriffsansprüche – Freibeträge A 124 – Getrenntleben E 55 – Leistungsfähigkeit, Wegfall A 334 ff. – Minderjährigenunterhalt – eigene Einkünfte A 317 – Elterneinkommen A 110 ff. – Nebentätigkeit, Einkünfte A 125 ff. – Regelbedarfsstufen A 111 ff. – Selbstbehalt A 326 – Unterhaltsberechtigter A 120 – Unterhaltspflichtiger A 120 ff. – Volljährigenunterhalt B 27
Sachregister
Arbeitslosenunterhalt – Anspruchsvoraussetzungen F 161 ff. – Befristung F 50 ff., 185 – Bewerbungen F 164 ff. – Darlegungs- und Beweislast F 184 – Einsatzzeitpunkt F 177 ff. – Erwerbsbemühungen F 161 ff. – Herabsetzung F 50 ff., 185 – Konkurrenzen F 171 ff. – nachhaltige Sicherung der Erwerbstätigkeit F 180 ff. – Pflicht zur Aus-, Fortbildung und Umschulung F 171 ff. Arbeitslosigkeit – Abzug berufsbedingter Aufwendungen A 219 – wg. Alkoholabhängigkeit A 338 – Arbeitslosengeld II A 110 ff.; siehe auch dort – Aufnahme berufsfremder Tätigkeiten B 106 – Eigenbedarfssätze A 109 – aufgrund Erkrankung des volljährigen Kindes B 105 – Erwerbsobliegenheit A 43 ff. – gesteigerte A 332 – Leistungsfähigkeit, Wegfall A 332 ff. – Nebentätigkeit A 108 – nicht verheiratete Mutter D 53 f. – Selbstbehalt bei Minderjährigenunterhalt A 323 ff. – Zurechnung fiktiven Einkommens A 162 Arrestverfahren – Sicherung künftiger Unterhaltsansprüche K 498 ff. Aufrechnung – Unterhaltsüberzahlungen H 94 ff. Aufstockungsunterhalt F 187 ff. – bis zum 31.12.2007 F 202 – Anspruchsvoraussetzungen F 188 ff. – Befristung F 50 ff., 193 ff. – Einsatzzeitpunkte F 192 – Erwerbsobliegenheit F 188 ff. – Herabsetzung F 50 ff.,193 ff. – Konkurrenzen F 188 ff. – Teilzeitarbeit F 189 Aufwandsentschädigung – Minderjährigenunterhalt A 213 Aufwendungen, berufsbedingte – Abzugsfähigkeit A 215 ff. – Arbeitslose A 219 – Auszubildende A 218 – fiktive Einkünften A 170 – Pauschalabzug A 216
– Schätzung A 217 – selbständige Erwerbstätige A 220 Ausbildungsobliegenheit – Minderjähriger A 313 ff. – Nacheheunterhalt F 32 – Zurechnung fiktiven Einkommens F 175 ff. Ausbildungsunterhalt, nachehelicher F 203 ff. – wg. Aufnahme oder Fortsetzung F 205 ff. – Dauer F 213 – Fortbildung F 216 ff. – Umschulung F 216 ff. Ausbildungsunterhalt, volljähriges Kind B 73 ff. – angemessene Vorbildung zu einem Beruf B 74 ff. – Ausbildungsverzögerungen B 86 ff. – Ausbildungswechsel B 89 ff. – längere Orientierungsphase B 83 ff. – Übergangszeiten B 82 – Verpflichtungsdauer B 80 ff. – Weiterbildung B 97 ff. – weitere Ausbildung B 93 ff. – Zweitausbildung B 101 ff. Ausbildungsvergütung B 9 Ausbildungsversicherung B 30 Ausfallhaftung – bei fiktivem Einkommen B 57 f. Ausgleichsanspruch – familienrechtlicher H 97 ff. Auskunfts- und Unterhaltsverlangen J 14 ff. – Angaben J 10 – Aufforderung zur Übergabe vollstreckbarer Urkunde J 19 ff. – Belegvorlageverlangen J 11 – beziffertes J 8 – Fristsetzung J 12 – Verwirkung J 24 Auskunftsanspruch – Auskunfts- und Unterhaltsverlangen 5; siehe auch dort – Auskunftsberechtigte und -verpflichtete I 2 ff. – Auskunftsverlangen, schriftliches J 4 ff. – Darlegungs- und Beweislast I 3 ff. – Einkommen des neuen Ehegatten I 18 – Eltern gegen Kind I 5 – Eltern untereinander I 7 – Geschwister bei Elternunterhalt C 93 f.; I 8
959
Sachregister
– getrennt lebende/geschiedene Eheleute I 6 – Kind gegen barunterhaltspflichtigen Elternteil I 5 – laufendes Unterhaltsverfahren I 50 ff. – nicht verheiratete Mutter D 45 – Sperrfrist I 48 ff. – Stichtagsauskunft I 24 ff. – Übergang auf Leistungsträger H 43 – Umfang I 16 – Unterhaltsbeistandschaft J 4 – Unterhaltsvergleich I 55 ff. – Vorschusskasse H 16 – wechselseitige I 5 ff. – Zwangsvollstreckung M 326 ff. Auskunftsantrag – Einkünfte aus Arbeitnehmertätigkeit K 311 – Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit K 312 – Form I 29 ff. – Kapitaleinkünfte K 313 – Mieteinkünfte K 313 – Verfahrenswert K 82 f. – Vermögen K 314 ff. Auskunftspflicht – Abgrenzung zur Belegpflicht I 32 f. – Auskunfts- und Stufenverfahren K 201 ff.; siehe auch dort – Auskunftserzwingung K 209 ff. – Auskunftsverweigerung I 12 ff. – Beteiligte ggü. Gericht K 193 ff. – Dritter, verfahrensrechtlicher (§ 236 FamFG) K 205 ff. – eidesstattliche Versicherung I 42 ff.; M 337 ff. – Einkommensschwankungen I 20 – Erforderlichkeit I 11 ff. – Häufigkeit I 47 ff. – Leistungsverweigerungsrecht I 9 f. – schriftliche Versicherung der Richtigkeit K 196 f. – Selbständige I 21 ff. – Trennungsunterhalt E 48 – zur ungefragten Information I 53 ff.; K 198 – Verfahren nach Überweisungsbeschluss M 335 f. – Versäumnisse K 107 – Vorlage von Belegen I 33 ff. – Zurückbehaltungsrecht I 9 – Zwangsgeldverfahren M 327 ff. – Zwangsvollstreckung M 67 f. Auskunftsverfahren – Anträge K 304 ff.
960
– und Stufenverfahren K 301 ff. Ausländische Unterhaltstitel – Abänderung in Deutschland N 111 ff. – Anerkennung/Vollstreckbarkeit – nach §§ 108 bis 110 FamFG N 103 ff. – nach der EuUnthVO N 90 ff. – Rechtsquellen N 86 ff. – Verfahren mit Exequatur N 97 ff. – Verfahren ohne Exequatur N 91 ff. – Vollstreckung N 109 f. Auslandsbezug – anwendbares materielles Recht N 43 ff. – ausländische Unterhaltstitel siehe auch dort – Elternunterhalt N 54 ff. – Europäischer Gerichtsatlas für Zivilsachen N 121 – Europäisches justizielles Netz für Zivil- und Handelssachen N 120 – Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten a anzuwendende Recht (HUÜ 73) N 69 ff. – Haager Unterhaltsprotokoll N 45 ff. – Kindesunterhalt N 54 ff. – Kontaktstellen/Informationsmöglichkeiten N 119 ff. – Ländergruppeneinteilung N 77 ff. – Link: internationale Normen N 122 – Nacheheunterhalt N 64 ff. – Nacheheunterhalt, Altverfahren N 67 f. – Rechtshängigkeit im Ausland N 30 f. – Rechtsquellen N 3 ff. – Tabellen zum Preisniveau N 80 ff. – Teuerungsziffern N 85 – Trennungsunterhalt N 64 ff. – Unterhaltsberechnungshilfen N 76 ff. – Unterhaltsstreitverfahren N 1 ff. – Unterstützung durch zentrale Behörden N 116 f. – Verbindungsrichter, von Mitgliedsstaaten benannte N 121 – völkerrechtliche Vereinbarungen N 69 ff. – völkerrechtliche Vereinbarungen, weitere mit kollisionsrechtlichen Regelungen N 72 – Vorrang supranationalen Rechts N 3, 44 – Zugang zum Recht N 116 ff. – Zuständigkeit N 1 ff. Auslandsunterhaltsgesetz N 3a
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Auslandszuschläge – Minderjährigenunterhalt A 132, 213 Ausschließlicher Gerichtsstand – Gericht der Ehesache K 18 f. – Kindesunterhalt K 20 ff. – Unterhaltsfestsetzung bei Feststellung der Vaterschaft K 29 – Vorrang K 23 Auszubildende – berufsbedingte Aufwendungen A 218 BAföG – Getrenntleben E 200 – Minderjährigeneinkommen A 203, 317 – Titelumschreibung M 113 – Volljährigeneinkommen B 22 ff. Bagatellunterhalt – Begrenzung E 126 – Getrenntleben E 238 – Nacheheunterhalt F 362 Barunterhalt – angemessener Eigenbedarf A 9 f. – Auskunftspflicht I 5 ff. – Barunterhaltspflichtige A 7 – beiderseitige Barunterhaltspflicht A 260 ff. – Darlegungs- und Beweislast A 12 ff. – Fälligkeit A 357 ff. – Geldrente A 356 ff. – Grundsatz der Gleichwertigkeit A 7 ff. – Leistungspflicht 319 ff. – Minderjährigenunterhalt A 7 ff. – Rangverhältnisse A 366 f. – nach Trennung/Ehescheidung A 8 – Unterhaltsrückstände A 378 ff. – Unterhaltsverträge A 361 ff. – Unterhaltsverzicht A 361 ff. – Verjährung A 387 ff. – Verwirkung A 360 – Verzugszinsen A 372 ff. – Volljährigenunterhalt B 6 ff. Barunterhaltspflichtiger Elternteil – Auskunftspflicht A 5 ff. – Unterschreitung angemessenen Selbstbehalts A 54 – Wegfall gesteigerter Unterhaltspflicht A 49 ff. Barvermögen – im Elternunterhalt C 84 Bauherrenmodell F 324 Bedarf bei Auslandsbezug – Berechnungshilfen N 73 ff.
– Ländergruppeneinteilung N 77 ff. – Tabellen zum Preisniveau N 80 ff. – Teuerungsziffern N 85 Bedarfsberechnung – Abzug von Kindergeld B 119 ff. – Bagatellgrenze F 362 – Bedarfskontrollbeträge A 248 ff. – Begriff E 181 – Berechnungsmethoden E 180 ff. – Bremer Tabelle P II – Düsseldorfer Tabelle A 244 ff., 263 f.; PI – Elternunterhalt C 4, 33 ff. – geschiedene Eheleute F 362; siehe auch Nacheheunterhalt, Bedarfsberechnung – Haftungsquoten bei gleichrangigen Ansprüchen B 133 f. – hälftige Betreuung durch die Eltern A 268 ff. – minderjähriges Kind A 244 ff.; siehe auch Düsseldorfer Tabelle; siehe auch Minderjähriges Kind, Bedarf – pauschalierte Regelbedarfssätze B 114 ff. – privilegierte Volljährige B 112, 132 f. – Trennungsunterhalt siehe auch Getrenntleben, Bedarfsberechnung – Unterhaltsanspruch nicht verheirateter Mutter D 48 ff. – nach Unterhaltstabellen A 244 ff.; siehe auch Düsseldorfer Tabelle; siehe auch Bremer Tabelle – volljähriges Kind B 112 ff., siehe auch Volljähriger, Bedarf – Wechselmodell A 265 ff. Bedarfsbestimmendes Einkommen – Getrenntleben E 49 ff.; siehe auch Getrenntleben, bedarfsbestimmendes Einkommen – Nacheheunterhalt F 246 ff.; siehe auch Nacheheunterhalt, bedarfsbestimmendes Einkommen Bedarfsgemeinschaft nach SGB II – Getrenntleben E 12 – vorrangiger Unterhaltsvorschuss H 6 Bedarfsminderung – Elterngeld D 68 f. – freiwillige Leistungen Dritter D 70 – Grundsicherungsrente C 9 ff. – Vermögen C 18 – Wohngeld C 16 f. Bedürftigkeit – Begriff E 181
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– geschiedene Eheleute F 27 ff.; siehe auch Geschiedene Eheleute, Bedürftigkeit – getrennt lebender Anspruchsteller E 20, 197 ff.; siehe auch Getrenntlebende, Bedürftigkeit – minderjähriges Kind A 35 ff., 309 ff.; siehe auch Minderjähriges Kind, Bedürftigkeit – nicht verheiratete Mutter D 65 ff. Befristung – nachehelicher Unterhalt K 106 – Unterhalt wegen Kindesbetreuung D 32 ff. Behördenprivileg – Ausnahme vom Anwaltszwang K 63 Beistandschaft – Jugendamt K 51 ff. Beleganspruch – Antragstellung I 35 – Belegvorlageverlangen J 11 – Einkommenssteuerbescheid I 40 – Höhe der Einkünfte I 34 ff. – Selbständige, Art der Belege I 38 – Verdienstbescheinigungen I 36 f. – Vermietung und Verpachtung I 39 – Vermögen, Bestandsverzeichnis I 41 Belegvorlage – Belegvorlageverlangen J 11 – Unterhaltstitel, bestimmter M 65 f. – Zwangsgeldverfahren M 327 ff. – Zwangsvollstreckung M 326 ff. Beratungshilfe – Erstberatung K 94 Bereicherungsanspruch – Überzahlungen H 78 Berufsausbildung – Ausbildungsunterhalt B 73 ff. Berufsausbildungsbeihilfe – Minderjährigeneinkommen A 204 Berufsbedingte Aufwendungen – betreuungsbedürftiges Kind E 67 – Getrenntlebende E 64 ff. – Selbständige E 66 Berufsunfähigkeit – Vorsorgeunterhalt, nachehelicher F 367 Beschwerde – Anerkenntnisentscheidung L 12 – Anschlussbeschwerde L 9, 91 ff.; siehe auch dort – Beschwerdebegründung L 67 ff. – Beschwerdeberechtigung L 33 ff. – Beschwerdeschrift
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Erweiterung L 133 f. Form L 37 ff. Formulierungsvorschlag L 192 Frist L 43 ff. Gegenstandswert L 24 ff. Ort L 49 ff. Rechtsbeschwerde L 10 f., 229 ff.; siehe auch dort – Rücknahme L 131 f. – sofortige L 5 ff., 240 ff.; siehe auch Beschwerde, sofortige – Statthaftigkeit L 13 f. – Teilentscheidungen L 220 f. – vereinfachtes Unterhaltsverfahren K 575 – Verfahrenskostenhilfe L 60 – Verzicht L 122 ff. – Verzichtsvereinbarung L 129 – Zulässigkeit L 4, 13 ff. – Zurückweisung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln L 89 Beschwerde, sofortige L 5 ff. – Ablehnung von Verfahrenskostenhilfe K 131 ff. – Einlegung L 251 ff. – Frist L 7 – Grundsätzliches L 240 – Streitwert der Hauptsache L 250 – Verfahrenskostenhilfe L 7 – Versagung von Verfahrenskostenhilfe L 246 ff. – weitere Fälle in Unterhaltssachen L 263 f. Beschwerdebegründung – Einreichung L 67 ff. – Empfänger L 86 – Frist L 74 ff. – Fristverlängerungen L 76 ff. – Inhaltsanforderungen L 87 f. – Rechtsbeschwerde L 235 f. Beschwerdeverfahren – Anhörungsrüge L 224 ff. – Beibringungsgrundsatz L 143 – Veränderungen während L 150 ff. – Verlauf L 135 ff. – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand L 153 ff. Bestehende Lebensgemeinschaft – Lebenspartner G 1 ff. – Verheiratete F 1 ff. Beteiligte – Auskunftspflicht ggü. Gericht K 193 ff. – Bezeichnung K 35
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– minderjähriges Kind K 37 ff. – Pflicht zur ungefragten Information K 198 – schriftliche Versicherung der Richtigkeit K 193 f. – Unterhaltsverfahren K 34 ff. Betreuender Elternteil – zusätzliche Barbelastung A 56 ff. Betreuungsbonus A 222 Betreuungsgeld – Elterneinkommen bei Minderjährigenunterhalt A 154 Betreuungskosten – berufsbedingte Aufwendungen E 67 – Mehraufwendungen A 221 Betreuungsunterhalt – Altersphasenmodell F 108 – altes Recht F 107 ff. – Anspruchshöhe F 69 – Beendigung F 103 ff. – Befristung F 100 f. – Billigkeitsprüfung F 413 – Darlegungs- und Beweislast F 93 ff. – Ehelichkeit F 59 – Erwerbsobliegenheit F 108 – Erwerbstätigkeit – Teilzeit F 69 – überobligatorische F 62 ff. – Zumutbarkeit F 68 ff. – Fremdbetreuungsmöglichkeiten F 73 ff. – gemeinschaftliches Kind F 58 – Grundsatz der Gleichwertigkeit A 9 f. – Herabsetzung F 102 – Kindergartenalter F 89 – nachehelicher F 53 ff. – Schulpflicht F 77, 90 ff. – Umfang F 60 ff. – Unterhaltsberechtigte F 56 ff. – verfassungsrechtliche Vorgaben F 55 – Verlängerung F 65 ff. – ehe- und elternbezogene Gründe F 80 ff. – kindbezogene Gründe F 70 ff. – bei volljährigen Kindern F 108 – Wiederaufleben F 465 Billigkeitsentscheidung – überobligatorische Erwerbstätigkeit E 90 ff. Billigkeitsunterhalt – Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit – § 1581 BGB F 350 ff. – Getrenntleben E 23
– Nacheheunterhalt – § 1576 BGB F 220 ff. – bei schwerer Verfehlung D 86 ff. Bremer Tabelle – Vorsorgeunterhalt F 372; P II DDR-Recht – Nacheheunterhalt F 2 Diensteinkommen – Pfändung und Überweisung M 159 Differenzmethode – Bedarfsberechnung bei Trennungsunterhalt E 183 Doppelverdienerehe – Nacheheunterhaltsberechnung F 344 Drogenabhängigkeit – mutwillige Herbeiführung der Bedürftigkeit F 477 Durchschnittseinkommen – nichtselbständiger Erwerbstätiger A 79 ff.; E 62 – selbständiger Erwerbstätiger A 87 ff.; E 63 Düsseldorfer Tabelle P I – Altersstufen A 246 f. – Bedarfsberechnung A 17, 21 ff. – Bedarfskontrollbeträge A 248 ff. – beiderseitige Barunterhaltspflicht A 260 ff. – Eigenbedarf, angemessener und notwendiger B 39 ff. – Einkommensgruppen A 245 – gemeinsame elterliche Sorge und Betreuung A 265 ff. – Höher-/Herabstufung A 252 ff. – Kindergeldanrechnung A 274 f.; siehe auch Kindergeld – minderjähriges Kind A 244 ff. – privilegiertes volljähriges Kind B 44 – Unanwendbarkeit A 274 – Unterhaltsberechnung A 30 ff. – volljähriges Kind B 39 ff., 111 ff. – Vortabellen, Anwendung in den neuen Bundesländern A 273 – Wechselmodell A 265 ff. Dynamisierter Kindesunterhalt siehe Kindesunterhalt, dynamisierter Ehe von langer Dauer – Billigkeitsprüfung, Nacheheunterhalt F 420 ff. – nacheheliche Solidarität F 423 Eheangemessener Lebensbedarf, Getrenntleben E 13 ff. – fiktive Einkünfte E 14
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– Grundsatz der Halbteilung E 15 ff. – Mindestunterhalt E 15 Eheangemessener Lebensbedarf, Nachehe F 25, 358 – Ausschluss F 38 ff. – Befristung F 38 ff. – Berechnung F 232 f. – Herabsetzung auf angemessenen F 38 ff., 390 ff., 426 ff. Ehebedingte Nachteile – Billigkeitsprüfung, Nacheheunterhalt F 394 – Ehe von langer Dauer F 420 ff. – Gestaltung von Haushaltsführung und Berufstätigkeit F 417 ff. – Kinderbetreuungszeiten F 423 ff. – Kompensierbarkeit F 406 – Kriterien F 403 ff. Ehegattensplittingvorteil A 190 Ehesache – anhängige, Zuständigkeiten K 18 f. Ehescheidung – nach DDR-Recht F 2 Eheverfehlungen F 411 Eidesstattliche Versicherung – Amtsgericht als Vollstreckungsgericht I 45 – aufgrund Auskunftstitels M 337 ff. – Einkommens- und Vermögensauskunft I 42 ff. – Gegenstandswert L 32 Eigenbedarf – angemessener E 213 ff.; siehe auch Eigenbedarf, angemessener – Arbeitslosigkeit A 109 – eheangemessener E 211 ff. – Ehegatte des Unterhaltsschuldners C 27 – Eigenbedarfskontrolle – Trennungsunterhalt E 179 – Eigenbedarfssätze – Übersicht A 52 – Kürzung A 328 – Minderjährigenunterhalt A 46 ff. – Nacheheunterhalt F 355 ff. – für Nichterwerbstätige A 323 – notwendiger A 320 ff.; siehe auch Eigenbedarf, notwendiger – Umschüler A 324 – Volljährigenunterhalt B 39 ff. – bei Zusammenleben mit Drittem A 328 ff. Eigenbedarf, angemessener – nach der Düsseldorfer Tabelle B 39 ff.; P I
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– eheangemessener E 211 ff. – Eigenbedarfssatz, unverheirateter Vater D 44 – Getrenntleben E 22 ff., 213 ff. – Kinder bei Elternunterhalt C 24 ff. – Minderjährigenunterhalt A 49 ff. – Nacheheunterhalt F 359 Eigenbedarf, notwendiger – nach der Düsseldorfer Tabelle B 39 ff.; P I – gesteigerte Unterhaltspflicht B 36 – Minderjährigenunterhalt A 0, 47 – privilegierte volljährige Kinder B 36 ff. Eigenbedarfssätze – Elternunterhalt C 26 – Richtlinienfunktion B 41 Eigene Einkünfte – Arbeitslosengeld II B 27 – Einkünfte des Volljährigen B 118 ff. – Elternunterhalt C 6 ff., 38 f. – Erwerbsminderungsrenten B 26 – Grundsicherungsrente C 9 ff. – Kindergeld B 119 – nicht verheirateter Mutter D 65 ff. – Rückgewähransprüche aus Schenkungsrecht C 19 – Sozialhilfe B 27 – Studiengebühren B 25 – Unterhaltsforderungen C 20 ff. – Vermögensverwertung C 18 ff. – Wohngeldanrechnung C 16 Eigenheim – Eigenheimverbindlichkeiten A 237 ff.; F 303 – Finanzierungsaufwendungen bei Elternunterhalt C 55 – Tilgungsraten A 210 Eigentumswohnung – nicht selbst genutzte C 57 Eingetragene Lebenspartnerschaft G 1 ff. Einkommen, überdurchschnittliches A 23 ff. Einkommensabzug – Abschreibungen für Abnutzung von Gebäude 95 – Abschreibungen für Wirtschaftsgüter A 94 ff. – Aufwendungen, berufsbedingte A 75, 215 ff. – Aufwendungen für zusätzliche Altersversorgung F 309 – Aufwendungen und Verbindlichkeiten A 214 ff.
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– berufsbedingte Aufwendungen E 64 ff. – Betreuungsbonus A 222 ff. – Betreuungskosten A 221 – Eigenheimverbindlichkeiten A 237 ff.; F 303 – Erwerbstätigenbonus E 17 ff. – bei fiktiven Einkünften A 170, C 72 – Getrenntleben E 64 ff. – Kinderbetreuungsbonus E 97 – Kinderbetreuungskosten E 95 ff. – konkurrierender Unterhalt F 327 ff. – krankheitsbedingter Mehrbedarf A 221 – Kreditraten E 149 ff.; F 308 ff. – Lebenshaltungskosten A 76 – Mietkosten während Trennungszeit E 160 – Minderjährigenunterhalt A 229 ff. – nicht verheirateter Vater D 77 f. – nichtselbständige Erwerbstätige A 79 ff., 215 ff. – selbständige Erwerbstätige A 87 ff. – Sonderabschreibungen A 96 – Steuerabzüge A 74 – Steuernachzahlungen A 198 ff. – Trennungsunterhalt E 74 ff. – Umgangskosten A 224 ff. – Unterhalt für neuen Ehepartner F 338 – Unterhaltsleistungen für Kinder E 164 ff. – Unterhaltsverbindlichkeiten A 239 ff.; E 74 ff. – nach der Scheidung F 332; A 332 ff. – nach der Trennung F 330; A 332 ff. – Verbraucherinsolvenzverfahren A 234 f. – Verfahrenskosten F 310 – Versicherungsbeiträge A 241 – Vorsorgeaufwendungen A 74, 242 – Wohnvorteil E 143 ff. – zusätzliche Altersversorgung A 242 Einkommensbereinigung siehe Einkommensabzug Einkommenssteuerbescheid – Geheimhaltungsinteresse I 40 Einkünfte – Arten I 16 ff. – Auskunftserteilung I 16 ff. – eigene siehe Eigene Einkünfte – Kapitaleinkünfte I 39 – Lohn und Verdienst I 36 f. – Selbständiger I 38
– aus Vermietung und Verpachtung I 39 Einspruch – gg. Versäumnis L 12 ff. Einstweilige Anordnung – nach § 246 FamFG zur Zahlung von Unterhalt K 410 ff. – Änderungsverfahren nach § 54 FamFG K 447 ff. – anderweitiger Rechtsschutz K 485 ff. – Anwaltsgebühren K 95 – Anwaltszwang, kein K 63 – Aufhebung/Änderung K 447 ff. – einstweilige Unterhaltsanordnung – Trennungsunterhalt E 44 – Entscheidung durch Beschluss K 435 ff. – FGG-Reformgesetz O 3 ff. – vor der Geburt des nichtehelichen Kindes K 522 ff. – Geltungsdauer K 462 ff. – internationale Zuständigkeit N 39 ff. – Kostenentscheidung K 111, 438 f., 485 ff. – Minderjährigenunterhalt A 397 – Rückforderung überzahlten Unterhalts K 492 ff. – Sondertatbestände K 497 – Unterhalt bei vermuteter Vaterschaft D 110 ff. – Vaterschaftsfeststellung K 517 ff. – Verfahrensablauf K 431 ff. – Verfahrenskostenhilfe K 476 ff. – Verfahrenskostenvorschuss B 161 – Vollstreckbarkeit K 444 ff. – Vollstreckungsaussetzung K 461 – zuständiges Gericht K 29 Einstweiliger Rechtsschutz K 402 ff. – anderweitiger Rechtsschutz K 485 ff. – Arrestverfahren K 498 ff. – Auslandsbezug N 39 ff. – einstweilige Anordnung K 410 ff.; siehe auch dort – Verfahrenskostenhilfe K 476 ff. – zuständiges Gericht K 405 ff. Elementarunterhalt – vorläufiger, Berechnung F 375 – Vorsorgeunterhalt, Berechnung F 371 ff. Eltern, Bedarf C 33 ff. – angemessener Unterhalt C 4 – Darlegungs- und Beweislast C 2, 37 – Pflegeheimunterbringung C 4, 35 ff. Eltern, Bedürftigkeit – eigene Einkünfte C 6 ff., 38 f.
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– Grundsicherungsrente C 9 ff. – Pflegebedürftigkeit C 7 – Rückgewähransprüche aus Schenkungsrecht 19 – Unterhaltsforderungen C 20 ff. – Vermögensverwertung C 18 ff. – Wohngeldanrechnung C 16 Elterngeld – Elterneinkommen, Minderjährigenunterhalt A 71, 144 ff. – und Geschwisterbonus A 148 – bei Getrenntleben E 58 – Nacheheunterhaltsberechnung F 240 – nicht verheiratete Mutter D 68 f. – und Sozialleistungen A 147 Elternunterhalt – Abzugsposten bei Nacheheunterhalt F 327 ff. – Anspruchsvoraussetzungen C 2 ff. – anwendbares Recht bei Auslandsbezug N 54 ff. – Auskunftsanspruch der Geschwister untereinander C 93 f.; I 8 – Bedarf C 4; siehe auch Eltern, Bedarf – Bedürftigkeit C 5 ff.; siehe auch Eltern, Bedürftigkeit – Berechnung C 32 ff. – Beschränkung C 117 f. – Ehegatteneinkommen, Mitberücksichtigung C 49 ff. – eigene Unterhaltsverbindlichkeiten, Abzug C 45 ff. – Finanzierung des Eigenheims C 55 ff. – Geldstrafen/-bußen C 62 f. – gesetzlicher Forderungsübergang auf Sozialhilfeträger C 95 ff. – Haager Unterhaltsprotokoll N 54 ff. – Konsumentenkredit C 60 f. – Leistungsfähigkeit der Kinder C 24 ff.; siehe auch Leistungsfähigkeit, Kinder bei Elternunterhalt – mehrere unterhaltspflichtige Kinder C 2, 91 ff. – Prozesskostenvorschuss C 128 – Rangverhältnisse C 119 – Unterhaltsrückstände – Verwirkung C 124 ff. – Verbindlichkeiten für allgemeine Lebenshaltung C 58 ff. – für die Vergangenheit C 120 ff. – Verjährung C 127 – Vermögensverwertungspflicht A 143 – Vorsorgeaufwendungen C 64 ff. – Wegfall C 117 f.
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– Wohnwertvorteil durch mietfreies Wohnen A 211 ff. Elternunterhalt, Leistungsfähigkeit der Kinder – andere Verbindlichkeiten C 54 ff. – Ehegatteneinkommen, Mitberücksichtigung C 49 ff. – Eigenbedarf, angemessener C 24 ff. – eigene Unterhaltsverbindlichkeiten C 45 ff. – Einkommensermittlung C 40 ff. – fiktives Einkommen C 72 – Finanzierung des Eigenheims C 55 ff. – Geldstrafen/-bußen C 62 f. – Konsumentenkredit C 60 f. – mehrere unterhaltspflichtige Kinder C 91 ff. – Mindestbedarf des Ehegatten C 28 – Rückgriff von Sozialhilfeträgern C 95 ff. – Schwiegersohnhaftung C 51, 73 ff. – Verbindlichkeiten für allgemeine Lebenshaltung C 58 ff. – Vermögenseinsatz C 81 ff. – Vorsorgeaufwendungen C 64 ff. Endentscheidungen – Vollstreckungsschutz M 2 ff. Entbindungskosten – nicht verheiratete Mutter D 12 Entscheidungsgrundlagen – Angriffs- und Verteidigungsmittel, Zurückweisung K 191 – Auskunftspflichten K 193 ff. – im Unterhaltsstreitverfahren K 191 ff. – Verfahrensergebnisse, Übertragung K 192 Erbschaft – bedürftigkeitsminderndes Einkommen E 200 – nach Trennung/Scheidung F 252 f. – Zinsen F 298 Ergänzungspflegschaft – minderjähriges Kind K 56 ff. Erkrankung – schwangerschaftsbedingte D 13 f. Ersatzhaftung – anderer Verwandte A 58 ff. – Eltern nicht verheirateter Mutter D 91 ff. – Kindesbetreuung D 94 – Mutterschutzunterhalt D 93 – Rückgriffsmöglichkeiten der Sozialleistungsträger D 0
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Erstausbildungsprivileg – privilegierter volljähriger Schüler B 49 Erstberatung – Rechtsanwaltsgebühren K 94 Erwerbseinkommen – nichtprägendes E 205 ff. – unzumutbare Erwerbstätigkeit E 207 ff. Erwerbsminderungsrente – Bedarfsminderung B 26 Erwerbsobliegenheit – nach Ablauf des Trennungsjahrs E 25 ff. – Altersphasenmodell E 30 f.; F 108 – angemessene Erwerbstätigkeit E 35 ff. – Arbeitslosenunterhalt F 161 ff. – Aufstockungsunterhalt F 188 ff. – Ausbildungsobliegenheit F 32 – Beispiele aus der Rechtsprechung F 88 ff. – Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse F 27 ff. – betreuungsbedürftiges Kind E 30 f. – Bewerbungen F 164 ff. – fiktive Einkünfte E 38; F 37 – bei ALG II A 127 – geschiedener Eheleute F 27 ff. – bei gesteigerter Unterhaltspflicht A 41 ff. – bei Getrenntleben E 25 ff. – Hinderung durch Krankheit E 39 – bei Krankheit oder Gebrechen F 141 f. – Pflicht zur Aus-, Fortbildung und Umschulung F 171 ff. – pflichtwidriger Verstoß A 45 f.; E 111 ff. – unzumutbare Erwerbstätigkeit E 207 ff.; F 349 ff. Erwerbstätigenbonus A 223 – doppelte Zweckbestimmung E 17 ff. – Trennungsunterhalt E 177 Erwerbstätiger, selbständiger – Abschreibungen A 94 ff. – Abzugsposten A 88 – Altersvorsorge Pfändung M 311 ff. – PKW-Nutzungsvorteil A 197 – Vorsorgeaufwendungen C 64 ff. – Auskunftsanspruch I 21 ff. – Belegvorlage I 38 – berufsbedingte Aufwendungen A 220; E 66
– Durchschnittseinkommen E 63 – fiktive Steuerberechnungen A 90 ff. – fiktives Einkommen A 178 ff. – Gewinnberechnung A 92 ff. – Minderjährigenunterhalt A 87 ff. – Nebentätigkeit B 46 – neue Selbständigkeit A 87 Erwerbstätigkeit, überobligatorische siehe Überobligatorische Erwerbstätigkeit Erwerbsunfähigkeit – Erwerbsunfähigkeitsrente F 369 ff. – Vorsorgeunterhalt, nachehelicher F 367 ff. Europäischer Gerichtsatlas für Zivilsachen N 121 Europäisches justizielles Netz für Zivilund Handelssachen N 120 Existenzminimumberichte A 26 ff. Fälligkeit – Kalendertag M 120 ff. Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch H 97 ff. Familienstreitsachen – Unterhaltssachen nach § 231 Abs. 2 FamFG K 5 Familienunterhalt – Anrechenbarkeit C 73 ff. – Auskunft über das Einkommen des neuen Ehegatten I 18 Familienzuschlag – prägende eheliche Lebensverhältnisse F 323 Fax – Beschwerdeeinlegung L 57 Ferienjob – Anrechenbarkeit A 312 – Studenten im höheren Semester B 21 FGG-Reformgesetz – einstweilige Anordnungen O 3 ff. – Prozesskostenhilfeanträge O 0 – Verfahrenseinleitung O 1 ff. Fiktive Einkünfte – Abzugsposten A 170 – Bemessung der Höhe A 170; F 278 ff. – Getrenntleben E 38 – Hausmannsrechtsprechung F 281 ff. – Kindesunterhalt A 155 ff. – Minderjährigenunterhalt A 45 f. – pflichtwidriger Verstoß gg. Erwerbsobliegenheit A 45 – Schätzung A 170, 175 – Synergieeffekt E 116 ff.; F 284 ff.
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– Trennungsunterhalt E 14 – Verstoß gg. Erwerbsobliegenheit E 108 ff.; F 274 ff. – Zurechnungsvoraussetzungen A 160 ff. – Zusammenleben mit neuem Partner E 116 ff.; F 284 ff. Forderungspfändung M 126 – Altersvorsorge von Freiberuflern/Selbständigen M 311 ff. – Diensteinkommen M 159 – Geldforderung M 150 ff. – Kindergeld M 226 – Kontoguthaben M 234 ff. – notwendiger Unterhaltsbedarf M 205 ff. – Pfändungs- und Überweisungsbeschluss M 164, 314 ff. – sonstige Vergütungen M 288 ff. – Sozialleistungen M 302 ff. – Überweisung M 163 – Vorratspfändung M 232 f. Fortbildung – Obliegenheit F 171 ff. Fortbildungsunterhalt – nachehelicher Unterhalt F 216 ff.; siehe auch Ausbildungsunterhalt Fortbildungswünsche – Eltern volljähriger Kinder B 48 Freibetrag – Begrenzung M 225 ff. Freistellungsvereinbarung A 362 ff. Freiwillige Zuwendungen – Minderjährigenunterhalt A 318 Frist – Anschlussbeschwerde L 117 – Beschwerdebegründung L 44 ff., 74 ff. – Rechtsbeschwerde L 233 f. – sofortige Beschwerde L 247 – weitere Verlängerungen L 76 ff. – Wiedereinsetzungsfrist L 165 ff. – Zwangsvollstreckung M 123 f. Geheimhaltungsanspruch – Beschwerdewerterhöhung L 29 Geldforderung – Forderungspfändung M 150 ff. Gericht der Ehesache – Unterhaltssachen während Anhängigkeit einer Ehesache K 18 f. Gerichtsstand, allgemeiner – (EuUntVO) N 8 ff. – Annexzuständigkeit bei Anhängigkeit einer Statussache N 21 f.
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– Annexzuständigkeit bei Anhängigkeit eines Verfahrens zur elterlichen Verantwortung N 23 ff. – gewöhnlicher Aufenthaltsort des Antragsgegners N 9 ff. – gewöhnlicher Aufenthaltsort des Unterhaltsberechtigten N 250 ff. Gerichtsstände, besondere N 24 ff. – Auffang- und Notzuständigkeit N 27 – aufgrund Gerichtstandvereinbarung N 24 – aufgrund rügeloser Einlassung N 25 f. Gerichtsvollzieher – Befugnisse M 24 ff. – Pfändung/Verwertung M 27 – Vermögensauskunft, Einholung M 26 Geschiedene, Bedürftigkeit – Beispiele, nicht eheprägender Einkünfte F 346 ff. – Erwerbsobliegenheit F 27 ff., 33 ff. – mutwillige Herbeiführung F 476 ff. – überobligatorische Erwerbstätigkeit neben Kindesbetreuung F 352 – Vermögensverwertung F 348 ff. – zeitweiliges Entfallen F 47 Geschiedenenunterhalt siehe Nacheheunterhalt Geschwisterbonus A 148 Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts K 116 ff.; siehe auch Verfahrenskostenhilfe Gesetzesänderung – Erheblichkeit für Abänderungsbegehren O 12 ff. Getrenntleben – Bedarfsgemeinschaft nach SGB II E 12 – Darlegungs- und Beweislast E 12 – getrennte Haushaltsführung E 8 ff. – getrennte Kassen E 10 – wirtschaftliche Verflechtungen E 9 ff. Getrenntleben, Bedarfsberechnung E 49 ff. – abweichende Einkommensentwicklungen E 73 – Abzugsposten E 74 ff. – Additionsmethode E 180 ff. – Alleinverdienerehe E 187 – arbeitsrechtliche Abfindungen E 83 – Beispiele E 177 ff., 184 ff. – berufsbedingte Aufwendungen E 64 ff. – Differenzmethode E 183
Sachregister
– Doppelverdienerehe E 188 f. – Einkünfte aus Erwerbstätigkeit E 188 – gemischte Einkünfte E 189 – Durchschnittseinkommen, Bestimmung E 61 ff. – fiktive Einkünfte E 108 ff. – Karrieresprung E 73, 85 ff. – konkurrierende Unterhaltsansprüche von getrennt lebenden und geschiedenen Ehegatten E 190 ff. – Alleinverdienerehe E 195 – Doppelverdienerehe E 196 – Kreditraten E 149 ff. – Mietkosten während Trennungszeit E 160 – Nebentätigkeiten E 92 f. – Steuererstattungen, -rückzahlungen E 128 ff. – trennungsbedingter Mehrbedarf E 163 ff. – überobligatorische Erwerbstätigkeit E 90 ff. – wg. Kindesbetreuung E 95 ff. – Überstunden E 92 f. – Unterhaltsleistungen für Kinder E 164 ff. – Verbindlichkeiten E 74 ff. – Vermögenserträge E 234 – Wohnvorteil E 143 ff. – zu berücksichtigende Einkünfte E 53 ff. Getrenntleben, Bedürftigkeit – Bagatellunterhalt, Begrenzung E 126 – bedürftigkeitsmindernde Einkünfte – Übersicht E 200 ff. – Bedürftigkeitsprüfung E 197 ff. – Zuflussprinzip E 198 Getrenntleben, Leistungsfähigkeit E 210 ff. – Abzüge E 22 ff. – Angemessenheitsprüfung E 220 ff. – Berechnung E 21 ff. – Eigenbedarf, angemessener E 22 ff., 213 ff. – Kontrollrechnung E 220 ff. – Lebensbedarf, eheangemessener E 211 ff. – Verbindlichkeiten, abzugsfähige E 224 ff. Getrenntleben, Mangelfallberechnung – absoluter (echter) Mangelfall E 247 ff. – einfacher Mangelfall E 244 ff. – Hinzutreten eines Anspruchs nach § 1615l BGB E 253 ff.
– Nichtehelichkeit E 253 ff. – Rangverhältnisse E 239 ff., 256 ff. Getrenntleben, prägende eheliche Lebensverhältnisse E 201 ff. – arbeitsrechtliche Abfindungen E 83 – bedarfsbestimmendes Einkommen E 69 ff. – Berechnungsmethoden E 180 ff. – Eigenbedarfskontrolle E 179 – Einkünfte aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit E 90 – aus Erwerbseinkommen E 201 ff. – Grundsatz der Halbteilung E 177 – Karrieresprung E 85 ff. – nichtprägende E 204 ff. – unzumutbare Erwerbstätigkeit E 207 ff. – Vermögen E 202 ff. Großeltern – Ersatzhaftung A 58 ff. Grundsatz der Halbteilung – Anteilsberechnung mit Rechenbeispielen F 339 ff. – Eigenbedarfskontrolle E 179 – Einkommen aus Erwerbstätigkeit E 177 – Einkommen außerhalb Erwerbstätigkeit E 18 – Erwerbstätigenbonus E 17 ff., 177; F 22 – Nacheheunterhalt F 15 ff., 22 ff. – nicht verheiratete Eltern D 42, 59 ff. – Trennungsunterhalt E 15 ff. Grundsicherung – Forderungsübergang/Rückgriff des Sozialleistungsträgers H 52 ff. – Getrenntleben E 56 – Nacheheunterhalt F 238 – vorrangiger Unterhaltsvorschuss H 6 Grundsicherungsrente – gesetzlicher Forderungsübergang auf Sozialhilfeträger C 102 ff. – Rückgriff auf Kinder C 9 ff. Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (HUÜ 73) – auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht N 69 ff. Haager Unterhaltsprotokoll (HUP) – eingeschränkte Rechtswahl N 50 f. – Geltungsbereich N 45 ff. – Kindes- und Elternunterhalt N 54 ff. – Regelanknüpfung und Ausnahmen N 48 ff.
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Sachregister
– Unterhaltsbemessung N 73 ff. – Wirkungen des Unterhaltsstatuts N 52 Hartz IV A 0; siehe auch Arbeitslosengeld II; siehe auch Sozialhilfe Häusliche Gemeinschaft – auf Dauer angelegte H 2 f. Häusliche Gewalt K 36 Hausmann-/Hausfraurechtsprechung – fiktives Einkommen B 50 ff. – Minderjährigenunterhalt A 181 ff. – Nacheheunterhalt F 281 ff. – Rollentausch A 339 Immobiliarvollstreckung M 141 ff. – Zwangsversteigerung – Antragsmuster M 149 Informationserteilung – Pflicht zur ungefragten Information I 53 ff. Investitionsabzugsbeträge A 98 ff.; siehe auch Abschreibungen Jugendamt – Ausnahme vom Anwaltszwang K 63 – Beistandschaft K 51 ff. Kalendertag – Fälligkeit M 120 ff. Kapitalabfindung – Abgeltung von Unterhaltsansprüchen F 520 Kapitalerträge – bedürftigkeitsminderndes Einkommen E 200 Karrieresprung – Minderjährigenunterhalt A 8 – Nacheheunterhalt F 250, 321 – Trennungsunterhalt E 73, 85 ff. Kinderbetreuung – Basisunterhalt D 16 f. – Befristung D 32 ff. – Belange des Kindes F 73 ff. – Betreuung eigener Kinder aus vorangegangener Beziehung F 224 ff. – Darlegungs- und Beweislast D 35 – Ersatzhaftung D 94 – Erwerbsobliegenheit nach der Anzahl der Kinder F 108 – Fremdbetreuungsmöglichkeiten F 73 ff. – gemeinsames Kind F 334 – Hausmannsrechtsprechung F 281 ff. – Kinder im Kindergartenalter F 89 – Kinderbetreuungsbonus E 97
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nicht gemeinsame Kinder F 281 ff. nicht verheiratete Mutter D 15 ff. Pflegekind F 222 f. Rangverhältnisse D 88 ff. schulpflichtige Kinder F 90 ff. überobligatorische Erwerbstätigkeit E 95 ff.; F 264 ff. – Verlängerung nach Billigkeit D 18 ff. – elternbezogene Gründe D 24 ff. – kindbezogene Gründe D 20 ff. Kindergeld – Abzweigung A 284 – bei Getrenntleben E 58 – Auszahlung an Kind A 282 – Kindergeldausgleich A 285 ff., siehe auch dort – Auszahlung an Kindergeldberechtigten A 279 ff. – Minderjährigenunterhalt A 1 ff., 71, 189 ff., 274 f. – Pfändung M 226 – im Steuerrecht A 276 ff. – Volljährigenunterhalt B 119 – Zählkindvorteil A 288 Kindergeldausgleich – Minderjährigenunterhalt A 189 – nach § 1612b BGB a.F. bis 31.12.2007 A 289 – nach § 1612b BGB seit 1.1.2008 A 285 ff. – Wechselmodell A 290 Kinderschutzklausel – Bedarfsherabsetzung im Nacheheunterhalt F 38 – Billigkeitsprüfung zum Nacheheunterhalt F 410 ff. Kinderzulagen A 291 ff. – Minderjährigenunterhalt A 190 Kinderzuschlag – Elterneinkommen, Minderjährigenunterhalt A 71 – Minderjährigenunterhalt A 191 Kinderzuschuss A 291 ff. Kindesunterhalt – Abzugsposten bei Nacheheunterhalt F 327 ff. – Barunterhalt A 356 ff. – Berechnung A 63 ff. – Beschränkung/Wegfall nach § 1611 BGB A 360 – dynamisierter A 255 ff.; siehe auch Kindesunterhalt, dynamisierter – Eigenbedarf der Eltern A 47 f. – Forderungsübergang auf Sozialleistungsträger H 34 f.
Sachregister
– Kindergeldanrechnung A 274 f. – Kindergeldausgleich A 285 ff., siehe auch dort – Mangelfälle A 349 ff. – Mehrbedarf A 294 ff. – minderjähriges Kind siehe Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes – Unterhaltsfolgesache – Abtrennung K 234 – Verwirkung A 360 – volljähriges Kind B 1 ff.; siehe auch Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes Kindesunterhalt, dynamisierter – Antragsmuster K 277 ff. – Düsseldorfer Tabelle A 33 ff. – Kindergeldabzug K 72 – Prozentsatz, Errechnung A 257 ff. – Regelbeträge A 33 ff. – titulierter, Anpassung O 23 ff. – Unterhaltstitel, bestimmter M 55 ff. – Verfahrenswert K 71 ff. – Wahlrecht A 255 – Zahlungsantrag A 34 Kindesunterhaltsstreitverfahren siehe Unterhaltsstreitverfahren Konsumentenkredit C 60 f. Kontaktverweigerung B 144 Kontopfändungsschutz – Basispfändungsschutz, – Aufstockung M 239 – Härtefallregelung M 266 ff. – Kontoguthaben M 234 ff. – mehrere Gläubiger M 265 – pfändungsfreier Betrag M 255 ff. – Pfändungsschutzkonto – Begründung M 240 – Gebühren M 268 ff. – Unpfändbarkeit M 272 ff. – Problem „Monatskonto“ M 249 ff. – sonstige Vergütungen M 288 ff. – Tätigkeit des Vollstreckungsgerichts M 271 – unpfändbarer Betrag M 272 ff. – Änderungen M 279 ff. Kosten – Auslandsbezug N 118 – erstinstanzliche – Übersicht K 93 – Rechtsanwaltsgebühren K 94 ff. – Terminreisekosten K 114 – Übersicht K 65 ff. – Verfahrenskostenvorschuss A 392 ff. – Verfahrenswert K 67 ff.
Kostenentscheidung – Auskunftsversäumnisse K 107 – einstweilige Anordnung K 111, 439 f. – isolierte L 265 ff. – isoliertes Unterhaltsverfahren K 98 ff. – Scheidungsverbund K 112 – sofortiges Anerkenntnis K 108 – Streitverfahren K 97 ff. – vorprozessuales Verhalten K 109 ff. Krankengeld E 200 Krankenvorsorgeunterhalt – Getrenntleben E 264 – nachehelicher F 381 ff. – für die Vergangenheit F 387 Krankenzusatzversicherung – Abzugsfähigkeit A 242 Krankheit – Alkoholabhängigkeit F 140 – Erwerbsobliegenheit E 39 – psychische Erkrankung F 138 Krankheits-/Gebrechlichkeitsunterhalt – Alkoholabhängigkeit F 140 – Anschlussunterhalt F 143 ff. – Anspruchsvoraussetzungen F 136 ff. – Befristung F 149 ff. – Darlegungs- und Beweislast F 147 f. – Einsatzzeitpunkt F 143 ff. – Einzelfälle aus der Rechtsprechung F 155 ff. – Erwerbsobliegenheit F 141 f. – Herabsetzung F 149 ff. – psychische Erkrankung F 138 f. Kreditraten – während Trennungszeit E 149 ff. Kurze Ehedauer – Altersunterhalt F 131 – Aufstockungsunterhalt F 200 – Härtegrund für Unterhaltsbeschränkung F 447 ff. – Trennungsunterhalt F 456 – Wahrung von Kindesbelangen F 453 ff. Ländergruppenausgleich – Verfahren mit Auslandsbezug N 77 ff. Lebensbedarf, eheangemessener siehe Eheangemessener Lebensbedarf Lebensgemeinschaft, verfestigte siehe Verfestigte Lebensgemeinschaft Lebenshaltungskosten – als Abzugsposten A 76 Lebenspartner G 1 ff. Leistungsfähigkeit – Berechnungshilfen N 76 ff.
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– Eigenbedarf siehe dort – Eltern ggü. Minderjährigen A 39 ff.; siehe auch Minderjährigenunterhalt, Leistungsfähigkeit der Eltern – Eltern ggü. Volljährigen siehe Volljährigenunterhalt, Leistungsfähigkeit der Eltern – Geschiedener F 353 ff.; siehe auch Nacheheunterhalt, Leistungsfähigkeit – Getrenntlebender E 21 ff.; siehe auch Getrenntleben, Leistungsfähigkeit – Kinder ggü. Eltern siehe Elternunterhalt, Leistungsfähigkeit der Kinder – Verfahren mit Auslandsbezug N 76 ff. Leistungsverweigerungsrecht – Auskunftserteilung über Einkommens- und Vermögensverhältnisse I 9 f. Leistungszulagen – Elterneinkommen, Minderjährigenunterhalt A 70 Lohnersatzleistungen E 53 Mangelfall – absoluter A 349 – Berechnung A 351 ff., 354 f. – Einsatzbeträge A 352 – Getrenntleben, Mangelfallberechnung siehe dort – gleichrangige Unterhaltsverpflichtungen A 349 – Minderjährigenunterhalt A 349 ff. – Nachehe, Mangelfallberechnung siehe dort – privilegierte volljährige Kinder B 40 – relativer A 350 Mehrarbeit – Minderjährigenunterhalt A 131 ff. Mehrbedarf – Berechnung A 299 ff. – Kindergartenbesuch A 296 – Kindesunterhalt A 294 ff. – krankheitsbedingter Mehrbedarf A 221 – Privatschulbesuch A 295 – Studiengebühren B 25 – trennungsbedingter E 7, 163 ff. – Umgangskosten A 227 ff. – Verteilungsquote A 302 – volljähriges Kind B 14 Mietersparnis – Wohnen im eigenen Haus F 297 ff. Mietkosten – während Trennungszeit E 160
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Minderjährige Beteiligte – Alleinvertretungsbefugnis eines Elternteils K 39 f. – Beistandschaft des Jugendamts K 51 ff. – Ergänzungspflegschaft K 56 ff. – Unterhaltsstreitverfahren K 37 ff. – Verfahrensstandschaft eines Elternteils K 41 ff. – Volljährigkeit während des Verfahrens K 59 Minderjährigeneinkommen A 309 – Anrechenbarkeit A 200 ff. – BAföG A 203 – Berufsausbildungsbeihilfe A 204 – Sozialgeld A 201 ff. – Unterhaltsvorschussleistungen A 200; siehe auch dort Minderjährigenunterhalt, Leistungsfähigkeit der Eltern – Abfindungen A 102 ff. – Abzugsposten A 73 ff. – Arbeitslosengeld I A 107 ff. – Arbeitslosengeld II A 110 ff.; siehe auch dort – Auskunftspflicht I 5 – Auslandsverwendungszuschläge A 132 – barunterhaltspflichtiger Elternteil A 319 ff. – bereinigtes, Berechnung 78 ff. – Betreuungsgeld A 154 – Darlegungs- und Beweislast A 59 ff. – beim Durchschnittseinkommen – nicht selbständiger Erwerbstätiger A 79 ff. – Ehegattensplittingvorteil A 190 – Eigenbedarf A 46 ff. – Einkommensbereinigung A 214 ff. – Einkommensfeststellung A 63 ff. – Einkünfte aus Vermögen A 138 ff. – Einschränkung A 332 ff. – Elterngeld A 144 ff. – aus Erwerbstätigkeit A 70 – ohne Erwerbstätigkeit A 71 – Erwerbsobliegenheit A 41 ff. – fiktives Einkommen A 45 f., 337 ff. – fiktive Einkünfte A 155 ff. – gesteigerte Unterhaltspflicht A 39 ff. – Wegfall A 49 ff. – gleich hohe Elterneinkommen A 270 ff. – Hausmann-/Hausfraurechtsprechung A 181 ff.
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Kindergeld A 189 ff. Kinderzulagen A 190 Kinderzuschläge A 191 Klärung und Bereinigung A 68 ff. Mangelfallberechnung A 351 ff., 354 f. – Mangelfälle A 349 ff. – Mehrarbeit A 131 ff. – Minderjährigenunterhalt A 63 ff. – Nebentätigkeit A 173 ff. – bei Arbeitslosigkeit A 108 – zumutbare A 41 ff. – nichtselbständige Erwerbstätige A 79 ff. – PKW-Nutzungsvorteile A 195 ff. – Renten A 192 ff. – Sachbezüge des unselbständigen Erwerbstätigen A 195 – Schmerzensgeld A 194 ff. – Selbstbehalt siehe Eigenbedarf – Nichterwerbstätige A 323 – notwendiger A 320 ff. – selbständige Erwerbstätige A 87 ff. – Sonderzuwendungen A 106 – Steuererstattungen A 198 ff. – Umschüler A 324 – überobligatorische Erwerbstätigkeit A 131 ff. – Übersicht A 70 ff. – Verbraucherinsolvenzverfahren A 44, 342 – Vermögen A 72 – Vermögensverwertung A 141 ff. – Wegfall A 332 ff. – infolge Strafhaft A 343 – vorübergehender A 340 ff. – Wohnwertvorteil A 205 ff. – Zahlungsunfähigkeit, drohende A 342 – Zuordnungsprobleme A 102 ff. – zweckbestimmte Entgelte A 212 ff. Minderjähriger – Bedarf A 12 ff.; siehe auch Minderjähriger, Bedarf – Bedürftigkeit A 309 ff.; siehe auch Minderjähriger, Bedürftigkeit – als Beteiligter K 37 ff.; siehe auch Minderjähriger Beteiligter – eigene Einkünfte siehe Minderjährigeneinkommen – Leistungsfähigkeit der Eltern A 39 ff.; siehe auch Minderjährigenunterhalt, Leistungsfähigkeit der Eltern Minderjähriger, Bedarf – Bedarfsberechnung A 17
– Bedarfsbereiche A 26 ff. – Darlegungs- und Beweislast A 12 ff. – Düsseldorfer Tabelle A 17 ff.; P I; siehe auch dort – Gleichwertigkeit Bar-/Betreuungsunterhalt A 9 f. – Karrieresprung A 8 – Kindergeldanrechnung A 1 – Lebensbedarf – Umfang A 15 ff. – Lebensstellung der Eltern A 7 ff. – Mehrbedarf A 17, 22, 303 – Mindestunterhalt A 19 ff. – Sättigungsgrenze A 18 – Sonderbedarf A 17, 303 – Steuerfreibetrag A 29 – überdurchschnittliche Einkommen A 23 ff. – Wohnbedarf A 29 Minderjähriger, Bedürftigkeit – Ausbildungsobliegenheit A 313 ff. – Ausbildungspflicht A 38 – Bedarf, errechneter A 309 ff. – eigene Einkünfte A 36 ff., 309 ff. – ALG II A 317 – Ausbildungsvergütung A 311 ff. – BAföG A 317 – Sozialgeld A 317 – Unterhaltsvorschuss A 317 – Erwerbsobliegenheit A 38 – freiwillige Zuwendungen A 318 – überobligatorische Erwerbstätigkeit A 312 – Unterhaltsvorschuss H 1 ff.; siehe auch dort Mindestunterhalt – Bedarfsbereiche A 26 ff. – dynamisierter Kindesunterhalt A 33 ff. – Existenzminimumberichte A 26 ff. – minderjähriges Kind A 19 ff. – privilegiertes volljähriges Kind B 44 Mobiliarvollsteckung M 133 ff. Monatskonto – Pfändung M 249 ff. Mutterschutzunterhalt – Ersatzhaftung D 93 – nichteheliches Kind D 8 ff. Nachehe, Unterhaltstatbestände – Alter F 109 ff. – Altersgrenze des Verpflichteten F 115 ff. – angemessene Erwerbstätigkeit F 118 ff.
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– Anschlussunterhalt F 126 ff. – Befristung F 129 ff. – Einkünfte aus überobligatorischer Tätigkeit F 114 – Einsatzzeitpunkt F 125 ff. – Herabsetzung F 129 ff. – Voraussetzungen 109 ff. Anschlussunterhalt F 126 ff. Arbeitslosigkeit sowie Ausbildung F 160 ff. – Anspruchsvoraussetzungen F 161 ff. – Befristung F 186 – Bewerbungen F 164 ff. – Darlegungs- und Beweislast F 185 – Einsatzzeitpunkt F 177 ff. – Erwerbsbemühungen F 161 ff. – Herabsetzung F 186 – Konkurrenzen F 184 – nachhaltige Sicherung der Erwerbstätigkeit F 180 ff. – Pflicht zur Aus-, Fortbildung und Umschulung F 171 ff. Aufstockungsunterhalt – Anspruchsvoraussetzungen F 188 ff. – Befristung F 193 ff. – bis zum 31.12.2007 F 202 – Einsatzzeitpunkt F 192 – Erwerbsobliegenheit F 188 ff. – Herabsetzung F 193 ff. – Konkurrenzen F 188 ff. – Teilzeit F 189 Aus-, Fortbildung, Umschulung F 203 ff. – Aufnahme oder Fortsetzung F 205 ff. – Dauer 213 Betreuung eines Kindes F 53 ff.; siehe auch Betreuungsunterhalt, nachehelicher – altes Recht F 107 ff. – Anspruchshöhe F 69 – Beendigung F 103 ff. – Befristung F 100 f. – Darlegungs- und Beweislast F 93 ff. – Ehelichkeit F 59 – Erwerbsobliegenheit F 108 – Fremdbetreuungsmöglichkeiten F 73 ff. – gemeinschaftliches Kind F 58 – Herabsetzung F 102 – Kindergartenalter F 89
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Schulpflicht F 77, 90 ff. Umfang F 60 ff. Unterhaltsberechtigte F 56 ff. Verlängerung F 70 ff. Verlängerung aus Billigkeit F 65 ff. – Billigkeitsgründe – § 1576 BGB 220 ff. – Einsatzzeitpunkte F 125 ff. – Erwerbstätigkeit – Teilzeit F 69 – überobligationsmäßige F 62 ff. – Zumutbarkeit F 68 ff. – Krankheit oder Gebrechen F 135 ff. – Alkoholabhängigkeit F 140 – Anschlussunterhalt F 143 ff. – Anspruchsvoraussetzungen F 136 ff. – Befristung F 149 ff. – Darlegungs- und Beweislast F 147 f. – Einsatzzeitpunkt F 143 ff. – Erwerbsobliegenheit F 141 f. – Herabsetzung F 149 ff. – psychische F 138 f. Nacheheunterhalt – Abänderungsverfahren K 357 ff. – Abfindungen A 105 – wg. Alters F 109 ff.; siehe auch Altersunterhalt, nachehelicher – Altverfahren mit Auslandsbezug N 67 f. – Anschlussunterhalt F 9 ff. – Anspruchsvoraussetzungen F 7 ff. – Antragsmuster K 277 f. – Anwendungsbereich F 1 f. – wg. Arbeitslosigkeit sowie Ausbildung F 160 ff.; siehe auch Arbeitslosenunterhalt, nachehelicher – Aufstockungsunterhalt F 187 ff.; siehe auch dort – Aus-, Fortbildung, Umschulung F 203 ff.; siehe auch Ausbildungsunterhalt, nachehelicher – Ausbildungsobliegenheit F 32 – Auskunftspflicht, wechselseitige I 6 – Auskunftsverlangen F 6 – Auslandsbezug N 33 – Auslandsbezug, anwendbares Recht N 64 ff. – Ausschluss wg. Unbilligkeit F 38 ff. – Bedarfsbemessung F 15 ff. – Bedürftigkeit F 25 ff., 345 ff. – Befristung F 50 ff. – bis 31.12.2007 F 49
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– Darlegungs- und Beweislast F 431 ff. – wg. Unbilligkeit F 38 ff., 395 ff., 429 Beginn F 43 ff. Berechnung F 230 ff.; siehe auch Nacheheunterhalt, Berechnung Beschränkung/Versagung wg. grober Unbilligkeit F 435 ff. Betreuung eines Kindes F 53 ff.; siehe auch Betreuungsunterhalt, nachehelicher aus Billigkeitsgründen, § 1576 BGB F 220 ff.; siehe auch Nacheheunterhalt aus Billigkeit Billigkeitsunterhalt, § 1581 BGB F 350 ff.; siehe auch Nacheheunterhalt aus Billigkeit Ehegattensplittingvorteil A 190 Ehescheidung nach DDR-Recht F 2 Eigenbedarf F 355 ff. Einkünfte aus Nebentätigkeit A 129 Ende F 46 Erwerbsobliegenheit F 27 ff. Erwerbstätigenbonus A 223; F 22 Erwerbstätigkeit – nach dem Altersphasenmodell F 108 – Anforderungen, Beispiele aus der Rechtsprechung F 88 ff. gleichbleibende Teilleistungen, Antragsmuster K 301 ff. Grundsatz der Einheitlichkeit des Anspruchs F 8 ff. Grundsatz der Halbteilung F 15 ff., 22 ff. Härtegründe für Unterhaltsbeschränkung – Unterhaltszeiträume bis 31.12.2007 F 501 ff. Härteklausel – grobe Unbilligkeit F 436 ff. Herabsetzung – bis 31.12.2007 F 49 ff. – auf angemessenen Lebensbedarf F 426 ff., 428 – wg. Unbilligkeit F 38 ff., 390 ff., 431 ff. Kinderbetreuung durch Dritte F 73 ff. Kinderschutzklausel F 38 wg. Krankheit oder Gebrechen F 135 ff. Leistungsfähigkeit F 25, 353 ff.; siehe auch Leistungsfähigkeit, Nacheheunterhalt
– Mangelfallberechnung F 363 ff. – nachpartnerschaftlicher G 1 ff.; siehe auch dort – prägende eheliche Lebensverhältnisse A 85 ff. – Rangverhältnisse F 363 ff. – bis 31.12.2007 F 538 – seit 1.1.2008 F 534 ff. – Rückforderung zu viel gezahlten H 76 ff. – rückständiger F 525 ff. – Verwirkung F 531 ff. – rückwirkender F 6 – Scheidungsverbund K 216 ff. – Teil-, Zusatz- oder Nachforderungen – Antragsmuster K 294 ff. – Teilunterhalt F 11 ff. – Teilzeitarbeit F 127 – Tod des Verpflichteten F 48 – überdurchschnittlich hohes Einkommen F 294 ff. – Unterhalt für den Notfall F 515 – Unterhaltsfolgesache, Abtrennung K 233 – Unterhaltstatbestände F 53 ff. – Unterhaltsverträge F 502 ff.; siehe auch dort – Vereinbarung vor rechtskräftiger Scheidung J 2 f. – Verfahrenskostenvorschuss F 539 – für die Vergangenheit F 521 ff. – Verjährung F 533 – Verlängerung F 70 ff. – ehe- und elternbezogene Gründe F 80 ff. – Vermögensverwertungspflicht A 143 – Verwirkung F 532 – Vorsorgeunterhalt – wg. Alters-, Erwerbs- und Berufsunfähigkeit F 367 ff. – wg. Krankheit F 381 ff. – Wiederaufleben F 47 – Zusammenleben mit neuem Partner F 284 ff. – zweckbestimmte Entgelte A 213 Nacheheunterhalt aus Billigkeit – Betreuung eigener Kinder aus vorangegangener Beziehung F 224 ff. – Darlegungs- und Beweislast F 227 ff. – Ehe von langer Dauer F 420 ff. – ehebedingte Nachteile F 394 – Kriterien F 403 ff. – Grundsätze F 400 – Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit F 417 ff.
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Sachregister
– Härteklausel, grobe Unbilligkeit F 436 ff. – Herabsetzung auf angemessenen Lebensbedarf 426 – Kinderbetreuungszeiten F 413 ff. – Kinderschutzklausel F 410 – nachteilsunabhängige Billigkeitskriterien F 407 ff. – Pflege und Erziehung eines Pflegekindes F 222 f. – Unterhaltsbefristung F 395 ff. – Unterhaltsherabsetzung F 390 ff. – weitere Gesichtspunkte F 409 ff. Nacheheunterhalt, bedarfsbestimmendes Einkommen F 246 ff. – Abfindungen F 255 ff. – Einkommensveränderungen nach der Scheidung F 249 ff. – Einkommensverschlechterungen F 254 ff., 280 – Einkünfte aus Vermögen F 296 ff. – Erbschaft F 252 f. – Familienzuschlag F 323 – fiktives Einkommen F 274 ff. – Karrieresprung F 250 – Mietersparnis bei Wohnen im eigenen Heim F 297 ff. – Ruhestandsgelder F 259 ff. – Schmerzgeld F 241 – Steuervorteile F 315 ff. – überdurchschnittlich hohes Einkommen F 294 ff. – überobligatorische Erwerbstätigkeit F 270 ff. – neben Kinderbetreuung F 264 ff. – unzumutbare Erwerbstätigkeit F 349 ff. – wandelbare eheliche Lebensverhältnisse – Verfassungswidrigkeit F 248 – bei Zusammenleben mit neuem Partner F 284 ff. Nacheheunterhalt, Berechnung F 230 ff. – Additionsmethode F 342 – Alleinverdienerehe F 343 – Anteilsberechnung mit Rechenbeispielen F 339 ff. – bedarfsbestimmendes Einkommen F 246 ff.; siehe auch Nacheheunterhalt, bedarfsbestimmendes Einkommen – Bedarfsermittlung F 342 ff. – Billigkeitsabwägung F 360 – Doppelverdienerehe F 344 – Eheangemessenheit F 232 f. – Einkommensermittlung F 234 ff.
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Elterngeld F 240 Grundsatz der Halbteilung F 339 ff. Kontrollrechnung F 357 Leistungen der Grundsicherung F 238 prägende eheliche Lebensverhältnisse F 243 ff.; siehe auch Nacheheunterhalt, prägende eheliche Lebensverhältnisse – Prüfungsschema F 230 – Sozialleistungen F 239 – Umfang F 231 – unzumutbare Erwerbstätigkeit F 349 ff. – vor- und gleichrangige Unterhaltsansprüche F 363 ff. – Zeiträume F 236 ff. Nacheheunterhalt, Beschränkung – wg. grober Unbilligkeit nach § 1579 BGB F 435 ff. – Härteklausel F 435 ff. – wg. Unbilligkeit nach 1578b BGB F 390 ff. Nacheheunterhalt, Leistungsfähigkeit F 353 ff. – Eigenbedarf F 355 ff. – Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit F 360 – Kontrollrechnung F 357 Nachehe, Mangelfallberechnung F 363 ff. Nacheheunterhalt, prägende eheliche Lebensverhältnisse – Altersteilzeit F 263 – Bedarfsbemessung F 15 ff. – begrenztes Realsplitting F 315 ff. – Einkommensminderung – konkurrierender Unterhalt F 327 ff. – Kreditraten F 308 ff. – Miete für Ehewohnung F 326 – Einkommensveränderungen nach der Scheidung F 249 ff. – Einkommensverbesserungen – Karrieresprung F 321 – Einkommensverschlechterungen F 254 ff., 280 – Erbschaft F 252 f. – Erwerbsobliegenheit F 27 ff. – Familienzuschlag F 323 – Karrieresprung F 250, 321 – Steuerklasse V F 322 – Steuervorteile F 315 ff. – wandelbare eheliche Lebensverhältnisse – Verfassungswidrigkeit F 248 – zum Zeitpunkt der Scheidung F 243 ff.
Sachregister
Nachpartnerschaftlicher Unterhalt G 1 ff. Naturalunterhalt – bei volljährigem Kind B 6 ff. Nebentätigkeit – Arbeitslosengeld I A 108 – Arbeitslosengeld II A 122 – bei Arbeitslosigkeit A 173 ff. – zumutbare A 41 ff. Negativer Feststellungsantrag – Ehegattenunterhalt, einstweilige Anordnung K 400 – Feststellungsinteresse K 397 ff. – Verfahrenswert K 79 ff. Neue Bundesländer – Vortabellen zur Düsseldorfer Tabelle A 273 Neuverheiratung – Auskunft über das Einkommen des neuen Ehegatten I 18 – Nacheheunterhalt F 338 Nicht verheiratete Eltern, Leistungsfähigkeit – Darlegungs- und Beweislast D 81 f. – Einkommensbereinigung D 77 ff. – Grenzen der Inanspruchnahme D 74 f. – mehrere Unterhaltsschuldner D 79 f. – mehrstufige Prüfung D 76 Nichteheliche Lebensgemeinschaft – Selbstbehalt 328 ff. – Unterhaltspflicht ggü. volljährigem Kind B 52 ff. Nichteheliches Kind – in der Mangelfallberechnung, Getrenntleben E 253 ff. – Unterhaltsansprüche siehe Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes Nichtöffentlichkeit K 188 Notarielle Urkunde – Bestimmtheit M 51 – Unterhaltsvereinbarung, nachehelicher J 2 – Zuständigkeit M 77 Obhut – Begriff K 45 ff. Örtliche Zuständigkeit – Abdingbarkeit K 30 – ausschließlicher Gerichtsstand am Gericht der Ehesache K 18 f. – ausschließlicher Gerichtstand, Kindesunterhalt K 20 ff. – weitere Gerichtsstände K 25 ff.
Parteimehrheit – Leistungspflicht, Bestimmtheit M 69 ff. Pfändbares Einkommen – Berechnung M 309 ff. – unpfändbarer Betrag M 272 ff., 279 ff. – Unpfändbarkeitsvoraussetzungen, Änderungen M 317 ff. Pfändung – Altersvorsorge von Freiberuflern/Selbständigen M 311 ff. – Arbeitseinkommen M 0 – verschleiertes M 293 ff. – Forderungspfändung M 0 – Sachpfändung M 0 – sonstige Vergütungen M 288 ff. – Sozialleistungen M 302 ff. – Vorpfändung M 0 Pfändungs- und Überweisungsbeschluss M 164 – Rechtsbehelfe M 314 ff. Pfändungsschutz – Arbeitseinkommen M 181 ff. – Kontopfändungsschutz M 234 ff. Pflegebedürftigkeit – Pflegeheimunterbringung C 4, 35 ff. – Pflegestufen C 7 – Pflegeversicherung C 6 Pflegegeldleistungen – Minderjährigenunterhalt A 71 – Trennungsunterhalt E 200 Pflegekind – Betreuung während Getrenntleben E 33 PKW-Nutzungsvorteile A 195 ff. Prägende eheliche Lebensverhältnisse – Getrenntleben siehe Getrenntleben, prägende eheliche Lebensverhältnisse – Nacheheunterhalt siehe Nacheheunterhalt, prägende eheliche Lebensverhältnisse Privilegierte Unterhaltsgläubiger – Rangfolge M 194 ff. – Vollstreckung in Arbeitseinkommen M 191 ff. – Zugehörigkeit zum unpfändbaren Einkommen M 199 ff. Privilegiertes volljähriges Kind – Bedarfsberechnung B 112 – Beispiel B 130 f. – Besonderheiten B 4, 47 – Erstausbildungsprivileg B 49
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Sachregister
– Haftungsquoten bei gleichrangigen Ansprüchen B 133 f. – Hausmann-/Hausfraurechtsprechung B 52 ff. – Mindestbedarf B 44 – notwendiger Eigenbedarf der Eltern B4 – Privilegierung, materielle Voraussetzungen B 66 ff. – Privilegierung, partiell B 66 ff. – Schüler B 66 ff. – Vorabzug von Unterhaltsverbindlichkeiten B 65 Provisionen – Elterneinkommen, Minderjährigenunterhalt A 70 Prozesskosten – abzugsfähige bei Getrenntleben E 232 Prozesskostenhilfe – FGG-Reformgesetz O 4 Prozesskostenvorschuss – Elternunterhalt C 128 Prozessvergleich – ausländische N 108 Psychische Erkrankung – Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen F 138 f. Quotenunterhalt – Anteilsberechnung mit Rechenbeispielen E 17 ff. – mit Rechenbeispielen E 177 ff.; F 339 ff. – Getrenntleben E 177 ff. – Grundsatz der Halbteilung E 177 ff. Rangverhältnisse – Elternunterhalt C 119 – Mangelfallberechnung, Getrenntleben E 239 ff., 256 ff. – Nacheheunterhalt – bis 31.12.2007 F 538 – seit 1.1.2008 F 534 ff. – nachpartnerschaftlicher Unterhaltsanspruch G 8 – nicht verheiratete Mutter D 88 ff., 98 – Volljährigenunterhalt B 156 f. – Vollstreckung in Arbeitseinkommen M 191 ff., 214 ff. – vor- und gleichrangige Unterhaltsansprüche – Nacheheunterhalt F 363 ff. Realsplitting, begrenztes – Trennungsunterhalt E 135 ff.
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Recht der Europäischen Gemeinschaft – EuUnthVO N 4 ff. Rechtsanwaltsgebühren – 1. Instanz K 92 f. – Beteiligtenmehrheit K 94 – einstweilige Anordnung K 95 – Erstberatung K 94 – Unterbevollmächtigter K 115 Rechtsbehelfe – Anschlussbeschwerde L 9 – Beschwerde L 2 ff. – gg. isolierte Kostenentscheidung L 265 ff. – Rechtsbeschwerde L 10 f. – sofortige Beschwerde L 5 ff. – sonstige L 12 ff. – Überblick L 2 ff. – gg. Versäumnis L 12 – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand L 12 Rechtsbehelfsbelehrung – Zwangsvollstreckungsverfahren M 15 ff. Rechtsbeschwerde L 10 f. – Begründungsinhalt L 235 f. – Entscheidung L 237 ff. – Form L 232 – Frist L 233 f. – Zulassung L 229 ff. Rechtshängigkeit – Anspruchsidentität N 30 ff. Rechtsmittelbelehrung – Unterhaltsbeschluss im Verbund K 264 ff. Rechtsnachfolge – titelübertragende Vollstreckungsklausel M 104 ff. Rechtswahrungsanzeige – Sozialleistungsträger H 37 – bei Vorschussgewährung H 17 Regelaltersgrenze F 117 Regelbedarfssätze – pauschalierte B 114 ff. – Volljährigenunterhalt B 9, 111 ff. Regelbedarfsstufen – Arbeitslosengeld II A 111 ff. Rentenbewilligung – nachträgliche H 91 ff. Rentenleistungen – Minderjährigenunterhalt A 192 ff. Rückerstattung – nachträgliche Rentenbewilligung H 91 ff. – Unterhaltsleistungen, Absicherung H 91 ff.
Sachregister
Rückgriff des Sozialleistungsträgers – Ausschluss wg. unbilliger Härte C 113 ff. – Elternunterhalt C 12, 95 ff. – rückwirkende Geltendmachung C 110 ff. – Titelumschreibung M 108 ff. – Unterhalt an nicht verheiratete Mutter D 94 ff. Rücknahme – Beschwerde L 131 f. Ruhestandsregelungen – Altersunterhalt, nachehelicher F 115 f. Sachbezüge – Elterneinkommen, Minderjährigenunterhalt A 70 Sachpfändung M 127 ff. Scheidungsbeschluss – Anordnung der sofortigen Wirksamkeit K 255 ff. – Bekanntgabe K 251 – Endentscheidung K 239 ff.; siehe auch dort – Form K 242 ff. – Inhalt K 245 ff. – Kostenentscheidung K 251 – Rechtsmittelbelehrung K 264 ff. – Verkündung K 249 f. – Vollstreckbarkeit K 254 – Wirksamkeit K 253 Scheidungsverbund – Anordnung der sofortigen Wirksamkeit K 255 ff. – Entscheidung – durch Beschluss K 237 ff. – Kostenentscheidung K 112 – Nacheheunterhalt K 213 ff. – Unterhaltsfolgesache K 213 ff. Scheinvaterregress D 113 ff. Schmerzensgeld – Minderjährigenunterhalt A 194 ff. – Nacheheunterhalt F 241 Schöffenentschädigung – Elterneinkommen A 213 Schonvermögen – Elternunterhalt C 85 ff. Schriftliche Versicherung der Richtigkeit – Auskunftserteilung K 196 f. Schulden, abzugsfähige – Getrenntleben E 229 ff. – Minderjährigenunterhalt A 229 ff.
Schuldnerschutzantrag – Vollstreckungsschutzantrag siehe dort Schuldtitel, außergerichtliche – Anwaltsvergleich mit Unterwerfungsklausel J 31 – notarieller Unterhaltsvertrag J 29 f. – notarielles Schuldanerkenntnis J 28 – Unterhaltsanerkenntnis vor dem Jugendamt J 27 – vollstreckbare Urkunde des Jugendamts J 26 – Voraussetzungen J 33 Schüler – Betreuung schulpflichtiger Kinder F 90 ff. – Betreuungsunterhaltsanspruch, nachehelicher F 77 – Erwerbsobliegenheit schuldpflichtiger Kinder F 108 – Erwerbstätigkeit B 19 ff. – volljähriger Schüler an allgemeinbildender Schule B 67 ff. Schwiegersohnhaftung – Elternunterhalt C 51, 73 ff. Selbständiger Unterhaltsverpflichteter – Abschreibungen A 94 ff. – Abzugsposten A 88 – Auskunftsanspruch, Umfang I 21 ff. – nach Beginn der Altersrente B 46 – Belegvorlage I 38 – berufsbedingte Aufwendungen A 220; E 66 – Durchschnittseinkommen, Bestimmung E 63 – fiktive Steuerberechnungen A 90 f. – fiktives Einkommen, Zurechnung A 178 ff. – Gewinnberechnung A 92 ff. – Nebentätigkeitsobliegenheit B 46 – neu gegründete Selbständigkeit A 87 – Pfändung der Altersvorsorge M 311 ff. – PKW-Nutzungsvorteile A 197 – Vorsorgeaufwendungen C 64 ff. Selbstbehalt siehe Eigenbedarf Sicherungshypothek M 176 ff. Sofortige Beschwerde siehe Beschwerde, sofortige Sonderbedarf – Entbindungskosten nicht verheirateter Mutter D 12 – Minderjährigenunterhalt A 306 ff. – rückwirkende Forderung B 149
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Sachregister
– Trennungsunterhalt E 7 – Verfahrenskosten A 308 – für die Vergangenheit A 307 – Volljährigenunterhalt B 15 Sozialgeld – Forderungsübergang, gesetzlicher, Rückgriff H 29 ff.; siehe auch Sozialleistungen, Rückgriffsansprüche – Minderjährigeneinkommen A 119, 201 f., 317 Sozialhilfe – Elterneinkommen bei Minderjährigenunterhalt – Bedarfsgemeinschaften A 117 – Regelbedarfsstufen A 111 ff. – Forderungsübergang, gesetzlicher, Rückgriff H 52 ff., 54 ff. – Ausschluss kraft Gesetzes H 58 ff. – Ausschluss wg. unbilliger Härte H 71 ff. – Verwirkung nach bürgerlichem Recht H 74 ff. – gesetzlicher Forderungsübergang, Folgen C 106 ff. – nicht verheiratete Mutter D 57 ff. – Rückgriff C 95 ff.; siehe auch Sozialleistungen, Rückgriffsansprüche – sozialhilferechtliche Vergleichsberechnung – gekürzter Erstattungsanspruch H 66 ff. – Volljährigeneinkommen B 27 Sozialhilferechtliche Vergleichsberechnung – ALG II/Sozialgeld H 39 ff. – Sozialhilfe H 63, 66 ff. Sozialleistungen – Elterneinkommen, Minderjährigenunterhalt A 71 – und Nacheheunterhalt F 239 – Pfändung M 302 ff. Sozialleistungen, Rückgriffsansprüche – Ausschluss wg. unbilliger Härte H 71 ff. – Ausschlussgründe H 36 ff. – fiktive Einkünfte H 41 ff. – gekürzter Erstattungsanspruch H 64 – Kindesunterhalt H 34 f. – Rechtswahrungsanzeige H 37 – Sozialhilfe H 52 ff. – sozialhilferechtliche Vergleichsberechnung H 39 ff., 66 ff. – treuhänderische Rückübertragung H 24 f., 48 f.
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– unterhaltsrechtlicher Auskunftsanspruch H 43 – Unterhaltsübergang H 33 – verfahrensrechtliche Besonderheiten H 46 ff. – Verwirkung nach bürgerlichem Recht H 74 ff. – Voraussetzungen H 29 ff. Sozialleistungsträger – Rückgriffsansprüche H 14 ff. – Rückgriffsmöglichkeiten ggü. Eltern nicht verheirateter Mutter D 94 – sozialhilferechtliche Vergleichsberechnung H 66 ff. – sozialrechtliche Vergleichsberechnung H 39 ff. – unterhaltsrechtlicher Auskunftsanspruch H 43 Sperrfrist – nach Auskunftserteilung über Einkommens- und Vermögensverhältnisse I 47 ff. – im laufenden Unterhaltsverfahren I 50 ff. Spesen – Elterneinkommen bei Minderjährigenunterhalt A 213 Splittingvorteil – Nacheheunterhalt F 320 Statusverfahren – Annexzuständigkeit N 21 f. Steuerabzüge – Abzugsposten A 74, 88 Steuerberechnungen – fiktive bei Minderjährigenunterhalt A 90 f. Steuererstattungen – Minderjährigenunterhalt, rückständiger A 70, 198 – Trennungsunterhalt E 128 ff. Steuerfreibetrag – minderjähriges Kind A 29 Steuerklasse V – Steuerabschlag F 322 Steuerklassen – Veränderungen E 127 Steuernachzahlungen – Minderjährigenunterhalt, rückständiger A 198 Steuervorauszahlungen – Abzugsposten A 89 Steuervorteile – Bauherrenmodell F 324 – begrenztes Realsplitting F 315 ff.
Sachregister
– Familienzuschlag F 323 – durch gemeinsame Veranlagung mit neuem Ehegatten F 320 Studenten – Erwerbstätigkeit B 19 ff. Studienfachwechsel – Ausbildungsunterhalt B 90 ff. Studiengebühren B 9 – Mehrbedarf B 25 Stufenverfahren K 201 ff. – Antrag – Formulierungsvorschlag L 222 – Verfahrenswert K 81 ff., 84 ff. – hinreichende Erfolgsaussicht K 155 ff. – Stufenantrag K 317 ff. – Verfahrenskostenhilfe K 155 ff. Surrogattheorie E 71 Synergieeffekt E 200; F 284 ff. Tabelle zum Preisniveau – internationaler Vergleich N 80 ff. Tabellenunterhalt P I; siehe auch Düsseldorfer Tabelle – Abweichung bei erhöhtem Bedarf B 12 – plus Mehrbedarf A 294 ff. – Unanwendbarkeit A 274 – volljähriges Kind B 11 Tantiemen – Elterneinkommen A 70 Tatsachenpräklusion – Abänderungsverfahren K 351 ff. Teilzeitarbeit – Altersteilzeit F 263 – Altersunterhalt F 119 f., 127 – Aufstockungsunterhalt F 189 – Nacheheunterhalt F 69 Terminreisekosten – Kostenerstattung K 114 – Unterbevollmächtigter K 115 Teuerungsziffern – Bedarfsberechnungshilfen N 85 Titelumschreibung – BAföG M 113 – Erben M 114 – gesetzlicher Forderungsübergang M 108 ff. – Rechtsnachfolge M 80 ff. Tod – Nacheheunterhaltsverpflichteter F 48 – nicht verheiratete Mutter D 105 – nicht verheirateter Vater D 104 Trennungsunterhalt – Abgrenzungen E 1 ff.
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Altersvorsorgeunterhalt E 265 f. Anspruchsvoraussetzungen E 5 ff. Auskunftsansprüche E 48 Auskunftspflicht, wechselseitige I 6 Auslandsbezug N 33 f., 64 ff. Ausschluss wg. grober Unbilligkeit E 24, 260 ff. Bagatellunterhalt E 238 Bedarfsberechnung mit Beispielen E 177 ff. Bedarfsberechnungsmethoden E 180 ff. Bedürftigkeitsprüfung E 20, 197 ff. Befristung wg. grober Unbilligkeit E 260 ff. Beginn E 42 ff. Berechnung E 13 ff., 49 ff.; siehe auch Trennungsunterhalt, Berechnung betreuungsbedürftiges Kind – Altersphasenmodell E 30 ff. – Pflegekind E 33 Billigkeitsunterhalt E 23 Darlegungs- und Beweislast E 48 eheangemessener Lebensbedarf E 13 ff.; siehe auch Getrenntleben, eheangemessener Lebensbedarf Einkommensbereinigung E 64 ff. – bedarfsbestimmendes Einkommen E 69 ff., 73 ff. – bedürftigkeitsminderndes Einkommen E 200 ff. – Elementarbedarf E 5 ff. Ende E 46 ff. Erwerbsobliegenheit E 25 ff.; siehe auch dort – Erkrankung E 39 – Verstoß gg. E 38 Erwerbstätigenbonus E 17 ff. Getrenntleben E 8 ff. Grundsatz der Halbteilung E 17 ff. Herabsetzung wg. Unbilligkeit E 260 ff. isoliertes Verfahren K 267 ff. Krankenvorsorgeunterhalt E 264 Lebenspartner G 6 Leistungsfähigkeit E 21 ff., 210 ff.; siehe auch Getrenntleben, Leistungsfähigkeit Mangelfallberechnung E 239 ff. Mehrbedarf E 7 Prüfungsschema E 49 rückständiger Unterhalt – Verwirkung E 275 f. Sonderbedarf E 7 Trennungsvorsorgeunterhalt E 7
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Sachregister
– überobligatorische Erwerbstätigkeit E 90 ff. – Überzahlungen, erhebliche H 76 ff. – Umfang E 7 – unbillige Inanspruchnahme E 11 – Unterhaltsverträge E 267 – Verfahrenskostenvorschuss E 277 ff. – verfestigte Lebensgemeinschaft F 464 – für die Vergangenheit E 268 ff. – Verjährung E 272 f., – Verwirkung E 271 – Verzugszinsen E 270 – Vermögensverwertungspflicht A 143 – Verzicht E 47 – Vorsorgeunterhalt F 368 – Zahlungsantrag – Muster K 267 ff. Trennungsunterhalt, Berechnung – abweichende Einkommensentwicklungen E 73 – Additionsmethode E 180 ff. – Alleinverdienerehe E 187 – Bagatellunterhalt, Begrenzung E 126 – Bedarfsberechnung mit Beispielen E 177 ff. – bedarfsbestimmendes Einkommen E 69 ff. – Problemfälle E 82 ff. – bedürftigkeitsmindernde Einkünfte E 200 ff. – Bedürftigkeitsprüfung E 197 ff. – Beispiele E 184 ff. – Billigkeitsentscheidung E 90 ff. – Checkliste 1: Klärung der aktuellen Einkommensverhältnisse – unselbständige Erwerbstätigkeit E 68 – Checkliste 2: Berechnung des bedarfsbestimmenden Einkommens E 81 – Doppelverdienerehe, Einkünfte aus Erwerbstätigkeit E 188 – Doppelverdienerehe, gemischte Einkünfte E 189 – Durchschnittseinkommen, Bestimmung E 61 ff. – Einkommensbereinigung E 64 ff., 74 ff. – fiktive Einkünfte E 108 ff. – Zusammenleben mit neuem Partner E 116 ff. – konkurrierende Unterhaltsansprüche von getrennt lebenden und geschiedenen Ehegatten E 190 – Kreditraten E 149 ff.
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– Mangelfallberechnung E 239 ff.; siehe auch Getrenntleben, Mangelfallberechnung – Mietkosten während Trennungszeit E 160 – prägende eheliche Lebensverhältnisse E 69 ff.; siehe auch Getrenntleben, prägende eheliche Lebensverhältnisse – Quotenunterhalt E 177 ff. – Realsplitting, begrenztes E 135 ff. – Steuerklassen, Veränderung E 127 – Surrogattheorie E 71 – trennungsbedingter Mehrbedarf E 163 ff. – überdurchschnittlich hohes Einkommen E 119 ff. – überobligatorische Erwerbstätigkeit E 95 ff. – Unterhaltsleistungen für Kinder E 164 ff. – Wegfall der Geschäftsgrundlage E 72 – Wohnvorteil E 143 ff. – zu berücksichtigende Einkünfte E 53 ff. – Zusammenveranlagung nach Trennung E 134 Trennungsvorsorgeunterhalt – Altersvorsorgeunterhalt E 265 f. – getrennt lebender Ehegatte E 7 – Krankenvorsorgeunterhalt E 264 Trinkgeld – Elterneinkommen, Minderjährigenunterhalt A 70 Übergangsvorschriften O 5 ff. – FGG-Reformgesetz O 1 ff. – Gesetzesänderung O 12 ff. – Kindesunterhaltstitel, dynamischer O 23 ff. – titulierter Unterhaltsanspruch O 9 ff. – zum Unterhaltsänderungsgesetz O 5 ff. – wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung O 16 Überobligatorische Erwerbstätigkeit – Altersunterhalt F 114 – Betreuungsunterhalt F 62 ff. – nach Billigkeit E 200 – wg. Kindesbetreuung E 95 ff. ; F 264 ff., 270 ff., 352 – Minderjährigenunterhalt A 312, 131 ff. – Nacheheunterhalt F 270 ff. – Nebentätigkeiten E 92 f. – privilegierte volljährige Kinder A 134
Sachregister
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Schüler, Studenten B 20 Trennungsunterhalt E 90 ff. Überstunden E 92 f. unzumutbare Erwerbstätigkeit E 207 ff. – Volljährigenunterhalt B 60 f. Überschuldung – während Getrenntleben E 237 Überstundenvergütung – Minderjährigenunterhalt A 70 – Volljährigenunterhalt B 60 f. Überzahlungen – Aufrechnung H 94 ff. – freiwillige Unterhaltszahlungen H 76 ff. – während laufendem Unterhaltsverfahren H 77 ff. – Trennungsunterhalt H 76 ff. – unrichtig gewordener Unterhaltstitel H 84 ff. – vorläufige Titulierung H 78 Umgangskosten – Getrenntleben E 164, 233 – Minderjährigenunterhalt A 224 ff. – Beteiligung des anderen Elternteils A 226 Umschüler – Selbstbehalt A 324 Umschulung – Fortbildungsobliegenheit F 171 ff. Umschulungsunterhalt – Nacheheunterhalt F 216 ff.; siehe auch Ausbildungsunterhalt, nachehelicher Ungeklärte Vaterschaft – einstweiliges Anordnungsverfahren auf Unterhalt D 110 ff. – rückwirkende Geltendmachung von Unterhalt D 120 f. – Scheinvaterregress D 113 ff. – Vaterschaftsklärurung D 5 – vermutete Vaterschaft D 109 ff. Unpfändbarkeitsvoraussetzungen – Abänderungsverfahren M 320 ff. – Änderungsantrag M 325 – Änderungsvoraussetzungen M 318 f. Unterhalt für die Vergangenheit – Altersvorsorgeunterhalt F 378 – Elternunterhalt C 120 ff. – Krankenvorsorgeunterhalt F 387 – Nacheheunterhalt F 521 ff. – nicht verheiratete Mutter D 99 ff. – Trennungsunterhalt E 268 ff. – Verzugszinsen D 102; E 270 ff. – Volljährigenunterhalt B 148 ff.
Unterhaltsänderungsgesetz – Altfälle, Vertrauensschutz O 5 ff. – Anpassung dynamischen Kindesunterhaltstitels O 23 ff. – Übergangsvorschriften O 5 ff.; siehe auch dort Unterhaltsanspruch – Abänderung O 17 ff. – Anschlussunterhalt F 11 ff. – Auslandsbezug N 73 ff. – außergerichtliche Titulierung J 25 ff. – Berechnungshilfen N 76 ff. – Billigkeitsunterhalt F 350 ff. – formlose Absprachen J 2 f. – Gesetzesänderung O 12 ff. – Getrenntleben siehe Trennungsunterhalt – Minderjährigenunterhalt A 1 ff.; siehe auch Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes – nachehelicher F 1 ff.; siehe auch Nacheheunterhalt – nachpartnerschaftlicher G 1 ff. – Prüfungsschema A 63 ff. – Rangverhältnisse F 534 ff. – Rückforderung zu viel gezahlten H 76 ff. – rückständiger F 525 ff. – Teilunterhalt F 11 ff. – unrichtig gewordene Unterhaltstitel H 84 ff. – Unterhaltsverträge E 267 – für die Vergangenheit E 268 ff.; F 521 f. – vorprozessuale Durchsetzung J 1 ff. – Vorsorgeunterhalt wg. Alters-, Erwerbs- und Berufsunfähigkeit F 367 ff. – wesentliche Veränderung unterhaltsrelevanter Verhältnisse O 16 ff. Unterhaltsanspruch, außergerichtlich titulierter – Anwaltsvergleich mit Unterwerfungsklausel J 31 – notarieller Unterhaltsvertrag J 29 f. – notarielles Schuldanerkenntnis J 28 – Unterhaltsanerkenntnis vor dem Jugendamt J 27 – Unterhaltsverträge, Form und Inhalt J 32 ff. Unterhaltsanspruch der Eltern siehe Elternunterhalt Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten siehe Nacheheunterhalt
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Sachregister
Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes – Abänderungsverfahren K 327 ff.; siehe auch dort – Altersstufen A 246 f. – Anspruchsvoraussetzungen A 4 ff. – Antragsmuster K 277 f. – Arbeitslosengeld II, Rückgriff des Leistungsträgers H 29 ff. – Auskunftsanspruch A 14 – ggü. barunterhaltspflichtigem Elternteil I 5 – Auslandsbezug N 54 ff. – ausschließlicher Gerichtsstand K 20 ff. – Barunterhaltspflicht A 7 ff., 356 ff. – beider Eltern A 260 ff. – Bedarf A 6 ff.; siehe auch Minderjähriges Kind, Bedarf – Bedarfskontrollbeträge A 248 ff. – Bedürftigkeit A 36 ff., 309 ff.; siehe auch Minderjähriges Kind, Bedürftigkeit – Beginn A 62 – Berechnung A 63 ff. – Beschränkung/Wegfall nach § 1611 BGB A 360 – Dauer A 62 – Düsseldorfer Tabelle A 244 ff.; P I; siehe auch dort – dynamisierter Unterhalt – Antragsmuster K 277 ff. – Regelbeträge A 33 ff. – Einkommensgruppen A 245 – Einkünfte aus Nebentätigkeit A 128 – Einkünfte aus überobligatorischer Tätigkeit A 136 – im einstweiligen Anordnungsverfahren A 397 – Elterneinkommen A 68, 73 ff., 131 ff.; siehe auch Leistungsfähigkeit der Eltern minderjähriger Kinder – Ersatzhaftung anderer Verwandter A 50 f. – Geldrente A 6 – gesetzlicher Forderungsübergang auf Sozialleistungsträger H 14 ff.,34 f.; siehe auch Unterhaltsvorschuss, gesetzlicher Forderungsübergang – gesteigerte Unterhaltspflicht, Wegfall A 49 ff. – Grundsatz der Gleichwertigkeit A 7 ff. – Haager Unterhaltsprotokoll N 54 ff.
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– Hausmann-/Hausfraurechtsprechung A 181 ff. – bei Heimbetreuung A 262 – Höher-/Herabstufung A 252 ff. – Kindergeldanrechnung A 1 ff., 274 f. – Kindergeldausgleich A 285 ff. – Kinderzulagen A 291 ff. – Leistungsfähigkeit der Eltern A 39 ff., 319 ff.; siehe auch Leistungsfähigkeit der Eltern minderjähriger Kinder – Mangelfälle A 349 ff. – Mehrbedarf A 294 ff. – Mindestunterhalt A 19 ff.; K 286 ff. – notwendiger Eigenbedarf der Eltern A 47 f.; siehe auch Eigenbedarf – Obliegenheiten des Unterhaltspflichtigen A 41 ff. – Rangverhältnisse A 366 f. – Rückstände, Verwirkung A 378 ff. – Sonderbedarf A 306 ff. – Sozialgeld A 119 – titulierter dynamischer O 23 ff. – Unterhaltsverträge A 361 ff. – Unterhaltsverzicht A 361 ff. – Unterhaltsvorschussanspruch A 345 – vereinfachtes Verfahren K 525 ff. – Verfahrenskostenvorschuss A 392 ff. – für die Vergangenheit A 368 ff. – Verjährung A 387 ff. – Vermögensverwertung A 138 ff. – Verwirkung A 360 – Zurechnung fiktiven Einkommens A 45 f. Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes – Abzugsposten bei Nacheheunterhalt F 327 ff. – vor der Geburt K 522 ff. – Vaterschaftsfeststellung iVm. Zahlung von Mindestunterhalt K 509 ff. – Verfahrensbesonderheiten A 3 – verfahrensrechtliche Besonderheiten K 506 ff. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes B 1 ff. – Anspruchsvoraussetzungen B 3 ff. – Ausbildungsunterhalt B 73 ff.; siehe auch dort – Auskunftspflicht der Eltern I 7 – Barunterhaltsanspruch B 6 ff. – Bedarf B 6 ff. – Bedarfsberechnung B 111 ff.
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– Bedürftigkeit B 16 ff.; siehe Volljähriges Kind, Bedürftigkeit – Beschränkung/Wegfall nach § 1611 BGB B 142 ff. – Darlegungs- und Beweislast B 5 – nach Düsseldorfer Tabelle B 111 ff.; siehe auch dort – Erziehung eines eigenen Kindes B 107 – Forderungsübergang auf Sozialleistungsträger H 34 f. – Kürzung nach Billigkeit B 145 f. – Leistungsfähigkeit der Eltern B 33 ff.; siehe auch Leistungsfähigkeit, Eltern volljähriger Kinder – Naturalunterhaltsanspruch B 6 ff. – pauschalierte Regelbedarfssätze B 111 ff., 114 ff. – privilegierte volljährige Kinder B 1, 36, 44; siehe auch dort – Rangverhältnisse B 156 f. – Unterhalt außerhalb der Ausbildung B 104 ff. – Arbeitslosigkeit B 106 – Erkrankung B 105 – Erwerbsobliegenheiten 106 – Unterhaltsrückstände, Verwirkung B 152 ff. – Unterhaltsverträge B 155 – Unterhaltsverzicht B 155 – für die Vergangenheit B 148 ff. – Verjährung B 151 f. – Verwirkung B 152 ff. – Verzugszinsen B 150 Unterhaltsanspruch nicht verheirateter Mutter D 1 ff. – Arbeitslosigkeit D 53 f. – Auskunftsanspruch D 45 – Bedarf D 48 ff. – abweichend vom Lebensstandard der nichtehelichen Lebensgemeinschaft D 61 – Bedürftigkeit D 65 ff. – Berechnung D 39 ff. – Beschränkung D 83 ff. – Betreuung weiterer Kinder aus nicht geschiedener Ehe D ff. – Billigkeitsunterhalt D 86 ff. – eigene Einkünfte D 65 ff. – Elterngeld D 68 f. – Entbindungskosten D 12 – Ersatzansprüche ggü. Eltern D 94 – Ersatzhaftung D 91 ff. – freiwillige Leistungen Dritter D 70 – grobe Unbilligkeit D 56
– Grundsatz der Halbteilung D 42 ff., 59 ff. – Kindesbetreuung D 15 ff. – Kürzung D 87 – Leistungsfähigkeit des Vaters D 72 ff. – Mindestbedarfssatz D 57 ff. – Mutterschutzunterhalt D 8 ff. – Prüfungsschema D 39 – Rangverhältnisse – bis zum 31.12.2007 98 – seit dem 1.1.2008 D 88 ff. – Rückgriffsmöglichkeiten der Sozialleistungsträger D 94 ff.; siehe auch dort – rückwirkende Geltendmachung D 120 f. – Scheinvaterregress D 113 ff. – schwangerschaftsbedingte Erkrankung D 13 f. – schwere Verfehlung der Mutter D 84 ff. – Selbstbehaltssatz des Vaters D 44 – Sozialhilfebezug D 57 – Surrogatgedanke D 62 – Tod der Mutter D 105 – Tod des Vaters D 104 – Unterhaltstatbestände D 6 ff. – Unterhaltsvorausleistungen D 113 ff. – Väter als Teilschuldner D 46 – Vaterschaftsklärung D 5, 109 ff. – Verfahrenskostenvorschuss D 107 – verfahrensrechtliche Besonderheiten K 506 ff. – für die Vergangenheit D 99 ff. – Verjährung D 106 – Verlängerung D 51 – Vermögenseinsatz D 71 – Verwirkung D 103 ff. – Wegfall D 83 ff. – zumutbare Tätigkeit D 66 f. Unterhaltsanspruch privilegierten volljährigen Kindes B 1, 36, 44 – ausschließlicher Gerichtsstand K 20 – überobligatorische Erwerbstätigkeit A 134 – Unterhaltspflicht, gesteigerte B 36 Unterhaltsanspruch, Vater nichtehelich geborenen Kindes siehe Unterhaltsanspruch, Mutter nichtehelich geborenen Kindes Unterhaltsansprüche nicht verheirateter Eltern D 1 ff. – Unterhaltsanspruch der Mutter siehe Unterhaltsanspruch nicht verheirateter Mutter
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– Unterhaltsanspruch des Vaters siehe Unterhaltsanspruch nicht verheirateter Mutter Unterhaltsbeschluss – Anordnung der sofortigen Wirksamkeit im Verbund K 255 ff. – Bekanntgabe K 251 – Bestimmtheit M 42 ff. – Endentscheidung siehe dort – Form K 241 ff. – Inhalt K 246 ff. – Kostenentscheidung K 251 – Rechtsmittelbelehrung K 264 ff. – im Verbund K 239 ff. – im vereinfachten Verfahren K 567 ff. – Vollstreckbarkeit K 254 – Einstellung/Beschränkung K 261 ff. – Wirksamkeit K 253 Unterhaltsbeschränkung, Härtegründe – anderer ebenso schwerwiegender Grund F 491 ff. – grobe Unterhaltspflichtverletzungen F 485 ff. – mutwillige Herbeiführung der Bedürftigkeit F 476 ff. – schwerwiegendes einseitiges Fehlverhalten F 486 ff. – Unterhaltszeiträume bis 31.12.2007 F 501 ff. – Verbrechen oder schweres vorsätzliches Vergehen F 466 ff. – verfestigte Lebensgemeinschaft F 457 ff. – Fallgruppen F 493 ff. – Verletzung schwerwiegender Vermögensinteressen F 481 ff. Unterhaltsbeschränkung wg. grober Unbilligkeit – Beschränkung/Versagung des Nacheheunterhalts F 435 ff. – Ehe von kurzer Dauer F 447 – grobe Unterhaltspflichtverletzungen F 485 ff. – Härtegründe siehe Unterhaltsbeschränkung, Härtegründe – mutwillige Herbeiführung der Bedürftigkeit F 436 ff. – verfestigte Lebensgemeinschaft F 437 – Verletzung schwerwiegender Vermögensinteressen F 481 ff. – Wegfall der Gründe F 444 Unterhaltsbestimmungsrecht – Eltern minderjähriger Kinder A 1 – Verfahrenskostenvorschuss B 141 – Volljähriger B 135 ff.
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Unterhaltsfolgesache – Abtrennung K 233 – Entscheidung durch Beschluss K 237 ff. – Nacheheunterhalt K 216 ff. – Scheidungsverbund K 213 ff. – verfahrensrechtliche Besonderheiten K 220 ff. Unterhaltsherabsetzung – Nacheheunterhalt nach Billigkeitsprüfung F 390 ff., 426 ff. Unterhaltsrückforderung – Aufrechnung H 94 ff. – bei einstweiliger Rechtsschutz K 492 ff. – freiwillige Zahlungen H 76 ff. – Überzahlung während laufenden Unterhaltsverfahrens H 77 ff. – unrichtig gewordene Unterhaltstitel H 84 ff. Unterhaltsrückstände – Minderjährigenunterhalt A 198, 378 ff. – Nacheheunterhalt F 531 ff. – Tenorierung M 43 – Trennungsunterhalt E 275 f. – Verwirkung A 378 ff.; B 152 ff.; C 124 ff.; E 275 f.; F 531 ff. – Volljährigenunterhalt B 152 ff. Unterhaltsstreitsachen – Auslandsbezug N 1 ff. – Definition K 5 ff., 15 – Entscheidungsgrundlagen K 191 ff. – gleichbleibende Teilleistungen K 301 ff. – Kostenerstattung K 113 ff. – Rechtsmittel L 1 ff. – Rückgriff der Vorschusskasse H 22 – im Scheidungsverbund K 112 – Systematik K 7 ff. – Teil-, Zusatz- oder Nachforderung K 294 ff. – Unterhaltsstreitverfahren siehe dort – zuständiges Gericht K 16 ff. – Zwangsvollstreckung M 1 ff.; siehe auch dort Unterhaltsstreitverfahren – Abänderungsverfahren K 327 ff. – anhängige Ehesache K 18 f. – Anträge K 267 ff. – Anwaltszwang K 60 ff. – Auskunfts- und Unterhaltsverlangen K 201 ff. – Auskunftsbeschaffungspflicht K 200
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– Auskunftsverlangen A 20; K 193 ff. – Durchsetzung K 199 – schriftliche Versicherung der Richtigkeit K 196 f. – Versäumnisse K 107 – mit Auslandsbezug N 1 ff.; siehe auch Verfahren mit Auslandbezug – Beistandschaft des Jugendamts K 51 ff. – Beschluss K 237 ff. – Beschwerdeverfahren K 189 – besondere Verfahrensvoraussetzungen K 187 ff. – Beteiligte K 34 ff. – dynamisierter Kindesunterhalt K 279 ff. – einstweiliger Rechtsschutz K 402 ff.; siehe auch dort – Ergänzungspflegschaft K 56 ff. – Instanzenzug K 16 ff. – Kindesunterhaltsstreitverfahren A 130 – Kosten K 65 ff., 92 f., 94 ff.; siehe auch dort – Kostenentscheidung K 97 ff., 114 – isoliertes Verfahren K 98 ff. – Mindestunterhalt K 286 ff. – negativer Feststellungsantrag K 400 ff. – Nichtöffentlichkeit K 188 – sofortige Beschwerde L 241 ff. – sofortiges Anerkenntnis K 108 – subjektive Antragshäufung K 277 f. – Terminsverlegung K 190 – Überzahlung während laufenden Verfahrens H 77 ff. – Unterhaltsanpassung K 357 ff. – vereinfachtes Verfahren K 525 ff.; siehe auch Vereinfachtes Unterhaltsverfahren – Verfahrenskostenhilfe K 116 ff., 267 ff.; siehe auch dort – Verfahrenskostenvorschuss K 178 ff. – verfahrensrechtliche Auskunftspflicht Dritter K 205 ff. – Verfahrensstandschaft K 41 ff. – Wegfall K 59 – Verfahrenswert K 67 ff.; siehe auch dort – Vertretung minderjährigen Kindes K 37 ff. – Alleinvertretungsbefugnis K 39 f. – Obhut K 45 ff.
– Volljährigkeit während des Verfahrens K 59 – Vollstreckungsabwehrverfahren K 387 ff. – zuständiges Gericht K 16 ff.; siehe auch dort – Zwangsvollstreckung M 1 ff.; siehe auch dort Unterhaltstabelle – Bedarfsberechnung, minderjähriges Kind A 244 ff. – Bedarfsberechnung, volljähriges Kind B 111 ff. – Düsseldorfer Tabelle A 30 ff.; siehe auch dort Unterhaltstitel – Abänderung O 9 ff. – ausländische N 86 ff.; siehe auch Ausländische Unterhaltstitel – auf Belegvorlage M 65 f. – dynamischer M 55 ff. – Gesetzesänderung O 12 ff. – Parteimehrheit M 69 ff. – verfahrensrechtliche Auskunftspflicht Dritter M 67 f. – vollstreckbare Ausfertigung – Antragsmuster M 112 – Vornahme von Handlungen M 58 ff. – Weitervollstreckbarkeit ab Volljährigkeit B 2 – mit Wertsicherungsklausel M 52 ff. Unterhaltstitel, ausländische siehe Ausländische Unterhaltstitel Unterhaltsvergleich – Anwaltsvergleich mit Unterwerfungsklausel J 31 – Gesetzesänderung O 12 ff. – Pflicht zur ungefragten Information I 55 ff. – Wegfall der Geschäftsgrundlage E 72 Unterhaltsverpflichteter – Altersgrenze für Erwerbsobliegenheit F 115 ff. – Arbeitslosigkeit wg. Alkoholabhängigkeit A 338 – Aufnahme einer Aus-/Fortbildung A 177 – Barunterhaltspflicht A 260 ff.,356 – freiwillige Zuwendungen A 318 – Haftungsanteile der Eltern B 126 ff. – Kindergeldausgleich A 285 ff. – mehrere unterhaltspflichtige Kinder C 91 ff. – mehrere Unterhaltsschuldner D 79 f.
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– in nichtehelicher Lebensgemeinschaft A 328 ff. – Obliegenheiten A 41 ff. – Selbstbehalt A 320 ff. – Selbständiger siehe Selbständiger Unterhaltsverpflichteter – Strafhaft A 343 – Tod D 104; F 48 – Unterhaltsbestimmungsrecht B 135 ff., 139 – Verbraucherinsolvenzverfahren A 234 f. – Vermögensverwertung A 138 ff. – Zurechnung fiktiven Einkommens A 156 ff. Unterhaltsvertrag – Anpassung F 518 ff. – Anwaltsvergleich mit Unterwerfungsklausel J 31 – Ausübungskontrolle F 509 ff. – Form J 2 f. – Freistellungsvereinbarung A 362 ff. – Gestaltungsmöglichkeiten J 34 ff. – Getrenntleben E 267 – Inhaltskontrolle F 506 ff.; J 37 – Minderjährigenunterhalt A 361 ff. – Nacheheunterhalt F 502 ff.; J 2 – notarieller Unterhaltsvertrag J 29 f. – privatschriftlicher J 32 – Scheidungsfolgenvereinbarungen F 512 – Sittenwidrigkeit F 507 f. – Unterhaltsabgeltung durch Kapitalabfindung F 520 – Unterhaltsverzicht F 513 ff.; siehe auch dort – veränderte Umstände F 518 ff. – Vergleich O 12 ff. – Volljährigenunterhalt B 155 – als Vollstreckungstitel J 33 Unterhaltsverzicht – auf einzelne Unterhaltstatbestände F 516 – Minderjährigenunterhalt A 361 ff. – missbräuchliche Rechtsausübung F 514 – Trennungsunterhalt E 47, 267 – Unterhalt für den Notfall F 515 – Verfahrenswert K 91 – vertraglicher F 513 ff. – Volljährigenunterhalt B 155 – Wirksamkeitskontrolle F 514 ff. Unterhaltsvorausleistungen – Unterhaltsanspruch nicht verheirateter Mutter D 113 ff.
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Unterhaltsvorschuss – alleinerziehender Elternteil H 2 – Anspruchsinhaber H 1 ff. – Anspruchsvoraussetzungen H 2 ff. – Aufstockungsanspruch H 8 – Auskunftsanspruch, öffentliche rechtlicher H 16 – Ausschlussgründe H 11 ff. – defizitäre Unterhaltszahlung H 4 f. – gesetzlicher Forderungsübergang H 14 ff.; siehe auch dort – häusliche Gemeinschaft H 2 – Höhe H 9 f. – Inlandsaufenthalt H 6 – Minderjährigeneinkommen, Anwendung A 200, 345 – Rückgriff des Leistungsträgers H 14 ff.; siehe auch dort – Titelumschreibung M 111 – Umfang H 7 ff. – Vorrang vor Sozialgeld H 6 – durch Vorschusskasse H 14 ff. – bei Wechselmodell H 3 Unterhaltsvorschuss, gesetzlicher Forderungsübergang H 14 ff. – Darlegungs- und Beweislast H 26 – Durchsetzung H 28 – Geltendmachung H 21 ff. – titulierter Unterhaltsanspruch H 27 – treuhänderische Rückübertragung H 24 f. – Unterhalt für die Vergangenheit H 17 – Unterhaltsstreitverfahren H 22 – Verjährung H 19 – Verwirkung H 18 – Zahlungsaufforderung H 21 Unterhaltsvorschusskasse – Auskunftsansprüche H 16 – Rechtswahrungsanzeige H 17 – Rückgriffsansprüche H 14 ff.; siehe auch Unterhaltsvorschuss, gesetzlicher Forderungsübergang Vaterschaft – nichteheliches Kind D 5 – rückwirkende Geltendmachung von Unterhalt D 120 f. – Scheinvaterregress D 113 ff. – Vaterschaftsfeststellung – einstweilige Anordnungen K 517 ff. – iVm. Zahlung von Mindestunterhalt K 509 ff. – zuständiges Gericht K 29 – vermutete D 109 ff.
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Verbindlichkeiten – Abzugsfähigkeit A 74 ff. 229 ff.; D 77 f. – Unterhaltsverbindlichkeiten siehe Rangverhältnisse – Wohnen im eigenen Haus A 237 ff. Verbraucherinsolvenzverfahren – Obliegenheit zur Einleitung A 44 – des Unterhaltsverpflichteten A 234 f., 342 Verbundendentscheidung – Anschlussbehelfe L 118 ff. Verdienstbescheinigung – Belegvorlage I 36 Vereinfachtes Unterhaltsverfahren K 25 ff. – Abänderungsverfahren K 576 ff. – Beschwerde K 575 – Einwendungen K 555 ff. – Festsetzungsantrag K 536 ff. – Festsetzungsbeschluss K 571 ff. – Minderjährigenunterhalt K 529 ff. – Statthaftigkeit K 530 ff. – Übergang ins streitige Verfahren K 571 ff. – Verfahrenswert K 75 Verfahren mit Auslandsbezug – Altverfahren zum Nacheheunterhalt N 67 f. – anwendbares materielles Recht N 43 ff. – ausländische Unterhaltstitel N 86 ff. – Berechnungshilfen N 77 ff. – Elternunterhalt, anwendbares Recht N 54 ff. – Europäischer Gerichtsatlas für Zivilsachen N 121 – Europäisches justizielles Netz für Zivil- und Handelssachen N 120 – Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten a anzuwendende Recht (HUÜ 73) N 69 ff. – Haager Unterhaltsprotokoll N 45 ff. – internationale Zuständigkeit N 1 ff. – Kindesunterhalt, anwendbares Recht N 54 ff. – Kontaktstellen/Informationsmöglichkeiten N 119 ff. – Kosten N 118 – Ländergruppeneinteilung N 77 ff. – Link: internationale Normen N 122 – Nacheheunterhalt, anwendbares Recht N 64 ff. – Rechtshängigkeit im Ausland N 30 f. – Rechtsquellen N 3 ff.
– Tabellen zum Preisniveau N 80 ff. – Teuerungsziffern N 85 – Trennungsunterhalt, anwendbares Recht N 64 ff. – Unterhaltsbemessung N 73 ff. – Unterstützung durch zentrale Behörden N 116 f. – Verbindungsrichter, von Mitgliedsstaaten benannte N 121 – Verfahrenskostenhilfe N 118 – völkerrechtliche Vereinbarungen N 69 ff. – mit kollisionsrechtlichen Regelungen N 72 – Vorrang supranationalen Rechts N 3, 44 – Zugang zum Recht N 116 ff. Verfahrensanträge – dynamisierter Kindesunterhalt K 279 ff. – gleichbleibende Teilleistungen K 301 ff. – Mindestunterhalt K 286 ff. – subjektive Antragshäufung K 277 f. – Teil-, Zusatz- oder Nachforderung K 294 ff. – Verfahrenskostenhilfe K 267 ff. – Zahlung von Trennungsunterhalt K 267 ff. Verfahrensgericht – Zuständigkeit in Zwangsvollstreckungsmaßnahmen M 30 Verfahrenskosten – Kostenentscheidung K 251 – Kostenerstattung K 113 ff. – Scheidungsverbund K 112 – Verfahrenskostenhilfe K 116 ff.; siehe auch dort – Verfahrenskostenvorschuss A 392 ff.; K 178 ff. Verfahrenskostenhilfe – Ablehnung K 131 ff. – Antragsmuster K 267 ff. – Anwaltszwang, Ausnahme vom K 63 – Auslandsbezug N 118 – Bedürftigkeit K 134 ff. – Bewilligungsänderung K 169 ff. – Bewilligungsaufhebung K 174 ff. – Bewilligungsverfahren K 117 – Bewilligungsvoraussetzungen K 134 ff. – einstweiliger Rechtsschutz K 476 ff. – Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse K 135 ff.
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– fehlender Mutwillen K 159 ff. – hinreichende Erfolgsaussicht K 152 ff. – sofortige Beschwerde K 131 ff.; L 7 – Trennungsunterhaltsverfahren E 280 ff. – Verfahrensbevollmächtigter, Beiordnung K 163 ff. – Verfahrenskostenhilfeantrag L 60 ff. – Versagung L 246 ff. – Wirkung K 166 ff. – Zwangsvollstreckung M 34 Verfahrenskostenvorschuss – durch einstweilige Anordnung K 178 ff. – Antragsanmerkungen K 181 ff. – Antragsmuster K 180 – Minderjährigenunterhalt A 392 ff. – Nacheheunterhalt F 539 – nicht verheiratete Mutter D 107 – Trennungsunterhalt E 277 ff. – Volljährigenunterhalt B 141, 158 ff. – Vollstreckungsprivilegierung M 203 f. Verfahrensstandschaft – eines Elternteils für minderjähriges Kind K 41 ff. – Wegfall K 59 Verfahrenswert – Auskunftsantrag K 82 f. – dynamisierter Unterhalt K 71 – mehrere Unterhaltsansprüche in einem Verfahren K 69 ff. – negativer Feststellungsantrag K 79 ff. – Rechtsmittelinstanz K 77 – Stufenklage K 84 ff. – Unterhaltsabänderungsverfahren K 78 ff. – Unterhaltsverzicht K 91 – vereinfachtes Verfahren K 75 – Vollstreckbarerklärung ausländischen Unterhaltstitels K 90 – Vollstreckungsabwehrantrag K 86 – nach Zahlungsantrag K 68 Verfestigte Lebensgemeinschaft – Fallgruppen F 493 ff. – Härtegrund für Unterhaltsbeschränkung F 457 ff. – intime Beziehungen F 459 – Kindeswohl F 462 – Leistungsfähigkeit des neuen Lebenspartners F 460 – Trennungsunterhalt, Verwirkung F 464 – Unterhaltsbeschränkung F ff.
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Verjährung – Barunterhalt A 387 ff. – Elternunterhalt C 127 – familienrechtlicher Ausgleichsanspruch H 102 – Minderjährigenunterhalt A 387 ff. – Nacheheunterhalt F 533 – Trennungsunterhalt E 272 ff. – Unterhaltsanspruch nicht verheirateter Mutter D 106 – Volljährigenunterhalt B 151 f. Vermögen – Barvermögen C 84 – Bestandsverzeichnis, Vorlage I 41 – Elternunterhalt C 18 ff., 85 ff. – Getrenntleben E 54, 200 – Minderjährigenunterhalt A 72 – Nacheheunterhalt F 348 – nicht verheirateter Mutter D 71 – Notgroschen C 19 – prägende eheliche Lebensverhältnisse F 296 ff. – Rückgewähransprüche aus Schenkungsrecht C 19 – Schonvermögen C 85 ff. – Substanzverwertung B 30 – Vermögensauskunft I 16 ff. – Vermögenserträge E 234; F 296 ff. – Vermögensstammverwertung C 18 ff. – Vermögensverwertung C 82 ff.; E 203; siehe auch dort Vermögensauskunft – Gerichtsvollzieher, Einholung M 26 Vermögensbereinigung – Abzugsposten siehe Einkommensabzug Vermögensverwertung – Billigkeitsprüfung A 142 – Elternunterhalt A 143 – Minderjährigenunterhalt A 141 ff. – selbst genutzte Immobilie A 141 – unterlassene A 157 – Verwertungspflicht A 141 Versicherungsbeiträge – abzugsfähige beim Minderjährigenunterhalt A 241 Vertretungsbefugnis – Alleinvertretungsbefugnis siehe auch dort – Beistandschaft des Jugendamts K 51 ff. – Ergänzungspflegschaft für minderjähriges Kind K 56 ff. – Obhut, Begriff K 45 ff.
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– Verfahrensstandschaft K 41 ff. – Volljährigkeit während des Verfahrens K 59 Verweisung – zwischen den Spruchkörpern K 32 – Zuständigkeitskonflikte K 31 ff. Verwirkung – Auskunfts- und Unterhaltsverlangen J 24 – Kontaktverweigerung b 144 – Minderjährigenunterhalt A 378 ff. – titulierter Unterhalt F 532 – Trennungsunterhalt für die Vergangenheit E 271 – Unterhaltsanspruch nicht verheirateter Mutter D 83 ff., 103 ff. – Unterhaltsrückstände B 152 ff.; F 531 ff.; E 275 f. – Verwirkungsgrund der schweren Verfehlung 84 ff. – Volljährigenunterhalt B 142 ff. Verzugszinsen – Barunterhalt A 372 ff. – Trennungsunterhalt E 270 – Unterhalt für die Vergangenheit E 270; F 521 ff. – Unterhaltsanspruch nicht verheirateter Mutter D 102 – Volljährigenunterhalt B 150 Volljährigenunterhalt, Leistungsfähigkeit der Eltern B 33 ff. – angemessener Eigenbedarf B ff. – Einkommensbereinigung, weitere Besonderheiten B 60 ff. – Einstandspflicht, unterschiedliche B 33 ff. – Erwerbsobliegenheit B 42 ff. – überobligatorische Tätigkeit B 60 f. – Verstoß B 50 ff. – fiktives Einkommen, Ausfallhaftung B 57 f. – Fortbildungswünsche B 48 ff. – Haftungsanteile der Eltern B 126 ff. – Hausmann-/Hausfraurechtsprechung B 52 ff. – Mangelfälle B 40 – Nebentätigkeit B 45 f. – nichteheliche Lebensgemeinschaft B 52 ff. – Opfergrenze B 44 – privilegierte Volljährige B 44, 47, 49, 61 – selbständiger Erwerbstätiger B 46
– Überstunden B 60 f. – Unterhalt als Einkommen B 62 – Unterhaltsverbindlichkeiten, vorabzugsfähige B 63 ff. – Verlust der Arbeitsstelle B 43 ff. Volljähriges Kind – mit eigenem Hausstand B 130 f. – privilegiertes siehe Privilegiertes volljähriges Kind – Titel auf Minderjährigenunterhalt B2 Volljähriges Kind, Bedarf – Abweichungen von Tabellenbeträgen B 12 – Ausbildungsvergütung B 9 – Bedarfsberechnung B 12 ff., 111 ff. – erhöhter B 12 ff. – fester Regelbedarfssatz B 9 ff. – Leben im Haushalt eines Elternteils B 10 – Lebensbedarf B 9 ff. – Lebensstellung des Bedürftigen B 6 ff. – Mehrbedarf B 14 – pauschalierte Regelbedarfssätze B 114 ff. – Sättigungsgrenze B 13 – Sonderbedarf B 15 – Studiengebühren B 10 – Tabellenunterhalt B 11 – Wohnkosten B 9 Volljähriges Kind, Bedürftigkeit – Abzug von eigenem Einkommen B 118 ff. – Ausbildungsunterhalt B 73 ff. – Ausbildungsversicherungen B 30 – berufs-/ausbildungsbedingte Aufwendungen B 17 – Darlegungs- und Beweislast B 31 f. – eigene Einkünfte B 16 ff. – Arbeitslosengeld II B 27, 106, 109 f. – BAföG B 22 ff. – Erwerbsminderungsrenten B 26 – Schüler, Studenten B 19 ff. – Sozialhilfe B 27 – Erkrankung B 105 – in Höhe des errechneten Bedarfs B 117 ff. – Erziehung eines eigenen Kindes B 107 – überobligatorische Erwerbstätigkeit B 20 ff. – Vermögensstammverwertung B 30 – zweckbestimmte Sozialleistungen B 29
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Volljährigkeit – während des Unterhaltsverfahrens K 59 Vollstreckbare Urkunden – ausländische N 108 Vollstreckbarerklärung – ausländischer Unterhaltstitel, Verfahrenswert K 90 Vollstreckungsabwehrantrag K 388, 393 – Verfahrenswert K 89 Vollstreckungsabwehrverfahren K 387 ff. – Abgrenzung K 391 – Antrag K 388, 393 – einstweiliger Rechtsschutz K 396 – Rechtsschutzbedürfnis K 394 – Umdeutung K 391 – Zulässigkeit K 394 Vollstreckungsgericht M 28 f. Vollstreckungsklausel M 32 – Ausnahmen M 76 ff. – einfache M 92 ff. – Grundsätzliches M 72 ff. – qualifizierte M 95 ff. – Rechtsbehelfe M 116 f. – Rechtsnachfolge M 104 ff. – titelergänzende M 97 ff. – titelübertragende – gesetzlicher Forderungsübergang M 108 ff. – Rechtsnachfolge M 101 ff. – Verfahren M 78 ff. – vollstreckbare Ausfertigung, Antragsmuster M 79 – Voraussetzungen M 103 ff. – Zuständigkeit M 77, 86 ff. Vollstreckungsrechtsbehelfe M 14 ff. – Rechtsbehelfsbelehrung M 15 ff. Vollstreckungsschutz – Antrag, Nachholung im Beschwerdeverfahren M 5 ff. – Anwaltszwang M 12 – bei Endentscheidungen M 2 ff. – nicht zu ersetzender Nachteil M 11 – Pfändungsschutz von Arbeitseinkommen M 181 ff. – Vollstreckungsrechtsbehelfe M 14 ff. – Vollstreckungsschutzmaßnahmen M 12 Vollstreckungstitel – mit Anrechnungsklauseln M 48 ff. – Aufforderung zur Übergabe vollstreckbarer Urkunde J 19 ff. – Auslegung M 39 ff. – Bestimmtheit M 37 ff. – Beispiele M 42 ff.
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Kostenverantwortlicher J 21 ff. notarielle Urkunde M 51 Titelumschreibung M 80 ff. Übersicht M 35 Unterhaltsrückstand M 43 vollstreckbare Ausfertigung – Antrag auf weitere M 115 – Antragsmuster M 90 – Voraussetzungen M 37 ff. – Zahlungstitel M 42 ff. – Zustellung M 32, 118 ff. Vorpfändung M 132 – Antragsmuster M 175 – Durchführung M 168 f. – Rechtsbehelfe M 173 ff. – Voraussetzungen M 167 – Wirkungen M 170 ff. – Zweck M 165 f. Vorratspfändung – Arbeitseinkommen M 232 f. Vorsätzliche Verfehlungen – Beschränkung/Wegfall nach § 1611 BGB B 142 ff. Vorsorgeaufwendungen – Abzugsfähigkeit beim Minderjährigenunterhalt A 242 – Abzugsposten von bedarfsbestimmendem Einkommen A 0 – Schonvermögen C 86 ff. – selbständige unterhaltspflichtige Kinder C 64 ff. Vorsorgeunterhalt – wg. Alters-, Erwerbs- und Berufsunfähigkeit F 367 ff. – Berechnung F 371 ff. – Bremer Tabelle F 372 – Erwerbsunfähigkeitsrente F 369 – wg. Krankheit F 381 ff. – pflichtwidrige Verwendung F 376 – Trennungsunterhalt F 368 – für die Vergangenheit F 378 – Wahl der Vorsorge F 379 – zweckwidrige Verwendung F 479 Wechselmodell – Minderjährigenunterhalt A 265 ff. – Unterhaltsvorschuss H 3 Weiterbildung – Ausbildungsunterhalt B 97 ff. Wertsicherungsklausel – in Vollstreckungstitel M 52 ff. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand L 12
Sachregister
– Angabe und Glaubhaftmachung L 183 ff. – Antragstellung L 162 ff. – Auswirkungen des FamFG L 153 ff. – Entscheidung des Beschwerdegerichts L 195 ff. – fehlendes Verschulden L 188 ff. – Formulierungsvorschlag L 192 – Fristversäumung L 159 ff. – Nachholung der versäumten Verfahrenshandlung L 186 f. – und Verfahrenskostenhilfe L 170 ff. – Wiedereinsetzungsfrist L 165 ff. Wohngeld – Elternunterhalt C 16 f. – Minderjährigenunterhalt A 71 – Trennungsunterhalt E 200 Wohnkosten B 9 Wohnvorteil – bedürftigkeitsminderndes Einkommen E 200 – durch mietfreies Wohnen A 205 ff. – nach der Scheidung A 211 – Tilgungsraten für Eigenheim A 210 – nach der Trennung A 209 – während Trennungszeit E 143 ff. – Wohnen im eigenen Haus F 297 ff., 299 ff. Zählkindvorteil – Kindergeldausgleich A 288 Zahlungstitel – Bestimmtheit M 42 ff. – Parteimehrheit M 69 ff. – Vollstreckungsmöglichkeiten M 125 ff. Zentrale Behörden – Verfolgung von Unterhaltsansprüchen, staatenübergreifende N 116 f. Zinsen – Verzugszinsen – Trennungsunterhalt siehe dort Zurückbehaltungsrecht – Auskunftserteilung über Einkommens- und Vermögensverhältnisse I9 Zusammenveranlagung – nach Trennung E 134 Zuständiges Gericht – Annexzuständigkeit bei Anhängigkeit einer Statussache N 21 f. – einstweiliger Rechtsschutz K 29, 405 ff. – internationale Zuständigkeit N 1 ff. – örtliche Zuständigkeit K 17 ff.
– sachliche Zuständigkeit K 16 ff. – Verfahrensgericht für Vollstreckungen M 30 – Vollstreckungsgericht M 28 f. – Vollstreckungsklausel, Erteilung M 77 – Zuständigkeitskonflikte K 31 ff. Zuständigkeit, internationale – Abänderung ausländischer Unterhaltstitel in Deutschland N 111 ff. – Allgemeines N 1 ff. – Annexzuständigkeit bei Anhängigkeit einer Statussache N 21 f. – Annexzuständigkeit bei Anhängigkeit eines Verfahrens zur elterlichen Verantwortung N 23 – deutscher Gerichte N 1 ff. – einstweiliger Rechtsschutz – autonomes deutsches Recht N 39 ff. – Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Antragsgegners N 9 ff. – Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Unterhaltsberechtigten N 13 ff. – Gerichtsstände, allgemeine (EuUnthVO) N 8 ff. – Gerichtsstände, besondere N 24 ff. – internationale Übereinkommen N 35 ff. – Link: internationale Normen N 122 – Recht der Europäischen Gemeinschaft N 4 ff. – Rechtshängigkeit im Ausland N 30 ff. – Verfahrensbegrenzung zum Schutz des Unterhaltsberechtigten N 28 – Vorrang supranationalen Rechts N 3 Zuständigkeitsrecht, nationales – einstweiliger Rechtsschutz mit Auslandsbezug N 39 ff. Zwangsgeldverfahren – Auskunftspflicht, Belegvorlage M 327 ff. Zwangshypothek M 176 ff. – Antragsmuster M 180 Zwangsversteigerung M 141 ff. – Versteigerungsantrag M 149 Zwangsvollstreckung – Abänderungsverfahren K 385 f. – Änderungen, Überblick M 2 – Antragsvoraussetzungen M 32 ff. – Anwaltszwang M 12, 33 – in Arbeitseinkommen M 181 ff. – Arten M 22
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– Auskunftstitel M 326 ff. – Belegvorlage M 65 f., 326 ff. – Einstellung/Beschränkung M 1 ff.; siehe auch Vollstreckungsschutz – vollstreckungsrechtliche Auswirkungen M 12 f. – Forderungspfändung M 150 ff. – Fristbeginn M 123 f. – Kalendertag M 120 ff. – Kontoguthaben M 234 ff. – Rechtsbehelfsbelehrung M 15 – Sicherungshypothek M 176 ff. – Terminologie M 18 ff. – Unterhaltstitel, ausländische N 86 ff., 109 f. – Verfahrensgericht M 30 – Verfahrenskostenhilfe M 34 – Verfahrensvoraussetzungen M 22 ff. – Vermögensauskunft, Einholung M 26 – Vollstreckungsgericht M 28 f. – Vollstreckungsklausel M 72 ff.; siehe auch dort
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Vollstreckungsorgane M 23 ff. Vollstreckungsrechtsbehelfe M 14 Vollstreckungsschutz M 2 ff. Vollstreckungstitel M 35 ff.; siehe auch dort – Vorpfändung M 165 ff. – Zahlungstitel M 125 ff. – Zwangsgeldverfahren M 327 ff. Zwangsvollstreckung, Handlungen/Unterlassungen – Unterhaltstitel M 58 ff. – zuständiges Gericht M 30, 61 Zwangsvollstreckung, Zahlung – Forderungspfändung M 126 – Immobiliarvollstreckung M 141 ff. – Mobiliarvollstreckung M 133 ff. – Antragsmuster M 139 – Sachpfändung M 127 ff. – Vollstreckungsmöglichkeiten M 125 ff. – Vorpfändung M 132 Zweitausbildung B 101 ff